MuT 64er 10/86: Speech Basic

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MuT 64er 10/86 Die wunderbare Welt von Isotopp Donnerstag, 26. Oktober 2006 MuT 64er 10/86 Im März 1983 bekam ich meinen ersten eigenen Computer, einen Commodore 64. Meiner war das alte Modell mit braunen statt schwarzen Funktionstasten und dem VIC I, bei dem die linken Ränder von Sprites immer flackerten. Im Sommer 1983 kam dann eine 1541 dazu. Irgendwann in dieser Zeit zog ich außerdem aus der Probsteier Pampa in die tosende Großstadt, nach Kiel. Dort lernte ich irgendwo an den üblichen Diskettentauschstellen Daniel kennen. Das war gut, denn so kannte ich jemanden, der wie ich im Gegensatz zu den üblichen Kopierkiddies auch selber was machte. Ob das, was wir da gemacht haben überhaupt technisch möglich war hat uns nur am Rande interessiert. Irgendwann im Sommer 1985 haben wir dann gelernt, daß ein Monitorlautsprecher knackst, wenn man die SIDLautstärke verstellt, und zwar proportional zur Änderung der Lautstärke. Wenn man also einige tausend Mal pro Sekunde die Lautstärke umstellt, kann man eine beliebige Wellenform erzeugen. Daniel nahm also seinen Lötkolben und einen Haufen Drähte und verband den LED Output des Levelmeters seiner Stereoanlage mit dem JoystickInput seines C64. Eine recht haarsträubende Schaltung zählte dabei die angeschalteten LEDs und generierte so die Bitkombinationen 00, 01, 10 und 11. Ich schrieb eine kleine Endlosschleife, mit der ich die Zweibitcodes vom Port abholte und mehr als Zehntausendmal pro Sekunde in irgendwelche plötzlich gar nicht mehr so reichhaltig vorhandenen Bytes im Speicher shiftete. Weil für eine Abbruchbedingungsorüfung keine Zyklen mehr übrig waren, mußte ich die Schleife in einem NMIHandler zerpoken um sie zu verlassen Programmabbruch durch Drücken der "Restore"Taste, die direkt mit dem NMIInput des Prozessors verbunden war. All das hat fast gut funktioniert, nur der Klang war grauenhaft. Daniel wurmte das, und irgendwan hatte er alles so satt, daß er für den monströsen Betrag von DM 250 ein russisches ExilOszilloskop mit einem ca. handydisplaygroßen Schirm auf dem Gebrauchtmarkt erhökerte. Ca. 15 Minuten nach dem Anschluß des Gerätes war das Problem klar: Das Levelmeter schneidet die Kurven unten ab, sodaß wir immer nur das Intervall zwischen 0 Volt und +x Volt einer Kurve gesampled haben, aber niemals die negativen Teile der Welle. Die Einführung einer Potentialkorrektur (Nullpunkt und Amplitude) hat das Problem schnell gelöst und ich schrieb eine Kalibrierungsfunktion: Die gelesenen Zweibitwerte wurden mit einer Lookuptable in C64 Farbcodes übersetzt und dann in die Kontrollregister für die Hintergrundfarbe geschrieben. Vor der Aufnahme konnte man also an den Kalibrierungspotentiometern drehen und den Farbenrausch auf dem Monitor beeinflussen. Wenn alle Farben in etwa gleich häufig zu sehen waren war die Aufnahme korrekt ausgesteuert. Der Klang war zwei Bit oder nicht großartig! Ich bastelte meine Aufnahmefunktion in etwas Benutzbares, und darunter verstand ich zur damaligen Zeit eine BasicErweiterung für das C64 Basic, Speech Basic. Wir machten eine DemoDiskette und zogen damit auf der CeBit '86 von Zeitschriftenstand zu Zeitschriftenstand. Markt und Techniks 64er Redaktion machte den Sale, und plötzlich stand ich nicht nur vor dem Problem, eine Anleitung für Speech Basic und einen Artikel schreiben zu müssen, sondern auch ein für eine Veröffentlichung geeignetes Foto zu finden. Ersteres Problem war lösbar, das zweite nicht, und so ist

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MuT 64er 10/86Die wunderbare Welt von Isotopp

Donnerstag, 26. Oktober 2006

MuT 64er 10/86Im März 1983 bekam ich meinen ersten eigenen Computer, einen Commodore 64.Meiner war das alte Modell mit braunen statt schwarzen Funktionstasten und demVIC I, bei dem die linken Ränder von Sprites immer flackerten. Im Sommer 1983kam dann eine 1541 dazu.

Irgendwann in dieser Zeit zog ich außerdem aus der Probsteier Pampa in die tosende Großstadt,nach Kiel. Dort lernte ich irgendwo an den üblichen Diskettentauschstellen Daniel kennen. Das wargut, denn so kannte ich jemanden, der wie ich im Gegensatz zu den üblichen Kopierkiddies auchselber was machte. Ob das, was wir da gemacht haben überhaupt technisch möglich war hat unsnur am Rande interessiert.

Irgendwann im Sommer 1985 haben wir dann gelernt, daß ein Monitorlautsprecher knackst, wennman die SID­Lautstärke verstellt, und zwar proportional zur Änderung der Lautstärke. Wenn manalso einige tausend Mal pro Sekunde die Lautstärke umstellt, kann man eine beliebige Wellenformerzeugen.

Daniel nahm also seinen Lötkolben und einen Haufen Drähte und verband den LED­Output des Levelmeters seiner Stereoanlage mit dem Joystick­Input seines C64. Einerecht haarsträubende Schaltung zählte dabei die angeschalteten LEDs und generierteso die Bitkombinationen 00, 01, 10 und 11.

Ich schrieb eine kleine Endlosschleife, mit der ich die Zweibitcodes vom Port abholteund mehr als Zehntausendmal pro Sekunde in irgendwelche plötzlich gar nicht mehr

so reichhaltig vorhandenen Bytes im Speicher shiftete. Weil für eine Abbruchbedingungsorüfungkeine Zyklen mehr übrig waren, mußte ich die Schleife in einem NMI­Handler zerpoken um sie zuverlassen ­ Programmabbruch durch Drücken der "Restore"­Taste, die direkt mit dem NMI­Input desProzessors verbunden war.

All das hat fast gut funktioniert, nur der Klang war grauenhaft. Daniel wurmte das, und irgendwanhatte er alles so satt, daß er für den monströsen Betrag von DM 250 ein russisches Exil­Oszilloskopmit einem ca. handydisplaygroßen Schirm auf dem Gebrauchtmarkt erhökerte. Ca. 15 Minuten nachdem Anschluß des Gerätes war das Problem klar: Das Levelmeter schneidet die Kurven unten ab,sodaß wir immer nur das Intervall zwischen 0 Volt und +x Volt einer Kurve gesampled haben, aberniemals die negativen Teile der Welle.

Die Einführung einer Potentialkorrektur (Nullpunkt und Amplitude) hat das Problem schnell gelöstund ich schrieb eine Kalibrierungsfunktion: Die gelesenen Zweibitwerte wurden mit einerLookuptable in C64 Farbcodes übersetzt und dann in die Kontrollregister für die Hintergrundfarbegeschrieben. Vor der Aufnahme konnte man also an den Kalibrierungspotentiometern drehen undden Farbenrausch auf dem Monitor beeinflussen. Wenn alle Farben in etwa gleich häufig zu sehenwaren war die Aufnahme korrekt ausgesteuert. Der Klang war ­ zwei Bit oder nicht ­ großartig!

Ich bastelte meine Aufnahmefunktion in etwas Benutzbares, und darunter verstand ichzur damaligen Zeit eine Basic­Erweiterung für das C64 Basic, Speech Basic. Wirmachten eine Demo­Diskette und zogen damit auf der CeBit '86 von Zeitschriftenstandzu Zeitschriftenstand. Markt und Techniks 64er Redaktion machte den Sale, undplötzlich stand ich nicht nur vor dem Problem, eine Anleitung für Speech Basic undeinen Artikel schreiben zu müssen, sondern auch ein für eine Veröffentlichunggeeignetes Foto zu finden. Ersteres Problem war lösbar, das zweite nicht, und so ist

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der Artikel in der 64er 10/86 mit dem wahrscheinlich häßlichsten Foto gedruckt worden, das je vonmir gemacht worden ist.

Der Speech Basic­Artikel war mein erstes selbst verdientes Geld. Aber damit hörte das nicht auf:Da Speech Basic ja nur mit der Hardware sinnvoll war, die Daniel inzwischen in eine kleinehandliche Platine umgewandelt hatte, die an den Joystick­Port zu stecken war, mußten die Leserdiese Platine entweder selber bauen oder kaufen. Daniel ließ im Artikel seine Adresse abdruckenund für nur 60 DM konnte man einen Digitizer und eine Diskette mit Speech Basic kaufen. Einigetausend Bestellungen später waren wir, zwei Oberstufenschüler, nach unseren Maßstäben plötzlichverdammt reich. Irgendwann Ende '86 hatte ich dann also keinen C64 mehr, sondern konnte aufeine Commodore Amiga umsteigen.

Und so kommt es, daß mich das ganze Rechnerzeugs in diesem Monat seit 20 Jahren ernährt. Undin ein paar Jahren blogge ich Euch dann im Rahmen der Reihe "Alter Sack bloggt" mal, wie eskommt, daß ich seit 20 Jahren online bin.Geschrieben von Kristian Köhntopp in Kiel um 06:37 | Kommentare (19) | Trackbacks (0)

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KommentareAnsicht der Kommentare: (Linear | Verschachtelt)

Grandios!

Ich kann mich an den zwei­Bit­Digitalisierer noch recht lebhaft erinnern. Ich habe auch bestimmt nochein Musikdemo liegen, dass ich mal damit gemacht habe. Obwohl, "Klangkollage" trifft das wohl eher.

Bei einer gewissen masochistischen Veranlagung Deinerseits würde ich die sogar nochmalraussuchen und Dir als D64­Image zukommen lassen. ;­)#1 SvOlli (Link) am 26.10.2006 07:53

Wir wolln das Foto sehn, wir wolln das Foto sehn, wir wolln, wir wolln, wir wolln das Foto sehn!

[dabei in die Hände klatsch und hüpf]

ocj#2 ocj von yadayada.de (Link) am 26.10.2006 07:56

Send PIX!!!#2.1 martin (Link) am 26.10.2006 08:16

Ja, ich auch ­ du hast dann auch einen Wunsch frei! versprech#2.2 Thilde (Link) am 26.10.2006 08:55

Hmm, leider knapp vorbei: http://www.zock.com/64er/schedule.html#2.3 Matthias (Link) am 26.10.2006 12:03

Bitte sehr, ein Foto.

Den Fotoset gibt es bei flickr#2.4 Isotopp (Link) am 26.10.2006 21:17

Herrlich! Das Heft hatte ich auch ­ ich erinnere mich an das Kim Wilde Bild! Und von Dela hab'ich eine (sündhaft teure) RAM­Disk Karte gehabt. Batterie­gepuffert.

Hab' die ganzen alten Hefte (bis auf die wo Artikel von mir drin waren) alle irgendwannweggeworfen...#2.4.1 Michael (Link) am 27.10.2006 14:30

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Ich habe das Bild gesehen und kann aussagen, dass so ein Iso reift wie ein guter Wein. Ich glaube,

ich habe es außerdem auch weggeworfen, genau weiß ich's aber nicht mehr.

#3 Azundris (Link) am 26.10.2006 11:57

äham. ja, 20 jahre is ein bisserl heftig. ich bin erst anno 1995 online gekommen und dann 1997,

nachdem die meisten mailboxen in deutschland dank dem ach so warmen, community­freundlichen

und personenbezogenenen internet dicht gemacht worden sind, in selbige "institution" übergesiedelt.

cu, w0lf.

ps: die unterschrift begleitet mich schon fast seit anfang an ;)

#4 fwolf (Link) am 26.10.2006 16:20

Ach du warst das! gSchade, dass ich letztes Jahr meine 64er allesamt entsorgt habe. An Speechbasic kann ich mich

aber noch gut erinnern :)

Grüße

Thorsten

P.S.

Der kürzeste C64 Witz aller Zeiten?

God save the Queen ,8,1

#5 Thorsten Strusch am 26.10.2006 16:49

Wie alt warst Du denn damals?

Ich hab' meinen ersten Computer mit 13 gekauft (Angebot von Vobis in der "Happy Computer" 1/86:

C16 mit Datasette + Basic Lernkurs für 200DM). Leider kannte ich damals damals niemanden, der

mehr Ahnung als ich hatte und deswegen hat es noch vier Jahre gedauert bis ich fürs

Programmieren bezahlt wurde.

#6 Markus am 26.10.2006 19:49

Du hast mich um 3 Monate geschlagen:

http://groups.google.com/group/sci.crypt/browse_thread/thread/5d23f280bffd21e7/074defca9c5876b0

­ die Mailboxen davor sind ja leider im digitalen Nirvana verschwunden.

#7 Michael (Link) am 27.10.2006 07:14

(Image by ClausM)#8 Isotopp (Link) am 30.12.2006 08:30

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20 Jahre Tondigitalisierer!Danke noch mal, der war echt klasse!Für meinen ersten C64 habe ich noch über 600 Mark bezahlt (ohne Floppy, oder Datasette!).Ab und zu muss ich heute noch mal mit dem C64 zocken, weil es einfach so viel Spaß macht!

Mein Brotksaten!#9 ClausM (Link) am 30.12.2006 14:58

wenn ich das so lese, komm ich mir auch ganz schön alt vor. ich hab mit einem ZX81 begonnen,dann einen Apple­II­Nachbau selbst gelötet, und im Studium kam dann ein 286 mit sagenhaften 12,5MHz dazu. Der Verkäufer hat mich mit dem Argument getrickst, daß alle anderen Rechner nur 12MHz hatten ;)Online war ich seit knapp 1990 im Fido (recht schnell auch als Node mit Mailbox) und wenig späterauch im Usenet, zuerst mit 2400, dann mit ZyXEL 14k4 Modem. Fido ist aber jetzt auch nicht mehrdas, was es mal war ...Die meiste Software hab ich unter OS/2 selbst geschrieben, weil ich unbedingt OS/2 ohne Dos(PROTECTONLY) haben wollte.Einen 64er hatte ich gebraucht auch mitsamt Zeitungen, ist aber in den Wirren der Bundeswehr­Zeitalles irgendwie verloren gegangen ;(Ich hab seltsamerweise aber noch den Eprommer, der an beiden Joystick­Ports und Userportbetrieben wird.Will den jemand haben, bevor ich ihn wegwerfe?#10 ths am 21.05.2007 08:13

Hehe, ich kenne (und habe) da noch ein Foto von dir aus dieser Reihe ;­)

Retromäßig dürfte dich das hier sehr interessieren:#11 Jannis (Link) am 09.02.2011 16:03

Retro ist Dreck. Das Leben ist zu kurz für langsame Computer.#11.1 Kristian Köhntopp (Link) am 10.02.2011 19:06

Mal wieder eine sehr coole Geschichte und ausführlich dargestellt!Ist Daniel auch noch in der Branche unterwegs?Habt ihr noch Kontakt?

Mit mit 64er coder kumpel hab ich schon lange nichts mehr zu tun und der ist auch bei der Feuerwehrgelandet.#12 Andy (Link) am 09.02.2011 16:56

Das letzte, was ich von Daniel weiß, ist daß er für eine Firma in Ahrensburg, dieHochgeschwindigkeits­Optiken designed die Fertigung in Asien anschiebt und überwacht. Ich weißnicht, ob er das noch tut. Und eine riesengroße DX­Satellitenanlage mit einem regelrechtenSchüsselpark hat er.#12.1 Kristian Köhntopp (Link) am 10.02.2011 19:08

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