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Investitionsschutzabkommen und Investor-Staat-Schiedsverfahren: Mythen, Fakten, Argumente

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Investitionsschutzabkommen undInvestor-Staat-Schiedsverfahren:

Mythen, Fakten, Argumente

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

Zehn Mythen, Fakten, Argumente .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

Die wichtigsten Daten auf einen Blick .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

Zehn ISDS-Fälle in der öffentlichen Debatte: Ein genauer Blick lohnt sich .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Fazit und Ausblick .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

Annex I: IFV Deutschlands (129 Verträge in Kraft) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

Annex II: ISDS-Klagen deutscher Investoren .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

Weiterführende Quellen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

Impressum .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

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Für Unternehmen sind Investitionsförder- und -schutzverträge (IFV) sowie Investitionskapi-tel in Freihandelsabkommen ein wichtiges Instrument, um Direktinvestitionen im Ausland (ADI) gegen politische Risiken wie Enteignung, enteignungsgleiche Eingriffe und Diskri-minierung abzusichern. Für Staaten sind sie ein zentrales Mittel, um ausländische Investi-tionen zu fördern. Mit diesen völkerrechtlichen Verträgen signalisieren sie ausländischen Investoren, dass sie ihre Investitionen vor willkürlichen hoheitlichen Eingriffen schützen werden. Die meisten dieser Verträge geben dem Investor die Möglichkeit, seine Rechte vor einem neutralen Schiedsgericht einzuklagen – außerhalb des Einflussbereichs des Gaststaa-tes (Investor-Staat-Schiedsverfahren, ISDS).

Die bestehenden IFV und Schiedsgerichtsverfahren weisen zwar einige Schwächen auf, die es in neuen IFV zu vermeiden gilt. So sollten die Transparenz verbessert, Rechtsbegriffe präziser formuliert und missbräuchliche Klagen verhindert werden. Auch ein Berufungs-mechanismus wäre wünschenswert. In den BDI-Positionspapieren „Schutz europäischer Investitionen im Ausland“ sowie „The ‚I‘ in TTIP“ hat die deutsche Industrie Reformemp-fehlungen skizziert.1 Keinesfalls sollten aber IFV und das System der Streitbeilegung durch Investor-Staat-Schiedsverfahren grundsätzlich in Frage gestellt werden. Kritiker in Politik und Öffentlichkeit fordern, dieses Instrument aufzugeben. Doch wie wir in diesem Papier zeigen, können ihre Argumente einer genauen Analyse in vielen Punkten nicht standhalten. Im Folgenden befassen wir uns mit den am häufigsten genannten Kritikpunkten zu Investi-tionsschutzabkommen und Investor-Staat-Schiedsverfahren und legen dar, warum IFV für die Industrie unverzichtbar sind.

Einleitung

1 Beide Positionspapiere finden Sie unter <http://bdi.eu/Investitionsschutz.htm>.

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Ein Investitionsförder- und -schutzvertrag (IFV) ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen zwei oder mehreren Staaten. Mit der Unterzeichnung eines IFV verpflichten sich die Vertragsparteien, ausländische Investoren nicht zu diskriminieren – weder gegenüber inländischen Investoren (Prinzip der Inländerbehand-lung) noch gegenüber anderen ausländischen Investo-ren (Prinzip der Meistbegünstigung). Darüber hinaus garantieren die Vertragsparteien, ausländische Inve-storen gerecht und billig zu behandeln („fair and equi-table treatment“, FET). Die Behandlung ist beispiels-weise nicht gerecht und billig, wenn dem Investor der Zugang zum nationalen Rechtsweg verweigert wird, er politisch unter Druck gesetzt wird oder auch, wenn Regierungsentscheidungen willkürlich, intransparent und widersprüchlich sind. Das Gebot der gerechten und billigen Behandlung schützt überdies die berech-tigten Erwartungen des ausländischen Investors. Die-se können sich durch explizite oder implizite Aussa-gen und Zusicherungen seitens des Staates gegenüber dem Investor ergeben. Nimmt der Gaststaat eine Zu-sicherung oder ein Versprechen zurück, das aufseiten des Investors zu einer berechtigten Erwartung geführt hat, verletzt er das Gebot der gerechten und billigen Behandlung. Schließlich wird der Investor vor kom-pensationslosen direkten und indirekten Enteignun-gen geschützt. Enteignungen sind gestattet, wenn sie erstens in einem angemessenen Verhältnis zum öffent-lichen Interesse vorgenommen, zweitens nicht-diskri-minierend und transparent durchgeführt werden und wenn dem Investor drittens zügig eine angemessene Kompensation ausgezahlt wird. Zudem garantieren IFV zumeist den freien Transfer von Kapital.

In Investor-Staat-Schiedsverfahren (ISDS), die auf der Grundlage von IFV durchgeführt werden, wird geklärt, ob ein Gastland die Bestimmungen des IFV gebrochen hat. Sollte der Staat verlieren, kann die Regierung nicht zu einer Verhaltensänderung ge-zwungen werden – das bedeutet beispielsweise, dass

eine Regierung nicht gezwungen werden kann, eine Gesetzesänderung rückgängig zu machen. Die Sank-tionsmöglichkeiten des Schiedsgerichts beschränken sich auf die Möglichkeit, dem Investor Schadenersatz zuzusprechen.

IFV schützen Investoren grundsätzlich nicht vor ei-nem Rückgang der Rentabilität ihrer Investitionen. Investoren müssen immer damit rechnen, dass Ge-setze geändert werden und sich Gewinnerwartungen nicht immer realisieren lassen. Gesetze oder Regulie-rungsmaßnahmen von Staaten stellen somit nicht au-tomatisch enteignungsgleiche Eingriffe dar. Bestätigt wurde dies beispielsweise durch die Schiedsverfahren LG&E gegen Argentinien (s. auch „Zehn ISDS-Fälle in der öffentlichen Debatte: Ein genauer Blick lohnt sich“) und Saluka Investments gegen die Tschechi-sche Republik.

Im Fall LG&E gegen Argentinien legte das Schieds-gericht zwei Kriterien an, um zu prüfen, ob der Tat-bestand einer Enteignung erfüllt ist: erstens die wirt-schaftlichen Auswirkungen (d.h. effektiver Wechsel der Kontrolle über die Investition oder der Inhaber-schaft; eine Beeinträchtigung der berechtigten Erwar-tungen des Investors) sowie zweitens die Dauer der Maßnahme. Das Schiedsgericht befand, dass es sich ohne einen permanenten und massiven Verlust der Investition oder ihres Wertes infolge eines staatlichen Eingriffs nicht um eine Enteignung handelt.2 Zudem konkretisierte das Schiedsgericht das Gebot der ge-rechten und billigen Behandlung. Es stellte fest, dass „der Standard gerecht und billig ein konsistentes und transparentes Verhalten des Gaststaates umfasst – frei von Widersprüchlichkeiten –, das die Verpflichtung beinhaltet, stabile und vorhersehbare rechtliche Rah-menbedingungen zu schaffen und aufrechtzuerhalten, die notwendig sind, um die gerechtfertigten Erwartun-gen des ausländischen Investors zu erfüllen“.3

Zehn Mythen, Fakten, Argumente

Mythos 1:Investor-Staat-Schiedsverfahren ermöglichen Unternehmen, Regierungen zu verklagen, so-bald ihre Gewinne durch neue Gesetze oder Regulierungen sinken. Und sie können Re-gierungen zwingen, Gesetze rückgängig zu machen.

2 LG&E Energy Corp., LG&E Capital Corp., LG&E International Inc. v The Argentine Republic, Case Summary Prepared in the Course of Research for S Ripinsky with K Williams, Damages in Interna-tional Investment Law (BIICL, 2008), S. 2, 5, <http://www.biicl.org/files/3908_2007_lg&e_v_argentina.pdf>.

3 Zitiert in: UNCTAD, Latest Developments in Investor-State Dispute Settlement, IIA Monitor No. 4, 2006, <http://unctad.org/sections/dite_pcbb/docs/webiteiia200611_en.pdf>. Übersetzung durch BDI.

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Der Fall Saluka Investments gegen die Tschechi-sche Republik zeigt wie auch der Fall LG&E gegen Argentinien, dass nicht jeder staatliche Eingriff einer indirekten Enteignung gleichkommt. Im Zentrum des Streifalls stand die Behandlung inländischer und ausländischer Banken während der Privatisierung des tschechischen Bankensektors Ende der 1990er Jahre. Die Nomura Europe plc, eine in Großbritannien an-sässige Gesellschaft des japanischen Finanzkonzerns Nomura, hatte im Zuge der Privatisierung Anteile an der tschechischen Investicni a postovni banka a.s. (IPB) erworben. Diese Anteile veräußerte sie 1998 beziehungsweise 2000 in zwei Schritten an die von ihr vollständig gehaltene niederländische Saluka In-vestments B.V. 1999 gewährte die Regierung drei tschechischen Großbanken – Komercni banka, a.s. (KB), Ceska sporitelna, a.s. (CS) und Ceskoslovenska obchodni banka, a.s. (CSOB) –, an denen der tsche-chische Staat noch beteiligt war, eine staatliche Unter-stützung, um ihnen die Privatisierung zu erleichtern. In derselben Zeit verschlechterte sich die wirtschaftli-che Situation der IPB; im Juni 2000 wurde sie durch einen Regierungsbeschluss unter Zwangsverwaltung gestellt. Das operative Geschäft der IPB wurde an die CSOB verkauft. Das Finanzministerium gewährte der CSOB in diesem Zusammenhang staatliche Beihilfen. Die Zwangsverwaltung der IPB endete am 16. Juni 2002, woraufhin Nomura wieder die Kontrolle über die IPB erhielt. Im Juli 2001 reichte Saluka Invest-ments eine Klage gegen die Tschechische Republik ein und forderte Schadenersatz. Grundlage der Klage war der IFV, den die Niederlande 1991 mit der Tschecho-slowakei unterzeichnet hatten. Saluka Investments ar-gumentierte zum einen, dass die Regierung zwischen IPB und den drei genannten tschechischen Großban-ken diskriminiert habe. Zum anderen sei Saluka In-vestments unrechtmäßig und ohne angemessene Ent-schädigung enteignet worden.4

Der Fall wurde nach den Regeln der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (engl. United Nations Commission on International Trade Law, UNCITRAL) verhandelt. Am 17. März 2006 urteilte das Schiedsgericht, dass die Tschechi-sche Republik Saluka Investments nicht im Sinne von Artikel 5 des IFV kompensationslos enteignet habe. Das Schiedsgericht stellte fest: „Völkerrechtlich ist es nunmehr vorgeschrieben, dass Staaten ausländischen Investoren keine Entschädigung zahlen müssen, wenn sie im Zuge der normalen Ausübung ihrer Re-gulierungsbefugnisse in nicht diskriminierender Weise

Rechtsvorschriften in gutem Glauben verabschieden, die dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“5 Allerdings urteilte das Schiedsgericht auch, dass die Tschechi-sche Republik das Unternehmen nicht gerecht und billig behandelt habe.6

Zwei weitere Fälle auf Basis des Investitionskapitels des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (North American Free Trade Agreement, NAFTA) zei-gen, dass entgangene Gewinne nicht automatisch ei-ner indirekten Enteignung gleichkommen: Methanex gegen die USA und Glamis Gold Lt. gegen die USA. Das kanadische Unternehmen Methanex produzier-te in den 1990er Jahren das Kraftstoffadditiv MTBE (Methyl-tert-butylether) für den US-Markt. Nachdem Kalifornien die Verwendung von MTBE aufgrund ökologischer Bedenken verboten hatte, klagte Me-thanex im Jahr 1999 auf der Grundlage des NAFTA-Investitionsschutzkapitels (nach UNCITRAL-Regeln) gegen das Verbot. Dieses würde den zukünftigen Gewinn des Unternehmens schmälern, was einer Enteignung gleichkäme – so die Argumentation des Unternehmens. Das Schiedsgericht urteilte gegen Me-thanex. Kalifornien habe aus legitimen Gründen und nicht-diskriminierend gehandelt. Dabei habe es das Unternehmen gerecht und billig behandelt. Eine indi-rekte Enteignung sei das Verbot nicht gewesen.7

Das kanadische Unternehmen Glamis Gold klagte im Jahr 2003 auf Grundlage des NAFTA-Investitions-schutzkapitels (nach UNCITRAL-Regeln) gegen die USA. Glamis Gold plante, im südöstlichen Kaliforni-en Gold und Silber zu fördern, und zwar in der Nähe kultureller und religiöser Stätten des dort ansässigen indigenen Volkes der Quechan. Das Unternehmen wollte zwei der drei geplanten Tagebau-Schächte voll-ständig verfüllen; ein dritter Schacht sollte für die spä-tere Nutzung offen gehalten werden. Die US-amerika-nische Bundesbehörde für Raumnutzung (Bureau of

4 Bundesgericht (Schweiz), Urteil vom 7. September 2006, 1. Zivilab-teilung, <http://www.italaw.com/documents/Saluka-SwissChallen-ge.pdf>.

5 Zitiert in: Europäische Kommission, Kurzdarstellung: Investitions-schutz und Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten in EU-Ab-kommen, November 2013, S. 7, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/december/tradoc_151995.pdf>.

6 The Matter of Arbitration under the UNCITRAL Rules 1976 Saluka Investments BV (The Netherlands), Claimant, v The Czech Republic, Respondent, Partial Award 2006, S. 103, <www.pca-cpa.org/show-file.asp?fil_id=105>.

7 Investment Treaty Arbitration, Methanex Corporation v. United States of America, UNCITRAL, <http://www.italaw.com/cas-es/683> (eingesehen am 11.1.2015).

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Land Management, BLM) lehnte den Genehmigungs-antrag von Glamis Gold aufgrund von Bedenken ab, dass das Bergbauvorhaben die religiösen Stätten der indigenen Bevölkerung signifikant schädigen könn-te. Zur gleichen Zeit erließ der Bundesstaat Kalifor-nien ein Gesetz, das die Standards für die Betreiber von Minen erhöhte. Unternehmen sollten in Zukunft verpflichtet sein, alle Tagebaue zu verfüllen. Zudem sah das Gesetz eine Pflicht zur Wiederherstellung des ursprünglichen Landschaftsbilds vor. Dem Unter-nehmen drohten daraufhin sinkende Gewinne. Das Schiedsgericht sprach jedoch Kalifornien Recht zu, da der entgangene Gewinn nicht hoch genug war, um den Tatbestand einer indirekten Enteignung zu erfül-len. Zudem urteilte das Schiedsgericht, dass Glamis Gold gerecht und billig behandelt worden sei.8

Neuere IFV sowie Investitionskapitel in Freihandels-abkommen beinhalten Klauseln, die ausdrücklich das Recht des Staates unterstreichen, im öffentlichen In-teresse (beispielsweise zum Schutz von Gesundheit, Umwelt und der kulturellen Vielfalt sowie im Interes-se der öffentlichen Sicherheit und Ordnung) regulie-rend tätig zu werden. Dies gilt auch für das jüngst un-terzeichnete Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA). Die Präambel des Abkommens hält fest, dass durch CETA, einschließlich seines In-vestitionskapitels, das Recht von Staaten, im öffentli-chen Interesse regulierend tätig zu werden („right to regulate“), nicht beeinträchtigt wird. Darüber hinaus enthält das Investitionskapitel von CETA eine Reihe allgemeiner Ausnahmevorschriften. Auch sie schüt-zen den gesetzgeberischen Handlungsspielraum des Staates.9

Investitionsförder- und -schutzverträge schüt-zen Investoren vor Diskriminierung, ungerech-ter und unbilliger Behandlung sowie kompen-sationsloser direkter und indirekter Enteignung im Gastland. IFV schützen Investoren jedoch nicht im Allgemeinen vor einem Rückgang der Rentabilität ihrer Investitionen. Investoren müs-sen immer damit rechnen, dass Gesetze ge-ändert werden und sich Gewinnerwartungen nicht in jedem Fall realisieren lassen. Die Regu-lierungshoheit des Staates bleibt gewahrt. Der Staat kann nicht gezwungen werden, Gesetze oder Regulierungen rückgängig zu machen.

8 Investment Treaty Arbitration, Glamis Gold, Ltd. v. The United Sta-tes of America, UNCITRAL, <http://www.italaw.com/cases/487> (eingesehen am 11.1.2015); Tillman Michael Dralle, „Der Fair and Equitable Treatment-Standard im Investitionsschutzrecht am Bei-spiel des Schiedsspruchs Glamis Gold v. United States“, in: Beiträ-ge zum Transnationalen Wirtschaftsrecht, Heft 115, 2011, <http://telc.jura.uni-halle.de/sites/default/files/BeitraegeTWR/Heft115.pdf>.

9 Stefan Schill, Auswirkungen der Bestimmungen zum Investitions-schutz und zu den Investor-Staat-Schiedsverfahren im Entwurf des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kanada (CETA) auf den Handlungsspielraum des Gesetzgebers (Kurzgutachten), 22.9.2014, S.19, <http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/C-D/ceta-gutachten-investitionsschutz,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf>.

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IFV beruhen immer auf Gegenseitigkeit. Dieselben Klagerechte, die ein IFV ausländischen Investoren beispielsweise in Deutschland einräumt, stehen den deutschen Unternehmen im Land des Vertragspart-ners zur Verfügung. Inländische Unternehmen wer-den also nicht diskriminiert, sie genießen im Gegen-zug Investitionsschutz im Land des Vertragspartners.

Zudem sind inländische Unternehmen nicht unge-schützt gegenüber staatlichem Handeln. Genauso wie ausländische Unternehmen können auch sie sich an inländische Gerichte wenden. Zwar können auslän-dische Investoren über diese Möglichkeit hinaus bei Investitionsstreitigkeiten ein internationales Schieds-gericht anrufen, sofern der Gaststaat des Investors einen IFV mit der Regierung seines Herkunftslands abgeschlossen hat. Der nationale Rechtsweg bietet im Gegensatz zu Investor-Staat-Schiedsverfahren je-doch die Möglichkeit, inländische Gerichtsurteile und sogar nationale Gesetze zu kippen. Auch stellt die Möglichkeit der Schiedsverfahren den ausländischen Investor nicht zwangsläufig besser, wie ein Gutachten zum Investitionsschutzkapitel von CETA im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) festgestellt hat. So werden kanadische Inve-storen durch CETA materiell-rechtlich in Deutschland nicht besser gestellt als Investoren aus Deutschland.10 Der durch CETA gewährte völkerrechtliche Schutz kanadischer Investitionen bleibt laut Gutachten so-gar teilweise hinter dem Schutz deutscher Investoren, der durch das deutsche Verfassungs- und Unionsrecht gegeben ist, zurück. Das Gutachten kommt somit zu dem Schluss, dass der „gesetzgeberische Handlungs-spielraum zum Schutz öffentlicher Interessen wie na-tionale Sicherheit, Umwelt, öffentliche Gesundheit“ gewahrt ist.11

Während inländische Unternehmen durch IFV also nicht benachteiligt werden, ist dieser zusätzliche Rechtsweg für Investoren im Ausland oftmals unab-kömmlich. In vielen Entwicklungsländern garantiert

das nationale Rechtssystem ausländischen Investoren keine gerechte und billige Behandlung. Korruption und Diskriminierung sind nicht selten, das nationa-le Rechtssystem funktioniert oftmals nicht zufrieden-stellend. Aber auch zwischen Industrieländern – etwa zwischen der EU und Kanada oder auch zwischen der EU und den USA – ist es sinnvoll, Investitions-schutzverträge abzuschließen. Denn grundsätzlich gilt in jedem Land, dass Investitionen für Ausländer mit größeren politischen Risiken verbunden sind als für inländische Unternehmen. Ausländer haben in der Regel weniger Kenntnisse über den informellen politi-schen Rahmen in ihrem Gastland und sind schlechter in dem Land vernetzt. Politische Entwicklungen kön-nen sie weniger gut einschätzen als ihre inländischen Mitbewerber und es fällt ihnen schwerer, sich an ge-sellschaftlichen Diskussionen zu beteiligen. Außer-dem gibt es Fälle, in denen auch in Industrieländern der rechtliche Rahmen ausländischen Investoren kei-nen hinreichenden Schutz vor Diskriminierung oder Enteignung bietet. Völkerrechtliche Mindeststandards werden in nationalen Gerichtsverfahren bisweilen nur inkonsequent und lückenhaft berücksichtigt. Daher sind Investor-Staat-Schiedsverfahren ein wichtiges Instrument, um Auseinandersetzungen zwischen aus-ländischen Investoren und Regierungen zu schlichten. Sie bieten ein neutrales Forum, das nicht durch einen Staat finanziert oder politisch beeinflusst wird.

Dass auch Gerichte in Industrieländern ausländische Investoren nicht immer gerecht und billig behandeln, zeigt beispielsweise der Fall Loewen Group gegen den US-Bundestaat Mississippi. Das Landesgericht von Mississippi hatte das kanadische Bestattungsun-ternehmen Loewen Group dazu verurteilt, einem in Mississippi ansässigen Bestattungsunternehmen ei-nen unverhältnismäßig hohen Schadenersatz in Höhe von 500 Millionen US-Dollar zu zahlen. Dies war die höchste Schadenersatzzahlung in der Geschichte des

Mythos 2:Investitionsförder- und -schutzverträge be-günstigen ausländische Investoren gegenüber inländischen Unternehmen. Dadurch haben ausländische Unternehmen mehr Rechte als in-ländische Unternehmen.

10 Schill (2014), s.i.11 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), Bun-

deswirtschaftsministerium veröffentlicht Gutachten zu CETA, Pressemitteilung, 22.9.2014, <http://www.bmwi.de/DE/Presse/pressemitteilungen,did=655700.html> (eingesehen am 12.1.2015).

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Gerichts und überstieg den eigentlichen Wert der an-gefochtenen Transaktion um das Zehnfache. Außer-dem wurde die Loewen Group anfänglich durch eine prohibitive Regelung über die Hinterlegung von 125 Prozent der Schadenssumme an einem Berufungsver-fahren gehindert.12 Das Unternehmen reichte deshalb eine Investor-Staat-Schiedsklage ein. Das Schiedsge-richt lehnte den Fall zwar letztlich ab, da die Loewen Group nach einer Neuorganisierung unter US-Kon-kursrecht formal-juristisch kein ausländisches Unter-nehmen mehr war. Zuvor befand das Schiedsgericht jedoch, dass das nationale Gerichtsverfahren nicht gerecht und von Vorurteilen gegen die Loewen Group aufgrund ihrer Herkunft geprägt war.

Investitionsstreitigkeiten können schließlich über ISDS-Verfahren oftmals schneller beigelegt werden, als wenn der nationale Rechtsweg vollständig aus-geschöpft werden muss. Dies macht ISDS-Verfahren auch für kleine und mittlere Unternehmen interes-sant, deren finanzielle Ressourcen oftmals keine Ver-schleppung der Entscheidungen erlauben.

Mythos 1: IFV stellen keine einseitige Begünstigung aus-ländischer Unternehmen in einem Land dar. Die gleichen Klagerechte, die ein IFV auslän-dischen Investoren beispielsweise in Deutsch-land einräumt, stehen den deutschen Unter-nehmen im Land des Vertragspartners zur Verfügung. IFV schützen ausländische Investo-ren vor Diskriminierungen, die auch in Industrie-ländern vorkommen können.

12 U.S. Department of State, The Loewen Group, Inc. and Raymond L. Loewen v United States of America, Decision on Hearing of the Respondent’s Objection to Competence and Jurisdiction, ICSID Case No. ARB(AF)/98/3), 2001, <http://www.state.gov/documents/organization/3921.pdf>.

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Besonders im letzten Jahrzehnt gab es einen deutli-chen Anstieg von Investor-Staat-Schiedsverfahren. Insgesamt wurden bis einschließlich 2013 weltweit 568 Fälle bekannt. Im Jahr 2013 wurden 56 neue Schiedsverfahren initiiert, im Jahr davor waren es 58 Fälle – die bislang höchste Zahl neuer Fälle innerhalb eines Jahres (s. Abb. 2).13 Daraus kann aber nicht ab-geleitet werden, dass Investoren dieses Instrument im-mer aggressiver nutzen oder dass sich gar eine „Klag-eindustrie“ herausbildet. Denn der steigende Trend steht im Verhältnis zum schnellen Anstieg der welt-weiten Investitionsströme im Zuge der Globalisierung und der steigenden Zahl an IFV.

Frühe Vorläufer der modernen Investitionsschutzab-kommen waren Freundschafts-, Handels- und Schiff-fahrtsverträge zwischen einzelnen Staaten. Während diese Abkommen zwar bereits teilweise Regeln zum Schutz von Investitionen enthielten, boten sie noch kei-nen Mechanismus, um Streitigkeiten beizulegen. Den weltweit ersten modernen IFV schloss Deutschland im Jahr 1959 mit Pakistan. Doch auch die erste Generati-on von IFV der 1950er bis 1980er Jahre enthielt noch kein ISDS-Verfahren, wie wir es heute kennen. In den späten 1980er und frühen 1990er Jahren explodierte dann nicht nur die Zahl von IFV. Die neuen IFV ent-hielten neben den wesentlichen Schutzstandards nun auch Regelungen über Investor-Staat-Schiedsverfah-ren. Grund hierfür war zum einen die Schuldenkrise Lateinamerikas, in der deutlich wurde, welchen politi-schen Risiken ausländische Investoren ausgesetzt sind, und zum anderen das Ende des Ost-West-Konflikts und die Öffnung der Märkte der Transformationsländer.14 1995 und 1996 wurden beispielsweise jeweils über 200 IFV abgeschlossen – viele davon mit den Transforma-tionsländern der ehemaligen Sowjetunion. Die Zahl der weltweiten IFV lag zum Ende des Jahres 2013 bei 3 236. Davon waren 2 902 Abkommen bilaterale Ver-träge und 334 Abkommen „andere Investitionsabkom-men“.15 2013 wurden weltweit 44 neue internationale Investitionsabkommen geschlossen (s. Abb. 1 und 2).

Der weltweite Bestand an ADI ist seit dem Jahr 1990 fast um das 13-Fache (2013: 26,3 Bio. US$) gestie-gen.16 Nicht nur bergen größere Summen ausländi-scher Direktinvestitionen größere Risiken. Gerade die wachsenden Investitionen in Entwicklungsländer sind mit höheren Risiken verbunden.17 Mit den weltweit steigenden ADI steigt deshalb auch die praktische Be-deutung eines wirksamen Investitionsschutzes.

Unternehmen klagen nicht leichtfertig gegen einen Staat. ISDS-Verfahren sind mit erheblichen Kosten und möglicherweise auch mit politischen Implikatio-nen verbunden, die sich nachteilig auf die zukünftige Geschäftstätigkeit des Unternehmens im Land aus-wirken können. Ob geklagt wird, hängt in der Regel von vielen Faktoren ab. Dem Schaden, der einem Unternehmen entstanden ist, stehen hohe Kosten der Klage gegenüber. Grundbedingung für das Einreichen einer Klage ist außerdem, dass die Rechtslage eine be-gründete Aussicht auf Erfolg zulässt.

Mythos 3:Die Zahl von Investor-Staat-Schiedsverfah-ren ist in den letzten Jahren weltweit gestiegen. Hinter der steigenden Zahl steht eine „Klage-industrie“, die zur Maximierung ihrer Gewinne immer neue Klagen einreicht.

Der weltweite Anstieg der ISDS-Streitigkei-ten ist eine Folge der schnell wachsenden Aus-landsinvestitionen. Unternehmen klagen zudem nicht leichtfertig über IFV, zuvor werden meist alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft.

13 UNCTAD, World Investment Report 2014, 2014, S. 124, <http://unctad.org/en/PublicationsLibrary/wir2014_en.pdf>.

14 Stormy-Annika Mildner, Christoph Sprich, Elizabeth Johnson, „In-vestitionsschutz im Kreuzfeuer der Kritik. Warum die USA und die EU trotzdem nicht auf das „I“ in TTIP verzichten sollten“, in: Ifo Sch-nelldienst 67 (12), 2014.

15 UNCTAD, (2014), S. 114f.16 UNCTAD, (2014), S.209.17 Roderick Abbott, Fredrik Erixon und Martina Francesca Ferracane,

Demystifying Investor-State Dispute Settlement, ECIPE Occasional Paper, No 5/2014, S. 7 f., <http://www.ecipe.org/media/publica-tion_pdfs/OCC52014__1.pdf>.

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Die Anforderungen an die Transparenz von ISDS-Verfahren gestalten sich je nach IFV unterschiedlich. Oftmals wird im IFV festgelegt, welche Institution für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zuständig ist. Dazu gehört beispielsweise das International Cen-tre for Settlement of Investment Disputes (ICSID). ICSID hat seinen Sitz in Washington und gehört der Weltbankgruppe an. Es unterstützt die Streitbeilegung vor allem bei Streitigkeiten im Rahmen von bilatera-len IFV. Grundlage für die Arbeit von ICSID ist das ICSID-Übereinkommen aus dem Jahr 1966, das mitt-lerweile 154 Staaten unterzeichnet haben. Alternati-ven zu ICSID stellen unter anderem die Internatio-nale Handelskammer in Paris (International Chamber of Commerce, ICC) und die Handelskammer Stock-holm (Stockholm Chamber of Commerce, SCC) dar. Zudem können Verfahren nach den Regeln der UN-CITRAL abgewickelt werden. ICSID, ICC oder auch SCC treten selbst nicht als Schiedsrichter oder Media-tor auf. Sie unterstützen lediglich die Durchführung der Schiedsverfahren. Und sie stellen unterschiedliche Transparenzanforderungen an die Streitparteien.

ICSID beispielsweise veröffentlicht systematisch In-formationen über die eingeleiteten Klagen, die Klä-ger und Investitionen sowie über den Ausgang der Schiedsverfahren beziehungsweise die Schiedssprü-che. Diese Informationen sind in einer Online-Daten-bank abrufbar.18 Ob die vollständigen Berichte über die Schlichtung von Streitigkeiten oder die Urteils-sprüche vom ICSID veröffentlicht werden, hängt da-bei zum Teil von der Zustimmung der Streitparteien ab. Doch auch wenn diese Zustimmung nicht erteilt wird, müssen die Urteilsbegründungen zumindest aus-zugsweise veröffentlicht werden.19

Wegweisend für transparentere ISDS-Verfahren sind die im Juli 2013 verabschiedeten Transparenzregeln der UNCITRAL. Sie gehen noch über diejenigen des ICSID hinaus. Die Reform trat im April 2014 in Kraft.20 Bei Fällen, die nach den Regeln der UNCI-TRAL verhandelt werden, müssen wesentliche Infor-mationen und Dokumente des Verfahrens veröffent-

licht werden. Anhörungen müssen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und Stellungnahmen von Dritten erlaubt werden. Eine Reihe von Dokumenten muss grundsätzlich der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Dazu gehört etwa der Antrag auf die Einlei-tung eines Verfahrens. Sowohl der Name der Parteien als auch der Wirtschaftssektor müssen genannt wer-den. Offengelegt werden muss zudem, auf Basis von welchem Investitionsvertrags der Anspruch geltend gemacht wird, ebenso die Klagebegründung und -er-widerung sowie der Schiedsspruch. Auf Antrag der Parteien oder aufgrund einer Ermessensentscheidung der Schiedsinstanz können auch Expertenstellung-nahmen veröffentlicht werden. Die Verhandlungen sind grundsätzlich öffentlich, außer es gilt, betriebli-che Geheimnisse zu wahren.21 Die EU und Kanada haben sich in ihrem Handelsabkommen CETA darauf verständigt, die UNCITRAL-Transparenzregeln anzu-wenden.22

Grundsätzlich gelten die neuen UNCITRAL-Regeln nur im Rahmen von neu abgeschlossenen IFV. Der-zeit wird aber an einer UNCITRAL-Konvention ge-arbeitet, welche die Anwendbarkeit der neuen Trans-parenzregeln auf alle Altverträge regeln soll. Ein Ent-wurf für eine Konvention (Draft Convention on Trans-parency in Treaty-based Investor-State Arbitration) wurde bereits erarbeitet. Dieser wird nun innerhalb des UN-Systems weiter abgestimmt und soll ab März 2015 zur Unterzeichnung vorliegen. Dann sollen die UNCITRAL-Transparenzregeln auch für ältere IFV gelten, sofern beide Vertragsparteien die Konvention unterzeichnet haben.23

Mythos 4:Investor-Staat-Schiedsgerichte sind Geheim-gerichte. Über ISDS-Verfahren gibt es so gut wie keine Informationen.

18 Die Datenbank findet man über <https://icsid.worldbank.org/apps/ICSIDWEB/Pages/default.aspx> (eingesehen am 12.1.2015).

19 ICSID, ICSID Cases, <https://icsid.worldbank.org/apps/ICSIDWEB/cases/Pages/AdvancedSearch.aspx> (eingesehen am 12.1.2014).

20 UNCITRAL Rules on Transparency in Treaty-based Investor-State Arbitration, <http://www.uncitral.org/uncitral/uncitral_texts/arbitration/2014Transparency.html> (einge-sehen am 12.1.2015).

21 UNCITRAL Rules on Transparency in Treaty-Based Investor-State Arbitration, <http://www.uncitral.org/uncitral/uncitral_texts/arbitration/2014Transparency.html> (einge-sehen am 12.1.2015).

22 Europäische Kommission, Investment Provisions in the EU-Can-ada Free Trade Agreement (CETA), 26.9.2014, S. 4, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/november/tradoc_151918.pdf>.

23 United Nations, Draft Transparency Convention ‘a Powerful In-strument’ in Treaty-based Arbitration United Nations International Trade Law Body Tells Sixth Committee, Press release, 13.10.2014, <http://www.un.org/press/en/2014/gal3479.doc.htm> (eingesehen am 12.1.2015).

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Darüber hinaus trägt eine Reihe internationaler Or-ganisationen zur Transparenz von ISDS-Verfahren bei. Dazu gehört beispielsweise die UNCTAD mit ihrem jährlichen Weltinvestitionsbericht. Hier finden sich jeweils aktuelle Daten und Analysen zur inter-nationalen Investitionspolitik und zu Investor-Staat-Schiedsverfahren.24 Außerdem betreibt die UNCTAD eine Online-Datenbank mit Informationen zu den öf-fentlichen ISDS-Fällen.25 Weitere Datenbanken zum Thema ISDS unterhalten ICSID26 und UNCITRAL27.

Die Transparenz in ISDS-Verfahren zu verbessern, ist ein wichtiges Anliegen. Gleichwohl ist auch bei recht-lichen Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen und Staaten – wie auch in nationalen Gerichtsverfah-ren – ein gewisses Maß an Diskretion erforderlich. Handelnde Personen und Geschäftsgeheimnisse müs-sen geschützt werden. Weder die Sicherheit noch die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen dürfen durch Indiskretionen gefährdet werden. Auch im Rahmen des nationalen Rechtswegs werden vergleichbare Aus-einandersetzungen nicht vollständig öffentlich ausge-tragen.

Wie bei nationalen Gerichtsverfahren ist auch bei ISDS-Verfahren ein gewisses Maß an Dis-kretion erforderlich. Die neuen UNCITRAL-Re-geln, an denen sich auch CETA und TTIP ori-entieren, sorgen für mehr Transparenz. Die UNCITRAL-Reform ist wegweisend für trans-parentere ISDS-Verfahren.

24 UNCTAD, World Investment Report 2014, 2014, <http://unctad.org/en/PublicationsLibrary/wir2014_en.pdf>.

25 Derzeit (Stand Januar 2015) wird die Datenbank aktualisiert. Daher ist nur eine reduzierte Version verfügbar, und zwar unter <http://unctad.org/en/Pages/DIAE/ISDS.aspx> (eingesehen am 8.1.2015).

26 ICSID, Cases, <https://icsid.worldbank.org/apps/ICSIDWEB/ca-ses/Pages/AdvancedSearch.aspx > (eingesehen am 12.1.2015).

27 UNCITRAL, Transparency Registry (A Repository for the Publication of Information and Documents in Treaty-Based Investor-State Ar-bitration), <http://www.uncitral.org/transparency-registry/registry/index.jspx> (eingesehen am 12.1.2015).

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Es gibt keine Belege für eine systematische Befangen-heit von Schiedsrichtern bei ISDS-Verfahren zugun-sten von Investoren. Ganz im Gegenteil: 43 Prozent aller weltweit bis Ende des Jahres 2013 abgeschlosse-nen Fälle sind laut UNCTAD zum Vorteil der Staaten entschieden worden. Nur in 31 Prozent der Streitfälle hat der Investor gewonnen. 26 Prozent wurden beige-legt (s. Abb. 14).

Manche IFV – etwa die der USA – legen ausdrücklich hohe Maßstäbe an Fairness und Unabhängigkeit der Schiedsrichter an. Auch im konsolidierten Text des Handelsabkommens zwischen der EU und Kanada, CETA, wurden Leitlinien („Code of Conduct“) für Richter von ISDS-Verfahren vereinbart. Wie es auch in US-amerikanischen IFV üblich ist, benennen der Investor und der Staat jeweils einen Schiedsrichter. Der dritte Schiedsrichter wird von beiden Seiten ge-meinsam benannt. Die Schiedsrichter müssen unab-hängig sein und dürfen keiner Regierung der jeweili-gen streitenden Parteien nahestehen. Wenn eine Par-tei der Meinung ist, dass der von der anderen Partei ernannte Schiedsrichter diese Vorgaben nicht erfüllt, kann die Partei die Ernennung dieses Schiedsrichters verhindern.28 Die EU plant, vergleichbare Leitlinien auch in Abkommen mit anderen Ländern zu integrie-ren.29

Einen ähnlichen Prozess gibt es bei der Benennung von Schiedsrichtern unter UNCITRAL- und ICSID-Regeln. Nach Artikel 11 der UNCITRAL Arbitration Rules muss eine als Schiedsrichter berufene Person sofort begründete Zweifel bekannt geben, die gegen die Eignung als Schiedsrichter sprechen könnten.30 Entsprechend der ICSID-Konvention (Artikel 57) kann eine Partei vorschlagen, einen Schiedsrichter zu disqualifizieren, falls dieser ungeeignet scheint.31

Mythos 5:Schiedsrichter sind zu wohlwollend eingestellt gegenüber Investoren und haben ein Eigeninte-resse am Erhalt des Systems.

Die Praxis der ISDS-Rechtsprechung zeigt keine Hinweise auf eine systematische Befan-genheit von Schiedsrichtern. Vielmehr gehen die meisten ISDS-Verfahren zu Ungunsten der Investoren aus. Die Verfahrensregeln sehen vor, dass befangene Schiedsrichter ausgeschlos-sen werden können.

28 Foreign Affairs, Trade and Development Canada, Consolidated Ceta Text, 10. Investment, Article X.25: Constitution of the Tribu-nal, <http://www.international.gc.ca/trade-agreements-accords-commerciaux/agr-acc/ceta-aecg/text-texte/10.aspx?lang=eng> (eingesehen am 27.10.2014).

29 Europäische Kommission, Fact Sheet: Investment Protection and Investor-to-State Dispute Settlement in EU Agreements, November 2013, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/november/tra-doc_151916.pdf>.

30 United States Commission on International Trade Law, UNCITRAL Arbitration Rules (as revised in 2010), United Nations, New York, 2011, <http://www.uncitral.org/pdf/english/texts/arbitration/arb-rules-revised/arb-rules-revised-2010-e.pdf>.

31 ICSID, ICSID Convention, Regulations, and Rules, Washington, DC, April 2006, <https://icsid.worldbank.org/ICSID/StaticFiles/basic-doc/CRR_English-final.pdf>.

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Es gibt wenige empirische Belege dafür, dass Staaten aufgrund eines IFV und drohender ISDS-Klagen dar-auf verzichten, im öffentlichen Interesse regulierend tätig zu werden. Und auch diese Beispiele sind alles andere als eindeutig, da bei Gesetzgebungsverfahren viele unterschiedliche Faktoren und Motive Berück-sichtigung finden.

Dies zeigt beispielsweise der Fall Ethyl Corp. gegen Kanada, der oftmals als Beleg für „regulatory chill“ angeführt wird. Im Zentrum des Streitfalls stand das Verbot von Treibstoffzusätzen. Grundlage für die Klage war das NAFTA-Investitionskapitel. Der US-amerikanische Kraftstoffzusatzhersteller Ethyl Corp. klagte gegen die kanadische Regierung, nachdem diese ein Bundesgesetz erlassen hatte, das wegen der als gesundheitsschädlich eingestuften Emissionen den Handel und Import des Kraftstoffadditivs MMT (Methylcyclopentadienyl-Mangan-Tricarbonyl) über die kanadischen Provinzgrenzen verbot. Produktion und Vertrieb innerhalb der Provinzen wurde hingegen nicht verboten. Faktische Konsequenz des Gesetzes wäre gewesen, dass MMT gesondert in den Provinzen produziert und vertrieben werden kann – solange es keine Staats- oder Provinzgrenzen überschreitet. Der Streit wurde beigelegt, indem die kanadische Regie-rung Ethyl Corp. für die entstandenen Verluste ent-schädigte und das MMT-Verbot zurückzog. Allerdings war das MMT-Verbot schon vor dem ISDS-Verfahren erfolgreich in den kanadischen Provinzen angefoch-ten worden. Dabei gab es Hinweise darauf, dass die regulatorische Maßnahme weniger umweltpolitischen als protektionistischen Motiven gefolgt war.32

Eine Studie über ISDS-Verfahren des Vale Columbia Center on Sustainable International Investment zeigt, dass sich die meisten Streitfälle nicht gegen neue Gesetze, sondern gegen Maßnahmen der Exekutive richten. Die Autoren der Studie analysierten alle ab-geschlossenen ICSID-Fälle und stellten fest, dass sich 47 Prozent der Streitigkeiten auf Handlungen von

Ministerien oder Behörden bezogen und nur neun Prozent auf Rechtsakte der Legislative.33 Ebenfalls zu dem Schluss, dass sich die Mehrheit der Klagen gegen Handlungen der Exekutive richtet, kommen Tietje und Baetens bei der Analyse von Klagen unter NAFTA. Die Autoren zeigen außerdem, dass Investo-ren unter NAFTA keinen Fall gewonnen haben, in de-nen legislative Rechtsakte angefochten wurden.34

Besonders häufig richten sich Klagen gegen Geneh-migungen, die zunächst erteilt und später wieder zu-rückgezogen wurden. Ein Beispiel hierfür ist der Fall Metalclad Corp. gegen Mexiko. Das US-Unternehmen Metalclad Corp. hatte von der Bundesregierung Me-xikos eine Genehmigung für den Bau einer Sonder-mülldeponie im Bundesstaat San Luis Potosi in der Gemeinde Guadalcazar erhalten. Zudem war dem Unternehmen von der Bundesregierung ausdrücklich und wiederholt versichert worden, dass es keine wei-teren Genehmigungen auf kommunaler Ebene benöti-ge. Nachdem Metalclad im vollen Vertrauen auf diese Zusicherung bereits mit den Bauarbeiten begonnen hatte, verweigerte die Gemeinde dem Unternehmen die Baugenehmigung – kurz vor der Inbetriebnahme der Anlage. Metalclad reichte daraufhin Klage beim ICSID unter NAFTA ein. Das Schiedsgericht kam zu dem Schluss, dass Mexiko Metalclad Corp. nicht ge-recht und billig behandelt habe. Durch die Vergabe der Baugenehmigung habe die Bundesregierung beim

Mythos 6:Investitionsschutzverträge und Investor-Staat-Schiedsverfahren verursachen einen „regula-tory chill“: Staaten trauen sich nicht mehr, im öffentlichen Interesse neue Gesetze zu erlas-sen oder regulierend tätig zu werden.

32 Christian Tietje und Freya Baetens, The Impact of Investor-State-Dispute Settlement in the Transatlantic Trade and Investment Partnership, Study prepared for the Minister of Foreign Trade and Development Cooperation, Ministry of Foreign Affairs, The Neth-erlands, Ecorys, Rotterdam 2014, S. 43, <http://media.leidenuniv.nl/legacy/the-impact-of-investor-state-dispute-settlement-isds-in-the-ttip.pdf>; Steffen Hindelang, „Study on Investor-State Dispute Settlement (ISDS) and Alternative Dispute Resolution in Interna-tional Investment Law“, in: Directorate General for External Affairs of the EU (Hg.), Investor-State Dispute Settlement (ISDS) Provisions in the EU’s International Investment Agreements, 2014, S. 39-130, hier: 115 ff.; Foreign Affairs Trade and Development Canada, Cases Filed Against the Government of Canada. Ethyl Corporation v. the Government of Canada, <http://www.international.gc.ca/trade-agreements-accords-commerciaux/topics-domaines/disp-diff/ethyl.aspx?lang=eng> (eingesehen am 7.1.2015).

33 Jeremy Caddel und Nathan M. Jensen, Columbia FDI Perspectives: Perspectives on Topical Foreign Direct Investment Issues by the Vale Columbia Center on Sustainable International Development, No. 120, April 28, 2014, <http://academiccommons.columbia.edu/catalog/ac:173529>.

34 Tietje und Baetens, (2014), S. 46f.

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Investor berechtigte Erwartungen geschaffen. Die Ver-weigerung der Baugenehmigung durch die Gemeinde habe diese verletzt. Das Regierungsverhalten sei zu-dem weder transparent noch konsistent und wider-spruchsfrei gewesen. Schließlich sei die Verweigerung der Inbetriebnahme der Mülldeponie einer indirekten Enteignung gleichgekommen.35

IFV verhindern nicht, dass Staaten umfangreiche Gesetze im öffentlichen Interesse erlassen. Dies zeigt die Empirie deutlich. Ein Beispiel ist der Toxic Sub-stances Control Act (TSCA), ein US-Gesetz zur Re-gulierung der Zulassung von Chemikalien. Bisher gab es keine Klage vor einem Investor-Staat-Schiedsge-richt, beispielsweise durch kanadische oder mexika-nische Investoren im Rahmen von NAFTA, die sich auf den TSCA bezog. Ebenso hat die Einführung der EU-Chemikalienverordnung REACH (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemi-cals), durch die umweltrechtliche Standards europa-weit angehoben wurden, nicht zu ISDS-Klagen auf der Grundlage der bestehenden IFV geführt. Auch die Anhebung der gesetzlichen Standards in den östlichen EU-Staaten im Zuge ihres EU-Beitritts (Einführung des „aquis communautaire“) löste keine Klagewelle durch US-Investoren aus.

Neuere IFV sowie Investitionskapitel in FTAs, dazu zählt auch CETA, beinhalten Klauseln, die ausdrück-lich das Recht des Staates schützen, im öffentlichen Interesse verhältnismäßig und angemessen regulie-rend tätig zu werden. Zahlreiche ISDS-Fälle zeigen zudem, dass Regierungen davon ausgehen können, ein ISDS-Verfahren zu gewinnen, sofern Gesetze und Re-gulierungen im öffentlichen Interesse vorgenommen wurden sowie angemessen und nicht diskriminierend sind. Dies zeigen unter anderem die oben beschriebe-nen Fälle Methanex gegen die USA und Glamis Gold Lt. gegen die USA.

Befürchtungen, dass IFV und ISDS zu einem „regula-tory chill“ führen, sind somit übertrieben.

Für einen „regulatory chill“ gibt es kaum em-pirische Belege. Staaten erlassen trotz abge-schlossener IFV umfangreiche Gesetze im Inte-resse der Allgemeinheit.

Neuere IFV sowie Investitionskapitel in FTAs beinhalten Klauseln, die ausdrücklich das Recht des Staates schützen, im öffentlichen In-teresse verhältnismäßig und angemessen regu-lierend tätig zu werden.

35 Investment Treaty Arbitration, Metalclad Corporation Claim-ant and the United Mexican States Respondent, Award, August 2000, <http://www.italaw.com/sites/default/files/case-documents/ita0510.pdf>; Nathalie Bernasconi-Osterwalder und Lise Johnson, International Investment Law and Sustainable Development: Key Cases from 2000-2010, International Institute for Sustainable Devel-opment, S. 72-74; Investment Treaty Arbitration, Metalclad Corpo-ration v. The United Mexican States, ICSID Case No. ARB(AF)/97/1, <http://www.italaw.com/cases/671> (eingesehen am 10.1.2015); Tillman Michael Dralle, „Der Fair and Equitable Treatment-Standard im Investitionsschutzrecht am Beispiel des Schiedsspruchs Gla-mis Gold v. United States“, in: Beiträge zum Transnationalen Wirt-schaftsrecht, Heft 115, 2011, S. 19, <http://telc.jura.uni-halle.de/sites/default/files/BeitraegeTWR/Heft115.pdf>.

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Es gibt zwei Arten, auf die Unternehmen „fremde“ IFV nutzen können, also IFV zwischen Ländern, zu denen nicht ihr Herkunftsland gehört.

Wie beschrieben ist ein IFV ein völkerrechtlicher Ver-trag zwischen zwei oder mehreren Staaten. Er schützt die Auslandsinvestitionen von Unternehmen aus den jeweiligen Vertragsländern. Ein ausländisches Unter-nehmen aus einem Drittland kann sich nicht auf den IFV berufen und gegen eine der Vertragsparteien kla-gen – außer es klagt über ein mit ihm verbundenes Unternehmen, das seinen Sitz in einem der Vertrags-länder hat. Problematisch wird es dann, wenn es sich bei diesem Unternehmen um eine Briefkastenfirma handelt.

Eine zweites Einfallstor, um ein „fremdes“ IFV zu nutzen, ist das Prinzip der Meistbegünstigung („most-favored nation“, MFN): Gastländer dürfen nicht zwi-schen ausländischen Investoren aus unterschiedlichen Drittländern diskriminieren. In diesem Fall hat die Regierung des Herkunftslands mit mehreren Ländern IFV unterzeichnet – mit unterschiedlichen Schutz-standards. Ein ausländischer Investor aus einem die-ser Länder kann nun mit Hinweis auf MFN höhere Schutzstandards aus einem „fremden“ IFV für den In-vestitionsvertrag einfordern, den sein Heimatland mit seinem Gastland unterzeichnet hat. Grundsätzlich ist MFN ein wichtiger Schutzstandard für Unterneh-men, kann jedoch dann zum Problem werden, wenn die Vertragsländer in ihrem IFV bewusst bestimmte Schutzmöglichkeiten eingeschränkt oder die Klage-möglichkeit konditioniert haben.

Klagen Unternehmen über Briefkastenfirmen? Ein-deutige empirische Belege, dass „treaty shopping“ ein weit verbreitetes Problem ist, gibt es kaum. Allerdings deuten einige Studien darauf hin, dass manche IFV anfälliger für „treaty shopping“ sind als andere. Van

Os und Knottnerus kommen in ihren Untersuchun-gen beispielsweise zu dem Schluss, dass dies für nie-derländische IFV der Fall ist. Die Niederlande haben derzeit 96 IFV, von denen 90 in Kraft sind.36 Van Os und Knottnerus untersuchten im Jahr 2011 die bis zu diesem Zeitpunkt bekannten 41 ISDS-Fälle unter nie-derländischen IFV. Dies waren etwa zehn Prozent der zu dieser Zeit weltweit bekannten ISDS-Klagen – eine beachtliche Zahl für ein einzelnes Land. 29 dieser 41 Klagen wurden von Investoren aus Drittländern in-itiiert. Von diesen 29 Investoren waren wiederum 25 Briefkastenfirmen ohne Angestellte oder substanziel-le Geschäftsaktivitäten in den Niederlanden, so die Autoren der Studie. Einen Grund hierfür sehen die Autoren unter anderem in den breiten Definitionen von „Investor“ und „Investition“ in niederländischen IFV.37

Beispielsweise klagte 2006 die Rompetrol Group, ein rumänisches Ölunternehmen, dessen Hauptsitz zu-mindest offiziell in den Niederlanden liegt, über den IFV zwischen den Niederlanden und Rumänien gegen sein eigenes Heimatland Rumänien. Bei dem Büro in Amsterdam handelte es sich lediglich um eine Fi-nanzholding, während die Firmenzentrale in Bukarest liegt. Rompetrol konnte dennoch gegen Rumänien beim ICSID klagen, da es die im IFV festgeschriebe-nen Anforderungen an einen Investor erfüllte. Rom-petrol ist ein nach niederländischem Recht gegründe-tes Unternehmen.38

In einem ähnlichen Fall, TSA Spectrum de Argentina SA (TSA) gegen Argentinien, wies das Gericht die Kla-ge unter ICSID hingegen zurück. TSA war zu 100 Pro-zent im Besitz einer in den Niederlanden registrierten Finanzholding, die wiederum keine Angestellte vor Ort hatte. Das Gericht urteilte, dass die niederländi-sche Holding keine wirkliche Kontrolle ausübe und TSA selbst letztendlich Eigentum eines argentinischen

Mythos 7:„Treaty shopping“ ist ein weit verbreitetes Pro-blem: Unternehmen klagen mit Hilfe von Brief-kastenfirmen gegen eine Regierung, mit der ihr Herkunftsland kein IFV abgeschlossen hat. Durch Meistbegünstigungsklauseln kön-nen Investoren auf die für sie günstigsten IFV zurückgreifen.

36 UNCTAD, Investment Policy Hub, International Investment Agree-ments Navigator, <http://investmentpolicyhub.unctad.org/IIA> (eingesehen am 12.1.2015).

37 Roos van Os und Roeline Knottnerus, Dutch Bilateral Investment Treaties. A Gateway to ‚Treaty Shopping‘ for Investment Protection by Multinational Companies, Oktober 2011, S. 29 f., 23, <http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1974431>.

38 Investment Treaty Arbitration, The Rompetrol Group N.V. (Claim-ant) versus Romania (Respondent), ICSID Case No. ARB/06/3, 18.4.2008, <http://www.italaw.com/sites/default/files/case-docu-ments/ita0717.pdf>; van Os und Knottnerus, (2011), S. 33f.

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Staatsangehörigen sei. Somit liege keine ausländische Kontrolle des Unternehmens vor, wie es die ICSID-Konvention verlangt.39

Die Empirie zeigt jedoch auch, dass es sich bei Kla-gen über verbundene Unternehmen oder Niederlas-sungen nicht immer um Klagen von Briefkastenfirmen handelt. Dies zeigt beispielsweise der Streitfall Philip Morris Asia (PMA) gegen Australien – ein Fall, der von Kritikern oftmals als Beispiel für Klagen über Briefkastenfirmen herangezogen wird. Der regionale Hauptsitz von PMA liegt in Hongkong. Der dortige Firmensitz wurde 1984 gegründet und beschäftigt der-zeit rund 120 Angestellte.40

Neuere Investitionsabkommen wie das Investitions-kapitel in CETA schränken die Möglichkeit ein, über Briefkastenfirmen zu klagen. CETA sieht vor, dass ein „wesentlicher Teil der laufenden Geschäftsaktivitä-ten“ in dem jeweiligen Land stattfinden muss („has substantial business activities in the territory of that Party“).41

Berufen sich Unternehmen auf MFN, um in den Ge-nuss höherer Schutzstandards zu kommen? MFN-Klauseln in IFV ermöglichen es dem Investor, sich auf vorteilhafte Regeln anderer IFV zu berufen, die das Zielland mit beliebigen anderen Ländern abgeschlos-sen hat. Ein weit verbreitetes Phänomen ist dies je-doch nicht. Und ob ein Unternehmen mit Verweis auf MFN erfolgreich ist, eine andere schiedsgerichtliche Jurisdiktionszuständigkeit zu begründen als im Inve-stitionsschutzabkommen ursprünglich vorgesehen, ist alles andere als gewiss. So sind die Standards der Meistbegünstigung in Investitionsschutzabkommen unterschiedlich formuliert und unterscheiden sich in ihrer Reichweite. Allerdings zeigt sich hier auch eine der Schwachstellen im Schiedsgerichtsystem: Der MFN-Standard wird nicht immer gleich ausgelegt.

Die EU plant für zukünftige IFV, MFN einzuschrän-ken. Dies zeigt sich bereits bei CETA: Investoren aus Kanada oder der EU können nicht mit Verweis auf MFN prozessuale Rechte aus anderen IFV einfordern.

MFN-Klauseln in IFV sind grundsätzlich ein wichtiges Instrument zum Schutz von Unter-nehmen gegen Diskriminierung im Ausland. Um den Missbrauch von MFN zu verhindern, schließt CETA den „Import“ prozessualer Re-geln aus. CETA enthält zudem Klauseln, um die Klagemöglichkeit über Briefkastenfirmen einzu-schränken. Dies ist eine wichtige Neuerung in modernen Investitionsschutzabkommen.

39 van Os und Knottnerus, (2011), S. 33; Investment Treaty Arbitration, Award in the Matter of TSA Spectrum de Argentina S.A., Claim-ant, v. Argentine Republic, Respondent, ICSID Case No. ARB/05/5, 19.12.2008, S. 35, <http://italaw.com/sites/default/files/case-docu-ments/ita0874.pdf>.

40 McCabe Centre for Law & Cancer, Philip Morris Asia Challenge under Australia – Hong Kong Bilateral Investment Treaty, <http://www.mccabecentre.org/focus-areas/tobacco/philip-morris-asia-challenge> (eingesehen am 31.10.2014); Philip Morris International, Hong Kong: Country Overview, <http://www.pmi.com/marketpag-es/pages/market_en_hk.aspx> (eingesehen am 31.10.2014). Eine ausführliche Beschreibung des Falls finden Sie im Kapitel „Zehn ISDS-Fälle in der öffentlichen Debatte: Ein genauer Blick lohnt sich“.

41 Foreign Affairs, Trade and Development Canada, Consolidated CETA Text, 10. Investment, Article X.3: Definitions, <http://www.international.gc.ca/trade-agreements-accords-commerciaux/agr-acc/ceta-aecg/text-texte/10.aspx?lang=eng> (eingesehen am 27.10.2014).

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Die Vergangenheit zeigt, dass US-Investoren nicht klagefreudiger sind als Investoren aus anderen Län-dern. Als einzelnes Land betrachtet stammen zwar die meisten Klagen aus den USA: Bis einschließlich 2013 wurden insgesamt 127 Klagen von US-Investo-ren initiiert. Jedoch leiteten Investoren aus der EU im gleichen Zeitraum mit 300 Klagen mehr als doppelt so viele Investor-Staat-Schiedsverfahren ein als US-Investoren (s. Abb. 5).42 Und obwohl die USA bereits mit neun EU-Ländern Investitionsabkommen haben (Polen, Tschechische Republik, Slowakei, Rumänien, Estland, Bulgarien, Lettland, Kroatien und Litauen), gab es keine Flut von Investor-Staat-Schiedsverfahren gegen diese Länder. Im Gegenteil haben US-Inve-storen bisher insgesamt nur neun Klagen gegen EU-Mitgliedstaaten eingereicht, vier gegen Polen, drei gegen Rumänien sowie jeweils eine Klage gegen die Tschechische Republik und Estland. In den Streitfäl-len zwischen US-Investoren, der Tschechische Repu-blik, Estland und Rumänien, die bereits abgeschlossen wurden, haben die Staaten gewonnen. Gegen Bulgari-en, Kroatien, die Slowakei, Lettland und Litauen ha-ben US-Investoren noch nie geklagt, obwohl die IFV der USA mit diesen Ländern die Möglichkeit zu ISDS bieten.43

Auch wurde der Großteil der bis Ende 2013 einge-reichten Klagen gegen EU-Mitgliedstaaten nicht von US-amerikanischen Investoren initiiert, sondern von Investoren aus anderen EU-Mitgliedstaaten (88 der 117 Fälle gegen EU-Mitgliedstaaten).44

Eine weitere Beobachtung spricht dafür, dass unter TTIP mit keiner Klagewelle zu rechnen ist. Im Rahmen von NAFTA sind die Klagen durch US-Investoren im Gegensatz zum weltweiten Trend in den letzten Jah-ren nicht gestiegen. Stattdessen variiert die Zahl der Klagen unter den NAFTA-Ländern von einer bis neun Klagen pro Jahr. Zudem ist die Erfolgsrate von Inve-storen bei ISDS-Klagen unter NAFTA nicht höher als im weltweiten Durchschnitt, sondern niedriger. Bei Klagen unter NAFTA hat der Investor lediglich in 25 Prozent der Fälle gewonnen, während der Staat in 62,5 Prozent der Fälle gewonnen hat (12,5 Prozent der Fälle wurden beigelegt). Weltweit haben Investoren laut UNCTAD in Fällen, die zwischen 1993 und 2013 abgeschlossen wurden, in 31 Prozent aller ISDS-Fälle gewonnen und der Staat in 43 Prozent (s. Abb. 14).45

Mythos 8:Ein Kapitel zum Investitionsschutz in TTIP wird eine Welle von Investor-Staat-Schiedsverfahren gegen die EU auslösen. US-Amerikaner sind für ihre Prozesssucht bekannt und US-Investo-ren werden dieses Instrument nutzen, um auf Kosten der europäischen Steuerzahler gegen EU-Regierungen vorzugehen.

US-Unternehmen sind nicht klagefreudiger als europäische Unternehmen, auf deren Konto bisher weltweit die meisten ISDS-Verfahren ge-hen. Auch die bisherigen Klagen von US-Inves-toren gegen EU-Länder geben keinen Grund zur Sorge vor einer Prozesswelle.

42 UNCTAD, Investor-State Dispute Settlement: An Information Note on the United States and the European Union, Juni 2014, S. 8, <http://unctad.org/en/PublicationsLibrary/webdiaepcb2014d4_en.pdf>.

43 UNCTAD, (Juni 2014), S. 9; UNCTAD Database of Treaty-Based Investor-State Dispute Settlement Cases (Pending and Concluded) (eingesehen am 28.10.2014).

44 UNCTAD, (Juni 2014), S. 1.45 Tietje und Baetens, (2014), S. 49.

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Wie stark fördern IFV ausländische Direktinvestitio-nen (ADI)? Ökonometrische Studien, die den Zusam-menhang zwischen IFV und ADI-Flüssen untersuchen, kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen.46 Die Stu-dien betrachteten teilweise unterschiedliche Zeiträume, Länder und Einflussvariablen, und sie verwendeten verschiedene ökonometrische Methoden. Während beispielsweise Hallward-Driemeier47 in einer Studie aus dem Jahr 2003 keinen statistisch signifikanten Effekt von IFV auf ADI-Zuflüsse feststellen konnte, kam Ban-ga48 im selben Jahr zu dem Schluss, dass IFV Zuflüsse von Direktinvestitionen bedeutend fördern. Insbeson-dere steigen laut den Ergebnissen von Banga Investi-tionsflüsse in solche Entwicklungsländer, die ein IFV mit einem Industrieland geschlossen haben. Während Gallagher und Birch49 im Jahr 2006 wiederum keinen positiven Effekt von IFV auf ADI fanden, bestätigten andere Studien (z. B. Neumayer und Spess50, 2005, und Tobin und Rose-Ackermann, 2006) die Erkenntnis, dass IFV zwischen Entwicklungs- und Industrieländern die ADI-Flüsse in Entwicklungsländer erhöhen. Zum sel-ben Ergebnis kamen 2008 auch Busse, Koeniger und Nunnenkamp.51 Umfragen unter Investoren haben ebenfalls ergeben, dass IFV eine Rolle bei der Entschei-dung darüber spielen, wo das Unternehmen investiert.52

In jedem Fall haben IFV eine wichtige Signalwirkung. Mit dem Abschluss eines IFV zeigen Länder, dass sie bereit sind, sich Regeln zu unterwerfen, um ausländi-schen Investoren gerechte Bedingungen zu ermögli-chen. Je mehr IFV ein Land unterzeichnet hat, desto geringer ist jedoch dieser Effekt bei einem neu abge-schlossenen IFV. Dies zeigt die Studie von Tobin und Rose-Ackermann aus dem Jahr 2006. Diese fand zwar einen positiven Effekt von IFV auf ADI-Flüsse, jedoch wird der marginale Nutzen eines zusätzlichen IFV für ein Land kleiner, je mehr IFV es unterzeichnet hat. 53

Grundsätzlich hängen Investitionsentscheidungen von vielen Faktoren ab. Neben den politischen und recht-lichen Rahmenbedingungen spielen etwa Marktgröße, Marktwachstum und die Förderung der Unterneh-menstätigkeit eine große Rolle. Für kleine und mittlere Unternehmen ist das größte Hemmnis für Direktinve-

stitionen im Ausland die fehlende Rechtssicherheit im Gastland.54 IFV sind somit ein wichtiger Faktor, der In-vestitionsentscheidungen beeinflusst.

IFV erhöhen die Sicherheit, Transparenz, Stabilität und Vorhersehbarkeit des Investitionsrahmens eines Lan-des. Sie stärken das Vertrauen in das Zielland und sen-ken die politischen Risiken. IFV sind deshalb insbeson-dere für kleine und mittlere Unternehmen von Vorteil. Laut einer OECD-Studie reichten in 22 Prozent der be-trachteten Fälle (die Studie untersucht 50 ICSID- und 45 UNCITRAL-Fälle) kleine Unternehmen eine Klage ein (s. Abb. 18).55

Mythos 9:IFV haben keinen Einfluss auf Investitions-ströme. Investitionen fließen auch ohne IFV.

Grundsätzlich hängen Investitionsentscheidun-gen von vielen Faktoren ab. Doch gerade für kleine und mittlere Unternehmen ist das größte Hemmnis für Direktinvestitionen im Ausland die fehlende Rechtssicherheit im Gastland. IFV ha-ben für Investoren eine wichtige Signalwirkung.

46 UNCTAD, The Role of International Investment Agreements in At-tracting Foreign Direct Investment to Developing Countries, New York und Genf, 2009, S. 125-129, <http://unctad.org/en/docs/di-aeia20095_en.pdf>.

47 Mary Hallward-Driemeier, Do Bilateral Investment Treaties Attract Investment? Only a Bit and They Could Bite, World Bank Policy Re-search Paper, WPS 3121, 2003, Washington D.C.: World Bank.

48 Rashmi Banga, The Impact of Government Policies and Investment Agreements on FDI Inflows, Working Paper No. 116, November 2003, Indian Council for Research on International Economic Rela-tions, New Delhi.

49 Kevin Gallagher und Melissa Birch, „Do Investment Agreements At-tract Investments? Evidence from Latin America“, in: The Journal of World Investment and Trade, 2006, Vol. 7, No. 6, S. 961-974.

50 Eric Neumayer und Laura Spess, „Do Bilateral Investment Treaties Increase Foreign Direct Investment to Developing Countries?“, in: World Development, 2005, Vol. 33, No. 10, S. 1567–1585.

51 Busse et al., FDI Promotion through Bilateral Investment Treaties: More Than a BIT?, Kiel Working Papers No. 1403, 2008.

52 UNCTAD, (2009), S. 111.53 Jennifer Tobin und Susan Rose-Ackermann, Bilateral Investment

Treaties: Do They Stimulate Foreign Direct Investment?, mimeo., Juni 2006, Yale University.

54 KfW Economic Research/Creditreform, Internationalisierung im deutschen Mittelstand, 2012, S. 38.

55 David Gaukrodger und Kathryn Gordon, Investor-State Dispute Settlement: A Scoping Paper for the Investment Policy Commu-nity, OECD Working Papers on International Investment, 2012/03, OECD Publishing, S.17, <http://www.oecd.org/investment/invest-ment-policy/WP-2012_3.pdf>.

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Private und öffentliche Investitionsversicherungen und -garantien sind wichtige Instrumente für Unter-nehmen, um ihre politischen Risiken zu mindern. Der Zugang zu diesen Instrumenten ist jedoch nicht immer garantiert. Die Vergabe öffentlicher Investiti-onsgarantien hängt oftmals von den entwicklungspo-litischen Zielen eines Staates ab. Private Versicherun-gen gehen häufig mit hohen Kosten einher, die gerade kleine Unternehmen nicht tragen können. Außerdem sind IFV oftmals eine Voraussetzung dafür, dass der-artige Versicherungen gewährt werden.

Die Gründung von Joint Ventures mit Unternehmen des Anlagelands ist gerade für solche Unternehmen keine Alternative, die auf innovative Ideen angewie-sen sind. Denn häufig erfordert dieses Modell, dass auch sensible Geschäftsinformationen und Techno-logien mit Unternehmen und Behörden des Anlage-lands geteilt werden.

Individuelle Verträge mit dem Anlageland können In-vestitionsrisiken tatsächlich senken, aber auch sie sind kein Ersatz für IFV und ISDS. Vielmehr sind IFV ein Instrument zum Schutz vor einer willkürlichen Verlet-zung eben dieser individuell ausgehandelten Verträge.

IFV, die Regelungen zu Investor-Staat-Schiedsver-fahren enthalten, schließen also eine wichtige Lücke und gewährleisten Sicherheit im Investitionsschutz, die durch kein anderes Instrument garantiert werden kann.

Mythos 10:IFV sind überflüssig, da Auslandsinvestitionen auch über private und öffentliche Versicherun-gen, Joint Ventures und individuelle Verträge mit dem Gastland des Investors abgesichert werden können.

Bei der Absicherung politischer Risiken bei Auslandsinvestitionen gibt es keine Alternative zu IFV und ISDS. Andere Instrumente können diese völkerrechtlichen Schutzmechanismen ergänzen, aber keinesfalls ersetzen.

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21

Die wichtigsten Daten auf einen Blick56

Grenzüberschreitende Direktinvestitionen (ADI) in Mrd. US$ Anzahl weltweiten IFV

Mehr Investitionen erfordern mehr RechtsschutzGrenzüberschreitende Direktinvestitionen (Bestände in Mrd. US$) und Anzahl der weltweiten Investitionsförder- und -schutzverträge (IFV)

Quelle: UNCTAD, World Investment Report, <www.unctad.org/wir> (eingesehen am 6.1.2015).

30.000

25.000

20.000

15.000

10.000

5.000

0

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

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1993

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1996

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2001

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1987

1988

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1990

1991

1992

3.500

3.000

2.500

2.000

1.500

1.000

0

500

Grenzüberschreitende Direktinvestitionen (FDI) in Mrd. US$ Anzahl ISDS-Fälle pro Jahr

30.000

25.000

20.000

15.000

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5.000

0

2003

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70

60

50

40

30

20

0

10

Mehr Investitionen führen zu mehr InvestitionsstreitigkeitenGrenzüberschreitende Direktinvestitionen (Bestände in Mrd. US$) und Anzahl der ISDS-Fälle pro Jahr

Quelle: UNCTAD, World Investment Report, <www.unctad.org/wir>(eingesehen am 6.1.2015).

Grenzüberschreitende Direktinvestitionen (FDI) in Mrd. US$ Anzahl ISDS-Fälle pro Jahr

30.000

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2001

2002

1987

1988

1989

1990

1991

1992

70

60

50

40

30

20

0

10

Mehr Investitionen führen zu mehr InvestitionsstreitigkeitenGrenzüberschreitende Direktinvestitionen (Bestände in Mrd. US$) und Anzahl der ISDS-Fälle pro Jahr

Quelle: UNCTAD, World Investment Report, <www.unctad.org/wir>(eingesehen am 6.1.2015).

Abbildung 1

Abbildung 2

56 Die aktuell verfügbaren UNCTAD-Statistiken erfassen ISDS-Fälle von 1987 bis Ende 2013.

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22

Deutschland hat nicht nur mit Enwicklungsländern Investitionsverträge Von insgesamt 129 deutschen IFV sind viele mit wirtschaftlich und rechtlich entwickelten Staaten

Quelle: Liste deutscher Investitionsschutzabkommen unter <http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/B/bilaterale-investitionsfoerderungs-und-schutzvertraege-IFV,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf>.

11

13

10

*Klassifizierung fortgeschrittener Volkswirtschaften nach IWF <http://www.imf.org/external/pubs/ft/weo/2010/02/weodata/groups.htm#oem>.

10

12

14

8

6

4

2

0OECD-Staaten EU-Staaten Fortgeschrittene

Volkswirtschaften*

Schwellenländer 2 %

Industrieländer 85 %

Entwicklungsländer 13 %

Klagende Unternehmen weltweit: meist aus IndustrieländernHerkunftsländer der Kläger (bis Ende 2013)

Quelle: UNCTAD, IIA Issue Note: Recent Developments in Investor-State Dispute Settlement, April 2014, <http://unctad.org/en/PublicationsLibrary/webdiaepcb2014d3_en.pdf>.

Abbildung 3

Abbildung 4

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BDI-HintergrundpapierISDS: Mythen, Fakten, Argumente

23

Aus der EU 53 % (300 Klagen)

Andere Herkunftsländer 25 % (141 Klagen)

Aus den USA 22 % (127 Klagen)

Investoren aus der EU klagen öfter als US-InvestorenHerkunftsland der Kläger bei ISDS-Klagen in Prozent (weltweite Klagen bis Ende 2013)

Quelle: UNCTAD, IIA Issue Note: Investor-State Dispute Settlement: An Information Note on the United States and the European Union, Juni 2014, <http://unctad.org/en/PublicationsLibrary/webdiaepcb2014d4_en.pdf>.

53

24

40

22

Anteil an Klagen (Prozent) Anteil an ADI (Prozent)

50

60

40

30

20

10

0Klagen aus der EU Klagen aus den USA

US-Kläger zurückhaltender als Kläger aus der EU Anteil der weltweiten Klagen (bis Ende 2013) und Anteil an den weltweiten Direktinvestitionen (Bestand 2013)

Quelle: UNCTAD, IIA Issue Note: Investor-State Dispute Settlement: An Information Note on the United States and the European Union, Juni 2014, <http://unctad.org/en/PublicationsLibrary/webdiaepcb2014d4_en.pdf>; UNCTAD, World Investment Report, S. 209, <http://www.unctad.org/wir> (eingesehen am 8. Januar 2015).

Abbildung 5

Abbildung 6

Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.Abteilung Außenwirtschaftspolitik

BDI-HintergrundpapierISDS: Mythen, Fakten, Argumente

24

127

61

43

39

Niederlande

USA

Vereinigtes Königreich

Deutschland

500 100 150

Die häufigsten Herkunftsländer der Kläger Gesamtzahl der weltweit eingereichten Klagen (bis Ende 2013)

Quelle: UNCTAD, IIA Issue Note: Recent Developments in Investor-State Dispute Settlement, April 2014, <http://unctad.org/en/PublicationsLibrary/webdiaepcb2014d3_en.pdf>.

Industrieländer 27 %

Schwellenländer 16 %

Entwicklungsländer 57 %

Verklagte Länder: meist EntwicklungsländerWeltweite Klagen richten sich gegen Länder dieser Ländergruppen (bis Ende 2013)

Quelle: UNCTAD, IIA Issue Note: Recent Developments in Investor-State Dispute Settlement, April 2014, <http://unctad.org/en/PublicationsLibrary/webdiaepcb2014d3_en.pdf>.

Abbildung 7

Abbildung 8

Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.Abteilung Außenwirtschaftspolitik

BDI-HintergrundpapierISDS: Mythen, Fakten, Argumente

25

53

36

27

23

22

22

21

16

15

14

Ecuador

USA

Mexiko

Polen

200 40 60

Argentinien

Venezuela

Tschechische Republik

Ägypten

Kanada

Indien, Kasachstan

10 30 50

Weltweit am häufigsten verklagte Länder Anzahl der ISDS-Klagen gegen ein Land (bis Ende 2013)

Quelle: UNCTAD, IIA Issue Note: Investor-State Dispute Settlement: An Information Note on the United States and the European Union, Juni 2014, <http://unctad.org/en/PublicationsLibrary/webdiaepcb2014d4_en.pdf>; Worldbank, Worldwide Governance Indicators, <http://www.govindicators.org> (eingesehen am 8.1.2015).

Lateinamerika 29 %

Europäische Union 29 %

Asien 17 %

Osteuropa 11 %

Afrika und Naher Osten 14 %

EU-Investoren klagen meist gegen Staaten der EU und LateinamerikasDie 300 ISDS-Klagen europäischer Unternehmen richteten sich gegen Staaten in diesen Regionen (Prozent, bis Ende 2013)

Quelle: UNCTAD, Database of Investor-State Dispute Settlement (ISDS) (reduced version), <http://unctad.org/en/Pages/DIAE/ISDS.aspx> (eingesehen am 8.1.2015).

Abbildung 9

Abbildung 10

Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.Abteilung Außenwirtschaftspolitik

BDI-HintergrundpapierISDS: Mythen, Fakten, Argumente

26

31

23

22

23

11

11

9

8

8

7

Polen

Indien

Russland

Bolivien

100 20 35

Argentinien

Venezuela

Tschechische Republik

Ägypten

Ungarn

Türkei, Ukraine

5 15 3025

Die zehn häufigsten Klagegegner von EU-Investoren weltweit Von den 300 ISDS-Klagen von Unternehmen aus der EU richteten sich so viele gegen diese Staaten (bis Ende 2013)

Quelle: UNCTAD, IIA Issue Note: Investor-State Dispute Settlement: An Information Note on the United States and the European Union, Juni 2014, <http://unctad.org/en/PublicationsLibrary/webdiaepcb2014d4_en.pdf>.

Afrika und Naher Osten 12,8 %

Europäische Union 46,2 %

Lateinamerika 17,9 %

Osteuropa 7,7 %

Asien 15,4 %

Deutsche Investoren klagen meist gegen EU-StaatenDie 39 ISDS-Klagen deutscher Unternehmen richteten sich gegen Staaten in diesen Regionen (Prozent, bis Ende 2013)

Quelle: UNCTD, Database of Investor-State Dispute Settlement (ISDS) (reduced version), <http://unctad.org/en/Pages/DIAE/ISDS.aspx> (eingesehen am 8.1.2015).

Abbildung 11

Abbildung 12

Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.Abteilung Außenwirtschaftspolitik

BDI-HintergrundpapierISDS: Mythen, Fakten, Argumente

27

88

10

4 3 3 2 2 2 1 1 1 1 1

80

Vene

zuel

a

Indi

en

Türk

ei

Isra

el

Jord

anie

n

Chi

na

Arge

ntin

ienEU

USA

Schw

eiz

Nor

weg

en

Rus

slan

d

Kana

da

100

70

90

60

30

50

20

40

10

0

*In der Zählung unten kommt man auf 119 Klagen aufgrund von zwei Klagen, die doppelt gezählt werden: 2006 klagten Investoren aus den Niederlanden und den USA gegen Estland; 2012 klagten Investoren aus den Niederlanden und der Schweiz gegen Ungarn.

EU-Länder werden zumeist von EU-Investoren verklagtAus diesen Länder kamen die 117* ISDS-Klagen gegen Staaten der EU

Quelle: UNCTD, Database of Investor-State Dispute Settlement (ISDS) (reduced version), <http://unctad.org/en/Pages/DIAE/ISDS.aspx> (eingesehen am 8.1.2015).

Staat hat gewonnen 43 %

Investor hat gewonnen 31 %Fall beigelegt 26 %

ISDS: Staaten gewinnen häufiger als UnternehmenAusgang der ISDS-Verfahren weltweit (274 abgeschlossene Verfahren bis Ende 2013)

Quelle: UNCTAD, IIA Issue Note: Recent Developments in Investor-State Dispute Settlement, April 2014, <http://unctad.org/en/PublicationsLibrary/webdiaepcb2014d3_en.pdf>.

Abbildung 13

Abbildung 14

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BDI-HintergrundpapierISDS: Mythen, Fakten, Argumente

28

Staat hat gewonnen 50 %

Investor hat gewonnen 24 %Fall beigelegt 26 %

EU-Länder gewinnen meistens gegen UnternehmenAusgang der ISDS-Verfahren gegen EU-Mitgliedstaaten (54 abgeschlossene Verfahren bis Ende 2013)

Quelle: UNCTAD, IIA Issue Note: Investor-State Dispute Settlement: An Information Note on the United States and the European Union, Juni 2014, <http://unctad.org/en/PublicationsLibrary/webdiaepcb2014d4_en.pdf>.

35

327

39

422

414

821

1553

Kasachstan

Mexiko

200 40 60

Moldawien

Tschechische Republik

Russland

Ecuador

Argentinien

10 30 50

Verlorene Klagen des Landes Eingereichte Klagen gegen Land insgesamt

Am häufigsten unterlegene Länder bei InvestorenklagenSo viele Klagen haben Länder in ISDS-Verfahren verloren und so häufig wurden sie angeklagt (bis Ende 2013)

Quelle: UNCTAD, Database of Investor-State Dispute Settlement (ISDS) (reduced version), <http://unctad.org/en/Pages/DIAE/ISDS.aspx> (eingesehen am 8.1.2015). Die Zahlen der gegen Argentinien, Mexiko, die Tschechische Republik und Kasachstan insgesamt eingereichten Klagen stammen aus: UNCTAD, IIA Issue Note: Investor-State Dispute Settlement: An Information Note on the United States and the European Union, Juni 2014, <http://unctad.org/en/PublicationsLibrary/webdiaepcb2014d4_en.pdf>.

Abbildung 15

Abbildung 16

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29

Andere Sektoren 25 %

Öl, Gas, Bergbau 26 %Wasser, Sanitär & Hochwasserschutz 6 %

Elektriziät & andere Energie 13 %

Transport 10 %

Information & Kommunikation 6 %

Finanzwesen 7 %

Bauindustrie 7 %

ISDS-Klagen häufig in Sektoren mit starker Intervention des StaatesVerteilung aller ISDS-Klagen weltweit nach Wirtschaftssektor (bis Ende 2013)

Quelle: ICSID, The ICSID Caseload - Statistics, Issue 2014-1, 2014, S. 12, via <https://icsid.worldbank.org/apps/ICSIDWEB/resources/Pages/ICSID-Caseload-Statistics.aspx> (eingesehen am 12.1.2015).

Kleine Investoren (Einzelpersonen, sehr kleine Unternehmen, häufig Familienunternehmen) 22 %Mittlere oder große multinationale Unternehmen 45 %

Wenige oder keine öffentlichen Informationen 33 %

ISDS ist auch ein Instrument für kleine und mittlere Unternehmen (KMU)Kläger bei 95 ISDS-Verfahren* nach Größenklasse

Quelle: David Gaukrodger and Kathryn Gordon, Investor-State Dispute Settlement: A Scoping Paper for the Investment Policy Community, OECD Working Papers on International Investment, Dezember 2012, S. 18, <http://www.oecd.org/daf/inv/investment-policy/WP-2012_3.pdf>.

*Auswertung von Fällen von April 2006 bis April 2010.

Abbildung 17

Abbildung 18

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30

Ablauf eines ISDS-Verfahrens bei Fällen, die unter ICSID-Regeln verhandelt werden

Information der betroffenen Regierung durch den Investor

„Cool Down“-Periode: Verhandlungen zwischen Investor und Staat

Beantragung eines Schiedsverfahrens(Investor und Gaststaat müssen

ICSID-Mitglieder sein)

Schriftlicher Antrag an ICSID-Generalsekretär

Registrierung

Konstituierung des Tribunals (3 Schiedsrichter)

Beratungen, schriftliches und mündliches Verfahren

(nationale Gerichte sind nicht eingebunden)

Schiedsspruch• Aufteilung der Verfahrenskosten• Schadenersatz

Urteil ist für Vertragsstaaten rechtlich bindend und nur bei Verfahrensfehlern anfechtbar. Eine Revision ist nicht vorgesehen.

Nachträgliche Maßnahmen:Annullierung, Interpretation, Revision

Vollstreckung des Urteils:• Anerkennung des völkerrechtlichen Urteils in ICSID-Mitgliedsstaat durch Vorlage des ICSID-Schiedsspruchs bei nationalem Gericht• Auszahlung der Strafe durch den Staat• Pfändung von Eigentum des angeklagten Staates in beliebigem ICSID-Staat möglich

In IFV wird oftmals festgelegt, nach welchen Verfahrensregeln und bei welcher Organisation ein ISDS-Fall abgewickelt wird. Das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitions-streitigkeiten (International Centre for Settlement of Invest-ment Disputes, ICSID) ist eine internationale Schiedsinstitu-tion mit Sitz in Washington, die der Weltbankgruppe angehört. Das ICSID unterstützt die Streitbeilegung vor allem bei Strei-tigkeiten im Rahmen von bilateralen Investitionsförder- und Schutzabkommen (IFV/BITs). Grundlage für die Arbeit von ICSID ist das ICSID-Übereinkommen aus dem Jahr 1966, das mittlerweile 154 Staaten unterzeichnet haben.

• Investor benennt einen Schiedsrichter• Angeklagter Staat ernennt einen Schiedsrichter• Investor und angeklagter Staat einigen sich auf einen Vorsitzenden Schiedsrichter

ICSID führt eine Schiedsrichterliste. Jeder Mitgliedsstaat kann vier Richter für diese Liste benennen. Für Deutschland benennt das BMWi die vier Schiedsrichter.

Eine inhaltliche Prüfung des Schiedsspruchs bzw. der An-sprüche draus findet nicht statt. Eine Aufhebung des Urteils ist nur aus Verfahrensgründen möglich:

• Schiedsgericht wurde nicht ordnungsgemäß gebildet oder andere Verfahrensvorschrift nicht eingehalten• Schiedsgericht hat Befugnisse überschritten• Schiedsrichter wurde bestochen• Schiedsspruch wurde nicht begründet

Abbildung 19

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31

Vor dem Hintergrund der TTIP-Verhandlungen ist eine höchst kontroverse Debatte um das Thema In-vestor-Staat-Schiedsverfahren entbrannt. Einige dieser Schiedsverfahren werden in der öffentlichen Diskus-sion immer wieder als abschreckende Beispiele an-geführt. Häufig gestalten sich die Fälle bei genauerer Betrachtung jedoch deutlich komplexer als von ISDS-Kritikern dargestellt.57 Die meisten der Fälle sind zu-dem noch nicht entschieden. Im Folgenden werden einige ausgewählte Streitfälle auf Basis öffentlich zu-gänglicher Dokumente kurz beschrieben.

Lone Pine vs. Kanada

Forum: UNCITRAL

IFV: Nordamerikanisches Freihandelsabkommen (Nor-th American Free Trade Agreement, NAFTA) (unter-zeichnet 1992)

Lone Pine ist im US-Bundestaat Delaware als Unter-nehmen eingetragen und die Muttergesellschaft von Lone Pine Resources Canada Ltd. Lone Pine Resour-ces Canada hat seinen Hauptsitz in Calgary, Kana-da. Sowohl Lone Pine als auch Lone Pine Resources Canada waren in der Zeit, als die im Folgenden be-schriebene Investition erfolgte, ihrerseits 100-pro-zentige Tochterunternehmen des US-Unternehmens Forest Oil Corporation. Als US-Unternehmen kann Lone Pine auf der Grundlage der ISDS-Vorschriften des NAFTA-Investitionskapitels im Namen von Lone Pine Resources Canada gegen die kanadische Regie-rung klagen.

Das Unternehmen Junex Inc. aus Quebec war 2006 im Besitz von vier Öl- und Gasexplorationslizenzen für vier kanadische Gebiete des Utica Shale, einem Gebiet mit schieferhaltigen Gesteinsformationen, das sich von den USA bis nach Kanada erstreckt. Forest Oil war ebenfalls an diesen Lizenzen interessiert und einigte sich am 5. Juni 2006 mit Junex auf ein „Far-mout Agreement“, durch das Forest Oil die Option einer 100-prozentigen Beteiligung an den Lizenzen

erwarb. Forest Oil beteiligte sich finanziell an Boh-rungen und dem Bau von Anlagen und Pipelines. Laut der Vereinbarung sollte Junex die ersten Bohrun-gen und die gesteinsphysikalischen Untersuchungen durchführen und die entstehenden Kosten mit Forest Oil teilen. Nachdem Junex die Ergebnisse der gesteins-physikalischen Untersuchung an Forest Oil geschickt hatte, sollte Forest Oil sechs Monate Zeit haben, um zu entscheiden, ob das Unternehmen von der Option einer 100-prozentigen Beteiligung Gebrauch machen möchte. Falls ja, hätte Forest Oil 18 Monate Zeit, um einen unbekannten Betrag auf Bohrungen, den Bau von Anlagen, Pipelines und andere Aktivitäten zu ver-wenden, um die 100-prozentige Beteiligung zu erwer-ben.

Forest Oil war vor allem an einem besonders erfolgver-sprechenden Abschnitt des Sankt-Lorenz-Stroms in-teressiert. Am 28. Juli 2006, also kurz nach Abschluss des „Farmout Agreements“, beantragte zunächst Lone Pine Resources Canada eine Explorationslizenz für Erdgas für dieses Gebiet. Einige Monate später, am 14. Dezember 2006, vereinbarten jedoch Forest Oil und Junex im „River Permit Agreement“, dass Forest Oil den Antrag wieder zurückzieht und stattdessen Ju-nex diese Lizenz beantragen sollte. Diese würde dann unter den gleichen Konditionen des „Farmout Agree-ments“ stehen wie die vier Lizenzen, die Junex bereits besaß. Forest Oil leitete die im „Farmout Agreement“ und „River Permit Agreement“ vereinbarten Schritte ein, die notwendig waren, um die 100-prozentige Be-teiligung an den Explorationslizenzen zu erwerben. Im März 2009 erteilte das Ministerium für natürliche Ressourcen der Provinz Quebec Junex die Explora-tionslizenz für den besonders erfolgsversprechenden Abschnitt des Flusses (die „River Permit“). Im April 2009 übertrug Forest Oil seine gesamten Rechte, Pflichten, Nutzen und Lasten an Lone Pine Resources

Zehn ISDS-Fälle in der öffentlichen Debatte: Ein genauer Blick lohnt sich

Kanadisches Unternehmen klagt über US-Briefkastenfirma gegen Fracking-Verbot in Kanada?

57 Auswahl von Falldarstellungen von TTIP-Kritikern: Thomas Fritz, TTIP vor Ort, Publikation im Auftrag von campact, 2014, <http://blog.campact.de/wp-content/uploads/2014/09/Campact_TTIP_vor_Ort.pdf>; Pia Eberhardt, Investitionsschutz am Scheideweg. TTIP und die Zukunft des globalen Investitionsrechts, Internationa-le Politikanalyse, Friedrich-Ebert-Stiftung (Hg.), Mai 2014, <http://library.fes.de/pdf-files/iez/global/10773-20140603.pdf>; Green-peace Austria, TTIP: Häufig gestellte Fragen zum Investor-State-Dispute-Settlement (ISDS), 20.3.2014, <http://www.greenpeace.org/austria/de/News/Aktuelle-Meldungen/Gentechnik-News/2014/TTIP-Haufigste-Fragen-zu-Investor-State-Dispute-Settlement-ISDS-/>; attac Deutschland, Freihandelsabkommen TTIP stoppen, <https://www.youtube.com/watch?v=Ljxv-yFBPQ8> (eingesehen am 13.1.2015); attac Deutschland, Investitionsschutz. Der Wolf im Schafspelz, < http://www.wolf-im-freihandelspelz.de> (eingesehen am 13.1.2015).

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Canada. Im Januar 2010 übertrug schließlich Junex so-wohl die Beteiligung an der „River Permit“ als auch an den vier weiteren Explorationslizenzen an Lone Pine Resources Canada, nachdem zuvor Forest Oil alle notwendigen Bedingungen für die Übertragung erfüllt hatte. Im April 2010 erfolgte die offizielle Übertragung aller Beteiligungen an den Lizenzen von Junex auf Lone Pine Resources Canada durch das Ministerium für natürliche Ressourcen der Provinz Quebec.58

Die Förderung von Gas unter dem Sankt-Lorenz-Strom ist in Kanada umstritten. Zahlreiche zivilgesell-schaftliche Gruppen forderten von der Regierung von Quebec, die Exploration und Erschließung von Schie-fergas zu begrenzen. Nach einer öffentlichen Konsul-tation setzte die Regierung einen Expertenausschuss ein. Noch vor dem Abschluss der Untersuchung der Experten veröffentlichte die Regierung im November 2010 den Entwurf eines Moratoriums für die Explora-tion und Förderung von Schiefergas unter dem Sankt-Lorenz-Strom. Gleichzeitig informierte das Ministe-rium Lone Pine und Junex jedoch, dass sie auf der Grundlage des „River Permit“ auch künftig Zugang zu den Vorkommen haben würden.

Im Juni 2011 verabschiedete die Nationalversamm-lung von Quebec jedoch ein Gesetz, durch das alle Genehmigungen von Abbaurechten und Exploratio-nen für einen Teil des Sankt-Lorenz-Stroms (inklusive dem Abschnitt, für den die „River Permit“ galt) ohne Kompensation zurückgezogen werden sollten. Am 6. September 2013 reichte Lone Pine eine ISDS-Klage gegen Kanada ein. Das Unternehmen beschuldigte die kanadische Regierung, mit dem Gesetz gegen den Schutz vor kompensationsloser Enteignung und ge-gen Mindestnormen für die Behandlung von Investo-ren in NAFTA (faire und gerechte Behandlung, voller Schutz und Sicherheit) verstoßen zu haben. Kanada habe damit die berechtigten Erwartungen von Lone Pine verletzt. Zudem erfüllte der Entzug der Explo-rations- und Bergbaurechte laut dem Unternehmen keinen berechtigten öffentlichen Zweck, da das Mo-ratorium bereits verhängt worden war, bevor die Un-tersuchungskommission ihre Ergebnisse vorlegt hatte.

Das Unternehmen forderte eine Entschädigungszah-lung in Höhe von 250 Millionen Kanadischen Dollar, der Fall ist bisher noch nicht entschieden.59

Im ISDS-Verfahren Lone Pine gegen Kanada geht es nicht darum, entgegen geltendem Umweltrecht in Kanada Schiefergas fracken zu dürfen. Vielmehr kritisiert das Unterneh-men, dass die kanadische Regierung mehre-ren im NAFTA-Investitionskapitel festgehalte-nen Grundsätzen widersprochen hat, indem sie eine zuvor gewährte Explorationslizenz kom-pensationslos zurückgezogen hat.

Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

58 Investment Treaty Arbitration, Lone Pine Resources Inc. v. The Gov-ernment of Canada, Notice of Arbitration, via <http://www.italaw.com/cases/documents/1607> (eingesehen am 13.1.2015).

59 Investment Treaty Arbitration, Lone Pine Resources Inc. v. The Gov-ernment of Canada, Notice of Arbitration; Thomas P. O’Leary et al., „Canada“, in: James H. Carter (ed.), The International Arbitration Review, fourth edition, 2013, pp. 115-130, <http://www.dentons.com/~/media/FMC%20Import/publications/pdf/c/Canada%20-%20International%20Arbitration%20Review%20edition%204.pdf>; UNCTAD, Recent Developments in Investor-State Dispute Settlement (ISDS), April 2014, <http://unctad.org/en/publicationsli-brary/webdiaepcb2014d3_en.pdf>.

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Veolia vs. Ägypten

Forum: ICSID

IFV: Investitionsschutzabkommen zwischen Frankreich und Ägypten („Décret n° 75-1029 du 24 octobre 1975 portant publication de la convention entre le Gouver-nement de la République française et le Gouvernement de la République arabe d’Egypte sur l’encouragement et la protection réciproques des investissements (en-semble deux échanges de lettres), signée au Caire le 22 décembre 1974“) (unterzeichnet 1974)

Das französische Versorgungsunternehmen Veolia Propreté schloss mit der Regierung der Stadt Alex-andria im Jahr 2000 einen Vertrag über eine Public-Private-Partnership (PPP) zur Müllentsorgung in der Stadt Alexandria ab. Ein Tochterunternehmen von Veolia sollte die Sammlung, Sortierung, Reinigung, Verarbeitung und Verwertung von Müll in der Stadt übernehmen. Dazu zählten auch die Reinigung von Straßen, Stränden und Sehenswürdigkeiten sowie die Einführung von Deponien für medizinische Abfälle und ein Programm für Kompostabfälle. Diese Partner-schaft umfasste 4 500 Arbeitsplätze.

Der PPP-Vertrag enthielt eine Klausel, um Vertragsän-derungen in bestimmten Fällen zu ermöglichen. Dazu gehörten eine Änderung des Wechselkurses zwischen Euro und ägyptischem Pfund, ein Wachstum der Be-völkerung von Alexandria und eine Steigerung der Lohnkosten. Durch eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns im Jahr 2011 kam es dann tatsächlich zu steigenden Lohnkosten, wodurch die Gewinner-wartungen des Konzerns geschmälert wurden. In Übereinstimmung mit dem PPP-Vertrag forderte das Unternehmen daraufhin eine Anpassung der Vergü-tung seiner Dienstleistungen. Die Stadt Alexandria verweigerte diese.

Im Juni 2012 reichte Veolia auf Grundlage des IFV zwischen Frankreich und Ägypten beim ICSID Klage gegen den Staat Ägypten ein. Veolia begründete die Klage mit Vertragsbruch, da die vereinbarte Klausel über Vertragsänderungen nicht respektiert worden

war. Laut Medienberichten soll sich der Streitwert auf 82 Millionen US-Dollar belaufen. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.60

Im ISDS-Verfahren von Veolia gegen Ägypten geht es nicht darum, den festgelegten Mindest-lohn in Ägypten zu bekämpfen oder zu sen-ken. Das Unternehmen fordert vielmehr, dass die Vergütung für seine Dienstleistungen an die veränderte Kostenstruktur angepasst wird – dies hatte die Stadt Alexandria dem Unterneh-men vertraglich zugesichert.

Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Französisches Unternehmen verklagt Ägyp-ten wegen Anhebung des Mindestlohns?

60 Le Monde diplomatique, Profit als höchstes Rechtsgut, 13.6.2014, <http://www.monde-diplomatique.de/pm/2014/06/13.monde-Text1.artikel,a0067.idx,24>; Jeune Afrique, Veolia assigne l’Égypte en justice, 11.7.2011, <http://economie.jeuneafrique.com/entre-prises/entreprises/btp-a-infrastructures/11868-veolia-assigne-le-gypte-au-tribunal.html>.

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Eli Lilly vs. Kanada

Forum: UNCITRAL

IFV: Nordamerikanisches Freihandelsabkommen (Nor-th American Free Trade Agreement, NAFTA) (unter-zeichnet 1992)

Das US-amerikanische Pharmaunternehmen Eli Lil-ly war seit den 1990er-Jahren in zahlreichen Ländern im Besitz von Patenten für die Medikamente Stratte-ra und Zyprexa. Das kanadische Patent für Zyprexa wurde 1991 beantragt und am 14. Juli 1998 („113 Pa-tent“) erteilt, das für Strattera wurde 1996 beantragt und am 1. Oktober 2002 („735 Patent“) erteilt.61

Eine international anerkannte Voraussetzung für Pa-tentierbarkeit ist, dass die zu patentierende Erfindung „nützlich“ (engl. „useful“) ist. So sieht es auch der kanadische Patent Act vor.62 Bei pharmazeutischen Erfindungen lässt sich die „Nützlichkeit“ in der Re-gel leicht belegen, da diese Krankheiten behandeln.63 In Kanada gilt seit Anfang der 2000er Jahre jedoch eine strenge „Promise of the Patent Doctrine“. Diese ist nicht gesetzlich festgeschrieben, aber ein wichtiges Gewohnheitsrecht. Ihr zufolge muss der Antragsteller bei Anmeldung des Patents nicht nur eine grundsätzli-che Nützlichkeit einer Erfindung aufzeigen. Vielmehr stellt die „Promise of the Patent Doctrine“ folgende drei Anforderungen: Erstens muss ein Richter sub-jektiv interpretieren, worin der versprochene Nutzen der Erfindung liegt. Zweitens muss der im Patent ver-sprochene konkrete Nutzen der Erfindung bei Antrag-stellung des Patents nachgewiesen oder verlässlich vorhergesagt werden. Und drittens muss das Unter-nehmen hinsichtlich des vorhergesagten Nutzens eine faktische Grundlage und überzeugende Argumentati-on darlegen. Gelingt dem Antragsteller dieser Nach-weis nicht, kann ihm das Patent verweigert werden. Erbringt eine Erfindung später nicht den versproche-nen vorhergesagten Nutzen, kann ein Patent auch für ungültig erklärt werden.

Auf dieser Grundlage erklärte das kanadische Bun-desberufungsgericht im Jahr 2010 das Strattera-Patent für ungültig, nachdem der kanadische Generikaher-steller Novopharm Klage eingereicht hatte. Das Pa-tent wäre 2016 ausgelaufen. Der Patentantrag weise den versprochenen Nutzen des Medikaments im Sinne der „Promise Doctrine“ nicht nach. Auch eine wissenschaftliche Studie, auf die sich Lilly im Patent-antrag berufen habe, könne diesen Nachweis nicht erbringen.64 Das Oberste Bundesgericht Kanadas be-stätigte das Urteil. Beim Zyprexa-Patent handelte es sich um ein sogenanntes „selection patent“, da der Wirkstoff Olanzapin zuvor schon einmal in Zusam-mensetzung mit anderen Antipsychotika patentiert worden war. Dieses Patent wäre im April 2011 ausge-laufen. Novopharm klagte schließlich auch gegen die-ses „selection patent“. 2009 entschied ein kanadisches Bundesgericht, das das „selection patent“ nicht gül-tig sei. Ein Berufungsgericht hob diese Entscheidung 2010 auf. 2011 wurde das Zyprexa-Patent jedoch in einer zweiten Entscheidung des Bundesgerichts wie-derum für ungültig erklärt.65 Lilly legte erneut Beru-fung ein, jedoch erfolglos. Gegen das Zyprexa-Patent wurde in zahlreichen Ländern geklagt, unter anderem in den USA, dem Vereinigten Königreich, Australien, Deutschland, den Niederlanden, Österreich, der Te-schechischen Republik, Russland, Portugal, Ungarn, Rumänien, der Slovakei, China, Finnland, Norwe-gen, Spanien, Bulgarien und Südkorea. Kanada ist das einzige Land, in dem das Patent aus Gründen der Nutzlosigkeit für ungültig erklärt wurde.66 In beiden

US-Unternehmen versucht in Kanada Pa-tente für teure, aber wirkungslose Medika-mente einzuklagen?

61 Investment Treaty Arbitration, Eli Lilly and Company v. Govern-ment of Canada, Claimant’s Memorial, 29.9.2014, S. 57, <http://www.italaw.com/sites/default/files/case-documents/italaw4046.pdf>; Investment treaty Arbitration, Eli Lilly and Company v. Gov-ernment of Canada, Government of Canada Statement of Defence, 30.6.2014, S. 1-2, <http://www.italaw.com/sites/default/files/case-documents/italaw3253.pdf>. l

62 Patent Act, S. 1, <http://www.laws-lois.justice.gc.ca/PDF/P-4.pdf> (eingesehen am 22.1.2015).

63 Investment Treaty Arbitration, Eli Lilly and Company v. Government of Canada, Claimant’s Memorial, S. 3.

64 Jason Markwell, Pharma in Brief - Federal Court Invalidates Patent for Lack of Utility [STRATTERA® (atomoxetine)], 22.9.2010, Norton Rose Fulbright, <http://www.nortonrosefulbright.com/knowledge/publications/33345/pharma-in-brief-federal-court-invalidates-pat-ent-for-lack-of-utility> (eingesehen am 4.11.2014).

65 Jason Markwell, Pharma in Brief - Canada: Federal Court Finds Se-lection Patent Invalid for Lack of Utility [ZYPREXA® (olanzapine)], Norton Rose Fulbright, November 2011, <http://www.nortonrose-fulbright.com/jp/knowledge/publications/58962/pharma-in-brief-canada-federal-court-finds-selection-patent-invalid-for-lack-of-utility> (eingesehen am 4.11.2014).

66 Investment Treaty Arbitration, Eli Lilly and Company v. The Govern-ment of Canada, Notice of Arbitration, via <http://www.italaw.com/cases/1625> (eingesehen am 30.10.2014).

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Fällen, Strattera und Zyprexa, wurde die „Promise Doctrine“ rückwirkend angewendet; zum Zeitpunkt der ursprünglichen Patentvergabe war sie noch nicht etabliert.

Wenig später führte der Generikahersteller Novo-pharm selbst diese Medikamente, deren Wirksamkeit er zuvor in Frage gestellt hatte, billiger auf dem kana-dischen Markt ein, was bei Eli Lilly zu Umsatzeinbu-ßen und zu einem Arbeitsplatzabbau in Kanada führ-te. 2012 verklagte Eli Lilly die kanadische Regierung im Rahmen von NAFTA unter UNCITRAL-Regeln. Das Unternehmen argumentiert, dass kanadische Gerichte die Patentanträge in unfairer und diskrimi-nierender Weise rückwirkend für ungültig erklärt und unverhältnismäßig hohe Anforderungen gestellt hät-ten. Die „Promise Doctrine“ gehe weit über das WTO-Übereinkommen zu handelsbezogenen Aspekten der Rechte des geistigen Eigentums (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, TRIPS) und über den Vertrag über die Internationa-le Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (Patent Cooperation Treaty, PCT) hinaus. Darüber hinaus argumentierte Eli Lilli, dass sie gegen Kapitel 17 des NAFTA-Vertrags verstößt, das sich mit geistigen Eigentumsrechten befasst. In diesem Kapitel ist vorge-schrieben, dass ein Parent nur dann aberkannt wer-den darf, wenn Gründe vorliegen, die es gerechtfertigt hätten, das Patent gar nicht erst zu vergeben (NAFTA Kapitel 17, Art. 1709(7) & (8)). Der Verstoß gegen Ka-pitel 17 unterstütze die Forderungen unter Kapitel 11, dem Investitionsschutzkapitel, so Eli Lilly. Die kana-dische Regierung habe damit gegen den Schutz vor kompensationsloser Enteignung und gegen die Min-destanforderungen an die Behandlung ausländischer Investoren entsprechend dem NAFTA-Abkommen verstoßen. Das Unternehmen fordert Schadenersatz in Höhe von 500 Millionen Kanadischen Dollar. Der Fall wurde noch nicht entschieden.67

Im ISDS-Verfahren Eli Lilly gegen Kanada geht es nicht darum, vom Staat einen Patentschutz für unwirksame Medikamente zu erzwingen. Es geht vielmehr um die Frage, ob der rückwir-kende Entzug bestehender Patente unfair und diskriminierend war.

Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

67 Investment Treaty Arbitration, Eli Lilly and Company v. The Govern-ment of Canada, Notice of Arbitration.

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Philip Morris International vs. Uruguay/Philip Mor-ris Asia vs. Australien

Philip Morris International (PMI) und Philip Morris Asia (PMA) begründeten die Investor-Staat-Schiedsklagen gegen Uruguay und Australien damit, dass die Regie-rungen durch ihre Raucherschutzgesetze gegen ver-traglich vereinbarte Verpflichtungen verstoßen hätten.

Philip Morris International vs. Uruguay

Forum: ICSID

IFV: Investitionsschutzvertrag zwischen Uruguay und der Schweiz („Agreement between the Swiss Confe-deration and the Oriental Republic of Uruguay on the Reciprocal Promotion and Protection of Investments”) (unterzeichnet 1988)

Uruguay gehört zu den Ländern mit den härtesten Raucherschutzgesetzen der Welt. Im Jahr 2008 trat ein Gesetz mit verschiedenen Maßnahmen zum Ge-sundheitsschutz in Kraft. In dessen Folge wurden verschiedene Verordnungen erlassen, die diese Maß-nahmen umsetzten. Seitdem darf pro Marke nur noch eine Produktvariante vertrieben werden, die Gesund-heitswarnhinweise müssen mindestens 80 Prozent der Zigarettenverpackung bedecken und es müssen Bilder auf den Packungen abgebildet sein, welche die schäd-lichen Folgen des Rauchens illustrieren.68

Philip Morris International (PMI) kam dem von der uruguayischen Regierung eingeführten Verbot von mehr als einer Produktvariante pro Marke nach. Dem uruguayischen Markführer (77 Prozent Marktanteil) war es dagegen möglich, seine verschiedenen Pro-duktvarianten lediglich umzubenennen und mit fast unveränderter Aufmachung und Design weiterhin auf dem Markt zu platzieren.

PMI reichte im Februar 2010 beim ICSID Klage ge-gen Uruguay ein. Grundlage für die Klage war der IFV zwischen Uruguay und der Schweiz. PMI hat in der Schweiz mit rund 3 000 Mitarbeitern eine star-ke Präsenz. Da der IFV zwischen der Schweiz und

Uruguay die vorherige Ausschöpfung des nationalen Rechtswegs vorsieht, klärte das Streitschlichtungspa-nel zunächst seine rechtliche Zuständigkeit. In diesem Rahmen prüfte das Gericht zum einen, ob die im IFV vorgesehene 6-monatige Wartefrist („Cool Down“-Periode) eingehalten worden sei. In dieser Periode haben die Parteien auf eine gütliche Beilegung der Streitigkeiten hinzuarbeiten. Erst danach kann eine Klage eingereicht werden. Zum anderen wurde ge-prüft, ob der Investor zunächst über einen Zeitraum von mindestens 18 Monaten den nationalen Rechts-weg beschritten hatte.

Bezüglich der „Cool Down“-Periode waren sich bei-de Parteien einig, dass diese eingehalten worden war. Jedoch argumentierte Uruguay, dass der Kläger der 18-monatigen Frist zur Verhandlung vor nationalen Gerichten nicht entsprechend nachgekommen war. So hatte Philip Morris zwar über den entsprechen-den Zeitraum vor einem nationalen Gericht geklagt, jedoch ging es bei dieser Klage auch um Verletzun-gen des uruguayischen Verfassungs- und Verwaltungs-rechts und nicht ausschließlich um den Klagegegen-stand des angestrebten ISDS-Verfahrens. Das Tribu-nal entschied jedoch, dass ein nationaler Rechtsstreit nicht die identische Rechtsgrundlage oder denselben Klagegegenstand haben muss, um der Forderung des IFV nach einer 18-monatigen nationalen Verhand-lungsfrist gerecht zu werden. Das Streitschlichtungs-panel befand sich entsprechend für zuständig. PMI hatte zudem auf die MFN-Klausel des IFV verwie-sen, wonach ausländische Investoren aus dem Ver-tragsland nicht schlechter behandelt werden dürfen als Investoren aus Drittländern. PMI argumentier-te, dass andere IFV die Erschöpfung des nationalen Rechtswegs nicht verlangten und Investoren aus die-sen Ländern somit besser gestellt wären. Das Streit-schlichtungspanel nahm keine entsprechende Prüfung vor, da es bereits auf Grundlage des IFV zwischen Uruguay und der Schweiz seine Zuständigkeit positiv bescheiden konnte.69

US-Konzern klagt gegen Gesundheitsschutz in Uruguay und Australien?

68 Todd Weiler, Philip Morris vs. Uruguay. An Analysis of Tobacco Control Measures in the Context of International Investment Law, Report #1 for Physicians for a Smoke Free Canada (Expert Opinion: Expert Opinion: An Analysis of Tobacco Control Measures in the Context of International Investment Law), via <http://www.italaw.com/cases/460> (eingesehen am 26.1.2015).

69 Investment Treaty Arbitration, Decision on Jurisdiction: Philip Morris Brands Sàrl, Philip Morris Products S.A. and Abal Hermanos S.A. (the Claimants) and Oriental Republic of Uruguay (the Respondent) (ICSID Case No. ARB/10/7), 2.7.2013, <http://italaw.com/sites/de-fault/files/case-documents/italaw1531.pdf>.

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Hinsichtlich der materiellen Vertragsverletzungen des IFV zwischen Uruguay und der Schweiz argumentiert PMI, dass die beschriebene Regulierung nicht auf alle Marktteilnehmer gleichermaßen angewendet wurde. Die Vergrößerung der Gesundheitswarnhinweise von 50 auf 80 Prozent stelle zudem einen Vertragsbruch dar, da dadurch Eigentums- und Markenrechte ver-letzt würden. So könnten nur noch weniger als 20 Prozent der Packung für Markendifferenzierung über die wertvollen Marken genutzt werden. PMI zufolge bestehe außerdem kein Zusammenhang zwischen dem Gesetz und dem eigentlichen Regulierungsziel, dem Gesundheitsschutz. PMI verklagte Uruguay auf einen Schadenersatz in Höhe von 25 Millionen US-Dollar.

Der Fall wurde noch nicht entschieden. Ein Urteil wird für 2015 erwartet.70

Philip Morris Asia vs. Australien

Forum: UNICTRAL

IFV: Investitionsschutzvertrag zwischen Australien und Hongkong („Agreement between the Government of Hong Kong and the Government of Australia for the Promotion and Protection of Investments“) (unterzeich-net 1993)

Die australische Regierung erließ im Dezember 2011 den Tobacco Plain Packaging Act, der schlichte Ein-heitsverpackungen für Tabakprodukte ohne die Ver-wendung eines Markenlogos vorsieht. Warnhinweise mit grafischen Abbildungen der negativen Auswirkun-gen des Rauchens müssen 75 Prozent der Vorderseite und 90 Prozent der Rückseite der Verpackung ausma-chen.71

Im Jahr 2011 verklagte Philip Morris Asia (PMA) die australische Regierung auf Zahlung einer noch nicht exakt bezifferten Summe von mehreren Milliarden US-Dollar auf Grundlage des IFV zwischen Australi-en und Hongkong, wo PMA seinen Hauptsitz für die Region Asien hat. Der dortige Firmensitz wurde 1984 gegründet und beschäftigt derzeit rund 120 Angestell-te.72

70 „Zigarettenhersteller Philip Morris verklagt Uruguay auf Schaden-ersatz“, in: Deutsche Wirtschafts Nachrichten, 3.6.2014, <http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/06/03/zigaretten-hersteller-philip-morris-verklagt-uruguay-auf-schadenersatz/>; Philip Morris International, Philip Morris International Welcomes Decision by World Bank Tribunal to Hear Treaty Challenge to Uru-guay’s Excessive Tobacco Measures, Press Release, 3.7.2013, <http://investors.pmi.com/phoenix.zhtml?c=146476&p=irol-newsArticle&ID=1835071#>; Philip Morris International, Uruguay Bilateral Investment Treaty (BIT) Litigation, <http://www.pmi.com/eng/media_center/company_statements/Pages/uruguay_bit_claim.aspx> (eingesehen am 30.10.2014); „Hearings to Begin in An-ti-smoking Lawsuit by Philip Morris International Against Uruguay“, in: Industry Week, 4.2.2013, <http://www.industryweek.com/trade/hearings-begin-anti-smoking-lawsuit-philip-morris-international-against-uruguay> (eingesehen am 30.10.2014); Valentina Vadi, Public Health in International Investment Law and Arbitration, Rout-ledge Chapman & Hall 2012.

71 Australian Government Department of Health, Introduction of To-bacco Plain Packaging in Australia, <http://www.health.gov.au/internet/main/publishing.nsf/Content/tobacco-plain> (eingesehen am 12.1.2015).

72 McCabe Centre for Law & Cancer, Philip Morris Asia Challenge under Australia – Hong Kong Bilateral Investment Treaty, <http://www.mccabecentre.org/focus-areas/tobacco/philip-morris-asia-challenge> (eingesehen am 31.10.2014); Philip Morris International, Hong Kong: Country Overview, <http://www.pmi.com/marketpag-es/pages/market_en_hk.aspx> (eingesehen am 31.10.2014).

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Das Unternehmen PMA, das bis zur Schließung im Jahr 2014 auch eine Fabrik mit 800 Mitarbeitern in Melbourne hatte73, sah durch die neue Gesetzgebung seine Eigentums- und Markenrechte in Australien ver-letzt. Die Maßnahme käme einer Enteignung gleich, da PMA seine wertvollen Marken nicht mehr nutzen könne. Australien habe PMA keine gerechte und billi-ge Behandlung zukommen lassen, der Tobacco Plain Packaging Act sei eine unangemessene Einschrän-kung der Investitionen des Unternehmens in Austra-lien.74 Australien wies die Anklagepunkte zurück. Das Verfahren ist noch nicht entschieden.75

Die ISDS-Klagen von Philip Morris gegen Uru-guay und Australien richten sich nicht gegen Gesundheitsschutzgesetze an sich. Im Fall ge-gen Uruguay geht es um die Frage, ob Philip Morris bei der Umsetzung dieser Gesetze ge-genüber Mitbewerbern diskriminiert wurde. In beiden Fällen muss geprüft werden, ob der fak-tische Entzug der Nutzungsrechte an wertvol-len Handelsmarken den Tatbestand der indi-rekten Enteignung erfüllt. Das Unternehmen betreibt kein „treaty shopping“, in beiden Fäl-len klagen keine „Briefkastenfirmen“.

Beide Verfahren sind noch nicht abgeschlossen.

73 Michael Janda, „Philip Morris to Quit Australian Cigarette Manufacturing”, in: ABC, 2.4.2014, <http://www.abc.net.au/news/2014-04-02/philip-morris-to-quit-australian-cigarette-manufacturing/5361436>.

74 Investment Treaty Arbitration, Notice of Arbitration Australia I Hong Kong Agreement for the Promotion and Protection of Investments, 21.11.2011, <http://www.italaw.com/sites/default/files/case-docu-ments/ita0665.pdf>.

75 Australian Government, Tobacco Plain Packaging—Investor-State Arbitration, <http://www.ag.gov.au/tobaccoplainpackaging>; Mat-thew Taylor, Philip Morris v Australia: The Challenges of Investor-State Arbitration, <http://www.mallesons.com/publications/mar-ketAlerts/2011/International-Arbitration-Update-November-2011/Pages/Philip-Morris-v-Australia-the-challenges-of-investor-state-arbitration.aspx> (eingesehen am 30.10.2014).

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Cargill vs. Polen

Forum: ICSID/UNCITRAL

IFV: Investitionsschutzvertrag zwischen den USA und Polen („Treaty between the United States of America and the Republic of Poland Concerning Business and Economic Relations”) (unterzeichnet 1990)

Das US-amerikanische Landwirtschaftsunterneh-men Cargill stellte in Polen Isoglucose her, einen aus Weizen gewonnenen Süßstoff, der mit Zucker kon-kurriert. Im Rahmen des EU-Beitritts verabschiedete Polen Produktionsquoten für Süßungsmittel, um die nationalen Gesetze mit der Gemeinsamen Agrarpo-litik der EU und der EU-Zuckerrichtlinie in Einklang zu bringen. Cargill interpretierte die Neuregelung als de-facto Anforderung, die Isoglucose-Produktion, die die Quoten überschreitet, exportieren zu müssen. Da-durch sah Cargill den Wert seiner Investitionen in Po-len negativ beeinflusst.

Das Unternehmen verklagte Polen im Jahr 2004 auf eine Summe von 150 Millionen US-Dollar beim IC-SID. Im Jahr 2005 wurde der Fall auf Wunsch beider Parteien zu UNCITRAL verlegt. 2008 entschied das Schiedsgericht, dass das US-Unternehmen von Polen diskriminiert und nicht gerecht und billig behandelt worden sei. So habe Polen bei der Einführung der Quoten unter anderem gegen das Gebot der Transpa-renz verstoßen. Die geforderte Summe von 150 Mil-lionen US-Dollar war nach Ansicht der Richter jedoch zu hoch angesetzt; Polen wurde zu einer Schadener-satzzahlung in Höhe von 16,3 Millionen US-Dollar plus Zinsen verurteilt. Die geringere Summe (16,3 Millionen anstatt 150 Millionen) wurde mit riskanten Investitionsentscheidungen des Unternehmens be-gründet, die zu Verlusten in Polen geführt hätten. Das Gericht wies außerdem Cargills Beschuldigung ab, das Unternehmen habe durch die Auferlegung sogenann-ter Leistungsanforderungen Schaden genommen.76

US-Agrargigant klagt gegen den EU-Beitritt Polens?

Die ISDS-Klage von Cargill richtet sich nicht gegen den EU-Beitritt Polens. Vielmehr ging es darum zu prüfen, ob die Kontingentierungen für die Herstellung von Süßungsmitteln, de-nen sich Polen im Zuge des Beitritts unterwor-fen hat, gerecht und billig sowie nicht-diskrimi-nierend waren.

76 Das Urteil wurde nicht veröffentlicht. Luke Eric Peterson, IA Re-porter, Investment Arbitration Reporter, Vol. 1, No. 5, 16. Juli 2008, pp. 6-8, via <http://www.iareporter.com/downloads/20100107_23> (eingesehen am 12.1.2015).

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Vattenfall vs. Deutschland

Forum: ICSID

IFV: Vertrag über die Energiecharta („Energy Charter Treaty“) (unterzeichnet von Deutschland und Schwe-den 1994)

Mit einer vorläufigen Zulassung begann Vattenfall im Oktober 2007 den Bau eines Kohlekraftwerks in Hamburg-Moorburg im Wert von 2,6 Milliarden Euro. 2008 wurde die endgültige Zulassung erteilt, jedoch mit strengeren Wasserqualitätsstandards, nachdem solche zum Schutz der Elbe erlassen worden waren. Laut Vattenfall machten diese den Bau eines neuen Kohlekraftwerks unrentabel.77 Vattenfall argumen-tierte, dass die neuen Standards gegen den Grundsatz der fairen und gerechten Behandlung sowie gegen das Enteignungsverbot der Energiecharta verstießen. Das Unternehmen reichte im März 2009 Klage beim ICSID auf Grundlage der Energiecharta gegen die Bundesrepublik Deutschland ein und forderte Scha-denersatz in Höhe von 1,4 Milliarden Euro. Der Streit wurde im März 2011 beigelegt, nachdem sich Vatten-fall vor dem Oberverwaltungsgericht Hamburg mit der Bundesregierung einigen konnte und Deutschland dem Konzern weniger strenge Wasserentnahmerechte zugesagt sowie Vattenfall seinerseits in einen Kühl-turm investiert hatte.78 Die in dem Vergleich erziel-te Genehmigung wurde später allerdings nach einer Klage des BUND gegen Hamburg wieder entzogen, sodass Vattenfall die zusätzlichen Investitionen zum Schutz der Umwelt zwar selbst tragen musste, aber nicht von der angepassten wasserrechtlichen Regulie-rung profitieren konnte. Für den deutschen Staat sind hingegen keine zusätzlichen Kosten entstanden.

Schwedischer Konzern klagt gegen deut-sche Umweltstandards?

Die Klage gegen die Bundesregierung richtete sich nicht gegen den Umweltschutz. Es war vielmehr zu klären, ob das Unternehmen ge-recht und billig behandelt worden war. In die-sem Verfahren hat Deutschland zudem nicht gegen Vattenfall verloren. Vielmehr hat Vat-tenfall auf eigene Kosten Investitionen getä-tigt, um die höheren Umweltschutzstandards zu erfüllen.

77 Nathalie Bernasconi, Background Paper on Vattenfall v. Germany Arbitration, International Institute for Sustainable Development (IISD), 2009, S. 1, <http://www.iisd.org/pdf/2009/background_vat-tenfall_vs_germany.pdf>.

78 Investment Treaty Arbitration, Vattenfall AB, Vattenfall Europe AG, Vattenfall Europe Generation AG v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/09/6 (formerly Vattenfall AB, Vattenfall Europe AG, Vattenfall Europe Generation AG & Co. KG v. The Federal Re-public of Germany),  <http://italaw.com/cases/1148> (eingesehen am 1.2.2015); Nathalie Bernasconi-Osterwalder und Rhea Tamara Hoffmann, The German Nuclear Phase-Out Put to the Test in In-ternational Investment Arbitration? Background to the New Dis-pute Vattenfall v. Germany (II), <http://www.iisd.org/publications/german-nuclear-phase-out-put-test-international-investment-arbi-tration-background-new> (eingesehen am 1.2.2015).

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Vattenfall vs. Deutschland

Forum: ICSID

IFV: Vertrag über die Energiecharta („Energy Charter Treaty“) (unterzeichnet von Deutschland und Schwe-den 1994)

In Deutschland begann der Ausstieg aus der Kernen-ergie mit einer Vereinbarung zwischen der Bundes-regierung und den Energieversorgungsunternehmen im Juni 2000. Bis 2010 galt ein stufenweiser Ausstieg („Atomkonsens“) mit Reststrommengen und ohne fe-sten Abschalttermin, den die Bundesregierung im Juni 2000 mit den vier deutschen Betreibern von Kern-kraftwerken vereinbart hatte. Im Jahr 2002 wurde der Vertrag durch Novellierung des Atomgesetzes recht-lich abgesichert und in der Folge die Kernkraftwerke Stade und Obrigheim endgültig abgeschaltet. Im März 2011, kurz nach der Naturkatastrophe von Fukushi-ma, beschloss die Bundesregierung dann aber einen deutlichen Kurswechsel ihrer Atompolitik. Zunächst verkündete sie ein dreimonatiges Atom-Moratorium für die sieben ältesten deutschen Atomkraftwerke so-wie für das Kernkraftwerk Krümmel. Nur wenige Mo-nate nach der Verlängerung von Laufzeiten beschloss die Bundesregierung im Juni 2011 die Abschaltung von acht weiteren Kernkraftwerken sowie einen stu-fenweisen Ausstieg aus der Kernenergie bis 2022. Da-mit wurden die im Herbst 2010 beschlossenen Lauf-zeitverlängerungen zurückgenommen. Dieser Atom-ausstieg wurde im Juni 2011 mittels einer erneuten Novellierung des Atomgesetzes fixiert.

Im Mai 2012 reichte Vattenfall eine ICSID-Schieds-klage wegen einer mutmaßlichen Verletzung seiner in der Energiecharta zugesicherten Rechte ein. Durch die Novellierung des Atomrechts im Zuge der deutschen Energiewende sei ein erheblicher Schaden für das Un-ternehmen entstanden. Vattenfall war an den beiden Kernkraftwerken Brünsbüttel und Krümmel beteiligt, die durch das Gesetz vom Sommer 2011 sofort stillge-legt werden mussten. Vattenfall ist somit der einzige Betreiber von Kernkraftwerken in Deutschland, der sofort alle AKW abschalten musste. Die genaue Klage-begründung von Vattenfall ist nicht öffentlich zugäng-lich; die Klagesumme beträgt 4,7 Milliarden Euro.79

Schwedischer Konzern klagt gegen deut-schen Atomausstieg?

Die ISDS-Klage von Vattenfall gegen Deutsch-land richtet sich nicht gegen den Ausstieg aus der Kernenergie an sich. Vermutlich soll vielmehr geklärt werden, ob das Unterneh-men gerecht und billig behandelt wurde. Zu-dem ist wohl zu überprüfen, ob Vattenfall ge-genüber deutschen Investoren diskriminiert wurde. Schließlich ist die Frage zu klären, ob der Ausstieg aus der Kernenergie dem Tatbe-stand einer kompensationslosen Enteignung entspricht.

Die Klage gegen die Bundesregierung ist we-der öffentlich noch abgeschlossen.

79 „Schadensersatz für Atomausstieg. Vattenfall will 4,7 Milliarden Euro“, in: Tagesschau.de, 15.10.2014, <http://www.tagesschau.de/inland/vattenfall-klage-101.html> (eingesehen am 23.1.2015); Nathalie Bernasconi-Osterwalder und Rhea Tamara Hoffmann, Der deutsche Atomausstieg auf dem Prüfstand eines internationlen Investitionsschiedsgerichts?; März 2012, <http://www.iisd.org/pdf/2012/powershift_forum_briefing_vattenfall.pdf>.

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Occidental Petroleum Corp. und Occidental Explo-ration and Production Company vs. Ecuador

Forum: ICSID

IFV: Investitionsschutzabkommen zwischen den USA und Ecuador („Treaty between the United States of America and the Republic of Ecuador concerning the Encouragement and Reciprocal Protection of Invest-ment”) (unterzeichnet 1993)

Die US-amerikanische Occidental Exploration and Production Company (OEPC) war seit Mitte der 1980er in Ecuador aktiv. 1999 schlossen Ecuador und Occidental einen Nutzungsvertrag ab, der Oc-cidental die exklusiven Rechte auf die Exploration und Extraktion von Öl in einem Teil des ecuadoria-nischen Amazonasgebiets („Block 15“) zusicherte. Im Jahr 2000 suchte Occidental nach Möglichkeiten, eine Erweiterung seiner Operationen zu finanzieren. Occidental ging deshalb eine Kooperation („Farmout Agreement“) mit der Alberta Energy Corporation Ltd. (AEC) ein, die ihrerseits nach Ecuador expandieren wollte. Das „Farmout Agreement“ wurde im Oktober 2000 unterzeichnet. Nach Ansicht der ecuadoriani-schen Regierung hätte diese Vereinbarung von der Regierung genehmigt werden müssen. Die Regierung machte Occidental zum Vorwurf, mit der Übertragung von Rechten an AEC ohne vorherige Genehmigung durch die Regierung gegen ecuadorianische Kohlen-wasserstoffregulierungen verstoßen habe. Gleichzeitig stand die Regierung durch mehrere Demonstrationen der indigenen Amazonasbevölkerung unter politi-schem Druck. Im Mai 2006 löste die Regierung den Nutzungsvertrag auf. Und sie beschlagnahmte und verstaatlichte das Eigentum von Occidental.

Ebenfalls im Mai 2006 reichte Occidental eine In-vestor-Staat-Schiedsklage wegen Enteignung beim ICSID ein und verlangte 2,3 Milliarden US-Dollar Schadenersatz. Das Unternehmen warf der Regierung vor, den Nutzungsvertrag ohne Begründung gekün-digt zu haben, wodurch sie sowohl den Nutzungsver-trag selbst gebrochen als auch gegen ecuadorianisches Recht und den IFV zwischen den USA und Ecuador

verstoßen habe. Die ecuadorianische Regierung argu-mentierte hingegen, dass die Kooperation zwischen Occidental und AEC eine Erlaubnis durch das zustän-dige Ministerium erfordert hätte.

Das Schiedsgericht entschied im Oktober 2012, dass die Kooperation mit AEC tatsächlich von der Re-gierung hätte bestätigt werden müssen. Jedoch habe sowohl die Aufkündigung des Nutzungsvertrags als auch die Enteignung nicht im Verhältnis zu dieser Verletzung gestanden. Das Gericht legte Occidentals Entschädigung auf 75 Prozent der verlangten Summe (1,77 Milliarden US-Dollar plus Zinsen) fest.80

Öl-Unternehmen verklagt Ecuador wegen Schutz des Regenwalds?

Die ISDS-Klage von Occidental gegen Ecua-dor richtete sich nicht gegen den Schutz des Regenwaldes. Vielmehr ging es um die Frage, ob die Beschlagnahmungen im Zusammen-hang mit der Umsetzung des Regenwaldschut-zes den Tatbestand der Enteignung erfüllten und das Unternehmen hätte entschädigt wer-den müssen.

80 Tai-Heng Cheng und Lucas Bento, ICSID’s Largest Award in His-tory: An Overview of Occidental Petroleum Corporation v the Re-public of Ecuador, Kluwer Arbitration Blog, 19 Dezember 2012, <http://kluwerarbitrationblog.com/blog/2012/12/19/icsids-largest-award-in-history-an-overview-of-occidental-petroleum-corpora-tion-v-the-republic-of-ecuador/>; Investment Treaty Arbitration, Occidental Petroleum Corporation and Occidental Exploration and Production Company v. The Republic of Ecuador, ICSID Case No. ARB/06/11, via <http://www.italaw.com/cases/documents/768> (eingesehen am 13.1.2015).

81 LG&E Energy Corp., LG&E Capital Corp., LG&E International Inc. v The Argentine Republic, Case Summary Prepared in the Course of Research for S Ripinsky with K Williams, Damages in Interna-tional Investment Law (BIICL, 2008), S. 2, 5, <http://www.biicl.org/files/3908_2007_lg&e_v_argentina.pdf>.

82 Zitiert in: UNCTAD, Latest Developments in Investor-State Dispute Settlement, IIA Monitor No. 4, 2006, <http://unctad.org/sections/dite_pcbb/docs/webiteiia200611_en.pdf>. Übersetzung durch BDI.

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LG&E Energy Corp., LG&E Capital Corp. und LG&E International Inc. vs. Argentinien

Forum: ICSID

IFV: Investitionsschutzvertrag zwischen den USA und Argentinien („Treaty Between the United States of America and the Argentine Republic Concerning the Reciprocal Encouragement and Protection of Invest-ment”) (unterzeichnet 1991)

Die drei US-amerikanischen Investoren LG&E Ener-gy Corp., LG&E Capital Corp. und LG&E Internatio-nal Inc. waren an drei argentinischen Gasverteilungs-unternehmen beteiligt, die in den frühen 1990er Jah-ren gegründet worden waren und Geschäftslizenzen bis 2027 erhalten hatten. Während der frühen 1990er Jahre garantierte Argentinien sowohl, die Gasversor-gungstarife in US-Dollar zu berechnen, als auch die Möglichkeit, halbjährliche Tarifanpassungen auf Basis des US-amerikanischen Erzeugerpreisindexes vorzu-nehmen. Damit wollte die Regierung die Attraktivität des Standorts Argentinien verbessern. Im Zuge der Argentinienkrise (1998-2002) nahm die Regierung die Garantien jedoch zurück, worauf die Investitionen der LG&E-Unternehmen an Rentabilität verloren. Die Investoren interpretierten diesen Vorgang als ent-schädigungslose Enteignung. LG&E klagte daraufhin gegen Argentinien vor dem ICSID. Grundlage für die Klage war der IFV zwischen den USA und Argenti-nien. Die Forderungen der Kläger gegen Argentinien bewegten sich zwischen 248 und 268 Millionen US-Dollar.

Das Schiedsgericht urteilte hingegen, dass sich Argen-tinien zwischen Dezember 2001 und Ende April 2003 in einer Notlage befunden habe und ausländische In-vestoren in diesen 17 Monaten kein Anrecht auf Kom-pensation hätten. Zudem befand das Schiedsgericht, dass es sich bei den Maßnahmen um keine indirekte Enteignung gehandelt habe. Um zu bestimmen, wie stark das private Eigentum von LG&E durch die Maß-nahmen der argentinischen Regierung beeinträchtig worden war, legte das Schiedsgericht zwei Kriterien

an: die wirtschaftlichen Auswirkungen (d.h. effektiver Wechsel der Kontrolle über die Investition oder der Inhaberschaft; eine Beeinträchtigung der berechtigten Erwartungen des Investors) sowie die Dauer der Maß-nahme. Das Schiedsgericht befand, dass die Maßnah-me weder dauerhaft war noch zu einem Wechsel der Inhaberschaft oder der Kontrolle über die Investition geführt habe. Ohne einen permanenten und massiven Verlust der Investition oder ihres Wertes infolge eines staatlichen Eingriffs handelte es sich nicht um eine Enteignung, so das Schiedsgericht.81

Allerdings entschied das Gericht auch, dass Argen-tinien mit der Kündigung der Garantien gegen den Standard der gerechten und billigen Behandlung und gegen die Schirmklausel des IFV verstoßen habe so-wie den drei Investoren diesbezüglich Kompensation leisten müsse (wenngleich nicht für die Periode De-zember 2001 bis Ende April 2003). Das Schiedsgericht stellte fest, dass „der Standard gerecht und billig ein konsistentes und transparentes Verhalten des Gast-staates umfasst – frei von Widersprüchlichkeiten –, das die Verpflichtung beinhaltet, stabile und vorher-sehbare rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen und aufrechtzuerhalten, die notwendig sind, um die gerechtfertigten Erwartungen des ausländischen Inve-stors zu erfüllen“.82 Zugleich unterstrich das Schieds-gericht, dass Investoren immer mit Geschäftsrisiken rechnen müssen. Die Kompensationszahlungen wur-den auf 57,4 Millionen US-Dollar festgelegt. Verluste während der Zeit des Notstands waren zuvor von der Entschädigungssumme abgezogen worden und somit in dieser Summe nicht enthalten.

US-amerikanische Energieversorger verkla-gen Argentinien wegen Gewinnverlusten im Zuge der Argentinienkrise?

In dem Fall ging es nicht darum, Argentinien dazu zu zwingen, Unternehmen für alle, im Zuge der Krise (1998-2002) erlittenen Verluste zu ent-schädigen. Der Schiedsspruch zeigt vielmehr, dass IFV zwar gerechte und billige Behandlung, Nicht-Diskriminierung und Kompensation im Falle direkter und indirekter Enteignungen ga-rantieren. Investoren sind jedoch nicht grund-sätzlich vor dem Rückgang der Rentabilität von Investitionen infolge staatlicher Maßnahmen ge-schützt. Unternehmen müssen immer mit Ge-schäftsrisiken rechnen – dazu gehört auch, dass sich Gesetze ändern. Zudem zeigt der Schieds-spruch, dass der Handlungsspielraum von Staa-ten während Finanz- und Wirtschaftskrisen trotz IFV gewahrt ist.

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Welcher Schluss lässt sich aus der vorangegangenen Analyse ziehen? Ist die Kritik der Gegner am System der Investor-Staat-Schiedsverfahren gegenstandslos? Der Blick in die Praxis der Schiedsgerichtbarkeit zeigt, dass viele Sorgen der Kritiker unbegründet sind. Gleichwohl besteht in einigen Bereichen auch Re-formbedarf.

IFV müssen die gesetzgeberische Hoheit des Staates (das sogenannte „right-to-regulate“) wahren. Rechts-begriffe sollten so präzise wie möglich definiert, die Transparenz verbessert und missbräuchliche Klagen verhindert werden. Zudem wäre ein Berufungsmecha-nismus wünschenswert. Gleichzeitig sind Investitions-schutzverträge jedoch unverzichtbar für die weltweit aktive deutsche Wirtschaft. Investitionen im Ausland gehen häufig mit hohen politischen Risiken einher. Dagegen muss sich der Investor absichern können. Bei allen Reformen muss somit der Schutz von Inve-stitionen im Ausland gewahrt werden.

Im Folgenden werden einige ausgewählte Punkte aus der vorangegangenen Analyse aufgegriffen und kurz diskutiert. Eine ausführliche Übersicht der Reform-vorschläge des BDI bietet das BDI-Positionspapier „The ‚I‘ in TTIP“.

Materiell-rechtliche Investitionsschutz- bestimmungen

Die Prinzipien Inländerbehandlung und Meistbe-günstigung (Nicht-Diskriminierung), der Schutz vor direkter und indirekter Enteignung sowie das Gebot der gerechten und billigen Behandlung sind wichtige Bestandteile von IFV. Um ausländische Direktinves-titionen zu schützen, sind diese Vertragsinhalte un-abkömmlich. Durch die Schiedssprüche in ISDS-Ver-fahren ist ein gewisser Konsens über ihre Auslegung entstanden. Gleichzeitig zeigen die Schiedssprüche, dass die genannten Prinzipien Spielraum für Interpre-tation lassen. Neuere IFV und Investitionskapitel in FTAs suchen diesen Spielraum durch genauere Rechts-begriffe einzuschränken. Dazu gehört auch das Han-delsabkommen der EU mit Kanada, CETA.83 Präzisere Rechtsbegriffe können die Berechenbarkeit, Vorher-sagbarkeit und Rechtssicherheit sowohl für den In-vestor als auch den Gaststaat verbessern. Gleichwohl müssen sie so formuliert sein, dass Investitionen im Ausland auch in Zukunft geschützt sind.

Investition und Investor: IFV definieren schon heute, welche Art von Investoren und Investition unter dem Abkommen geschützt werden, wobei sich die Reich-weite der Definitionen in den IFV unterscheidet.

Dem deutschen Muster-Investitionsschutzabkommen von 2008 zufolge gelten als geschützte Investitionen beispielsweise „Vermögenswerte jeder Art, die von In-vestoren des einen Vertragsstaates direkt oder indirekt im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates angelegt werden.“ Dazu gehören beispielweise Eigentum an beweglichen und unbeweglichen Sachen, Anteilsrech-te und Beteiligungen, Vertragliche Ansprüche, Rechte des geistigen Eigentums (z.B. Marken und Patente), Handelsnamen, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, Know-How, sowie öffentlich-rechtliche Konzessionen einschließlich Aufsuchungs- und Gewinnungskon-zesssionen für natürliche Ressourcen.84

„Investoren“ sind laut dem deutschen Muster-Inve-stitionsschutzvertrag von 2008 Eigentümer, Inha-ber oder Teilhaber einer Kapitalanlage, die deutsche Staatsbürger oder Staatsbürger eines anderen Mit-gliedsstaates der EU sind, die ihren ständigen Wohn-sitz in Deutschland haben; oder juristische Personen, Handelsgesellschaften sowie sonstige Gesellschaften und Vereinigungen, die nach deutschem Recht oder dem Recht eines EU-Mitgliedstaates gegründet wur-den und in Deutschland in ein Register eingetragen sind oder als Betriebsstätte Niederlassungsfreiheit nach EU-Recht genießen.85

Im Abkommen zwischen der EU und Kanada, CETA, ist die Definition von Investition und Investor – an-gelehnt an bestehende Investitionsschutzabkommen – ebenfalls weit gefasst. In CETA wird eine Investition als Vermögenswert definiert, den der Investor direkt oder indirekt besitzt oder kontrolliert. Allerdings legt CETA einschränkend fest, dass der Wert für eine be-stimmte Dauer angelegt sein muss, um als Investition im Sinne des Vertrags gelten zu können. Das Kapital muss außerdem gebunden und sowohl mit einer Ge-winnerwartung als auch mit einer Risikoübernahme verbunden sein. Hinsichtlich von Geldforderungen

Fazit, Ausblick und Empfehlungen

83 CETA, 10. Investment. Section 1: Scope and Definitions. Article X.1: Scope of Application, 2014, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/september/tradoc_152806.pdf>.

84 Investment Treaty Arbitration, German Model Treaty -2008, <http://www.italaw.com/sites/default/files/archive/ita1025.pdf>.

85 Investment Treaty Arbitration, German Model Treaty -2008, <http://www.italaw.com/sites/default/files/archive/ita1025.pdf>.

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hält der Text fest, dass diese nur dann umfasst sind, wenn sie nicht aus einer bloßen Vertragsbeziehung über eine Ware oder Leistung, der Finanzierung eines solchen Geschäfts oder aus einem Urteil oder einem Schiedsspruch folgen. Darüber hinaus stellt der Text klar, dass nur bereits getätigte Investitionen, die das geltende Recht des Gaststaates nicht verletzen, ge-schützt werden. Noch im Planungsstadium befindli-che Investitionen sind vom Anwendungsbereich aus-geschlossen.

Ein „Investor“ im Sinne von CETA ist eine natürliche oder juristische Person, die plant, eine Investition im Gebiet der anderen Partei zu tätigen, die Investition gerade tätigt oder diese getätigt hat. Niederlassungen oder Repräsentanzen gelten nicht als Investoren im Sinne von CETA.86

Aus Investorensicht ist eine weite Definition von Inve-stition und Investor einer engen vorzuziehen, da diese einen umfassenderen Schutz für Auslandsinvestitionen schafft. Aus staatlicher Sicht kann eine weite Defini-tion jedoch dann zum Problem werden, wenn sie ein Einfallstor für Klagen über Briefkastenfirmen öffnet. Neuere IFV wie CETA konkretisieren daher, dass nur die Investitionen von solchen Investoren geschützt sind, die bereits substanzielle Geschäfte im Gaststaat getätigt haben. Eine Beschränkung des Anwendungs-bereichs und der Ausschluss reiner Briefkastenfirmen kann „treaty shopping“ verhindern und trägt somit der vorgebrachten Kritik Rechnung.

Gerecht und billig („fair and equitable treatment“, FET): In den meisten der bestehenden IFV wurde der Grund-satz der gerechten und billigen Behandlung nicht kon-kretisiert. Ein Blick auf die bisherigen Schiedssprüche gibt jedoch Auskunft darüber, was unter FET zu ver-stehen ist. Demnach wird der Investor beispielswei-se nicht gerecht und billig behandelt, wenn er unter politischen Druck gesetzt oder ihm der Zugang zum nationalen Rechtsweg verweigert wird. FET ist auch dann verletzt, wenn Regierungsentscheidungen will-

kürlich, inkonsistent, intransparent und widersprüch-lich sind, oder wenn die berechtigten Erwartungen des ausländischen Investors verletzt werden. Der Investor genießt unter herkömmlichen IFV Vertrauensschutz. Berechtigte Erwartungen können sich durch explizite oder implizite Aussagen und Zusicherungen seitens des Staates gegenüber dem Investor ergeben.

Die Definition von FET in CETA unterscheidet sich von dieser traditionellen, weiten Definition deutlich. Im Vertragstext werden konkrete Handlungen auf-gezählt, die gegen den Grundsatz der gerechten und billigen Behandlung verstoßen: Rechtsverweigerung in straf-, zivil- oder verwaltungsrechtlichen Verfahren; wesentliche Verletzung des Rechts auf ein ordnungs-gemäßes Verfahren, einschließlich einer wesentlichen Verletzung der Pflicht zur Transparenz, in Gerichts- und Verwaltungsverfahren; offenkundige Willkür; ge-zielte Diskriminierung aus offenkundig ungerechtfer-tigten Gründen, wie beispielsweise aus Gründen des Geschlechts, der Rasse oder der religiösen Überzeu-gung; missbräuchliche Behandlung von Investoren, einschließlich Nötigung, Zwang und Schikane.87 Da-mit bleibt der Schutzumfang hinter bisher verwende-ten Formulierungen des Grundsatzes gerechter und billiger Behandlung deutlich zurück. Beständigkeit rechtlicher Normen, Vorhersehbarkeit, Angemessen-heit und Konsistenz staatlichen Handelns werden ebenso wenig verlangt wie dem Investor Vertrauens-schutz gewährt wird. Insgesamt beschränkt sich der Grundsatz gerechter und billiger Behandlung auf sehr schwerwiegende Verstöße gegen Vertragsbestimmun-gen, wie beispielsweise ‚offenkundige‘ Willkür.88 Da-mit könnten relevante Fälle ausgeschlossen und das Investitionsschutzniveau insgesamt deutlich gesenkt werden.

Die Definitionen von Investitionen und Inves-toren sollten in künftigen IFVs präzise sein. Die Formulierungen dürfen berechtigte Kla-gen nicht verhindern, müssen aber Missbrauch (etwa durch „treaty shopping“) vorbeugen.

86 Foreign Affairs, Trade and Development Canada, Consolidated Ceta Text, 10. Investment, Article X.3: Definitions, <http://www.international.gc.ca/trade-agreements-accords-commerciaux/agr-acc/ceta-aecg/text-texte/10.aspx?lang=eng> (eingesehen am 27.10.2014).

87 Schill (2014), S. 14. Foreign Affairs, Trade and Development Cana-da, Consolidated Ceta Text, 10. Investment, Article X.9: Treatment of Investors and of Covered Investments, <http://www.internation-al.gc.ca/trade-agreements-accords-commerciaux/agr-acc/ceta-aecg/text-texte/10.aspx?lang=eng> (eingesehen am 27.10.2014).

88 Europäische Kommission, Investitionsbestimmungen im Freihan-delsabkommen EU-Kanada (CETA), 2014, <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/december/tradoc_151959.pdf>.

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Eine Präzisierung des Gebots der gerechten und billi-gen Behandlung in zukünftigen IFV der EU ist auch aus Sicht der deutschen Industrie wünschenswert. Für Fallkonstellationen, die diese Liste nicht abdeckt, sollten zukünftige IFV jedoch die Möglichkeit vorse-hen, die Liste zu erweitern. Zudem führt CETA neue Rechtsbegriffe ein, welche in der Praxis noch mit Le-ben gefüllt werden müssen. Kriterien wie „offenkun-dige Willkür“ oder auch „gezielte Diskriminierung“ dürfen nicht dazu führen, dass „leichte“ Verstöße gegen Vertragsbestimmungen eines IFV ungeahndet bleiben. Zudem sollte staatliches Handeln immer ver-hältnismäßig und der Vertrauensschutz des Investors gewahrt sein.

Indirekte Enteignung: Bisherige Schiedssprüche zei-gen, dass Kapitalanlagen im Ausland nur zum Wohl der Allgemeinheit und gegen prompte und angemes-sene Entschädigung direkt oder indirekt enteignet werden dürfen. Entgangene Gewinne infolge staatli-cher Maßnahmen kommen dabei nicht grundsätzlich einer indirekten Enteignung gleich. Um den Tatbe-stand einer indirekten Enteignung zu erfüllen, muss das Unternehmen einen permanenten und massiven Verlust der Investition oder ihres Wertes infolge eines staatlichen Eingriffs erlitten haben. Oftmals angewen-dete Prüfkriterien für eine indirekte Enteignung sind die wirtschaftlichen Auswirkungen (d.h. effektiver Wechsel der Kontrolle über die Investition oder der Inhaberschaft; eine Beeinträchtigung der berechtigten Erwartungen des Investors) sowie die Dauer der Maß-nahme.

Auch unter CETA liegt eine indirekte Enteignung nur dann vor, wenn dem Investor grundlegende Ei-gentümereigenschaften weitgehend entzogen werden. Dazu gehört unter anderem das Recht, seine Investi-tion zu nutzen, zu besitzen und zu veräußern.89 Der Vertragstext geht jedoch noch einen Schritt weiter als herkömmliche IFV. Alle staatlichen Maßnahmen, die dem Schutz von Interessen der Allgemeinheit wie Ge-sundheit, Sicherheit oder Umwelt dienen, stellen nur

in Ausnahmefällen eine entschädigungspflichtige in-direkte Enteignung dar. Dies ist dann der Fall, wenn die staatliche Maßnahme im Vergleich zu dem ver-folgten gesetzgeberischen Ziel offenkundig unverhält-nismäßig („manifestly excessive“) ist.90 CETA betont damit den gesetzgeberischen Handlungsspielraum des Staates. Gleichzeitig könnte jedoch – je nach Ausle-gung der Schiedsgerichte – die Klausel „offenkundig unverhältnismäßig“ zu einem Problem für Investoren werden. Wird dieser Begriff von Schiedsgerichten eng ausgelegt, könnten damit jegliche Klagen, die sich auf indirekte Enteignung berufen, abgelehnt werden. Dies gilt es in zukünftigen IFV der EU zu vermeiden.

Nicht-Diskriminierung: Mit der Unterzeichnung eines IFV verpflichten sich die Vertragsparteien, ausländische Investoren nicht zu diskriminieren – weder gegenüber inländischen Investoren (Prinzip der Inländerbehand-lung) noch gegenüber anderen ausländischen Investo-ren (Prinzip der Meistbegünstigung, MFN). Beide Prin-zipien gehören zu den Kernschutzstandards von IFV.

CETA garantiert Investoren sowohl Inländerbehand-lung als auch MFN. Voraussetzung für die Inländer-behandlung ist, dass sich der ausländische Investor in einer vergleichbaren Situation befindet wie der inlän-dische Investor („like situations“). Allerdings gelten mehrere Ausnahmen für Inländerbehandlung, sowohl sektorspezifischer als auch genereller Natur. Auch der Meistbegünstigungsgrundsatz ist deutlich beschränk-ter als in herkömmlichen Investitionsschutzabkom-men. Investoren aus Kanada oder der EU können nicht mit Verweis auf MFN prozessuale Rechte aus anderen IFV einfordern.

Das Gebot der gerechten und billigen Be-handlung (FET) sollte in zukünftigen IFVs kon-kretisiert werden. Allerdings müssen Investoren auch in Zukunft Vertrauensschutz genießen. Zudem sollte staatliches Handeln immer ver-hältnismäßig sein.

Die Definition einer indirekten Enteignung sollte in künftigen IFVs möglichst konkret sein. Sie muss den gesetzgeberischen Handlungs-spielraum des Staates sichern, darf aber be-rechtigte Klagen nicht abblocken.

89 Europäische Kommission, Investitionsbestimmungen im Freihan-delsabkommen EU-Kanada (CETA), 2014, S. 2.

90 Schill (2014), S. 18.

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Um ein internationales Level Playing Field, also faire Wettbewerbsbedingungen, zu garantieren, ist ein star-kes Diskriminierungsverbot unabkömmlich. Gene-relle Ausnahmen sollten daher restriktiv gehandhabt und präzise formuliert werden, um kein Einfallstor dafür zu schaffen, begründete Klagen abzuweisen.

Schirmklausel: Viele europäische IFV enthalten Schirmklauseln, die Versprechen eines Staates gegen-über einem Investor vor internationalen Investitions-schiedsgerichten einklagbar machen. Der deutsche Muster-IFV ist dabei keine Ausnahme. Der US-ame-rikanische Mustervertrag und viele US-amerikanische IFV enthalten ebenfalls Schirmklauseln als Bestand-teile ihrer Streitbeilegungsregelungen. CETA umfasst hingegen keine Schirmklausel.

Sicherlich sind nicht alle Vertragsbrüche zwischen dem Staat und dem Investor auch Brüche internatio-naler Verträge. Trotzdem sollte ein IFV eine Schirm-klausel für bestimmte Pflichtverletzungen enthalten. Eine solche Schirmklausel stellt keine unangemesse-ne Belastung für einen Staat dar, da er lediglich dazu angehalten wird, solche Verpflichtungen einzuhalten, die er freiwillig eingegangen ist.

Gewährleistung der staatlichen Souveränität und Re-gulierungshoheit: Staaten brauchen politische Spiel-räume zur souveränen Politikgestaltung („policy space“/ „right to regulate“). Der Staat muss in der Lage sein, im öffentlichen Interesse, unter anderem zum Schutz der Umwelt und des Klimas, zum Schutz des Verbrauchers und der Gesundheit oder auch zum Schutz der kulturellen Vielfalt, gesetzgeberisch und regulierend tätig zu werden. Neuere IFV wie die der

USA schützen schon heute explizit die gesetzgeberi-sche Souveränität des Staates.

In CETA wird bereits in der Präambel klargestellt, dass der Vertrag die Parteien nicht einschränkt, be-rechtigte Gemeinwohlziele zu verfolgen. Darüber hin-aus werden im Vertragstext zahlreiche Ausnahmere-geln definiert, welche die Investitionsschutzvorschrif-ten beschränken. Beispielsweise ist unter CETA der freie Kapitelverkehr geschützt. Der Staat kann jedoch Einschränkungen des Kapitalverkehrs erlauben, wenn beispielsweise Probleme mit der staatlichen Zahlungs-bilanz vorliegen. Wirtschaftliche Sanktionen sind zur Durchsetzung von Maßnahmen der kollektiven Si-cherheit erlaubt. Das Nicht-Diskriminierungsgebot kann in Anlehnung an Artikel XX des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (engl.: Agreement on Tariffs and Trade, GATT) der Welthandelsorganisati-on (WTO) eingeschränkt werden, sollte es notwendig sein, bestimmte Interessen zu schützen. Dazu zählt beispielsweise der Schutz der öffentlichen Sicher-heit und Ordnung, der öffentlichen Moral und von Gesundheit, Tieren oder Pflanzen. Gerade für den Finanzdienstleistungssektor gelten zahlreiche Son-derreglungen. Der Vertragstext erlaubt umfangreiche Eingriffe in den Sektor, wenn diese unter anderem dazu dienen, Anleger zu schützen, den Zahlungsver-kehr und grenzüberschreitende Finanzdienstleistun-gen zu regulieren und die Stabilität des Finanzsystems zu wahren.91 Ein zwischenstaatlicher Ausschuss, das Financial Services Committee, dient als Filter. Er soll entscheiden, ob eine ISDS-Klage mit Berufung auf diese Ausnahme abgewiesen werden kann.92

Ein starkes Diskriminierungsverbot (Inländer-behandlung, MFN) ist auch in künftigen IFV un-abkömmlich. Ausnahmen dürfen kein Einfalls-tor für die Abweisung begründeter Klagen sein.

Auch künftige IFV sollten Schirmklauseln („umbrella clauses“) enthalten. Staaten sollten dazu angehalten werden, freiwillig eingegan-gene Verpflichtungen einzuhalten.

91 Schill, (2014), S. 18ff.92 CETA, Annex XX of the Financial Services Chapter, Understanding

between Canada and the EU Guidance on the application of Article 15.1 (Prudential Carve-out) and Article 20 (Investment Disputes in Financial Services), <http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/september/tradoc_152806.pdf>.

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Auch in zukünftigen Investitionsabkommen der EU sollte das „right to regulate“ von Staaten explizit ge-schützt werden. Allgemeinwohlinteressen und Aus-nahmebestimmungen sollten jedoch so präzise wie möglich formuliert werden. Es gilt, einen angemesse-nen Ausgleich herzustellen, der ausländische Direk-tinvestitionen ausreichend schützt und gleichzeitig die gesetzgeberische Hoheit des Staates garantiert.

Investor-Staat-Streitbeilegung (ISDS)

Verbesserung der Transparenz: Transparenz ist eine grundlegende Voraussetzung für die Legitimität und Akzeptanz von IFV und ISDS in der Bevölkerung. Dies gilt vor allem auch, da es sich bei den Streitfällen nicht um Konflikte zwischen privaten Akteuren son-dern zwischen Privaten und dem Staat handelt, wo-durch unmittelbar das öffentliche Interesse betroffen ist.

Bisher unterscheiden sich die Anforderungen an die Transparenz je nach IFV und Streitschlichtungsin-stanz deutlich. Seit einigen Jahren gibt es daher Be-strebungen auf internationaler Ebene, die Transparenz von ISDS-Verfahren zu verbessern. So verabschiedete UNCITRAL im Juli 2013 Transparenzregeln für die Schiedsgerichtsbarkeit, die im April 2014 in Kraft ge-treten sind. Ähnliche Regeln sind Bestandteil neuerer US-amerikanischer IFV und von CETA. CETA zufol-ge werden nicht nur alle Dokumente (Beiträge der Streitparteien, Entscheidungen des Schiedsgerichts) veröffentlicht. Überdies sind die Anhörungen öffent-lich und Interessenträger (Nichtregierungsorganisa-tionen, Gewerkschaften) können Eingaben machen.

Auch zukünftige europäische Investitionsverträge soll-ten solche Transparenzregeln enthalten. Wie nationa-le Gerichtsverfahren erfordern aber auch Schiedsge-richtsverfahren ein gewisses Maß an Diskretion und können daher nicht völlig transparent sein. So müssen etwa Geschäftsgeheimnisse und Persönlichkeitsrechte auch in Zukunft geschützt werden.

Die Regulierungshoheit von Staaten darf von künftigen IFV nicht in Frage gestellt werden. Der Schutz von Gesundheit, Umwelt und Si-cherheit muss gewährleistet sein. Allgemein-wohlklauseln müssen aber so präzise formuliert sein, dass ein wirksamer Investorenschutz er-halten bleibt.

Schiedsverfahren müssen transparenter wer-den. Maßstab für künftige IFV sind die Transpa-renzregeln der UNCITRAL.

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Verhinderung ungerechtfertigter beziehungsweise missbräuchlicher Klagen („frivolous claims“): Miss-bräuchliche und offensichtlich ungerechtfertigte Kla-gen sollten verhindert werden. Auch wenn am Ende der Staat gewinnt, schafft doch jede Klage Kosten und bindet Mittel. Schon heute enthalten ISDS-Verfahren daher Mechanismen, um unseriöse Klagen zu verhin-dern.

CETA geht noch einen Schritt weiter als herkömm-liche IFV. Dem Vertragstext zufolge muss die unter-liegende Partei die Kosten des Schiedsverfahrens so-wie Kosten für die Rechtsverfolgung in angemessener Höhe tragen (Verlierer-Zahlt-Prinzip). Diese neue Regelung zur Aufteilung der Prozesskosten soll Un-ternehmen davon abhalten, missbräuchliche Klagen einzureichen.

Regelungen zur Eindämmung ungerechtfertigter Kla-gen sind wünschenswert. Die Kostentragung durch die unterlegene Partei ist eine Möglichkeit, um miss-bräuchliche Klagen zu verhindern. Allerdings darf dies nicht dazu führen, dass kleine und mittlere Un-ternehmen aufgrund des finanziellen Risikos keine begründeten Forderungen im Rahmen von Investor-Staat-Schiedsverfahren mehr stellen.93 Zudem könnte das Verlierer-Zahlt-Prinzip in der Praxis Umsetzungs-probleme mit sich bringen. Denn häufig gewinnt eine Partei im Hinblick auf einige, aber nicht alle Anklage-punkte. Entsprechend sollte das Schiedsgericht – auch bei Anwendung des Verlierer-Zahlt-Prinzips – in Zu-kunft einen Ermessensspielraum haben, die Verfah-renskosten zwischen den Parteien aufzuteilen.

Wird eine vorgeschaltete Zulässigkeitsprüfung für Kla-gen eingeführt, sollte diese möglichst einfach, schnell und kostengünstig sein. Zudem muss verhindert wer-den, dass eine solche Vorprüfung politisiert wird.

Vermeidung von Interessenkonflikten von Schieds-richtern: Für die Effektivität und die Legitimität von ISDS-Verfahren sind hohe Qualifikation und ein Höchstmaß an Integrität der Schiedsrichter unab-kömmlich. Nur wenn Schiedsrichter neutral und un-abhängig sind, kann das Schiedswesen funktionieren.

Die Regularien von ICSID und von UNCITRAL be-inhalten daher schon heute entsprechende Prüfungen der Schiedsrichter. Unter CETA soll darüber hinaus ein verbindlicher Verhaltenskodex die Unabhängig-keit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter sicher-stellen. Schiedsrichter, die gegen den Verhaltensko-dex verstoßen, sollen ersetzt werden. Darüber hinaus ist die Schaffung einer konkreten Liste qualifizierter Schiedsrichter vorgesehen, von denen die Streitpartei-en Schiedsrichter wählen können.

Auch zukünftige Abkommen der EU müssen hohe Maßstäbe an die Auswahl von Schiedsrichtern anle-gen. Allerdings müssen Streitparteien genügend Frei-raum in der Wahl der Schiedsrichter haben. Denn schon heute ist es alles andere als einfach, qualifizierte Schiedsrichter für die in der Mehrheit hochkomple-xen ISDS-Fälle zu finden. Zudem darf eine Voraus-wahl möglicher Schiedsrichter, wie in CETA vorgese-hen, nicht zu einer Politisierung der Schiedsverfahren führen. Schiedsrichter müssen qualifizierte, neutrale und unabhängige und nicht etwa politisch genehme Personen sein.

Künftige IFVs müssen die frühzeitige Abwehr ungerechtfertigter Klagen („frivolous claims“) ermöglichen. Ein möglicher Mechanismus ist das Verlierer-Zahlt-Prinzip. Eine Vorprüfung der Fälle muss politisch neutral erfolgen.

Künftige IFV müssen hohe Anforderungen an die Qualifikation und Unabhängigkeit der Schiedsrichter stellen. Für die Investo-ren müssen genügend Schiedsrichter zu Aus-wahl stehen, um der hohen Unterschiedlich-keit und Komplexität der Fälle gerecht werden zu können.

93 DIHK, Stellungnahme des DIHK zum Freihandelsabkommen zwi-schen der EU und Kanada, CETA. Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie im Deutschen Bundestag, 10.12.2014, <http://www.bundestag.de/blob/345490/26609a16bbe76befe7356275aa78daec/felix-neugart--dihk-data.pdf>.

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50

Auslegung von Vertragstexten: Ein Kritikpunkt an IFV sind abweichende Auslegungen von Rechtbegrif-fen durch unterschiedliche Schiedsgerichte. CETA trägt dieser Kritik Rechnung, indem die Möglichkeit externer Beratung und nachträglicher Auslegungsver-einbarungen vorgesehen ist. Unsicherheiten bei der Auslegung des Abkommens könnten so beseitigt und die Rechtssicherheit erhöht werden. Urteile werden dadurch besser vorhersehbar – sowohl für den Inve-stor als auch den Staat.

Wichtig ist allerdings, dass die üblichen Auslegungs-methoden Anwendung finden. Dazu gehört auch das Rückwirkungsverbot: Eine Auslegung, auf die sich der Investor bei seiner Investitionsentscheidung nicht ein-stellen konnte, darf grundsätzlich nicht rückwirkend gelten. Die Auslegungsvereinbarungen müssen sich auf zukünftige Investitionen beschränken. Zudem darf eine solche Beratung nicht dazu genutzt werden, die Regeln zu umgehen und Vertragsinhalte abzuändern. Allein die Vertragspartner sollten die Kompetenz ha-ben, Änderungen am Vertragstext vorzunehmen. Ex-terne Beratung darf außerdem nicht dazu führen, die Zuständigkeitsverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten (welche in eine Vertragsänderung ein-bezogen werden müssten) sowie die Zuständigkeits-verteilung unter den EU-Organen zu umgehen.

ISDS und das Verhältnis zu nationalen Gerichten: IFV helfen Investoren, sich gegen politische Risiken im Ausland abzusichern. Investor-Staat-Schiedsverfah-ren sind ein wichtiges Instrument, um Auseinander-setzungen zwischen ausländischen Investoren und Regierungen zu schlichten. Gerade in vielen Ent-wicklungsländern garantiert das nationale Rechtssy-stem ausländischen Investoren keine gerechte und billige Behandlung. Das nationale Rechtssystem funktioniert oftmals nicht zufriedenstellend. Aber auch zwischen Industrieländern ist es sinnvoll, Inve-stitionsschutzverträge abzuschließen. So werden völ-kerrechtliche Mindeststandards in nationalen Ge-richtsverfahren bisweilen nur inkonsequent und lückenhaft berücksichtigt.

IVF sollten daher nicht von Investoren die vorherige Ausschöpfung des nationalen Rechtswegs verlangen. Dies würde dem Zweck von ISDS, Streitfälle schnell und effektiv beizulegen, zuwiderlaufen. Ebenso pro-blematisch wäre es vom Investor zu verlangen, sich entweder für den nationalen oder den internationa-len Rechtsweg zu entscheiden (engl. „fork in the road approach“). Der Investor würde so das Recht verlie-ren, denselben Fall bei einem anderen Forum einzu-reichen. Sinnvoll ist dahingegen, die Möglichkeit von Mehrfachklagen einzuschränken. CETA untersagt ent-sprechend, einen Streitfall gleichzeitig auf dem natio-nalen und dem internationalen Gerichtsweg zu ver-handeln. Sollte ein Verfahren gleichzeitig unter einem weiteren internationalen Vertrag eingeleitet werden, müssen sich beide Gerichte zunächst verständigen, um gegensätzliche Entscheidungen zu vermeiden. Es ist richtig, Verfahren und Urteile zu koordinieren, auch um Überkompensation zu vermeiden.

Viele IFV schreiben bei der Streitbeilegung eine War-tefrist („Cool Down“-Periode) vor. In dieser Periode haben die Parteien auf eine gütliche Beilegung der Streitigkeiten hinzuarbeiten. Erst danach kann eine Klage eingereicht werden. Hierzu passt auch der in CETA angelegte Ansatz, die freiwillige Nutzung alter-nativer Streitbeilegungsmechanismen wie Schlichtung und Mediation zu fördern. Eine zwingende Durch-führung von Mediationen, Schlichtung oder auch Konsultationen ist hingegen nicht sinnvoll, da dies die Länge und Kosten von ISDS-Verfahren deutlich erhöhen könnte.

Zur Klärung von Interpretationsfragen können künftige IFVs Beratungen der Vertragsparteien vorsehen. Solche Beratungen dürfen allerdings nicht zu versteckten Vertragsveränderungen führen oder die vertragsmäßigen Rechte der In-vestoren unterminieren.

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Einführung eines Berufungsmechanismus: Bislang sind die Urteile von Schiedsgerichten abschließend und bindend und können nur bei Verfahrensfehlern angefochten werden. Ein Berufungsmechanismus könnte die Akzeptanz der ISDS-Verfahren erhöhen. CETA sieht die Möglichkeit zur Entwicklung eines Berufungsverfahrens vor, macht aber zur Ausgestal-tung keine konkreten Vorschläge. Aus Sicht der deut-schen Industrie sollte ein solcher Mechanismus mul-tilateralen Charakter haben. Er könnte ähnlich aufge-baut sein wie die Berufungsinstanz (Appellate Body) des Streitschlichtungsgremiums der WTO (Dispute Settlement Body). Eine solche Instanz könnte lang-fristig dazu führen, dass das Investitionsschutzrecht einheitlicher ausgelegt und mehr Rechtssicherheit für Investoren und Staaten geschaffen wird. Bei der Aus-gestaltung von Berufungsverfahren muss aber darauf geachtet werden, dass sie die Verfahrenskosten nicht weiter in die Höhe treiben und Verfahren nicht über-gebührlich in die Länge ziehen.

Künftige IFV sollten ein Berufungsverfah-ren vorsehen. Vorbild einer Berufungsinstanz könnte der Appellate Body der WTO sein.

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Annex I: IFV Deutschlands (129 Verträge in Kraft)94

Vertragspartner In Kraft getreten am

Afghanistan 12.10.2007

Ägypten 22.11.2009

Albanien 18.08.1995

Algerien 30.05.2002

Angola 01.03.2007

Antigua und Barbuda 28.02.2001

Argentinien 08.11.1993

Armenien 04.08.2000

Aserbaidschan 29.07.1998

Äthiopien 04.05.2006

Bahrein 27.05.2010

Bangladesch 14.09.1986

Barbados 11.05.2002

Belarus (Weißrussland) 23.09.1996

Benin 18.07.1985

Bosnien und Herzegowina 11.11.2007

Botsuana 06.08.2007

Burkina Faso 21.11.2009

Brunei Darussalam 15.06.2004

Bulgarien 10.03.1988

Burundi 09.12.1987

Chile 08.05.1999

China 11.11.2005

Costa Rica 24.03.1998

Côte d’Ivoire 10.06.1968

CSFR 02.08.1992

Dem. Rep. Kongo 22.07.1971

Republik Kongo 14.10.1967

Dominica 11.05.1986

Ecuador 12.02.1999

El Salvador 15.04.2001

Estland 12.01.1997

Gabun 04.07.2007

Georgien 27.09.1998

Ghana 23.11.1998

Griechenland 15.07.1963

Guatemala 29.10.2006

Guinea 13.03.1965

Guyana 09.03.1994

Haiti 01.12.1975

Honduras 27.05.1998

Hongkong 19.02.1998

Indien 13.07.1998

Indonesien 02.06.2007

Iran 23.06.2005

Jamaika 29.05.1996

Jemen (Arab. Rep.) 28.03.2008

Jordanien 28.08.2010

Jugoslawien 25.10.1990

Kambodscha 14.04.2002

Kamerun 21.11.1963

Kap Verde 15.12.1993

Kasachstan 10.05.1995

Katar 19.01.1999

Kenia 07.12.2000

Kirgisistan 16.04.2006

Korea, Republik 15.01.1967

Kosovo IFV mit dem ehemaligen Jugoslawien gilt weiter

Kroatien 28.09.2000

Kuba 22.11.1998

Kuwait 15.11.1997

Laos 24.03.1999

Lesotho 17.08.1985

Lettland 09.06.1996

Libanon 25.03.1999

Liberia 22.10.1967

Libyen 14.07.2010

Litauen 27.06.1997

Vertragspartner In Kraft getreten am

Madagaskar 21.03.1966

Malaysia 06.07.1963

Mali 16.05.1980

Malta 14.12.1975

Marokko 12.04.2008

Mauretanien 26.04.1986

Mauritius 27.08.1973

Mazedonien 17.09.2000

Mexiko 23.02.2001

Republik Moldau 15.06.2006

Mongolei 23.06.1996

Montenegro IFV mit dem ehemaligen Jugoslawien gilt weiter

Mosambik 15.09.2007

Namibia 21.12.1997

Nepal 07.07.1988

Nicaragua 19.01.2001

Niger 10.01.1966

Nigeria 20.09.2007

Oman 04.04.2010

Pakistan 28.04.1962

Palästinensische Behörde 19.09.2008

Panama 10.03.1989

Papua Neuguinea 03.11.1983

Paraguay 03.07.1998

Peru 01.05.1997

Philippinen 01.02.2000

Polen 24.02.1991

Portugal 23.04.1982

Ruanda 28.02.1969

Rumänien 12.12.1998

Russland IFV mit der ehemaligen Sowjetunion gilt weiter

Sambia 25.08.1972

Saudi-Arabien 08.01.1999

Senegal 16.01.1966

Serbien IFV mit dem ehemaligen Jugoslawien gilt weiter

Sierra Leone 10.12.1966

Simbabwe 14.04.2000

Singapur 01.10.1975

Slowakische Republik IFV mit der ehemaligen CSFR gilt weiter

Slowenien 18.07.1998

Somalia 15.02.1985

Sowjetunion 05.08.1991

Sir Lanka 16.01.2004

St. Lucia 22.07.1987

St. Vincent und die Grenadinen 08.01.1989

Südsudan Es gilt der IFV mit Sudan

Sudan 24.01.1967

Swasiland 07.08.1995

Syrien 20.04.1980

Tadschikistan 25.05.2006

Tansania 12.07.1968

Thailand 20.10.2004

Togo 21.12.1964

Trinidad und Tobago 17.04.2010

Tschad 23.11.1968

Tschechische Republik IFV mit der ehemaligen CSFR gilt weiter

Tunesien 06.02.1966

Türkei 16.12.1965

Turkmenistan 19.02.2001

Uganda 19.08.1968

Ukraine 29.06.1996

Ungarn 07.11.1987

Uruguay 29.06.1990

Usbekistan 23.05.1998

Venezuela 16.10.1998

Vereinigte Arabische Emirate 02.07.1999

Vietnam 19.09.1998

Zentralafrikanische Republik 21.01.1968

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Annex II: ISDS-Klagen deutscher Investoren

Deutscher Investor (Klagejahr) Beklagter Staat Konfliktgrund Entscheidung Schadenersatzurteil Schiedsgerichtsregeln

und Rechtsgrundlage

Saar Papier (drei Fälle) (1994, 1996, 1998) Polen Der Staat blockierte den Import von Altpapier aufgrund umwelt-politischer Erwägungen. Das Alt-papier war grundlegend für den Investor und den Betrieb seines Unternehmens.

Der Investor gewann und bekam eine Ent-schädigungssumme zugesprochen. Im Rahmen der zweiten Forderung gewann der Staat. Der Status der dritten Forderung ist unbekannt.96

2,3 Mio. Deutsche Mark UNCITRALIFV Deutschland – Polen

Sedelmayer (1996) Russland Zwangsenteignung von Immo-bilien des Investors in Russland durch den Staat

Sieg des Investors97 2,35 Mio. USD SCCIFV Deutschland – Russland

Siemens (2002) Argentinien Mutmaßlicher Vertragsbruch des Staates bezüglich eines Vertrages zur Herstellung von Personalaus-weisen, worauf das Abkommen plötzlich gekündigt wurde.

Sieg des Investors, worauf jedoch Korruptionsvorwürfe gegenüber dem In-vestor zur Berufung des Urteils und spä-ter zu einer ausge-richtlichen Einigung führten.98

Ursprüngliche Entschei-dung: 237,8 Mio. USD plus Zinsen

ICSIDIFV Deutschland – Argentinien

Deutscher Investor (2002) Portugal Unbekannt Beigelegt Unbekannt

Fraport AG Frankfurt Airport Services Worldwide (zwei Fälle) (2003, 2011)

Philippinen Zurückziehen eines Auftrags zur Konstruktion eines Flughafen-terminals

Zunächst gewann der Staat. Später wurde der Fall neu aufgerollt. Ein Urteil steht noch aus.99

Der Investor verlangt 450 Mio. USD

ICSIDIFV Deutschland – Philippinen

Ed Züblin AG (2003) Saudi-Arabien Konstruktion von Universitäts-gebäuden

Beigelegt Unbekannt ICSIDIFV Deutschland – Saudi-Arabien

Wintershall AG (2004) Argentinien Der Investor argumentierte, dass der Staat sein Öl- und Gasgeschäft u.a. durch die Aber-kennung von Dividenden auf das argentinische Tochterunterneh-men sowie die Beschneidung von Subventionsrechten schädigte.

Das Tribunal lehnte eine Anhörung ab.100

-- ICSIDIFV Deutschland – Argentinien

Daimler Chrysler Services AG (2004) Argentinien Der Konflikt basierte auf der Entscheidung der argentinischen Regierung in Reaktion auf die Finanzkrise, die in US-Dollar laufenden Schulden des Staates auch in Pesos begleichen zu können. Dadurch wurde die Schuldenlast gegenüber Daimler deutlich reduziert.

Klage wurde abge-wiesen.101

-- ICSIDIFV Deutschland – Argentinien

Walter Bau (2005) Thailand Der Konflikt entstand anlässlich einer von Walter Bau gebauten mautpflichtigen Straße. Der Investor beschuldigte die thailän-dische Regierung, die Mautge-bühren erhöht und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit der Straße verringert zu haben.

Sieg des Investors. Der Fall ist zurzeit in Berufung. 2011 wurde am Münche-ner Flughafen das Flugzeug des thai-ländischen Prinzen als Garantie für die ausstehenden Zah-lungen konfisziert.

Die ursprüngliche Sum-me belief sich auf 29,21 Mio. Euro plus Zinsen und plus Verhandlungs-kosten (1,8 Mio. Euro)102

UNCITRALIFV Deutschland – Thailand

R.J. Binder (2006) Tschechische Republik

Unbekannt Klage wurde abge-wiesen.103

-- UNCITRALIFV Deutschland – Tschechische Republik

Hochtief AG (2007) Argentinien Grundlage war ein Vertrag über den Bau von Fernverkehrsstra-ßen. Der Staat erließ Maßnahmen im Zuge der Finanzkrise, die die Vertragsabsprachen über die Berechnung von Mauthöhen in US-Dollar mit regelmäßigem In-flationsausgleich verletzten.

Urteil ausstehend, Fall wurde vom Tri-bunal akzeptiert.

-- ICSIDDeutschland – Argentinien BIT

Gustav F W Hamester GmbH (2007) Ghana Gemeinsame Kakaoproduktion, wobei durch das Ausbleiben von Kakaobohnenlieferungen Verluste entstanden sind.

Klage wurde abge-wiesen.

-- ICSIDIFV Deutschland – Ghana

Alle von deutschen Unternehmen initiierte ISDS-Fälle, die in der UNCTAD-Datenbank für vertragsbasierte Investor-Staats-Klagen95 aufgeführt sind, Stand: Ende 2013 (39 Fälle)

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Deutscher Investor (Klagejahr) Beklagter Staat Konfliktgrund Entscheidung Schadenersatzurteil Schiedsgerichtsregeln

und Rechtsgrundlage

Nordzucker (2007) Polen Streitigkeit entstand durch eine Privatisierungsangelegenheit von polnischen Zuckerproduzenten. Der Staat verzögerte mutmaßlich den Erwerb von zwei Zucker-fabriken, wodurch Nordzucker wertvolle Zeit im Rahmen der Suche nach alternativen Investi-tionen verlor.

Klage wurde abge-wiesen

-- UNCITRALIFV Deutschland – Polen

Traco Deutsche Travertinwerke GmbH (2007)

Polen Der Investor beschuldigte den Staat der Diskriminierung und Enteignung im Zuge einer Inve-stition in ein staatliches Unter-nehmen.

Sieg des Staates -- UNCITRALIFV Deutschland – Polen

Marion und Reinhard Hans Unglaube (2008) Costa Rica Der Investor wurde beauftragt, ein Touristengebiet zu erschlie-ßen, als der Staat per Dekret beschloss, dass das Gelände ein Nationalpark werden sollte und begann, das Gebiet zu enteignen.

Sieg des Investors, zweite Forderung ist noch ausstehend

3,1 Mio. USD plus Zinsen

ICSIDIFV Deutschland – Costa Rica

InterTrade (2008) Tschechische Republik

Der Investor argumentierte, durch Unregelmäßigkeiten in Regierungsbestimmungen zur Forstwirtschaft und bei Aus-schreibungsverfahren Verluste bei seinen Anteilen an einem tschechischen Forstunternehmen erfahren zu haben.

Klage wurde abge-wiesen.104

-- UNCITRALIFV Deutschland – Tschechische Republik

GEA Group AG (2008) Ukraine Der Disput entstand durch die Anschuldigung, dass der ukraini-sche Partner Treibstoff von GEA gestohlen haben soll.

Zunächst gewann der Investor; die Schulden wurden von der Ukraine jedoch nicht begli-chen. Der Investor klagte mit der Forde-rung auf Ausgleich vor dem ICSID und verlor. Der Investor musste die Prozess-kosten des Staates tragen.105

In der ursprünglichen Entscheidung wurde die Ukraine zu 30 Mio. USD verurteilt. In der zweiten Entscheidung musste GEA 1,6 Mio. USD für die ukrainischen Ge-richtskosten aufbringen.

ICSIDIFV Deutschland – Ukraine

Inmaris Perestroika Sailing Maritime Ser-vices GmbH und andere (2008)

Ukraine Die ukrainische Regierung ver-letzte einen Vertrag, der besagte, dass der Investor ein Windjam-mer-Segelschiff nach dessen Re-paratur, die der Investor bezahlte, benutzen dürfe.

Sieg des Investors106 Entschädigungssumme nicht öffentlich

ICSIDIFV Deutschland – Ukraine

Nepolsky (2008) Tschechische Republik

Konflikt entstand durch die Wei-gerung des Staates, eine Geneh-migung für den Wassergebrauch auszustellen.

Klage vom Investor fallen gelassen107

Der Investor forderte 968 Mio. CZK im Jahr 2008.

UNCITRALIFV Deutschland – Tschechische Republik

Deutsche Bank AG (2009) Sri Lanka Das staatliche Erdölunternehmen Sri Lankas geriet mit Zahlungen an die Deutsche Bank in Verzug, welche per Zinssicherungsver-einbarung zugesichert worden waren.

Sieg des Investors, einschließlich eines abweichenden Votums einer der Schiedsgutachter

60,4 Mio. USD plus Zinsen plus 8 Mio. USD Gerichtskosten108

ICSIDIFV Deutschland – Sri Lanka

Adem Dogan (2009) Turkmenistan Die erfolgreiche Geflügelfarm des Investors wurde durch den Staat enteignet.

Ausstehend -- ICSIDIFV Deutschland – Turkmenistan

P.F. Vöcklinghaus (2009) Tschechische Republik

Dem Investor gehörten 50% eines Unternehmens, das einen Golfplatz bauen sollte. Als das Unternehmen bankrottging, wurde der Golfplatz vom Staat an einen Dritten versteigert.

Klage wurde abge-wiesen109

-- UNCITRALIFV Deutschland – Tschechische Republik

ECE Projektmanagement (2009) Tschechische Republik

Der Investor moniert, wider-sprüchliche und anhaltende Probleme mit Behörden über die Konstruktion eines Einkaufszen-trums gehabt zu haben.

Ausstehend -- UNCITRALIFV Deutschland – Tschechische Republik

Bernhard von Pezold und andere (2010) Zimbabwe Der Investor argumentiert, der Staat habe Holzplantagen ohne Entschädigung während einer Landreform enteignet.

Ausstehend -- ICSIDIFV Deutschland – Zimbabwe,IFV Schweiz – Zimbabwe

Oil Tanking GmbH (2010) Bolivien Laut Investor hat der Staat seine Anteile an einem Pipeline-Unter-nehmen verstaatlicht.

Ausstehend -- Ad hocIFV Deutschland – Bolivien,IFV Bolivien – Peru

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Deutscher Investor (Klagejahr) Beklagter Staat Konfliktgrund Entscheidung Schadenersatzurteil Schiedsgerichtsregeln

und Rechtsgrundlage

ST-AD GmbH (2010) Bulgarien Der Investor argumentierte, dass die Rückerstattung eines ehemals enteigneten Geländes in Sofia unrechtmäßig gewesen und somit einer Enteignung gleichzuset-zen sei.

Sieg des Staates. Der Investor musste die gesamten Verfah-renskosten in Höhe von 1.124.384,35 Euro plus 175.000 Euro an den Staat erstatten.

UNCITRALIFV Deutschland – Bulgarien

AES Solar und andere (aus Dänemark, Irland, Luxemburg, den Niederlanden und Groß Britannien) (2011)

Spanien Die Investoren argumentieren, dass das Streichen von Subven-tionen für alternative Umwelt-technologien die gemeinsame Vertragsvereinbarung bricht und somit die Profite von Photo-voltaik-, solarthermischen und Windenergieanlagen drastisch reduziert.

Ausstehend -- UNCITRALVertrag über die Energiecharta

Ampal-American Israel Corporation und an-dere (einschließlich eines Deutschen, der in das Unternehmen investiert hat (2012)

Ägypten Der Investor beanstandet Ver-tragsverletzungen des Staates bei seiner Investition in ein loka-les Gasunternehmen.

Ausstehend -- ICSIDIFV USA – Ägypten IFV Deutschland – Ägypten

Slovak Gas Holding, GDF International SAS und E.ON Ruhrgas International GmbH (2012)

Slowakei Die Investoren argumentieren, dass veränderte Regulierungen den Preis für Erdgas reduziert und somit zu finanziellen Ein-bußen für die Investition geführt haben.

Beigelegt Einigung nicht öffentlich ICSIDVertrag über die Energiecharta

Gelsenwasser AG (2012) Algerien Der Staat beendete den Vertrag mit dem Investor über Wasser-management aufgrund man-gelnden Fortschritts bei dessen Investitionsaktivitäten.

Ausstehend -- ICSIDIFV Deutschland – Algerien

Deutsche Telekom (2013) Indien Das indische Unternehmen Devas, an dem die Deutsche Telekom 20% Anteile besitzt, gewann den Zuschlag für die Bereitstellung von Breitbandinter-net in einer entlegenen Region. Devas hatte mit einer Behörde vereinbart, dass sie einen be-stimmten Anteil der von Satelliten bereitgestellten Breitbandkapazi-tät nutzen könne. Diese Einigung wurde nach einer Regierungs-entscheiden wiederrufen, nach der die Kapazität für strategische Zwecke zurück gehalten werden müsse.

Ausstehend. Andere Anteilseigner an Devas verlangen 1,6 Mrd. Euro.

-- Ad hocIFV Deutschland – Indien

Utsch M.O.V.E.R.S. International GmbH, Erich Utsch Aktiengesellschaft, und Helmut Jungbluth (2013)

Ägypten Unbekannt Ausstehend -- ICSIDIFV Deutschland – Ägypten

Jürgen Wirtgen, Stefan Wirtgen und JSW Solar (zwei) GmbH & Co. KG (2013)

Tschechische Republik

Unbekannt Ausstehend -- UNCITRALIFV Deutschland – Tschechische Republik

Antaris Solar GmbH und Dr. Michael Göde (2013)

Tschechische Republik

Der Investor verlangt Wiedergut-machung für schwere finanzielle Einbußen aufgrund der Einfüh-rung von rückwirkenden, diskri-minierenden Maßnahmen, z.B. einer Solarabgabe von 26% auf alle Einnahmen aus Solaranlagen.

Ausstehend -- UNCITRALIFV Deutschland – TschechoslowakeiVertrag über die Ener-giecharta

Photovoltaik Knopf Betriebs-GmbH (2013) Tschechische Republik

Der Investor verlangt Wiedergut-machung für schwere finanzielle Einbußen aufgrund der Einfüh-rung von rückwirkenden, diskri-minierenden Maßnahmen, z.B. einer Solarabgabe von 26% auf alle Einnahmen aus Solaranlagen.

Ausstehend -- UNCITRALIFV Deutschland – Tschechische Republik Vertrag über die Ener-giecharta

Voltaic Network GmbH (2013) Tschechische Republik

Der Investor verlangt Wiedergut-machung für schwere finanzielle Einbußen aufgrund der Einfüh-rung von rückwirkenden, diskri-minierenden Maßnahmen, z.B. einer Solarabgabe von 26% auf alle Einnahmen aus Solaranlagen.

Ausstehend -- UNCITRALIFV Deutschland – Tschechische Republik Vertrag über die Ener-giecharta

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94 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Übersicht IFVs, via <https://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/B/bilaterale-investi-tionsfoerderungs-und-schutzvertraege-IFV,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf>, Stand: November 2014.

95 UNCTAD, Database of Investor-State Dispute Settlement (ISDS) (reduced version), <http://unctad.org/en/Pages/DIAE/ISDS.aspx> (eingesehen Januar 2015). Die Datenbank beinhaltet Fälle, die bis

einschließlich 2013 eingereicht wurden. Klagen, die nach 2013 ein-gereicht wurden, werden also in der Tabelle nicht berücksichtigt. Ein Fall, der bekannt ist, jedoch nicht in der UNCTAD-Datenbank aufgeführt ist, ist die Klage der Stadtwerke München und ande-rer Unternehmen gegen Spanien. Die Klage wurde am 7. Januar 2015 beim ICSID eingereicht. Der zugrunde liegende IFV ist die Energiecharta. Die klagenden Unternehmen haben das solarther-mische Kraftwerk Andasol 3 in der spanischen Provinz Granada gebaut und im September 2011 in Betrieb genommen. Im Zuge der Staatsschuldenkrise hat die spanische Regierung 2012 die Ökostromförderung zunächst rückwirkend gekürzt und ab 2013 ganz abgeschafft. Dies hat die Rentabilität des Kraftwerks so stark beeinträchtigt, dass die Münchner Stadtwerke ihren Kaufanteil in Höhe von 64 Millionen Euro im Sommer 2013 komplett abgeschrie-ben haben. Das Unternehmen klagt nun auf Kompensation. Das Schiedsgericht für diesen Fall wurde noch nicht konstituiert. Das Verfahren hat noch nicht begonnen.

96 Luke Eric Peterson, „Early Investment Arbitrations against ‚Im-proper‘ Use of Environmental Laws Uncovered“,in: INVEST-SD: Investment Law and Policy Weekly News Bulletin, 5.1.2004, <http://italaw.com/documents/investment_investsd_jan5_2004_000.pdf>.

97 Sergey Ripinsky and Kevin Williams, „Case Summary: Mr. Franz Sedelmayer v The Russian Federation“, in: Damages in Interna-tional Investment Law, November 2008, <http://www.biicl.org/files/3932_1998_sedelmayer_v_russia.pdf>.

98 International Institute for Sustainable Development, International Investment Law and Sustainable Development: Key Cases from 2000-2010, edited by Nathalie Bernasconi-Osterwalder and Lise Johnson, S. 128-131.

99 Jarrod Hepburn, „Fraport Files new Claim at ICSID over Expro-priation of Airport Terminal Project; Annulment Committee Ruling Paved Way for new Hearing by Finding Breach of Investor’s Right to be Heard“, IIA Reporter, 31.3.2011, <http://www.iareporter.com/articles/20110331_7>.

100 Elizabeth Whitsitt, „German Firm Fails to Pass Jurisdictional Hurdle in Claim Against Argentina; Decision Provokes Questions about the Scope and Applicability of MFN Protection“, IISD Investment Treaty News, 5.1.2009, <http://www.iisd.org/itn/2009/01/05/german-firm-fails-to-pass-jurisdictional-hurdle-in-claim-against-argentina-de-cision-provokes-questions-about-the-scope-and-applicability-of-mfn-protection/> (eingesehen am 15.1.2015).

101 Herbert Smith Freehills Dispute Resolution, „Consistently Inconsis-tent: Another Contrasting Decision on ‚Most Favoured Nation‘ Pro-visions, Another Split Decision“, 2 .9.2012, <http://hsfnotes.com/arbitration/2012/09/06/consistently-inconsistent-another-contrast-ing-decision-on-most-favoured-nation-provisions-another-split-decision/> (eingesehen am 15.1.2015).

102 Investment Treaty Arbitration, Werner Schneider, Acting in His Ca-pacity as Insolvency Administrator of Walter Bau Ag (In Liquidation) v. The Kingdom of Thailand, UNCITRAL (Formerly Walter Bau AG (in Liquidation) v. The Kingdom of Thailand), <http://italaw.com/cases/documents/1515> (eingesehen am 15.1.2015).

103 Olivet (2013), S. 10.104 Olivet (2013), S. 10.105 Damon Vis-Dunbar, „Ukraine Cleared of Claim by German Inves-

tor over Stolen Fuel“, in: IISD Investment Treaty News, 12.7.2011, <http://www.iisd.org/itn/2011/07/12/awards-and-decisions-4/> (eingesehen am 15.1.2015).

106 Investment Treaty Arbitration, Inmaris Perestroika Sailing Maritime Services GmbH and Others v. Ukraine (ICSID Case No. ARB/08/8, S. 55-56, <http://italaw.com/sites/default/files/case-documents/italaw1411.pdf>, (eingesehen am 15.1.2015).

107 Olivet (2013), S. 10.108 International Centre for Settlement of Investment Disputes, Award:

Deutsche Bank AG v. Democratic Socialist Republic of Sri Lanka, ICSID Case No. ARB/09/02, S. 124, <http://www.italaw.com/sites/default/files/case-documents/italaw1272.pdf>.

109 Olivet (2013), S. 10.

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Mildner, Stormy-Annika, Elizabeth Johnson und Christoph Sprich, The “I” in TTIP. Why the Trans-atlantic Trade and Investment Partnership Needs an Investment Chapter, BDI Positionspapier, 2014, <http://www.bdi.eu/download_content/Global-isierungMaerkteUndHandel/BDI_The_I_in__TTIP_140930.pdf>.

Mildner, Stormy-Annika, Elizabeth Johnson und Christoph Sprich, Background: Facts and Figures, International Investment Agreements and Investor-State Dispute Settlement, 2014, <http://www.bdi.eu/images_content/GlobalisierungMaerkteUndHandel/BDI_Facts_and_Figures_International_Investment_Agreements.pdf>.

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Besuchen Sie uns auf:

Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP), BDI Webpage, <http://www.bdi.eu/TTIP.htm>.

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Datenbanken zu IFV und ISDS-Fällen

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Weiterführende Literatur

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Impressum

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