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1 / 53 Morphologie und Syntax (BA) Morphologie und Syntax (BA) Syntax und Semantik: Argumentstruktur PD Dr. Ralf Vogel Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft Universität Bielefeld, SoSe 2008 [email protected]

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Morphologie und Syntax (BA)

Morphologie und Syntax (BA)Syntax und Semantik: Argumentstruktur

PD Dr. Ralf Vogel

Fakultät für Linguistik und LiteraturwissenschaftUniversität Bielefeld, SoSe 2008

[email protected]

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Morphologie und Syntax (BA)

Gliederung

1 Übungsaufgabe 9

2 Argumentstruktur

3 Argumentstruktur und syntaktische Struktur

4 Semantische Restriktionen

5 Typologie, Subkategorisierungsrahmenreduktion und -erweiterung

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Morphologie und Syntax (BA)

Übungsaufgabe 9

Übungsaufgabe 9

1 Das Dänische bildet definite Nominal-Phrasen mit einem Affix:

(1) en bil — ein Auto ; bilen — Auto-das, „das Auto“

Wenn man jedoch ein Adjektiv hinzufügt, ist das Definitheitsaffix nichtmehr möglich, und ein Artikel muss verwendet werden:

(2) den røde bil — das rote Auto ; *røde bilen — rote Auto-das

Wir beobachten also auch hier eine Arbeitsteilung zwischenMorphologie und Syntax, zwischen analytischer und synthetischerKonstruktion. Stellen Sie die Syntax der dänischen Nominal-Phrasemithilfe des DP-IP-Schemas dar. Welche Bewegungsprozesse mussman dafür annehmen?

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Übungsaufgabe 9

Übungsaufgabe 9

• Wir können die dänische DP ähnlich wie die englische IP analysieren.

• Auch hier beobachten wir die komplementäre Verteilung vonFunktionswort und Affix, die wir nun beide unter D0 einsetzen. Das Affixmuss dann in einem syntaktischen Bewegungsprozess zum N-Kopfhinunter bewegt werden:

(i) DP

D0 NP

en‘ein’

N0

bil‘Auto’

(ii) DP

D0 NP

ti N0

bil

‘Auto’

D0

-en‘das’

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Übungsaufgabe 9

Übungsaufgabe 9

2 Die Bindungs-Prinzipien A, B und C lassen sich einigermaßen auf dasDeutsche übertragen. Analysieren Sie die Bindungsrelationen in denfolgenden Sätzen:

(3) a. Mariai wäscht sichi /*siei

b. Peteri glaubt, dass Mariak ihni /*sichi nicht leiden kann.

c. Mariai hat Holgersk Lügen über siei /*sichi nicht geglaubt.

(3-a) Die Anapher ist Akkusativ-Objekt, wird vom koindizierten Subjektc-kommandiert, und ist deshalb gebunden. Also ist ein Pronomen indieser Position ausgeschlossen (wegen Prinzip B).

(3-b) Der durch ‘dass’ eingeleitete Nebensatz enthält das Subjekt ‘Maria’ unddas Verb ‘leiden’, das das Pronomen/die Anapher regiert. DasAntezedens ‘Peter’ ist außerhalb dieser Bindungsdomäne, also liegtkeine Bindung vor, das Pronomen ist möglich, die Anapher istausgeschlossen.

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Übungsaufgabe 9

Übungsaufgabe 9

(3-c) Mariai hat Holgersk Lügen über siei /*sichi nicht geglaubt.

Die Anapher/das Pronomen ist innerhalb einer DP, in der ein Subjektenthalten ist, ‘Holgers’. Mit der Präposition ‘über’ haben wir darin aucheinen Regenten für Anapher bzw. Pronomen. Also ist diese DP dieBindungsdomäne.

3 Welchen der beiden folgenden Sätze finden Sie besser, und wie könnteman das mit der Bindungstheorie erklären?

(4) a. Holgerk hat Mariai bei ihri zuhause besucht.

b. Holgerk hat Mariai bei sichi zuhause besucht.

• Eigentlich kann man beide Sätze in (4) als nicht sehr gelungenbezeichnen.

• Das Antezedens ‘Maria’ ist Akkusativ-Objekt, dasReflexiv-Pronomen ist in einer PP enthalten, die mit dem Adverb‘zuhause’ eine Ortsangabe bildet, die als Adverb an VP adjungiertist. Die Ausgangsstruktur (=D-Struktur) ist also die Folgende:

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Übungsaufgabe 9

Übungsaufgabe 9

CP

DP C′

Holger C0 VP

hat AdvP VP

PP Adv0 DPi V0

P0 DPi zuhause Maria besucht

bei sichihr

• In dieser D-Struktur wirddie Anapher vomAntezedens nichtc-kommandiert, alsonicht gebunden.

• Allerdings entsprichtdieser Baum auch nichtder eigentlichenOberflächenabfolge, dadie DP ‘Maria’ demAdverb ‘bei sichzuhause’ folgt.(IP aus Platzgründenausgelassen!)

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Übungsaufgabe 9

Übungsaufgabe 9CP

DP C′

Holger C0 VP

hat DPi VP

Maria AdvP VP

PP Adv0 ti V0

P0 DPi zuhause besucht

bei sichihr

• Das Akkusativ-Objekt ist indieserS-Struktur anVP adjungiert.

• Nun ist dieAnapher durchdasAntezedensc-kommandiert,und damit auchgebunden.

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Übungsaufgabe 9

Übungsaufgabe 9

(5) a. Holgerk hat Mariai bei ihri zuhause t besucht.

b. Holgerk hat Mariai bei sichi zuhause t besucht.

• Halten wir also Folgendes fest:

• Auf der D-Struktur liegt keine Bindung vor, da hier die DP ‘Maria’noch an der Position der Spur t steht. Damit wäre hier dasPronomen durch die Bindungstheorie erlaubt, die Anapherverboten.

• Auf der S-Struktur liegt Bindung vor, die Anapher ist hier erlaubt,aber das Pronomen verboten.

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Übungsaufgabe 9

Übungsaufgabe 9

• Welche der beiden Ebenen soll nun relevant sein für die Bindung?• Es sind für beide Sichtweisen Argumente vorgebracht worden.• Ein Vorschlag für das Deutsche ist, dass die Bindungs-Prinzipien nur

einmal erfüllt sein müssen, um als generell erfüllt betrachtet zu werden.• Dadurch wäre es hier möglich, Anapher und Pronomen zu verwenden.• Andererseits könnte auch die bloß teilweise Erfüllung der

Bindungs-Prinzipien Grund dafür sein, dass wir beide Sätze nichtbesonders gelungen finden.

• Generell: Bewegungs-Schritte können Bindungs-Relationen verändern.• Wir müssen dies bei der Formulierung der Bindungstheorie

berücksichtigen.

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Übungsaufgabe 9

Übungsaufgabe 9

4 Eine bemerkenswerte Beobachtung ist, dass Reflexiv-Pronomen nichtim Nominativ stehen können, also dass Formen wie bspw. Englisch‘heself, sheself’ nicht existieren, und zwar in keiner Sprache. Wie könnteman das mithilfe der Bindungstheorie erklären?

• Wenn eine DP im Nominativ steht, dann ist sie von einem finiten INFLregiert und steht im Spezifikator einer IP.

• Damit ist diese IP auch zugleich die Bindungsdomäne für das Subjekt.• Innerhalb dieser IP gibt es nun keine andere Konstituente, die das

Subjekt c-kommandiert.• Also kann eine in dieser Position stehende Anapher auch nicht

innerhalb der IP von einem Antezedens gebunden werden.• Also kann es keine Nominativ-Anaphern geben.

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Argumentstruktur

Subkategorisierung

• In einer früheren Sitzung haben wir das Konzept der Subkategorisierungkennengelernt.

• Es geht hierbei vor allem darum, mit welchen Beifügungen ein Verbauftreten muss.

• Man spricht hier auch von der Stelligkeit oder Valenz (=‘Wertigkeit’, ausder Chemie entlehnt) eines Verbs und seinem Valenzrahmen.

• Da die Gegenwart eines Subjekts von der Finitheit des Verbs abhängt,betrifft dies insbesondere die anderen Beifügungen:

(6) a. Maria lud Heu auf den Wagen.

b. Holger traute niemandem.

c. Sonja wohnte in Sieker.

• Die grün und blau hervorgehobenen Beifügungen können nichtweggelassen werden.

• Solche lexikalischen Selektionseigenschaften sind im Lexikoneintrag derbetreffenden Verben als Subkategorisierungsrahmen festgehalten.

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Argumentstruktur

Subkategorisierungsrahmen

• Bei der Notation verbaler Subkategorisierungsrahmen wird derNominativ weggelassen, da er nicht vom Verb, sondern von derKategorie I (oder INFL) abhängt.

laden: [ DPAkkusativ PPdirektional ]trauen: [ DPDativ ]

wohnen: [ PPpositional ]

• Das Subjekt wird auch als externes Argument bezeichnet.• Alle anderen Elemente sind interne Argumente.• Der Begriff des Arguments kommt aus der Prädikatenlogik.• Verben werden als Prädikate oder Funktoren aufgefasst, die eine

bestimmte Zahl an Argumenten nehmen.

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Argumentstruktur

Subkategorisierungsrahmen

• Die Subkategorisierungsrahmen sind oft nicht willkürlich, sondernhaben mit semantischen Eigenschaften der Verben zu tun:

• ‘LADEN’ ist eine dreistellige Relation: Eine Person (oder Maschine)X läd eine Sache Y an oder in einen Ort Z.

• Man kann sich die Bedeutung dieses Verbs als eine Art‘Spielszene’ mit drei Akteuren vorstellen.

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Argumentstruktur

Argumentstruktur

• Die semantischen Argumente eines Verbs werden in derArgumentstruktur repräsentiert.

• Jedes dieser Argumente hat eine thematische (oder semantische) Rolle.

• Diesen thematischen Rollen geben wir Namen, die individuell auf dasVerb zugeschnitten sein können:

Verb Arg.-Struktur Subkat.-Rahmen

LADEN Ladender, Zu-ladendes, Ziel DPAkk PPDir

TRAUEN Vertrauender, Vertrauen-Empfänger DPDat

WOHNEN Wohnender, Wohnort PPPos

• Solche Rollenbezeichnungen nennen wir individuelle thematischeRollen, da sie für Verben individuell vergeben werden.

• Es ist allerdings gebräuchlicher, thematische Rollen in einige wenigeKategorien zusammenzufassen, die universalen thematischen Rollen.

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Argumentstruktur

Universale thematische Rollen

• Die Menge der universalen thematischen Rollen ist bei verschiedenenAutoren verschieden groß. Dies sind die gängigsten:

Agens Der/die Handelnde, Agierende einer durch ein Verbbeschriebenen Handlung.

Instrument Ein unbelebtes Mittel zur Ausführung einer Handlung, auchdie Ursache eines Ereignisses.

Thema Der meist unbelebte Gegenstand einer Handlung (auf den siesich bezieht), ein Gegenstand, der sich bewegt oder dessenPosition oder Eigenschaften beschrieben werden.

Patiens Der belebte Gegenstand einer Handlung (manchmal unter‘Thema’ subsumiert).

Ziel Typischerweise das Ziel einer Bewegung.Empfänger Person, die von einem Ereignis profitiert, auch die Person, an

die sich eine Handlung richtet (manchmal unter ‘Ziel’subsumiert).

Ort Eine Ortsangabe.Experiencer Person, die den vom Verb beschriebenen psychischen

Zustand einnimmt.

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Argumentstruktur

Universale thematische Rollen

• Die Rollen unserer drei betrachteten Verben können wir wie folgtklassifizieren:

Verb Arg.-Struktur Subkat.-Rahmen

LADEN Agens, Thema, Ziel DPAkk PPDir

TRAUEN Experiencer, Empfänger?Patiens? DPDat

WOHNEN Thema?Patiens?, Ort PPPos

• Die Einstufung in universale Rollen erfolgt oft intuitiv.

• Wie in der Tabelle zu sehen, ist sie auch nicht immer eindeutig.

• Wir hatten bereits Verben in intransitive (einstellige), transitive(zweistellige) und ditransitive (dreistellige) Verben unterteilt.

• Mithilfe der thematischen Rollen lassen sich hier noch einmalUnterklassen bilden.

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Argumentstruktur

Verb-Klassen

• Folgende intransitive Verben verleihen ihren Subjekten verschiedenethematische Rollen:

(7) a. Maria lachte (AGENS)

b. Ein Zug traf ein (THEMA)

c. Peter friert (EXPERIENCER)

• Die Umwandlung des Verbs in ein Partizip Perfekt, das alsadjektivisches Attribut des Subjekts verwendet wird, ist nur mitTHEMA-Verben möglich:

(8) a. *die gelachte Maria

b. der eingetroffene Zug, der abgefahrene Zug, der angekommeneZug etc.

c. *der gefrorene Peter (in der Bedeutung von (7-c))

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Argumentstruktur

Verb-Klassen

• Der Vorzug allgemeiner Rollen-Kategorien liegt darin, dass manBeobachtungen dieser Art ausdrücken kann.

• Wenn wir die Rollen der Subjekte der Verben in (8-b) nur individuellbezeichnen würden, könnten wir die Beobachtung in (8-b) nicht aufetwas den Verben Gemeinsames zurückführen.

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Argumentstruktur

Verb-Klassen

• Bei den transitiven Verben mit Akkusativ-Objekt können wir eine Reiheunterschiedlicher Verben klassifizieren, zum Beispiel die folgenden:

(9) a. Handlungsverben:(i) Maria baute ein Haus (AGENS — THEMA)(ii) Rafael besiegte Roger (AGENS — PATIENS)(iii) Der Stein zerschlug die Scheibe (INSTRUMENT — THEMA)(iv) Der Pfeil verletzte den Hasen (INSTRUMENT — PATIENS)

b. Wahrnehmungs- und psychologische Verben:(i) Mozart hörte Musik (EXPERIENCER — THEMA)(ii) Die Musik ärgerte Mozart (THEMA — EXPERIENCER)

c. Verben des Sagens und Meinens:(i) Sonja erzählte eine Geschichte (AGENS — THEMA)(ii) Hubert glaubt, dass es regnet (AGENS — THEMA)

d. Bewegungsverben:(i) Die Regierung erhielt einen Brief (ZIEL — THEMA)(ii) Der Brief erreichte die Regierung (THEMA — ZIEL)

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Argumentstruktur

Verb-Klassen

• Zweistellige Verben mit Dativ-Objekt:

(10) a. Handlungsverben:(i) Roger half dem Platzwart (AGENS — PATIENS)(ii) Der Regen nützt den Blumen (INSTRUMENT — PATIENS)(iii) Sonja widersprach dem Lehrer (AGENS — PATIENS)

b. Ereignisbezogene Verben:(i) Der Kuchen gelang mir (THEMA — AGENS)(ii) Der Wurf glückte mir (THEMA — AGENS)

c. Psychologische Verben:(i) Das Spiel gefällt mir (THEMA — EXPERIENCER)(ii) Der Rat leuchtet mir ein (THEMA — EXPERIENCER)

d. Besitz-Verben:(i) Das Auto gehört mir (THEMA — EMPFÄNGER)(ii) Die Zeit fehlt mir (THEMA — EMPFÄNGER)

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Argumentstruktur

Verb-Klassen

• Eine Gruppe dreistelliger Verben hat neben dem Subjekt einAkkusativ-Objekt und eine Richtungsangabe, die im Dativ stehen kannoder als PP realisiert ist.

(11) a. Sie schickte es ihm (THEMA — ZIEL)

b. Sie schickte es an ihn (THEMA — ZIEL)

c. Sie schickte es zu ihm (THEMA — ZIEL)

• Diese Verben beschreiben eine verursachte Bewegung.• Ähnliche Verben sind ‘bringen, senden, nehmen, stehlen . . . ’.• In der Variante mit Dativ-Objekt ist auch noch ein Besitzwechsel

eingeschlossen.• Einige andere Verben der verursachten Bewegung erlauben keinen Dativ

als Zielangabe:

(12) a. Sie legte es auf ihn/*ihm (THEMA — ZIEL)

b. Sie stellte es auf ihn/*ihm (THEMA — ZIEL)

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Argumentstruktur

Verknüpfung von Rollen und Kasus

• Allerdings haben die Verben ‘legen’ und ‘stellen’ auch üblicherweise einunbelebtes ZIEL-Argument und Dativ-Objekte sind meistens belebt.

• Bei diesen Verben finden wir eine systematische Verknüpfung vonRollen und Kasus.

(13) a. Besitzwechsel-Verben:THEMA=AKKUSATIV ; ZIEL = DATIV

b. Verben der verursachten Bewegung:THEMA = AKKUSATIV ; ZIEL = PPDir

• Diese Verknüpfung von thematischer Rolle und subkategorisierterKonstituente nennt man auch Linking.

• Linking-Theorien versuchen die Regeln abzuleiten, nach denen einebestimmte thematische Rolle mit einer bestimmtenmorphosyntaktischen Form (Kasus, PP etc.) verknüpft (‘verlinkt’) wird.

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Argumentstruktur

Passiv

• Mit welchem Kasus die thematischen Rollen ‘verlinkt’ sind, hängt aberauch am sogenannten Genus verbi – im Deutschen können Verben imAktiv oder im Passiv stehen:

(14) a. Aktiv: SonjaNOM

hat das BuchAKK

dem KindDAT

geschenkt.

b. Passiv: Das BuchNOM

wurde von SonjaPPvon

dem KindDAT

geschenkt.

• Beim Passiv wird das Akkusativ-Objekt des Aktiv-Satzes zum Subjekt,und das ursprüngliche Subjekt kann weggelassen werden oder steht ineiner mit ‘von’ gebildeten PP.

• Beim sogenannten Rezipienten-Passiv wird statt dem Akkusativ-Objektdas Dativ-Objekt des Aktiv-Satzes zum Subjekt:

(15) Das Kind hat von Sonja das Buch geschenkt bekommen.

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Argumentstruktur und syntaktische Struktur

D-Struktur

• Im Chomskyschen Modell der generativen Syntax kann die D-Strukturals Abbildung der Argumentstruktur verstanden werden:

(16) Helga las ein Buch – D-Struktur:

CP

C′

C0 IP

I′

VP I0

DP V′

HelgaAGENS

DP V0

ein BuchTHEMA

las

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Argumentstruktur und syntaktische Struktur

D-Struktur

• In der S-Struktur müssen die DPn dann aus ihren D-strukturellenPositionen heraus bewegt werden:

(17) Helga las ein Buch – D-Struktur:

CP

DPi C′

Helga C0 IP

DPi I′

ti VP I0

NOM

DPi V′

tiAGENS

DP V0

AKK

ein BuchTHEMA

las

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Argumentstruktur und syntaktische Struktur

Argument-Position, Kasus-Position,Oberflächenposition

(18) Helga las ein Buch.

• Thematische Rollen werden in der GB-Theorie auch Θ-Rollen genannt(„Theta-Rollen“).

• Das Verb weist seinen Argumenten innerhalb der VP Θ-Rollen zu.

• Für das Subjekt haben wir nun drei verschiedene Positionen:

• Die Θ-Position, der VP-Spezifikator,• Die Kasus-Position, der IP-Spezifikator,• Die Oberflächenposition, hier der CP-Spezifikator:

(19) [CP Helgai las [IP ti [VP ti ein Buch ]]]

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Semantische Restriktionen

Agentivität beim Passiv

• Passive lassen sich mit den meisten Verben bilden, die Akkusativzuweisen, es gibt aber auch semantische Einschränkungen:

(20) a. (i) Beethoven ärgerte Mozart.(ii) Mozart wurde von Beethoven geärgert.

b. (i) Der Vorschlag ärgerte Mozart.(ii) *Mozart wurde von dem Vorschlag geärgert.

• In (20-a,ii) hat Beethoven etwas getan, um Mozart zu ärgern. Das ist in(20-a,i) nicht notwendigerweise der Fall.

• Die Unmöglichkeit der Passivierung in (20-b) hängt damit zusammen,dass ‘Vorschlag’ ein Abstraktum ist, das also nicht tätig werden kann.

• Voraussetzung für Passivierung ist also eine gewisse Agentivität desSubjekts des Aktiv-Satzes.

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Semantische Restriktionen

Faktive Verben

• Nebensätze können bei vielen Verben die Form von Hauptsätzen haben:

(21) a. Peter glaubt, dass es regnet.

b. Peter glaubt, es regnet

• Diese Alternation finden wir nicht bei sogenannten faktiven Verben.

(22) a. Du bedauerst bestimmt, dass es gestern geregnet hat.

b. *Du bedauerst bestimmt, es hat gestern geregnet

c. Peter leugnete, dass er schwarz gefahren war.

d. *Peter leugnete, er war schwarz gefahren.

• Faktive Verben wie ‘bedauern, leugnen’ werden so genannt, weil dasNebensatz-Komplement dieser Verben eine Tatsache beschreibt.

• Auch hier finden wir also eine systematische Verknüpfung vonmorphosyntaktischer Form („Hauptsatzform“) mit einemBedeutungsaspekt („Tatsache“).

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Semantische Restriktionen

Der freie Dativ

• Nicht alle Kasus sind von einem Verb selegiert.• Im Deutschen gibt es das Phänomen des freien Dativs – ein

Dativ-Objekt kann bei Sätzen mit Handlungsverben oft frei hinzugefügtwerden.

(23) a. (i) Maria backte Kuchen.(ii) Maria backte dem Peter einen Kuchen.

b. (i) Helga legte das Buch auf den Tisch.(ii) Helga legte dem Lehrer das Buch auf den Tisch.

c. (i) Martha sang ein Lied.(ii) Martha sang dem Kind ein Lied.

• Die Sätze wären auch ohne Dativ-Objekt wohlgeformt.• Die Verben selegieren also kein Dativ-Objekt.• Die Dativ-Objekte sind hier Personen, die von der beschriebenen

Handlung in irgendeiner Weise profitieren.• Wir subsumieren diese Rollen unter der universalen Rolle EMPFÄNGER.

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Semantische Restriktionen

Konstruktionen

• Mit einem Subkategorisierungsrahmen ist oft ein prototypischesBedeutungsmuster verbunden.

• Das können wir daran sehen, dass wir ein erfundenes Verb mit einemsolchen Kasusrahmen verbinden:

(24) a. Helga schlunzte der Verkäuferin eine Karte

b. Sonja schlunzte das Buch auf das Regal

• In (24-a) könnte ‘schlunzen’ so etwas wie ‘herstellen’ bedeuten, oder soetwas wie ‘geben’.

• In (24-b) könnte ‘schlunzen’ so etwas ‘legen’ bedeuten.

• In beiden Fällen haben wir also Handlungen, Besitzwechsel in (24-a),verursachte Bewegung in (24-b).

• Diese Interpretationen werden dadurch hervorgerufen, dass wir die insolchen Fällen typischen Subkategorisierungsrahmen vorfinden.

• Man kann dies so verstehen, dass solche Subkategorisierungsrahmenein gewisses Eigenleben führen, wir nennen dies Konstruktionen.

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Morphologie und Syntax (BA)

Semantische Restriktionen

Konstruktionen

• Es ist also nicht nur so, dass in den Lexikoneinträgen von Verbenfestgehalten ist, welche Menge von Beifügungen bei Ihnen stehen muss.

• Man kann auch umgekehrt sagen, dass eine bestimmte Menge vonBeifügungen eine bestimmte semantische Verbklasse verlangt, bspw.ein Besitzwechselverb.

• Oder: Dadurch, dass ein Verb mit einer bestimmten Konstruktion auftritt,bekommt es eine andere Bedeutung.

(25) Das Auto quietschte die Strasse hinunter.

• Das Verb ‘quietschen’ könnte man als ‘Geräuschverb’ klassifizieren.

• In (25) ist es aber mit dem für Bewegungsverben typischenSubkategorisierungsrahmen verbunden, oder derBewegungs-Konstruktion.

• Die Bedeutung des Satzes als Ganzem beinhaltet beide Aspekte:Bewegung und Geräusch, d.h. Verb-Bedeutung undKonstruktionsbedeutung werden hier zur Satzbedeutung kombiniert.

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Typologie, Subkategorisierungsrahmenreduktion und -erwe iterung

Typologie: Grammatische Funktionen und Kasus

• Universale Rollenkonzepte sind auch nützlich bei der typologischenKlassifizierung.

• Im Deutschen gibt es mit dem Nominativ einen eindeutigenSubjektkasus.

• So verhält es sich nicht in allen Sprachen.

• Der Nominativ wird auch als der einfachste, unmarkierte Kasusbezeichnet.

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Typologie, Subkategorisierungsrahmenreduktion und -erwe iterung

Typologie: Grammatische Funktionen und Kasus

• In einer Reihe von Sprachen beobachten wir, dass der Nominativ nurbei den Subjekten intransitiver Verben steht.

• Bei transitiven Verben hat das Objekt den Nominativ und das Subjekteinen anderen Kasus.

• Dementsprechend unterscheiden wir zwei Gruppen von Sprachen:

Nominativ-Akkusativ-Sprachen Der morphologisch einfachste Kasus wirdam Subjekt intransitiver und transitiver Verben realisiert.

Ergativ-Absolutiv-Sprachen Der morphologisch einfachste Kasus wird amSubjekt intransitiver und am Objekt transitiver Verbenrealisiert.

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Morphologie und Syntax (BA)

Typologie, Subkategorisierungsrahmenreduktion und -erwe iterung

Typologie: Grammatische Funktionen und Kasus

• Um diesen Unterschied beschreiben zu können, ist man auf eineKasus-System-neutrale Beschreibung ausgewichen, die, wo es nötig ist,auf thematische Rollen rekurriert.

• Das Subjekt eines intransitiven Verbs wird mit S symbolisiert, beitransitiven Verben Verben verwenden wir A für das eher agentivischeArgument und O für das andere (von ‘other’).

(26) unmarkierter KasusNom-Akk-Sprache S,AErg-Abs-Sprache S,O

• Die Bezeichnung ‘Absolutiv’ ist historisch so entstanden und im Grundeäquivalent zu dem, was wir unter Nominativ verstehen. Oft handelt essich um die reine unflektierte Stammform eines Nomens.

• ‘Ergativ’ ist die Bezeichnung für einen in diesem Sprachtypnormalerweise am Subjekt transitiver Verben auftretenden Kasus.

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Morphologie und Syntax (BA)

Typologie, Subkategorisierungsrahmenreduktion und -erwe iterung

Typologie: Grammatische Funktionen und Kasus

(27) Yup’ik (Alaska):

a. Doris-aqDoris-ABS

ayallruuqreiste

b. Tom-amTom-ERG

Doris-aqDoris-ABS

cingallruagrüßte

“Tom grüßte Doris“

• Das Yup’ik ist eines von vielen Beispielen für eineErgativ-Absolutiv-Sprache.

• Bei manchen dieser Sprachen ist das Ergativ-Absolutiv-Muster auchbeschränkt.

• So hat das Hindi ein Ergativ-Absolutiv-Muster im Perfekt, aber einNominativ-Akkusativ-Muster im Präsens.

• Andere Muster von sogenannter split ergativity (‘gespaltene Ergativität’)beziehen sich bspw. auf die grammatische Person (für 1./2. PersonErgativ-Absolutiv, sonst Nominativ-Akkusativ).

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Morphologie und Syntax (BA)

Typologie, Subkategorisierungsrahmenreduktion und -erwe iterung

Valenz-Reduktion: Passiv und Antipassiv

• Die deutschen Passiv-Konstruktionen haben wir bereits kennengelernt.Hier handelt es sich um analytische Konstruktionen: das Passiv wird miteinem Hilfsverb gebildet.

• Viele Sprachen haben aber auch einen morphologisch gebildetenPassiv:

(28) Kalam Kohistani (Dardische Sprache, Nordwest-Pakistan)

a. muräd-äMurad-ERG

jämälJamal.ABS

baka-yschlag-PERFEKT

„Murad schlug Jamal“b. jämäl

Jamal.ABS

muräd-maMurad-ABL

baka-j-ınschlag-PASSIV-PERFEKT

„Jamal wurde von Murat geschlagen“(ABL=Ablativ)

• In (28-b) handelt es sich um eine morphologische Passiv-Bildung: dasPassiv-Suffix ‘-j-’ wird an den Verb-Stamm affigiert.

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Morphologie und Syntax (BA)

Typologie, Subkategorisierungsrahmenreduktion und -erwe iterung

Valenz-Reduktion: Passiv und Antipassiv

• Kennzeichnend für Passive ist, dass das ursprüngliche Subjekt, also dasA-Argument eines transitiven Verbs, in einer Präpositional-Phrase stehtoder mit einer sogenannten obliquen Kasusmarkierung realisiert wird.

Obliquer Kasus Eine Kasusmarkierung gilt als oblique, wenn sienormalerweise weder das Subjekt, noch das Objekteines transitiven Verbs markieren kann.

• Das O-Argument ist außerdem Subjekt eines Passiv-Satzes.

• Bei der Antipassiv-Konstruktion wird das O-Argument mit obliquemKasus realisiert:

(29) Yup′ik (Alaska und angrenzende Regionen Russlands):

a. Yero-mYero-ERG

keme-qFleisch-ABS

nere-llru-aessen-VERG-3SG/3SG

„Yero aß das Fleisch“b. Yero-q

Yero-ABS

(kemer-meng)(Fleisch-INST)

nere-llru-qessen-VERG-INTRNS-3SG

(VERG=Vergangenheit; 3SG/3SG=Subjekt-Objekt-Kongruenz; INTRNS=intransitiv; 3SG=Subjekt-Kongruenz)

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Morphologie und Syntax (BA)

Typologie, Subkategorisierungsrahmenreduktion und -erwe iterung

Die Mittel-Konstruktion

• Passiv und Antipassiv zeichnen sich auch dadurch aus, dass dasArgument, das abweichend vom Aktiv oblique realisiert wird (A imPassiv, O im Antipassiv), weggelassen werden kann.

• Passiv und Antipassiv sind also Verbformen, bei denen eine Reduktiondes Subkategorisierungsrahmens stattfindet.

• Eine Konstruktion, bei der wie im Passiv das A-Argument unrealisiertbleibt, ist die sogenannte Mittel-Konstruktion:

(30) Der Käse schneidet sich gut (*von mir)

• Kennzeichnend für die Mittelkonstruktion ist im Deutschen . . .

1 die Hinzufügung des Reflexiv-Pronomens ‘sich’,2 die Hinzufügung eines Adverbs wie ‘gut’,3 dass das O-Argument zum Subjekt wird sowie4 dass das A-Argument gar nicht realisierbar ist.

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Morphologie und Syntax (BA)

Typologie, Subkategorisierungsrahmenreduktion und -erwe iterung

Unpersönliche Passiv- und Mittel-Konstruktionen

• Passivierung und Mittel-Bildung sind auch mit intransitiven Verbenmöglich.

• Das Passiv ist in diesem Fall subjektlos (unpersönliches Passiv):

(31) a. Gestern Abend wurde viel gesungen.

b. Hier wird nicht gestorben!

• Auch die Mittelkonstruktion kann mit intransitiven Verben gebildetwerden.

• In diesem Fall tritt ein bedeutungsloses sogenanntes expletivesPronomen (‘es’) an die Stelle des Subjekts:

(32) a. Hier lebt es sich gut.

b. In diesen Schuhen tanzt es sich gut.

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Morphologie und Syntax (BA)

Typologie, Subkategorisierungsrahmenreduktion und -erwe iterung

Unpersönliche Passiv- und Mittel-Konstruktionen

• Eine Besonderheit der Mittelkonstruktion ist, dass auch vom Verb nichtselegierte Argumente Subjekt sein können:

(33) a. Diese Schuhe tanzen sich gut.(Aktiv: „Maria hat (in diesen Schuhen) getanzt“)

b. Das Messer schneidet sich gut.(Aktiv: „Maria hat (mit dem Messer) geschnitten“)

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Morphologie und Syntax (BA)

Typologie, Subkategorisierungsrahmenreduktion und -erwe iterung

Valenz-Erweiterung

• Konstruktionen und morphologische Prozesse, mit denen eineErweiterung des verbalen Subkategorisierungsrahmens einhergeht,lassen sich auch beobachten.

• Bei der Kausativierung wird dem Subkategorisierungsrahmen einesVerbs ein Verursacher als zusätzliches Subjekt hinzugefügt.

• Wir kennen dies im Deutschen sowohl in synthetischer als auch inanalytischer Form:

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Morphologie und Syntax (BA)

Typologie, Subkategorisierungsrahmenreduktion und -erwe iterung

Valenz-Erweiterung

(34) Analytischer Kausativ:

a. Das Wasser kochte.

b. Maria liess das Wasser kochen.

• Die Interpretation von (34-b) ist, dass Maria das Kochen des Wassersverursachte.

(35) Synthetischer Kausativ:

a. Das Buch lag auf dem Tisch.

b. Maria legte das Buch auf den Tisch.

• Die Interpretation von (35-b) ist, dass Maria das Liegen des Buchesverursachte.

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Typologie, Subkategorisierungsrahmenreduktion und -erwe iterung

Kausative

• Im Türkischen finden wir ein verbales Kausativ-Suffix:

(36) Türkisch:

a. HasanHasan.NOM

öl-düsterben-VERG

„Hasan starb“b. Ali

Ali.NOM

Hasan-tHasan-AKK

öl-dür-düsterben-KAUS-VERG

„Ali tötete Hasan“

• Wir sehen hier, wie auch in den vorigen Beispielen, dass das Subjektdes nicht-kausativierten Verbs zum Akkusativ-Objekt des kausativenVerbs wird.

• Der neu eingeführte Verursacher trägt Nominativ und wird Subjekt.

• Das kausativierte Verb ist hier intransitiv, es weist selbst keinen Kausativzu.

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Kausative

• Die Kausativierung eines transitiven Verbs erfolgt anders:

(37) Türkisch:

a. MüdürDirektor.NOM

mektub-üBrief-AKK

imzaladıunterschreiben-VERG

„Der Direktor unterschrieb den Brief“b. Dišçi

Zahnarzt.NOM

mektub-üBrief-AKK

müdür-eDirektor-DAT

imzala-t-tıunterschreiben-KAUS-VERG

„Der Zahnarzt liess den Direktor den Brief unterschreiben“

• Das Subjekt des nicht kausativierten Satzes steht nach derKausativierung im Dativ und das ursprüngliche Akkusativ-Objekt behältseinen Kasus.

• Bemerkenswert ist auch, dass verschiedene Kausativ-Affixe fürintransitive (‘-dür-’) und transitive (‘-t-’) Verben verwendet werden.

• Solche Unterschiede bei der Kausativierung intransitiver und transitiverVerben finden wir auch in vielen anderen Sprachen mit synthetischerKausativierung.

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Applikative

• Die sogenannten Applikativ-Affixe, die man in einigen Sprachen findet,eröffnen die Möglichkeit, ein zusätzliches Objekt in den Satz einzufügen.

• Im Deutschen haben wir etwas Ähnliches bereits am Phänomen desfreien Dativs gezeigt.

(38) Kinyarwanda (Bantu-Sprache, Ruanda):UmukoôbwaMädchen

a-rá-som-er-asie-PR-lesen-APPL-ASP

umuhuûnguJunge

igitaboBuch

„Das Mädchen liest dem Jungen das Buch vor“(APPL=Applikativ-Affix; PR=Präsens; ASP=Aspekt, hier: andauernde Handlung)

• In diesem Beispiel ist das transitive Verb ‘som’ (‘lesen’) durch dasApplikativ-Affix morphologisch erweitert worden.

• Wir haben ein zusätzliches Argument, einen Empfänger in unsererTerminologie.

• Dieser Empfänger steht auch syntaktisch in der Position des Objektes,die ansonsten von ‘Buch’, das die Thema-Rolle realisiert, eingenommenwürde.

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Applikative

(39) Yagua (Peru):

a. si-ichití-rya3SG-stossen-UNBELEBT.OBJ

javanuFleisch

quiichi-tyaMesser-INST

b. si-ichití-tya-ra3SG-stossen-APPL-UNBELEBT.OBJ

quiichiMesser

javanuFleisch

„Sie durchstiess das Fleisch mit einem Messer“(APPL=Applikativ-Affix; INST=Instrument; UNBELEBT.OBJ=Kongruenz )

• In (39-a) ist das Messer eine oblique Beifügung.

• In (39-b) sehen wir das Affix ‘tya’, das vorher Kasusmarkierer war, alsverbales Applikativ-Affix am Verb.

• Nun rückt das Instrument, das Messer an die Stelle des Objekts, dievorher von dem Thema-Argument ‘Fleisch’ eingenommen war.

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Zusammenfassung

• Einige Selektionseigenschaften von Verben sind systematisch aus ihrensemantischen Eigenschaften ableitbar.

• Die universalen thematischen Rollen helfen uns, Verben semantisch zuklassifizieren, und bestimmte Subkategorisierungseigenschaftenabzuleiten.

• Das Verb bestimmt aber die Bedeutung des Satzes nichtnotwendigerweise ganz alleine.

• Syntaktischen Konstruktionen kann eine gewissen Grundbedeutungzugesprochen werden.

• Außerdem gehen mit bestimmten Morphemen wie bspw. dem Dativ imDeutschen oder den vorgestellten Applikativ- und Kausativ-Affixeneigene semantische implikationen einher, die die Bedeutung des Verbsergänzen.

• Wie die Argumente eines Verbs im Satz realisiert werden, und welchedavon, hängt auch vom genus verbi ab: im Aktiv werden die Argumenteanders realisiert als im Passiv, Antipassiv oder der Mittelkonstruktion.