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17/18 MOZART & BRUCKNER 8. SINFONIE- & 5. SONDERKONZERT

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17/18

MOZART& BRUCKNER

8. SINFONIE- & 5. SONDERKONZERT

Wir machen darauf aufmerksam, dass Ton- und/oder Bildaufnahmen unserer Aufführungen durch jede Art elektronischer Geräte strikt untersagt sind.

MOZART BRUCKNER8. SINFONIE- & 5. SONDERKONZERT

15.7.18 11.00 GROSSES HAUS16.7.18 20.00 GROSSES HAUSDauer ca. 2 Stunden, eine Pause Einführung mit Künstlern 45 Minuten vor Konzertbeginn im UNTEREN FOYER

17.7.18 19.00 GROSSES HAUSDauer ca. 2 1/4 Stunden, eine Pause, mit Moderation und anschließendem Künstlertreff im UNTEREN FOYER

Wolfgang Amadeus Mozart Konzert für Klavier und Orchester Nr. 27 B-Dur KV 595 32‘(1756 – 1791) 1. Allegro 2. Larghetto 3. Allegro

– Pause –

Anton Bruckner Sinfonie Nr. 7 E-Dur 64‘(1824 – 1896) 1. Allegro moderato 2. Adagio. Sehr feierlich und sehr langsam 3. Scherzo. Sehr schnell – Trio. Etwas langsamer 4. Finale. Bewegt, doch nicht schnell

Justin Brown Klavier & Dirigent BADISCHE STAATSKAPELLE

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Mozart und Bruckner – beim Blick auf das heutige Konzertprogramm mögen einem eher die Unterschiede zwischen den beiden Komponisten und ihrer Musik in den Sinn kommen als die Aspekte, die sie verbinden. Schließlich liegen zwischen ihnen mehr als nur ein paar Jahrzehnte: auf der einen Seite Mozart, der jung ge-storbene Meister der Wiener Klassik, der als Wunderkind die Häupter des euro-päischen Adels mit seinem Tastenspiel und eigenen Kompositionen verzückt und der der Nachwelt mit einer Vielzahl von Opern, Sinfonien, Solokonzerten und kammer-musikalischen Werken einen ungemein reichhaltigen und vielfältigen Werkkatalog hinterlassen hat; auf der anderen Seite der Spätromantiker Bruckner, ein ausgebildeter Lehrer und Organist, dessen Œuvre – hauptsächlich bestehend aus Sakral-werken und je nach Zählweise neun oder zehn Sinfonien – geradezu übersichtlich ausfällt. Und auch stilistisch scheint die beiden wenig zu einen: hier die elegante Musik des Salzburger Meisters aus dem späten 18. Jahrhundert, die bis heute eine breite Zuhörerschaft berührt, dort die monumentalen Sinfonien Bruckners, die in

ihren Dimensionen und ihrer überwältigen-den Klanggewalt nicht nur das damalige, sondern auch das heutige Publikum vor eine Herausforderung stellen. Dennoch oder gerade aus diesem Grund ist die post-hume Begegnung der beiden Österreicher und Wahl-Wiener im Konzert reizvoll, bie-tet sie doch die Gelegenheit, verschiedene Hörperspektiven einzunehmen, die Musik des einen auf die Musik des anderen wir-ken zu lassen und die unterschiedlichen Kompositionsstile zu vergleichen. Und möglicherweise ergeben sich spannungs-volle Bezüge und Wechselwirkungen, die die beiden Werke des heutigen Konzerts nicht nur in der Spontaneität der Auffüh-rung, sondern auch durch ihre Gegenüber-stellung in einem neuem Licht erstrahlen lassen.

Das Konzert für Klavier und Orchester B-Dur KV 595 ist Mozarts letzter Beitrag zu dieser Gattung. Seine Auseinander-setzung mit dem konzertierenden Wechsel-spiel zwischen Soloklavier und Orchester-tutti reicht ins Jahr 1767 zurück, in dem er einzelne Sonatensätze von Komponisten wie Hermann Friedrich Raupach,

Wolfgang Amadeus Mozart 1819

ZU DEN

WERKEN

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Johann Christian Bach und Carl Philipp Emanuel Bach umschrieb und zu Klavier-konzerten zusammenstellte (KV 37, KV 39, KV 40 und KV 41). Dem ersten eigenständi-gen Klavierkonzert D-Dur KV 175 aus dem Jahr 1773 folgten bis 1779 in Salzburg fünf weitere, darunter auch ein Konzert für drei Soloklaviere (KV 242). Die Mehrzahl seiner Klavierkonzerte entstand nach dem Um-zug nach Wien im Jahr 1781. Hier machte sich Mozart in den 1780er Jahren als Ver-anstalter von musikalischen Akademien einen Namen, in denen er als Komponist und Klaviervirtuose in Erscheinung trat. In diesem Zusammenhang entstanden auch fünfzehn Klavierkonzerte, die allesamt für den eigenhändigen Vortrag vorgesehen waren und einen wichtigen Grundstein seiner Karriere in der K.-u.-k.-Metropole darstellen. Doch bereits nach vier Jahren, genauer gesagt nach der Akademie am 5. Dezember 1786, in der Mozart dem Pu-blikum das Klavierkonzert C-Dur KV 503 vorgestellt hatte, fand die Reihe der Aka-demiekonzerte ein unerwartetes Ende.

Die akademiefreien Jahre ab 1787 waren von Mozarts Wunsch nach einer festen Anstellung als Komponist und seinen berüchtigten Geldsorgen geprägt, die ihn zu den vielzitierten Bittbriefen an seinen Freund und Logenbruder Johann Michael Puchberg veranlassten. Auch die Komposition der für Mozart so wichtigen und einträglichen Klavierkonzerte ruhte zwischenzeitlich. 1788 hegte er, so scheint es, Hoffnung auf eine Wiederbelebung der Konzertreihe, zumindest komponierte er im Februar des Jahres mit dem Klavier-konzert D-Dur KV 537 ein neues Virtuo-senstück. Doch zu einer weiteren musi-kalischen Akademie kam es ebensowenig wie zu einer Aufführung jenes Werkes in Wien. Das Konzert wurde erst im April

1789 am Dresdner Hof uraufgeführt und wiederum über ein Jahr später im Oktober 1790 in Frankfurt am Main im Rahmen der Feierlichkeiten anlässlich der Krönung von Kaiser Leopold II. gespielt, was ihm den Beinamen „Krönungskonzert“ einbrachte. Es wird angenommen, dass Mozart auch sein letztes Klavierkonzert B-Dur KV 595 zumindest in Teilen im Jahr 1788 ent-worfen hat, dann aber – möglicherweise wegen mangelnder Aufführungsmöglich-keiten – über zwei Jahre liegen ließ. Die Fertigstellung des Werks am 5. Januar 1791, hingegen gilt per Eintrag in Mozarts eigenhändiges Werkverzeichnis als gesichert. Die Uraufführung fand am 4. März im Rahmen eines vom Klarinettis-ten Joseph Bähr veranstalteten Konzerts in Wien statt; mit großer Wahrscheinlich-keit handelt es sich hierbei um Mozarts öffentlichen Auftritt als Solist. Ein Drei-vierteljahr später, am 5. Dezember 1791 verstarb er mit 35 Jahren ebendort.

Im Vergleich mit den Vorgängerwerken, insbesondere mit dem erwähnten und un-gleich üppigeren D-Dur-Konzert oder dem virtuosen Krönungskonzert, kommt das letzte Klavierkonzert auffallend schlicht daher. Schon die Orchesterbesetzung fällt – mit einer Flöte, zwei Oboen, zwei Fagotten, zwei Hörnern, Streichern und ohne Klarinetten, Trompeten und Pauken – relativ klein aus. Auch in Stil und Gestus scheint das dreisätzige Werk reduziert, zu-rückhaltend, ruhig. Der erste Satz (Allegro) eröffnet mit einer doppelten Exposition: erst stellt das Orchester, dann das Solo-instrument das thematische Material vor. Hierbei handelt es sich um ein Formprinzip, das Mozart in den Hauptsätzen seiner Ins-trumentalkonzerte entwickelt und auf viel-fältige Weise ausgestaltet hat. Im vorlie-genden Fall setzen die ersten Geigen nach

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einem Vortakt der übrigen Streicher mit dem ersten Thema ein: ein über einer pul-sierend-wiegenden Begleitung aufsteigen-der gebrochener B-Dur-Dreiklang, der in einem verspielten Abwärtslauf fortgeführt wird. Die entspannte Nebensächlichkeit von Melodie und Begleitung wird gleich zweimal von den stark rhythmisierten forte-Einwürfen der Bläser unterbrochen. Aus der unvermittelten Gegenüberstellung von Streichern und Bläsern, von piano und forte sowie von fließender Gesangsmelo-die und fanfarenartigem Signalmotiv ergibt sich hinsichtlich Klangfarbe, Dynamik und Gestik ein dreifacher Kontrast. Wenige Takte später bringt Mozart mit einem kur-zen Vorhaltsmotiv inklusive Quartfall einen zweiten thematischen Gedanken, der nicht weiter verfolgt wird. Kaum ist er vorge-tragen, geht er in einer Überleitung unter, die unmittelbar zu einem dritten Thema führt. Die Kürze der beiden letzten Themen und ihrer Ausformulierung – sowohl in der Orchester- als auch in der sich anschlie-ßenden Soloexposition – wirft die Frage auf, ob es sich hierbei tatsächlich um voll-wertige Themen handelt. Dies ist insofern von musikgeschichtlicher Relevanz, als in den Sonatenhauptsätzen der Klassik – im Gegensatz zu den trithematischen Anlagen Bruckners – nur zwei kontrastierende The-men üblich waren, aus deren Gegensätz-lichkeit im weiteren Satzverlauf kreatives Kapital geschlagen wurde. Doch Mozart geht einen eigenen Weg. Er konzentriert sich in der Durchführung auf das Haupt-thema und dessen erwähnte Gegensätz-lichkeit. Zunächst hält er an der Kontrast-wirkung zwischen Legato-Kantilene und rhythmisierter Störung fest und unterzieht das Thema lediglich einer harmonischen Veränderung: zu Durchführungsbeginn erklingt es in h-Moll, dann in C-Dur. Erst danach werden Melodie und Rhythmus-

Motiv auf fruchtbare Weise verarbeitet, übereinander geschichtet und miteinander verschränkt, so dass sich aus dem ur-sprünglich disparaten Nacheinander ein lebendiger Fluss ergibt, in den die rhythmi-sche „Störung“ integriert und entschärft ist. Der unauffälligen Beiläufigkeit, mit der die Exposition und die Durchführung ein-setzen, schließt sich auch die Reprise an, in der uns das in der Durchführung ausge-sparte zweite und dritte Thema wiederbe-gegnen. Mit einer Solokadenz und einem kurzen und undramatischen Schlussritor-nell endet der Satz im Piano.

Der zweite Satz, ein Larghetto in Es-Dur, ist mit einem regelmäßig periodisierten, achttaktigen Hauptthema im Stil einer Ro-manze gehalten. Im Gegensatz zum Allegro wird dieser Satz vom vereinsamten Klavier eröffnet, das sich im weiteren Verlauf mit dem Orchestertutti abwechselt. War der erste Satzteil harmonisch noch geschlos-sen, begibt sich der Mittelteil mit einem zweiten Themenkomplex in harmonisch entferntere Bereiche. Eine chromatisch geprägte Passage mit halbtönig ansteigen-den Trillern des Klaviers, einem „Passus duriusculus“, bereitet die Wiederholung des ersten Satzteils vor.

Der dritte und letzte Satz, ein Rondo im 6/8-Takt, ist vom heiteren Charakter des Hauptthemas geprägt, das sich im Un-terschied zum Thema des Kopfsatzes un-gestört entfalten kann. Das Thema weist große Ähnlichkeit mit dem nur wenige Tage später entstandenen Lied Sehnsucht nach dem Frühlinge mit der bekannten ersten Zeile „Komm, lieber Mai, und ma-che“ auf. Darüber hinaus erinnert es mit der aufsteigenden Dreiklangsbrechung in der Grundtonart B-Dur an das Thema des Kopfsatzes. Ob es sich bei dieser Analogie

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um einen Fall von geplanter satzüber-greifender Bezugnahme handelt, wie sie erst in den Werken späterer Komponisten üblich werden soll, sei dahingestellt. Zwei-felsohne trägt sie zur Geschlossenheit eines Werkes bei, das nach einer längeren Solokadenz mit einer Coda schließt.

Steht Mozarts letztes Klavierkonzert für eine eher schwierige Phase einer außer-gewöhnlichen und von zahlreichen Erfol-gen gekrönten Karriere, die durch einen frühen Tod ein abruptes Ende fand, mar-kiert die Sinfonie Nr. 7 E-Dur den Durch-bruch Bruckners als Komponist. Diesem Erfolg ging ein langer und steiniger Weg voraus, der mit Unverständnis und Ableh-nung der bis dahin entstandenen Sinfonien gepflastert war. Zwar konnte Bruckner sich ab den späten 1860er Jahren einer zu-nehmenden Anerkennung als Organist und Universitätsdozent erfreuen: 1869 wurde er mit mehreren Ehrenmitgliedschaften, unter anderem der des Mozarteums, ge-ehrt, 1870 erhielt er die Ehrenbürgerschaft seines Geburtsorts Ansfelden bei Linz, im gleichen Zeitraum war er als Orgelvirtuose zunehmend auch international gefragt und wurde zu Auftritten nach Frankreich, Großbritannien, Belgien, Holland und in die Schweiz eingeladen. Doch seine Sinfonien hatten es nach wie vor schwer und wur-den von Dirigenten, Orchestermusikern und der Kritik schlecht angenommen, wenn nicht gar abgelehnt. Erst im Februar 1881, mit der Uraufführung der bereits 1874 entstandenen und anschließend mehrfach überarbeiteten Vierten Sinfonie durch die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Hans Richter, konnte Bruckner auch als Komponist einen ersten Erfolg ver-zeichnen. Zwar hatte Eduard Hanslick, ei-ner seiner härtesten Kritiker, auch dieses Mal einiges auszusetzen, doch es finden

sich auch etliche positive Presseberichte, in denen Bruckner gar als „Schubert unse-rer Zeit“ gefeiert wurde.

In jene beflügelte Zeit fällt auch die Entsteh-ung der Siebten Sinfonie, die Bruckner im September 1881 kurz nach Fertigstellung der Sechsten anging. Die Komposition erfolgte nicht satz-chronologisch: Bruck-ner unterbrach die Arbeit am Kopfsatz, um den dritten Satz, das Scherzo, vorzuzie-hen. Anschließend setzte er die Arbeit am ersten Satz fort, den er im Dezember 1882 vollendete. Im Frühjahr 1883 komponierte er – eigenen Äußerungen nach unter dem Eindruck des im Februar verstorbenen und von Bruckner hoch verehrten Richard Wagner stehend – das Adagio. Den Schluss-strich unter das Finale zog er am 5. Sep-tember 1883, nachdem er aus Bayreuth zurückgekehrt war, wo er einer Aufführung des Parsifal beigewohnt und das noch frische Grab Wagners besucht hatte.

Hatte Bruckner dem Wiener Publikum an zwei Abenden bereits einzelne Sätze seines jüngsten Opus in einer Fassung für zwei Klaviere vorgestellt, fand die vollständige Uraufführung der Orchester-fassung am 30. Dezember 1884 in Leipzig statt. Am Pult stand Arthur Nikisch. Der junge Kapellmeister – bekannt für sein Engagement für neue Musik – hatte die Sinfonie von Josef Schalk, einem Schüler Bruckners, am Klavier vorgespielt bekom-men. Der Eindruck, den die Musik auf ihn machte, war anscheinend nachhaltig und riss Nikisch, so berichtet Schalk, zu dem Ausruf hin: „Ich halte es für mich von nun an für meine Pflicht für Bruckner einzutre-ten.“ Doch trotz des großen Einsatzes des Dirigenten, der dem Publikum die Sinfonie auch im Rahmen einer Einführung nahe-zubringen versuchte, wurde die Leipziger

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Uraufführung geteilt aufgenommen. Erst die Folgeaufführungen in anderen deut-schen Städten, insbesondere die Münche-ner Erstaufführung unter Hermann Levi im März 1885, gerieten zu einem großen Triumph für Bruckner, der das Werk auch im Ausland bekannt machte.

Wie in vielen Sinfonien Bruckners steht auch am Anfang der Siebten ein Streicher-tremolo im pianissimo. In diesem Fall sind es die ersten und zweiten Geigen, die mit der Terz der Grundtonart E-Dur (e-gis) einen verheißungsvoll-sirrenden Teppich erzeugen, auf dem sich unter der Vortragsanweisung „lang gezogen“ ein für Bruckner außergewöhnlich langes und melodisches Thema entfaltet. Der Vordersatz besteht aus einem in großen Schritten aufsteigenden gebrochenen E-Dur-Dreiklang im Horn und den Violoncelli und – mit aparter Kontrastwirkung ein-hergehend – einem kleinschrittigen, teil-weise chromatisch durchsetzten Abgang, der auf der Dominante H-Dur zur Ruhe kommt. Der Vordersatz wird durch einen bewegteren und dynamisch gesteigerten Nachsatz ergänzt, bevor der gesamte Or-chesterapparat das ganze Thema in einer Wiederholung im glänzenden Fortissimo auf einen ersten Höhepunkt feierlicher Erhabenheit führt. Das zweite Thema – eine in Umspielungen aufsteigende und polyphon angereicherte Tonskala in h-Moll – wird von den Holzbläsern vorgetragen. Ein 20-taktiger Orgelpunkt auf Fis, der mit zunehmend rhythmisierten Sequenzierun-gen überbaut wird, leitet zu einem dritten Thema über. Streng genommen handelt es sich hierbei nicht um eine Überleitung im eigentlichen Sinne, sondern lediglich um eine Steigerungsbewegung, die durch einen krassen Schnitt vom tänzelnden Staccato der Streicher abgelöst wird. Hier

tritt die gleichzeitig schroff wie modern wirkende Blockhaftigkeit von Bruckners Kompositionsstil zutage, für die er von seinen Zeitgenossen kritisiert wurde.

In der Durchführung, vorbereitet durch den romantischen Klang der Hörner, wer-den die Themen kunstvoll verarbeitet: Sie werden geteilt, abgespalten, polyphon miteinander verschränkt, treffen auf ihre Umkehrungen und erscheinen nicht zuletzt auch durch eine neue Orchestrierung in neuem Licht. Der erste Teil der Durch-führung ist eher ruhig gehalten und wirkt wie eine traumverlorene Nachtmusik, im zweiten Teil lässt nach einer Generalpause ein mit „molto animato“ überschriebener Abschnitt aufhorchen: In sich überlagern-den Einsätzen wird das Dreiklangsmotiv des ersten Themas in umgekehrter Form und im gleißenden Fortissimo enggeführt: ein majestätischer Augenblick. Die Hin-führung zur Reprise gestaltet Bruckner ungewöhnlich: Er bringt das erste Thema begleitet von seiner umgekehrten Varian-te in der ursprünglichen Orchestrierung, doch lässt er es zunächst auf D, sechzehn Takte später einen Halbton höher auf Es und erst im dritten Anlauf in der Grundton-art E einsetzen. Den Satzschluss markiert eine mit „sehr feierlich“ überschriebene Coda, mit der Bruckner den Satz über zwei Steigerungswellen – zunächst über einem Paukentremolo auf E und dann über einem 31 Takte langen und zunehmend dröh-nenden Orgelpunkt – seiner Apotheose zuführt.

Das Adagio („Sehr feierlich und sehr langsam“) in cis-Moll ist das kontempla-tive Zentrum des Werkes. Hermann Levi, der Dirigent der triumphalen Münchener Erstaufführung teilte vorab mit dem Kom-ponisten seine Begeisterung: „Dieser Satz

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ist der einfachste und eindringlichste: ich zweifle nicht, dass er großen Erfolg haben wird […].“ Bruckner setzt hier zum ersten Mal ein Quartett aus zwei Tenor- und zwei Bass-Tuben, den sogenannte Wagner-Tuben ein, die zum Satzbeginn mit warmen Klang und weihevollem Gestus den ersten Thementeil vortragen. Der zweite Teil besteht aus einem Marcato der Streicher, die wiederholt mit einer energisch- bestimmten Figur eine Terz durchschreiten. Die zweite Themengruppe („Moderato“) mit einer sacht wiegenden Streicherbe-gleitung wirkt dahingegen geradezu heiter. Auch diesen Satz lässt Bruckner in eine zweigliedrige Coda münden. Den ersten Teil führt er über einen langgezogenen Steigerungsverlauf auf einen überwäl-tigenden Höhepunkt in C-Dur zu, den er durch den Einsatz von Becken und Triangel – wohlgemerkt der einzige in dem knapp einstündigen Werk – besonders hervor-hebt. Der zweite Teil, den Bruckner als „Trauer-Musik um den hochsel. Meister“ beschrieb, ist vom choralartigen Gesang der Wagner-Tuben und desolat wirkenden Einsätzen der Streicher und einzelner Holzbläser geprägt.

Das charakteristische Scherzo („Sehr schnell“) in a-Moll ist von motorischer Wucht. Über den geschäftigen und ma-schinell ablaufenden Begleitfiguren der

Streicher erstrahlt eine Fanfare der Trom-pete, deren Rhythmus im weiteren Verlauf auf das gesamte Orchester übergreift und die eindrucksvollen Steigerungen dominiert. Das Trio in F-Dur mit seinem kantablen Thema bildet dazu den ruhi-gen Gegenpol. Doch auch hier blitzt an verschiedenen Stellen in den Pauken der punktierte Rhythmus aus dem Scherzo auf, bevor dieses wiederholt wird.

Das Finale der Siebten Sinfonie ist im Vergleich zu anderen Finali Bruckners erstaunlich kurz. Wie im Kopfsatz reiht Bruckner auch hier drei Themen aneinan-der, wobei das erste und das verwandte dritte Thema – beide bestehen aus einem gebrochenen Dreiklang, der durch dop-pelte und somit besonders scharfe Punk-tierungen rhythmisiert ist – einen starken Kontrast zum choralartig strömenden zweiten Thema bilden. Nach einer auffal-lend kurzen Durchführung nimmt Bruckner zunächst das zweite und danach das erste Thema wieder auf. In der Coda, einer dreifachen Steigerungswelle, erklingt zum Abschluss das gedehnte Dreiklangsthema aus dem ersten Satz. So wird die groß-artige Eröffnungsgeste des Werkbeginns zur finalen alles überstrahlenden Krönung umgedeutet.

Raphael Rösler

Anton Bruckner 1890

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JUSTIN BROWNJustin Brown studierte an der Cambridge University und in Tanglewood bei Seiji Ozawa und Leonard Bernstein und arbeitete später als Assistent bei Leonard Bernstein und Luciano Berio. Als Dirigent debütierte er mit der britischen Erstaufführung von Bernsteins Mass. Für seine Programm-gestaltung beim Alabama Symphony Orchestra, wo er fünf Spielzeiten als Chefdirigent wirkte, wurde er 2010, 2011 und 2012 mit dem ASCAP-Award ausge-zeichnet. Auf Einladung des renommierten „Spring for Music Festival“ dirigierte er im Mai 2012 das Orchester in der Carnegie Hall.

Brown leitete zahlreiche Uraufführungen und dirigierte wichtige Stücke bedeutender

DIRIGENTzeitgenössischer Komponisten wie Elliott Carter und George Crumb. Er musizierte zudem mit namhaften Solisten wie Yo-Yo Ma, Leon Fleisher und Joshua Bell. Zahl-reiche Gastengagements führten ihn an renommierte Opernhäuser, u. a. an die Bayerische Staatsoper München oder jüngst als Dirigent der Uraufführung von Elena Langers Figaro Gets A Divorce an die Welsh National Opera. Komplettiert wird sein Erfolg durch viele CD-Einspiel-ungen, 2006 wurde er für einen Grammy in der Kategorie „Best Classical Recording“ nominiert.

Als Generalmusikdirektor am STAATS-THEATER KARLSRUHE, der er seit 2008 ist, wird Justin Brown v. a. für seine

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Dirigate von Wagners Ring sowie den Werken Berlioz’, Verdis und Strauss’ gefeiert. Unter seiner Leitung standen auf dem facettenreichen Konzertspielplan Werke wie Amériques von Varèse, Mahlers 5. Sinfonie oder die Gurre-Lieder von Schönberg. Gemeinsam mit seinem Team erhielt er hierfür die Auszeichnung „Bestes Konzertprogramm 2012/13“.

In der Spielzeit 2017/18 war Justin Brown über seine Konzerttätigkeit hinaus am Pult der BADISCHEN STAATSKAPELLE zu erleben, als er neben den Wiederaufnahmen des Karlsruher Ring Das Rheingold, Die Walküre, Siegfried und Wahnfried auch die Wagner-Neuproduktion Götter-dämmerung leitete.

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DIE BADISCHE STAATSKAPELLE

Als sechstältestes Orchester der Welt kann die BADISCHE STAATSKAPELLE auf eine überaus reiche und gleichzeitig gegen-wärtige Tradition zurückblicken. 1662 als Hofkapelle des damals noch in Durlach resi-dierenden badischen Fürstenhofes gegrün-det, entwickelte sich aus dieser Keimzelle ein Klangkörper mit großer nationaler und internationaler Ausstrahlung. Berühmte Hofkapellmeister wie Franz Danzi, Hermann Levi, Otto Dessoff und Felix Mottl leiteten zahlreiche Ur- und Erstaufführungen, z. B. von Hector Berlioz, Johannes Brahms und Béla Bartók, und machten Karlsruhe zu einem der Zentren des Musiklebens. Neben Brahms standen Richard Wagner und Richard Strauss gleich mehrfach am Pult der Hofkapelle; Niccolò Paganini, Clara Schumann und viele andere herausragen-de Solisten waren gern gehörte Gäste. Hermann Levi führte 1856 die regelmäßigen Abonnementkonzerte ein, die bis heute als Sinfoniekonzerte der BADISCHEN STAATS-KAPELLE weiterleben.

Allen Rückschlägen durch Kriege und Finanznöten zum Trotz konnte die Tradi- tion des Orchesters bewahrt werden. Generalmusikdirektoren wie Joseph

Keilberth, Christof Prick, Günther Neuhold und Kazushi Ono führten das Orchester in die Neuzeit, ohne die Säulen des Repertoires zu vernachlässigen. Regelmäßig fanden sich zeitgenössische Werke auf dem Programm; Komponisten wie Werner Egk, Wolfgang Fortner oder Michael Tippett standen sogar selbst vor dem Orchester, um ihre Werke aufzuführen.

Die große Flexibilität der BADISCHEN STAATSKAPELLE zeigt sich auch heute noch in der kompletten Spannweite zwi- schen Repertoirepflege und der Präsen-tation zukunftsweisender Zeitgenossen, exemplarisch hierfür der Name Wolfgang Rihm. Der seit 2008 amtierende General-musikdirektor Justin Brown steht ganz besonders für die Pflege der Werke Wagners, Berlioz’, Verdis und Strauss’ sowie für einen abwechslungsreichen Konzertspielplan, der vom Deutschen Musikverleger-Verband als „Bestes Konzertprogramm 2012/13“ ausgezeichnet wurde. Auch nach dem 350-jährigen Jubi-läum 2012 präsentiert sich die BADISCHE STAATSKAPELLE – auf der reichen Auf-führungstradition aufbauend – als lebendi-ges und leistungsfähiges Ensemble.

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BESETZUNG1. ViolineJanos EcseghyAxel HaaseGustavo VergaraViola SchmitzThomas SchröckertWerner MayerleAlexandra KurthAyu IdeueJuliane AnefeldJudith SauerLivia HermannI-Zen HsiehYuki MukaiAndrea Götting*Arisa Iida*Herbert Pfau-von Kügelgen*

2. ViolineAnnelie GrothShin HamaguchiKm. Toni ReichlGregor AngerKm. Uwe WarnéAndrea BöhlerChristoph WiebelitzDiana DrechslerDominik SchneiderBirgit LaubEva-Maria VischiChorong HwangIris DomineMaryna Veremeeva*

ViolaKm. Franziska DürrMichael FentonChristoph KleinFernando Arias ParraSibylle LangmaackTanja Linsel

Nicholas CliffordErika CedenoStephanie Bühler*Leng Hung*Ann-Katrin Klebsch*Ursula Plagge- Zimmermann* VioloncelloFlorian Barak*Km. Norbert GinthörWolfgang KursaweHanna GieronJohannes VornhusenLaurens GrollFrancesco BiscariVacha Bragatuni*Kevin Guerra*Hoang Nguyen*

KontrabassKm. Joachim FleckPeter CernyXiaoyin FengMonika KinzlerKarl Walter JacklRoland FunkChristoph EpremianLars Jakob* FlöteTeodor Tirlea-Mazare*Horatiu Petrut Roman OboeKai BantelmannAndré van Daalen* KlarinetteDaniel BollingerNathalie Ludwig

FagottFelix AmrheinKm. Detlef Weiß Horn & WagnertubeDominik ZinsstagFrank BechtelMartin Grom*Friedrich zu DohnaKm. Susanna Wich- WeissteinerTristan Hertweck*Jörg DusemundPeter Bühl TrompeteWolfram LauelSebastian Schütt*Ulrich Warratz PosauneSandor SzaboAngelika FreiHeinrich Gölzenleuchter

TubaDirk Hirthe Pauke & SchlagzeugHelge DafernerMarco DalbonDavid Panzer

* Gast der STAATSKAPELLEKm.: Kammermusiker/in

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BILDNACHWEISE

UMSCHLAG Arik Sokol S. 3 akg-images / Barbara KrafftS. 9 akg-images S. 10 Felix GrünschloßS. 14 – 15 Felix Grünschloß

IMPRESSUM

HERAUSGEBER STAATSTHEATER KARLSRUHE

GENERALINTENDANT Peter Spuhler

KAUFMÄNNISCHER DIREKTORJohannes Graf-Hauber

VERWALTUNGSDIREKTOR Michael Obermeier

GENERALMUSIKDIREKTOR Justin Brown

ORCHESTERDIREKTORBernard Ohse

REDAKTIONDorothea Becker, Luzia Schloen

KONZEPTDOUBLE STANDARDS Berlin

GESTALTUNG Kristina Schwarz

DRUCKmedialogik GmbH, Karlsruhe

STAATSTHEATER KARLSRUHESaison 2017/18Programmheft Nr. 469www.staatstheater.karlsruhe.de

TEXTNACHWEISE

S. 2 – 8 Originalbeitrag von Raphael Rösler

Sollten wir Rechteinhaber übersehen haben, bitten wir um Nachricht.

ABONNEMENTBÜROT 0721 3557 323F 0721 3557 [email protected]

AB 11,00 / ERM. 5,50 EURO PRO KONZERT

UNSERE KONZERTE 18/19 –AM BESTEN IM ABO!Jederzeit einsteigen – unser Abonnementbüro berät Sie gerne!

AM BESTEN IM ABO!

1. SINFONIE- & 1. SONDERKONZERT Richard Wagner Eine Faust-Ouvertüre Richard Wagner Wesendonck-Lieder Anton Bruckner Sinfonie Nr. 3 „Wagner-Sinfonie“

Unter der Leitung von Generalmusikdirektor Justin Brown widmet sich die BADISCHE STAATSKAPELLE Richard Wagner. „Dem unerreichbaren, weltberühmten und er-habenen Meister der Dicht- und Tonkunst“ dachte Bruckner seine 3. Sinfonie zu. Katherine Broderick Sopran Justin Brown Dirigent BADISCHE STAATSKAPELLE

23. & 24.9.18 GROSSES HAUS28.9.18 GROSSES HAUS

1. KINDERKAMMERKONZERT– WIR SIND NACHHER WIEDER DA, WIR MÜSSEN KURZ NACH AFRIKA 6+Gunnar Schmidt liest die wunderbare Ge-schichte von Oliver Scherz mit viel Charme und Witz, während die drei Schlagzeuger der STAATSKAPELLE auf einer Bühne voller Klang- und Schlaginstrumente das Abenteuer mit eigens dafür komponierter Musik zum Klingen bringen.

11. & 26.10.18 11.00 KLEINES HAUS

2. SINFONIEKONZERT im Rahmen des Zeitgenuss-Festivals Paul Dukas Der Zauberlehrling Kaija Saariaho Asteroid 4179: Toutatis György Kurtág … concertante … op. 42 Anna Thorvaldsdottir Aeriality Claude Debussy La mer

Wir gleiten durch die Luft, hören, wie sich ein Asteroid der Erde nähert und wie das Meer klingt … ein wahres (Zeit-) Genussprogramm!Hiromi Kikuchi Violine Ken Hakii ViolaDaniele Squeo DirigentBADISCHE STAATSKAPELLE

21. & 22.10.18 GROSSES HAUS

2. SONDERKONZERT Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonie Nr. 29 A-Dur KV 201 Wolfgang Amadeus Mozart Klavierkonzert Nr. 9 Es-Dur KV 271 Peter I. Tschaikowski Serenade für Streichorchester C-Dur op. 48

Rokokohafte Eleganz und große romantische Geste Tschaikowskis treffen auf Mozarts emotional höchst wirkungsvolles Klavier-konzert – ein Programm voller Freude!Sergei Babayan Klavier Daniel Dodds Violine & Leitung Festival Strings Lucerne

29.10.18 GROSSES HAUS

DIE NÄCHSTEN KONZERTE 18/19