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myStudy: Zur Konzeption einer internetbasierten Kommunikationsplattform zur Unterstützung der Präsenzlehre Magisterarbeit im Fachbereich Angewandte Kulturwissenschaften Studiengebiete Sprache und Kommunikation, Kulturinformatik Vorgelegt von Timo Leder Matrikelnummer: 999315 am 31.05.2003 Erstprüfer: Walter Uka Zweitprüfer: Dr. Rolf Großmann

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zur Unterstützung der Präsenzlehre

Magisterarbeitim Fachbereich Angewandte Kulturwissenschaften

Studiengebiete Sprache und Kommunikation, Kulturinformatik

Vorgelegt von Timo LederMatrikelnummer: 999315

am 31.05.2003

Erstprüfer: Walter UkaZweitprüfer: Dr. Rolf Großmann

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Inhaltsverzeichnis

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Inhaltsverzeichnis

1. Einführung 3

2. myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre 7

2.1 Form und Grenze 72.2 Grenzen und Anschlussfähigkeit 142.3 Konstruktivismus und Form 182.4 Konstruktivistische Lerntheorie 212.5 e-learning im Lichte konstruktivistischer Lerntheorien 232.6 Ergänzung von Präsenzlehre durch vernetzte Technologien 28

3. Form und Technik 31

3.1 Techniktheoretische Interpretation des Formkalküls 313.2 Aspekte von Open Source-Technologien 383.3 Open Source aus unterscheidungstheoretischer Sicht 44

4. Form und Interfacedesign 47

4.1 Das Interface zwischen Artefakt und Anwender 484.2 Visualität und Information 514.3 Design als Verwendung von Zeichen 55

5. Zur Umsetzung von myStudy 62

5.1 Verortung von myStudy im universitären Kontext 625.2 Der Stundenplan als Interface 635.3 Darstellung von myStudy 655.4 Visuelle Gestaltung 755.5 Verwendete Technologien 785.6 Struktur der Datenbanken 86

6. Schlussbemerkungen 89

7. Quellenverzeichnis 92

7.1 Literatur 927.2 Internetquellen 96

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Abbildungsverzeichnis

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Alte Hexe und junges Mädchen 11

Abbildung 2: Ontologisches Designdiagramm (eigene Darstellung; nach Bonsiepe 1996, 20) 48

Abbildung 3: Das Interface in der Beziehung zwischen Anwender und Artefakt (eigene Darstellung) 50

Abbildung 4: Dimensionen der Semiose nach Morris (vgl. Nadin 1988, 271) 56

Abbildung 5: Zeichenklassifikation nach Peirce (vgl. Nadin 1988, 271) 58

Abbildung 6: Darstellung eines Hyperlinks mit Mauszeiger (Screenshot) 59

Abbildung 7: Ansicht des myStudy-Stundenplanes (Screenshot) 66

Abbildung 8: Aufbau der Suchmaske in der Veranstaltungssuche und Anzeige der Suchergebnisse (Screenshot) 68

Abbildung 9: Druckansicht des myStudy-Stundenplanes (Screenshot) 69

Abbildung 10: Stundenplanansicht mit Ausschnittvergrößerung einer eingetragenen Lehrveranstaltung (Screenshot, eigene Darstellung) 70

Abbildung 11: Interface des Informations- und Kommunikationspanels in der Ansicht für Studierende (Screenshot, Ausschnitt) 71

Abbildung 12: Differenzierung der Rechteverwaltung in der Anmeldung zur Nutzung von myStudy (Screenshot) 74

Abbildung 13: Verwaltungswerkzeug zur Administration der myStudy-Datenbestände (Screenshot) 75

Abbildung 14: Schematische Darstellung des Seitenlayouts (eigene Darstellung) 77

Abbildung 15: Client-Server-Architektur und Darstellung einer HTTP-Anfage mit PHP-Interpretation (eigene Darstellung) 82

Abbildung 16: Datenbankstruktur von myStudy (eigene Darstellung) 87

Abbildung 17: Reduzierte Darstellung der Datenbankstruktur (eigene Darstellung) 88

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1. Einführung

„I believe that the motion picture is destined to revolu-tionize our educational system and that in a few years it

will supplant largely, if not entirely, the use of textbook.“(Thomas Edison 1922)1

Die technischen Entwicklungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass multi-und hypermediale Technologien ein großes Potential für die Anwendung imRahmen der universitären Lehre haben. Zugleich hat die intensive technolo-gische Durchdringung des Alltags dazu geführt, dass die Kompetenzen inder Nutzung dieser Medien einen besonders hohen Stellenwert im Ausbil-dungsprofil heutiger Hochschulabsolventen einnimmt. Heute ist diese Ent-wicklung an einem Punkt angekommen, an dem vielerorts darüber nachge-dacht wird, das Modell der Präsenzlehre, wie es an den deutschen Universi-täten praktiziert wird, neu zu überdenken und ganz oder teilweise durch dieVerwendung von Internet- und Multimediatechnologien zu substituieren.Unter dem Schlagwort e-learning wurden daher in den letzten Jahren um-fangreiche Anstrengungen zur Entwicklung virtueller, zumeist hypermedia-ler Lernangebote unternommen.

e-learningIn der Bildungspolitik ist die Entwicklung von e-learning-Plattformen vorallem deshalb von großer Bedeutung, weil in der Bereitstellung von effizien-ten Angeboten für die Aus- und Weiterbildung ein erhebliches Marktpoten-tial auf einem freien Bildungsmarkt erkannt wird. Auch im Rahmen betrieb-licher Weiterbildung finden e-learning-Konzepte immer größere Beachtung.Für das Jahr 2004 werden europaweit betriebliche Investitionen ine-learning-Systeme in Höhe von etwa 4 Milliarden Euro erwartet.2

Mit Hilfe von e-learning-Plattformen soll Lernenden die Möglichkeit gege-ben werden, sich Wissen in einer selbstbestimmten sowie raumzeitlich unab-hängigen Art und Weise anzueignen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeitsoll jedoch gezeigt werden, dass diesen Strategien ein Verständnis von Wis-sen und Lernen zugrundeliegt, welches unter Berücksichtigung von unter-scheidungstheoretischen Ansätzen in Frage gestellt werden muss. Die Effek-tivität von e-learning-Systemen muss infolgedessen problematisiert werden.

Ergänzung der Präsenzlehre

Doch sollen die Folgerungen, die hieraus gezogen werden, keinesfalls in re-aktionärer Manier den Einsatz von vernetzten Technologien im Rahmen deruniversitären Lehre verneinen. Vielmehr soll die organisatorische Unterstüt-zung der universitären Präsenzlehre durch Internet- und Multimedia-Techno-

1 Zitiert nach Oppenheimer 1997, 45.2 Diese Zahl geht aus einer Untersuchung der Unternehmensberatung Mummert

und Partner hervor (vgl. Mummert u. a. 2002 [online]).

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logien vorgeschlagen werden, um auf diesem Wege einerseits die Medien-kompetenz von Lernenden und Lehrenden zu fördern und darüberhinaus diePräsenzlehre von organisatorischen Aspekten zu entlasten und in dieser Hin-sicht zu unterstützen.

myStudy Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird die internetbasierte Kommunikati-onsplattform myStudy vorgestellt, die bewusst auf die Unterstützung der Prä-senzlehre ausgerichtet ist, statt eine Virtualisierung der Lehre zu verfolgen.myStudy ist ein Projekt der Abteilung Digitale Kommunikations- und Publi-kationstechniken (.dok) des Rechen- und Medienzentrums der UniversitätLüneburg. Den Studierenden und Lehrenden der Universität wird durch die-ses Projekt eine Kommunikationsplattform zur Verfügung gestellt, die es er-laubt, anhand des Vorlesungsverzeichnisses einen persönlichen Stundenplanzu erstellen und passwortgeschützt abzuspeichern. Gleichzeitig dient my-Study als Schnittstelle zwischen Lehrenden und Studierenden zur organisato-rischen Unterstützung der Lehre.

Um das zentrale Element des Stundenplanes als Orientierungs- und Motiva-tionspunkt gliedern sich verschiedene Informations-, Kommunikations- undDistributionsfunktionen, welche zur Unterstützung und Organisation derPräsenzlehre eingesetzt werden können. Lehrende haben durch einen privile-gierten Zugang zu dem System die Möglichkeit, Informationen zu ihrenLehrveranstaltungen bereitzustellen und zu aktualisieren sowie Lehrmateria-lien zum Download anzubieten. Einen Überblick über die verschiedenenFunktionsbereiche gibt die folgende Darstellung:

Tabelle 1: Funktionen der myStudy-Plattform

Information

- personalisierte Stundenpläne- detaillierte Informationen zu jeder einzelnen Veranstaltung- Bereitstellung von Seminarplänen- Verweise auf Webseiten von Veranstaltungen- Suche im Vorlesungsverzeichnis

Kommunikation

- veranstaltungsspezifische Blackboards- aktuelle Hinweise von Lehrenden an Studierende- seminarspezifische E-Mail-Listen- Anmeldung zu Seminaren

Distribution

- Up- und Download von Lehrmaterialien

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Zielsetzung von myStudy

Während das ursprüngliche Ziel bei der Entwicklung von myStudy darin be-stand, auf den Webseiten der Universität die Möglichkeit zu schaffen, einenpersönlichen Stundenplan zu erstellen und auszudrucken, wurde relativschnell deutlich, dass diese internetbasierten Stundenpläne eine Struktur bil-den, die weitergehend für die Unterstützung der Präsenzlehre genutzt wer-den kann.

Die Verwendung von myStudy bietet seinen Nutzern den Vorteil, eine Viel-zahl von studienrelevanten Informationen zentral abrufen zu können. Infor-mations- und Kommunikationsmöglichkeiten, welche zuvor dezentral anverschiedenen Instituten und Lehrstühlen angeboten wurden (z.B. durchAushänge an schwarzen Brettern), werden auf diese Weise gebündelt undsind auch von auswärtigen Studierenden einfach über das Internet wahrzu-nehmen. Andersherum können Lehrende mit Hilfe von myStudy die Aktuali-sierung sämtlicher Informationen zu allen von ihnen angebotenen Lehrver-anstaltungen zentral vornehmen. An der Schnittstelle zwischen Lehrendenund Studierenden entstehen so neue Kommunikationsräume, in denen einstudienbezogener Austausch stattfinden kann.

myStudy ist im Internet unter der URL http://mystudy.uni-lueneburg.de zufinden.

Gang der Untersuchung

Der detaillierten Betrachtung von myStudy und seinem Potential zur Unter-stützung der universitären Lehre sollen zunächst einige theoretische Ausfüh-rungen vorangestellt werden, welche die Begriffe Form und Grenze als zen-trale Kriterien für die weiteren Betrachtungen vorschlagen. Unter Bezug-nahme auf die Unterscheidungstheorie des Mathematikers George Spencer-Brown werden diese und angrenzende Begriffe hergeleitet und für die Fun-dierung von konstruktivistischen Ansätzen in der Lerntheorie herangezogen.Aus dieser Perspektive soll die Problematik von e-learning und Präsenzlehrebeleuchtet werden, um das Votum für eine Internetplattform zur Unterstüt-zung der Präsenzlehre zu rechtfertigen und die Stellung von myStudy in die-sem Spannungsfeld zu verorten.

Diese Beobachtungen, die sich also mit der Zielsetzung von myStudy und ih-ren theoretischen Bezügen beschäftigen, liefern die Grundlage, auf der wei-tere konzeptionelle Entscheidungen reflektiert und getroffen werden müs-sen. Für die vorliegende Arbeit sind hierbei vor allem zwei Aspekte signifi-kant: zum einen die Auswahl der verwendeten Technologien und zumanderen die Gestaltung der Benutzerschnittstellen.

Open SourceFür die Entwicklung und den Betrieb von myStudy wurden fast ausnahmslosOpen Source-Technologien und offene Standards verwendet. Aus diesemGrund ist es angebracht, die spezifischen Eigenarten dieser Technologien zuuntersuchen, um ihre Bedeutung für die Konzeption von myStudy zu erfas-sen. Die gewählte Theoriegrundlage von Spencer-Brown wird sich auch in

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dieser Hinsicht als hilfreich erweisen und die Begriffe liefern, mit denen sichdie Vorteile von Open Source-Technologien für myStudy beschreiben lassen.

Interfacedesign Während die technologischen Fragen ihre Relevanz stärker auf der Seite derEntwicklung und Administration von myStudy zeigen, spielt für die Nutzungeiner Kommunikationsplattform die Gestaltung der Benutzerschnittstellendie zentrale Rolle. Daher muss im Rahmen der Konzeption von myStudy dasProblem des Interfacedesigns beleuchtet werden, dessen Bewältigung einenwesentlichen Einfluss auf den Erfolg in Bezug auf die oben dargestellte Ziel-setzung hat. Die Gestaltung einer Benutzerschnittstelle muss dabei als dieVerwendung von Zeichen gedeutet werden. Infolgedessen ist die Berück-sichtigung von zeichentheoretischen Modellen bei der Untersuchung vonGestaltungsaspekten unerlässlich und kann für die Betrachtung von Design-entscheidungen wertvolle Hinweise liefern.

Auf der Basis dieser theoretischen Reflexionen sollen die Feststellungen undFolgerungen anhand einer praxisorientierten Betrachtung von myStudy nach-vollzogen und belegt werden. Im Zuge einer detaillierten Beschreibung desSystems, seiner Techologien und Oberfächen sollen die verschiedenenAspekte daher wieder aufgenommen werden.

Die Plattform myStudy soll damit als eine sinnvolle und effektive Lösung imRahmen eines Ergänzungsmodells von Präsenzlehre und vernetzten Techno-logien beschrieben werden. Darüberhinaus sollen die praktischen Entschei-dungen, die im Zuge der Entwicklung und Gestaltung von myStudy getroffenworden sind, theoretisch reflektiert werden, nicht zuletzt, um damit Hin-weise für vergleichbare Projekte zu liefern.

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Form und Grenze

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2. myStudy im Spannungsfeld zwischen e-learning und Präsenzlehre

Mit der Entscheidung, eine Kommunikationsplattform für die Unterstützungder Präsenzlehre zu entwickeln, hat man sich an der Universität Lüneburgfür ein Modell entschieden, das auf die Ergänzung herkömmlicher Methodender Präsenzlehre durch vernetzte Technologien baut. Im Gegensatz hierzustehen gegenwärtig e-learning-Systeme, die eher auf den Ersatz von Prä-senzlehre durch multimediale und vernetzte Techniken abzielen, wesentlichstärker im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Die Befürworter der Ent-wicklung von e-learning-Plattformen sehen in der Förderung dieses Substi-tutionsmodells die Bedingungen der Möglichkeit eines kostengünstigen, de-lokalisierten und zeitlich entgrenzten Lernens. Der qualitative Erfolg einessolchen Modells muss jedoch in Frage gestellt werden. Im Lichte konstrukti-vistischer Lerntheorien soll hier die These verfolgt werden, dass die Vertre-ter eines Substitutionsmodells an den Vorraussetzungen für eine nachhaltigerfolgreiche universitäre Lehre vorbei denken. Den theoretischen Unterbauhierfür soll zunächst die von George Spencer-Brown vorgeschlagene Be-trachtung der Begriffe Form und Grenze liefern, die für die Entwicklung ei-ner systemtheoretischen und konstruktivistischen Anschauung der kommu-nikativen und kognitiven Prozesse des Lernens zentral sind. Darüber hinauszeigen sich in der Herleitung dieser Begriffe wertvolle Grundlagen für dasSelbstverständnis eines jeden Beobachters, die somit auch für die Beobach-tungen der vorliegenden Arbeit ihre Gültigkeit bewahren.

2.1 Form und Grenze

Der Begriff der Grenze ist in der Vielschichtigkeit seiner möglichen Verwen-dungen merkwürdig undefiniert. Zumeist wird die Grenze als Phänomen desRaumes erfahren, jedoch ist selbst im alltäglichsten Sprachgebrauch eineVielzahl weiterer Verwendungsarten üblich. Die Anzahl wissenschaftlicherPublikationen, welche die Grenzen von Theorien, Sichtweisen oder Denkar-ten aufzeigen, scheint unüberschaubar, allerdings sind die theoretischenAuseinandersetzungen mit dem Begriff und seiner eigentlichen Idee deutlichseltener. Dabei sprechen bereits „die ersten [überlieferten; T.L.] Sätze derabendländischen Philosophie [...] von der Grenze als einem zentralen Be-griff“ (Wokart 1995, 275). Der griechische Philosoph Anaximander aus Mi-let (611-546 v. Chr.) formulierte diese und versteht die Grenze als einen Be-griff, „ohne den die Welt denkerisch nicht erschlossen werden könnte“ (Wo-kart 1995, 276).

Es soll an dieser Stelle eine Betrachtung erfolgen, welche den Grenzbegriffnicht in Bezug auf einen bestimmten Diskurs im Sinne einer Grenze von et-was versteht, sondern vielmehr die Grenze als etwas thematisiert. Im Fol-genden wird sich zeigen, dass eine solche Anschauung einen Rückbezug der

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Idee Grenze auf sich selbst bedeutet und mit Baecker als ein „Wiedereintrittder Unterscheidung in den Bereich des von ihr Unterschiedenen“ (Baecker1999, 24f) bzw. mit Spencer-Brown als „re-entry“ (Spencer-Brown 1977,56ff) verstanden werden kann. Für die Problematik der vorliegenden Arbeitist diese Betrachtung auch deshalb von Bedeutung, da es mit ihrer Hilfemöglich ist, zu Beobachtungen zu gelangen, welche die eigene Position undPerspektive nicht außer Acht lassen.

Grenze von innen In der alltäglichen wie in der wissenschaftlichen Verwendung des Begriffesfällt eines sehr deutlich auf: Die Idee der Grenze wird meist von innen hergedacht. Wenn beispielsweise bei John R. Searle von den „Grenzen derkünstlichen Intelligenz“ (Searle 1997) die Rede ist, dann nähert sich der Le-ser dem Problem der Grenze von innen, indem er nachvollzieht, wo die Fä-higkeiten einer Computerintelligenz aufhören. Wenn von den Grenzen einesNationalstaates gesprochen wird, so ist der inhaltliche Rückbezug stets derNationalstaat und nicht der Rest der Welt, aus dem mit Hilfe der Grenze einbestimmter Teil herausgeschnitten wird. Es scheint, als würde man mit demBegriff der Grenze lediglich eine Definition dessen vornehmen können, wasman gedanklich einschließen nicht aber ausschließen will. Die Grenze be-kräftigt einen Unterschied, eine Differenz des Eingeschlossenen gegenüberdem Rest. Oder mit anderen Worten: Bei dem Wechsel von der einen Seiteder Grenze zur anderen ergeben sich Veränderungen, welche durch den Be-griff der Grenze angezeigt werden. Es wird damit ein Selektionskriteriumgeliefert, dessen Folge die Binarität von Zustimmung und Ablehnung, vonEinschluss und Ausschluss bzw. von Diesseits und Jenseits der Grenze ist.

Gesetze der Form Dass diese Anschauung zu kurz greift, zeigt George Spencer-Brown in sei-nem Kalkül „Gesetze der Form“ (Spencer-Brown 1999), mit dem er eineTheorie der Begriffe Form und Grenze liefert. Jahrelang wurde er für ein al-ter ego Luhmanns gehalten3, der die Gesetze der Form für die Konstruktionder System-Umwelt-Architektur in seinen systemtheoretischen Arbeitenherangezogen hat4. Mit dem Erscheinen der ersten deutschen Augabe 1997ist er im hiesigen Sprachraum einem breiteren Publikum zugänglich ge-macht worden. Spencer-Brown selbst beschreibt sein Werk als mathemati-sches Kalkül, welches an einem Punkt beginnt, welcher der Logik vorausge-hend und

„soweit degeneriert ist, dass wir herausfinden können, dass die Ideen von Beschreibung, Bezeichnung, Namen und Anweisun-gen auf dasselbe hinauslaufen können.“ (Spencer-Brown 1999, 70)

3 Rudolf Maresch gibt in seinem Telepolis-Artikel zum Erscheinen der deut-schen Übersetzung der Laws of Form an, das Formenkalkül sei jahrelang für ein Hirngespinst Luhmanns gehalten worden (vgl. Maresch 1998 [online]).

4 (Vgl. z.B. Luhmann 1996, 24ff.) Der Bezug zu Spencer-Brown taucht in einer Vielzahl von Luhmanns Schriften ab Mitte der achtziger Jahre auf.

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Der Ort des Ursprungs seines Kalküls sei derart „primitiv“, dass Begriffewie richtig und falsch, aktiv und passiv und andere Gegensatzpaare als inein-ander kondensiert verstanden werden könnten (Spencer-Brown 1999, 72).Die Überlegungen auf diesem grundlegenden Niveau seien daher auch vonjedem intelligenten sechsjährigen Kind zu verstehen (Spencer-Brown 1999,XV), während erwachsene Menschen von der allgegenwärtigen Anwendungeiner zweiwertigen Booleschen Logik schon derart verdorben seien, dass ih-nen das Verständnis der Gesetze der Form oftmals außerordentlich schwerfalle.

Zwei-Seiten-FormSpencer-Brown beginnt sein Kalkül mit der Anweisung: „Triff eine Unter-scheidung“ (Spencer-Brown 1999, 3). Jede Unterscheidung, die ein Leser inFolge dieser Anweisung treffen mag, beruht auf der Teilung eines Raumes5

in zwei Seiten der Unterscheidung. Die Innenseite der Unterscheidung wirdbezeichnet, während die andere Seite unbezeichnet bleiben muss. Die Unter-scheidung schneidet mittels der Markierung des Bezeichneten einen be-stimmten Teil aus dem Raum des unmarkiert bleibenden Restes heraus. Sieproduziert somit eine Form, welche stets als „Zwei-Seiten-Form“ (Baecker1993, 11) verstanden werden muss, da sie eine Innenseite und eine Außen-seite impliziert, und installiert in der ehemals vollkommenen Symmetrie desununterschiedenen Raumes die Asymmetrie eines Gefälles, in welchem dieInnenseite in aller Regel höher bewertet wird als ihr Komplement. Für denSpencer-Brownschen Formbegriff ergeben sich damit im Ganzen drei Werte:die beiden Seiten der Unterscheidung sowie die dazwischenliegende Grenze.Allerdings liegt es in der Natur der Bezeichnung, dass sie nicht gleichzeitigdarauf verweisen kann, dass sie anderes unbezeichnet lässt. Schließlich er-kennt sie sich selbst nicht als Unterscheidung,

„denn die Bezeichnung verdeckt sowohl die Unterscheidung wie den Umstand, dass sie getroffen und dass sie von mir getroffen wird. All das, die Außenseite der Unterscheidung, die Unterscheidung selbst und den Umstand, dass ein Beobachter sie trifft, kann man nur sehen, wenn man entsprechende [neue; T.L.] Bezeichnungen vornimmt.“ (Baecker 1999, 24)

Auf der Basis dieser Formbildung werden drei Anschlussoperationen mög-lich. Zunächst stellt Spencer-Brown das Gesetz des Nennens vor: „Der Werteiner nochmaligen Nennung ist der Wert der Nennung“ (Spencer-Brown1999, 2). Diese Operation kann im Sinne einer Bestätigung interpretiert wer-den, welche den Wert der Unterscheidung bekräftigt. Zweitens führt er dasGesetz des Kreuzens ein: „Der Wert eines nochmaligen Kreuzens ist nichtder Wert des Kreuzens“ (Spencer-Brown 1999, 2). Das Kreuzen der

5 Die Verwendung des Begriffes Raum ist ideell zu verstehen. Sie bezieht sich nicht auf einen physischen Raum. Der physisch-lokale Raum kann aber konse-quenterweise als Spezialfall der hiesigen Betrachtung eingeschlossen werden.

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Unterscheidung meint das Übertreten der Grenze, welche die Unterschei-dung zwischen Innen- und Außenseite installiert hat. Die Unterscheidungwird damit egalisiert, womit jede weitere Anschlussmöglichkeit des Nen-nens oder Kreuzens gelöscht wird.6 Mit Hilfe dieser beiden Denkfiguren istes Spencer-Brown möglich, beliebig erweiterbare Arrangements von Unter-scheidungen zu formulieren, welche sich stets wieder auf den markiertenoder den unmarkierten Zustand zurückführen lassen.

re-entry Erst die dritte Operation ist, wie es Baecker formuliert, „der eigentlicheSkandal des Kalküls“ (Baecker 1999, 24). Es handelt sich um die Figur des„re-entry“, um den „Wiedereintritt in die Form“ (Spencer-Brown 1999,60ff). Das Kalkül wird in dieser Anschlussoperation rückgekoppelt, indemdie Form auf sich selbst rekurriert. Was aber geschieht hier mit der Unter-scheidung?

Die Unterscheidung lässt, bereits während sie getroffen wird, eine Paradoxieentstehen. Genau genommen muss sie als Anweisung eigentlich schon vor-liegen, bevor sie getroffen werden kann. In Ermangelung einer Anweisungaber zieht sich die Unterscheidung paradoxerweise nach dem order-from-noise-Prinzip7 am eigenen Schopf aus der Einheit des „unmarked state“(Spencer-Brown 1977, 3).8 Sie wird vollzogen und wird gleichzeitig als Un-terscheidung für sich selbst und andere beobachtbar. Das aber heißt nichtsanderes, als dass die Unterscheidung selbst bezeichnet wird. Sie wird alsForm auf der Innenseite der Unterscheidung unterschieden. Der Wiederein-tritt ermöglicht damit ein Oszillieren zwischen Innenseite und Außenseiteder Unterscheidung, welches nicht durch ein ständiges Kreuzen der Grenze,nicht im Sinne der Bestätigung oder Aufhebung der Grenze vor sich geht,sondern das durch die Existenz eines äußeren Beobachters evoziert wird.

alte Hexe oderjunge Frau?

Dieser Sachverhalt soll an einer bekannten Beispiel aus der Wahrnehmungs-lehre verdeutlicht werden. Die Abbildung 1 zeigt zunächst eine Kompositionaus schwarzen Linien und Flächen auf weißem Grund.

6 Niklas Luhmann misst der Operation des Kreuzens Kreativität bei, da sie im Gegensatz zur Nennung keine reine Wiederholung darstellt (vgl. Luhmann 1999a, 61).

7 Dieses order-from-noise-Prinzip wurde erstmals von Heinz von Foerster vorge-stellt. Foerster hat gezeigt, dass die Ordnung eines System zwar abhängig von dessen innerer Struktur ist, dass aber die Manifestation dieser Ordnung nur aus dem Chaos bzw. Rauschen (noise) heraus möglich ist. Rauschen ist mithin kon-stituierend für Ordnung. Die Unterschiede zwischen Spencer-Brown und Foer-ster sind rein begrifflicher Natur. Der Zustand des Chaos ist die perfekte Symmetrie, ein vollkommenes Kräftegleichgewicht. Die Foerstersche Ordnung bedeutet die Spencer-Brownsche Asymmetrie der Unterscheidung, welche die Einheit des Raumes aufbricht. (vgl. Foerster 2001, 199f; Luhmann 1994, 122f)

8 Die Fähigkeit, Unterscheidungen trotz fehlender Anweisung zu treffen, könnte man in Bezug auf Luhmann ebenfalls als Kreativität bezeichnet (siehe Fußnote 5) Es zeigt sich hierin die Verwandtschaft der ersten Unterscheidung mit dem Kreuzen der Grenze.

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Abbildung 1: Alte Hexe und junges Mädchen

Hat das Auge erst einmal Formen und Strukturen unterschieden, so sehenverschiedene Beobachter entweder das Bild einer alten Hexe oder das einerjungen Frau. Zwar ist der Beobachter nach kurzer Übung durchaus in derLage, die Wahrnehmung zwischen alter Hexe und junger Frau hin und her zuschalten, doch ist es unmöglich beide auf einmal zu sehen. Die BezeichnungAlte Hexe verdeckt die Außenseite der Unterscheidung, zu der auch dasJunge Mädchen gehört. Wer das Junge Mädchen bezeichnet, nimmt eine an-dere Unterscheidung vor und lässt folglich die Alte Hexe unbezeichnet.Beide Seiten der Unterscheidung auf einmal zu bezeichnen, ist dem Beob-achter nicht möglich. Stattdessen passiert etwas Sonderbares: Die Paradoxie,welche uns beim Wechsel zwischen beiden Wahrnehmungen gegenwärtigwird, das Befremden über ein Bild, welches zugleich ein junges Mädchenund eine alte Hexe zeigt, lässt - wie hier in diesen Zeilen - die Wahrnehmungselbst zum Gegenstand der Beobachtung werden. Damit wird der Wiederein-tritt der Wahrnehmung in die Wahrnehmung bzw. der Form in die Form voll-zogen.

Kybernetik und Form

Spencer-Brown gelangt mit seinen Überlegungen auf mathematisch forma-lem Wege zu der Denkfigur der Autoreferenz bzw. Rückkopplung, welcheebenfalls grundlegend für Norbert Wieners Kybernetik ist (vgl. Wiener1969, 124ff). Wiener bleibt mit seinen Herleitungen allerdings im Bereichder Booleschen Algebra (vgl. Wiener 1969, 150), den Spencer-Brown mitden Gesetzen der Form zu überwinden sucht. Während die Boolesche Alge-bra lediglich zwei Werte kennt, nämlich richtig und falsch, und auf dieseWeise zwei Anschlussoperationen erlaubt, nämlich Annahme oder Ableh-nung, installiert Spencer-Brown die Unterscheidung selbst und so auch ihreeigene Rückkopplung als dritten Wert. Ein Beobachter hat nun die Möglich-keit, eine Aussage nicht nur anzunehmen oder abzulehnen, er kann sie imSpencer-Brownschen Sinne auch unentschieden zurückweisen, indem er dieUnterscheidung, welche von der Aussage vorgenommen wird, nicht mit-trägt9. Der Beobachter unterscheidet mithin die Unterscheidung selbst und

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kann auf diese Weise aus ihrer Innenseite heraus, aber auch wieder in siehinein treten.

Kybernetik zweiterOrdnung

Mit dieser Interpretation des Kalküls ergeben sich große Ähnlichkeiten zwi-schen diesem und der Kybernetik zweiter Ordnung von Heinz von Foer-ster.10 Deren Konstrukt der Beobachtung zweiter Ordnung, welche Luh-mann in die Systemtheorie übernommen hat, gleicht der Figur des re-entry.Den Unterschied von Kybernetik erster und zweiter Ordnung definiert Heinzvon Foerster folgendermaßen:

„Ich schlage vor, die Kybernetik von beobachteten Systemen als Kybernetik erster Ordnung zu betrachten; die Kybernetik zweiter Ordnung ist dagegen die Kybernetik von beobachten-den Systemen.“ (Foerster 2001, 73)

Foerster erklärt damit die Beobachtung zweiter Ordnung programmatischzum Leitbegriff seiner Kybernetik. Auf diese Weise will Foerster die blindenFlecken der Beobachtungen erster Ordnung sichtbar machen und zu Aussa-gen gelangen, welche unabhängig von Beobachterperspektiven sind, alsounabhängig von der Art und Weise, wie Beobachter Unterscheidungen tref-fen. Am Beispiel des Bildes, das zum einen die Hexe und zum anderen diejunge Frau zeigt, wäre die Beobachtung zweiter Ordnung also die Wahrneh-mung der verschiedenen Wahrnehmungsmöglichkeiten und der begleitendenkognitiven Prozesse.

Form von myStudy Die wichtigsten Aspekte des Formbegriffs sind nun dargestellt worden. Esist daher an der Zeit, diese Erläuterungen in den Kontext der Problemstel-lung der vorliegenden Arbeit zu setzen. Ziel der obigen Ausführungen ist es,dem Leser mit dem Vokabular von Form, Grenze und Unterscheidung einWerkzeug an die Hand zu geben, welches ihn in die Lage versetzt, myStudyund angrenzende Problembereiche sinnvoll zu betrachten und einzuordnen.Gleichzeitig ist der Formbegriff auch notwendig, um die eigene Beobachter-position des Verfassers zu reflektieren, die deshalb eine besondere ist, weildieser auch zum Entwicklerteam von myStudy gehört. Dieser Umstandmacht ihn auf der einen Seite zu einem Spezialisten in Bezug auf die Frage-stellung, auf der anderen Seite zu einem Beobachter, der in besondererWeise mit dem Problem der Unterscheidung befasst ist. Soll das Unterneh-men dieser Arbeit gelingen, muss eben jener beschriebene Wiedereintritt ge-

9 Niklas Luhmann beschreibt dies anhand der Unterscheidungen von Code und Referenz. Eine Aussage kann nach einem Code angenommen oder abgelehnt werden (z.B. richtig/falsch), während sie unter Berücksichtigung der Unter-scheidung Selbstreferenz/Fremdreferenz z.B. als nicht relevant zurückgewie-sen werden kann (vgl. Luhmann 1992, 29ff).

10 Heinz von Foerster war das Werk Spencer-Browns frühzeitig bekannt. Er schrieb im Jahre 1969 eine außerordentlich lobreiche Besprechung der engli-schen Erstausgabe der „Gesetze der Form“ für den Whole Earth Catalogue und machte das Kalkül damit in Kybernetikerkreisen bekannt.

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leistet werden: Der Beobachter muss seine eigenen Beobachtungen beobach-ten. Nur so kann er von seinen getroffenen Unterscheidungen abstrahierenund zu Aussagen gelangen, die auch ’außerhalb’ von myStudy Gültigkeit be-sitzen. Auf der Grundlage des Formbegriffs ist es möglich, mit den einherge-henden Schwierigkeiten umzugehen, indem ein Beobachterstandpunkt zwei-ter Ordnung eingenommen und reflektiert wird.

Wir gehen also davon aus, dass jede Beobachtung auf dem Umstand beruht,dass mit ihr anderes von der Beobachtung ausgeschlossen wird. Die Tatsa-che, dass beobachtet wird, sowie die Fragen danach, wie beobachtet wird,was und was nicht beobachtet wird, können nur durch eine Betrachtung der‘Form’ von myStudy beleuchtet werden. Eine solche Betrachtung richtet sichnicht nur auf den Funktionsumfang von myStudy, sondern auch auf die Wahlder Technologien und die Gestaltung des Interfaces. Und selbst dies bliebevordergründig, wenn man nicht dem Umstand Rechnung tragen würde, dasses sich um eine Plattform zur Kommunikation in der Präsenzlehre handelt.Es ist also die Frage zu stellen, wie sich eine Universität sieht, die ein Sy-stem wie myStudy zur Unterstützung der Präsenzlehre entwickelt und an-wendet, statt ihre Anstrengungen in das Angebot einer e-learning-Plattformzu investieren. Eben diese Frage soll in den folgenden Abschnitten behandeltwerden.

Gerinnung der Form

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen kann eine Anwendung wiemyStudy als eine ’geronnene’ Form der Unterscheidung verstanden wer-den.11 Sie stellt eine Ansammlung von Unterscheidungen dar, die durch ihreProgrammierer und Gestalter in bestimmten Phasen der Entwicklung getrof-fen worden sind und die nun in der Funktion der Technik automatisiert sind.Solange die Technik funktioniert, werden die in Ihr geronnenen Unterschei-dungen durch das Gesetz des Nennens bestätigt. Das Kreuzen der Grenze istdagegen nicht möglich, solange man kein Programmierer ist, der Zugriff aufden Quellcode hat, um die Funktionen des Programms umzuschreiben, neueFunktionen hinzuzuprogrammieren oder vorhandene zu entfernen. Hierzeichnet sich ab, dass die Stellung von Open Source-Technologien eine be-sondere ist, da hier die Möglichkeit des Kreuzens, durch die Offenlegungdes Quellcodes offener handhabbar ist als bei proprietären Angeboten.12

11 Das Verständnis von Technik als geronnene Form von menschlichen Handlun-gen und Entscheidungen geht auf Max Weber zurück: „Eine leblose Maschine ist geronnener Geist“ (Weber 1988, 332).

12 Unter dem Ausdruck proprietäre Software wird jene Software zusammenge-fasst, deren Quellcode durch die Urheberrechte des Eigentümers (englisch: pro-prietor) geschützt wird und daher nicht einsehbar ist. Die Freigabe des Quellcodes erlaubt es dagegen dem Benutzer, Änderungen an der Software vorzunehmen. Diese auf den Benutzer übertragene Freiheit macht Open Source-Strategien gegenüber Krisensituationen relativ unempfindlich. Die Sta-bilität des Linux-Betriebssystems dient hierfür als Hinweis. Diese und angren-zende Fragen werden im dritten Kapitel ausführlicher bearbeitet.

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Die Beschreibung von myStudy als geronnene Form von Unterscheidungendarf nicht als Starrheit missverstanden werden. Es handelt sich vielmehr umein dynamisches System, in welchem sich durch seine Nutzung Strukturenherausbilden, die wiederum als Unterscheidungen anzusehen sind. Sie impli-ziert, das ein Nutzer bei der Anwendung einer Unterscheidung ein Hand-lungsmotiv hat, ein Ziel, das er mit der Unterscheidung verfolgt, das aber mitihr selbst nicht zu verwechseln ist.

2.2 Grenzen und Anschlussfähigkeit

Wie erläutert wurde, markiert der Begriff der Grenze die Teilung eines Rau-mes in eine Innen- und eine Außenseite. Die landläufige Verwendung desBegriffs impliziert oft, dass eine Überwindung dieser Grenze wenn auchnicht unmöglich, so doch aber mit erheblichen Anstrengungen verbundenist. Wer an seine Grenzen gelangt, kann meist nicht über diese hinausgehen,und wenn doch, so scheint dies die erwähnenswerte Ausnahme der Regel zusein. Der Grenzbegriff, wie ihn Spencer-Brown beschreibt, unterscheidetsich von der üblichen Verwendung, denn wie schon im vorhergehenden Ab-schnitt angedeutet wurde, ist die Grenze Voraussetzung für verschiedene An-schlussmöglichkeiten. Die Operationen des Nennens und des Kreuzens so-wie das re-entry werden erst auf der Grundlage der vorgängigen Unterschei-dung möglich. Sie markiert somit nicht das Ende von etwas, sondern geradeden Anfang von vielen weiteren Unterscheidungen, die sich kaskadisch fort-setzen.13 Begrenzung und Entgrenzung können insofern als einander konsti-tuierende Phänomene gedeutet werden.

Offenheit undGeschlossenheit

Dieser Zusammenhang kann in Anlehnung an Niklas Luhmann näher be-schrieben werden. Zwar können hier nur einzelne Aspekte der Systemtheorieangeführt werden, jedoch ist festzuhalten, dass die Systemtheorie die „allge-meinen Eigenschaften der Zwei-Seiten-Form am Fall von System und Um-welt expliziert“ (Luhmann 1999a, 63). Die These von Begrenzung und Ent-grenzung lässt sich für diese Explikation reformulieren: Alle Offenheit vonSystemen beruht auf ihrer Abgeschlossenheit.

„Etwas ausführlicher gesagt, heißt dies, daß nur operativ geschlossene Systeme eine hohe Eigenkomplexität aufbauen können, die dann dazu dienen kann, die Hinsichten zu spezifi-zieren, in denen das System auf Bedingungen seiner Umwelt reagiert, während es sich in allen übrigen Hinsichten dank sei-ner Autopoiesis Indifferenz leisten kann.“ (Luhmann 1999a, 68)

13 Metaphorisch kann der Sündenfall als die Ur-Unterscheidung der Welt gesehen werden (vgl. Luhmann 1999a, 62), denn er installiert die erste Asymmetrie zwischen Richtig und Falsch. Gleichzeitig stellt die Vorstellung vom Paradies die Rückkehr in den ununterschiedenen Zustand der Symmetrie in Aussicht.

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Luhmann geht es bei diesem Gedanken noch nicht um die Beschreibung vonGesellschaftssystemen. Jeder Beobachter bietet vielmehr ein solches abge-schlossenes und autopoietisch operierendes System, welches nicht nur impsychischen Sinne, sondern auf einer abstrakten und entmaterialisiertenEbene zu begreifen ist, auf der Beobachtung nicht an spezifische oder gar or-ganische Operationen gebunden ist, sondern nur an Unterscheidung und Be-zeichnung.

InformationDer Erkenntnistheoretiker Gregory Bateson unterscheidet in seinem Vortrag„Double bind“ im Jahre 1969 (Bateson 1981, 353ff) zwischen den Erklä-rungswelten der Substanz und der Form. Der Welt der Substanz rechnet Ba-teson Kräfte und Einflüsse zu, während die Welt der Form durch Unter-schiede und Ideen geprägt ist. Im Zuge seiner Überlegungen definiert Bate-son den Begriff Information als einen „Unterschied, der einen Unterschiedmacht“ (Bateson 1981, 353). Die begriffliche Überschneidung zwischen Ba-teson und Spencer-Brown ist sehr auffällig14, und die Kenntnis des Unter-scheidungstheorie kann helfen, Batesons Definition besser zu verstehen. Tat-sächlich lässt sich der Begriff ’Information’ im Sinne Spencer-Browns wört-lich verstehen als ’In-Form-ation’, also als Substantiv für das In-Form-Befindliche, im Gegensatz zum Formlosen. Wenn aber die Form für die bei-den Seiten einer Unterscheidung sowie ihrer Grenze steht, ist die Informa-tion nichts als der Unterschied selbst. Jede Information stellt also einen Un-terschied dar. Erst wenn der Unterschied aber einen weiteren Unterschiednach sich zieht, sieht Bateson die Bedingungen von Information erfüllt. In-formation ist demnach eine Unterscheidung, die anschlussfähig ist und die,wie Spencer-Brown zeigt, selbst Gegenstand von Unterscheidung werdenkann.

SinnEine zentrale Rolle für die Anschlussfähigkeit von kommunikativen Opera-tionen spielt die Frage nach Sinn. Sinn ist im systemtheoretischen und kon-struktivistischen Verständnis keine Entität an sich, sondern vielmehr ein Pro-dukt von Unterscheidungsoperationen, das somit nur im Moment der Unter-scheidung besteht, weder vorher noch nachher. „Alle Orientierung istKonstruktion, ist von Moment zu Moment reaktualisierte Unterscheidung.“(Luhmann 1999a, 45) Wie kommt es dann aber dazu, dass sich in der Selbst-beobachtung sinnkonstruierender Systeme die Illusion von stabilen Identitä-ten herausbildet?

Beobachtende Systeme unterscheiden sich selbst mit Hilfe ihrer Beobach-tungen von der Umwelt, sie unterscheiden Selbstreferenz und Fremdrefe-renz. Die Selbstreferenz ist somit die Innenseite einer Zwei-Seiten-Form, de-ren Außenseite die Fremdreferenz ist. Indem das System beobachtet,

14 Inwiefern Bateson und Spencer-Brown im Jahre 1969 voneinander Kenntnis genommen haben, ist allerdings unklar. Erst später bezieht sich Bateson expli-zit auf Spencer-Brown (vgl. Bateson 1987, 113).

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produziert es jene Form, die wiederum auf ihrer Innenseite beobachtbar ist.Genau dies beschreibt die oben erläuterte Vokabel des re-entry. Das Systemoszilliert auf diese Weise zwischen Selbst- und Fremdreferenz und begreiftden Eigenwert dieser steten Rückkopplung als Sinn.15 Die Produktion vonSinn ist folglich die stete Herausforderung beobachtender Systeme, die mitHilfe ihrer Operationen aus ausgewählten Überraschungen und Irritationensinnvolle Informationen gewinnen. Gleichzeitig ist die Produktion von Sinnalso die Folge von rekursiven Unterscheidungen, aber auch die Bedingung,die den Anschluss weiterer Unterscheidung und damit die Fortführung wei-terer Sinnproduktion erst erlaubt.

„Im selbstkonstituierten Medium Sinn ist es unerläßlich, Opera-tionen an Unterscheidungen zu orientieren. Nur so läßt sich die für Rekursionen erforderliche Selektivität erzeugen.“ (Luh-mann 1999a, 48)

Betrachtet man Kommunikationsprozesse, so bezeichnet Sinn das Kriteriumder Selektivität, durch welche die Auswahl einer Anschlusskommunikationeingeschränkt wird. Hierdurch wird gewährleistet, dass eine beliebige Kom-munikation nicht beliebig fortführbar ist. Die Unterscheidung, die durch eineKommunikation vermittelt wird, transformiert die unbestimmte Kontingenzdes beliebigen Anfangs in eine bestimmte Kontingenz des Anschlusses, des-sen Selektion nur im Medium des Sinns erfolgen kann. Sinnlose Kommuni-kationen sind daher nicht anschlussfähig.

Kommunikation Der Kommunikationsbegriff bedarf weiterer Erläuterungen, um in der Fragenach Anschlussfähigkeit und schließlich auch hinsichtlich einer konstrukti-vistischen Anschauung von Lernprozessen fruchtbar Anwendung zu finden.Luhmann beschreibt Kommunikation als eine Trias von Information, Mittei-lung und Verstehen und versucht auf diese Weise, sich von einem Kommuni-kationsbegriff zu lösen, der sich an der „Metaphorik des Besitzens, Habens,Gebens und Erhaltens“ (Luhmann 1996, 193) orientiert. Der Kommunikati-onsakt zieht keine Übertragung von Informationen nach sich, er ist vielmehrzu sehen als ein Selektionsvorschlag, der aufgegriffen und prozessiert wer-den muss, damit Kommunikation zustande kommt. Information entsteht erstin der Bemühung des prozessierenden Systems, die Irritation des Selektions-vorschlags in Einklang mit den eigenen Vorstellungen und Sichtweisen zubringen, mit anderen Worten, zu verstehen. Während Information und Mit-teilung die Voraussetzung für das Verstehen bilden, kann eine Kommunika-tion nur als geglückt begriffen werden, wenn sie auch verstanden wordenist16, so dass aus ihr auf der Seite des Empfängers wiederum sinnvolle

15 Auf diese Weise kommt es im Zeitverlauf zu ständigen Verschiebungen dieses Eigenwertes und historisch gesehen zu einem Driften von Bedeutungen, wel-ches Jaques Derrida für den Bereich der Sprache mit dem Stichwort différance expliziert (vgl. Derrida 1991, 76).

16 Verstehen schließt in diesem Sinne auch Missverstehen ein.

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Informationen gewonnen werden können. Dabei beruht das Verstehen we-sentlich auf der erfolgreichen „Unterscheidung der Information von ihrerMitteilung“ (Luhmann 1996, 195). Die Systemtheoretikerin Elena Espositoliefert hierfür ein Beispiel:

„Für denjenigen, der die Kommunikation versteht, bleibt die Differenz zwischen einer durch die Wahrnehmung gewonnenen Information und einer kommunikativen Information fest [...]. Er verwechselt z.B. die Direktübertragung eines Feuers nicht mit dem Feuer in seiner Wohnung.“ (Esposito 1993, 343)

Kommunikation beschreibt also das organisierte Zusammentreten von die-sen drei Selektionen: Information als Unterscheidung dessen, was kommuni-ziert wird, von dem, was noch kommunizierbar wäre; Mitteilung als Selek-tion eines Verhaltens, das diese Information wahrnehmbar macht; und Ver-stehen als Unterscheidung von Information und Mitteilung.

Allein das Verstehen bewirkt bei dem Adressaten von Kommunikationeneine Veränderung, unabhängig davon, ob dieser die Information, die er auseiner Mitteilung generiert hat, annimmt oder ablehnt:

„Man liest: Tabak, Alkohol, Butter, Gefrierfleisch usw. gefährde die Gesundheit, und man ist (als jemand, der das hätte wissen und beachten können) ein anderer - ob man’s glaubt oder nicht!“ (Luhmann 1996, 203)

Das heißt, dass für den Kommunikationsbegriff zunächst unerheblich ist, obüberhaupt eine weitere Reaktion nach außen, beispielsweise in Form einerÄnderung von Konsumgewohnheiten, wahrnehmbar ist. Dies aber zeigt,dass jede Kommunikation die Freiheit evoziert, sich so zu ihr zu positionie-ren, wie man es für richtig hält. Als Selektion schafft sie zwar eine Ein-schränkung der Beliebigkeit des Kommunizierbaren in Form des Kommuni-zierten, gleichzeitig erzeugt sie aber auf der Seite ihres Anschlusses die Kon-tingenz von Annahme und Ablehnung. Auch in der Anwendung derUnterscheidungsfigur auf die Kommunikation zeigt sich in der gleichzeiti-gen Reduktion und Entfaltung von Komplexität die Ambivalenz von Be-grenzung und Entgrenzung.

Ein solches Verständnis von Kommunikation soll nun zunächst zusammen-geführt werden mit einem konstruktivistischen Verständnis von Lernen undWissen. Auf der Basis dieser Überlegungen kann dann für eine Ergänzungs-strategie von Präsenzlehre und vernetzter Technologie votiert werden, wiesie durch das Angebot und den Einsatz von myStudy verfolgt wird.

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2.3 Konstruktivismus und Form

Ernst von Glasersfeld beschreibt den wesentlichen Unterschied des Kon-struktivismus gegenüber den vielen anderen Denktraditionen in der Ge-schichte der westlichen Erkenntnislehre mit dem neuen Verhältnis zwischenWissen und Wirklichkeit (vgl. Glasersfeld 1981, 16ff). Während die vorgän-gigen Denkarten stets darüber stritten, was wirklich existiert, zeigt der Kon-struktivismus eine neue Qualität, weil er die Vorstellung von Wirklichkeit re-volutioniert, und konstatiert, dass es eine Übereinstimmung von Wissen undWirklichkeit nicht geben kann. Unter Berücksichtigung der vorangegange-nen Überlegungen kann festgehalten werden, dass die Beobachtung einerWirklichkeit wie jede Beobachtung auf der Basis von Unterscheidungsope-rationen vor sich geht und daher mit den Begriffen von Spencer-Brown be-schrieben werden kann.

Bezüge Der radikale Konstruktivismus17 befindet sich in der Tradition der kanti-schen, subjektorientierten Philosophie, löst sich jedoch konsequent von demPostulat einer subjektunabhängigen Realität. Die Frage, ob es eine objektiveRealität der Außenwelt gibt oder nicht, ist im Konstruktivismus irrelevantfür das Entstehen von Erkenntnis und Wissen. Eine sehr konkrete und be-deutende Rolle für die Entwicklung dieser Position haben die psychologi-schen Arbeiten von Jean Piaget gespielt (vgl. Glasersfeld 1981, 17), welchedie Vorgänge des Erwerbs von Wissenstrukturen vor allem beim Kind be-schrieben haben18. Bemerkenswert ist, dass Piaget bereits in den 40er Jahrenzu Erkenntnissen gelangt, die sich weitgehend mit denen der Konstruktivi-sten der 80er Jahre decken. Die zentrale Schlußfolgerung seiner empirischenArbeiten ist die Vorstellung, dass das Individuum seine kognitiven Konzepteselbst generiert und Wissen nur in der Rückkopplung mit der Umwelt er-wirbt (vgl. Schlumeister 1997, 71f). Auf der Basis dieser Prozesse bildet dasIndividuum seine Kognitionsfähigkeiten ständig weiter aus.

Die naturwissenschaftliche Grundlage der konstruktivistischen Idee bildendie Ergebnisse der modernen Biologie, wie sie hauptsächlich von Maturanaund Varela formuliert worden sind. Ausgehend von der Beschaffenheit derZelle als Ur-Einheit des Lebens liefern sie das Konzept des autopoietischenund selbstreferenziellen Systems (vgl. Maturana 1985, 180ff), welches vomKonstruktivismus übernommen wird. Sie begreifen Organismen als beob-achtende Systeme, die autonom und rekursiv organisiert sowie informatio-nell geschlossen sind.19 Solche Systeme können Informationen nicht als

17 Die Bezeichnungen ’radikaler Konstruktivismus’ und ’Konstruktivismus’ wer-den als gleichbedeutend verwendet, wie es dem Gebrauch in der Literatur weit-gehend entspricht.

18 Im Originaltitel ist das Werk benannt: „La construction du réel chez l’enfant“.Schon der Titel lässt Rückschlüsse auf Piagets Verständnis von Realität als Ergebnis einer Konstruktionsleistung des Beobachters zu (vgl. Piaget 1975).

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objektive Gegebenheiten aufnehmen, sondern nur individuell interpretierenderkennen. Im Kontext der ausgeführten Theorie der Unterscheidung kanndiese Annahme nicht überraschen. Schließlich werden Anschlussoperatio-nen in individuellen Sinnzusammenhängen individuell selektiert und ange-nommen oder abgelehnt.

Subjekt - ObjektDie traditionelle Vorstellung von Subjekt und Objekt, derer sich die ontolo-gische Erkenntnistheorie stets bedient hat, basiert auf einem altgriechischenNaturbegriff, der aus konstruktivistischer Sicht mit wesentlichen Irrtümernbehaftet ist (vgl. Luhmann 1987, 44), denn er geht davon aus, dass die Naturder Erkenntnis vorgelagert ist. Aufgabe der Erkenntnis war es daher, die Na-tur zu entdecken20 und mit Hilfe reduzierter Programme zu beschreiben.Eine Folge dieser Zielsetzung war schließlich die Erfindung des Subjekts.Der Beobachter nahm sich damit aus der Natur (=Objekt) heraus, ohne sichdabei dieser unzulässigen Verkürzung gewahr zu werden. In der konstrukti-vistischen Betrachtung wird diese Differenz zurückgenommen, weil das Ob-jekt - mit Spencer-Brown gesprochen - in die Grenzen des Subjekts wiedereintritt. Was ehemals als ontische Subjekt-Objekt-Differenz empfunden undauch theoretisch begründet wurde, erweist sich nun als epistemologischeEinheit, die nur scheinbar durch jede neue Beobachtung aufgebrochen wird,sich aber gerade darin erneut konstituiert.

WissenDer Konstruktivismus geht also davon aus, dass Erkennen vor allem einselbstbezüglicher Prozess ist, der ohne die Entität des Objekts funktioniert.Betrachtet man Wissen und Erkennen als korrelative Begriffe, so lässt sichdaraus ableiten, dass ein beobachtendes System nur dann über Wissen ver-fügt, wenn es dieses über seine eigenen kognitiven Operationen erzeugt.Wissen als Resultat eines Erkenntnisprozesses ist demnach nicht ein Abbildeiner äußeren Wirklichkeit sondern ein Konstrukt, welches individuell er-zeugt werden muss, um operativ verfügbar zu sein.

Die Konstruktion von Wissen wird von beobachtenden Systemen vorgenom-men, um den unstrukturierten Erlebnisraum in wiedererkennbare Einheitenzu gliedern, deren Beziehungen untereinander in einer sinnvollen Ordnungstehen. Da die Möglichkeiten der Konstruktion solcher Ordnungen stetsdurch vorhergehende Konstruktionen eingeschränkt sind, da also die mögli-chen Anschlüsse von Unterscheidungen an Unterscheidungen gebunden sindan Selektionsvorschläge wie z.B. Information, Mitteilung und Verstehen,kann auch ein Scheitern von Konstruktionen lediglich mit Hilfe eben jener

19 Die Begriffe von Beobachtung und Handlung sind in diesem Kontext nach Maturana/Varela als kongruent zu verstehen: „Jedes Tun ist Erkennen, und jedes Erkennen ist Tun.“ (Maturana/Varela 1987, 31)

20 Der Verwechslung von Erfindung und Entdeckung widmet sich in anschauli-cher Art und Weise auch der Metalog von Gregory Bateson „Was ist ein Instinkt?“ (Bateson 1981a). Demnach hat beispielsweise Sir Isaac Newton die Schwerkraft nicht entdeckt sondern erfunden.

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Unterscheidungen beobachtet werden, die schon zu ihrem Aufbau verwendetworden sind. Glasersfeld bringt diesen Gedanken auf den Punkt, indem erden Grenzbegriff wieder aufnimmt:

„Was immer wir als Bausteine wählen, [...] bestimmt Grenzen. Wir erfahren diese Grenzen aber sozusagen nur von ’innen’ [...]. Die Schranken der Welt an denen unsere Unternehmen scheitern, bekommen wir nie zu Gesicht. Was wir erleben und erfahren, erkennen und wissen, ist notwendigerweise mit unse-ren eigenen Bausteinen gebaut und lässt sich auch nur aufgrund unserer Bauart erklären.“ (Glasersfeld 1981, 35)

Zwar können jene Unternehmen an den Schranken unserer Konstrukte schei-tern, dennoch sind sie nur konstruierend möglich geworden. Wiederum er-weist sich die Grenze als beiderlei: als Begrenzung wie auch als Entgren-zung, hier im Spannungsfeld von Scheitern und Fortführung von Konstruk-tionen.

Paradigmen-wechsel

Die Konsequenz dieser Erkenntnisse ist durchaus nicht das Ende der Wis-senschaft, vielmehr hat man es nun mit einer Verschiebung des erkenntnis-theoretischen Paradigmas zu tun. Das Verhältnis von Wissen und Wirklich-keit wird nicht mehr als Problem der Korrespondenz betrachtet, sondern alsProblem des ‘Passens’ in einem darwinistisch evolutionären Sinne (vgl. Gla-sersfeld 1981, 20f). So wie in der Evolution der Einfluss der Umwelt darinbesteht, nichtpassende Varianten zu eliminieren, setzt die Erlebniswelt denPrüfstein für die kognitiven Strukturen beobachtender Systeme. Die erkennt-nistheoretische Fragestellung lautet daher nicht mehr „Was ist Wissen?“ son-dern „Wie erwerben wir Wissen?“ und schließlich diskurskritisch: „Wie undunter welchen Bedingungen wird Wissen als solches anerkannt?“ SiegfriedJ. Schmidt formuliert diesen Paradigmenwechsel folgendermaßen:

„Es empfiehlt sich, von Was-Fragen auf Wie-Fragen umzustel-len; denn wenn wir in einer Wirklichkeit leben, die durch unsere kognitiven und sozialen Aktivitäten bestimmt wird, ist es ratsam, von Operationen und deren Bedingungen auszuge-hen statt von Objekten [...].“ (Schmidt 1996, 15)

Der Beantwortung dieser neuen Wie-Fragen widmet sich der Konstruktivis-mus also aus einer Richtung, die insbesondere durch die Erkenntnisse derNeurophysiologie motiviert und begründet ist. Sein Ziel ist die theoretischeAusgestaltung und die Positionierung der Erkenntnistheorie als Metawissen-schaft. Das Problem der Vermittlung und Erzeugung von Wissen21 ist aller-dings weitgehend auch ein pädagogisches, vor allem dann, wenn es um

21 Schon der Begriff der Wissensvermittlung ist im Rahmen konstruktivistischer Theorien äußerst problematisch. Zu sprechen wäre eigentlich besser von der Irritation wahrnehmender Systeme, um kognitive Prozesse anzuregen. Aller-dings wird hier dem gängigen Sprachgebrauch der Vorzug gegeben.

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Konstruktivistische Lerntheorie

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konkrete Fragestellungen geht wie z.B. um den Einsatz vernetzter Technolo-gien in der universitären Lehre oder um den Abgleich von Präsenzlehre unde-learning. Es liegt daher nahe, dass konstruktivistische Ideen nicht ohneFolgen für die Entwicklung von pädagogischen Konzepten in der Lerntheo-rie geblieben sind.

2.4 Konstruktivistische Lerntheorie

Behavioristische Ansätze waren in der Lerntheorie über lange Zeit bis in dieachtziger Jahre hinein bestimmend. Sie gehen davon aus, dass das Verhalteneines Individuums nicht durch innere Vorgänge gesteuert wird, sonderndurch Konsequenzen, die auf sein Verhalten folgen.22 Situierte Ansätze, diesich auf konstruktivistische Erkenntnisse berufen, stehen diesen verhaltens-orientierten Konzepten entgegen.

Sie berufen sich auf die Feststellung der Konstruktivisten, dass Bedeutungenund Sinnzuschreibungen kommunikativ und situativ generiert werden, stattdiese als gegeben anzunehmen. Die Einsicht, dass die Welt erst durch Er-kenntnis hervorgebracht wird (vgl. Maturana/Varela 1987, 31), führt zu demSchluss, dass Bedeutungen und Wissen nicht mit Hilfe vorhergehender Kon-struktionsleistungen rekonstruiert werden, sondern dass jede Situation, jedeBeobachtung neue Ordnungsstrukturen, also neues Wissen generiert. Wissenkann somit weder abgerufen noch vermittelt werden, es können nur die Be-dingungen geschaffen werden, unter denen Lernende die Möglichkeit haben,eigenes Wissen situativ zu generieren. Spontaneität und Kreativität vonHandlungen werden somit gefördert und müssen nicht mehr als Krisensitua-tion in der Wissensvermittlung verstanden werden (vgl. Kerres 1998, 67).

situated cognitionDer Lernprozess ist also zum einen an die Situation und an den Kontext ge-bunden, zum anderen sind aber die Elemente des Kontextes Teil des Wis-sens, das hier generiert wird. Es kann zum Beispiel die Aussage eines Spre-chers meist nicht verstanden werden, ohne dass die Person des Sprechers be-rücksichigt wird. Im Verstehen des Hörers erfolgt aber nicht nur eineErkenntnis in Bezug auf die Aussage sondern auch auf den Sprecher.

Man stelle sich eine Situation in der Schule vor. Es geht um die Frage nachder Entstehung der Welt. Im Physikunterricht wird dieses Problem vermut-lich ganz anders besprochen als im christlichen Religionsunterricht. Wäh-rend der Physiklehrer den Schülern von der Urknalltheorie berichtet, erläu-tert der Religionslehrer die Schöpfung der Welt in sieben Tagen. Zu verste-hen ist dieser Widerspruch für den Schüler nur dann, wenn er kontextuell

22 Eines der bekanntesten behavioristischen Konzepte ist das Stimulus-Response-Modell, welches davon ausgeht, dass ein Individuum auf einen bestimmten Reiz stets eine bestimmte Reaktion liefert.

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interpretiert wird, wenn nämlich die Figur des Sprechers berücksichtigtwird. Vermutlich lernt der Schüler schließlich mehr über die verschiedenenWeltsichten der Physik und der Religion als über die Entstehung der Welt.23

Dieses Beispiel verdeutlicht, wie im Lernprozess Erkenntnisgegenstand undKontext ineinander verschmelzen und sogar die Rollen tauschen können.Pädagogische Konzepte, die diesen Umstand berücksichtigen, werden unterdem Begriff der situated cognition versammelt und versuchen, „die Autono-mie des Individuums und seine idiosynkratischen Prozesse“ (Schulmeister1997, 78) stärker zu respektieren. Ziel solcher Strategien ist es, Lernumwel-ten zu schaffen, in denen sich Lernende auf handelnde Art mit ihrer Umweltund ihren Mitmenschen auseinandersetzen, so dass daraus unerwartete undfremde Situationen (Irritationen) entstehen, die den Lernenden zu neuenKonstruktionen herausfordern. Auf diese Weise haben Lernende die Mög-lichkeit, ihren eigenen Lernprozess den individuellen Bedingungen in Bezugauf Vorwissen, bevorzugte Lernstrategien und Zielvorstellungen anzupassen.Auf der Basis dieser grundlegenden Vorstellungen lassen sich verschiedeneStrategien differenzieren, von denen hier nur zwei beispielhaft angesprochenwerden sollen.

cognitiveapprenticeship

Das Konzept des cognitve apprenticeship beruht auf dem Lernen innerhalbeines sozialen Verhältnisses zwischen dem Lehrenden und dem Lernenden(vgl. Schulmeister 1997, 81). In Anbetracht des konstruktivistischen Ver-ständnisses von Wissen erscheint das Lernen durch Beobachtung und Nach-ahmung besonders sinnvoll, da der Lernende hierbei seine eigenen kogniti-ven Konzepte in Abstimmung mit seinen individuellen Vorkenntnissen etc.entwickeln kann. Von hier aus kann dann eine weitere Anleitung durch denLehrer erfolgen, die aber immer wieder in ein Verhältnis zu dieser Basis ge-setzt werden kann. Je eigenständiger der Lernende in der Lage ist, seine ko-gnitiven Konstrukte erfolgreich einzusetzen, desto stärker kann sich der Ver-mittler aus seiner Rolle lösen, um schließlich in einem kooperativen statt an-leitenden Verhältnis zum Lernenden zu stehen. Die wechselseitigeBeobachtung und Interaktion ist also von zentraler Bedeutung für diese Stra-tegie. Schon in dieser verkürzten Betrachtung zeigt sich daher, dass die phy-sische Präsenz der Teilnehmer von besonderer Wichtigkeit für das Konzeptdes cognitve apprenticeship ist, da eine gegenseitige Beobachtung, die aufmediale Vermittlung angewiesen ist, mit großen Einschränkungen verbun-den wäre.

23 Dieses Beispiel findet sich in anderer Form bei Heinz von Foerster (vgl. Foer-ster 2001, 52). Foerster verdeutlich daran die Differenz von entscheidbaren und prinzipiell unentscheidbaren Fragen. Das Beispiel zeigt erneut, wie die Entste-hung von Paradoxien den Beobachter in eine Perspektive zweiter Ordnung zwingt. Schließlich geht es nicht mehr um die Entstehung der Welt, sondern um die Art und Weise, wie verschiedene Wissenschaften die Welt beobachten.

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Wissensgemein-schaften

Ein weiterer Ansatz im Rahmen der situated cognition ist das Lernen in Wis-sensgemeinschaften bzw. das kooperative oder interaktive Lernen (vgl.Schulmeister 1997, 82). Hierbei entwickeln und erproben die Lernendenkommunikativ und in Gemeinschaftsarbeit zielgerichtete kognitive Kon-zepte. Einzelne übernehmen dabei die Verantwortung für Teilergebnisse unddamit für den Lernerfolg der ganze Gruppe, was die gegenseitige Motivationund die soziale Kontrolle der Teilnehmer fördert. Indem die Rollen von Leh-renden und Lernenden innerhalb einer Wissensgemeinschaft auf diese Weisetemporär austauschbar werden, kommt es idealerweise zu einer großen Ho-mogenität des Lernerfolges innerhalb der Gruppe. Wiederum zeigt sich, dassauch in diesem Konzept der Stellenwert von Kommunikation und Interak-tion nicht zu unterschätzen ist, und wiederum soll hier die These bekräftigtwerden, dass diese Erfordernisse im Rahmen einer Präsenzlehre besser zuerfüllen sind als auf der Basis computervermittelter Kommunikation.

Zwar ist die Bedeutung von virtuellen Wissengemeinschaften in jüngsterVergangenheit immens gestiegen, jedoch müsste hier eine genauere Betrach-tung der Themenbereiche erfolgen, mit denen sich solche Gemeinschaftenbeschäftigen. Eine solche Untersuchung würde vermutlich zeigen, dass sichein großer Teil der wissengenerierenden virtuellen Gemeinschaften mit The-men und Problemen der computervermittelten Kommunikation befassen,also mit Fragen, die ihr eigenes Medium betreffen.24 Dieser Umstand kannsystemtheoretisch als Selbstreproduktion der internetbasierten Kommunika-tion und damit als Sonderfall verstanden werden, den jedes Kommunikati-onssystem mitführt. Es redet am liebsten über sich selbst und macht die ei-gene Struktur zum Gegestand seiner Kommunikation, oder im Sinne Luh-manns: Es unterscheidet Selbstreferenz von Fremdreferenz (vgl. Luhmann1996, 15).

2.5 e-learning im Lichte konstruktivistischer Lerntheorien

Es zeigt sich also, dass jene Vermittlungsstrategien, die sich auf die theoreti-sche Grundlage des Konstruktivismus beziehen, besonderen Wert auf dieKommunikation innerhalb eines Kontextes legen. Genau dies sind aber dieFaktoren, deren Multidimensionalität durch die mediale Vermittlung durch

24 Das Web-Portal Yahoo! Groups (Deutschland) bietet Internet-Usern die Mög-lichkeit, eigene E-Mail-Foren zu gründen oder vorhandenen Foren beizutreten. Die Gesamtheit der E-Mail Foren wurde in 184 inhaltliche Themenblöcke erster Ordnung aufgeteilt. Bei einer Gesamtzahl von 52691 Foren insgesamt, ergeben sich durchschnittlich 286 Foren pro Themenbereich. Die Anzahl der Foren, die sich mit dem Thema „Internet und WWW“ beschäftigen, beläuft sich auf 3132 und ist damit höher als bei jedem anderen Themenblock und mehr als zehn mal größer als der Durchschnitt. Der Bereich „Internet und WWW“ stellt damit im Rahmen von Yahoo! Groups jene Gruppe von Themen dar, über die am intensivsten kommuniziert wird. (vgl. http://de.groups.yahoo.com; abgerufen am 19.02.2003)

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Computertechnologien in der Lehre stark reduziert wird. Dies macht denEinsatz von computervermittelter Kommunikation im Rahmen von e-learning-Systemen im Bereich der universitären Lehre zu einer fragwürdi-gen Strategie. Zunächst aber erscheint eine nähere Erläuterung dessen ange-bracht, was im Rahmen dieser Ausführungen unter dem Begriff e-learningzu verstehen sei.

Definition Unter e-learning versteht man die auf ein Lernziel gerichtete Kommunika-tion von Inhalten mit Hilfe von elektronischen Medien, insbesondere unterVerwendung digitaler, vernetzter Technologien (Inter-, Intra- und Extranet),Audio- und Video-Übertragungen sowie interaktiver Medien (CD-Rom,DVD) (vgl. Esser u.a. 2001, 3). Durch diesen Medieneinsatz unterscheidetsich e-learning von dem, was bislang in Fernstudienzentren mit Hilfe ge-druckter, zumeist textbasierter Materialien (Studienbriefe) geleistet wurde.Diese recht weit gefasste Definition wird in verschiedenen Quellen stärkerauf die Verwendung von Internettechnologien hin spezifiziert. So heißt esbeispielsweise auf den Webseiten des Anbieters von e-learning-ModulenCisco:

„E-learning is Internet-enabled communication and training that allows quick, effective delivery at lower costs than traditio-nal methods. Companies can use these solutions to provide an enhanced learning experience that is scalable, up-to-date, can be self-paced, and provides learners with anytime, anywhere access to knowledge.“ (Cisco Systems 2001 [online])

Im Marketing-Jargon dieser Beschreibung klingen bereits jene Erwartungenan, die an e-learning-Systeme gestellt werden. Es werden mit e-learning-Konzepten strukturelle Vorteile gegenüber traditionellen Formen der Lehreverbunden, die mit den gängigen Entgrenzungs- und Egalisierungsthesen inBezug auf digitale Netze und deren soziale Aspekte korrelieren. GängigeEntstrukturierungsthesen sollen im Folgenden kurz skizziert werden, umdiese in Beziehung zu internetbasierten Lernsystemen zu setzen.

Entstrukturierung Zentraler Aspekt der Entstrukturierungsannahmen ist die Vermutung, dassdurch die Nutzung von computervermittelter Kommunikation nicht nurraumzeitliche Strukturen aufgelöst werden, sondern hierdurch auch sozialeStrukturen verändern. Thesen dieser Art wurden besonders von den euphori-schen Erfahrungsberichten der Internet-Nutzer früherer Stunden genährt, diemit ihren Schilderungen den Mythos einer elektronischen Agora begründe-ten. Howard Rheingold erklärt beispielsweise in seinem Buch über virtuelleGemeinschaften:

„Weil wir einander im Cyberspace nicht sehen können, sind Geschlecht, Alter, Nationalität und das Aussehen nicht bekannt [...]. Menschen [...] können feststellen, daß virtuelle Gemein-schaften sie so behandeln, wie sie sich das immer gewünscht

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haben: als Denker, als Übermittler von Ideen, als Wesen mit Gefühlen, nicht als bloße Körper mit einem bestimmten Ausse-hen und einer bestimmten Art zu gehen und zu sprechen.“ (Rheingold 1994, 41)

Die technische Vermittlung von Kommunikation stellt im Vergleich zurKommunikation unter Anwesenden eine besondere Qualität dar, welche seitder Digitalisierung der Kommunikationsmedien eine weitere Steigerung er-fahren hat. Indem die räumlichen und zeitlichen Beschränkungen von Kom-munikation egalisiert werden (vgl. Luhmann 1998, 302), kommt es zu einerDelokalisierung von kommunikativen Beziehungen (vgl. Stegbauer 2001,38ff). Diese räumlich und zeitlich entgrenzte Verfügbarkeit von Kommuni-kation, die auch auf telemediale e-learning-Systeme übertragen werdenkann, verspricht die optimalen Rahmenbedingungen für selbstbestimmtesLernen. Der Nutzer kann selbst entscheiden, wann, wie schnell und wo erlernt. Zwar ist es dem Lernenden, seinem individuellen Vorwissen und Lern-tempo entsprechend, überlassen, wie er sich die Lerneinheiten einteilt undwann er auf diese zugreift, allerdings zeigt die Erfahrung von virtuellen Se-minaren auch an der Universität Lüneburg, dass die technisch vermittelteKommunikation ihren Kanalbeschränkungen einen größeren Aufwand anzeitlichen Ressourcen schuldet. Zeit wird damit um so stärker zu einem re-striktiven Faktor für die kommunikative Erzeugung von Wissen auf der Ba-sis von Internet-Technologien.

Dass die These der räumlichen Delokalisierung zu kurz greift, tritt besondersbeim Medienübergang zutage (vgl. Stegbauer 2001, 43). Solche Übergängekommen dann zustande, wenn Informationen, die delokal verfügbar sind,nur in einem physisch-räumlichen Kontext angewendet und verstanden wer-den können, weil sie beispielsweise auf eine lokale Infrastruktur verweisen.Der Medienübergang verweist also auf die räumliche Verankerung vonKommunikationen, seien sie nun delokalisiert oder nicht. In den Entgren-zungsthesen steckt außerdem der Irrtum, dass Motivation und Freude amLernen unabhängig sind von dem Bedürfnis nach zwischenmenschlichemKontakt und sozialer Integration in einem physisch-räumlichen Kontext.25

EffektivitätMan verspricht sich von e-learning eine Minimierung von finanziellen undzeitlichen Ressourcen bei größerer Effizienz der Lehre. Da der webbasierteZugriff auf e-learning-Module prinzipiell nicht mit einer Begrenzung derTeilnehmerzahlen einhergeht, können große Mengen von Lernenden erreichtwerden, während idealerweise aber deutlich weniger Kosten für die Bereit-stellung von personellen Ressourcen, Klassenräumen, Präsentationstechno-

25 Ganz besonders deutlich tritt dieser Umstand in der Sprachdidaktik zutage, in der Auslandsaufenthalten und der Anwendung und Verfeinerung von Sprach-kenntnissen in dem betreffenden Land eine zentrale Rolle zugewiesen wird. Eine Sprache lernt man also am besten dort, wo sie gesprochen wird.

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logien und sonstiger Infrastrukturen aufgewendet werden müssen. Vielmehrwerden - vor allem auf der Seite der Lernenden - Strukturen genutzt, nämlichdas Netz und die angeschlossene Hardware, die oft bereits vorhanden undder Zielgruppe weitgehend zugänglich sind. Die arbeits- und zeitintensivePlanung und Durchführung von Prüfungen in mündlicher oder schriftlicherForm sowie die Erstellung und Verteilung von Leistungsnachweisen kann insolchen Systemen vollautomatisch und daher ebenso ressourcenschonend er-folgen.

Die Orientierung an Effektivitätserwartungen hängt eng zusammen mit demTrend zu einem Verständnis der Universität als Dienstleistungsunternehmen(vgl. Großmann 2001, 151). Kommunikation und Wissen werden hier alsquantitative Entitäten begriffen, die in der Metaphorik des Besitzens und Ha-bens verortet werden. Tatsächlich ist die Liste der Vorzüge, die das e-learning zu bieten scheint, lang, jedoch muss das qualitative Potential vonreinen e-learning-Strategien auf der Grundlage der vorangegangenen Ab-schnitte prinzipiell in Frage gestellt werden.

Kanalbeschrän-kungen

Eine internetbasierte e-learning-Plattform stellt durch ihre bildschirmgebun-dene Benutzeroberfläche den Kontext dar, in welchem der Lernende die dar-gestellten Inhalte wahrnimmt, verarbeitet und hieraus Informationen ge-winnt. Diese Benutzeroberfläche ist durch die technischen Bedingungen, mitdenen sich e-learning-Systeme konfrontiert sehen, auf bestimmte Kanäle re-duziert. Während die Darstellung von Texten und Bildern zunächst unpro-blematisch erscheint, werden nach heutigem Stand der Technik die Möglich-keiten einer haptischen und olfaktorischen Wahrnehmung ausgeschlossen.Die Aufbereitung von Inhalten mit Hilfe von Audio- und Videotechniken istzur Zeit zwar durch die mangelhafte Bandbreite der Datenübertragung ein-geschränkt, prinzipiell aber möglich.

Grundsätzlich werden sämtliche visuellen und auditiven Wahrnehmungenvon multimedialen Inhalten ihres räumlichen, dreidimensionalen Kontextesberaubt. Aufgrund dieser Reduktionen werden sowohl die angebotenen In-halte als auch implementierte Kommunikationen zwischen Lernenden undLehrenden in kognitiver Hinsicht normiert. Zahlreiche Facetten von verbalerund nichtverbaler Kommunikation werden ausgeblendet, und mit ihr gehenwesentliche Grundlagen für den individuellen und situierten Prozess derWissensgewinnung verloren. Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Entschei-dungsfähigkeit und Übersicht können auf diese Art nicht erlernt werden (vgl.Großmann 2001, 151f), denn diesbezügliche Strategien und ihre Erfolgekönnen weder situativ noch kontextuell erlebt und angewendet werden. Viel-mehr werden diese Prozesse per Klick, Drag&Drop und Fehlermeldung si-muliert. Clifford Stoll, einer der prominentesten Internetskeptiker, versucht,dies anhand des folgenden Beispieles zu illustrieren.

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„Der Amazonas-Regenwald in seiner Multimedia-Version ver-leiht die Illusion, den Regenwald erlebt zu haben. Aber ihn wirklich zu erfahren, heißt Mücken totschlagen und Malaria bekommen.“ (Stoll 1999, 304)

Zwar ist Stolls Position aus einer konstruktivistischen Sicht nicht unproble-matisch, wenn er die Illusion von Erfahrung gegen wirkliche Erfahrung ab-wägt, jedoch wird in den nachfolgenden Bemerkungen deutlich, worauf erhinaus will. Den das Internet, so führt Stoll weiter aus, bereitet dem Nutzerdie Illusion, „dass mit dem Zugang zu Informationen automatisch das Ver-stehen der Dinge einhergeht.“ (Stoll 1999, 304)

Das Vokabular dieser populärwissenschaftlichen Ausführungen korreliert inbemerkenswerter Weise mit dem Kommunikationsbegriff von Niklas Luh-mann. In der Kommunikation mit der Maschine werden zwar die Aspektevon Information und Mitteilung bedient, ein gegenseitiges Verstehen vonComputer und Lernendem in Bezug auf die vermittelten Inhalte kann aberlediglich simuliert werden.26 Durch die Zwischenschaltung technischer Me-dien sind Kommunikationen und Interaktionen, die nach konstruktivisti-schem Verständnis die wesentlichen Aspekte des Wissenserwerbs darstellen,den beschriebenen Kanalbeschränkungen unterworfen. Auf diese Weisewerden die von Luhmann vorgeschlagenen Entitäten Mitteilung und Infor-mation voneinander entkoppelt. Die Kommunikation wird somit dekontex-tualisiert, das heißt, die Umstände der Mitteilung können lediglich einen ka-nalbedingt beschränkten Einfluss auf die Umstände des Verstehens haben.

e-learning heuteViele der überhöhten Erwartungen an e-learning mussten in jüngster Vergan-genheit bereits relativiert werden. Vor allem im Bereich der Hochschullehrewurden in den letzten Monaten einige der ambitionierten e-learning-Projekteverschiedener amerikanischer Universitäten wieder eingestellt, weil sie aufder einen Seite mit zu hohen Kosten für die Produktion der multimedialenInhalte verbunden waren, auf der anderen Seite aber nicht genügend Studie-rende von ihrem Angebot überzeugen konnten (vgl. Himmelrath 2003[online]). Auch in Wirtschaftsunternehmen herrscht in Bezug auf die Erwar-tungen, die man an e-learning gestellt hatte, vorerst Ernüchterung. Dort wirdnach einer von KPMG Consulting in Auftrag gegebenen Studie bis heute nurein Randbereich der betrieblichen Aus- und Weiterbildung mit Hilfe von e-learning realisiert (vgl. KPMG 2001, 1 [online]).

blended learningIn der Folge dieser Erkenntnisse wurden e-learning-Strategien inzwischenteilweise geändert, um der Notwendigkeit von Kopräsenz zumindest in ein-zelnen Aspekten Rechnung zu tragen. Diese variierten Konzepte

26 Tatsächlich bieten e-learning-Systeme häufig simulierte Intelligenzen an, die den Lernenden durch verschiedene Lektionen führen, ihm Aufgaben stellen und schließlich seine Bewertung vornehmen - also Verstehen simulieren.

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versammeln sich unter dem Schlagwort des blended learning und versuchendie Vorteile von e-learning und Präsenzlehre miteinander zu verbinden, in-dem sie virtuelle Phasen und solche der Kopräsenz kombinieren. Jedoch istdie Integration von virtuellen Komponenten im Rahmen der Präsenzlehre al-les andere als neu und wurde vielfach bereits vollzogen, während an andererStelle noch der Glaube an ein Substitutionsmodells vorherrschte (vgl. Rinn/Wedekind 2002, 2). Nachdem auch erste Pilotprojekte in der betrieblichenWeiterbildung erfolgreich durchgeführt wurden (vgl. Obermeier 2002 [on-line]), bleibt abzuwarten, ob sich blended learning als akzeptiertes Modellder Wissensvermittlung konsolidieren kann.

Konzepte die auf die Ergänzung der Präsenzlehre durch virtuelle Kompo-nenten abzielen, machen deutlich, dass hierbei eine genaue inhaltliche Diffe-renzierung nach den zu behandelnden Themen erforderlich ist. Es wurde be-reits ein Hinweis gegeben, welche Inhalte sich besonders erfolgreich mitHilfe von vernetzten Technologien darstellen und vermitteln lassen, nämlichjene, die sich mit eben diesen Technologien sowie deren Anwendungen undFolgen befassen. Es ergibt sich hier die Ausnahme, dass der Kontext derWahrnehmung und der Kontext der Anwendung des erworbenen Wissensdeckungsgleich sind. Im Rahmen einer gesamtuniversitären Betrachtungmuss allerdings festgestellt werden, dass dies nicht zu verallgemeinern istund dass in einer Vielzahl der Fälle Wissen generiert wird, das in anderenKontexten seine Verwendung findet. Es muss also vielmehr das Nebeneinan-der von verschiedenen Lernfeldern der universitären Ausbildung gesehenwerden, die einerseits alle zu bedienen sind, unter denen der Medienkompe-tenz andererseits jedoch ein Sonderplatz eingeräumt werden muss (vgl. Ga-briel 1997, 97f). Dem kann ein ergänzender und organisierender Einsatz vontechnischen Medien gerecht werden.

2.6 Ergänzung von Präsenzlehre durch vernetzte Technologien

Das Konzept des lebenslangen Lernens ist seit Beginn der achtziger Jahre zueinem wichtigen Thema der Hochschulpädagogik geworden. Es geht davonaus, dass Lernprozesse niemals abgeschlossen werden, sondern sich ständigfortsetzen. Diese Anschauung steht in einem engen Verhältnis zu einem kon-struktivistischen Lernbegriff. Wenn Wissen nicht gespeichert und nach Be-lieben wieder abgerufen werden kann, um dann angewendet zu werden,macht es keinen Sinn, die zeitlichen Phasen des Lernens und der Anwen-dung des Erlernten zu differenzieren. Ziel der universitären Lehre muss da-her in besonderem Maße sein, den Lernenden Methoden und Konzepte derWissensgewinnung zur Erprobung und Nutzung bereitzustellen. Es geht mitanderen Worten darum, das Lernen zu lernen, und zwar auf lernende Art undWeise.

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MedienkompetenzDie Verfügbarkeit von Informationen ist für diesen Prozess von großer Be-deutung. Wenn auch, wie Stoll betont, der Zugang zu Informationen nichtmit dem Verstehen von Informationen verwechselt werden darf, so ist derZugang doch eine Voraussetzung für das Verstehen. Für die Verfügbarkeitvon Informationen spielen die technischen Medien eine Schlüsselrolle, ins-besondere das Internet hat sich im Verlauf der letzten Jahre zu einem derwichtigsten Medien entwickelt, welches Informationen und Kommunikatio-nen verschiedener Arten verfügbar macht. Mit Hilfe von Computertechnolo-gien können Informationen zwar ohne zeitliche und räumliche Beschränkun-gen gespeichert werden, jedoch kommt daher den Fähigkeiten, diese Tech-nologien zu nutzen, ein besonderes Gewicht zu. Medienkompetenz spieltaber nicht nur eine Schlüsselrolle für die Möglichkeiten des Informationszu-gangs, sondern meint gerade auch das Vermögen, jene Informationen, dieauf diese Weise zugänglich gemacht werden, einzuordnen und für die Ge-winnung von Wissen konstruktiv zu nutzen.27 Die Stärkung der Medien-kompetenz muss demzufolge ein Ziel universitärer Lehre sein, das studien-übergreifend und für verschiedene Fakultäten gleichermaßen gilt. Wenn dieAusführungen der letzten Abschnitte gezeigt haben, dass Lernen situativ undkontextuell erfolgt und dass daher in den meisten Fällen reale Lernumgebun-gen gegenüber einem virtuellen Ersatz zu bevorzugen seien, so muss dies fürdas Ziel der Vermittlung von Medienkompetenz relativiert, wenn nicht garumgekehrt werden. Soll das Erlernen von Medienkompetenz situativ erfol-gen, so kann dies folgerichtig nur mit Hilfe und unter Verwendung von Me-dien geschehen.

Ergänzungs-strategie

Aus diesem Grunde bietet die Ergänzungsstrategie von Präsenzlehre unddem Einsatz vernetzter Technologien zur ihrer Organisation einen vielver-sprechenden Ansatz im Für und Wider der dargestellten Problematik. Hierzubedarf es einer genauen Unterscheidung der Strukturen, die sinnvoll mitHilfe von Internettechnologien abgebildet und umgesetzt werden können. Esliegt beispielsweise nahe, die Distribution von Texten und weiteren Materia-lien, die innerhalb von Seminaren oder Übungen behandelt werden, über dasInternet zu realisieren. Ebenso bietet es sich an, auf computervermittelteKommunikationskanäle zurückzugreifen, wenn es um die Bereitstellung vonInformationen zur Organisation von Lehrveranstaltungen geht. Gemeint sindbeispielsweise die Bekanntgabe von Terminen und Fristen oder deren Ände-rungen, die Bereitstellung von zu bearbeitenden Aufgaben sowie deren Be-wertungen, die Abgabe von Aufgabenlösungen durch Studierende usw.Sinnvoll ist der Einsatz von vernetzten Technologien besonders dann, wennInhalte bereitgestellt und übermittelt werden, die nicht nach einer diskursi-ven und kontextuellen Behandlung verlangen. Man macht sich damit dieubiquitäre und permanente Verfügbarkeit des Netzes zunutze, ohne jedoch

27 Natürlich stellen darüberhinaus die Fähigkeiten der Medienproduktion einen wesentlichen Aspekt der Medienkompetenz dar.

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die beschriebenen Nachteile und Gefahren für die Qualität der Lehre in Kaufnehmen zu müssen. Gleichzeitig wird die Medienkompetenz der Nutzer ge-fördert, denen darüberhinaus ein Mehrwert durch den erleichterten Zugangzu relevanten Informationen und Materialien geboten wird.

myStudy myStudy stellt eine Plattform dar, die genau dieses beschriebene Ziel verfolgtund die dargestellten Aufgaben zu erfüllen versucht. Durch den Einsatz vonmyStudy zur Unterstützung der Präsenzlehre wird jenen Konzepten, die ei-nen Ersatz von Präsenzlehre durch e-learning vorsehen, eine Absage erteilt.Ihnen wird eine Strategie gegenübergestellt, welche die Vorzüge der Prä-senzlehre auf der einen und des Einsatzes von Internettechnologien auf deranderen Seite zu kombinieren weiß. Mit dieser Strategie geht ein unausge-sprochenes Selbstverständnis der Universität Lüneburg einher, das Präsenz-lehre als Rahmen für die kommunikative Erzeugung von Wissen sieht. DieHochschule wird nicht als Ort verstanden, an dem Wissen und Kompetenzenvon Lehrenden auf Studierende übertragen werden, sondern (konstruktivi-stisch) als Kontext für die Erprobung von kognitiven Konstrukten, (system-theoretisch) als institutioneller Rahmen für die kommunikative Erzeugungund Bewältigung von Irritationen und (unterscheidungstheoretisch) als Ortdes rekursiven Anschlusses von Unterscheidungen an Unterscheidungen.

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Techniktheoretische Interpretation des Formkalküls

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3. Form und Technik

Das vorangegangene Kapitel hat gezeigt, auf welcher theoretischen Grund-lage sich die Entscheidung für eine Kommunikationsplattform zur Unterstüt-zung der Präsenzlehre rechtfertigen lässt. Gerade in Anbetracht der aktuellenDiskussionen um die Etablierung von e-learning-Angeboten an deutschenHochschulen schien diese ausführliche Betrachtung der zugrundeliegendenPrioritäten angebracht. Es wurde der Standpunkt vertreten und begründet,dass die Unterstützung der Präsenzlehre durch vernetzte Technologien einevielversprechende Möglichkeit darstellt, den Erfordernissen einer zeitgemä-ßen universitären Ausbildung gerecht zu werden. Die Begriffe, derer sichdiese Ausführungen bedient haben, sollen auch im weiteren Verlauf dieserArbeit Anwendung finden und einen Hintergrund liefern, vor dem die Ent-scheidungen, die in der Konzeption und Umsetzung von myStudy getroffenworden sind, gerechtfertigt werden können. In diesem dritten Kapitel wirdnun die Begründung der Auswahl der verwendeten Technologien im Vorder-grund stehen. Unter Einbeziehung der vorgestellten Unterscheidungstheorieund ihrer Grundbegriffe soll gezeigt werden, warum die Technologien, diebei der Verwaltung und dem Betrieb von myStudy zum Einsatz kommen, fürdiesen Zweck besonders geeignet sind. Hierfür soll nun zunächst eine tech-niktheoretische Interpretation des Formkalküls von Spencer-Brown vorge-nommen werden. Später kann mit Hilfe dieser Überlegungen eine Anwen-dung auf die in myStudy verwendeten Technologien erfolgen.

3.1 Techniktheoretische Interpretation des Formkalküls

Max Weber begreift Technik als ein Phänomen, das zwar aus dem lebendi-gen Geist hervorgeht, aber nun eine verfestigte Form gewinnt, die nichtmehr von geistiger Reflexion geprägt ist, sondern von reiner Funktion. Erfasst dies in die Worte: „Eine leblose Maschine ist geronnener Geist“ (We-ber 1988, 332). Der Zustand des Geronnenen ist für ihn ein wesentlicherAspekt der Macht des technischen und auch des bürokratischen Apparats,den formlosen menschlichen Geist in seinen Dienst zu zwingen (vgl. Weber1988, 332ff). Weber bezieht also seine Interpretation des Technikbegriffsdurchaus nicht nur auf technische Artefakte wie die „leblose Maschine“,sondern insbesondere auf die bürokratische Verwaltung und die ihr imma-nente Verfestigung von Entscheidungs- und Handlungsstrukturen. Zwar istdiese Metaphorik stark beeindruckt von den sozialen Umwälzungsprozessenin der industrialisierten Gesellschaft des neugeordneten Deutschland amEnde des ersten Weltkrieges, jedoch zeigen sich, abgesehen von der politischmotivierten Interpretation Webers, Parallelen zu einem Technikverständnis,welches geleitet wird von einer Spencer-Brownschen Unterscheidungstheo-rie, wie sie in Abschnitt 2.1 ausgeführt worden ist.

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beobachtendeSysteme

Es ist das Privileg beobachtender Systeme, Unterscheidungen zu treffen.Was aber hat man unter einem beobachtenden System zu verstehen? Aus derPerspektive des biologischen Konstruktivismus stellt ein jeder Organismus,der in Wechselwirkung mit seiner Umwelt steht, ein solches dar. Die Sy-stemtheorie fasst dagegen den Systembegriff weiter und begreift auch funk-tional differenzierte Gesellschaftsysteme als Beobachter, die zwischenSelbstreferenz und Fremdreferenz, zwischen System und Umwelt unter-scheiden. Technik kann in Anlehung an das Vokabular Max Webers als ge-ronnene Form der Unterscheidungen solcher beobachtenden Systeme begrif-fen werden - zunächst unabhängig von den Systemgrenzen des Beobachters.

Auch durch technische Apparaturen werden, wie es scheint, unentwegt Un-terscheidungen getroffen: Sei es die Ampel, die rotes Licht zeigt und damitden Autofahrer an der Weiterfahrt hindert, oder der Computer, der kompli-zierteste Berechnungen anstellt und auf dieser Basis beispielsweise Börsen-kurse ermittelt und darstellt. Dabei handelt es sich doch bei diesen Appara-ten weder nach einer konstruktivistischen noch nach einer systemtheoreti-schen Position um beobachtende Systeme, deren Definition demzufolge zuüberdenken wäre. Vielleicht ist aber auch die Feststellung, dass Technik Un-terscheidungen treffe, das Ergebnis einer begrifflichen Unschärfe, die hiernäher zu untersuchen ist.

Wie im Abschnitt 2.1 erläutert worden ist, geht jede Beobachtung auf eineUnterscheidung zurück, die das Beobachtete von dem Nichtbeobachtetentrennt. Die Markierung, welche die Innenseite der Unterscheidung kenn-zeichnet, erlaubt die Anschlussoperationen von Nennen (bzw. Wiederho-lung, Bestätigung) und Kreuzen (bzw. Widerspruch, Auflösung). Die Tatsa-che, dass überhaupt eine Unterscheidung getroffen worden ist und dass dieseUnterscheidung nun wiederum beobachtbar und unterscheidbar ist, schafftdie Bedingung der dritten Operation, die mit dem Begriff re-entry beschrie-ben worden ist. Jedes beobachtende System hat nun also die ’Freiheit’ derWahl zwischen diesen drei Operationen. Um auf das obige Beispiel zurück-zukommen: Die Selektion Alte Frau oder Junges Mädchen wird allein vomBeobachter vorgenommen, und auch der re-entry, die Wahrnehmung derWahrnehmung, ist eine Leistung, die ausschließlich den Beobachter erfor-dert, sonst nichts.

Nicht-trivialeMaschinen

Aus diesem Grund bezeichnet Heinz von Foerster den Beobachter als Nicht-triviale Maschine (vgl. Foerster 1993, 244ff). Während die Triviale Ma-schine definitionsgemäß auf einen bestimmten Input immer denselben Out-put liefert, ist die innere Struktur der Nicht-trivialen Maschine nicht be-stimmbar und liefert Outputs, die nicht vorhersagbar sind. Sie ist vergangen-heitsabhängig, da ihre Zustände immer auch von vorangegangenenOperationen - beispielsweise von Erfahrungen - geprägt sind. Der Beobach-ter ist genau deshalb eine Nicht-triviale Maschine, weil die Freiheit seiner

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Entscheidung jede Voraussage über diese Entscheidung unmöglich macht.Gerade diese Freiheit verleiht ihm aber die besondere Fähigkeit, mit Proble-men umzugehen, die nach Foersters Definition unentscheidbar sind. Alleentscheidbaren Fragen sind bereits entschieden worden,

„indem ein theoretischer Rahmen bestimmt wurde, innerhalb dessen diese Fragen gestellt wurden, und indem die Regeln festgelegt wurden, nach denen jede Aussage innerhalb dieses Rahmens [...] mit jeder anderen Aussage [...] verknüpft werden kann.“ (Foerster 1993, 351f)

Fragen, die unentscheidbar sind, können dagegen einzig und allein von ei-nem Beobachter selbst entschieden werden. Hierin zeigt sich gleichermaßendie Macht des Beobachters wie auch seine Verpflichtung, und genau damitunterscheidet sich die Nicht-triviale Maschine von ihrem trivialen Pendantbzw. der Webersche Geist von seinem geronnenen Abdruck in Form der leb-losen Maschine.

Der Apparat, der nicht-triviale Züge zeigt (z.B. das Auto, das nicht mehr an-springt, oder der Betrieb, der keine Gewinne mehr erwirtschaftet), gilt alsschadhaft und muss von einem „Trivialisierungsspezialisten“ (Foerster1993, 252) (z.B. von einem Mechaniker oder einem Unternehmensberater)wiederhergestellt werden. Derjenige Beobachter dagegen, der lediglich tri-viale Entscheidungen zu treffen hat, kann problemlos durch die Maschine er-setzt werden.

Technisierung als Trivialisierung

Technik kann demzufolge als Ergebnis einer Trivialisierung verstanden wer-den, und zwar in den verschiedenen Dimensionen des Begriffs, ob es nun umdie ’Technik des wissenschaftlichen Arbeitens’ oder um die ’Technik desOtto-Motors’ geht. Immer ist das Ziel der ’Technisierung’ die Beseitigungder Freiheit, eine Unterscheidung so oder anders zu treffen. Ist dieses Zielerreicht, so steht anstelle dieser Kontingenz allenfalls ein so oder gar nicht.Die Wandlung, die damit an der Unterscheidung vollzogen wird, soll hiermit dem Begriff der Gerinnung angezeigt werden. Als Ergebnis einer Trivia-lisierungsoperation (z.B. des Mechanikers oder des Unternehmensberaters)liegt die Unterscheidung in geronnener Form vor und muss, so wie sie ist,befolgt oder verweigert werden. Das Kreuzen der Unterscheidung ist dage-gen nicht möglich, ohne die Technik selbst zu zerstören. Mit anderen Wor-ten: Ihre Form erlaubt nur sehr spezifische Anschlussoperationen, währendandere ausgeschlossen werden.

Nutzung von Technik

In dem Verhältnis von Mensch und Technik verknüpfen sich zwei Unter-scheidungen miteinander. Die eine Unterscheidung wird, wie gezeigt wurde,von der Technik selbst geliefert. Sie ist nicht variabel, das heißt, sie kannnicht beliebig gekreuzt werden. Die zweite Unterscheidung tritt erst zutage,wenn Technik im Sinne eines Werkzeugs oder Mediums gebraucht wird,

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denn dies setzt voraus, dass ein Benutzer (Beobachter) ein Handlungsmotivunterscheidet. Er wendet die Technik an, um ein bestimmtes Ziel zu errei-chen, und er geht davon aus, dass die gewählte Technik zur Erreichung die-ses Ziels adäquat ist.

Hammer Ein Beispiel kann diesen Sachverhalt verdeutlichen: Ein Hammer als techni-sches Artefakt ist vornehmlich konzipiert, um damit einen Nagel in dieWand zu schlagen - man könnte diese Anwendung als intendierte Nutzungdes Hammers beschreiben. Allerdings lässt sich der Hammer noch für vieleweitere Handlungsziele einsetzen: Der Hammer ist als Waffe zu benutzen, erkann als Briefbeschwerer dienen oder als Kunstobjekt in einem Museumausgestellt werden. Sicher würde man eine lange Liste weiterer möglicherVerwendungsmöglichkeiten erstellen können, doch alle diese Möglichkeitenbeziehen sich auf verschiedene Motive eines Anwenders. Die Unterschei-dung, die ein Nutzer in Bezug auf sein Handlungsziel trifft, ist also stärkervariabel, da sie sehr von seinen individuellen Absichten abhängt. Allerdingsmuss eine Betrachtung der ’Technik des Hammers’ auch den Umstand be-rücksichtigen, dass man mit einem Hammer nicht telefonieren oder kochenkann. Man kann ihn nicht zum Tennisspielen benutzen und zum Malen taugter auch nicht, selbst wenn dies die Handlungsmotive eines Benutzers seinsollten. Genau hierin liegt die Unterscheidung, die von der Technik selbstgeliefert wird und die nicht veränderbar ist.

Schreibmaschine-schreiben

Sucht man nach einem Beispiel, das weniger im gegenständlichen Sinnetechnisch ist als im ideellen, so bleibt das Konzept nichtsdestotrotz tragfä-hig. Spricht man etwa von der ’Technik des Schreibmaschineschreibens’, sobesteht das Technische eben darin,

„den Zusammenhang von einzelnen Buchstaben und deren kor-respondierenden Tasten so zu automatisieren, dass wir beim Schreiben unsere Aufmerksamkeit voll auf die richtige Wieder-gabe [...] des Textes konzentrieren können.“ (Jokisch 2000 [online])

Die Entscheidung, welche Taste für einen bestimmten Buchstaben und wel-che Tastenkombination für ein bestimmtes Wort zu drücken sei, wird auto-matisiert und hiermit trivialisiert. Die Triviale Maschine ’Typist’, deren her-vortretendstes Merkmal die ausgereifte ’Technik des Schreibmaschine-schreibens’ ist, liefert auf einen spezifischen Input immer einen spezifischenOutput. Es handelt sich beim Schreibmaschineschreiben im Umkehrschlussalso um ein entscheidbares Problem im Foersterschen Sinne, ein Problem,das durch eine Triviale Maschine bearbeitet werden kann, das aber durchden Automatismus der Technik entschieden wird. Der Typist kann diese Ent-scheidung der Technik nur befolgen oder verweigern, keinesfalls aber wie-derrufen (kreuzen), ohne den technischen Aspekt selbst zu zerstören. Wie imFalle des Hammers ist durch die Technik des Schreibmaschineschreibens

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zunächst unentschieden, wofür sie angewendet wird. Es kommt beispiels-weise vor, dass mit ihrer Hilfe Buchstaben, Wörter oder Texte nicht ge-druckt, sondern gelöscht werden (wie etwa unter Verwendung von Korrek-tur-Streifen).

Beschränkungen der Nutzung

Allerdings ist auch die Unterscheidung, die in der Nutzung einer Technik ge-troffen wird, an gewisse Voraussetzungen gebunden. Damit Technik über-haupt genutzt wird, müssen nämlich bestimmte Bedingungen erfüllt sein, diedie Anschlussfähigkeit der Unterscheidung durch Nutzung an die Unter-scheidung der Technik gewährleisten. Es sind hier vor allem zwei Aspektezu nennen: Die Technik muss erstens verfügbar sein. Diese Verfügbarkeit istnicht nur räumlichen und zeitlichen Limitationen unterworfen, sondern siewird in einem Wirtschaftssystem zumeist mit pekuniären Zugangsbarrierenverbunden, das heißt, man muss in aller Regel Geld zahlen, um eine Techniknutzen zu können oder zu dürfen.

Zweitens müssen auf der Seite des Nutzers bestimmte Qualifikationen vor-handen sein, damit er in der Lage und berechtigt ist, die Technik in Anspruchzu nehmen. Beispielsweise ist der Führerschein erforderlich, um ein Autofahren zu dürfen, und auch der Umgang mit den Neuen Medien ist an Vor-raussetzungen wie etwa Medienkompetenz gebunden (vgl. Abschnitt 2.6).Es bleibt also festzuhalten, dass die Unterscheidungen, die auf dieser Ebenegetroffen werden - also die Art und Weise der Anwendung einer Technik -zwar durchaus Einschränkungen unterworfen sind, jedoch auch stark vonpersönlichen Handlungsabsichten geprägt sind, die individuell variieren.

intendierteNutzung

Die Differenz zwischen den beiden skizzierten Unterscheidungen taucht be-reits in dem Technikverständnis von Max Weber auf:

„’Technik’ eines Handelns bedeutet uns den Inbegriff der ver-wendeten Mittel desselben im Gegensatz zu jenem Sinn oder Zweck, an dem es letztlich (in concreto) orientiert ist [...].“ (Weber 1980, 32)

Hieran zeigt sich aber auch, dass es bei der Einführung von Techniken undTechnologien durchaus zu Anwendungen kommen kann, die nicht dem„Sinn oder Zweck“ entsprechen, der von ihren Initiatoren, Entwicklern oderErfindern angedacht war, oder diesem sogar widersprechen. Dies ist nichtnur eine theoretische Annahme, die aus der Differenzierung jener beidenUnterscheidungen erwächst, auch in der täglichen Praxis der Entwicklungtechnologischer Innovationen spielt dieser Effekt eine verunsichernde Rolle.Ein bekanntes Beispiel bietet die E-Mail-Technologie. Die von Staatsgeldernfinanzierte Entwicklung des Arpanets und des E-Mail-Standards zu Beginnder 70er Jahre sollte eigentlich dem wissenschaftlichen Austausch innerhalbvon Forschungsprojekten sowie der militärischen Kommunikation dienen.Stattdessen wurde ein beträchtlicher Teil der technischen und zeitlichen

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Ressourcen für die private, persönliche Kommunikation aufgewendet. Dasdamalige Arpanet zeigte hiermit erstmals seine soziale Relevanz. In der er-sten großen E-Mail-Liste namens SF-Lovers in den späten siebziger Jahrenbeschäftigten sich die Arpa-Forscher nicht mit wissenschaftlicher For-schung, sondern mit Science-Fiction-Literatur (vgl. Rheingold 1994, 101f).Zwar versuchte man daraufhin zunächst, Maßnahmen zu ergreifen, um dienichtintendierten Kommunikationen zu unterbinden, allerdings ohne großeHoffnung auf Erfolg.28

Nutzung alsre-entry

Gleichwohl hat die moderne Medientheorie gezeigt, dass beide Unterschei-dungsebenen, jene der Technik wie auch die ihrer Nutzung, eng miteinanderverbunden sind. Mit dieser Erkenntnis korreliert McLuhans These von demZusammenhang zwischen Medium und Botschaft (vgl. McLuhan 1970,17ff). Wie lässt sich diese Art des Zusammenhangs beschreiben? Wenn aucheine Technik durch ihre Form nicht vorgibt, in welcher Weise sie genutztwerden muss, so trifft ihre Form doch - wie gezeigt wurde - eine Selektion,die bestimmte Anschlussmöglichkeiten nahelegt und andere unwahrschein-lich werden lässt. Getreu der Spencer-Brownschen Unterscheidungstheorielässt sich die Nutzung von Technik als re-entry der Unterscheidung begrei-fen, die durch die Technik vorgeschlagen wird. Die Entscheidung eines Nut-zers, eine spezielle Technik zur Erfüllung eines bestimmten Handlungszielesanzuwenden oder aber die Anwendung dieser Technik als nicht adäquat zuverweigern, stellt den klassischen Fall des re-entry dar. Natürlich ist das re-entry auch selbst mit allen Konsequenzen wiederum als Unterscheidung zuverstehen, die sich aber definitionsgemäß nicht auf beliebiges bezieht, son-dern in diesem Fall auf die Unterscheidung, welche durch die Beschaffenheitder Technik vorgegeben wird. Mit anderen Worten: Durch ihre Nutzung wirdTechnik als Unterscheidung abermals unterschieden.

Obwohl sie auf verschiedenen Ebenen stattfinden, entstehen beide Unter-scheidungen gleichzeitig in ein und demselben Moment. In der Entwicklungeiner Technik wird diese immer auch schon angewendet, sei es rein gedank-lich (in Form einer intendierten Nutzung), virtuell (heute häufig in Compu-tersimulationen) oder tatsächlich (als Prototyp, Testversion o.ä.). Umgekehrtstellt die Nutzung von Technik stets eine Form von Evaluation dar, die wie-derum beobachtbar ist. Der Anwender leistet somit bereits durch die Nut-zung einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Technik, denn allein die Tat-sache der Anwendung sowie ihrer Umstände stellen einen beträchtlichen In-formationswert dar, der für eine Weiterentwicklung herangezogen werdenkann.29

28 Die SF-Lovers-Liste existiert im Übrigen bis heute und erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit.

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Techniktheoretische Interpretation des Formkalküls

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Modifikation von Technik

Die hier vorgestellte Deutung von Technik läuft allerdings Gefahr, missver-standen zu werden. Es soll mit dem Begriff der Gerinnung nicht vermitteltwerden, dass Technik ein versteinertes Gebilde darstellt, in welchem Unter-scheidungen irreversibel erstarrt sind. So meint der Begriff der Gerinnung inseiner wörtlichen Bedeutung zumeist die Verfestigung zu einer gelatinösen,nicht einer starren Masse. Entgegen seiner eigenen Metapher spricht MaxWeber auch von dem flüssigen Charakter der Technik, die ständig an neueNutzungsbedürfnisse angepasst wird und sich daher in einem steten Wandelbefindet (vgl. Weber 1980, 32f). Tatsächlich ist Technik, wie man auch täg-lich in der Werbung erfahren kann, veränderbar, sie modernisiert sich stän-dig. Doch ist die Veränderung ihrer Form durchaus mit einem Energieauf-wand verbunden, der von ihrem Benutzer nicht zu erbringen ist. Die Wieder-herstellung einer schadhaften Technik (Re-Trivialisierung) erfordert zumeistdas Know-How eines Trivialisierungsspezialisten, und ihre Modifikationenwerden oftmals mit weiteren Mitteln unterdrückt oder sogar sanktioniert. Sodrohen Hersteller von technischen Geräten normalerweise einen Verlust derGewährleistungsgarantie für den Fall an, dass unautorisierte Personen in dieTechnik des Gerätes eingreifen. Das Kreuzen der Grenzen, die durch dietechnischen Unterscheidungen installiert wurden, ist also in aller Regel nurfür den fachkundigen und autorisierten Beobachter durchführbar, und auchihm ist dies nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, die wiederumtechnischer aber - wie im Falle von Urheberrechtsbestimmungen - auchrechtlicher oder anderer Natur sein können.

Natürlich stellt ein Computerprogramm, eine Internetseite und auch eine In-ternetanwendung wie myStudy ein ebensolches technisches Gebilde dar wieeine Maschine oder ein Unternehmen. Mit jeder Funktion, die diesem Arte-fakt innewohnt, werden die Unterscheidungen, die von seinen Entwicklern(Trivilisateuren) getroffen worden sind und die sich nun in der technischenForm verdichtet haben, offenbar. In der Folge steht es nun für Anschlussope-rationen zur Verfügung. Es lassen sich mit ihm bestimmte Aufgaben erfüllenoder Arbeitsabläufe vereinfachen, es ermöglicht Kommunikationen, die zu-vor nicht möglich waren oder auf andere Weisen stattgefunden haben usw.

Für die Konzeption einer Internetanwendung wie myStudy ist zunächst vonInteresse, welche Technologien zu ihrer Erstellung und zu ihrem Betrieb her-angezogen wurden und wie sich diese in dem vorgeschlagenen Verständnisvon Technik charakterisieren lassen. Bemerkenswert ist, dass es sich im

29 Aus diesem Grund schreiben z.B. viele HTML-Editoren ein sog. Meta-Tag (tag: engl. Etikett, Kennzeichnung, Marke) in den Quelltext der mit ihnen erstellten HTML-Dateien, welches die Verwendung der Software im Internet identifizierbar macht (z.B. <meta name=’generator’ content=’Adobe GoLive’>). Der Hersteller des HTML-Editors kann auf diese Weise Informa-tionen darüber gewinnen, wie häufig und wofür seine Software angewendet wird. Diese Informationen spielen bei der Weiterentwicklung des Produkts eine wesentliche Rolle.

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Falle von myStudy fast ausschließlich um Open Source-Technologien han-delt, die in Bezug auf die vorangegangenen Ausführungen eine besondereStellung einnehmen. Die Besonderheiten, die diese Technologien auszeich-nen, sollen daher im folgenden anhand ihrer Entstehung dargestellt und in-terpretiert werden.

3.2 Aspekte von Open Source-Technologien

1984 gründete Richard Stallman, damals Forscher im KI-Labor des Massa-chusetts Institute of Technology, ein Software-Entwicklungsprojekt namensGNU (Gnu is Not Unix). Im Rahmen dieses Projekts sollte das weitverbrei-tete Betriebssystem Unix nachprogrammiert werden, mit dem Ziel, eine freieVersion des Systems und vor allem dessen Quellcode öffentlich zur Verfü-gung stellen zu können. Die Vorstellung von Stallman war, dass das Wissen,welches in dem Quellcode eines Computerprogramms offenbar und nach-vollziebar wird, Eigentum der Allgemeinheit sei und nicht durch Urheber-rechte einzelner Entwickler oder Unternehmer geschützt sein dürfe (vgl.DiBona u.a. 1999, 2ff). Vergleichbar mit der und zurückgehend auf die Tra-dition von Wissenschaft wurde hier die Programmierung von Software alsDiskurs verstanden, in dem die Gedankengänge und Strategien anderer Ent-wickler verständlich nachvollziehbar sein müssen, um Erkenntnisse ver-gleichbar, nachprüfbar und reproduzierbar zu machen.

copyleft Richard Stallman befürchtete, dass die Entwicklungen, die man im Rahmendes GNU-Projektes machte und die bis dahin public domain - also öffentli-ches Eigentum - waren, von anderen Entwicklern oder von Unternehmen,die sich auf dem Softwaremarkt betätigten, wiederum urheberrechtlich ge-schützt würden. Daher machte er sich Gedanken über die Distributionsbe-dingungen für GNU, die die freie Verwendbarkeit und Offenlegung des Co-des und seiner Modifikationen rechtlich sicherstellen sollten. Die Strategie,die Stallman und seine Mitstreiter hierfür wählten, wurde unter dem Begriffcopyleft bekannt:

„The central idea of copyleft is that we give everyone permis-sion to run the program, modify the program, and distribute modified versions - but not permission to add restrictions of their own.“ (Stallman 1999, 59)

Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass Weiterentwicklungen, dieauf der Arbeit des GNU-Projektes basieren, wiederum für das Projekt selbstzugänglich sind.

General PublicLicense

Die juristische Ausformulierung des copyleft-Konzeptes fand schließlichmit der GNU General Public Licence (GNU GPL) statt.30 Die Veränderun-gen und Erweiterungen einer Software, die General-Public-lizensiert ist,dürfen also gemäß der copyleft-Idee wiederum nur unter der unveränderten

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GPL vertrieben werden. Das heißt, dass zwar die Software selbst frei verfüg-bar und modifizierbar ist, deren Lizenztext allerdings unter einem strengenUrheberrecht steht, welches jede Modifikation desselben verbietet.31 Die In-haberin dieses Urheberrechtes sollte eine unabhängige Dachorganisationsein, die schließlich 1985 unter dem Namen Free Software Foundation ge-gründet wurde und deren Präsident Richard Stallman bis heute ist.

Das Lizenzmodell, das von der Free Software Foundation angeboten wird,ist so attraktiv, dass eine Reihe von weiteren Softwareentwicklungen von ih-ren Urhebern unter die GNU GPL gestellt worden sind. Denn die Hoffnungdarauf, das eigene Wissen mit dem von vielen anderen Programmierern, diean ähnlichen oder gleichen Problemen arbeiten, ergänzen zu können, birgtdie Chance, zu einer schnellen und qualitativ hochwertigen Lösung zu gelan-gen. Es zeigt sich hiermit, dass die Entscheidung, die einen Softwareent-wickler dazu bringt, seine Ergebnisse unter der GNU GPL zu veröffentli-chen, nicht kommerzieller sondern ideeller Natur ist, also eine ’hochwertige’Software und deren hohe Verbreitung zum Ziel hat, nicht aber deren lukrati-ven Absatz.

Freie SoftwareTrotzdem war die Verbreitung von Freier Software32 unter Anwendern bisdahin recht gering. Die Ursachen hierfür waren vielfältig. Zum einen gab esfür die Distribution von Freier Software kein Marketing-Budget. Die FreeSoftware Foundation finanziert sich bis heute ausschließlich über den nied-rigpreisigen Verkauf von Programmen und Dokumentationen, die im Inter-net auch kostenfrei verfügbar sind, sowie über Spendengelder. Diese Mittelwerden haupsächlich für die Weiterentwicklung des GNU-Projekts und zurFinanzierung anderer Free Software-Projekte investiert (vgl. Stallman 1999,60f). Außerdem handelt es sich bei Freier Software zumeist um Programme,die von Programmierern für Programmierer geschrieben werden. Das hatzum einen zur Folge, dass die ’Free-Software-Gemeinde’ recht hermetischabgeschlossen ist, zum anderen sind ihre Produkte in Fragen der Benutzer-freundlichkeit gegenüber proprietären Produkten nicht konkurrenzfähig.33

30 Der vollständige Text der aktuellen zweiten Version der GNU General Public License findet sich im Internet auf der Webseite der Open Source Initiative (vgl. Open Source Initiative 2003 [online]).

31 Auch in Bezug auf das vorliegende Problem zeigt sich hiermit abermals die Ambivalenz von Begrenzung und Entgrenzung. Die Entgrenzung der Zugangs- und Modifikationsmöglichkeiten wird erst durch die Begrenzung der Lizenzie-rungsfreiheit geschaffen.

32 Für Software, die unter der GNU GPL distribuiert wird (Free Software), hat sich diese Bezeichnung durchgesetzt und kann daher als Eigenname gelten.

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GNU/Linux Die Entwicklung eines Kernels34 für das GNU-System, genannt GNUHURD, erweist sich als große Herausforderung, die bis heute noch nicht be-wältigt wurde. Allerdings existiert ein anderer Unix- und somit GNU-kom-patibler und GP-lizensierter Kernel, der seit 1991 von dem finnischen Stu-denten Linus Torvalds und einer diffusen Gruppe von freiwilligen Helfernentwickelt wurde und schließlich unter dem Namen Linux bekannt wurde.Seit der Implementierung des Linux-Kernels in die GNU-Umgebung stehtdamit das kostenfrei zu beziehende und lauffähige Betriebssystem GNU/Linux zur Verfügung.

Die Nachricht von der Entwicklung eines stabilen Kernels für das GNU-Sy-stem und vor allem die Art seiner Entstehung stellte für die Fachwelt einegroße Überraschung dar: „Encountering Linux was a shock.“(Raymond1999a, 207) Es schien - insbesondere aufgrund der schlechten Erfahrungenim GNU HURD Projekt - bislang nicht vorstellbar, dass eine Aufgabe vonderart hoher Komplexität ohne eine strenge und hierarchische Koordinationder Aufgabenverteilung und Qualitätssicherung zu bewältigen sei. Außer-dem galt für die Softwareentwicklung das sogenannte Brookssche Gesetz:Die Zahl der Programmierer, die an einem gemeinsamen Projekt arbeiten,sei zwar proportional zur Produktivität der Gruppe, jedoch quadratisch pro-portional zur Fehleranfälligkeit des Produktes (Raymond 1999, 208)35.Linux aber widersprach diesem Gesetz, denn es wurde von einer großenGruppe selbstorganisierter Programmierer geschrieben:

„Quality was maintained not by rigid standards or autocracy but by the naively simple strategy of releasing every week and get-ting feedback from hundreds of users within days, creating a sort of rapid Darwinian selection on the mutations introduced by the developers.“ (Raymond 1999, 28)

Gerade die große Zahl der Programmierer, die sich zugleich als Tester betäti-gen, sorgt für die Sicherung eines hohen qualitativen Niveaus und für dieKompatibilität mit verschiedensten Soft- und Hardwareumgebungen.

33 Systemtheoretisch betrachtet handelt es sich bei der Entwicklung von proprie-tärer Software auf der einen Seite und der Entwicklung von Freier Software auf der anderen um Operationen innerhalb von verschiedenen Systemen (Wirt-schaft bzw. Wissenschaft), deren verschiedene Leitdifferenzen auch verschie-dene Produkte zur Folge haben. Insofern kann der Autor von Freier Software immer mit einem gewissen Know-How und Interesse des Anwenders rechnen, während die kommerzielle Softwareindustrie meist von einem eher unerfahre-nen Benutzer ausgehen muss (DAU). Aus diesem Grunde besteht bei der Ent-wicklung von Freier Software nicht die gleiche Notwendigkeit für Benutzerfreundlichkeit, wie sie bei proprietärer Software vorliegt.

34 Der Kernel ist das Herz eines Betriebssystems. Er regelt die Zuweisung von Hardware-Ressourcen an die aktuellen Prozesse des Betriebssystems und der ausgeführten Programme.

35 Das Brookssche Gesetz bezieht sich streng genommen auf die Entstehung von Komplexität der Kommunikationbeziehungen innnerhalb von Entwicklungs- und Projektgruppen (vgl. Brooks 1982, 13ff).

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Skepsis gegenüber Freier Software

Trotz allem steht man dem Free Software-Konzept vor allem in der Compu-ter- und Software-Industrie äußerst skeptisch gegenüber. Die negativeGrundhaltung hat nach Überzeugung von Eric S. Raymond, einem der Väterder Open Source-Idee, ihre hauptsächliche Ursache in der politisch motivier-ten Argumentation der Free Software Foundation, von der sich die Entschei-der kommerzieller Wirtschaftunternehmen abgeschreckt fühlten.

Schon mit dem Begriff Free Software, den Stallman gerade wegen seinerDoppeldeutigkeit im Sinne von umsonst auf der einen und frei auf der ande-ren Seite ausgewählt hatte, seien zu viele antikommerzielle Konnotationenverbunden. Den Grund für die ablehnende Haltung von Wirtschaftsunterneh-men gegenüber Freier Software formuliert Raymond folgendermaßen:

„Most of it came from something worse - the strong association of the term ’free software’ with hostility to intellectual property rights, communism, and other ideas hardly likely to an MIS manager.“ (Raymond 1999, 212)36

Open SourceAus diesem Grunde sah Raymond die Notwendigkeit für eine Umbenennungund Neuorientierung des Konzeptes. Gemeinsam mit Bruce Perens, TimO´Reilly37 und einigen weiteren Mitstreitern gründete er die Open SourceInitiative (OSI) und veröffentlichte die sogenannte Open Source Definition(OSD), einen Katalog von Bedingungen, die eine Software-Lizenz vollstän-dig erfüllen muss, um dem Open Source-Standard zu genügen38. Zwar ent-spricht auch die GNU GPL diesen Bedingungen, jedoch werden zusätzlichandere, weniger ’offene’ Lizenzen mit eingeschlossen.

Die wichtigste Differenz der OSD gegenüber den strengen Lizenzbestim-mungen, die für Freie Software gelten, liegt in der Aufhebung der copyleft-Idee. Die OSD lässt es also zu, dass Modifikationen einer Software, die untereiner Open Source-Lizenz vertrieben wird, oder Entwicklungen, die aufOpen Source-Technologie basieren, selbst unter eine proprietäre Lizenz ge-stellt werden. Im Übrigen werden durch die OSD die folgenden zentralenAspekte in weitgehender Übereinstimmung mit der GNU GPL geregelt (vgl.Perens 1999, 176ff).

36 Die Abkürzung MIS steht für „Managemant Information System“. MIS Mana-ger sind also jene Entscheider innerhalb von Unternehmen, die über wesentli-che Investitionen in Produkte der Informationstechnologie befinden.

37 Tim O’Reilly ist der Gründer und Geschäftsführer des weltweit bekanntesten Verlags für computerbezogene Hand- und Lehrbücher, Bruce Perens war bis 1997 Leiter des Debian-Projektes, das sich bis heute mit einer Open Source-Distribution des GNU/Linux-Systems beschäftigt.

38 Die Open Source Definition ist also selbst keine Lizenz.

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Tabelle 2: wichtige Aspekte der Open Source Definition

Erfolge Die Veröffentlichung der OSD führte zu einer erbitterten Auseinanderset-zung zwischen ihren Vertretern auf der einen und den Verfechtern der Free-Software-Idee auf der anderen Seite. Der Erfolg gab den Autoren der OpenSource Definition jedoch bereits nach kurzer Zeit recht: Nachdem zunächstNetscape 1998 den Quellcode seines Internet-Browsers und E-Mail-Clientsveröffentlichte und auch Sun zwei Jahre später den Code des Software-Pa-kets StarOffice freigab, stieg die Akzeptanz von Open Source-Produkten so-wohl bei den Benutzern als auch in der Softwareindustrie stark an. Die soge-nannten Halloween-Dokumente39, interne Memos aus dem Hause Microsoft,die im Jahre 1998 auf ungeklärten Wegen an die Öffentlichkeit gelangten,bestätigten, dass man dort Konkurrenzprodukte der Marke „Open Source“äußerst ernst nahm und für eine Bedrohung der eigenen Marktposition hielt.Der unbekannte Autor der Halloween-Dokumente sieht in dem freien Aus-tausch von Ideen einen strategischen Vorteil, der von Microsoft nicht egali-siert werden kann (vgl. Grassmuck 2000 [online]).

Diese Befürchtung der Microsoft-Unternehmensführung hat sich vermutlichbis heute weiter intensiviert, denn Open Source-Alternativen können seit-dem steigende Anwenderzahlen verbuchen.40 War der Desktop PC bislangdie unangefochtene Domäne des Microsoft Betriebssystems Windows, sodrängen zur Zeit die Distributoren Suse und Red Hat mit entsprechenden

Freie Weitergabe

Die Lizenz darf die freie und kostenlose Weitergabe des Programms nicht untersagen

Offenlegung des Quellcodes

Der Quellcode des Programmes muss in einer gängigen Form im Internet kostenlos zur Verfügung gestellt werden.

Verbot von Diskriminierung

Es dürfen von der Lizenz weder bestimmte Benutzergruppen noch bestimmte Arten der Anwendung diskriminiert werden.

Distribution und Gültigkeit der Lizenz

Die Lizenz muss für das ganze Produkt ebenso gelten wie für seine Teile. Sie muss mit jeder Kopie des Produktes distribuiert werden.

39 Eine von Raymond kommentierte Version der Halloween-Dokumente findet sich im Internet auf den Webseiten der Open Source Initiative (Open Source Initiative 2003a [online]).

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Desktop-Editionen von GNU/Linux auf den Markt. Und auch in der AppleMacintosh Welt kommt das Open Source-Konzept neuerdings zum Tragen:Das aktuelle Mac-Betriebssystem OS X baut auf Darwin auf, einem Unix-Fundament, das als Open Source entwickelt wurde. Auch der neue Web-browser Safari von Apple basiert auf einem Open Source-Kern. Auf derWebseite zu ihrem neuen Software-Produkt erklärt das Unternehmen Apple:

„Die Rendering-Engine für Web-Seiten von Safari basiert auf Software des Konqueror Open Source-Projekts. [...] Und als Mitglied der Open Source-Gruppe wird Apple alle Verbesse-rungen der Konqueror Rendering-Engine selbstverständlich für die Open Source-Gemeinde zur Verfügung stellen.“41

Diese Aussage belegt, dass es auch für kommerzielle Software-Entwicklerauf vielfältige Weise interessant geworden ist, sich mit Open Source ausein-ander zu setzen. Es wird so nicht nur möglich, Entwicklungsarbeit und damitKosten zu sparen, auch in der werblichen Kommunikation gehört ein Enga-gement innerhalb der Open Source-Gemeinde inzwischen zum guten Ton.‘Open Source’ ist auf diese Weise zu einem Schlagwort geworden, das mo-mentan in Mode ist wie nie zuvor.

Kooperation und Kommerz

Volker Grassmuck konstatiert, dass Freie Software vor allem „etwas überdie Strukturprinzipien von Kooperation und Kommerz, von Offenheit undSchließung“ (Grassmuck 2000 [online]) lehren kann. Die Open Source-Ideeerweitert dieses Programm demgemäß um die Verknüpfung von „Koopera-tion und Kommerz“, indem es eine Brücke zwischen beidem schlägt. Durchdie Open Source Definition wird eine Offenheit gegenüber der Welt desKommerzes propagiert, gegen die sich Richard Stallman und die Free Soft-ware Foundation lange abzugrenzen suchten. Erst diese Öffnung hat zu demErfolg geführt, den Open Source-Produkte heute haben, so dass es beispiels-weise kaum noch Anwendungsprogramme auf dem Softwaremarkt gibt, dienicht für das Betriebssystem GNU/Linux angeboten werden.

40 Die Schätzung der tatsächlichen Benutzerzahlen von Open Source-Software ist aufgrund ihrer hohen und unkontrollierten Verbreitung in Netz sehr schwierig. Es gibt also keine offiziellen Verkaufszahlen, die man zur Begründung solcher Schätzungen heranziehen könnte. Volker Grassmuck gibt an, dass es im Jahre 2000 etwa zehn Millionen installierte Linux-Systeme gegeben habe (vgl. Grassmuck 2000 [online]). Die Quelle dieser Angabe ist jedoch nicht genannt. Die Nutzung von Open Source-Software im Internet kann mit Hilfe von tech-nologischen Lösungen in Erfahrung gebracht werden. Der „Netcraft Web Ser-ver Survey“ belegt auf diese Weise die positive Entwicklung der Verbreitung der HTTP-Server-Software Apache (vgl. http://news.netcraft.com/archives/web_server_survey.html; abgerufen am 20.05.2003). Der „Internet Operating System Counter“ hat im Jahr 1998 über einen Zeitraum von drei Monaten die Verbreitung verschiedener Betriebssysteme auf Webservern erfasst (vgl. http://leb.net/hzo/ioscount; abgerufen am 20.5.2003) und festgestellt, dass Linux das bevorzugte Betriebssystem auf Webservern ist, dessen Verbreitung darüberhin-aus im betrachteten Zeitraum noch zugenommen hat.

41 (Vgl. http://www.apple.com/chde/safari; abgerufen am 03.04.2003.)

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Der Open Source-Gedanke ist seit seiner Institutionalisierung häufig auch inandere Bereiche übertragen worden, die mit Softwareentwicklung wenigoder überhaupt nichts zu tun haben. Längst wird Open Source als strategi-sches Konzept verstanden, das auf die verschiedensten Probleme angewen-det wird. Das Oscar-Projekt42 bemüht sich etwa um die Entwicklung einesAutomobils, welches innerhalb eines offenen Diskurses konstruiert werdensoll. Und unter dem Namen Divercity43 sollen im Rahmen eines OpenSource-Konzeptes neue Strategien zur Entwicklung des urbanen Raumesdiskutiert werden.

So verschieden die diversen Projekte, die sich unter dem Gedanken OpenSource versammeln, auch sein mögen, auffällig ist, dass sie sich allesamt derTechnologien des Internets bedienen, um die Komplexität entstehenderKommunikationen zu bewältigen. So scheint es im Umkehrschluss, als wäredie Entstehung des ihnen zugrunde liegenden Open Source-Konzeptes erstdurch die Entwicklung des Internets möglich geworden. Jedoch kann dieserGedanke hier nicht weiter ausgeführt werden, vielmehr sollen im Folgendendie Eigenheiten von Open Source-Techniken unter Berücksichtigung einesunterscheidungstheoretisch begründeten Technikverständnisses diskutiertwerden.

3.3 Open Source aus unterscheidungstheoretischer Sicht

Der oben vorgeschlagene Technikbegriff geht von zwei miteinander verbun-denen Unterscheidungen aus: die eine, die von der Technik selbst getroffenwird und die andere, die aus ihrer Nutzung resultiert und als re-entry der er-sten Unterscheidung verstanden werden kann. Bedient man sich dieser Be-trachtung, so wird deutlich, dass beide Klassen von Unterscheidungen durchdie Anwendung des Open Source-Konzeptes weitestgehend variabel gestal-tet werden können.

Kreuzen Durch die Offenlegung des Quellcodes einer Software ist es dem qualifizier-ten Programmierer möglich, die Unterscheidungen, die ein anderer bei derEntwicklung des Programmes getroffen hat, zu revidieren. Technische oderjuristische Barrieren, welche bei einer proprietären Software den Zugriff aufden Code vereiteln, werden mit den Bedingungen der OSD beseitigt, da derCode allgemein zugänglich im Internet verfügbar ist und wunschgemäß wei-terbearbeitet werden darf. Die Voraussetzungen zur Modifikation von OpenSorce Produkten liegen hiermit gänzlich auf der Seite des Entwicklers, näm-lich in seiner fachlichen, technischen Qualifikation sowie in seinen individu-ellen Motiven. Diese Motive können sogar, wie es die Definition von FreierSoftware hingegen unterbunden hatte, kommerzieller Natur sein. Die

42 (Vgl. http://www.theoscarproject.org; abgerufen am 12.04.2003.)43 (Vgl. http://www.divercity.berlin.heimat.de; abgerufen am 12.04.2003.)

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Unterscheidungen, die in der technischen Form der Software geronnen sind(s.o.), werden auf diese Weise nachprüfbar und wiederholbar, damit aberauch widerrufbar - mit anderen Worten kreuzbar - gemacht, ohne durch son-stige Beschränkungen reguliert zu werden. Sie bleiben zwar grundsätzlich ineinem technischen Maß geronnen, aber in diesen Grenzen weitestgehend va-riabel.

re-entryAuch auf der Ebene der Anwendung zeigen sich Differenzen zwischen OpenSource und proprietärer Software. Die Entscheidung, eine proprietäre Soft-ware zur Erfüllung bestimmter Aufgaben zu verwenden, ist normalerweisemit erheblichen Anschaffungskosten verbunden. Eine solche Investitionstellt stets ein Risiko dar, welches bei der Verwendung einer Open Source-Lösung aufgrund ihrer freien Verfügbarkeit in dieser Form nicht existiert.44

Da die Bestimmungen der OSD die Diskriminierung von Benutzergruppen(z.B. Privatperson, Unternehmen oder Bildungseinrichtung) und Anwen-dungsarten (z.B. kommerzielle oder nichtkommerzielle Anwendung) unter-sagen, kann somit ein beliebiger Nutzer zu einem beliebigen Zwecke belie-big viele Kopien einer Open Source-Software nutzen, ohne dafür einenGeldbetrag entrichten zu müssen. Versteht man also die Frage nach der Nut-zung einer Technik als re-entry der durch sie getroffenen Unterscheidungund das re-entry (neben dem Nennen und Kreuzen) als die dritte Anschluss-möglichkeit an eine Unterscheidung, so stellt man fest: Auch die Anschlus-soperation des re-entry ist - wie schon die des Kreuzens - durch Open Sourceliberalisiert worden.45

Die Idee der Open Source Definition lässt sich somit konsequent als einKonzept beschreiben, welches auf die Gewährleistung von Anschlussmög-lichkeiten ausgerichtet ist. Verwendet man das Vokabular der Unterschei-dungstheorie von George Spencer-Brown, so lässt sich diese Öffnung, wiegezeigt wurde, in den Anschlussoperationen des Kreuzens und des re-entrynachweisen.

NennenDies für den Anschluss durch Nennung zu zeigen, wäre nicht sinnvoll, da essich hierbei um die reine Funktion einer Technik bzw. einer Software han-delt. Nennen heißt im Falle von Technik Funktionieren, und die zugehörigenOperationen, die mit Foerster als trivial zu bezeichnen sind, werden gänzlichvon der trivialen, technischen Maschine übernommen. Solange die Technikalso funktioniert, ist der Anschluss durch Nennung sichergestellt,

44 Viele Softwarehersteller bieten aus diesem Grunde Testversionen ihrer Pro-dukte an, welche die Nutzung eines Programmes für eine begrenzte Dauer oder in einem begrenzten Funktionsumfang erlauben. Das Investitionsrisiko kann auf diese Weise zwar gemindert, aber nicht ausgeschaltet werden.

45 Ein wesentlicher Aspekt der Anschlussfähigkeit im Sinne der Nutzung einer Software ist die Gestaltung ihrer Benutzerschnittstelle. Jedoch wird dieser Aspekt unten ausführlicher behandelt und findet daher hier vorerst keine Beachtung.

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funktioniert sie nicht, verliert sie mit ihrer Anschlussfähigkeit auch ihrentechnischen Aspekt.

Trotzdem spricht man im Alltag oft davon, dass ein konkretes Programmbesser funktioniere als ein anderes. Die Überprüfung funktionaler Differen-zen zwischen proprietärer Software und ihrer Open Source-Konkurrenzmuss allerdings im Einzelfall anhand von speziellen Kriterien erfolgen undkann nicht verallgemeinernd auf die Anwendung von Open Source-Strate-gien zurückgeführt werden.

Die Technologien, welche bei der (Weiter-)Entwicklung und beim Betriebvon myStudy zum Einsatz kommen, sind fast ausnahmslos Open Source-Technologien, deren Charakteristika nun ausführlich dargelegt worden sind.Ihre Eigenschaften stellen zugleich die wichtigsten Gründe dar, die für ihreVerwendung im myStudy-Projekt angeführt werden können. Die An-schlussfähigkeit von Open Source-Technologien hat für ein Projekt wiemyStudy einen besonderen Stellenwert, denn man hat es hier nicht mit einertechnischen Lösung für eine klar definierte Aufgabe zu tun. Vielmehr ist my-Study eine Internetanwendung, deren Form sich im ständigen Wandel befin-det und eine Dynamik besitzt, die zu stets neuen Erweiterungen und Verän-derungen führt, die technologisch unterstützt werden müssen. myStudy ver-steht sich also als ’work in progress’, welche sich im Zyklus derwechselnden Semester zum einen an stets neue Gegebenheiten anpasst, zumanderen aber auch neue Potentiale aus sich selbst heraus entwickelt. Einesolche Offenheit in der Weiterentwicklung ist nur auf der Basis einer Tech-nologie möglich, die einfach und unkompliziert an die sich wandelnden Be-dürfnisse anpassbar ist.

Ein bestimmter Aspekt ist allerdings bei diesen Überlegungen bisher still-schweigend ignoriert worden, nämlich das Problem der Benutzerfreundlich-keit einer Software und damit einhergehend die Gestaltung ihres Interfaces.Die Bedeutung, die dieser Bereich für die Konzeption und den Erfolg einerInternetplattform einnimmt, ist zwar, wie bereits angemerkt wurde, nichtganz unabhängig von der Frage nach Open Source, aber zum anderen so zen-tral für die Problemstellung, dass ihm ein eigenes Kapitel gewidmet werdenmuss. Abermals sollen unterscheidungstheoretische Thesen als Grundlagedienen, um die Rolle des Interfacedesigns und die Frage nach Usability zuverorten und in den Blick zu nehmen.

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Open Source aus unterscheidungstheoretischer Sicht

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4. Form und Interfacedesign

Der Problematik des Interface-Designs wird sich aus unterschiedlichstenPerspektiven genähert. Vor allem kann man eine große Distanz zwischenTheorie und Praxis beobachten. Die wenigen Ansätze, die sich mit demThema Design aus theoretischer Sicht befassen, sehen sich zumeist einerausgesprochenen Rechtfertigungsnot ausgesetzt und finden bei den Prakti-kern so gut wie kein Gehör. Auf der anderen Seite ist die Vielzahl von pra-xisorientierten Aussagen über das Design von Benutzerschnittstellen fast un-ermesslich und dabei zwangsläufig redundant. Solche Betrachtungen kom-men in aller Regel ohne eine Rechtfertigung ihrer selbst, vor allem aber ohneeine theoretische Begründung ihrer Argumentationsgrundlagen aus und leh-nen diese teilweise sogar ausdrücklich ab. Dabei unterstellen die Theoretikerauch den praktischen Zugangsweisen zum Problem des Designs eine imma-nente theoretische Begründung:

„Every professional practice takes place in front of a theortical background; that holds even for practice styles that vehemently deny any theoretical involvement.“ (Bonsiepe 1997, 26 [online])

Ein jedes Feld, welches Fortschritt aufweisen kann, zeigt damit, dass es aufTheorie aufbaut, da es offensichtlich eine ideelle Grundlage besitzt, die esim Zeitverlauf weiterentwickelt (vgl. Friedmann 2001 [online]). Und den-noch fällt es den Theoretikern schwer, die wissenschaftliche Disziplin Desi-gntheorie zu etablieren. Viele der Beiträge zum designtheoretischen Diskurswidmen sich daher zumindest am Rande dem Verhältnis von Theorie undPraxis und damit der eigenen Rechtfertigung (vgl. Pylyshyn 1991, 39ff).

Eine zusätzliche Schwierigkeit entsteht dadurch, dass der Designbegriff miteiner großen Unschärfe verwendet wird und auf alles bezogen wird, was ‘ge-staltbar’ ist. In diesem Rahmen soll daher im Einvernehmen mit demDesigntheoretiker Gui Bonsiepe Design als Interfacedesign verstanden undeingegrenzt werden, nämlich als ein Bereich in dem Wechselwirkungen zwi-schen Nutzern und Artefakten sowie die sich hieraus ergebenden Erfah-rungs- und Handlungsräume strukturiert werden (vgl. Bonsiepe 1997a, 2[online]). Artefakte werden in dieser Hinsicht sowohl physisch als auch ide-ell begriffen, nämlich als Körper, die eine sinnlich erfahrbare Schnittstellebieten, damit aber auch Träger von Zeichen sind, mit deren Hilfe sie auf eineReferenz verweisen, die durch die Abwesenheit des Referenzierten geprägtist.

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Form und Interfacedesign

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4.1 Das Interface zwischen Artefakt und Anwender

Die lateinische Herleitung des englischen Begriffes Interface sagt einigesüber seine Bedeutung aus, was die deutsche Übersetzung Schnittstelle ver-schleiern würde. Der Wortteil inter (lat.: zwischen) deutet darauf hin, dassman es hierbei mit einem Phänomen der Grenze zu tun hat. Das Interfacestellt einen Ort dar, der sich zwischen zwei Seiten einer Unterscheidung be-findet, nämlich zwischen dem Nutzer und dem Artefakt. Der Wortteil face(engl. Gesicht, Gestalt) leitet sich, wie Etymologen vermuten, von dem latei-nischen Verb facere (lat. machen, tun) ab46. Durch ihn wird angezeigt, dassan diesem Ort eine Form von (Inter-)Aktion zwischen beiden Seiten der Un-terscheidung stattfindet. Es werden mit Hilfe des Interfaces Operationenzwischen Anwender und Artefakt vollzogen, welche ihrerseits stark durchdie qualitative Beschaffenheit des Interface beeinflusst werden. Somit er-möglicht es den anwendungsbezogenen Zugang zum Artefakt und dessenVerwendung in Hinsicht auf die Erfüllung eines Zweckes.47

Designdiagramm In diesem (weiteren) Sinne kann z.B. der Griff eines Schraubenziehers, dieForm und Ausprägung seiner Spitze, sein Material - mit anderen Worten dieSumme seiner spezifischen Eigenheiten - als sein Interface begriffen wer-den. Durch dieses ist der Schraubenzieher in der Lage, dem Anwender dieBearbeitung einer Aufgabe zu ermöglichen. Gui Bonsiepe hat zur Visualisie-rung dieses Sachverhaltes ein ontologisches Designdiagramm vorgeschla-gen, dessen Darstellung hier abstrahiert wiedergegeben wird.

Abbildung 2: Ontologisches Designdiagramm (eigene Darstellung; nach Bonsiepe 1996, 20)

46 (vgl. http://www.hyperdictionary.com/dictionary/face; abgerufen am 15.05.2003)

47 Diese Ausrichtung des Interfacebegriffs auf einen Nutzungszweck stellt eine Vereinfachung des Sachverhalts dar. Die Kunst bietet beispielsweise Artefakte, deren Interface die Erfüllung eines Zweckes gerade verweigert. In Hinblick auf die Fragestellung und die Anwendung auf myStudy kann dieser Einwand aller-dings vernachlässigt werden.

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Das Interface zwischen Artefakt und Anwender

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Am Beispiel des Schraubenziehers zeigt sich eine Deckung des Interfacesmit dem Artefakt selbst. Beide Entitäten sind nicht voneinander zu trennen,die Physis des Schraubenziehers ist so gesehen nichts als Interface. Erst beikomplexeren Artefakten zeigt sich eine tiefergehende Grundlegung des In-terfacebegriffs.

interne und externe Repräsentation

Der Schraubenzieher kann zwar im Verhältnis zu seiner Außenwelt verschie-dene Zustände annehmen - seine Spitze kann beispielsweise in den Kopf ei-ner Schraube passen - jedoch ist sein innerer Zustand immer derselbe. Kom-plexere Systeme können dagegen verschiedene Zustände annehmen, derenRepräsentation extern („surface representation“), aber auch intern („inter-nal representation“) erfolgen kann (Norman 1991, 25). Hierdurch entstehtdie Notwendigkeit eines Interfaces, welches interne Repräsentationen exter-nalisiert, also den inneren Zustand des Artefakts an seiner Oberfläche sinn-lich erfahrbar macht. Ein einfaches Beispiel hierfür bietet eine Kontroll-lampe an einem elektrischen Gerät, die signalisiert, ob das Gerät an- oderausgeschaltet ist. Die Lampe erfüllt für die Funktionsweise des Gerätes kei-nen Zweck, sie dient ausschließlich der Mitteilung seines inneren Zustands.

Das Interface bietet nun wiederum die Möglichkeit, diesen Zustand zu mani-pulieren. Ein Schalter an besagtem elektrischen Gerät kann beispielsweisedazu dienen, die Stromversorgung des Geräts abzuschalten und damit deninneren Zustand des Gerätes zu verändern. Die Kontrolleuchte an dem Gerätwird in diesem Fall erlöschen.48 Es ergibt sich also mit Hilfe des Interfaces(im engeren Sinne) eine Rückkopplung von Manipulationen oder, anders ge-sagt, ein wechselseitiger Anschluss von Unterscheidungen, die durch denNutzer und durch das technische Artefakt getroffen werden49.

Rückkopplung von Anwender und Artefakt

Nicht mehr einzelne Operationen des Anwenders bei der Bedienung einesInterfaces, sondern erst die Emergenz dieses kybernetischen Zirkels ist aufdie Erfüllung einer Aufgabe gerichtet. Die Zwischenschaltung eines Inter-faces bewirkt so gewissermaßen eine Abstraktion der Operationen des An-wenders gegenüber der Aufgabe, die mit ihnen verfolgt wird. Der SoziologeBruno Latour bezeichnet diesen Komplex als einen Vorgang der „Überset-zung“ durch Technik (vgl. Latour 1998, 34). Mit der Bedienung des

48 Normalerweise ist hierbei die Rede von Eingabe- und Ausgabeschnittstellen eines Geräts. Diese Begriffe sollen aber in Anbetracht der Wechselseitigkeit von Manipulationen zwischen Anwender und Artefakt nicht verwendet wer-den. Sie würden eine feststehende Perspektive auf die Technik suggerieren.

49 Streng genommen trifft das Artefakt keine Unterscheidungen. Wie der Abschnitt 3.1 gezeigt hat, sind in ihm aber Unterscheidungen geronnen, die durch das Funktionieren der Technik reproduziert werden. Das Artefakt kann daher nicht als autonomer Beobachter verstanden werden.Bonsiepe beschreibt die Wechselwirkung zwischen Anwender und Artefakt auch mit dem Begriff der „strukturellen Kopplung“ von Maturana und Varela (vgl. Bonsiepe 1996, 52). Diese Anschauung impliziert ein Verständnis des Artefakts als Beobachter und ist daher aus dem obigen Grunde abzulehnen.

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Form und Interfacedesign

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Interfaces kommt es zu einer Verschiebung des „Handlungsprogramms“(Latour 1998, 33), dass sich nun nicht mehr auf die unmittelbare, sondernnur mittelbare Verrichtung einer Aufgabe bezieht, nämlich auf die Bedie-nung des Interfaces. Abbildung 3 soll die Beziehung zwischen den verschie-denen Elementen in der Wechselwirkung zwischen Anwender und Artefaktverdeutlichen.

Abbildung 3: Das Interface in der Beziehung zwischen Anwender und Artefakt (eigene Darstellung)

Über das Interface wird also eine Rückkopplung von Unterscheidungsopera-tionen zwischen Anwender und Artefakt realisiert. Zieht man die technik-theoretischen Beobachtungen des dritten Kapitels zu dieser Erkenntnishinzu, so wird deutlich, dass es sich wiederum um die kaskadisch positio-nierten Unterscheidungsebenen handelt, deren Architektur dort bereits ein-gehend beschrieben wurde.

Das Interface sichert folglich die Anschlussfähigkeit der Unterscheidung,die durch die Nutzung von Technik konstituiert wird, an die geronnene Un-terscheidung der Technik selbst. Kurz gesagt, die Qualität des Interfaces be-stimmt die Nutzungsfähigkeit der Technik. Dies gilt insbesondere dadurch,dass sich das Artefakt aus Sicht des Anwenders ausschließlich durch das In-terface darstellt (vgl. Simon 1990, 6).

Das Interface stellt jene Entität dar, anhand derer sich Anwender ein menta-les Modell von einem Artefakt erstellen. Nach der Theorie der mentalen Mo-dellbildung, die auf den Psychologen Kenneth Craik zurückgeht, verwendetder Nutzer aus seiner subjektiven Perspektive nicht das Artefakt selbst, son-dern sein mentales Modell, also eine (Re-)Konstruktion des Artefakts.

„If the organism carries a ’small-scale model’ of external reality and of its own possible actions within its head, it is able to try out various alternatives, conclude which is the best of them, react to future situations before they arise, utilize the know-

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Visualität und Information

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ledge of past events in dealing with the present and future, and in every way to react in a much fuller, safer, and more compe-tent manner to the emergencies which face it.“ (Craik 1943, 51)

Ziel des Interfacedesigns ist es daher, die Voraussetzungen dafür zu schaffen,dass die Modelle, die von der Technik selbst und durch die Gestaltung desInterfaces gebildet werden, mit der mentalen Modellbildung des Nutzers ineiner Art korrelieren, die eine zweckbestimmte Nutzung des Artefakts er-laubt.

„In the ideal world, the system image will be consistent with the designer’s conceptualization, and the user’s mental model will thereby be consistent with both.“ (Norman 1983, 14)

Die Kohärenz der verschiedenen „images“ reduziert somit Irritationen beider Nutzung des Artefakts und gewährleistet auf eben diese Weise die An-schlussfähigkeit von Technik und ihrer Nutzung.

Differenzierung des Designbegriffs

Jedoch muss der Designbegriff weiter differenziert werden, um der TatsacheRechnung zu tragen, dass es sich bei einer Internetanwendung wie myStudynicht nur um ein technisches Artefakt im eigentlichen Sinne, sondern umeine Schnittstelle handelt, welche Informationen bereitstellt und vor allemKommunikationen ermöglicht. Insofern schafft das Interface nicht nur dieAnschlussfähigkeit der Anwendung an die Technik, sondern auch die vonAnwendern untereinander. Daher meint Interfacedesign im Gegensatz zumklassischen Verständnis des Produktdesigns nicht nur die audiovisuelle, hap-tische oder olfaktorische Gestaltung, sondern vor allem auch die Gliederungdes Informations- und Kommunikationsraumes, der durch das Artefakt zu-gänglich gemacht wird. Aus diesem Grunde erscheint zunächst die Unter-scheidung von audiovisuellem Design50 und Informationsdesign sinnvoll.

4.2 Visualität und Information

visuelle RhetorikDer Bereich des audiovisuellen Designs, der theoretisch bisher nur schwerzu erfassen ist und aus diesem Grund die Rechtfertigungsnot der Design-theorie evoziert, wird von Bonsiepe auch als visuell-verbale Rhetorik be-zeichnet (vgl. Bonsiepe 1996, 85ff). Definitionsgemäß wird unter Rhetorikdie effiziente Verwendung sprachlicher Mittel verstanden, „um bei anderenMenschen Einstellungen zu bilden und ihre Handlungen zu beeinflussen.“(Bonsiepe 1996, 88) Das audiovisuelle Design verfolgt ein ähnliches Zielund ist mit ähnlichen Problemen der Überforderung und Ablenkung des Re-zipienten verbunden. Der Begriff der Rhetorik wird darüberhinaus auch als

50 Die Gestaltung von olfaktorischen und haptischen Sinneswahrnehmungen spielt zwar momentan eine geringe aber im Laufe weiterer technischer Ent-wicklungen sicher wachsende Rolle und ist daher immer mitgemeint.

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Form und Interfacedesign

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die Kunst der sprachlichen Verschönerung verstanden und impliziert, dassder Mensch Freude habe an der Wahrnehmung von und am Umgang mitschönen Dingen. Jedoch gerät man mit der Frage nach dem Schönen in dieNähe des klassischen Diskurses um die philosophische Ästhetik, der hiernicht thematisiert werden soll und kann.

Dieses Problem umgeht man, wenn man sich der Gestaltung des Artefaktsaus der Perspektive des Nutzers und seinem Nutzungsinteresse nähert:

„It is the focus on the user and her/his concerns from an inte-grative perspective that characterizes the design approach.“(Bonsiepe 2000, 4 [online])

Usability Allerdings ist der Usability-Gedanke, der sich hieraus ergibt, stark besetztvon konservativen und sogar „designfeindlichen“ (Bonsiepe 2000, 6 [on-line]) Vertretern wie Jakob Nielsen, der beispielsweise in der New YorkTimes auch als „guru of Web page usability“ (Richtel 1998 [online]) be-zeichnet wurde. Nielsen, der sich selbst nicht als Designer, sondern als Usa-bility-Ingenieur sieht (vgl. Nielsen 2000, 11), bezieht sich in seinen Studienzur Benutzerfreundlichkeit von Software und Internetanwendungen fast aus-schließlich auf messbare Daten. Er zählt beispielsweise die Maus-Klicks undmisst die Zeit, die ein User zur Bearbeitung einer spezifischen Aufgabe be-nötigt. Daher sind für Nielsen ausführliche Tests und die intensive Beobach-tung des Nutzerverhaltens beim Umgang mit einer Software die wichtigstenMethoden zur Informationsgewinnung. Zwar kommt er auf diese Weisedurchaus zu repräsentativen und operationalisierbaren Ergebnissen, dochmuss sich ein solcher Ansatz von Benutzerfreundlichkeit den Vorwurf desaktiven Reaktionismus gefallen lassen, denn er kann nicht erklären, wie esim Designprozess zu Kreativität und Innovationen kommen kann (vgl. Bon-siepe 2000, 5 [online]).

Zudem sind Geschwindigkeit und Effizienz bei der Suche nach Informatio-nen oder der Ausführung bestimmter Operationen mit Hilfe einer Software-anwendung sicher nicht als absolutes Ziel des Interfacedesigns zu sehen. DieAufgabe von Design ist in zahlreichen Fällen viel eher, eine wirkungsvolleKommunikation zwischen Anwendern zu ermöglichen, wie es sich auch amBeispiel von myStudy zeigt. Bonsiepe fordert daher eine Neudefinition desUsability-Konzeptes, die den Design-Aspekt stärker berücksichtigt.

Aspekte desvisuellen Designs

Diese Sichtweise auf das visuelle Design eines Interfaces hat eine Vielzahlvon Berührungspunkten mit sehr verschiedenen Disziplinen. Sie muss nebenden technischen Rahmenbedingungen, die das Medium - im Falle vonmyStudy das Internet51 - liefert, auch formale Kriterien beachten, die bei-spielsweise aus den Erkenntnissen der Farbtheorie, der Gestaltpsychologieund der Typographie erwachsen. Diese Grundlagen des visuellen Interface-designs im Einzelnen auszuführen, ist nicht das Ziel dieser Arbeit. Vielmehr

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Visualität und Information

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soll hier die Verortung des visuellen Paradigmas im Rahmen des Interface-designs verdeutlicht werden.

Informations-design

Das Informationsdesign stellt das zweite wichtige Gebiet des Interfacede-signs dar. Dieses von Fragen der audiovisuellen Gestaltung losgelöst zu be-trachten, würde jedoch eine verkürzte Sichtweise bedeuten. Um zu verste-hen, welche Rolle Design bei der Darstellung und Vermittlung von Wissenspielen kann, sind gewisse Kenntnisse von dem Prozess nötig, in dem sichWissen aus Informationen und Informationen aus Daten generieren. Selbst-verständlich spielen hierfür die konstruktivistischen Annahmen zu dem Pro-blem des Lernens und deren Herleitungen (vgl. Abschnitt 2.3) ebenfalls einzentrale Rolle.

Der Technikanthropolge David Hakken hat ein Modell vorgeschlagen, wel-ches die Entstehung von Informationen und Wissen als eine Verkettung vonaufeinander aufbauenden Schritten beschreibt, und zwar:

„from ‘mere data’ to ‘processed data’ (information) to ‘verified information’ (knowledge) to, perhaps, ‘existentially validated information’ (wisdom?).“ (Hakken 1999, 21)52

Die rohen Daten haben zunächst keinen Informationsgehalt. Sie stellen einformloses Rauschen dar und bilden den Zustand der ununterschiedenenSymmetrie (vgl. Abschnitt 2.1). Erst die Verarbeitung dieser Daten durch einbeobachtendes System, das Unterscheidungen trifft und hiermit Ordnung indas symmetrische Rauschen bringt, schafft Informationen (In-Form-ationen!). Werden diese wiederum in einen Kontext gestellt, interpretiert undauf diese Weise mit einer Bedeutung gefüllt, so entsteht Wissen.53 Die Ent-stehung von Wissen ist somit auf Kommunikation angewiesen, in deren Ver-lauf die Form und Struktur der Repräsentation von zentraler Bedeutung ist:

„Knowledge as accumulated experience needs to be communi-cated and shared beetween individuals. The process of commu-nicating and sharing knowledge is linked to the presentation of knowledge - and the presentation of knowledge is - or could become - a central issue of design.“ (Bonsiepe 2000, 2f [online])

51 Gemeint sind hier vor allem jene Gesichtspunkte, die Nielsen mit dem Para-digma des „usability-engineering“ (Nielsen 1994) anspricht, also zum Beispiel Ladezeiten und Datenübertragungsrate, Ausnutzung der Bildschirmfläche, nut-zerseitige Hardwarekonfiguration etc.

52 Das Vorstellung von Hakken basiert auf der sogenannten Wissenspyramide von Aamodt und Nygard (vgl. Aamodt/Nygard 1995, 191ff). Diese Pyramide stellt ein Schichtmodell mit den folgenden Ebenen dar: Zeichen/Ziffern, Worte/Werte, Daten, Information, Wissen.

53 Die Frage nach der Entstehung von Weisheit bleibt als philosophisches Pro-blem hier unberührt.

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Form und Interfacedesign

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Funktion des In-formationsdesigns

Unterscheidungstheoretisch ist in einem solchen Modell die Funktion, diedas Informationsdesign in dem Prozess der Entstehung und Kommunikationvon Wissen trägt, klar zu definieren: Es trifft jene Unterscheidungen, die fürdie Gewinnung von Informationen aus Daten sorgen, und schafft die Struk-tur, in der die rohen Daten als Informationen einer Interpretation durch denBeobachter zugänglich gemacht werden. Die Stringenz und die Konsequenzdieser Ordnung, vor allem aber ihre Nachvollziehbarkeit treffen daher eineVorentscheidung über die Interpretierbarkeit der dargestellten Inhalte.Schließlich muss ein Nutzer zunächst die Bedienung des Interfaces, seineStrukturmerkmale sowie die Handlungsoptionen innerhalb dieser Strukturerfasst haben, um kontextuelle Beobachtungen vornehmen zu können. DasInterface und seine Struktur bieten also gerade jenen Kontext, der bereits alsgrundlegend für den Lernprozess beschrieben wurde.

zweistufiger Lern-prozess am

Interface

Dieser muss folglich auf zwei Ebenen ablaufen: erstens bezogen auf die In-teraktion an der Schnittstelle und zweitens bezogen auf die angebotenen In-halte der Kommunikation. Obwohl beide Aspekte logisch gesehen einerHierarchie unterworfen sind, werden sie durch den Anwender parallel zuein-ander und nicht etwa zeitlich versetzt verarbeitet. Somit muss die Energie,die auf die Aneignung des Interfaces verwendet wird, in einem Verhältnis zudem stehen, was durch seine Nutzung gewonnen werden soll. Dies charakte-risiert die paradoxe Stellung des Interfaces im Wahrnehmungs- und Lernpro-zess: Als Werkzeug soll es einerseits möglichst unsichtbar sein, leicht zu er-lernen und intuitiv zu bedienen, um den Zugriff auf die gewünschten Opera-tionen so einfach wie möglich zu machen. Als Strukturmerkmal soll esandererseits im Vordergrund stehen und eine logische und visuelle Kohärenzschaffen, die über allem steht.

Ziele des Nutzers Im Umkehrschluss zu diesen Überlegungen muss das Informationsdesign ei-ner Benutzerschnittstelle daher auf das Erkenntnis- oder Handlungsziel desAnwenders abgestimmt sein. Nielsen stellt dementsprechend auf die ihm ei-gene dogmatische Weise fest:

„The most important thing is to discover the three main reasons users come to your site and make these things extremely fast and obvious to do.“54

Aussagen wie diese von Nielsen sind zwar gut zu operationalisieren, aller-dings begreifen sie den Nutzer offentlichtlich als eine Triviale Maschine, de-ren Verhaltensweisen und Absichten zu „entdecken“, in der Folge klar zudefinieren und schließlich vorherzusagen sind. Die Berücksichtigung derAnnahme, dass Nutzer aus individuell konstruierten Kontexten herausebenso individuelle Ziele verfolgen, lässt solche Konzepte jedoch

54 (vgl. http://www.webreference.com/new/nielsen.html, abgerufen am 24.04.2003)

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Design als Verwendung von Zeichen

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fragwürdig erscheinen. Insofern kann das Informationsdesign in vielen Fäl-len mit erheblichen Unsicherheiten verbunden sein.55

4.3 Design als Verwendung von Zeichen

Der Vergleich von Design und Rhetorik (vgl. Bonsiepe 1997, 7 [online]) legtbereits nahe, dass sich die Gestaltung eines Interfaces wie die wörtlicheRede im Medium der Sprache, oder besser im Medium der Zeichen verortet.Zum einen nutzt das Interface einer Kommunikationsplattform Sprache alsMedium der Kommunikation. Zum anderen kommt es zur Verwendung vongraphischen Symbolen und Icons sowie zum Einsatz von Metaphern, welchedie Navigation und Orientierung im Informationsraum erleichtern sollen.Selbst die Auswahl von Farben, Formen und Schrifttypen etc. kann zeichen-theoretisch gedeutet werden, denn sie erfolgt, genauso wie die Anwendungdes Interfaces, in einem Kontext, der jeder Designentscheidung eine Bedeu-tung verleiht. Der Dualismus von Informationsdesign und visuellem Designlöst sich auf diese Weise auf. Die Perspektive, die hiermit eingenommenwird, leitet den Blick in das Feld der Semiotik und kann das Verständnis fürdie Prozesse, die sich am Interface ereignen, vertiefen. Der Theoretiker Mi-hai Nadin, der sich vor allem mit dem Verhältnis von Semiotik und Inter-facedesign beschäftigt hat, stellt dementsprechend fest:

„Design principles are semiotic by nature. To design means to structure systems of signs in such a way as to make possible the achievement of human goals.“ (Nadin 1988, 269)

Um Zeichentheorie gewinnbringend auf das Problem der Gestaltung von Be-nutzerschnittstellen anzuwenden, müssen also die Strukturen der semioti-schen Mechanismen erkannt werden, um diese bei der Verwendung von Zei-chen im Gestaltungsprozess zu unterstützen.

das triadische Zeichen

Der Semiotiker Charles Sanders Peirce hat ein Modell vorgeschlagen, wel-ches das Zeichen als etwas beschreibt, „das für jemanden in einer gewissenHinsicht oder Fähigkeit für etwas steht“ (Peirce 1983, 36). Es verschränkensich damit drei Entitäten, welche die Einheit des Zeichens bilden: das sinn-lich erfahrbare Repräsentamen (R; oder mit Saussure: der Signifikant), dasObjekt der Bezeichnung (O; mit Saussure: das Signifikat) und der Interpre-tant (I), für den das Zeichen eine spezifische Bedeutung erlangt. Dabei istder Interpretant sowohl als interpretierendes Zeichen aber auch als

55 Um dennoch zu einer praktischen Anwendung zu gelangen, lässt sich die Gesamtheit der Nutzer nach Gruppen differenzieren, in denen zumindest ähnli-che Zielsetzungen angenommen werden können. In solchen Fällen bietet sich die Gestaltung von unterschiedlichen Schnittstellen an, die auf das angenom-mene Nutzungsinteresse der verschiedenen Gruppe hin optimiert sind. myStudydemonstriert mit verschiedenen Schnittstellen für Studierende und Lehrende ein Beispiel einer solchen Strategie.

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Bewusstsein vorstellbar. Im letzteren Fall ist der Zeichencharakter also da-von abhängig, dass die Unterscheidung des Zeichens als Zeichen durch ei-nen Beobachters erfolgt. Und schließlich wird so gesehen alles zum Zeichen,wenn es als solches interpretiert wird. Das Objekt der Bezeichnung ist alsonach diesem Modell nicht in jeder Hinsicht dasselbe, sondern es gewinntseine Bedeutung in der Verwendung mit anderen Zeichen und insbesonderein der Wechselwirkung mit dem Interpretanten, seinem kulturellen Hinter-grund und den Konventionen seiner Gesellschaft.

Dimensionen derSemiose

In Anlehnung an Peirce hat Charles William Morris die Einteilung der Se-miotik in die Gebiete Syntaktik, Semantik und Pragmatik entwickelt, die bisheute für die Linguistik fundamental ist.56 Die Syntaktik betrifft jeneAspekte, die für die Beziehung zwischen den Zeichen relevant sind, die Se-mantik befasst sich mit der Korrelation zwischen Repräsentamen und Objektund die Pragmatik zielt schließlich auf das Verhältnis des Zeichens zu sei-nem Benutzer. So ist nach Morris ein Zeichensystem durch die Angabe sei-ner syntaktischen, semantischen und pragmatischen Regeln vollständig be-stimmt.

Abbildung 4: Dimensionen der Semiose nach Morris (vgl. Nadin 1988, 271)

Dimensionen derFarbgestaltung

Mit dieser Systematisierung ist auch eine klarere Verortung der verschiede-nen Aspekte des Interfacedesigns möglich. Das Beispiel der farblichen Ge-staltung einer Webseite kann dies verdeutlichen: Man hat es mit einem syn-taktischen Problem zu tun, wenn es um Fragen der Farbharmonie geht, alsoum die Kombination von Farben, deren Verhältnis zueinander oder die Ver-wendung von Farbschemata. Dagegen ist etwa die farbliche Kodierung voninhaltlichen Bereichen des Informationsangebots und deren konsistente Um-setzung ein semantisches Problem. Auch die farblich konsistente Kennzeich-nung einzelner Elemente mit gemeinsamen strukturellen und funktionalenEigenschaften betrifft das Gebiet der Semantik. So werden zumeist

56 Zwar verwendet Morris hierzu ein eigenes Zeichenmodell, das jedoch in den wesentlichen Zügen mit dem von Pierce übereinstimmt.

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Design als Verwendung von Zeichen

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Hyperlinks in einer einheitlichen Farbe dargestellt. Die Berücksichtigungvon benutzerspezifischen Eigenheiten und deren Folgen für die Zuschrei-bung von Bedeutungen zu Farbwahrnehmungen stellt den pragmatischenAspekt dar. Gerade Farben werden häufig mit Assoziationen verbunden, dievon einem schwer zu bestimmenden Gewirr aus Konventionen und Erfah-rungen geprägt und daher stark subjektiver Natur sind. Die Farbe Rot stehtbeispielsweise für die Liebe ebenso wie für den Sozialismus, den Teufel oderdas Blut.57

Emergenz Es zeigt sich hier, wie stark der pragmatische Aspekt in den Bereich der Se-mantik hinein wirkt, und wie wichtig daher seine Berücksichtigung in einerTheorie der Zeichen ist, so problematisch er auch sein mag. Ebenso wäre zuargumentieren, dass die Regeln der Syntaktik mit jenen der Semantik undPragmatik wechselwirken. Morris betont daher, dass eine isolierte Betrach-tung der einzelnen Dimensionen der Semiose fehlschlägt.

„Jedes beliebige Zeichen darf aus jeder der drei Perspektiven untersucht werden, obwohl keine der Natur des Zeichenprozes-ses vollständig gerecht wird.“ (Morris 1972, 81)

Erst aus den Wechselbeziehungen zwischen den Disziplinen ergibt sich alsEmergenz die Möglichkeit, den „ganzheitlichen Charakter des Zeichenpro-zesses“ (Morris 1972, 80) zu beschreiben.

Zeichenklassifika-tionen

Aus dem Objektbezug des Zeichens entwickelt Peirce eine Zeichenklassifi-kation, die drei verschiedene Zeichenarten unterscheidet: Indices, Symboleund Ikone. Indices werden dabei als hinweisende Zeichen definiert, die in ei-nem direkten kausalen, logischen oder physischen Verhältnis zu dem Objektder Repräsentation stehen (vgl. Lenke u.a. 1995, 45). So stellt eine Rauch-säule beispielsweise ein Zeichen dar, das unmittelbar auf Feuer hinweist. DieRepräsentation, die durch ein solches Zeichen vorgenommen wird, beruhtweder auf Konventionen noch auf einer Ähnlichkeit zwischen Repräsenta-men und Objekt, sondern auf einem direkten kausalen Verweis, der einemInterpretanten jedoch geläufig sein muss, damit von einem Zeichen die Redesein kann. Wer also nicht weiss, was Feuer ist und dass Feuer Rauch produ-ziert, kann eine Rauchsäule nicht als Zeichen interpretieren. Trotzdem spieltder Interpretant für die Konstitution des Index eine eher passive Rolle, denner ist eher als reagierende, weniger als interpretierende oder reflektierendeInstanz am Zeichenprozess beteiligt (vgl. Nöth 2000, 185).

Die Repräsentation durch ein Symbol beruht dagegen auf der reinen Ge-wohnheit des Zeichenverwenders oder der gesetzmäßigen Konvention. Die

57 Gerade bei einem Medium wie dem Internet, das aufgrund seiner technischen Verbreitung Menschen aus sehr verschiedenen Kulturkreisen anspricht, ist die-ser Punkt problematisch.

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näturliche Sprache besteht aus einer Vielzahl von Symbolen, deren Kenntnisdie Vorraussetzung für ein gegenseitiges Verstehen ist. Da das Verhältniszwischen Repräsentamen und Objekt nur durch Definition, Regel oder Kon-vention bestimmt ist, sind Symbole arbiträr, also nicht durch die Beschaffen-heit des Objekts der Repräsentation beeinflusst, sondern (willkürlich) festge-legt (vgl. Nöth 2000, 179f).

Die dritte Klasse von Zeichen, das Ikon, konstituiert sich aus einem Ähnlich-keitsbezug von Repräsentamen und Objekt. Diese Ähnlichkeit kann durchsinnliche Wahrnehmung erfahren werden - wie bei Bildern durch Merkmalevon Form und Farbe - aber auch abstrakter und ideeler Natur sein, wie etwabei Metaphern (vgl. Lenke u.a. 1995, 46). Peirce sieht aus diesem Grundedie Ähnlichkeit zwischen Objekt und Repräsentamen eher als sekundäresKriterium. Von entscheidender Bedeutung ist dagegen, dass ein Ikon sichkraft der eigenen Merkmale auf ein Objekt bezieht (vgl. Nöth 2000, 193).

Abbildung 5 visualisiert die Beziehungen zwischen Repräsentamen (R), Ob-jekt (O) und Interpretant (I) für die verschiedenen Zeichenklassen:

Abbildung 5: Zeichenklassifikation nach Peirce (vgl. Nadin 1988, 271)

Die Differenzierung der Zeichenklassifikation Ikon/Index/Symbol steht ge-wissermaßen senkrecht auf der Unterscheidung der Morris’schen Dimensio-nen der Zeichenprozesse Syntaktik/Semantik/Pragmatik. Die Klassifikationvon Peirce systematisiert das Zusammenwirken der verschiedenen Zeichen-prozesse an den drei vorgeschlagenen Zeichentypen und macht diese da-durch einer genaueren Betrachtung zugänglich.

Mit reinen Formen einer einzigen Klasse von Zeichen hat man es nur äußerstselten zu tun. Vielmehr überschneiden sich in vielen Fällen verschiedene Re-präsentationsarten in einem einzigen Zeichen. Man kann dies an dem einfa-chen Beispiel des Hyperlinks auf einer Webseite nachvollziehen. Mannehme an, der Link habe die folgende Erscheinung

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Abbildung 6: Darstellung eines Hyperlinks mit Mauszeiger (Screenshot)

Zunächst handelt es sich bei einem Hyperlink selbst um einen Index, denn erverweist physisch auf ein bestimmtes Dokument. Der Objektbezug, also dasZiel des Hyperlinks, wird allerdings erst durch die Verwendung des BegriffsHome angezeigt, der selbst wiederum als Metapher für die Startseite einerWebpräsenz einen ikonischen Charakter hat.

Die oben dargestellte Art der Gestaltung (blaue Farbe, Unterstreichung) hatsich in der Internetgemeinde als Konvention durchgesetzt, um die Vorhan-denheit des Verweises auf eine weitere Datei anzuzeigen58. Dieser Objektbe-zug wird also auf symbolische Weise hergestellt.

Darüberhinaus deutet auch die Veränderung des Mauszeigers, der sich beider ’Berührung’ des Wortes als Hand darstellt, auf den Hyperlink hin. Mitdem Mauszeiger liegt damit ein Zeichen vor, welches auf allen drei Ebenender Peirceschen Klassifikation wirkt: die Hand als Ikon, das physisch aufden Link zeigt (Index) und darüberhinaus als konventionalisiertes Symbolfür einen Hyperlink erlernt wurde 59.

FolgerungenWie dieses Beispiel zeigt, bietet sich durch diese Klassifikation eine Syste-matik, deren Beachtung einem zweckdienlichen Zeichengebrauch Vorschubleisten kann. Welche konkreten Schlüsse sind also aus einer zeichentheoreti-schen Interpretation für das Interfacedesign abzuleiten?

58 Bonsiepe beschreibt die Aufgabe von Design in Anlehnung an Heideggers Ter-minologie von Vorhandenheit und Zuhandenheit daher wie folgt: „Design is the domain of transforming present-at-hand into ready-to-hand.“ (Bonsiepe 2000, 2 [online]) Die Vorhandenheit des Verweises wird durch seine Gestaltung in Zuhandenheit überführt. Bei Heidegger heißt es: „Im Umgang mit der besorgten Welt kann Unzuhande-nes begegnen nicht nur im Sinne des Unverwendbaren oder des schlechthin Fehlenden, sondern als Unzuhandenes, das gerade nicht fehlt und nicht unver-wendbar ist, das aber dem Besorgen ’im Wege liegt’.“ (Heidegger 1993, 99)Die Zuhandenheit tritt vor allem dann zutage, wenn das Hantieren mit einem Ding behindert wird. Es tritt dann negativ, aber explizit in Erscheinung und gerät dadurch zum Vorhandenen (vgl. Heidegger 1993, 98ff). Mit Heidegger ist damit die Forderung nach der Unsichtbarkeit des Interfaces (vgl. Abschnitt 4.2) zu unterstützen.

59 Sämtliche Browser verwenden die Hand als Symbol für einen darhinterliegen-den Hyperlink. Insofern kann von einer Konvention die Rede sein.

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Die Konsistenz der Zeichenverwendung ist zunächst die wichtigste Erkennt-nis, die aus diesen Betrachtungen zu gewinnen ist: „What should be pointedout is that the design of interface is a matter of semiotic consistency.“ (Na-din 1988, 280) In Anlehnung daran wird ersichtlich, dass eine Neudefinitionvon symbolischen Zeichen, deren Objektbezug durch gesellschaftliche oderhabitualisierte Konventionen bereits erlernt wurde, einer schnellen Erlern-barkeit einer Benutzerschnittstelle nicht zuträglich ist. Abweichungen vonsolchen Konventionen müssen im Einzelfall sorgfältig abgewägt und dannkonsistent umgesetzt werden60.

Konsistenz der Zeichenverwendung meint allerdings nicht nur die einheitli-che Gestaltung von Zeichen an verschiedenen Stellen oder in verschiedenenZusammenhängen, sondern auch und vor allem die Kohärenz der Objektbe-züge auf den unterschiedlichen Repräsentationsebenen. Design muss alsosowohl in ikonischer wie auch in symbolischer und indexikalischer HinsichtSensibilität zeigen und sich dabei der verschiedenen Dimensionen der Zei-chenprozesse gewahr sein. Diese Einsicht kann nun zu einer Vielfalt vonpraktischen Anweisungen für konkrete Designentscheidungen umgesetztwerden, die hier allerdings nur angedeutet werden kann.

Umsetzung Nadin empfiehlt beispielsweise, bei der Auswahl und Gestaltung von mehre-ren Zeichen, deren semantischer Bezug sich auf eine ähnliche Klasse vonObjekten richtet, die Mischung von verschiedenen Repräsentationsebenenzu vermeiden (vgl. Nadin 1988, 284f). Unter Beachtung dieses Hinweisessollten etwa die verwendeten Zeichen einer Navigations- oder Menüleistealle dem selben Zeichentyp angehören. Denn die Mischung von Zeichen-klassen führt sowohl in visueller wie auch semantischer Hinsicht zu Verwir-rungen.

Dagegen können allerdings Ergänzungen durch die Einbeziehung weitererRepräsentationsebenen den Objektbezug eines Navigationselementes ver-deutlichen. Nichts anderes wird in der Auszeichnungssprache HTML durchden title-Parameter des Anchor-Tags erreicht, mit dem Links auf Internetsei-ten erstellt werden, z.B.:

<a href=“index.html“ title=“zur Startseite“>Home</a>

Gängige Browser zeigen in diesem Beispiel bei der ’Berührung’ des Links„Home“ ein Fähnchen, auf dem die Worte „zur Startseite“ stehen. DieseWorte stellen gemäß der Peirce’schen Klassifikation eine normalsprachlichealso symbolische Ergänzung der inkonischen Metapher „Home“ dar.

60 Eine Visualisierung von Hyperlinks durch eine kursive Typographie statt durch Unterstreichung ist also beispielsweise mit einer erheblichen Verletzung der Konvention verbunden.

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Design als Verwendung von Zeichen

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Aus der konsequenten Verortung von Designentscheidungen in der Semiotikkönnen also, wie es hier an der Peirce’schen Zeichentheorie gezeigt wurde,durchaus praxisorientierte Anhaltpunkte für die Gestaltung von Schnittstel-len zwischen Mensch und Maschine gewonnen werden.

Die Nutzung von Technik lässt sich, wie im dritten Kapitel dieser Untersu-chung dargestellt worden ist, als Anschlussoperation deuten. Die Prozesse,die sich hierbei zwischen Anwender und Artefakt ereignen, sind nun genaueruntersucht worden, und es hat sich gezeigt, dass sie sich am Interface des Ar-tefakts abspielen. Ferner wurde deutlich, dass es sich dabei um Zeichenpro-zesse handelt, die sich, wenn man das Zeichenmodell von Peirce zugrundelegt, nach verschiedenen Klassen differenzieren lassen. Für die Betrachtungdes Interfaces von myStudy steht nun eine Grundlage zur Verfügung, die einangemessenes Vokabular sowie Argumentationsstrukturen bietet, um Desi-gnentscheidungen, die bei der Interfacegestaltung getroffen worden sind,kritisch zu hinterfragen.

Hiermit sind nun drei der wichtigsten Grundfragen, die bei der Konzeptionund Umsetzung von myStudy in das Blickfeld geraten, thematisiert worden.(1) Zunächst musste die Entscheidung für eine Plattform erläutert werden,die in Zeiten von e-learning und blended learning bewusst auf die organisa-torische Unterstützung der universitären Präsenzlehre setzt. Damit verbun-den ist, wie deutlich gemacht wurde, ein Selbstverständnis der Universität,das nicht auf Wissen als Ware sondern als dynamisches Ergebnis von kom-munikativen Prozessen setzt. (2) Bevor im Anschluss an diese programmati-sche Entscheidung an eine konkrete Umsetzung zu denken ist, muss eine Re-flexion der zu verwendenden Techniken erfolgen. Um Anschlussmöglich-keiten innerhalb und außerhalb eines solchen Projektes zu gewährleisten undum den sicheren Betrieb, die problemlose Betreuung und eine Offenheit fürweitere Entwicklungen zu ermöglichen, müssen Techniken ausgewählt wer-den, die diese Ziele optimal unterstützen. Die vorgeschlagene Betrachtunghat den Fokus auf Open Source-Technologien gesetzt, welche im Rahmenvon myStudy schwerpunktmäßig eingesetzt wurden. (3) Für das Gelingen ei-nes solchen Projektes, also für die wirkungsvolle Unterstützung der Präsenz-lehre spielt weiterhin - wie die Ausführungen dieses Kapitels gezeigt haben -die Gestaltung des Interfaces eine entscheidende Rolle. Denn letztlich er-folgt der Anschluss der Nutzung an die technische Form von myStudy überdas Interface, welches seinen Nutzern zur Verfügung gestellt wird.

Anhand einer genaueren Betrachtung von myStudy, seiner Interfacegestal-tung sowie seiner technischen Form, soll nun der Bezug zwischen theoreti-schen Überlegungen und praktischer Umsetzung deutlich werden.

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Zur Umsetzung von myStudy

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5. Zur Umsetzung von myStudy

Wie bereits erwähnt wurde, ist das myStudy-Projekt einem ständigen Wandelunterworfen, denn an der Entwicklung neuer Funktionen, der Pflege der In-halte und der Verbesserung des Interfaces wird innerhalb einer Projekt-gruppe stets weitergearbeitet. Insofern muss sich eine Beschreibung des Ist-Zustandes von myStudy der schnellen Vergänglichkeit ihrer Feststellungenbewusst sein. Wo nicht anders angegeben, beziehen sich die Darstellungen,Beschreibungen und Screenshots auf die im Sommersemester 2003 aktuelleVersion 4.1, die unter der URL http://mystudy.uni-lueneburg.de im Netz zufinden ist. Dagegen sind die Erkenntnisse, die sich aus den theoretischenÜberlegungen und ihrem Übertrag auf die praktische Umsetzung von my-Study ergeben, durchaus von Dauer und jederzeit aktualisierbar.

5.1 Verortung von myStudy im universitären Kontext

myStudy wird seit dem Wintersemester 2001/2002 von einer freien Projekt-gruppe innerhalb der Abteilung für „Digitale Kommunikations- und Publi-kationstechniken .dok“ des Rechenzentrums der Universität Lüneburg be-treut und weiterentwickelt. Das Projekt ist nicht in den Verwaltungsstruktu-ren der Universität verankert, sondern entspringt einem Bereich, der eineSchnittstelle zwischen universitärer Lehre und universitätsinterner Service-dienstleistung darstellt. myStudy ist daher als ein Angebot zu verstehen, des-sen Nutzung weder für Lehrende noch für Studierende verpflichtend ist. In-folgedessen wird nicht das gesamte Lehrangebot mit organisatorischer Un-terstützung von myStudy durchgeführt.

Nutzung vonmyStudy

Zur Zeit sind für etwa 35% der Lehrveranstaltungen an der Universität Lü-neburg Dozentenzugänge vergeben.61 Auf Seiten der Studierenden ist dieNutzung von myStudy intensiver. Etwa die Hälfte der Studierenden der Uni-versität Lüneburg nutzen myStudy.62 Aus diesen Zahlen geht hervor, dass dieBereitschaft der Studierenden, sich Informationen über myStudy zu beschaf-fen, größer ist als die Bereitschaft der Dozentinnen und Dozenten, dort In-formationen bereitzustellen.63 Obwohl myStudy also den Lehrbetrieb derUniversität nicht vollständig abdeckt, können diese Zahlen als Erfolg gewer-tet werden, vor allem da im Verlauf der vier Semester, in denen myStudy be-trieben wird, die Nutzungszahlen stetig zugenommen haben und damit einesteigende Akzeptanz unter Studierenden wie Lehrenden belegen.

61 Diese Zahl geht aus der Auswertung der Datenbanken, die myStudy zugrunde liegen, hervor. Dabei ist allerdings davon auszugehen, dass nicht alle dieser Zugänge regelmäßig genutzt werden (Stand vom 20.05.2003).

62 Auch diese Zahl geht aus der Auswertung der Datenbanken, die myStudyzugrunde liegen, hervor (Stand vom 20.05.2003).

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Der Stundenplan als Interface

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Die Tatsache, dass die Nutzung von Studierenden wie Lehrenden freiwilligerfolgt, hat Folgen für die Qualität von myStudy. Denn auf diese Weise kanndie Nutzung von myStudy auf ein benutzerfreundliches und konsistentes In-terface, auf sinnvolle Funktionen und auf einen sicheren, stabilen Betrieb zu-rückgeführt werden, statt auf eine Dienstanweisung. Die Intensität der Nut-zung stellt in diesem Sinne einen Gradmesser für die Qualität der Plattformdar und für ihr Vermögen, die Präsenzlehre sinnvoll zu unterstützen. DesWeiteren garantiert die Unabhängigkeit von Verwaltungsstrukturen die Frei-heit, auf diesen Gradmesser in spontaner und angemessener Weise zu reagie-ren.

technische Unabhängigkeit

Diese Unabhängigkeit spiegelt sich auch auf der technischen Ebene wider.myStudy wird nicht auf dem offiziellen Webserver der Universität Lüneburgbetrieben, sondern auf einem Server, dessen Administration direkt der Abtei-lung für „Digitale Kommunikations- und Publikationstechniken .dok“ unter-liegt. Die Datenbanken des Vorlesungsverzeichnisses, auf denen myStudybasiert, sind ebenfalls abgekoppelt von den offiziellen Vorlesungsdatenban-ken der Universität, die zwar als Exportquelle dienen aber ansonsten keineVerbindung zu myStudy haben.

Es lässt sich somit feststellen, dass die Unabhängigkeit von myStudy und diedaraus resultierende Entwicklungsfähigkeit des Projektes auf einer starkenAbgrenzung beruht - sowohl in technischer Hinsicht wie auch in Bezug aufdie universitären Strukturen, in denen myStudy betrieben und entwickeltwird. Gerade diese Abgrenzung schafft in letzter Konsequenz ein Produkt,welches wiederum in besonderem Maße anschlussfähig an die Prozesse deruniversitären Präsenzlehre ist. Diese Feststellung befindet sich in Überein-stimmung mit den theoretischen Annahmen über Grenze und Anschlussfä-higkeit, die in Abschnitt 2.2 entwickelt worden sind.

5.2 Der Stundenplan als Interface

Die Situation, von der die Entwicklung einer Plattform zur Unterstützungder Präsenzlehre ausgeht, ist die Betrachtung der Prozesse, die im Zuge deruniversitären Lehre ablaufen. Die beteiligten Akteure sind hierbei im we-sentlichen Studierende und Lehrende, die allerdings keine homogenen Grup-pen darstellen, weil sie in individuellen Kontexten mit verschiedensten

63 Die Gründe hierfür können im Rahmen dieser Arbeit nur vermutet werden. Zu einem gewissen Teil lässt sich diese Differenz sicher aus der generationsspezi-fischen Intensität der Nutzung des Internets ableiten. Zum anderen liefern die Zugriffsstatistiken des Webservers, auf dem myStudy betrieben wird, den Hin-weis, dass myStudy vor allem zu Beginn des Semesters für die Erstellung des Stundenplanes genutzt wird, während die Nutzung im Verlauf des Semesters abnimmt. Der Wert von myStudy für die Erstellung des Stundenplanes ist aber vermutlich für Studierende höher als für Lehrende.

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Motivationen an den universitären Strukturen teilhaben. Als Schnittmengeder individuellen Ziele, die Teilnehmer an den Prozessen der Präsenzlehreverfolgen, lässt sich jedoch die Absicht zu einem Austausch von Kommuni-kationen über ausgewählte Themen annehmen. Nur an dieser Stelle kannalso ein Konzept ansetzen, welches sich die Unterstützung der Präsenzlehrezur Aufgabe macht.

Organisation vonPräsenzlehre

Die universitäre Präsenzlehre ist in einem Umfang organisiert, der großeFreiheiten der individuellen Gestaltung durch Studierende und Lehrende zu-lässt. Jedoch erfordert der Austausch von wissensbildener Kommunikation,wie bereits gezeigt wurde, die Kopräsenz von Lehrenden und Studierenden.In aller Regel trifft man sich also einer zeitlichen und räumlichen Koordina-tion folgend, um von Angesicht zu Angesicht miteinander zu kommunizie-ren und auf diesem Wege - in Übereinstimmung mit den Begrifflichkeitenkonstruktivistischer Lerntheorien - Wissen zu erzeugen. Eine solche Koordi-nation erfordert einen organisatorischen Aufwand, denn die Beteiligten müs-sen sich über die Festlegung von Ort und Zeit der Zusammenkunft verständi-gen. Zur Visualisierung dieser Koordination hat sich ein einfaches Mitteletabliert: der Stundenplan. Ein Stundenplan überführt die zeitliche Struktur,in der die universitäre Lehre stattfindet, in eine visuelle Struktur und dient soals visuell zugängliches Speichermedium. Desgleichen bildet ein Stunden-plan die sozialen und kommunikativen Strukturen ab, in denen sich Studie-rende wie Lehrende durch die Teilnahme an der Präsenzlehre wiederfinden.Die Form der tabellarischen Darstellung ist von den Beteiligten über langeZeit hinweg (in aller Regel seit der Schulzeit) erprobt und erlernt wordenund ist daher einer intuitiven Nutzung zugänglich geworden. Die zentraleRolle des Stundenplanes für die Interfacegestaltung von myStudy kann hier-aus abgeleitet werden.

Damit allein ist es jedoch nicht getan. Die Bereitstellung von weiteren Infor-mationen, die Seminare oder Vorlesungen betreffen und die insbesondereaus der Institutionalisierung der Lehre erwachsen, muss geregelt werden.Gemeint sind beispielsweise die Einordnung von Lehrveranstaltungen in be-stimmte Studiengänge, Fächer und Bereiche, die Gewichtung durch soge-nannte Kreditpunkte, aber auch Informationen zu Leistungsnachweisen, An-meldeverfahren und sonstigen organisatorischen Aspekten.

Die Versorgung der Beteiligten mit organisationsbezogenen Informationenbietet also die Grundlage, auf der (insbesondere institutionalisierte) Präsenz-lehre erst erfolgen kann. In der Vergangenheit wurden derartige Kommuni-kationen zwischen Lehrenden und Studierenden über eine Reihe von ver-schiedenen Kanälen vollzogen: persönlich unter Anwesenden, durch denAushang von Informationen an schwarzen Brettern, mit Hilfe eines offiziel-len gedruckten Vorlesungsverzeichnisses und nicht zuletzt durch ’Mund-zu-Mund-Propaganda’ unter Studierenden.64

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Darstellung von myStudy

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Unterstützung der Lehre

Gerade in dieser Hinsicht können vernetzte Technologien sinnvoll zur orga-nisatorischen Unterstützung eingesetzt werden. Sie erlauben eine räumlichund zeitlich entgrenzte Kommunikation, die ermöglicht, dass organisations-bezogene Informationen jederzeit und allerorts - soweit eine Internetanbin-dung vorhanden ist - zugänglich sind und nicht in Phasen der Kopräsenz (oftauf Kosten der eigentlichen Lehrinhalte) ausgetauscht werden müssen. DiePräsenzlehre wird auf diese Weise von organisatorischen Aufgaben entlastetund kann sich um so stärker ihrer eigentlichen Aufgabe widmen. Mit derBündelung von Informationskanälen auf der Basis von Internettechnologienkann ein zentrales Studieninformationssystem geschaffen werden, welchesStudierenden einen einheitlichen und umfassenden Zugang zu den studienre-levanten Informationen ermöglicht und zudem stets auch von zuhause oderanderenorts zugänglich ist.65

Hierfür bietet sich der Stundenplan für die Gestaltung des Interfaces als Me-tapher an. Die Masse an Informationen, Kommunikationen und Handlungs-möglichkeiten, die sich in einem solchen System entfaltet, ist immens undmuss einem Anwender im Rahmen des Informationsdesigns strukturiert an-geboten werden, um zugänglich und nutzbar zu sein (vgl. Abschnitt 4.2).Dabei stellt der Stundenplan das zentrale Selektionskriterium dar, welchesfür den einzelnen Anwender relevante Kommunikationen und Informationenvon nicht-relevanten trennt. Der Nutzer interessiert sich vor allem für jeneAusschnitte des Angebots, welche diejenigen Lehrveranstaltungen betreffen,die er in seinem eigenen Stundenplan verzeichnet hat.

Auf diese Weise strukturiert der Stundenplan für den einzelnen Nutzer rele-vante Informationen nach einem lange erlernten und daher intuitiv zugängli-chen Prinzip. Die Gesamtheit der Stundenpläne, die sich Lehrende und Stu-dierende individuell aus der Fülle von Lehrveranstaltungen generieren,schafft darüberhinaus eine Struktur, welche für die organisationsbezogeneKommunikation genutzt werden kann. Die Adressaten dieser Kommunika-tion selektieren sich also anhand dieser individuellen Stundenpläne.

5.3 Darstellung von myStudy

Jeder von momentan ca. 3800 individuellen Stundenplänen66, die von Stu-dierenden und Lehrenden der Universität Lüneburg angelegt wurden, stellt

64 Auch weitere Formen der Kommunikation, die bereits vernetzte Technologien verwenden, haben sich in einzelnen Fällen etabliert. Im Studiengang Umwelt-wissenschaften an der Universität Lüneburg existiert beispielsweise eine E-Mail-Liste, die regelmäßig zur Organisation von Präsenzlehre genutzt wird.

65 Besonders für auswärtige Studentinnen und Studenten kann so ein interessanter Mehrwert geschaffen werden.

66 Diese Zahl geht aus der Auswertung der Datenbanken, die myStudy zugrunde-liegen, hervor (Stand vom 20.05.2003).

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Zur Umsetzung von myStudy

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innerhalb des auf diese Weise entstehenden Netzes von Kommunikationsbe-ziehungen einen Knotenpunkt dar, der die Möglichkeit bietet, mit anderenStudierenden und Lehrenden in Kontakt zu treten oder sich mit organisato-risch relevanten Informationen zu versorgen.

Abbildung 7 zeigt die Ansicht eines individuellen Stundenplanes, in den dreiLehrveranstaltungen aus dem Studiengang Kulturwissenschaften eingetra-gen wurden. Unmittelbar nach dem Login mit dem persönlichen Benutzerna-men und dem richtigen Passwort bekommt der Nutzer also die folgende An-sicht:

Abbildung 7: Ansicht des myStudy-Stundenplanes (Screenshot)

Globalnavigation Die Navigationsleiste am oberen Bildrand bietet den Zugang zu verschiede-nen Bereichen von myStudy, die sich nicht unmittelbar auf eine bestimmteLehrveranstaltung beziehen, sondern allgemeine Einstellungen und Angabenbetreffen. Die Einbindung dieser Menüleiste als sogenannte Globalnaviga-tion, die auf sämtlichen Seiten in identischer Form platziert ist, ermöglichtdie schnelle und einfache Orientierung und Navigation.

Der Bereich, in dem sich ein Benutzer aktuell befindet, ist durch eine hellereFarbgebung gekennzeichnet. Es handelt sich hierbei um ein einfaches undanschauliches Beispiel für die vorangegangenen Ausführungen zum Inter-facebegriff. Hat der Nutzer erst gelernt mit der Navigationsleiste umzuge-hen, so wird er die hellere Farbgebung als Symbol zu deuten wissen. Ihmwird durch das sogenannte ’Highlighting’ der aktuellen Kategorie ein spezi-fischer Zustand des Systems vermittelt, jedoch begreift er diese Informationnicht als systemischen Zustand oder „system image“ (vgl. Norman 1983,14), sondern vielmehr als eigene Positionsbestimmung und insofern als Bei-

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Darstellung von myStudy

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trag zum Aufbau eines mentalen Modells (vgl. Abschnitt 4.1). Das Interfacevollbringt auf diese Weise die Übersetzungsleistung zwischen interner undexterner Repräsentation und erlaubt so die Interaktion von Anwender undArtefakt in Hinsicht auf die Verrichtung einer Aufgabe.

Mit Hilfe der Globalnavigation stehen die folgenden Bereiche zur Auswahl:

Tabelle 3: Bereiche der Globalnavigation

Veranstaltungs-suche

Die Veranstaltungssuche erlaubt die detaillierte Recherche im Gesamtver-zeichnis der Lehrveranstaltungen an der Universität Lüneburg. Die Suchab-frage kann innerhalb eines Studienganges oder eines einzelnen Faches erfol-gen und dabei die freie Eingabe des Dozentennamens oder einer beliebigenAnzahl von Suchbegriffen berücksichtigen.

Abbildung 8 zeigt den Aufbau der Suchmaske mitsamt zweier Suchergeb-nisse. Wie der Screenshot zeigt, bleiben die Kriterien der Suchabfrage beider Anzeige der Ergebnisse sichtbar. Dies erlaubt dem Anwender die Kon-trolle der Interaktion und vermittelt die Gewissheit, dass Suchkriterien undSuchergebnis miteinander korrelieren. Darüber hinaus kann bei Unsicherhei-ten die Schreibweise von Begriffen oder Namen besser überprüft werden.

Wurde eine passende Lehrveranstaltung gefunden, so kann diese per Maus-klick in den individuellen Stundenplan übertragen werden.

Menüpunkt Inhalt / Ziel

führt den Nutzer jederzeit wieder zur Ansicht des Stundenplanes zurück.

ermöglicht die Suche im Veranstaltungsver-zeichnis der Universität Lüneburg

erlaubt das Ändern und Speichern von Benut-zerdaten und personenspezifischen Angaben

enthält Hinweise zur Nutzung von myStudy sowie Nutzungsbedingungen

bietet dem Nutzer eine DinA4-Druckversion des Stundenplanes an

zum Verlassen von myStudy

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Zur Umsetzung von myStudy

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Abbildung 8: Aufbau der Suchmaske in der Veranstaltungssuche und Anzeige der Suchergebnisse (Screenshot)

Die Suche nach Veranstaltungen zu bestimmten Terminen im Zeitraster desStundenplanes ist ebenso möglich und durch einen Mausklick in das entspre-chende Feld im Raster des Stundenplanes erreichbar.

Nutzerdaten In dem Bereich Nutzerdaten können Anwender ihr Login-Passwort für dieNutzung von myStudy ändern. Des Weiteren ist hier die Speicherung undÄnderung von personenbezogenen Daten möglich (Name, Studiengang, Ma-trikelnummer, E-Mail-Adresse), die beispielsweise für die verbindliche An-meldung zu teilnehmerbegrenzten Lehrveranstaltungen oder für den Eintragin seminarbezogene E-Mail-Listen nötig sind. Die Angabe solcher Daten istfür Studierende grundsätzlich freiwillig, und die Benutzung von myStudy istauch ohne diese Daten möglich. Lediglich einige Funktionen sind in diesemFall nicht nutzbar.

Für Dozenten bietet sich in den Nutzerdaten eine leicht variierte Ansicht,welche statt der Angabe des Studiengangs und der Matrikelnummer dieSpeicherung von Sprechstundenzeiten und der Hausrufnummer ermöglicht.

Hinweise Unter dem Navigationspunkt Hinweise sind allgemeine Hilfestellungen undAngaben zu myStudy zu finden. Dem Nutzer werden zunächst auf über-schaubare Art die wichtigsten Funktionen in den verschiedenen Bereichenvon myStudy dargestellt. Darüberhinaus werden hier Nutzungsbedingungenund Kontaktmöglichkeiten zum myStudy-Projektteam bekanntgegeben.

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Darstellung von myStudy

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DruckenEine Druckansicht des myStudy-Stundenplanes ist aus verschiedenen Grün-den erforderlich. Generell ist der Ausdruck von Internetseiten mit Hilfe desBrowsers erfahrungsgemäß oft mit Schwierigkeiten verbunden. Da die Ge-staltung einer Webseite für die Ausgabe auf dem Bildschirm optimiert ist,tritt beim Druck des Dokuments häufig eine problematische Farb- und Kon-trastdarstellung auf. Nicht selten werden Text- oder Bildteile aufgrund derbegrenzten Papierfläche abgeschnitten. Darüberhinaus sind oft Objekte aufder Webseite enthalten, die für den Ausdruck irrelevant sind (z.B. die Navi-gation).

Die Druckversion des Stundenplanes wird daher dynamisch als sogenanntesPortable Document Format (PDF) generiert. PDF ist ein offenes aber pro-prietäres Dateiformat des Softwareherstellers Adobe, welches Schriftarten,Bilder, Grafiken und Layout eines Dokuments plattformunabhängig beibe-hält. Besonders für den Ausdruck von Dokumenten ist das PDF geeignet, dasämtliche Formatierungen so auf ein spezielles Papierformat hin optimiertwerden können, ohne individuelle Einstellungen und Konfigurationen be-rücksichtigen zu müssen.

Abbildung 9: Druckansicht des myStudy-Stundenplanes (Screenshot)

Das PDF des myStudy-Stundenplanes ist für den Ausdruck auf Din A4-Pa-pier optimiert und für den Schwarz/Weiss-Druck kontraststark gestaltet. Eswurde auf einen sparsamen Verbrauch von Druckerschwärze Wert gelegt.

Zur Ansicht einer PDF-Datei im Internet und deren Ausdruck benötigt derBenutzer das Browser Plug-In Adobe Acrobat Reader. Dieses ist zwar ko-stenfrei im Internet zu beziehen und unkompliziert zu installieren, jedoch istder Einsatz von Plug-In-abhängigen Dateiformaten grundsätzlich kritisch zubeurteilen. Für Anwender, die über das erforderliche Plug-In nicht verfügen,stellt die Beschaffung desselben eine Hemmschwelle dar, die nur seltenüberwunden wird. Die hohe Verbreitung des Acrobat Readers, insbesondereim universitären und wissenschaftlichen Kontext, führt jedoch zu dem Ur-

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teil, dass die Verwendung von PDF als Format für die myStudy-Druckansichtmehr Vor- als Nachteile birgt. Sogar Jakob Nielsen als erklärter Feind vonPlug-In-Technologien empfielt: „Use PDF for documents that users are li-kely to print“ (Nielsen 2001 [online]).

Logout Über die Schaltfläche Logout verläßt der Benutzer myStudy. Zwar kann derNutzer myStudy auch durch die Eingabe einer neuen URL in die Adresszeiledes Browsers oder das Schließen des Fensters verlassen, jedoch bietet derkorrekte Logout über die Navigationsleiste sowohl unter Aspekten der Be-nutzerfreundlichkeit als auch in technischer Hinsicht Vorteile. Zum einenvermittelt das Beenden einer Sitzung mit dem Logout das sichere Gefühl,’die Tür hinter sich zu schließen’ und damit persönliche Daten, die inmyStudy gespeichert sind, vor fremdem Zugriff zu schützen. Tatsächlichtrifft dieser Gedanke auch in technischer Hinsicht zu. Denn zum anderenwird durch den Logout serverseitig eine temporäre Datei gelöscht, in der er-forderliche Variablen für die Dauer des Besuches von myStudy gespeichertwerden. Wiederum bringt das Interface somit das mentale Modell des Nut-zers und das interne, technische Modell von myStudy zur Deckung.

Stundenplan-einträge

Die einzelnen Menüpunkte der Globalnavigation haben, wie sich zeigt,keine direkte Funktion im Hinblick auf einzelne Lehrveranstaltungen. DieseFunktionen sind nicht über die Globalnavigation zu erreichen, sondern un-mittelbar über die Stundenplaneinträge. Insofern ist der Stundenplan nichtnur ideelles Strukturmerkmal für die Kommunikationen der Präsenzlehre,sondern bekommt durch die hypertextuelle Verknüpfung als Navigations-struktur einen performativen Charakter. Die Konsistenz der Stundenplan-Metapher wird hierdurch weiter gestützt.

Abbildung 10: Stundenplanansicht mit Ausschnittvergrößerung einer eingetragenen Lehrveranstaltung (Screenshot, eigene Darstellung)

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Darstellung von myStudy

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Abbildung 10 zeigt eine vergrößerte Ansicht eines Stundenplaneintrags, ander sich die weiterführenden Navigationsmöglichkeiten aufzeigen lassen. Inder Kopfzeile des Eintrags befindet sich auf der rechten Seite das Symbol zum Löschen des Stundenplaneintrags. Sowohl die Form als auch die Posi-tion des Symbols wird in gleicher Weise in verschiedensten Betriebssyste-men mit fensterbasierten graphischen Userinterfaces (z.B. Windows, MacOS, Linux) eingesetzt. Seine Bedeutung kann daher als Konvention aufge-fasst werden. Auf der linken Seite dient das Zeichen als Verknüpfung zuder Webseite der betreffenden Lehrveranstaltung. Die Bedeutung dieses Zei-chens muss, wenn es auch in einem gewissen Maße intuitiv zugänglich ist,vom Benutzer erlernt werden.

Ein Mausklick auf den Namen des Dozenten (in obigem Beispiel Siegert)gibt Auskunft über dessen Sprechzeiten, Telefonnummer und E-Mail-Adresse. Das Ausrufungszeichen informiert den Nutzer darüber, dass eineaktuelle Nachricht des Lehrenden an die Besucher des Seminars vorliegt.

Der Klick auf den Namen der Veranstaltung (in obigem Beispiel Webpubli-shing für Einsteiger) öffnet schließlich das veranstaltungsspezifische Infor-mations- und Kommunikationspanel, mit dem sich all diejenigen Funktionenan den Stundenplan anschließen, die sich explizit auf die jeweilige Lehrver-anstaltung beziehen. Die Ansicht dieses Panels und die Funktionen, die dasInterface hier bereitstellt, hängen vom Status des Nutzers ab, also von derFrage, ob es sich um einen Lehrenden oder einen Studierenden handelt.

Inhaltlich gliedert sich das Panel in die Bereiche Informationen, Seminar-plan, Material, Mitteilungen, Blackboard und Anmeldung, die in Form vonKarteikarten dargestellt werden. Die Navigation zwischen den Bereichen er-folgt also durch die Wahl des jeweiligen Reiters mit der entsprechenden Be-nennung.

Abbildung 11: Interface des Informations- und Kommunikationspanels in der Ansicht für Studierende (Screenshot, Ausschnitt)

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Informationen Auf der Karteikarte Informationen können Lehrende umfangreiche Angabenzur Lehrveranstaltung bearbeiten (z.B. Inhalt, Literaturhinweise, Rauman-gabe usw.). Von der Bearbeitung ausgeschlossen sind jene Daten, zu derenÄnderung ein Beschluss des Fachbereichsrates erforderlich ist (z.B. Zuord-nung zu Fächern und Studiengängen).67 Bei der Änderung von Tag und Uhr-zeit der Veranstaltung erfolgt dementsprechend die Anzeige der Veranstal-tung im Raster des Stundenplanes am neuen Ort. Neben den Zuordnungen zuFächern und Studiengängen ist für den Dozenten auf der Karteikarte Infor-mationen ersichtlich, in wieviele Stundenpläne die Veranstaltung eingetra-gen wurde. Studierende haben ihrerseits Einsicht in sämtliche Angaben, dieder Lehrende vornimmt.

Seminarplan Im Bereich Seminarplan kann der Lehrende eine detaillierte Darstellungsämtlicher Sitzungen des Semesters vornehmen. Die einzelne Sitzung wirddurch die Angabe eines Datums, eines Themas und mit Hilfe weiterer Be-merkungen beschrieben. Studierende können sich somit eine genauere Vor-stellung von den Inhalten der einzelnen Termine machen und sich besser aufdiese einstellen und vorbereiten. Während es sonst vielfach üblich war, inder ersten Sitzung eines Seminars oder einer Vorlesung Kopien des Seme-sterplanes zu verteilen, bleibt der myStudy-Seminarplan variabel und kannim Verlauf des Semesters immer wieder angepasst, aktualisiert und ausge-druckt werden.

Material Die Karteikarte Material bietet Lehrenden die Möglichkeit, verschiedeneLehrmaterialien (Handouts, Literaturlisten, Texte etc.) in Form von Dateienbereit zu stellen. Die Materialien stehen Studierenden so zum Download unddamit zur weiteren Verwendung zur Verfügung. Zwar kann diese Form derDistribution von Lehrmaterialien den Einsatz und die Verteilung von Druck-sachen innerhalb einer Veranstaltung nicht ersetzen, aber auf vielfältigeWeise entzerren und somit Lehrende und Studierende entlasten. Studierendekönnen beispielsweise fehlende Materialien (etwa aufgrund einer versäum-ten Sitzung) problemlos nachträglich beschaffen. Insbesondere sei daraufhingewiesen, dass nicht nur Texte sondern sämtliche Arten von Dateien be-reitgestellt werden können. Daher ist eine Nutzung dieser Funktion für ver-schiedenste digitale Inhalte möglich.

Mitteilungen Der Menüpunkt Mitteilungen ist für aktuelle Hinweise des Lehrenden an dieStudierenden vorgesehen. Dozenten können hier eine Textmitteilung an allemyStudy-Nutzer hinterlassen, die die betreffende Lehrveranstaltung in ihremStundenplan eingetragen haben. Wenn eine aktuelle Mitteilung vorliegt, er-scheint im Stundenplan ein Hinweis in Form eines Ausrufungszeichens .Darüber hinaus können Studierende, die ihre E-Mail-Adresse in myStudy

67 Hieran zeigt sich, dass der Betrieb einer Plattform wie myStudy im Rahmen institutionalisierter Präsenzlehre genau an die Erfordernisse der gegebenen Strukturen angepasst werden muss.

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gespeichert haben, eine E-Mail-Liste zur Veranstaltung abonnieren. Sie be-kommen aktuelle Mitteilungen dann auch per E-Mail zugesandt, sofern diesvom Dozenten gewünscht ist.

BlackboardDas Blackboard ermöglicht die offene Kommunikation unter Nutzern vonmyStudy in Bezug auf die Organisation spezifischer Veranstaltungen. Unab-hängig vom Status des Nutzers können hier Textmitteilungen geschriebenund gespeichert werden, die für alle anderen Anwender von myStudy einseh-bar sind. Das Ziel ist, ein Kommunikationsforum zu schaffen, in dem unbe-stimmte Aspekte offen diskutiert werden können. Die Erfahrung hat gezeigt,dass sich hier tatsächlich sehr verschiedene Formen der Interaktion entfaltenund dass nicht nur organisatorische, sondern auch inhaltliche Fragen imBlackboard erörtert werden. So werden hier Internet-Links weiterempfoh-len, Literaturhinweise gegeben, Dozenten kritisiert usw.

AnmeldungLehrende können Studierenden auf der Karteikarte Anmeldung die Möglich-keit geben, sich verbindlich zur Teilnahme an der Lehrveranstaltung anzu-melden. Hierbei können verschiedene Variablen vorgegeben werden, nachdenen die Anmeldeprozedur durchgeführt wird (z.B. die maximale Anzahlder Teilnehmer oder der Zeitpunkt der Anmeldungseröffnung). Wird die ma-ximale Anzahl der Einträge erreicht, so schaltet die Anmeldung automatischab. Insbesondere bei einer großen Nachfrage nach wenigen Seminarplätzenkann so die Anmeldung fair und unkompliziert vollzogen werden. Gerade imVergleich zu dem gängigen Verfahren des Listenaushangs bieten sich hiermitgroße Vorteile. Trotzdem ist kritisch anzumerken, dass ein Internetzugangsowie die Fertigkeiten der Internetnutzung somit zur Voraussetzung für dieAnmeldung zu Lehrveranstaltungen werden. Gerade im Zuge der Forderungnach Medienkompetenz in der Hochschulausbildung wird dieses Argumentjedoch relativiert.

Den Lehrenden steht nach abgeschlossener Anmeldung eine Exportfunktionzur Verfügung, mit der eine Text-Datei in sogenannter Tab/Return-Strukturerzeugt wird. Dieses Dateiformat eignet sich bestens zur weiteren Bearbei-tung in verschiedensten Anwendungsprogrammen wie Microsoft Word oderMicrosoft Excel.

RechteverwaltungDie verschiedenen Interfaces für Studierende und Lehrende machen einzweistufiges Rechteverwaltungssystem notwendig. Der Zugang für Studie-rende ist grundsätzlich offen und steht unmittelbar nach der Anmeldung miteinem selbst zu wählenden Benutzernamen und Passwort zur Verfügung.Der privilegierte myStudy-Zugang für Dozenten, der, wie beschriebenwurde, umfangreiche Möglichkeiten der Bearbeitung von veranstaltungsbe-zogenen Daten bietet, muss allerdings reglementiert werden, um einenMissbrauch zu vermeiden. Eine solche Zugangsbeschränkung stellt auf dereinen Seite eine Hürde für nichtautorisierte Benutzer dar - das ist ihr Zweck.

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Auf der anderen Seite bedeutet sie allerdings auch eine Hemmschwelle fürdie intendierte Nutzung durch die Lehrenden, deren Engagement doch einewesentliche Grundlage für den Erfolg von myStudy bildet. Ein System wiemyStudy macht schließlich nur dann Sinn, wenn es insbesondere von Dozen-ten und Dozentinnen zur Organisation der Lehre genutzt wird. Daher ist derbarrierefreien Gestaltung der Anmeldeprozeduren und der Rechtedifferen-zierung eine besondere Bedeutung zuzumessen. Es tritt damit die bereits ge-schilderte Forderung nach der ‘Unsichtbarkeit’ des Interfaces stark in denVordergrund.

Die Differenz Lehrender/Studierender findet aus diesem Grund nur ein ein-ziges Mal offensichtliche Beachtung, nämlich bei der ersten Anmeldung beimyStudy (Abbildung 12). Die weitere Anmeldeprozedur sowie der Funkti-onsumfang, den myStudy dem Nutzer im Anschluss bietet, gestaltet sich aus-schließlich gemäß dieser Differenzierung, die jedoch nicht mehr ausdrück-lich zutage tritt. Sie stellt nach einem theoretischen Verständnis die erste, in-itiale Unterscheidung dar, mit deren Hilfe sich weitere Räume fürAnschlussoperationen erschließen (vgl. Abschnitt 2.2).

Abbildung 12: Differenzierung der Rechteverwaltung in der Anmeldung zur Nutzung von myStudy (Screenshot)

Im Zuge der Neuanmeldung wählt ein Lehrender seine Person aus dem Mit-arbeiterverzeichnis der Universität aus, und beantragt damit die privilegierteNutzung für diejenigen Veranstaltungen, die er im aktuellen Vorlesungsver-zeichnis anbietet. Diese ’Dozentenzugänge’ werden nach Prüfung der Datenund gegebenenfalls nach Rücksprache freigeschaltet, wodurch die Nutzungdurch den Lehrenden in vollem Umfang ermöglicht wird.

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Visuelle Gestaltung

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AdministrationFür die Administration dieses Rechtesystems im Speziellen, aber auch fürweitere Aufgaben der Datenbankverwaltung wurde ein eigenes internetba-siertes Werkzeug entwickelt, welches dem Projektteam die unkomplizierteund zeitsparende Pflege der Datenbestände erlaubt.

Abbildung 13: Verwaltungswerkzeug zur Administration der myStudy-Datenbestände (Screenshot)

Die wichtigsten Funktionen von myStudy und ihre Differenzierungen nachdem Status des Nutzers sind hiermit ausreichend beschrieben worden, sodass nun ein recht detailliertes Bild von myStudy und seiner Einsetzbarkeit inder Präsenzlehre vermittelt worden ist. Wie erläutert wurde, spielt der Stun-denplan als zentrales Strukturmerkmal eine bedeutende Rolle für die Interak-tion zwischen Anwendern und Artefakt und für die Zielrichtung dieserWechselwirkung auf die Unterstützung von Präsenzlehre.

5.4 Visuelle Gestaltung

Darüberhinaus kommt der weiteren visuellen Ausgestaltung des Interfaces -dem kohärenten Einsatz von Formen, Farben und weiteren Gestaltungsmerk-malen - eine wichtige Bedeutung für die ‘Zuhandenheit’ von myStudy zu.Wie der Abschnitt 4.3 gezeigt hat, kann die Gestaltung eines Interfaces alssemiotischer Prozess verstanden werden, welcher auf der Interpretation vonZeichen beruht und der wiederum Interpretationen evoziert. Zwar wäre esganz und gar unergiebig, diese Prozesse in jedem Einzelfall zu beschreiben,um schließlich semantische Zuschreibungen für die Zeichenverwendungvorzunehmen. Zu belegen ist allerdings die Konsistenz der Anwendung vonGestaltungsmerkmalen (vgl. Abschnitt 4.3). In der Praxis des Interfacede-signs werden zu diesem Zweck sogenannte style books angelegt,

„in denen die allgemeinen Prinzipien, die Definitionen der Bau-steine, das visuelle Design der Elemente, die auditiven Signale, die Handlungsregeln und die Anordnung/Verteilung der Bau-steine festgelegt sind.“ (Bonsiepe 1996, 53)

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Zur Umsetzung von myStudy

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Auch wenn ein detailliertes und vollständiges style book zu myStudy hiernicht abgebildet werden kann, sollen doch einige wesentliche Elemente bei-spielhaft dargestellt werden.

Typographie Es wird grundsätzlich die serifenlose Schrift Verdana verwendet. Sie ist imHinblick auf die gute Lesbarkeit am Bildschirm optimiert. Hyperlinks wer-den bei der Berührung mit dem Mauszeiger mit einer Unterstreichung verse-hen (roll-over). Nur in der Druckversion wird die Schrift Times New Romanverwendet, die aufgrund ihrer Serifen für gedruckte Texte Vorteile bietet.

Farbverwendung Die farbliche Gestaltung von myStudy beschränkt sich auf die Verwendungvon sechs Farben, die unter Berücksichtigung der Farbharmonie, des Kon-trastes und der Originalität ausgewählt wurden. Tabelle 3 gibt das Farbkon-zept von myStudy wieder, welches konsequent auf sämtlichen Seiten - mitAusnahme der Druckansicht - durchgehalten wird.

Tabelle 4: Farbverwendung der myStudy-Plattform

Der Wiedererkennungswert von myStudy ist sehr stark durch die FarbeOrange geprägt. Auf semantischer Ebene wird dies durch die Einbindungder Orangenfrucht in das Logo unterstützt.68

Layout Ein konsistentes Seitenlayout ist für die Orientierung des Blicks überauswichtig. Die räumliche Platzierung von graphischen Elementen sollte dahersoweit wie möglich einheitlich bleiben. Auf sämtlichen Seiten69 ist daher in

Farbe Verwendung

Seitenhintergrund sämtlicher Dokumente

Highlighting der Globalnavigation

Tabellenrahmen und Trennlinien, Schrift, Formularfelder

Hintergrund von Tabellenzellen

Hintergrund von abgesetzten Tabellenzellen

Zellenhintergrund von Kopf- und Fußzeilen, Schrift

68 Die Bedeutung des Zeichens Orange (als Farbe) wird also durch die Zeichen-wahl im Logo genauer definiert. Zeichen können in diesem Sinne, wie Peirce es in seinem Zeichenmodell ausgeführt hat, als Interpretanten fungieren, die den Objektbezug eines Repräsentamens spezifizieren.

69 Ausgenommen sind die Karteikarten des Informations- und Kommunikations-panels, die einem eigenen (aber ebenso konsistenten) Layout folgen.

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Visuelle Gestaltung

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der oberen linken Ecke das Logo von myStudy angebracht, während sich amoberen rechten Bildrand die Globalnavigation befindet. Auf der Seitenmittezentriert werden die Inhalte auf einer ’Karte’ dargestellt, die einen Schattenauf den orangen Seitenhintergrund wirft. Am unteren Rand der Seite befin-det sich eine Fußzeile, die unter anderem die aktuelle Versionsnummer vonmyStudy angibt. Der Aufbau der Seite ist damit auf allen Seiten prinzipielleinheitlich. Abbildung 14 zeigt das Schema des Seitenlayouts.

Abbildung 14: Schematische Darstellung des Seitenlayouts (eigene Darstellung)

Interaktions-elemente

Die Nutzung einer internetbasierten Anwendung basiert in besonderemMaße auf der Interaktion zwischen Anwender und Artefakt. Daher solltengerade jene Elemente, die ein ’Manipulationspotential’ aufweisen, durcheine kohärente visuelle Gestaltung kenntlich gemacht werden. Elemente derInteraktion (Formularbuttons, graphische Links) werden daher einheitlichdurch den Umriss mit einer blauen Haarlinie und durch einen grauen Hinter-grund kenntlich gemacht70. Tabelle 4 fasst die verwendeten Elemente zu-sammen.

70 Die Gestaltung der Globalnavigation nimmt hier eine besondere Stellung ein und folgt daher eigenen Richtlinien.

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Zur Umsetzung von myStudy

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Tabelle 5: Visuelle Elemente der Interaktion und ihre Funktion

visuelle Kohärenz Mit Hilfe dieser und weiterer Gestaltungsmerkmale und ihrer konsistentenVerwendung wird eine visuelle Kohärenz erzielt, die für eine schnelle Er-lernbarkeit des Interfaces sorgt und sicherstellt, dass die Reaktionen des In-terfaces den Erwartungen des Nutzers entsprechen. Irritationen werden hier-mit nach Möglichkeit vermieden, so dass eine effektive Interaktion zwischenAnwender und Artefakt ermöglicht wird. Die Gestaltung der Benutzerober-fläche von myStudy bemüht sich somit auf inhaltlicher wie auf visuellerEbene um eine klare und nachvollziehbare Struktur.

Natürlich spielen auch ästhetische Aspekte der Gestaltung eine wichtigeRolle. Die Wahl der Farben und Formen sowie ihre Komposition sollen vomNutzer möglichst als angenehm empfunden werden. Eine formalästhetischeBetrachtung müsste jedoch weiter ausholen und Aspekte der visuellen Topo-logie, der Wahrnehmungstheorie und Gestaltpsychologie berücksichtigen(vgl. Bonsiepe 1996, 197).

5.5 Verwendete Technologien

Die visuelle Gestaltung der Benutzerschnittstellen sowie die Strukturierungdes Informationsangebots baut selbstverständlich auf der Voraussetzung ei-ner inneren technischen Struktur auf. Die Betrachtung der Benutzerschnitt-stellen und ihrer formalen Gestaltung nähert sich dem Artefakt aus Sicht desAnwenders von außen. Natürlich hat aber die technische Form auf der ‘ande-ren Seite’ des Interfaces ebenso einen erheblichen Einfluss auf die Anwend-barkeit des Artefakts. Die Erkenntnis, dass es sich hierbei um zwei Perspek-tiven auf dasselbe Objekt handelt, verbietet die isolierte Betrachtung nur ei-ner Seite.

Element Funktion

Formularbutton

Eintrag in den Stundenplan

Anzeige der aktuellen Mitteilung

Bearbeiten

Löschen

einem externen Link folgen

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Verwendete Technologien

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Die Technologien, die für die Entwicklung und den Betrieb von myStudy re-levant sind, sollen daher auf den folgenden Seiten genauer beschrieben wer-den. Wie bereits ausgeführt wurde, handelt es sich hierbei im wesentlichenum Open Source-Technologien, die bestimmte Merkmale aufweisen, die imdritten Kapitel aus einer unterscheidungstheoretischen Sicht charakterisiertworden sind. Diese Eigenschaften sind für die Verwendung im myStudy-Pro-jekt von großer Bedeutung.

Das dargestellte Interface sowie die implementierten Funktionen lassen sichauf der Basis von dynamischen Internet- und Datenbanktechnologien reali-sieren. Zur Gestaltung der Webseiten kommen die AuszeichnungssprachenHTML (Hypertext Markup Language) und CSS (Cascading Stylesheets) zumEinsatz, zur Programmierung der Funktionalitäten des Interfaces werden dieSkriptsprachen JavaScript und PHP (PHP: Hypertext Preprocessor) verwen-det. Als Datenbanksystem wurde MySQL gewählt, das mit der Datenbank-sprache SQL (Structured Query Language) abgefragt wird. Der Betrieb vonmyStudy wird durch einen Apache HTTP-Server mit PHP Interpreter ge-währleistet, der auf der Basis eines Windows Betriebssystems läuft. DieseTechnologien und deren Zusammenwirken sollen hier zunächst eingehendererläutert werden, ohne dabei zu sehr in die Tiefe zu gehen.71

HTMLWie der Name Hypertext Markup Language besagt, gehört HTML zur Fami-lie der Textauszeichnungssprachen. Diese sind dafür konzipiert, Informatio-nen zu enthalten, die Aussagen treffen über die Darstellung der Texte, überderen Relevanz oder deren logische Struktur. Während Auszeichnungsspra-chen ursprünglich für die Verwendung im Printbereich geschaffen wurden,wurde 1985 erstmals ein Standard namens SGML (Standard GeneralizedMarkup Language) für die Auszeichnung von digitalen Dokumenten festge-legt (ISO 8879).

Auf SGML basierend, stellt HTML eine Auszeichnungssprache dar, welchefür die Erstellung wissenschaftlicher Publikationen im WWW optimiertwurde. Dabei beziehen sich die Auszeichnungen, die mit Hilfe von HTMLvorgenommen werden können, auf die strukturellen Elemente, die in wissen-schaftlichen Texten gängig sind: Überschriften, Textabsätze, Bilder, Aufzäh-lungen etc. Hinzu tritt die neuartige Möglichkeit der Verknüpfung von Ele-menten durch den Hyperlink.

HTML ist also nicht für die visuelle Gestaltung von Internetseiten konzipiertworden. Vielmehr sollte die graphische Darstellung von Webseiten auf derBasis der strukturellen Auszeichnung durch den Webbrowser und dessen be-nutzerdefinierten Konfiguration geregelt werden. Trotzdem wurde HTML

71 Die detaillierten Anwendungen der verschiedenen Techniken können in ein-schlägigen Handbüchern und Dokumentationen vertieft werden.

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Zur Umsetzung von myStudy

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im Zuge der weiten Verbreitung und Kommerzialisierung, die das WWW imLaufe der 90er Jahre erlebte, immer stärker für das Graphikdesign von Web-seiten ‘missbraucht’.

CascadingStylesheets

Um HTML von dieser Zweckentfremdung zu entlasten, wurde 1996 mit derVeröffentlichung des ersten Sprachstandards für Cascading Stylesheets derGrundstein für eine Auszeichnung des Layouts gelegt. Mit Hilfe von Styles-heets lässt sich das Problem der visuellen Gestaltung aus dem HTML-Codeauslagern und in einer externen und zentralen Stylesheet-Datei lösen. In die-ser werden den einzelnen HTML-Tags (z.B. für Überschriften oder Absätze)durch die Definition von sogenannten Styles graphische Eigenschaften zuge-ordnet.

Leider ist die Verwendung von Cascading Stylesheets aufgrund von mangel-haften Implementationen in die gängigen Webbrowser bisher nicht unproble-matisch, das heißt, verschiedene Browser stellen einzelne Style-Definitionennicht wie gewünscht dar. Um trotzdem zu einer browserübergreifenden Kon-sistenz der Interfacegestaltung zu kommen, müssen in der Praxis die ver-schiedenen Möglichkeiten der visuellen Gestaltung von Webseiten ausge-nutzt werden. Dies schließt leider oftmals die zweckentfremdete Verwen-dung von HTML mit ein. Daher sind auch in den Quelltexten von myStudyvielfach HTML-Parameter zur visuellen Gestaltung genutzt worden.

Die Sprachen HTML und CSS werden unter dem Dach des World Wide WebConsortiums entwickelt und stellen öffentliche Standards dar, für deren Nut-zung keine Lizenzgebühren gezahlt werden müssen. Insofern sind sie derOpen Source-Idee verwandt.

JavaScript JavaScript ist eine von Netscape lizensierte, objektorientierte undplattformunabhängige Skriptsprache, die direkt in den HTML-Code einerWebseite eingebunden werden kann. Mit Hilfe von JavaScript lassen sichauf Webseiten Programmfunktionalitäten realisieren, die userseitig in einemJavaScript-kompatiblen Internetbrowser ausgeführt werden können. DerQuellcode eines auf einer Webseite implementierten JavaScripts wird alsoüber das Internet geladen und dann - ohne kompiliert werden zu müssen -vom Browser interpretiert. Dabei sind eine Reihe von Browser- und System-eigenschaften bereits als fest definierte Objekte verfügbar. Dies macht dieUmsetzung einfacher Funktionen besonders bequem.

Die JavaScript-Interpretersoftware eines Webbrowsers kann vom Nutzer inden Browsereinstellungen deaktiviert werden. Die Ausführung vonJavaScripts wird damit verhindert. Für diesen Nutzer besteht bei einem ex-tensiven Einsatz von JavaScript daher keine Anschlussfähigkeit zwischenTechnik und Nutzung. Insofern stellt jeder Einsatz von JavaScript einen Un-sicherheitsfaktor für die Zuhandenheit des Artefakts dar und muss daher imEinzelfall abgewogen werden. Allerdings ist der Anteil der Nutzer mit

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Verwendete Technologien

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deaktiviertem JavaScript mit 0,1% 72 äußerst gering und sollte nicht überbe-wertet werden. Im Rahmen von myStudy fand JavaScript für die Prüfung vonFormularinhalten Verwendung, insbesondere dort, wo fehlende oder ungül-tige Einträge Fehlfunktionen verursachen würden (z.B. ungültige E-Mail-Adressen). Des Weiteren öffnet sich das Informations- und Kommunikati-onspanel mit Hilfe eines JavaScript-Befehls.

PHPDie weiteren Funktionalitäten, die myStudy seinen Usern anbietet, wurdenmit PHP realisiert. PHP ist eine weit verbreitete Open Source-Skriptsprache,die speziell für die Webprogrammierung entwickelt wurde.73 Auch PHP-Skripte können direkt in den Quellcode einer HTML-Datei eingebettet wer-den, sie werden allerdings - anders als JavaScript - serverseitig interpretiert,bevor der http-Server antwortet.

Aus den PHP-Skripten wird auf diese Weise ein reiner HTML-Quellcode er-zeugt, der dann über das Internet übertragen und vom Webbrowser des An-wenders angezeigt wird. Die Skripte bleiben somit für den Anwender un-sichtbar und gewährleisten auf diese Art eine hohe Sicherheit, da ihre Funk-tionsweisen aus Nutzersicht nicht nachvollzogen werden können. Auf dieseWeise ist die Funktionalität der Internetanwendung des Weiteren unabhängigvon der individuellen Konfiguration der benutzereigenen Hard- und Soft-wareumgebung.

Mit PHP können dynamische Webseiten erzeugt werden, deren Inhalte inAbhängigkeit von den Aktionen des Anwenders generiert werden und soeine Interaktion zwischen Anwender und Artefakt ermöglichen, wie sie inAbschnitt 4.1 geschildert worden ist. Voraussetzung für die serverseitige In-terpretation von PHP ist die Installation eines PHP-Moduls auf dem Server-rechner und dessen Einbindung in die Konfiguration des WWW-Servers.Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ergibt sich eine Architektur, die in Ab-bildung 15 dargestellt wird.

72 Der Anbieter von Internet-Zugriffsstatistiken Webhits.de wertet monatlich etwa 30 Millionen Zugriffe auf etwa 9800 Webseiten aus und speichert dabei die Hardware- und Software-Konfigurationen der Anwender, unter anderem die JavaScript-Kompatibilität des Webbrowsers. Der obige Wert wurde von Web-hits.de am 16.05.2003 aktualisiert (vgl. http://www.webhits.de/deutsch/web-stats.html; abgerufen am 17.05.2003).

73 (vgl. http://www.php.net; abgerufen am 20.05.2003)

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Zur Umsetzung von myStudy

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Abbildung 15: Client-Server-Architektur und Darstellung einer HTTP-Anfage mit PHP-Interpretation (eigene Darstellung)

Des Weiteren erlaubt PHP die Anbindung von Datenbanken, deren Inhaltezur dynamischen Erzeugung von Webseiten herangezogen werden können.Auf diese Weise wird der webbasierte Zugriff auf große Datenmengen mög-lich, deren statische Aufbereitung auf der Basis von HTML nicht zu bewälti-gen wäre. Im Zusammenwirken mit einer Skriptsprache wie PHP können da-gegen komplexe und interaktive Funktionalitäten unter Verwendung einesumfangreichen, aber bequem administrierbaren Datenbestandes mit gerin-gem Aufwand realisiert werden.

MySQL PHP liefert die umfangreiche Unterstützung für eine Reihe von verschiede-nen Datenbanken. Ein Datenbankmanagementsystem (DBMS), welches sehrhäufig in Verbindung mit PHP eingesetzt wird, ist MySQL74. Die Gründehierfür sind vor allem die umfangreiche Implementierung von MySQL-Funktionen im PHP-Funktionsumfang sowie die gemeinsame Open Source-Tradition beider Technologien.

MySQL basiert auf einem relationalen Datenbankmodell.75 Während hierar-chische Datenbanken als Bäume mit Ästen und Verzweigungen darstellbarsind, ist das relationale Datenbankmodell am besten mit den Prinzipien derMengenlehre zu verstehen. Die Beziehungen zwischen den Daten werdendabei mit Hilfe von Relationen abgebildet76, die mit den Operationen derMengenlehre (Vereinigung, Schnittmenge, Selektion etc.) abzufragen und zu

74 (Vgl. http://www.mysql.de; abgerufen am 20.05.2003.)75 Das relationale Datenbankmodell geht im wesentlichen auf die Arbeiten von

Edward F. Codd zurück, der in einem umfangreichen Regelwerk die Anforde-rungen an relationale Datenbanksysteme formuliert hat (vgl. Codd 1970).

76 Die möglichen Relationen sind dabei 1:1- oder 1:n-Beziehungen. Mit Hilfe von Hilfskonstruktionen (n:1 / 1:1 / 1:m) sind auch n:m-Beziehungen abbildbar.

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Verwendete Technologien

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bearbeiten sind. Ein relationales Datenbankmodell nutzt somit die logischeund nicht die hierarchische Struktur von Datenbeständen für ihre Organisa-tion. Die Daten werden dabei in Form von Tabellen dargestellt.

SQLDie Abfrage von MySQL-Datenbanken erfolgt mit der DatenbankspracheSQL (Structured Query Language), die bereits in den 70er Jahren bei IBMspeziell für relationale Datenbanken entwickelt wurde. Seit 1987 ist SQLnach einer ISO-Norm standardisiert und wird von allen relationalen Daten-banken - auch von MySQL - unterstützt.

ApacheSämtliche Daten, auf deren Grundlage myStudy betrieben wird, sind also ineiner relationalen Datenbank organisiert: Lehrveranstaltungen, Stunden-pläne, Nutzer etc. Diese Datenbank wird mit der Datenbanksprache SQL ab-gefragt und liefert Ergebnisse, die mit Hilfe von PHP in einen HTML-Codeüberführt werden. Jener HTML-Code muss schließlich über das Internet anden Nutzer versendet werden, der diese Kettenreaktion durch einen einzigenKlick auf einen Hyperlink oder eine Schaltfläche in seinem Browser ausge-löst hat. Ebendies wird durch einen HTTP-Server geleistet, der die Anfra-gen, die auf der Basis des Hypertext Transfer Protocols (HTTP) erfolgen, re-gistriert und bearbeitet. Im Falle von myStudy handelt es sich hierbei mitdem Apache HTTP-Server wiederum um eine Open Source-Lösung.

Der Apache Webserver kann mit einem Marktanteil von 63%77 zweifellosals eines der erfolgreichsten Open Source-Produkte gelten. Er dominiert be-reits seit 1996 den Bereich der HTTP-Server und wird seit 1999 von derApache Software Foundation78 distribuiert, die auch an der Entwicklung derSkriptsprache PHP und weiteren Open Source-Projekten beteiligt ist. Vordiesem Hintergrund erklärt sich die enge Verbindung zwischen Apache undPHP, die sich technisch gesehen durch die hervorragende Kompatibilität bei-der Technologien äußert.

Die Erzeugung von datenbankbasierten Internetseiten auf der Grundlage vonHTML, CSS, JavaScript, PHP und MySQL ist deshalb so einfach, weil dieseTechnologien so miteinander harmonieren, dass eine Programmierung sämt-licher Quellcodes der verschiedenen Sprachen in einem einzigen Dateifor-mat erfolgen kann. Durch den Einsatz von Interpretersoftware (PHP undMySQL) müssen die Quelltexte vor dem Einsatz nicht kompiliert werden,das heißt, die Übersetzung in den binären Code, der maschinell prozessiertwerden kann, wird durch den entsprechenden Interpreter übernommen, so-bald ein Skript ausgeführt werden soll.

77 (Vgl. http://news.netcraft.com/archives/web_server_survey.html; abgerufen am 20.05.2003.)

78 (Vgl. http://www.apache.org; abgerufen am 20.05.2003.)

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Kompatibilität derTechnologien

Die Herstellung der Quelltexte sämtlicher Sprachen kann aufgrund der her-vorragenden Kompatibilität der Technologien über ein gemeinsames Inter-face erfolgen, das der Wahl des Programmierers obliegt. So sind die Quell-codes, die myStudy zugrunde liegen, mit einem einfachen Texteditor zu er-stellen und zu bearbeiten, ohne dass hierzu weitere Entwicklungswerkzeugenotwendig wären.79

Um das Ineinandergreifen der verschiedenen Technologien zu demonstrie-ren, zeigt das folgende Beispiel einen Quellcode, in dem die verschiedenenSprachen farblich gekennzeichnet sind: HTML (schwarz), JavaScript (grün),CSS (blau), PHP (rot) und SQL (orange). Kommentare wurden grau gefärbt.

<html><head>

<title>myStudy</title><script language="JavaScript"><!--

Neufenster = window.open("popup.html","Popup","width=350,height=260");

// Öffnet beim Laden der Datei ein Popup-Fenster//--></script><style type="text/css"><!--

p { font-family: sans-serif;font-size: 12pt;text-align: left;color: #FF0000; }

/* Style-Definition für das Absatz-Tag "<p>" */--></style>

</head>

<body><?PHP

$db = mysql_connect('localhost', 'root', 'pass');# Verbindet mit dem Datenbankservermysql_select_db("mystudy4",$db);# Wählt die Datenbank aus$result = mysql_query("SELECT * FROM user, studierendeWHERE user.id = studierende.userid AND studierende.nname = 'Leder'",$db);# Setzt eine SQL-Datenbankabfrage abwhile ($row = mysql_fetch_array($result, MYSQL_BOTH)) {echo "<p>".$row['id']." ".$row['nname']".</p>";}# Gibt absatzweise das Abfrageergebnis aus

?></body>

</html>

79 Nichtsdestotrotz ist eine große Vielfalt von verschiedenen Entwicklungstools verfügbar. Für die Entwicklung von myStudy wurden vor allem die Freeware-Editoren Proton und Phase 5 verwendet (vgl. http://www.meybohm.de; abge-rufen am 20.5.2003).

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Verwendete Technologien

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Open SourceDie besondere Kompatibilität und die daraus resultierenden Vorteile für dieEntwicklung von myStudy gehen wesentlich auf die Eigenschaften zurück,die für Open Source-Technologien bereits ausführlich dargelegt wurden. Da-bei wurde festgestellt, dass die Nutzung einer Technik als re-entry der Unter-scheidung gedeutet werden kann, die durch die Technik selbst installiertwird. Das Open Source-Konzept beruht durch die Sicherstellung der freienund unentgeltlichen Verfügbarkeit einer Software auf dem konsequentenAbbau von Barrieren, welche diese Anschlussmöglichkeit durch Nutzungbehindern könnten. Durch die Offenlegung des Quellcodes wird darüberhin-aus der Anschluss durch das Kreuzen der technischen Unterscheidung reali-sierbar, der dagegen bei Closed Source-Software auf technischen Wegen so-wie durch den Erlass von entsprechenden Lizenzbedingungen unterbundenwird (vgl. Abschnitt 3.3).

Die Anschlussfähigkeit für die Operation des Kreuzens gewinnt für dieFrage nach Kompatibilität eine besondere Relevanz. Denn in dem Maße, indem in der Open Source-Entwicklergemeinde der Bedarf an Kompatibilitätzu anderen Technologien entsteht, ist man in der Lage, diese herzustellen,ohne dass dies durch proprietäre Lizenzbedingungen und den fehlenden Zu-griff auf den Quellcode behindert wird. Es gibt darüber hinaus keine pro-duktpolitischen und kommerziellen Interessen, deren Verfolgung die Kom-patibilität zwischen bestimmten Technologien fördern oder behindernwürde.80

Die Entwicklung von myStudy stellt, wie in diesem Abschnitt beschriebenwurde, eine Anwendung von Open Source-Technologien dar und ist infolge-dessen als re-entry der technischen Unterscheidung zu bewerten. Dank derOpen Source-gerechten Lizenzierung von PHP, MySQL und Apache sowiedurch die offene Standardisierung von HTML, CSS und SQL ist es möglich,ein Projekt wie myStudy zu realisieren, ohne zunächst in kostspielige Server-technologien investieren zu müssen. Darüberhinaus ist die Möglichkeit ge-geben, sich schnell und unkompliziert mit Aktualisierungen und Erweiterun-gen der verwendeten Programme zu versorgen. Die relative Unabhängigkeitdes Projekts von den universitären Verwaltungsstrukturen (respektive Fi-nanzstrukturen) ist insbesondere durch die freie Verfügbarkeit von OpenSource-Lösungen überhaupt nur möglich.

Noch ein weiterer Aspekt von Open Source-Technologien ist für die Ent-wicklungsarbeit von großem Wert. In der Regel kann bei der Verwendung

80 Produktpolitische Erwägungen und deren Folgen für die Kompatibilität zwi-schen Softwareprodukten zeigen sich z.B. deutlich in der Microsoft Office-Pro-duktfamilie. Die wechselseitige Kompatibilität innerhalb der Produktfamilie wird hier besonders gestärkt, wobei gegenüber fremden Produkten eine starke Abgrenzung erfolgt. Am Beispiel der Open Source-Lösung Open Office wird dagegen demonstriert, wie sehr Open Source-Produkte auf die Anschlussfähig-keit nach außen ausgelegt sind.

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Zur Umsetzung von myStudy

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von Open Source-Lösungen auf eine umfangreiche Dokumentation zurück-gegriffen werden. Die Suche nach Hilfestellungen und Problemlösungen beider Entwicklung von PHP- und MySQL-basierten Webseiten führt in unzäh-ligen Internet-Diskussionsforen oder auf entsprechenden Webseiten meistsehr schnell zum Erfolg. Die Ideologie, die seit Richard Stallman mit derEntwicklung von Freier Software verbunden ist, setzt sich also in der An-wendung dieser Software fort und veranlasst PHP-Entwickler auf der ganzenWelt dazu, ihr Wissen mit anderen zu teilen.

5.6 Struktur der Datenbanken

Donald Norman geht davon aus, dass das Interface die Übersetzung einer in-ternen, technischen Struktur in eine sinnlich erfahrbare Form leistet, die wie-derum als Vorlage für die mentale Modellbildung eines Nutzers dienen kann(vgl. Abschnitt 4.1). Diese interne Struktur wird zum einen durch die ver-wendeten Techologien (vgl. Abschnitt 5.5) und zum anderen durch die Orga-nisation der zugrundeliegenden Daten beschrieben. Beide Faktoren hängeneng miteinander zusammen, denn natürlich bestimmt die Verwendung einesrelationalen Datenbanksystems wie MySQL wesentlich die Ordnung, in derdiese Daten gespeichert werden.

Abstraktion Jedoch entstehen innerhalb des Rahmens, der durch das Datenbankmodellvorgegeben wird, Strukturen, welche die grundlegendste Abstraktionsebenedessen darstellen, was durch myStudy abgebildet wird. In der Datenbank-struktur ist bereits vollständig angelegt, welche Operationen auf ihrer Basismöglich sind. Und doch wäre eine Nutzung dieser reinen technischen Formohne die Bereitstellung des beschriebenen Interfaces aufgrund des hohenAbstraktionsgrades unmöglich.

Der Aufbau der Datenbank liefert neben der Auswahl der Technologien diewesentliche Grundlage der technischen Form von myStudy. Durch sie wirddie Grenze einer Unterscheidung installiert, die bestimmte Funktionen undInteraktionen auf ihrer Innenseite einschließt und alle anderen auf ihrer Au-ßenseite ausschließt. Das Kreuzen der Grenze, z.B. die Implementation einerneuen Funktion, ist daher in der Regel mit einer Veränderung der zugrunde-liegenden Datenbankstruktur verbunden. Der Anschluss durch die Nutzungder Technik (re-entry) ist ebenfalls stark von dieser ersten Unterscheidungbestimmt, denn durch sie werden die Grenzen des Möglichkeitsraumes fest-gelegt, in denen sich die Nutzung abspielen kann.

Datenbankstruktur Abbildung 16 zeigt die Datenbankstruktur von myStudy in einer Ansicht, wiesie für relationale Datenbanken gängig ist. Wie die Abbildung zeigt, bestehtdie myStudy-Datenbank aus zwöf Tabellen, deren Relationen durch Pfeilegekennzeichnet sind.

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Struktur der Datenbanken

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Abbildung 16: Datenbankstruktur von myStudy (eigene Darstellung)

Die Tabellen vvz, vvzfaecher, faecher und studiengang dienen im wesentli-chen der Darstellung des Vorlesungsverzeichnisses der Universität Lüne-burg. Die Tabellen user, studierende und lehrende bilden die Benutzerver-waltung. Die Tabelle stundenplan vollzieht die Verbindung zwischen diesenbeiden Bereichen, denn in ihr wird gespeichert, welcher Benutzer welcheVeranstaltungen für welches Fach belegt. Eine weitere Verbindung ergibtsich aus der Relationstabelle vvzlehrende, die angibt, welcher Dozent welcheVeranstaltungen anbietet. Die Tabellen material, seminarplaene und chatdienen der Speicherung funktionsspezifischer Daten.

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Reduktion Reduziert man die Struktur der Datenbank auf ihre wichtigsten Einheiten(vgl. Abbildung 17), so stellt sich der Stundenplan als Schnittstelle zwischendem Anwender, der Datenbasis des Vorlesungsverzeichnisses und den be-reitgestellten Funktionen dar und beweist damit wiederum - nun auf dertechnischen Ebene - seine primäre Bedeutung für myStudy. Für die Konsi-stenz von „system image“, Design-Konzept und dem mentalen Modell desAnwenders (vgl. Norman 1983, 14) ist die zentrale Stellung des Stundenpla-nes von höchster Relevanz.

Abbildung 17: Reduzierte Darstellung der Datenbankstruktur (eigene Darstellung)

Die Grundzüge der Organisation von Präsenzlehre lassen sich damit bis indie abstrakte Ebene der Datenbankstruktur verfolgen. Der Stundenplan, dersich hier in technisch-struktureller Hinsicht als zentrales Element präsentiert,schlägt damit den weiten Bogen hin zu einem Verständnis von Lernen undWissen, welches auf Kommunikation unter Anwesenden basiert. Denn dieAufgabe des Stundenplanes in der Präsenzlehre besteht gerade in der struk-turierenden raumzeitlichen Organisation der Kopräsenz. Hierauf aufbauendentfaltet myStudy das Potential des Stundenplanes für die weitere organisato-rische Unterstützung der Präsenzlehre.

Wesentliche Aspekte der Konzeption einer internetbasierten Plattform zurUnterstützung der Präsenzlehre wurden damit auch aus der technischen Per-spektive beleuchtet. Zwar ließe sich ein Projekt wie myStudy auch auf derBasis anderer und sogar proprietärer Technologien aufbauen, jedoch nichtohne signifikante Einschränkungen hinnehmen zu müssen. Diese würdensich vor allem in den verschiedenen dargestellten Dimensionen der An-schlussfähigkeit des Projektes äußern und daher der Zielsetzung vonmyStudy entgegenstehen.

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6. Schlussbemerkungen

Die Betrachtung der Konzeption der Internetplattform myStudy geht damitihrem Ende zu. Daher soll an dieser Stelle zunächst ein Resümee der Argu-mentationsstränge erfolgen, die in dieser Arbeit vollzogen worden sind.

e-learning und Präsenzlehre

In einer Phase, in der bildungspolitische Schwerpunkte auf die (partielle)Virtualisierung der universitären Ausbildung gesetzt werden, schlägtmyStudy die Ergänzung der Präsenzlehre durch den organisationsbezogenenEinsatz und die flexible Integration von Internettechnologien vor, um damitim wesentlichen zwei Ziele zu erreichen. Zum einen soll auf diese Weise dieQualität der wissenschaftlichen Ausbildung nicht durch den kurzsichtigenEinsatz von technisch determinierten Vermittlungsstrategien gefährdet wer-den, die - entgegen den weitgehend akzeptierten Erkenntnissen der konstruk-tivistischen Pädagogik - einen Wissensbegriff implizieren, der sich an der„Metaphorik des Besitzens, Habens, Gebens und Erhaltens“ (Luhmann1996, 193) orientiert. Zum anderen steht in Anbetracht des wachsenden Ein-flusses, den digitale und vernetzte Technologien auf das Alltagsleben neh-men, die Vermittlung von Medienkompetenz im Zentrum der pädagogischenBemühungen der Hochschullehre und soll daher durch den Einsatz von my-Study gefördert werden.

Das Votum für die Unterstützung der Präsenzlehre beruht auf der Vorstel-lung, dass Wissen durch kommunikative Prozesse unter Anwesenden indivi-duell und subjektiv erzeugt wird. Wie gezeigt worden ist, spielen sich dieseProzesse in Form von wechselseitigen und sinnvollen Anschlüssen von Un-terscheidungsoperationen ab, die mit Hilfe der Spencer-Brownschen Gesetzeder Form beschrieben werden können. Dabei wurden drei Arten von An-schlussoperationen spezifiziert - das Nennen, das Kreuzen und das re-entry -die in der Folge für eine techniktheoretische Betrachtung von Open Source-Technologien wieder herangezogen werden konnten.

Technik und FormTechnik wurde dabei als die geronnene Form einer Unterscheidung verstan-den, die durch ihr reines Funktionieren die Anschlussoperation des Nennensautomatisiert. Dagegen wird das Kreuzen der Unterscheidung, also die Ver-änderung der Technik und ihrer Funktionsweisen (von ihrer Destruktion ab-gesehen) durch die Gerinnung der Form weitgehend unterbunden. Die Nut-zung der Technik kann schließlich als re-entry der technischen Unterschei-dung gewertet werden, als eine Unterscheidung also, welche die Technik zuihrem Gegenstand macht und ihre Anwendung im Hinblick auf ein spezifi-sches Handlungsziel erwägt. In einer solchen Betrachtung lässt sich dasOpen Source-Konzept als konsequente Strategie zur Erweiterung von An-schlussmöglichkeiten der verschiedenen Arten verstehen. Open Source-Technologien zeichnen sich dementsprechend durch ihre zuverlässige Funk-tion, ihre schnelle und freie technologische ‘Evolution’ sowie durch geringe

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Schlussbemerkungen

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Nutzungsbarrieren aus. Wie gezeigt wurde sind diese Aspekte für die Ver-wendung von Open Source-Technologien bei der Entwicklung und dem Be-trieb von myStudy von besonderer Relevanz.

Form undInterfacedesign

Im Lichte dieser techniktheoretischen Feststellungen muss natürlich auchmyStudy selbst als technisches Artefakt verstanden werden und ist insofernden ausgeführten Beobachtungen unterworfen. Die Anschlussfähigkeit zwi-schen Technik und Nutzung wird dabei durch das Interface von myStudy si-chergestellt, dessen Gestaltung daher ausführlich thematisiert wurde. DiePraxis des Interfacedesigns hat dabei zweierlei Aufgaben zu bewältigen: ei-nerseits die kohärente Verwendung von visuellen Gestaltungsmerkmalen,wie sie am Beispiel von myStudy demonstriert wurde, und zum anderen diekonsistente und nachvollziehbare Strukturierung des Informations- undKommunikationsangebots, die mit Hilfe der zentralen Metapher des Stun-denplanes geleistet wird. Dabei hat sich gezeigt, dass das Interfacedesigneine Disziplin darstellt, die im Medium der Zeichen operiert und daher mitModellen der Zeichentheorie näher analysiert werden kann, wie es im Rah-men dieser Arbeit in Grundzügen erfolgt ist.

Anhand der detaillierten Darstellung von myStudy und unter Bezugnahmeauf die zugundeliegenden theoretischen Ausführungen konnte das Potentialfür die Unterstützung der Präsenzlehre an der Universität Lüneburg gezeigtwerden. Die Anschlussfähigkeiten von myStudy auf den verschiedenen Ebe-nen (Technik, Nutzung und Struktur) sind des Weiteren ausführlich dargelegtworden.

zukünftigeEntwicklung

Darüberhinaus zeigt sich, dass myStudy auch im Hinblick auf die eigeneWeiterentwicklung anschlussfähig ist. Innerhalb der Projektgruppe entstehenständig neue Ideen für Veränderungen und Erweiterungen von myStudy.Während momentan die Öffnung der Plattform für Inhalte diskutiert wird,die zwar universitäts-, aber nicht unmittelbar studienbezogen sind (z.B. dieEinbindung von Terminen studentischer Organisationen und Initiativen), istmittelfristig die Anbindung von myStudy an ein zentrales Accounting im Ge-spräch, das in Zukunft weitere Leistungen des universitären Rechenzentrums(wie etwa den Internetaccess) zugänglich machen soll. Bei solchen Überle-gungen ist zu berücksichtigen, dass die strenge Abgrenzung von myStudy ge-genüber zentralisierten und hierarchischen Strukturen den erheblichen Frei-heitsgrad des Projekts und damit, wie erläutert wurde, sein hohes Potentialzur Unterstützung der Lehre sichert. Die intensivere Einbindung in zentraleStrukturen verspricht zwar einerseits Synergieeffekte und Emergenzen, birgtandererseits aber Risiken für die Eigenständigkeit und Entwicklungsfreiheitvon myStudy. Der Anschluss an weitere universitäre Strukturen ist daher mitgroßer Sensibilität abzuwägen.

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Struktur der Datenbanken

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Unterscheidung dieser Arbeit

Den Betrachtungen der vorliegenden Arbeit wurde eine Theorie der Unter-scheidung zugrundegelegt, die feststellt, dass jede Beobachtung als Unter-scheidungsoperation zu bewerten ist, die zwangsläufig über eine Innenseiteund eine Außenseite verfügt. Auf ihrer Innenseite bezeichnet sie den Gegen-stand der Beobachtung, während auf ihrer Außenseite alles andere unbe-zeichnet bleibt. Auch die vorliegende Arbeit muss sich demzufolge als einesolche Unterscheidung begreifen, die eine Selektion dessen vornimmt, wassie zu bezeichnen sucht. Infolgedessen bleiben an dieser Stelle viele Aspek-ten unberücksichtigt, die nichtsdestotrotz eine nähere Betrachtung verdienthätten. Vor allem soll hier festgehalten werden, dass eine Kommunikations-plattform wie myStudy wesentliche Einschnitte in die Kommunikationspro-zesse innerhalb der Universität nach sich zieht. Solche Veränderungen äu-ßern sich in einzelnen Fällen sehr konkret und können daher hier abschlie-ßend an einem Beispiel illustriert werden.

Bevor den Studierenden und Lehrenden der Universität Lüneburg myStudyals Werkzeug zur Erstellung des Stundenplanes angeboten wurde, erfolgtedies stattdessen ‘per Hand’ und unter Verwendung des Vorlesungsverzeich-nisses in gedruckter Form. Dieses stellt die Lehrveranstaltungen hierarchischnach Studiengängen und Fächern geordnet dar, und muss daher dieser Hier-archie folgend sequentiell verarbeitet werden. Die Veranstaltungssuche mitHilfe von myStudy erlaubt dagegen die gezielte Auswahl von Lehrveranstal-tungen, die zu bestimmten Themen, von bestimmten Dozenten oder zu be-stimmten Zeiten angeboten werden. Diese andere Form der Selektion hatdazu geführt, dass sich häufig fachfremde aber interessierte Studierende ein-finden, um eine Lehrveranstaltung zu besuchen, obwohl sie diese nicht fürihr Studium geltend machen können. Wie diese Veränderungen zu bewertensind, soll hier nicht erörtert werden, festzustellen ist allerdings, dass hier-durch ein interdisziplinärer Austausch gefördert wird.

second-level effects

Der Einsatz von myStudy hat, wie dieses Beispiel zeigt, nicht nur jene Fol-gen, dererwegen die Plattform konzipiert wurde. Vielmehr haben veränderteKommunikationsstrukturen auch Konsequenzen auf der sozialen Ebene, diemit Sproull/Kiesler als „second-level effects“ (Sproull/Kiesler 1991, 15) be-zeichnet werden können. Es handelt sich also um Auswirkungen zweiterOrdnung, die erst längerfristig zu beobachten und schwer vorherzusagensind, nichtsdestotrotz aber essentielle Folgen für die universitäre Lehre ha-ben. Insbesondere ist dabei zu beachten, dass jene Kommunikationen, diemyStudy ermöglicht, den dargestellten Kanalbeschränkungen und techni-schen Normierungen unterworfen sind. Daher darf das Nutzungsziel vonmyStudy nicht die Bündelung sämtlicher organisationsbezogener Kommuni-kationen sein, sondern muss in erforderlichen Fällen Freiräume für die per-sönliche Interaktion lassen, deren Stellung nicht geschwächt, sondern ge-stärkt werden soll.

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Selbständigkeitserklärung

Selbständigkeitserklärung

Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Magisterarbeit selbständigverfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel und Quellen ver-wendet habe.

Timo Leder

Hamburg, 30.05.2003