Märklin stellt Weichen im Produktentstehungsprozess neu

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Euromold 2010 Weltmesse für Werkzeugbau, Formenherstellung und Engineering im Aufwind www.economic-engineering.de Kunststoffoberflächen Mit Laser lassen sich Oberflächen mit Mikro- und Nanostrukturen versehen Datenaustausch Neuer Standard ISO 15 926 findet immer mehr Anwender im Großanlagenbau Raus aus dem Regal Produktkonfiguration hilft, Ladenhütern auf die Spur zu kommen Fahrzeuginnenräume von morgen • Mikropräzisionsbearbeitung Intelligente Methoden, Prozesse und Technologien Das Wirtschafts-Fachmagazin für Ingenieure Deutschland / Österreich 8,80 Schweiz CHF 13,80 ISSN 1866-5004, 10811 Dezember 2010 / Januar 2011 1/2011 Märklin stellt Weichen im Produktentstehungsprozess neu 300 Ma?rklin:200 30.11.2010 11:52 Uhr Seite 1

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KunststoffoberflächenMit Laser lassen sichOberflächen mit Mikro- undNanostrukturen versehen

DatenaustauschNeuer Standard ISO 15 926findet immer mehr Anwenderim Großanlagenbau

Raus aus dem RegalProduktkonfiguration hilft,Ladenhütern auf die Spurzu kommen

Fahrzeuginnenräume von morgen • Mikropräz is ionsbearbei tung

Intelligente Methoden,Prozesse und Technologien

Das Wirtschafts-Fachmagazin für Ingenieure Deutschland / Österreich € 8,80 Schweiz CHF 13,80

ISSN 1866-5004, 10811Dezember 2010 / Januar 2011

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Märklin stellt Weichen im Produktentstehungsprozess neu

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Märklin reorganisiertmit Catia und Enovia SmarTeamMit dem Management des Produktlebenszyklus (PLM) beschleunigtMärklin seinen Innovationsprozess. Die Einführung der Engineering-Plattform von Dassault Systèmes geschieht trotz hoher Komplexitätin einem festen Kostenrahmen und sehr engen Fahrplan. Das laufen-de Projekt des Modellbahn-Marktführers ist stringent – entsprechendpräsentiert es der Systemanbieter als Best Practice auf der Euromold2010 in Frankfurt/Main.

Das Göppinger Traditionsunterneh-men Gebr. Märklin & Cie GmbH

(1) ist derzeit dabei, seine Zukunftsfä-higkeit langfristig auch ohne Investorzu sichern. „Wir haben eine Planungfür die kommenden vier Jahre bis 2014

erarbeitet, die einen stabilen Umsatzund eine stabile Mitarbeiterzahl fürGöppingen garantiert“, berichtet Insol-venzverwalter Michael Pluta von sei-nem Plan, mit dem das Unternehmen2011 aus der Insolvenz geführt werden

soll. Die Zeichen dafür stehen gut: Für2009 und das erste Halbjahr 2010 hatdie Kultmarke bereits wieder Gewinnausgewiesen.Herzstück des Unternehmens ist dieProduktentwicklung – und die stärktdie Unternehmensleitung gezielt mitInvestitionen. „Märklin ist das mit Ab-stand innovativste Unternehmen derBranche, und in der Produktentwick-lung wird auch die Basis für den weite-ren Weg des Unternehmens gelegt“, er-läutert Kurt Seitzinger, durch den In-solvenzverwalter beauftragter Ge-schäftsführer. Noch im Wirtschaftskri-senjahr 2009 startete das Projekt „ME-RITO“. Das Akronym steht zwar pro-

Die Lokomotiven derBaureihe 03.10 warenEinheitsschnellzug-lokomotiven der Deut-schen Reichsbahn, dievon 1939 bis 1941 ge-baut wurden.

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saisch für „Märklin-Entwicklungszeit-Reduzierung durch IT-Optimierung“,bedeutet aber nichts Geringeres, alsdass der Modelleisenbahnbauer dasProduktlebenszyklusmanagement(PLM) einführt. Die Produktfertigungwird auf der Plattform von DassaultSystèmes S.A. mit Sitz in Vélizy-Villa-coublay bei Paris konsolidiert, kon-zernweit wird das Konstruktionswerk-zeug Catia V5 und SmarTeam PLM zurDatenverwaltung eingeführt, unter-stützt von der Schwindt CAD/CAM-Technologie GmbH aus Coburg (2).„Das hohe Innovationstempo bei Märk-lin macht eine durchgängige Prozessket-te zwingend erforderlich“, erläutert Pro-jektleiter Michael Zauner. Schließlichsollen alle Produktdaten und Prozesseeinheitlich verwaltet und gesteuert wer-den. Ausgehend vom Projektkern „Kon-struktion“ sind alle anderen Abteilungen

an den Datenaustausch angeschlossen.Betroffen sind die Geometrie und alleassoziierten Bereiche – angefangen beider Betriebs- und Konstruktionsleitung,über Produktion, Einkauf und Control-ling bis hin zu Marketing und Vertrieb.Unterm Strich wird eine Reduzierungder konstruktionsrelevanten Durchlauf-zeit und der Konstruktionskosten im Ge-samtprozess um jeweils mindestens 30Prozent erwartet. Mit seiner Strategie liegt Märklin ge-nau richtig: Nach den neuesten Zahlendes Beratungsunternehmens Pierre Au-doin Consultants (PAC) steigt das In-vestitionsvolumen in der deutschenFertigungsindustrie für Softwarepro-dukte bis 2014 jährlich um 4,1 Prozent.„Ein ausgewogener Ansatz von Kosten-senkung durch Effizienzsteigerung mitIT ist von großer Bedeutung“, erklärtPAC-Analystin Stefanie Naujoks. In

PLM-Projekte werde investiert, um dieProduktentwicklung effizienter zu ma-chen, Produktentwicklungslösungen zuharmonisieren und mit optimierten Pro-zessen die Wettbewerbsfähigkeit zu er-höhen.

Hohe Innovationsproduktivität

Die Ingenieure von Märklin entwickelnfür die beiden ProduktionsstandorteGöppingen und Györ jährlich zwischen350 und 500 neue Artikel rund um dieModelleisenbahn. Dabei fordert diebaugrößentypische Detaillierung dieGeschicklichkeit der Entwickler her-aus. So besteht etwa eine Lok aus biszu 300 Einzelteilen. Zwar werdenKomponenten wie Motoren, Kupplun-gen oder Schleifer mehrfach verwen-det, aber die Vorbildtreue erzwingt vielNeukonstruktion. Erhöht wird die

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Komplexität noch durch fünf unter-schiedliche Spurweiten (H0, 1, N, Zund G) und drei Produktlinien (Märk-lin, Trix und LGB). Dass der Mittelständler nun eine Kon-struktions- und PLM-Lösung imple-mentiert, die auch bei Premium-Ferti-gern wie Audi, Airbus, BMW oder Daimler etabliert ist, hält Ralf Seidler,geschäftsführender Gesellschafter desProjektpartners Schwindt, wegen derFertigungstiefe und des Qualitätsan-spruchs für konsequent: „Durch dieVielzahl der Teile mit zum Teil gerin-gen Stückzahlen ergibt sich ja auch beiMärklin eine große Fertigungstiefe.“Entsprechend werden auch sehr vieleCatia-Module eingesetzt. Als ambitio-niert bezeichnet Schwindt-ManagerSeidler den Zeitplan des Projekts:„Eine derartig komplexe Reorganisa-tion wird in der Automobilbranche übereinen Zeitraum von vier bis sechs Jah-ren abgewickelt – Märklin bewältigtdas in nur zwei Jahren.“

Als Qualitätsmaßstab gilt die authenti-sche Nachbildung der Realität, betontZauner. „Das betrifft Technik undWerkstoffe ebenso wie Steuerungs- undGeräuschfunktionen.“ Die Filigran-arbeit ist Grund für die herausragendeQualität der Produkte und die sprich-wörtliche Wertigkeit – Lokomotivenziehen selbst dann noch problemlosihre Runden, wenn sie nach Jahrzehn-ten wieder aus dem Regal gezogen wer-den. In Sammlerkreisen erzielen Wa-gen und Loks regelmäßig Höchstpreise,und mit Innovationen wie der linuxba-sierten Steuerungseinheit Central Sta-tion untermauert Märklin seine Rolleals Impulsgeber der Branche.

Aus Bottom-up wird Top-down

Die Neuausrichtung von Konstruk-tionsinfrastruktur und -prozessen hatlaut Zauner zwei konkrete Gründe:„Die technische Ausstattung der Ent-wicklung war durch den Zukauf vonFirmen wie Trix und LGB inhomogengeworden – die Systemvielfalt behin-derte auch den Datenfluss zwischenden Werken und Entwicklern.“ Außer-dem fehlte eine einheitliche Datenwelt.Das behebt nun die Kombination Catiaund EnoviaSmarTeam: „Das Systemvon Dassault Systèmes erfüllt dasKernkriterium, CAD-Konstruktions-technik und Produktlebenszyklus-management aus einem Haus für einendurchgängigen Informationsfluss zukombinieren.“Mit der Umstellung einher gingen zweiParadigmenwechsel. „Erstens das Um-denken von reiner Flächenmodellie-rung hin zu Volumen-, Hybrid- undSchalenmodellen“, berichtet der Pro-jektleiter. Noch gravierender ist, zwei-tens, der Wechsel in der Methodik.„Bisher haben wir nach dem Bottom-up-Prinzip aus vielen Details ein Mo-dell erstellt. Nun wird durch den Top-down-Ansatz in der Konzeptphasezuerst das Gesamtmodell abstrakt be-schrieben, dann folgt die schrittweiseKonkretisierung und Detaillierung fürVarianten.“Am Ausgangspunkt eines Modells stehtdie Idee des Produktmanagements, wieetwa die Auswahl der elegantenSchnellzug-Dampflok der Baureihe03.10 als Topmodell des Jahres 2010.„Sie markiert den glanzvollen techni-schen Endpunkt des Dampfantriebs“,hebt Zauner hervor. Steht das Modellfest, werden im Sinne des Requirement

Engineering die Anforderungen defi-niert. Das ist keine triviale Angelegen-heit: Dampfloks einer Baureihe beka-men oft neue Kessel und andere Wind-leitbleche oder wurden individuell um-gebaut. „Bei der 03.10 hat sich das Pro-duktmanagement in Abstimmung mitder Dokumentation auf den Zustandvon 1963 festgelegt.“Nun ergeht der Auftrag an die Konstruk-tion, die quasi eine Plattform konfigu-riert nach typischen Vorgaben wie Spur,Achsen, Drehgestell, Griffstangen, Rad-satz, Motor oder Elektronik. DiesesGrundmodell aus Standards kann dannspäter nach konkreten Anforderungenintelligent abgewandelt werden. „Wirabstrahieren also und denken in Catia-Basismodellen“, umschreibt Zauner denWandel, den er mit einem ganz einfa-chen Beispiel veranschaulicht. So seienfür die Konstruktion einer Welle für ei-nen Radsatz drei Größen maßgeblich:Durchmesser, Länge und Phasenwinkel.„Für die Entwicklung der ersten Wellebringen wir in der Konzeptphase be-sonders viel Energie und Intelligenz auf– für Folgearbeiten wird dann die Tabel-le dieser ersten Welle editiert.“ Abernicht nur die Parametrisierung beschleu-nigt Änderungsmanagement und Neu-konstruktionen: „Durch Automatisie-rungsfunktionen wie PowerCopy ist dieVerbauung einfacher Elemente wie Nie-ten – was früher viel Zeit beanspruchthat – leicht zu bewerkstelligen.“ Die Re-duzierung von Teilevielfalt und Mehr-fachkonstruktionen verwandelt Kon-struktion in Optimierung, bei der dieExperten ihren Erfahrungsschatz vollausspielen.Welche Teile diese besondere Intelli-genz erhalten, hat unter den Ingenieu-

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ren Diskussionen ausgelöst, denn beider Abbildungstreue sind keinerleiKompromisse zugelassen: Die äußereForm wird aufwendig funktional mo-delliert nach Bildvorlagen, Original-konstruktionsplänen und der Modellge-schichte, vorgelegt von der Dokumen-tation. Theoretisch ist auch eine Flä-chenrückführung durch das Scannen einer Originallok möglich – von der03.10 jedoch existiert heute kein Vor-bild mehr. Erhöht wird die Authenti-zität noch durch Simulationen in Catia,etwa des Bogenlaufs.

Harmonisierung derEntwicklungsabläufe

Durch die PLM-Lösung wird auch einStandardprozess für die Fertigung ent-stehen. „Templates adaptieren Abläufeselbsttätig“, erklärt Wilfried Gassner,PLM Consultant von Dassault Sys-tèmes. So sei etwa die Vorlagetechnikintegriert für Formenbau, Werkzeug-erstellung, NC-Prozesse, Zeichensätzeoder Simulationen für den Zinkdruck-guss. „Stücklisten- und Zeichnungser-stellung sowie Prozessdokumentationlaufen automatisiert, was Konstrukteurevon Administrationsaufgaben entlas-tet“, erläutert Gassner. Nach seinen Pro-jekterfahrungen geht nämlich rund dieHälfte der Arbeitszeit bei der traditio-nellen Konstruktion durch die Neuanla-ge von Prozessdokumenten verloren.Grundvoraussetzung für PLM ist eineinheitlicher Lagerort der Daten. „Imoffenen Datenraum einer relationalenDatenbank sind die Geometrie und ihreAbhängigkeiten zu erkennen“, erklärtGassner. So lasse sich etwa leicht fest-stellen, ob es zu einem Drehgestell

schon eine Form gibt, ob sie weiterver-wendbar ist und ob dazu bereits einNC-Prozess existiert. Firmen aus ande-ren Branchen hinterlegen sogar für dasCompliancy-Management eine Materi-aldatenbank, die die Konstruktion mitden nationalen Regelwerken zusam-menbringt: „Sind bestimmte Materia-lien für den Export nach länderspezifi-schen Compliance-Vorgaben nicht er-laubt, wird der Konstrukteur im Rah-men des PLM gewarnt.“Bei Märklin wird die PLM-Lösungnoch durch 3Dvia Composer von Das-sault Systèmes ergänzt, um die Doku-mentation zu optimieren. So werdennun die Explosionszeichnungen haus-intern erstellt – das Werkzeug ziehtautomatisch die komplexen Teile per-spektivisch auseinander und verbindetsie mit Linien. Außerdem erhöht sichder Informationsfluss quer durch alleAbteilungen: Wer native CAD-Datenoder neutrale 3D-Bilder braucht, be-kommt sie direkt aus Enovia Smar-Team. Die 3D-Viewing-Funktionalitä-ten werden, so Projektleiter Zauner,rund 320 Mitarbeiter nutzen. In derVersion 6 des Composer hängen an ei-nem konstruierten 3D-Modell lautGassner auch gleich alle wichtigen In-formationen: „So weiß jeder im PLM-Umfeld sofort, welche Version er siehtoder wie oft das Teil überarbeitet wur-de. Das schützt im Sinne der Qualitäts-sicherung vor Fehlern und erleichtertden Freigabeprozess.“ Neuerdings gibtes mit dem Apps 3Dvia Mobile HD so-gar einen interaktiven Modell-Viewerfür das iPad von Apple.Für Zauner zeichnet sich nach dem nunerreichten Bergfest der Erfolg des In-novationsvorhabens hinsichtlich ver-kürzter Durchlaufzeiten und Verringe-rung der Produktionskosten ab:■ Der Entwickler konzentriert sich auf

seine Kernaufgabe und wird voninternen Servicepflichten und viel-schichtiger Kommunikation entlas-tet.

■ Durch die automatisierte konstruk-tionsbegleitende Dokumentationwerden Wissensmanagement undProduktqualität verbessert.

■ Das Dokumenten- und Produkt-datenmanagement von Enovia Smar-Team homogenisiert die Datenwelt,was die standortübergreifende Zu-sammenarbeit perfektioniert und dieInformationsprozesse verbessert.

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