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Mediadatenn Anzeigenpreisliste Nr. 24 vom 1.10.2014

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Adresse von Redaktion/Verlag: Verlag 8. Mai GmbH, Torstr. 6, 10119 Berlin

Geschäftsführer: Dietmar Koschmieder Amtsgericht Berlin Charlottenburg, HRB 55651 UStNr. 113726220056 USt-ldNr. DE 172597978

E-Mail: [email protected]: www.jungewelt.deTel.: 0 30/53 63 55-38, Fax: -51

Verlagsleiter: Peter Borak [email protected] 0 30/53 63 55-49

Erscheinungsweise: täglich außer sonn- und feiertags

Verbreitung: bundesweit

Druckauflage: montags bis freitags 23 500 Exemplare, samstags 26 500 Exemplare

Anzeigenschluss: 3 Werktage vor Erscheinen, 15 Uhr Beilagen 14 Tage vor Erscheinen, 15 Uhr

Druckunterlagenschluss: 2 Werktage vor Erscheinen, 15 Uhr Beilagen 6 Werktage vor Erscheinen, 15 Uhr

Rücktrittsrecht: endet zum Zeitpunkt des Anzeigenschlusses

Zahlungsbedingungen: innerhalb von 14 Tagen, netto ohne Abzug

Bankverbindung: IBAN DE81 1001 0010 0695 4951 08; BIC PBNKDEFF

Mittlervergütung: 15 % Agenturprovision

Gestaltungskosten: Auf Wunsch übernehmen wir die Gestaltung Ihrer Druckvorlage, Pauschalzuschlag 40 Euro

Druckverfahren: Rollenoffset

Übermittlung der per E-Mail als PDF- oder EPS-Datei mit Druckunterlagen: eingebundenen Schriften bzw. als TIFF-Datei an [email protected]

Bildauflösung: 300 dpi Es sind jeweils die Nettopreise angegeben. Rabatte für politische und soziale Initiativen auf Anfrage.

Informationen zum Verlag 8. Mai

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3n Vorstellung

Die junge Welt ist nicht nur inhaltlich eine außergewöhnliche Tageszei-tung: Während bei anderen Überregionalen die Aufl age sinkt, kann die junge Welt sowohl online als auch am Kiosk und bei den Printabonne-ments zulegen – vor allem aufgrund des eigenständigen journalistischen Profi ls. Wir erleben täglich, daß eine kritische, unabhängige Tageszeitung, die vom Standpunkt ihrer Leserinnen und Leser aus Realitäten beschreibt und analysiert, dringend gebraucht wird: eine Zeitung, die konsequent gegen Kriegseinsätze anschreibt. Die aufdeckt, wer welche und wessen Interessen vertritt. Die den real existierenden Kapitalismus nicht für das Ende der Geschichte hält.

Leserinnen und Leser, die diese Zeitung für sich entdeckt haben, bleiben ihr treu und setzen sich für sie ein. Unsere aktuelle Leserbefragung basiert auf 3 119 vollständig ausgefüllten Fragebögen mit über 50 Fragen. Ein Ergebnis dieser Umfrage: Anzeigen in Print- und Onlineausgabe passen zu Inhalt und Profi l und werden deshalb von den Lesenden als Empfehlung wahrgenommen. Ausschlaggebend dafür ist auch, daß das Finanzierungs-konzept der jungen Welt in erster Linie auf den Inhalt setzt. Haupteinnah-mequelle sind Erlöse aus Print- und Onlineabonnements. Einnahmen aus Anzeigen helfen uns aber, den Marketingetat der jungen Welt zu stärken und so den Bekanntheitsgrad der Zeitung ständig auszubauen.

Uns ist klar: Für unsere Kunden kommt es darauf an, dass Anzeigen in der jungen Welt Wirkung erzielen und dadurch den Absatz und den Be-kanntheitsgrad der beworbenen Produkte fördern. Gerne helfen wir Ihnen, dafür ein passendes Konzept zu entwickeln.

Dietmar Koschmieder, Geschäftsführung Verlag 8. Mai GmbH

Deutsche Waffen für ÖlBerlin rüstet kurdische Peschmerga für Kampf gegen »Islamischen Staat« auf und entsorgt Altbestände. Gefahr des Einsatzes von Pistolen gegen Oppositionelle. Von Nick Brauns

Die Bundesregierung will mit Waffen- und Ausrüstungshil-fe einen Großverband von

4 000 kurdischen Peschmerga-Sol-daten im Nordirak ausstatten. Stra-tegisches Ziel sei es, daß die Streit-kräfte der Autonomieregion deren Territorium gegen die Angriffe des »Islamischen Staates« (IS) halten und begrenzt auch verlorenes Gebiet zurückerobern können, erklärte Ver-teidigungsministerin Ursula von der Leyen. Sieht man sich die Zusam-mensetzung der Waffenlieferungen an, entsteht allerdings der Eindruck, die Bundesregierung wolle sich vor allem die Gunst des über riesige Öl- und Gasreserven gebietenden kur-dischen Präsidenten Masud Barsani erhalten, ohne andererseits dessen Bestrebungen zur Ausrufung eines unabhängigen Kurdenstaates durch die Lieferung von schweren Waffen zu befördern.

Geliefert werden vor allem Hand-feuerwaffen, darunter je 8 000 G3- und G36-Sturmgewehre mit sechs Millionen Schuß Munition. Sturmge-wehre in den Nordirak zu schicken, ist allerdings wie Eulen nach Athen zu tragen. Denn wer einmal in der Re-gion war, weiß, daß an solchen Waf-gion war, weiß, daß an solchen Waf-gion war, weiß, daß an solchen Waffen kein Mangel besteht und selbst viele Privathaushalte darüber verfü-gen. 8 000 P1-Pistolen machen in der offenen Feldschlacht gegen den IS zudem wenig Sinn. Dagegen besteht die Gefahr, daß solche Waffen zur Niederschlagung sozialer Proteste zum Einsatz kommen. Die Peschmer-ga, bei denen es sich um Parteitrup-pen der großen Regierungsparteien KDP und PUK handelt, eröffneten in den letzten Jahren mehrfach das Feuer auf Oppositionskundgebungen und töteten dabei Demonstranten.

Von Relevanz im Kampf gegen den über eine Reihe von Beutepanzern verfügenden IS sind allein die 30 Abschußsysteme mit 500 Milan-Pan-zerabwehrraketen, die die deutsche Regierung schicken will. Bei einem nicht unerheblichen Teil dieser ab den 70er Jahren von der Bundeswehr beschafften Raketen droht nach Infor-mationen der »Tagesschau« jedoch in absehbarer Zeit die Haltbarkeit aus-zulaufen. So löst die Bundeswehr ein kostspieliges Entsorgungsproblem und schafft Platz für moderne Syste-me. »Wir gehen davon aus, daß der Bundeswehr alles mittelfristig ersetzt wird«, sagte ein Sprecher des Ver-teidigungsministeriums über die 70

Millionen Euro teure Rüstungshilfe an Erbil.

Durch eine über die irakische Zen-tralregierung in Bagdad an Erbil er-folgende Lieferung in drei Etappen soll sichergestellt werden, daß keine Waffenlager angelegt werden. Dabei herrscht weniger die Befürchtung, daß solches Gerät – wie beim kampf-– wie beim kampf-– wie beim kampflosen Rückzug der irakischen Armee aus Mossul oder der Peschmerga aus der Grenzstadt Rabia – in die Hän-de des IS geraten könnte. »Hinter der Aufteilung auf mehrere Tranchen steht die Sorge, die Waffen könnten andernfalls an Kämpfer der Arbeiter-partei Kurdistans (PKK) weitergege-ben werden«, erfuhr die Frankfurter

Allgemeine Zeitung aus Regierungs-kreisen.

Die in der EU-»Terrorliste« aufge-führte PKK und die mit ihr verbün-deten Volksverteidigungseinheiten YPG aus dem kurdischen Selbstver-waltungsgebiet in Syrien, die dort be-reits seit über zwei Jahren erfolgreich gegen die Dschihadisten kämpfen und im Irak Zehntausende Jesiden vor dem IS retteten, sollen nach dem Wil-len der Bundesregierung leer ausge-hen. PKK-Chef Cemil Bayik kritisier-te diese Entscheidung gegenüber derFAZ: Berlin müsse sich bei den Lie-ferungen davon leiten lassen, welche Organisation »am erbittertsten und erfolgreichsten kämpft«, forderte er.

»IS« mit Raketen aus der BRDIn Syrien erobertes Kriegsgerät im Internet präsentiert. Al-Nusra-Front will von Terrorliste runter

Die Terrororganisation »Isla-mischer Staat« (IS) hat in einem im Internet veröffent-

lichten Video nach eigenen Angaben in Syrien eroberte deutsche und rus-sische Waffen präsentiert. In einem Video, aufgenommen auf dem von der Miliz eroberten Militärflughafen Al-Tabka zeigen IS-Kämpfer unter anderem alte russische Kampfjets, Artillerie und mehrere Raketen, von denen einige auf Deutsch mit »Lenkflugkörper DM 72–136 mm Panzerabwehr« beschriftet sind.

nem Bericht der Zeitung Die Weltvom Dienstag handelt es sich bei den deutschen Raketen um den Typ HOT. Diese seien 1981 an die Regierung Syriens geliefert worden, schrieb das Blatt.

Auf den Golanhöhen in Syrien ver-langten islamistische Rebellen der

helmsoldaten gestellt, sagte Armee-sprecher Mosese Tikoitoga in der fidschianischen Hauptstadt Suva.

Die 44 UN-Soldaten waren am vergangenen Donnerstag gemeinsam mit 72 philippinischen Blauhelm-soldaten auf den Golanhöhen von den Islamisten eingekesselt worden.

im Mai 2013 vom UN-Sicherheitsrat als »Terrororganisation« eingestuft worden.

Im Irak drangen Angehörige von Soldaten, die im Juni nahe Tikrit von der IS-Miliz getötet worden sein sol-len, am Dienstag in das Parlament in Bagdad ein. Die Angehörigen for

Können sich über aufgestockte Arsenale freuen: Kurdische Peschmerga-Kämpfer westlich von Mossul

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GEGRÜNDET 1947 · SAMSTAG, 4. OKTOBER 2014 · NR. 230 · 1,80 EURO · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT

Berliner ThinktankGoogle finanziert Forschung

in Deutschland, um auf die

Politik Einfluß zu nehmen. So

gründete das Unternehmen

das Humboldt-Institut für In-

ternet und Gesellschaft. Von

Thomas Wagner Seiten 10/11

WWW.JUNGEWELT.DE

Märkte erschließenAfrikas Filetstücke: Großprojekte von

Abzug anordnenKiew rückt ab: Ukrainische Truppen

räumen Stellungen bei Lugansk. Volksrepubliken für Autonomie

Linke schulenBedürfnis nach marxistischer

Bildung ist vorhanden. Bilanz nach einem Jahr MEZ in Berlin

Hilfe anbietenFlüchtlinge aus Irak und Syrien müs-

sen Möglichkeit bekommen, legal in die BRD einzureisen. 2 93 10

Märkte erschließenAfrikas Filetstücke: Großprojekte von

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»Ein Putsch gegen den demokratischen Sozialstaat«

nMit Jürgen Roth. Über europäische Machtzirkel, die Durchsetzung der Kürzungspolitik und die deutsche Rolle bei der Entdemokratisierung Europas

Foto: Madrid, 13. Februar 2013: Protest gegen die Privatisierung der städti-schen Krankenhäuser

DPA/

LUCA

PIE

RGIO

VANI

die fünfzig wichtigsten Manager europä-ischer, multinational agierender Unter-nehmen an. Ihr Ziel ist es, so steht in einem internen Papier, »die Politik im frü-hest möglichen Stadium zu beeinflussen, noch bevor die politischen Vorschläge offiziell werden.« Und das gelingt ihnen mehr oder weniger perfekt.

Wie sind Sie dem Entrepreneur Roundtable auf die Spur gekom-men?

Ich habe einen Insider ausfindig gemacht, dem ich eine Verschwiegenheitsvereinba-rung unterzeichnen mußte. Laut dessen Angaben hat sich hier ein undurchsichti-ger Machtzirkel gebildet, in dem absolute Vertraulichkeit herrscht. Die Treffen sind genauso geheim wie die Mitglieder, die pro Jahr mindestens 500 Millionen Euro Jahresumsatz vorweisen müssen. Ihre Treffen finden sieben- bis achtmal im Jahr an unterschiedlichen exklusiven Or-ten statt. In Deutschland zählt der Kreis

mindestens 90 Mitglieder aus der Finanz-industrie, aus Pharmaunternehmen, Le-bensmittelkonzernen sowie Medienreprä-sentanten. Ich beschreibe sehr ausführlich die Vita der Mitglieder – es handelt sich durchweg um Vertreter der neoliberalen Ideologie.

Welche Ziele verfolgen sie?Das ist ziemlich eindeutig: Absicherung der eigenen wirtschaftlichen Macht, Besitzstandswahrung und Vermögens-vermehrung auf nationaler wie auf der europäischen und internationalen Ebene. Damit das gelingt, müssen die bislang erkämpften sozialen und kulturellen Er-rungenschaften in allen europäischen Ländern abgebaut, besser noch: vollkom-men zerschlagen werden. Eines der wich-tigsten Ziele sind z. B. Liberalisierung und Privatisierung des Gesundheitswe-sens oder öffentlicher Einrichtungen für

n DRUCKSACHEN:

Verlogener Patriotismus: Im Frühherbst 1914 analysierte W.I.Lenin die Ursachen für den Krieg in Europa. Klassiker

n SCHWARZER KANAL:

Gysis langer Kampf. Wie Linksfraktionschef seine Partei auf »Regierungstauglichkeit« trimmt. Ein Beitrag in der FAZ

n REPORTAGE:

Eine Geschichte hinter jedem Bild. Der rus-sische Fotograf Andrej Stenin hat den Krieg in der Ostukraine dokumentiert

n ABC-WAFFEN:

Die leisen Schritte der Berge: Was ist pas-siert, daß wir uns nicht mehr lieben, nur noch mögen? Von Katharina Bendixen

faulheit & arbeit Sonnabend/Sonntag,4./5. Oktober 2014, Nr. 230

n Fortsetzung auf Seite zwei

der Miliz eroberten Militärflughafen Al-Tabka zeigen IS-Kämpfer unter anderem alte russische Kampfjets, Artillerie und mehrere Raketen, von denen einige auf Deutsch mit »Lenkflugkörper DM 72–136 mm Panzerabwehr« beschriftet sind.

langten islamistische Rebellen der Al-Nusra-Front von den Vereinten

den Islamisten eingekesselt worden. Während die philippinischen Blau

Bagdad ein. Die Angehörigen for-derten, Sicherheitskräfte zur Verant

nMit Jürgen Roth.Kürzungspolitik und die deutsche Rolle bei der Entdemokratisierung Europas

(geb. 1945) veröffentlicht seit Anfang der 70er Jahre Bücher und Fernseh-dokumentationen über organisierte Kriminalität mit den Schwerpunkten Osteuropa, Deutschland und inter-nationaler Terrorismus. Er ist in der Organisation Business Crime Control (BCC) tätig. Im März erschien von ihm der Band »Der stille Putsch«.

Für den US-Milliardär Nick Hanauer steht der Aufstand der Armen bevor: In

um Humanismus. Sie treibt vielmehr die Sorge um, daß es eines Tages mit einem Luxusleben

der Regel Demonstranten oder Streikende, An-zeigen gegen Polizisten werden – zumindest in

»Der Kampf um das Demorecht beginnt auf der Straße« ist ein Interview mit Elke Steven vom

Die Kluft wird immer größerSoziale Widersprüche wachsen, Polizeibehörden rüsten auf. Justiz spielt munter mit. Von Peter Wolter

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Polizeigewalt in Berlin: Beamte fallen über einen Demonstranten her, der gegen die Räumung der von Flüchtlingen besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule protestierte (27. Juni). Hunderte Polizisten haben die Ohlauer Straße abgesperrt, im Wohngebiet herrscht seitdem Ausnahmezustand

Staat & Gewalt Staat & Gewalt Die Linkspartei im Visier des Verfassungsschutzes – Lagebericht über die Bespitzelung von Bodo RamelowKriminalbiologe Mark Benecke im Interview: Bislang hatte er Bundespolizisten ausgebildet, jetzt haben sie ihn zum Mal schikaniert. n Seite 3 Kompetenzgerangel in EU: Ulla Jelpke über die neuen Aufgaben von FRONTEX. n Seite 5Wenn Drohnen über den Köpfen dröhnen: Peter Wolter über Gummigeschosse und Pfefferspray. n Seite 8

Wie Anzeigen in junge Welt wirken

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1. Kluge Köpfe: jW-Leser verfügen über einen ausgesprochen hohen Bildungsgrad: Mehr als die Hälfte hat einen Hochschulabschluss, und über 9 Prozent sind promoviert. Damit liegen sie weit über dem bundesweiten Durchschnitt.2. Lesebegeistert: Nahezu jeder Dritte liest mehr als zwölf Bücher, ein gutes Viertel der Leser zwischen sechs bis zwölf. Übrigens: Die Mehrheit kauft ihre Bücher im Geschäft, die Hälfte erwirbt ihre Bücher auch im Internet. 3. Für Jung und Alt, von Ost nach West: 40 Prozent der Leser sind unter 51 Jahre und 36 Prozent älter als 60 Jahre. Knapp die Hälfte der jW-Leser lebt in den alten Bundesländern. In Berlin, der Heimat-stadt der Zeitung, lebt jeder fünfte Leser. Die jW hat sich als linke Tageszeitung bundesweit etabliert.4. Organisiert und politisiert: 40 Prozent der jW-Leser sind in einer Gewerkschaft organisiert. Unsere Leser wissen genau, wofür sie streiken und streiten. Sie wirken als Multiplikatoren. 5. Zufriedene Leser: Knapp 90 Prozent der Leser gefällt die jW gut bis sehr gut. Sie halten ihre Zeitung vor allem für kritisch (94 Prozent der Leser), mutig (90 Prozent) und gut recherchiert (84 Prozent). Die positive Einstellung der Leser bei der Lektüre der Zeitung erhöht auch die Wirkung Ihrer Anzeige im Blatt.

6. Besondere Leser: Mit einer Anzeige in der jW wird eine Leserschaft angesprochen, die über andere Tagesmedien schwer zu erreichen ist. Nur beinahe jeder vierte liest neben der jW regelmäßig eine weitere bundesweite Tageszeitung (als Papierausgabe), ein Drittel der jW-Leser liest zusätzlich regelmäßig eine Regionalzeitung. 7. Starke Verbundenheit: Ein Viertel der Leser liest seit mehr als zwan-zig Jahren die jW. Viele sind der Zeitung so verbunden, daß sie Mitglied in der Genossenschaft LPG junge Welt eG sind, welcher der Verlag 8. Mai gehört. 8. Aufmerksamkeit garantiert: Anzeigen in der jW wecken großes Interesse: Jeder zweite Leser beachtet Werbung in der Zeitung bewußt und sieht sie »als Empfehlung der jW an ihre Leserschaft«. Besonders interes-sieren Bucherscheinungen (75 Prozent), politische sowie Kulturveran-staltungen (71 bzw. 48 Prozent) und soziale Projekte (42 Prozent).9. Eine Zeitung zum Teilen: Jedes jW-Exemplar wird im Durchschnitt von zwei Personen gelesen. Bei Dreiviertel der Leser lebt mindestens eine weitere Person mit im Haushalt. Eine Anzeige in nur einer jW-Ausgabe wird von vielen weiteren Lesern beachtet.10. Stark im Media-Mix: Ein weiteres starkes Potential erreichen Sie neben den Printlesern mit unseren Onlinelesern. Von ihnen ver-wendet mehr als die Hälfte keinen Werbeblocker im Internet, jeder Dritte nutzt zwar einen, aber bewußt nicht auf der jW-Website.

Anzeigenwerbung in junge Welt: Zehn gute Gründe Wer unsere Leserinnen und Leser sind, und warum es sich lohnt, Anzeigen in dieser Tageszeitung zu schalten

n Vorstellung

Die Zahlen basieren auf den Ergebnissen der jW-Leserbefragung 2013/14 (Grundgesamtheit: 3.119 Personen). Befragt wurden Abonnentinnen und Abonnenten sowie Leserinnen und Leser der Print- und Onlineausgabe der jW. Alle Prozentangaben gerundet.

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Anzeigenleitung:

Silke SchubertTel.: 0 30/53 63 55 38Fax: 0 30/53 63 55 51E-Mail: [email protected]

Anzeigenverkauf jW/ Onlinewerbung:

Thomas BergmannTel.: 0 30/53 63 55 29

E-Mail: [email protected]

Anzeigenverkauf jW/M&R:

Rebekka MruckTel. 0 30/53 63 55 28

E-Mail: [email protected]

Anzeigenverkauf jW:

Belinda WolffTel. 0 30/53 63 55 39

E-Mail: [email protected]

Anzeigenverkauf jW/M&R/ Onlinewerbung

Patrick RupprechtTel. 0 30/53 63 55 57

E-Mail: [email protected]

Ihre Anzeigen, unser Auftrag:

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mm-Preise: s/w ZF Rot 2c 3c/4cnormal 2,00 € 2,10 € 2,20 € 2,50 €ermäßigt* 1,50 € 1,60 € 1,70 € 2,00 €ermäßigt** 1,00 € 1,10 € 1,20 € 1,50 €

Kleinanzeigen Fließsatz Mo–Fr pro Zeile á 33 Zeichen 2,00 € (Mindestberechnung 3 Zeilen)Mindestberechnung für Farbanzeigen: 500 mm* Verlagsanzeigen/Buchangebote/Touristik/Kulturveranstaltungen, Stellenanzeigen,

Regionalkunden** Trauer- und Familienanzeigen

Formatbeispiele/Sonderformate:1/3 Seite 1/4 Seite 1/8 Seite169,4 x 240,0 169,4 x 180,0 111,6 x 135,0285,0 x 144,0 285,0 x 108,0 169,4 x 90,01440,00 € 1080,00 € 540,00 €1 080,00 €* 810,00 €* 405,00 €*

Mit der Blockade gegen Kuba hat sich Washington weiter als je zuvor von der Völ-

kergemeinschaft isoliert. Einzig Israel unterstützte in der UN-Generalver-sammlung am Dienstag noch die US-Politik gegen die sozialistische Kari-bikinsel, 188 Staaten verurteilten sie, und selbst die drei ökonomisch von den USA abhängigen Pazifikstaaten Mikronesien, Marshallinseln und Pa-lau trauten sich eine Enthaltung zu (jW berichtete).

Neben diesem Rekordergebnis zeigte vor allem die Schärfe der Re-debeiträge, daß die Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten nicht bereit ist, das Verhalten der USA länger zu tolerie-ren. »Die USA stellen sich über die Völker der Welt«, stellte Boliviens UN-Botschafter Sacha Llorenty fest. Im Namen des Wirtschaftsbündnisses Mercosur kritisierte Venezuelas Ver-treter Samuel Moncada die »flagrante Verletzung der UN-Charta durch die USA«. Eine deutliche Warnung sprach Chinas ständiger UN-Repräsentant, Wang Min, aus. Die exterritoriale Aus-weitung der US-Blockade gegen Kuba auf Drittländer verletze »die Interessen und die Souveränität« dieser Staaten, erklärte der Diplomat und versicherte, daß China dies nicht hinnehme.

In Deutschland forderte die entwick-lungspolitische Sprecherin der Frakti-on Die Linke, Heike Hänsel, am Mitt-woch die Europäische Kommission, den EU-Ministerrat und die Bundesre-gierung auf, den Online-Bezahldienst PayPal mit Sanktionen zu belegen. Grundlage dafür seien die Bestimmun-gen der »EU Blocking Regulation«, mit der eine Ausdehnung der US-Blockade gegen Kuba auf Europa verhindert werden soll. PayPal, die europäische Tochter eines US-Unternehmens, hat-te wiederholt Guthaben von Nutzern in Deutschland eingefroren, um diese zum Abbruch ihrer Geschäftsbeziehun-gen mit Kuba zu zwingen.

In den bundesdeutschen Konzern-medien fand das Votum in New York bestenfalls in den Meldungsspal-ten Platz. In den Nachbarländern zi-tierten dagegen der Tages-Anzeiger (Schweiz), der Standard (Österreich) und andere Blätter sogar den kubani-schen Außenminister Bruno Rodríguez mit dem Satz: »Die USA sind mit ih-rer Politik gegen Kuba völlig isoliert, es fehlt jede ethische oder rechtliche Grundlage.« Die spanischen Tageszei-tungen El País und El Mundo, die Äu-ßerungen kubanischer Systemgegner regelmäßig auf der Titelseite bringen, fanden hingegen auch nur wenig Platz

für die Entscheidung in New York. »Es scheint UN-Resolutionen erster und zweiter Klasse zu geben«, spöttelte ein Leser der Onlinezeitung Público. Im Gegensatz zu den Konzernblättern hatte das linksliberale Portal bereits am Dienstag ausführlich berichtet und in wenigen Stunden 77 Leserkommen-tare erhalten. Umfangreiche Informa-tionen boten auch das Internetportal des Moskauer Fernsehsenders Russia Today (RT) und der iranische Kanal HispanTV sowie die chinesische Nach-richtenagentur Xinhua. Diese hob her-vor, daß die Pekinger Regierung nicht nur in den Vereinten Nationen, sondern auch direkt gegenüber den USA auf eine Beendigung der Blockade dränge.

Die Medien der USA übernahmen teilweise eine kurze Agenturmeldung oder verschwiegen das Thema ganz. Lediglich die Washington Post veröf-fentlichte einen längeren Artikel, zu dem auch eigene Korrespondentinnen aus Havanna und vom UN-Sitz in New York beitrugen. So erfuhren die Post-Leser, daß alle Debattenbeiträge der UN-Generalversammlung, einschließ-lich der Stellungnahme des US-Vertre-ters Ronald D. Godard, live und in vol-ler Länge im kubanischen Fernsehen übertragen worden waren.

Die Medien der Insel äußerten sich zufrieden über das weiter gestärkte Votum der Weltgemeinschaft gegen die US-Blockade. In der Tageszeitung Granma wies ein Kommentator aller-dings auch kritisch darauf hin, daß eine Reform der Vereinten Nationen drin-gend notwendig sei, damit »Beschlüsse wie diese verbindlich werden und das Land, das die Blockade aufrecht erhält, dazu verpflichten, sie zu beenden, wie es die Mehrheit der Welt fordert«.

Flüchtlinge in der Sahara verdurstetBAMAKO. 87 Migranten, die auf dem Weg nach Europa die Sahara durchqueren wollten, sind tot im Norden Nigers ent-deckt worden. Das Fahrzeug, in dem sie saßen, sei nahe der Grenze zu Algerien liegenge-blieben, und die Menschen – zumeist Frauen und Kinder – seien anschließend verdurstet, berichteten Rettungskräfte am Donnerstag. Die nigrischen Streitkräfte bestätigten die Zahl der Toten und ergänzten, daß darunter 32 Frauen und 48 Kinder seien. Bereits Ende September hätten die Menschen die 150 Kilometer südlich der Grenze gelegene Stadt Arlit per Lastwagen verlassen. (dpa/jW)

Pakistan: weiter US-Drohnenan-griffeISLAMABAD. Trotz der Prote-ste des pakistanischen Premier-ministers Nawaz Sharif setzen die USA ihre Drohnenangriffe im Grenzgebiet zu Afghanistan fort. Bei Raketenbeschuß im Stammesgebiet Nord-Waziri-stan seien am Donnerstag drei mutmaßliche Extremisten getö-tet worden, hieß es aus Sicher-heitskreisen. Das Außenmini-sterium in Islamabad verurteilte den Vorfall als »Verletzung von Pakistans Souveränität«. Sharif hatte vergangene Woche bei einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama in Washington ein Ende der Drohneneinsätze gefordert. (dpa/jW)

Türkei: Mit Kopf-tuch im ParlamentISTANBUL. Mit dem demon-strativen Tragen eines Kopf-tuchs im Parlament in Ankara haben vier weibliche Abge-ordnete einen Tabubruch in der Türkei begangen. Alle vier Parlamentarierinnen gehörten der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP an, wie türkische Medien berichteten. Zuletzt war 1999 die Abge-ordnete Merve Kavakci mit Kopftuch im Parlament in An-kara erschienen. Sie hatte einen Eklat ausgelöst. Ihr wurden die Staatsangehörigkeit und ihr Parlamentssitz aberkannt.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte Ende vergangenen Monats das Kopf-tuchverbot im öffentlichen Dienst außer in der Justiz und bei den Sicherheitskräften ge-kippt. (dpa/jW)

Kooperationsver-trag Rußland–Ni-caragua MANAGUA. Rußland und Ni-caragua haben am Mittwoch ein militärisches Kooperati-onsabkommen geschlossen. Die Streitkräfte beider Länder würden sich künftig regelmäßig über Fragen der internationalen Sicherheit austauschen, sagte der Vorsitzende des russischen

Bei einem US-amerikanischen Drohnenangriff in Nordwest-pakistan sind in der Nacht zum

Donnerstag mindestens drei Men-schen getötet und ebenso viele verletzt worden. Schauplatz der Operation, bei der zwei Raketen auf ein Gebäude abgeschossen wurden, war ein Dorf nahe Miranshah, der Hauptstadt des Bezirks Nordwasiristan. Anonyme Quellen in den pakistanischen Sicher-heitskräften behaupteten der Routine entsprechend, daß es sich bei den Op-fern ausschließlich um mutmaßliche »Militante«, also bewaffnete Kämp-fer, gehandelt habe, ohne sie irgendei-ner Gruppierung zuzuordnen.

Pakistans Regierungschef Nawaz Sharif war am vorigen Mittwoch von Barack Obama im Weißen Haus emp-fangen worden. Nach eigenen Angaben hatte er bei dieser Gelegenheit den US-Präsidenten aufgefordert, die Droh-neneinsätze gegen Ziele in Pakistan einzustellen, da sie die Souveränität seines Landes verletzten und politisch kontraproduktiv seien. Obama hatte

das heikle Thema bei der anschließen-den gemeinsamen Pressekonferenz nur kurz mit leeren Phrasen gestreift. Der gestrige Angriff, es war der 24. in diesem Jahr, stellt seine praktische Antwort auf Sharifs Appell dar. Das scheint die Kritik der oppositionellen PTI zu bestätigen, daß der Premier die pakistanische Position allzu beschei-den und unterwürfig vorgetragen habe. Ganz sicher nicht hilfreich war eine am Mittwoch veröffentlichte Statistik des pakistanischen Verteidigungsministe-riums, die mit überraschenden, völlig neuen Zahlen aufwartete. Danach sol-len bei sämtlichen Drohnenangriffen der vergangenen fünf Jahre »nur« 67 Zivilisten getötet worden sein. Gegen-über UN-Vertretern hatte die pakista-nische Regierung im März die Zahl der seit Beginn der Angriffe im Jahr 2004 getöteten Zivilpersonen mit min-destens 400, möglicherweise bis zu 600 angegeben. Rund 85 Prozent aller bewaffneten Drohneneinsätze gegen Pakistan fanden in der Amtszeit von Obama statt.

Die Angaben gegenüber der UNO stellten die erste derartige Auskunft einer pakistanischen Regierung zum Gesamtumfang der Angriffe und ihrer Folgen dar. Was die jetzt erfolgte »Kor-rektur« nach unten durch das Vertei-digungsministerium – und damit vor allem durch das in Pakistan sehr ein-flußreiche Oberkommando der Streit-kräfte – veranlaßt hat, kann nur vermu-tet werden. Das Ministerium folgte jetzt sogar der unglaubwürdigen Behaup-tung der US-Regierung, im laufenden Jahr ebenso wie im vorigen sei nicht eine einzige Zivilperson durch Drohnen getötet worden. Wenn das wahr wäre, würde die damals 67jährige Momina Bibi noch leben, die am 24. Oktober 2012 bei der Gartenarbeit in einem Dorf Nordwasiristans von der Rakete eines unbemannten Flugkörpers zerfetzt wurde. Ihr Sohn Rafiq Rahman, ein Grundschullehrer, war zusammen mit seiner neunjährigen Tochter Nabila und seinem 13jährigen Sohn Zubair in den vergangenen Tagen auf Einladung des demokratischen Kongreßabgeordneten

Alan Grayson in den USA, um über den Tod seiner Mutter zu berichten.

Neben zahlreichen Interviews tra-ten die drei Paschtunen am Dienstag auch bei einem sogenannten »Brie-fing« des Kongresses auf, das formal unterhalb eines offiziellen »Hearings« rangiert. Außer Grayson mochten sich nur noch vier andere Kongreßmit-glieder, auch sie alle Abgeordnete der Demokratischen Partei, die Mühe und Qual antun, sich über die Folgen der Drohnenangriffe aus erster Hand zu informieren. Sie hörten, wie die Furcht vor den furchtbaren Raketen der Flug-körper, von denen oft mehrere viele Stunden lang über den Dörfern kreisen, das Leben der Bevölkerung bestimmt und vergiftet. Obama, der sich erst kürzlich mit dem Empfang des 16jäh-rigen Taliban-Opfers Malala Yousafzai schmückte, ignorierte die Gelegenheit, die neunjährige Nabila Rahman eben-falls ins Weiße Haus einzuladen. Sie hatte bei dem Angriff nicht nur ihre Großmutter verloren, sondern war auch selbst erheblich durch Splitter verletzt

Obama setzt auf DrohnenPakistanisches Verteidigungsministerium »korrigiert« Opferzahlen nach unten. Von Knut Mellenthin

Zwischen Sudan und Südsudan gibt es neue Spannungen. In der von beiden nordostafrikani-

schen Nachbarländern beanspruchten Grenzregion Abyei fand nun ein Refe-rendum um die staatliche Zugehörig-keit des erdölreichen Gebietes statt. Seit der Abspaltung von Südsudan im Juli 2011 konnte keine Einigung darüber erzielt werden, zu welchem der beiden Staaten die Region gehören soll. Nicht einmal darauf, wer berechtigt ist, über diese Frage abzustimmen, konnten sich die Regierungen in Khartum und Juba verständigen. Nun will die Bevölke-rung vor Ort offenbar Fakten schaffen. 99,89 Prozent der Einwohner der Regi-on stimmten Angaben der inoffiziellen Wahlorganisatoren vom gestrigen Don-nerstag für den Anschluß an Südsudan. Das berichtete die Sudan Tribune.

Bisher war ein Referendum vor allem an der Frage gescheitert, wer zur Teilnahme berechtigt sei. Neben der in der Region großen Bevölke-rungsgruppe der Ngok Dinka, deren Loyalität Richtung Südsudan geht, wohnen hier zumindest zeitweise Angehörige der Misseriya. Diese no-madisch lebende Gruppe hat in der Vergangenheit häufig an der Seite Khartums in Konflikte eingegriffen. Während Khartum der Ansicht ist, daß die Misseriya über den Status von Abyei mitentscheiden sollen, will die Regierung von Südsudan genau dies verhindern. Ursprünglich war ei-ne Abstimmung über den Status von Abyei bereits für Januar 2011 geplant, zeitgleich mit dem Unabhängigkeits-referendum im Südsudan. Letzteres hatte zur Abspaltung des Südens im Juli 2011 geführt. Seither wird über die weitere Vorgangsweise verhan-delt. Im vergangenen Jahr empfahl Südafrikas ehemaliger Präsident Tha-bo Mbeki als Vermittler der Afrika-nischen Union ein Referendum unter Ausschluß der Misseriya. Doch auch dies brachte keine neue Bewegung. Vor einigen Wochen hatten Vertreter der Ngok Dinka schließlich die Befra-gung für Ende Oktober angekündigt.

Nun wurde seit vergangenem Sonn-tag in Abyei abgestimmt. Die genauen Umstände und Termine sind aufgrund des inoffiziellen Charakters des Refe-rendums unklar. Am Montag bereits hatte die Nachrichtenagentur Reuters

berichtet, daß schon »Zehntausende« Einwohner abgestimmt hätten. Die Regierungen beider Länder haben sich derweil von dem Referendum distan-ziert. Beobachter vermuten jedoch, daß Südsudan finanzielle und logisti-sche Unterstützung gewährte. Auch die Afrikanische Union (AU) und die Vereinten Nationen (UNO) lehnen die Initiative der Bevölkerung Abyeis ab. In jedem Fall kommt diese den Inter-essen Jubas entgegen. Allgemein wur-de bereits im Vorfeld eine Mehrheit für die Zugehörigkeit zum Süden er-wartet. Und selbst wenn das Ergebnis von den entscheidenden Institutionen offiziell nicht zur Kenntnis genom-men werden sollte, dürfte es dennoch die Position Jubas in dem Grenzstreit stärken.

Allerdings könnte die Abstimmung auch den schwelenden Konflikt zwi-schen den beiden Nachbarländern er-neut eskalieren lassen. Während der

vergangenen Tage verschärfte sich bereits der Ton in der Auseinander-setzung. Die dem Südsudan naheste-hende Sudan Tribune zitierte am Mitt-woch den Sprecher des sudanesischen Parlaments, Ahmed Ibrahim Al-Tahir, das Referendum als »Rebellion« be-zeichnete. Al-Tahir verglich die Ab-stimmung mit den bewaffneten Auf-ständen in den Provinzen Südkordofan und Blauer Nil, gegen die Khartum immer wieder militärisch vorgeht. Auch von Seiten der Misseriya gab es Medienberichten zufolge bereits Ankündigungen, Abyei nötigenfalls »verteidigen« zu wollen. Diplomati-schere Worte fand indes Sudans Prä-sident Omar Al-Baschir, der laut BBC Anfang der Woche versicherte, er und sein südsudanesischer Amtskollege Salva Kiir würden sich weiterhin um eine Lösung des Konflikts bemühen, die den Wünschen der lokalen Ge-meinschaften entspricht.

Abstimmung als RebellionSudan und Südsudan: Bewohner der Grenzregion Abyei halten Referendum über staatliche

Mit südsudanesischen Flaggen bekunden Frauen in Abyei, der Hauptstadt der gleichnamigen Grenzregion zwi-schen Sudan und Südsudan, ihre Haltung beim Referendum

Teure FreiheitAl-Qaida-Arm in Niger läßt vier Areva-Mitarbeiter frei. Lösegeldzahlung stärkt Islamisten und schafft Vorwand zur Repression. Von Jörg Tiedjen

Auf den ersten Blick ist es eine lang ersehnte Nachricht: Die vier Mitarbeiter der französi-

schen Konzerne Areva und Vinci, die seit Herbst 2010 von der radikalisla-mistischen »Al-Qaida im islamischen Maghreb« (AQMI) gefangengehalten wurden, sind seit Dienstag frei. Die Franzosen Daniel Larribe, Marc Fé-ret, Pierre Legrand und Thierry Dole waren am frühen Morgen des 16. Sep-tember 2010 zusammen mit Larribes Frau Françoise sowie zwei weiteren Leidensgenossen in Arlit im Nordwe-sten Nigers entführt worden. Letztere drei kamen bereits im Februar 2011 frei. In Arlit befindet sich eine von Areva unterhaltene Uranmine, Vinci agiert dort als Anlagenbauer.

Für die Freilassung der Geiseln hat-te AQMI einen Gefangenenaustausch, die Rücknahme des Kopftuchverbots in Frankreich sowie 90 Millionen Eu-ro Lösegeld verlangt. Die jetzige Er-folgsnachricht traf deswegen nicht auf ungeteilte Freude. Zwar beeilten sich offizielle Stellen, das Ende des Gei-seldramas als reinen Verhandlungser-folg darzustellen, und stritten ab, daß man die Forderungen der Entführer erfüllt habe. Da es aber keinen Ge-fangenenaustausch gab und auch das Schleierverbot bestehen bleibt, liegt es

nahe, daß sehr wohl Lösegeld gezahlt wurde. Die französische Tageszeitung Le Monde berichtete am Mittwoch, daß die Entführer »über 20 Millionen Euro« erhalten hätten. Der Radiosen-der RFI bestätigte dies unter Berufung auf eine Quelle, die dem nigrischen Verhandlungsführer »sehr, sehr nahe« stehe. Das Geld habe der französische Geheimdienst DGST im Austausch gegen die GPS-Koordinaten der Gei-seln in der Wüste deponiert.

Schlechte Erinnerungen werden wach, hatten doch mehrere europä-ische Regierungen, darunter die deut-sche, AQMI in den vergangenen zehn Jahren immer wieder Millionen-Lö-segelder zukommen lassen. Es dürf-ten nicht zuletzt diese Mittel gewesen sein, die den Islamisten 2012 zu ei-nem ihrer größten Erfolge verhalfen. Im Anschluß an die Revolte der Tua-reg-Separatisten der »Nationalbewe-gung für die Befreiung von Azawad« ( MNLA) übernahmen sie gemeinsam mit anderen Dschihadisten-Gruppen die Kontrolle über den Norden des Nachbarlands Mali. Die Lage ist dort – wie im Niger – nach wie vor an-gespannt. Areva weigert sich derweil weiter hartnäckig, den Forderungen der Bevölkerung im Niger entgegen-zukommen, die Schutz vor den kata-

strophalen Auswirkungen des Uran-bergbaus und eine Beteiligung an den Gewinnen verlangt. Der Konflikt wird so weiter angeheizt. Das Geiseldrama diente dem Atomkonzern dennoch als Anlaß, unter Hinweis auf die Bedro-hung durch AQMI die Eröffnung einer weiteren Mine bei Imouraren hinaus-zuzögern. Areva dürfte das aufgrund des Kollaps auf dem Uranmarkt nach der Reaktorkatastrophe von Fukushi-ma recht gewesen sein. Dem Niger jedoch entgingen Einnahmen, mit de-nen das verarmte Land fest gerechnet hatte.

Die Verträge sollen nun neu ver-handelt werden. Bürgerrechtler de-monstrieren seit Wochen, um den nigrischen Präsidenten Mahamadou Issoufou zu drängen, sich gegenüber dem Konzern unnachgiebig zu zeigen. Im vergangenen Winter war bekannt geworden, daß Areva ihm als »Ent-schädigung« für Imouraren ein neues Flugzeug schenken wollte. Wenn in dieser Situation AQMI mit Millionen-beträgen überschüttet wird, liegt der Verdacht nahe, daß einmal mehr die Dschihadisten-Karte gespielt werden soll. Die verschärften »Sicherheits-maßnahmen«, die so gerechtfertigt werden, richten sich jedoch nur vor-dergründig gegen AQMI. Hauptadres-

Rekordergebnis ignoriertBlockade Kubas verurteilt. Konzernmedien ist das kaum eine Meldung wert

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Freitag, 1. November 2013, Nr. 253 7POLITIKFreitag, 1. November 2013, Nr. 253 6 POLITIK Freitag, 1. Oktober 2014, Nr. 1TAGeSAUSGABe6

Mit der Blockade gegen Kuba hat sich Washington weiter als je zuvor von der Völ-

kergemeinschaft isoliert. Einzig Israel unterstützte in der UN-Generalver-sammlung am Dienstag noch die US-Politik gegen die sozialistische Kari-bikinsel, 188 Staaten verurteilten sie, und selbst die drei ökonomisch von den USA abhängigen Pazifikstaaten Mikronesien, Marshallinseln und Pa-lau trauten sich eine Enthaltung zu (jW berichtete).

Neben diesem Rekordergebnis zeigte vor allem die Schärfe der Re-debeiträge, daß die Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten nicht bereit ist, das Verhalten der USA länger zu tolerie-ren. »Die USA stellen sich über die Völker der Welt«, stellte Boliviens UN-Botschafter Sacha Llorenty fest. Im Namen des Wirtschaftsbündnisses Mercosur kritisierte Venezuelas Ver-treter Samuel Moncada die »flagrante Verletzung der UN-Charta durch die USA«. Eine deutliche Warnung sprach Chinas ständiger UN-Repräsentant, Wang Min, aus. Die exterritoriale Aus-weitung der US-Blockade gegen Kuba auf Drittländer verletze »die Interessen und die Souveränität« dieser Staaten, erklärte der Diplomat und versicherte, daß China dies nicht hinnehme.

In Deutschland forderte die entwick-lungspolitische Sprecherin der Frakti-on Die Linke, Heike Hänsel, am Mitt-woch die Europäische Kommission, den EU-Ministerrat und die Bundesre-gierung auf, den Online-Bezahldienst PayPal mit Sanktionen zu belegen. Grundlage dafür seien die Bestimmun-gen der »EU Blocking Regulation«, mit der eine Ausdehnung der US-Blockade gegen Kuba auf Europa verhindert werden soll. PayPal, die europäische Tochter eines US-Unternehmens, hat-te wiederholt Guthaben von Nutzern in Deutschland eingefroren, um diese zum Abbruch ihrer Geschäftsbeziehun-gen mit Kuba zu zwingen.

In den bundesdeutschen Konzern-medien fand das Votum in New York bestenfalls in den Meldungsspal-ten Platz. In den Nachbarländern zi-tierten dagegen der Tages-Anzeiger (Schweiz), der Standard (Österreich) und andere Blätter sogar den kubani-schen Außenminister Bruno Rodríguez mit dem Satz: »Die USA sind mit ih-rer Politik gegen Kuba völlig isoliert, es fehlt jede ethische oder rechtliche Grundlage.« Die spanischen Tageszei-tungen El País und El Mundo, die Äu-ßerungen kubanischer Systemgegner regelmäßig auf der Titelseite bringen, fanden hingegen auch nur wenig Platz

für die Entscheidung in New York. »Es scheint UN-Resolutionen erster und zweiter Klasse zu geben«, spöttelte ein Leser der Onlinezeitung Público. Im Gegensatz zu den Konzernblättern hatte das linksliberale Portal bereits am Dienstag ausführlich berichtet und in wenigen Stunden 77 Leserkommen-tare erhalten. Umfangreiche Informa-tionen boten auch das Internetportal des Moskauer Fernsehsenders Russia Today (RT) und der iranische Kanal HispanTV sowie die chinesische Nach-richtenagentur Xinhua. Diese hob her-vor, daß die Pekinger Regierung nicht nur in den Vereinten Nationen, sondern auch direkt gegenüber den USA auf eine Beendigung der Blockade dränge.

Die Medien der USA übernahmen teilweise eine kurze Agenturmeldung oder verschwiegen das Thema ganz. Lediglich die Washington Post veröf-fentlichte einen längeren Artikel, zu dem auch eigene Korrespondentinnen aus Havanna und vom UN-Sitz in New York beitrugen. So erfuhren die Post-Leser, daß alle Debattenbeiträge der UN-Generalversammlung, einschließ-lich der Stellungnahme des US-Vertre-ters Ronald D. Godard, live und in vol-ler Länge im kubanischen Fernsehen übertragen worden waren.

Die Medien der Insel äußerten sich zufrieden über das weiter gestärkte Votum der Weltgemeinschaft gegen die US-Blockade. In der Tageszeitung Granma wies ein Kommentator aller-dings auch kritisch darauf hin, daß eine Reform der Vereinten Nationen drin-gend notwendig sei, damit »Beschlüsse wie diese verbindlich werden und das Land, das die Blockade aufrecht erhält, dazu verpflichten, sie zu beenden, wie es die Mehrheit der Welt fordert«.

Flüchtlinge in der Sahara verdurstetBAMAKO. 87 Migranten, die auf dem Weg nach Europa die Sahara durchqueren wollten, sind tot im Norden Nigers ent-deckt worden. Das Fahrzeug, in dem sie saßen, sei nahe der Grenze zu Algerien liegenge-blieben, und die Menschen – zumeist Frauen und Kinder – seien anschließend verdurstet, berichteten Rettungskräfte am Donnerstag. Die nigrischen Streitkräfte bestätigten die Zahl der Toten und ergänzten, daß darunter 32 Frauen und 48 Kinder seien. Bereits Ende September hätten die Menschen die 150 Kilometer südlich der Grenze gelegene Stadt Arlit per Lastwagen verlassen. (dpa/jW)

Pakistan: weiter US-Drohnenan-griffeISLAMABAD. Trotz der Prote-ste des pakistanischen Premier-ministers Nawaz Sharif setzen die USA ihre Drohnenangriffe im Grenzgebiet zu Afghanistan fort. Bei Raketenbeschuß im Stammesgebiet Nord-Waziri-stan seien am Donnerstag drei mutmaßliche Extremisten getö-tet worden, hieß es aus Sicher-heitskreisen. Das Außenmini-sterium in Islamabad verurteilte den Vorfall als »Verletzung von Pakistans Souveränität«. Sharif hatte vergangene Woche bei einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama in Washington ein Ende der Drohneneinsätze gefordert. (dpa/jW)

Türkei: Mit Kopf-tuch im ParlamentISTANBUL. Mit dem demon-strativen Tragen eines Kopf-tuchs im Parlament in Ankara haben vier weibliche Abge-ordnete einen Tabubruch in der Türkei begangen. Alle vier Parlamentarierinnen gehörten der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP an, wie türkische Medien berichteten. Zuletzt war 1999 die Abge-ordnete Merve Kavakci mit Kopftuch im Parlament in An-kara erschienen. Sie hatte einen Eklat ausgelöst. Ihr wurden die Staatsangehörigkeit und ihr Parlamentssitz aberkannt.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte Ende vergangenen Monats das Kopf-tuchverbot im öffentlichen Dienst außer in der Justiz und bei den Sicherheitskräften ge-kippt. (dpa/jW)

Kooperationsver-trag Rußland–Ni-caragua MANAGUA. Rußland und Ni-caragua haben am Mittwoch ein militärisches Kooperati-onsabkommen geschlossen. Die Streitkräfte beider Länder würden sich künftig regelmäßig über Fragen der internationalen Sicherheit austauschen, sagte der Vorsitzende des russischen

Bei einem US-amerikanischen Drohnenangriff in Nordwest-pakistan sind in der Nacht zum

Donnerstag mindestens drei Men-schen getötet und ebenso viele verletzt worden. Schauplatz der Operation, bei der zwei Raketen auf ein Gebäude abgeschossen wurden, war ein Dorf nahe Miranshah, der Hauptstadt des Bezirks Nordwasiristan. Anonyme Quellen in den pakistanischen Sicher-heitskräften behaupteten der Routine entsprechend, daß es sich bei den Op-fern ausschließlich um mutmaßliche »Militante«, also bewaffnete Kämp-fer, gehandelt habe, ohne sie irgendei-ner Gruppierung zuzuordnen.

Pakistans Regierungschef Nawaz Sharif war am vorigen Mittwoch von Barack Obama im Weißen Haus emp-fangen worden. Nach eigenen Angaben hatte er bei dieser Gelegenheit den US-Präsidenten aufgefordert, die Droh-neneinsätze gegen Ziele in Pakistan einzustellen, da sie die Souveränität seines Landes verletzten und politisch kontraproduktiv seien. Obama hatte

das heikle Thema bei der anschließen-den gemeinsamen Pressekonferenz nur kurz mit leeren Phrasen gestreift. Der gestrige Angriff, es war der 24. in diesem Jahr, stellt seine praktische Antwort auf Sharifs Appell dar. Das scheint die Kritik der oppositionellen PTI zu bestätigen, daß der Premier die pakistanische Position allzu beschei-den und unterwürfig vorgetragen habe. Ganz sicher nicht hilfreich war eine am Mittwoch veröffentlichte Statistik des pakistanischen Verteidigungsministe-riums, die mit überraschenden, völlig neuen Zahlen aufwartete. Danach sol-len bei sämtlichen Drohnenangriffen der vergangenen fünf Jahre »nur« 67 Zivilisten getötet worden sein. Gegen-über UN-Vertretern hatte die pakista-nische Regierung im März die Zahl der seit Beginn der Angriffe im Jahr 2004 getöteten Zivilpersonen mit min-destens 400, möglicherweise bis zu 600 angegeben. Rund 85 Prozent aller bewaffneten Drohneneinsätze gegen Pakistan fanden in der Amtszeit von Obama statt.

Die Angaben gegenüber der UNO stellten die erste derartige Auskunft einer pakistanischen Regierung zum Gesamtumfang der Angriffe und ihrer Folgen dar. Was die jetzt erfolgte »Kor-rektur« nach unten durch das Vertei-digungsministerium – und damit vor allem durch das in Pakistan sehr ein-flußreiche Oberkommando der Streit-kräfte – veranlaßt hat, kann nur vermu-tet werden. Das Ministerium folgte jetzt sogar der unglaubwürdigen Behaup-tung der US-Regierung, im laufenden Jahr ebenso wie im vorigen sei nicht eine einzige Zivilperson durch Drohnen getötet worden. Wenn das wahr wäre, würde die damals 67jährige Momina Bibi noch leben, die am 24. Oktober 2012 bei der Gartenarbeit in einem Dorf Nordwasiristans von der Rakete eines unbemannten Flugkörpers zerfetzt wurde. Ihr Sohn Rafiq Rahman, ein Grundschullehrer, war zusammen mit seiner neunjährigen Tochter Nabila und seinem 13jährigen Sohn Zubair in den vergangenen Tagen auf Einladung des demokratischen Kongreßabgeordneten

Alan Grayson in den USA, um über den Tod seiner Mutter zu berichten.

Neben zahlreichen Interviews tra-ten die drei Paschtunen am Dienstag auch bei einem sogenannten »Brie-fing« des Kongresses auf, das formal unterhalb eines offiziellen »Hearings« rangiert. Außer Grayson mochten sich nur noch vier andere Kongreßmit-glieder, auch sie alle Abgeordnete der Demokratischen Partei, die Mühe und Qual antun, sich über die Folgen der Drohnenangriffe aus erster Hand zu informieren. Sie hörten, wie die Furcht vor den furchtbaren Raketen der Flug-körper, von denen oft mehrere viele Stunden lang über den Dörfern kreisen, das Leben der Bevölkerung bestimmt und vergiftet. Obama, der sich erst kürzlich mit dem Empfang des 16jäh-rigen Taliban-Opfers Malala Yousafzai schmückte, ignorierte die Gelegenheit, die neunjährige Nabila Rahman eben-falls ins Weiße Haus einzuladen. Sie hatte bei dem Angriff nicht nur ihre Großmutter verloren, sondern war auch selbst erheblich durch Splitter verletzt

Obama setzt auf DrohnenPakistanisches Verteidigungsministerium »korrigiert« Opferzahlen nach unten. Von Knut Mellenthin

Zwischen Sudan und Südsudan gibt es neue Spannungen. In der von beiden nordostafrikani-

schen Nachbarländern beanspruchten Grenzregion Abyei fand nun ein Refe-rendum um die staatliche Zugehörig-keit des erdölreichen Gebietes statt. Seit der Abspaltung von Südsudan im Juli 2011 konnte keine Einigung darüber erzielt werden, zu welchem der beiden Staaten die Region gehören soll. Nicht einmal darauf, wer berechtigt ist, über diese Frage abzustimmen, konnten sich die Regierungen in Khartum und Juba verständigen. Nun will die Bevölke-rung vor Ort offenbar Fakten schaffen. 99,89 Prozent der Einwohner der Regi-on stimmten Angaben der inoffiziellen Wahlorganisatoren vom gestrigen Don-nerstag für den Anschluß an Südsudan. Das berichtete die Sudan Tribune.

Bisher war ein Referendum vor allem an der Frage gescheitert, wer zur Teilnahme berechtigt sei. Neben der in der Region großen Bevölke-rungsgruppe der Ngok Dinka, deren Loyalität Richtung Südsudan geht, wohnen hier zumindest zeitweise Angehörige der Misseriya. Diese no-madisch lebende Gruppe hat in der Vergangenheit häufig an der Seite Khartums in Konflikte eingegriffen. Während Khartum der Ansicht ist, daß die Misseriya über den Status von Abyei mitentscheiden sollen, will die Regierung von Südsudan genau dies verhindern. Ursprünglich war ei-ne Abstimmung über den Status von Abyei bereits für Januar 2011 geplant, zeitgleich mit dem Unabhängigkeits-referendum im Südsudan. Letzteres hatte zur Abspaltung des Südens im Juli 2011 geführt. Seither wird über die weitere Vorgangsweise verhan-delt. Im vergangenen Jahr empfahl Südafrikas ehemaliger Präsident Tha-bo Mbeki als Vermittler der Afrika-nischen Union ein Referendum unter Ausschluß der Misseriya. Doch auch dies brachte keine neue Bewegung. Vor einigen Wochen hatten Vertreter der Ngok Dinka schließlich die Befra-gung für Ende Oktober angekündigt.

Nun wurde seit vergangenem Sonn-tag in Abyei abgestimmt. Die genauen Umstände und Termine sind aufgrund des inoffiziellen Charakters des Refe-rendums unklar. Am Montag bereits hatte die Nachrichtenagentur Reuters

berichtet, daß schon »Zehntausende« Einwohner abgestimmt hätten. Die Regierungen beider Länder haben sich derweil von dem Referendum distan-ziert. Beobachter vermuten jedoch, daß Südsudan finanzielle und logisti-sche Unterstützung gewährte. Auch die Afrikanische Union (AU) und die Vereinten Nationen (UNO) lehnen die Initiative der Bevölkerung Abyeis ab. In jedem Fall kommt diese den Inter-essen Jubas entgegen. Allgemein wur-de bereits im Vorfeld eine Mehrheit für die Zugehörigkeit zum Süden er-wartet. Und selbst wenn das Ergebnis von den entscheidenden Institutionen offiziell nicht zur Kenntnis genom-men werden sollte, dürfte es dennoch die Position Jubas in dem Grenzstreit stärken.

Allerdings könnte die Abstimmung auch den schwelenden Konflikt zwi-schen den beiden Nachbarländern er-neut eskalieren lassen. Während der

vergangenen Tage verschärfte sich bereits der Ton in der Auseinander-setzung. Die dem Südsudan naheste-hende Sudan Tribune zitierte am Mitt-woch den Sprecher des sudanesischen Parlaments, Ahmed Ibrahim Al-Tahir, das Referendum als »Rebellion« be-zeichnete. Al-Tahir verglich die Ab-stimmung mit den bewaffneten Auf-ständen in den Provinzen Südkordofan und Blauer Nil, gegen die Khartum immer wieder militärisch vorgeht. Auch von Seiten der Misseriya gab es Medienberichten zufolge bereits Ankündigungen, Abyei nötigenfalls »verteidigen« zu wollen. Diplomati-schere Worte fand indes Sudans Prä-sident Omar Al-Baschir, der laut BBC Anfang der Woche versicherte, er und sein südsudanesischer Amtskollege Salva Kiir würden sich weiterhin um eine Lösung des Konflikts bemühen, die den Wünschen der lokalen Ge-meinschaften entspricht.

Abstimmung als RebellionSudan und Südsudan: Bewohner der Grenzregion Abyei halten Referendum über staatliche

Mit südsudanesischen Flaggen bekunden Frauen in Abyei, der Hauptstadt der gleichnamigen Grenzregion zwi-schen Sudan und Südsudan, ihre Haltung beim Referendum

Teure FreiheitAl-Qaida-Arm in Niger läßt vier Areva-Mitarbeiter frei. Lösegeldzahlung stärkt Islamisten und schafft Vorwand zur Repression. Von Jörg Tiedjen

Auf den ersten Blick ist es eine lang ersehnte Nachricht: Die vier Mitarbeiter der französi-

schen Konzerne Areva und Vinci, die seit Herbst 2010 von der radikalisla-mistischen »Al-Qaida im islamischen Maghreb« (AQMI) gefangengehalten wurden, sind seit Dienstag frei. Die Franzosen Daniel Larribe, Marc Fé-ret, Pierre Legrand und Thierry Dole waren am frühen Morgen des 16. Sep-tember 2010 zusammen mit Larribes Frau Françoise sowie zwei weiteren Leidensgenossen in Arlit im Nordwe-sten Nigers entführt worden. Letztere drei kamen bereits im Februar 2011 frei. In Arlit befindet sich eine von Areva unterhaltene Uranmine, Vinci agiert dort als Anlagenbauer.

Für die Freilassung der Geiseln hat-te AQMI einen Gefangenenaustausch, die Rücknahme des Kopftuchverbots in Frankreich sowie 90 Millionen Eu-ro Lösegeld verlangt. Die jetzige Er-folgsnachricht traf deswegen nicht auf ungeteilte Freude. Zwar beeilten sich offizielle Stellen, das Ende des Gei-seldramas als reinen Verhandlungser-folg darzustellen, und stritten ab, daß man die Forderungen der Entführer erfüllt habe. Da es aber keinen Ge-fangenenaustausch gab und auch das Schleierverbot bestehen bleibt, liegt es

nahe, daß sehr wohl Lösegeld gezahlt wurde. Die französische Tageszeitung Le Monde berichtete am Mittwoch, daß die Entführer »über 20 Millionen Euro« erhalten hätten. Der Radiosen-der RFI bestätigte dies unter Berufung auf eine Quelle, die dem nigrischen Verhandlungsführer »sehr, sehr nahe« stehe. Das Geld habe der französische Geheimdienst DGST im Austausch gegen die GPS-Koordinaten der Gei-seln in der Wüste deponiert.

Schlechte Erinnerungen werden wach, hatten doch mehrere europä-ische Regierungen, darunter die deut-sche, AQMI in den vergangenen zehn Jahren immer wieder Millionen-Lö-segelder zukommen lassen. Es dürf-ten nicht zuletzt diese Mittel gewesen sein, die den Islamisten 2012 zu ei-nem ihrer größten Erfolge verhalfen. Im Anschluß an die Revolte der Tua-reg-Separatisten der »Nationalbewe-gung für die Befreiung von Azawad« ( MNLA) übernahmen sie gemeinsam mit anderen Dschihadisten-Gruppen die Kontrolle über den Norden des Nachbarlands Mali. Die Lage ist dort – wie im Niger – nach wie vor an-gespannt. Areva weigert sich derweil weiter hartnäckig, den Forderungen der Bevölkerung im Niger entgegen-zukommen, die Schutz vor den kata-

strophalen Auswirkungen des Uran-bergbaus und eine Beteiligung an den Gewinnen verlangt. Der Konflikt wird so weiter angeheizt. Das Geiseldrama diente dem Atomkonzern dennoch als Anlaß, unter Hinweis auf die Bedro-hung durch AQMI die Eröffnung einer weiteren Mine bei Imouraren hinaus-zuzögern. Areva dürfte das aufgrund des Kollaps auf dem Uranmarkt nach der Reaktorkatastrophe von Fukushi-ma recht gewesen sein. Dem Niger jedoch entgingen Einnahmen, mit de-nen das verarmte Land fest gerechnet hatte.

Die Verträge sollen nun neu ver-handelt werden. Bürgerrechtler de-monstrieren seit Wochen, um den nigrischen Präsidenten Mahamadou Issoufou zu drängen, sich gegenüber dem Konzern unnachgiebig zu zeigen. Im vergangenen Winter war bekannt geworden, daß Areva ihm als »Ent-schädigung« für Imouraren ein neues Flugzeug schenken wollte. Wenn in dieser Situation AQMI mit Millionen-beträgen überschüttet wird, liegt der Verdacht nahe, daß einmal mehr die Dschihadisten-Karte gespielt werden soll. Die verschärften »Sicherheits-maßnahmen«, die so gerechtfertigt werden, richten sich jedoch nur vor-dergründig gegen AQMI. Hauptadres-

Rekordergebnis ignoriertBlockade Kubas verurteilt. Konzernmedien ist das kaum eine Meldung wert

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Freitag, 1. November 2013, Nr. 253 7POLITIKFreitag, 1. November 2013, Nr. 253 6 POLITIK Freitag, 1. Oktober 2014, Nr. 1 TAGeSAUSGABe 7

Mit der Blockade gegen Kuba hat sich Washington weiter als je zuvor von der Völ-

kergemeinschaft isoliert. Einzig Israel unterstützte in der UN-Generalver-sammlung am Dienstag noch die US-Politik gegen die sozialistische Kari-bikinsel, 188 Staaten verurteilten sie, und selbst die drei ökonomisch von den USA abhängigen Pazifikstaaten Mikronesien, Marshallinseln und Pa-lau trauten sich eine Enthaltung zu (jW berichtete).

Neben diesem Rekordergebnis zeigte vor allem die Schärfe der Re-debeiträge, daß die Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten nicht bereit ist, das Verhalten der USA länger zu tolerie-ren. »Die USA stellen sich über die Völker der Welt«, stellte Boliviens UN-Botschafter Sacha Llorenty fest. Im Namen des Wirtschaftsbündnisses Mercosur kritisierte Venezuelas Ver-treter Samuel Moncada die »flagrante Verletzung der UN-Charta durch die USA«. Eine deutliche Warnung sprach Chinas ständiger UN-Repräsentant, Wang Min, aus. Die exterritoriale Aus-weitung der US-Blockade gegen Kuba auf Drittländer verletze »die Interessen und die Souveränität« dieser Staaten, erklärte der Diplomat und versicherte, daß China dies nicht hinnehme.

In Deutschland forderte die entwick-lungspolitische Sprecherin der Frakti-on Die Linke, Heike Hänsel, am Mitt-woch die Europäische Kommission, den EU-Ministerrat und die Bundesre-gierung auf, den Online-Bezahldienst PayPal mit Sanktionen zu belegen. Grundlage dafür seien die Bestimmun-gen der »EU Blocking Regulation«, mit der eine Ausdehnung der US-Blockade gegen Kuba auf Europa verhindert werden soll. PayPal, die europäische Tochter eines US-Unternehmens, hat-te wiederholt Guthaben von Nutzern in Deutschland eingefroren, um diese zum Abbruch ihrer Geschäftsbeziehun-gen mit Kuba zu zwingen.

In den bundesdeutschen Konzern-medien fand das Votum in New York bestenfalls in den Meldungsspal-ten Platz. In den Nachbarländern zi-tierten dagegen der Tages-Anzeiger (Schweiz), der Standard (Österreich) und andere Blätter sogar den kubani-schen Außenminister Bruno Rodríguez mit dem Satz: »Die USA sind mit ih-rer Politik gegen Kuba völlig isoliert, es fehlt jede ethische oder rechtliche Grundlage.« Die spanischen Tageszei-tungen El País und El Mundo, die Äu-ßerungen kubanischer Systemgegner regelmäßig auf der Titelseite bringen, fanden hingegen auch nur wenig Platz

für die Entscheidung in New York. »Es scheint UN-Resolutionen erster und zweiter Klasse zu geben«, spöttelte ein Leser der Onlinezeitung Público. Im Gegensatz zu den Konzernblättern hatte das linksliberale Portal bereits am Dienstag ausführlich berichtet und in wenigen Stunden 77 Leserkommen-tare erhalten. Umfangreiche Informa-tionen boten auch das Internetportal des Moskauer Fernsehsenders Russia Today (RT) und der iranische Kanal HispanTV sowie die chinesische Nach-richtenagentur Xinhua. Diese hob her-vor, daß die Pekinger Regierung nicht nur in den Vereinten Nationen, sondern auch direkt gegenüber den USA auf eine Beendigung der Blockade dränge.

Die Medien der USA übernahmen teilweise eine kurze Agenturmeldung oder verschwiegen das Thema ganz. Lediglich die Washington Post veröf-fentlichte einen längeren Artikel, zu dem auch eigene Korrespondentinnen aus Havanna und vom UN-Sitz in New York beitrugen. So erfuhren die Post-Leser, daß alle Debattenbeiträge der UN-Generalversammlung, einschließ-lich der Stellungnahme des US-Vertre-ters Ronald D. Godard, live und in vol-ler Länge im kubanischen Fernsehen übertragen worden waren.

Die Medien der Insel äußerten sich zufrieden über das weiter gestärkte Votum der Weltgemeinschaft gegen die US-Blockade. In der Tageszeitung Granma wies ein Kommentator aller-dings auch kritisch darauf hin, daß eine Reform der Vereinten Nationen drin-gend notwendig sei, damit »Beschlüsse wie diese verbindlich werden und das Land, das die Blockade aufrecht erhält, dazu verpflichten, sie zu beenden, wie es die Mehrheit der Welt fordert«.

Flüchtlinge in der Sahara verdurstetBAMAKO. 87 Migranten, die auf dem Weg nach Europa die Sahara durchqueren wollten, sind tot im Norden Nigers ent-deckt worden. Das Fahrzeug, in dem sie saßen, sei nahe der Grenze zu Algerien liegenge-blieben, und die Menschen – zumeist Frauen und Kinder – seien anschließend verdurstet, berichteten Rettungskräfte am Donnerstag. Die nigrischen Streitkräfte bestätigten die Zahl der Toten und ergänzten, daß darunter 32 Frauen und 48 Kinder seien. Bereits Ende September hätten die Menschen die 150 Kilometer südlich der Grenze gelegene Stadt Arlit per Lastwagen verlassen. (dpa/jW)

Pakistan: weiter US-Drohnenan-griffeISLAMABAD. Trotz der Prote-ste des pakistanischen Premier-ministers Nawaz Sharif setzen die USA ihre Drohnenangriffe im Grenzgebiet zu Afghanistan fort. Bei Raketenbeschuß im Stammesgebiet Nord-Waziri-stan seien am Donnerstag drei mutmaßliche Extremisten getö-tet worden, hieß es aus Sicher-heitskreisen. Das Außenmini-sterium in Islamabad verurteilte den Vorfall als »Verletzung von Pakistans Souveränität«. Sharif hatte vergangene Woche bei einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama in Washington ein Ende der Drohneneinsätze gefordert. (dpa/jW)

Türkei: Mit Kopf-tuch im ParlamentISTANBUL. Mit dem demon-strativen Tragen eines Kopf-tuchs im Parlament in Ankara haben vier weibliche Abge-ordnete einen Tabubruch in der Türkei begangen. Alle vier Parlamentarierinnen gehörten der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP an, wie türkische Medien berichteten. Zuletzt war 1999 die Abge-ordnete Merve Kavakci mit Kopftuch im Parlament in An-kara erschienen. Sie hatte einen Eklat ausgelöst. Ihr wurden die Staatsangehörigkeit und ihr Parlamentssitz aberkannt.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte Ende vergangenen Monats das Kopf-tuchverbot im öffentlichen Dienst außer in der Justiz und bei den Sicherheitskräften ge-kippt. (dpa/jW)

Kooperationsver-trag Rußland–Ni-caragua MANAGUA. Rußland und Ni-caragua haben am Mittwoch ein militärisches Kooperati-onsabkommen geschlossen. Die Streitkräfte beider Länder würden sich künftig regelmäßig über Fragen der internationalen Sicherheit austauschen, sagte der Vorsitzende des russischen

Bei einem US-amerikanischen Drohnenangriff in Nordwest-pakistan sind in der Nacht zum

Donnerstag mindestens drei Men-schen getötet und ebenso viele verletzt worden. Schauplatz der Operation, bei der zwei Raketen auf ein Gebäude abgeschossen wurden, war ein Dorf nahe Miranshah, der Hauptstadt des Bezirks Nordwasiristan. Anonyme Quellen in den pakistanischen Sicher-heitskräften behaupteten der Routine entsprechend, daß es sich bei den Op-fern ausschließlich um mutmaßliche »Militante«, also bewaffnete Kämp-fer, gehandelt habe, ohne sie irgendei-ner Gruppierung zuzuordnen.

Pakistans Regierungschef Nawaz Sharif war am vorigen Mittwoch von Barack Obama im Weißen Haus emp-fangen worden. Nach eigenen Angaben hatte er bei dieser Gelegenheit den US-Präsidenten aufgefordert, die Droh-neneinsätze gegen Ziele in Pakistan einzustellen, da sie die Souveränität seines Landes verletzten und politisch kontraproduktiv seien. Obama hatte

das heikle Thema bei der anschließen-den gemeinsamen Pressekonferenz nur kurz mit leeren Phrasen gestreift. Der gestrige Angriff, es war der 24. in diesem Jahr, stellt seine praktische Antwort auf Sharifs Appell dar. Das scheint die Kritik der oppositionellen PTI zu bestätigen, daß der Premier die pakistanische Position allzu beschei-den und unterwürfig vorgetragen habe. Ganz sicher nicht hilfreich war eine am Mittwoch veröffentlichte Statistik des pakistanischen Verteidigungsministe-riums, die mit überraschenden, völlig neuen Zahlen aufwartete. Danach sol-len bei sämtlichen Drohnenangriffen der vergangenen fünf Jahre »nur« 67 Zivilisten getötet worden sein. Gegen-über UN-Vertretern hatte die pakista-nische Regierung im März die Zahl der seit Beginn der Angriffe im Jahr 2004 getöteten Zivilpersonen mit min-destens 400, möglicherweise bis zu 600 angegeben. Rund 85 Prozent aller bewaffneten Drohneneinsätze gegen Pakistan fanden in der Amtszeit von Obama statt.

Die Angaben gegenüber der UNO stellten die erste derartige Auskunft einer pakistanischen Regierung zum Gesamtumfang der Angriffe und ihrer Folgen dar. Was die jetzt erfolgte »Kor-rektur« nach unten durch das Vertei-digungsministerium – und damit vor allem durch das in Pakistan sehr ein-flußreiche Oberkommando der Streit-kräfte – veranlaßt hat, kann nur vermu-tet werden. Das Ministerium folgte jetzt sogar der unglaubwürdigen Behaup-tung der US-Regierung, im laufenden Jahr ebenso wie im vorigen sei nicht eine einzige Zivilperson durch Drohnen getötet worden. Wenn das wahr wäre, würde die damals 67jährige Momina Bibi noch leben, die am 24. Oktober 2012 bei der Gartenarbeit in einem Dorf Nordwasiristans von der Rakete eines unbemannten Flugkörpers zerfetzt wurde. Ihr Sohn Rafiq Rahman, ein Grundschullehrer, war zusammen mit seiner neunjährigen Tochter Nabila und seinem 13jährigen Sohn Zubair in den vergangenen Tagen auf Einladung des demokratischen Kongreßabgeordneten

Alan Grayson in den USA, um über den Tod seiner Mutter zu berichten.

Neben zahlreichen Interviews tra-ten die drei Paschtunen am Dienstag auch bei einem sogenannten »Brie-fing« des Kongresses auf, das formal unterhalb eines offiziellen »Hearings« rangiert. Außer Grayson mochten sich nur noch vier andere Kongreßmit-glieder, auch sie alle Abgeordnete der Demokratischen Partei, die Mühe und Qual antun, sich über die Folgen der Drohnenangriffe aus erster Hand zu informieren. Sie hörten, wie die Furcht vor den furchtbaren Raketen der Flug-körper, von denen oft mehrere viele Stunden lang über den Dörfern kreisen, das Leben der Bevölkerung bestimmt und vergiftet. Obama, der sich erst kürzlich mit dem Empfang des 16jäh-rigen Taliban-Opfers Malala Yousafzai schmückte, ignorierte die Gelegenheit, die neunjährige Nabila Rahman eben-falls ins Weiße Haus einzuladen. Sie hatte bei dem Angriff nicht nur ihre Großmutter verloren, sondern war auch selbst erheblich durch Splitter verletzt

Obama setzt auf DrohnenPakistanisches Verteidigungsministerium »korrigiert« Opferzahlen nach unten. Von Knut Mellenthin

Zwischen Sudan und Südsudan gibt es neue Spannungen. In der von beiden nordostafrikani-

schen Nachbarländern beanspruchten Grenzregion Abyei fand nun ein Refe-rendum um die staatliche Zugehörig-keit des erdölreichen Gebietes statt. Seit der Abspaltung von Südsudan im Juli 2011 konnte keine Einigung darüber erzielt werden, zu welchem der beiden Staaten die Region gehören soll. Nicht einmal darauf, wer berechtigt ist, über diese Frage abzustimmen, konnten sich die Regierungen in Khartum und Juba verständigen. Nun will die Bevölke-rung vor Ort offenbar Fakten schaffen. 99,89 Prozent der Einwohner der Regi-on stimmten Angaben der inoffiziellen Wahlorganisatoren vom gestrigen Don-nerstag für den Anschluß an Südsudan. Das berichtete die Sudan Tribune.

Bisher war ein Referendum vor allem an der Frage gescheitert, wer zur Teilnahme berechtigt sei. Neben der in der Region großen Bevölke-rungsgruppe der Ngok Dinka, deren Loyalität Richtung Südsudan geht, wohnen hier zumindest zeitweise Angehörige der Misseriya. Diese no-madisch lebende Gruppe hat in der Vergangenheit häufig an der Seite Khartums in Konflikte eingegriffen. Während Khartum der Ansicht ist, daß die Misseriya über den Status von Abyei mitentscheiden sollen, will die Regierung von Südsudan genau dies verhindern. Ursprünglich war ei-ne Abstimmung über den Status von Abyei bereits für Januar 2011 geplant, zeitgleich mit dem Unabhängigkeits-referendum im Südsudan. Letzteres hatte zur Abspaltung des Südens im Juli 2011 geführt. Seither wird über die weitere Vorgangsweise verhan-delt. Im vergangenen Jahr empfahl Südafrikas ehemaliger Präsident Tha-bo Mbeki als Vermittler der Afrika-nischen Union ein Referendum unter Ausschluß der Misseriya. Doch auch dies brachte keine neue Bewegung. Vor einigen Wochen hatten Vertreter der Ngok Dinka schließlich die Befra-gung für Ende Oktober angekündigt.

Nun wurde seit vergangenem Sonn-tag in Abyei abgestimmt. Die genauen Umstände und Termine sind aufgrund des inoffiziellen Charakters des Refe-rendums unklar. Am Montag bereits hatte die Nachrichtenagentur Reuters

berichtet, daß schon »Zehntausende« Einwohner abgestimmt hätten. Die Regierungen beider Länder haben sich derweil von dem Referendum distan-ziert. Beobachter vermuten jedoch, daß Südsudan finanzielle und logisti-sche Unterstützung gewährte. Auch die Afrikanische Union (AU) und die Vereinten Nationen (UNO) lehnen die Initiative der Bevölkerung Abyeis ab. In jedem Fall kommt diese den Inter-essen Jubas entgegen. Allgemein wur-de bereits im Vorfeld eine Mehrheit für die Zugehörigkeit zum Süden er-wartet. Und selbst wenn das Ergebnis von den entscheidenden Institutionen offiziell nicht zur Kenntnis genom-men werden sollte, dürfte es dennoch die Position Jubas in dem Grenzstreit stärken.

Allerdings könnte die Abstimmung auch den schwelenden Konflikt zwi-schen den beiden Nachbarländern er-neut eskalieren lassen. Während der

vergangenen Tage verschärfte sich bereits der Ton in der Auseinander-setzung. Die dem Südsudan naheste-hende Sudan Tribune zitierte am Mitt-woch den Sprecher des sudanesischen Parlaments, Ahmed Ibrahim Al-Tahir, das Referendum als »Rebellion« be-zeichnete. Al-Tahir verglich die Ab-stimmung mit den bewaffneten Auf-ständen in den Provinzen Südkordofan und Blauer Nil, gegen die Khartum immer wieder militärisch vorgeht. Auch von Seiten der Misseriya gab es Medienberichten zufolge bereits Ankündigungen, Abyei nötigenfalls »verteidigen« zu wollen. Diplomati-schere Worte fand indes Sudans Prä-sident Omar Al-Baschir, der laut BBC Anfang der Woche versicherte, er und sein südsudanesischer Amtskollege Salva Kiir würden sich weiterhin um eine Lösung des Konflikts bemühen, die den Wünschen der lokalen Ge-meinschaften entspricht.

Abstimmung als RebellionSudan und Südsudan: Bewohner der Grenzregion Abyei halten Referendum über staatliche

Mit südsudanesischen Flaggen bekunden Frauen in Abyei, der Hauptstadt der gleichnamigen Grenzregion zwi-schen Sudan und Südsudan, ihre Haltung beim Referendum

Teure FreiheitAl-Qaida-Arm in Niger läßt vier Areva-Mitarbeiter frei. Lösegeldzahlung stärkt Islamisten und schafft Vorwand zur Repression. Von Jörg Tiedjen

Auf den ersten Blick ist es eine lang ersehnte Nachricht: Die vier Mitarbeiter der französi-

schen Konzerne Areva und Vinci, die seit Herbst 2010 von der radikalisla-mistischen »Al-Qaida im islamischen Maghreb« (AQMI) gefangengehalten wurden, sind seit Dienstag frei. Die Franzosen Daniel Larribe, Marc Fé-ret, Pierre Legrand und Thierry Dole waren am frühen Morgen des 16. Sep-tember 2010 zusammen mit Larribes Frau Françoise sowie zwei weiteren Leidensgenossen in Arlit im Nordwe-sten Nigers entführt worden. Letztere drei kamen bereits im Februar 2011 frei. In Arlit befindet sich eine von Areva unterhaltene Uranmine, Vinci agiert dort als Anlagenbauer.

Für die Freilassung der Geiseln hat-te AQMI einen Gefangenenaustausch, die Rücknahme des Kopftuchverbots in Frankreich sowie 90 Millionen Eu-ro Lösegeld verlangt. Die jetzige Er-folgsnachricht traf deswegen nicht auf ungeteilte Freude. Zwar beeilten sich offizielle Stellen, das Ende des Gei-seldramas als reinen Verhandlungser-folg darzustellen, und stritten ab, daß man die Forderungen der Entführer erfüllt habe. Da es aber keinen Ge-fangenenaustausch gab und auch das Schleierverbot bestehen bleibt, liegt es

nahe, daß sehr wohl Lösegeld gezahlt wurde. Die französische Tageszeitung Le Monde berichtete am Mittwoch, daß die Entführer »über 20 Millionen Euro« erhalten hätten. Der Radiosen-der RFI bestätigte dies unter Berufung auf eine Quelle, die dem nigrischen Verhandlungsführer »sehr, sehr nahe« stehe. Das Geld habe der französische Geheimdienst DGST im Austausch gegen die GPS-Koordinaten der Gei-seln in der Wüste deponiert.

Schlechte Erinnerungen werden wach, hatten doch mehrere europä-ische Regierungen, darunter die deut-sche, AQMI in den vergangenen zehn Jahren immer wieder Millionen-Lö-segelder zukommen lassen. Es dürf-ten nicht zuletzt diese Mittel gewesen sein, die den Islamisten 2012 zu ei-nem ihrer größten Erfolge verhalfen. Im Anschluß an die Revolte der Tua-reg-Separatisten der »Nationalbewe-gung für die Befreiung von Azawad« ( MNLA) übernahmen sie gemeinsam mit anderen Dschihadisten-Gruppen die Kontrolle über den Norden des Nachbarlands Mali. Die Lage ist dort – wie im Niger – nach wie vor an-gespannt. Areva weigert sich derweil weiter hartnäckig, den Forderungen der Bevölkerung im Niger entgegen-zukommen, die Schutz vor den kata-

strophalen Auswirkungen des Uran-bergbaus und eine Beteiligung an den Gewinnen verlangt. Der Konflikt wird so weiter angeheizt. Das Geiseldrama diente dem Atomkonzern dennoch als Anlaß, unter Hinweis auf die Bedro-hung durch AQMI die Eröffnung einer weiteren Mine bei Imouraren hinaus-zuzögern. Areva dürfte das aufgrund des Kollaps auf dem Uranmarkt nach der Reaktorkatastrophe von Fukushi-ma recht gewesen sein. Dem Niger jedoch entgingen Einnahmen, mit de-nen das verarmte Land fest gerechnet hatte.

Die Verträge sollen nun neu ver-handelt werden. Bürgerrechtler de-monstrieren seit Wochen, um den nigrischen Präsidenten Mahamadou Issoufou zu drängen, sich gegenüber dem Konzern unnachgiebig zu zeigen. Im vergangenen Winter war bekannt geworden, daß Areva ihm als »Ent-schädigung« für Imouraren ein neues Flugzeug schenken wollte. Wenn in dieser Situation AQMI mit Millionen-beträgen überschüttet wird, liegt der Verdacht nahe, daß einmal mehr die Dschihadisten-Karte gespielt werden soll. Die verschärften »Sicherheits-maßnahmen«, die so gerechtfertigt werden, richten sich jedoch nur vor-dergründig gegen AQMI. Hauptadres-

Rekordergebnis ignoriertBlockade Kubas verurteilt. Konzernmedien ist das kaum eine Meldung wert

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Freitag, 1. November 2013, Nr. 253 7POLITIKFreitag, 1. November 2013, Nr. 253 6 POLITIK Freitag, 1. Oktober 2014, Nr. 1 TAGeSAUSGABe 7

Eckfeld klein: 111,6 x 100,0400,00 €300,00 €*200,00 €**

Mit der Blockade gegen Kuba hat sich Washington weiter als je zuvor von der Völ-

kergemeinschaft isoliert. Einzig Israel unterstützte in der UN-Generalver-sammlung am Dienstag noch die US-Politik gegen die sozialistische Kari-bikinsel, 188 Staaten verurteilten sie, und selbst die drei ökonomisch von den USA abhängigen Pazifikstaaten Mikronesien, Marshallinseln und Pa-lau trauten sich eine Enthaltung zu (jW berichtete).

Neben diesem Rekordergebnis zeigte vor allem die Schärfe der Re-debeiträge, daß die Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten nicht bereit ist, das Verhalten der USA länger zu tolerie-ren. »Die USA stellen sich über die Völker der Welt«, stellte Boliviens UN-Botschafter Sacha Llorenty fest. Im Namen des Wirtschaftsbündnisses Mercosur kritisierte Venezuelas Ver-treter Samuel Moncada die »flagrante Verletzung der UN-Charta durch die USA«. Eine deutliche Warnung sprach Chinas ständiger UN-Repräsentant, Wang Min, aus. Die exterritoriale Aus-weitung der US-Blockade gegen Kuba auf Drittländer verletze »die Interessen und die Souveränität« dieser Staaten, erklärte der Diplomat und versicherte, daß China dies nicht hinnehme.

In Deutschland forderte die entwick-lungspolitische Sprecherin der Frakti-on Die Linke, Heike Hänsel, am Mitt-woch die Europäische Kommission, den EU-Ministerrat und die Bundesre-gierung auf, den Online-Bezahldienst PayPal mit Sanktionen zu belegen. Grundlage dafür seien die Bestimmun-gen der »EU Blocking Regulation«, mit der eine Ausdehnung der US-Blockade gegen Kuba auf Europa verhindert werden soll. PayPal, die europäische Tochter eines US-Unternehmens, hat-te wiederholt Guthaben von Nutzern in Deutschland eingefroren, um diese zum Abbruch ihrer Geschäftsbeziehun-gen mit Kuba zu zwingen.

In den bundesdeutschen Konzern-medien fand das Votum in New York bestenfalls in den Meldungsspal-ten Platz. In den Nachbarländern zi-tierten dagegen der Tages-Anzeiger (Schweiz), der Standard (Österreich) und andere Blätter sogar den kubani-schen Außenminister Bruno Rodríguez mit dem Satz: »Die USA sind mit ih-rer Politik gegen Kuba völlig isoliert, es fehlt jede ethische oder rechtliche Grundlage.« Die spanischen Tageszei-tungen El País und El Mundo, die Äu-ßerungen kubanischer Systemgegner regelmäßig auf der Titelseite bringen, fanden hingegen auch nur wenig Platz

für die Entscheidung in New York. »Es scheint UN-Resolutionen erster und zweiter Klasse zu geben«, spöttelte ein Leser der Onlinezeitung Público. Im Gegensatz zu den Konzernblättern hatte das linksliberale Portal bereits am Dienstag ausführlich berichtet und in wenigen Stunden 77 Leserkommen-tare erhalten. Umfangreiche Informa-tionen boten auch das Internetportal des Moskauer Fernsehsenders Russia Today (RT) und der iranische Kanal HispanTV sowie die chinesische Nach-richtenagentur Xinhua. Diese hob her-vor, daß die Pekinger Regierung nicht nur in den Vereinten Nationen, sondern auch direkt gegenüber den USA auf eine Beendigung der Blockade dränge.

Die Medien der USA übernahmen teilweise eine kurze Agenturmeldung oder verschwiegen das Thema ganz. Lediglich die Washington Post veröf-fentlichte einen längeren Artikel, zu dem auch eigene Korrespondentinnen aus Havanna und vom UN-Sitz in New York beitrugen. So erfuhren die Post-Leser, daß alle Debattenbeiträge der UN-Generalversammlung, einschließ-lich der Stellungnahme des US-Vertre-ters Ronald D. Godard, live und in vol-ler Länge im kubanischen Fernsehen übertragen worden waren.

Die Medien der Insel äußerten sich zufrieden über das weiter gestärkte Votum der Weltgemeinschaft gegen die US-Blockade. In der Tageszeitung Granma wies ein Kommentator aller-dings auch kritisch darauf hin, daß eine Reform der Vereinten Nationen drin-gend notwendig sei, damit »Beschlüsse wie diese verbindlich werden und das Land, das die Blockade aufrecht erhält, dazu verpflichten, sie zu beenden, wie es die Mehrheit der Welt fordert«.

Flüchtlinge in der Sahara verdurstetBAMAKO. 87 Migranten, die auf dem Weg nach Europa die Sahara durchqueren wollten, sind tot im Norden Nigers ent-deckt worden. Das Fahrzeug, in dem sie saßen, sei nahe der Grenze zu Algerien liegenge-blieben, und die Menschen – zumeist Frauen und Kinder – seien anschließend verdurstet, berichteten Rettungskräfte am Donnerstag. Die nigrischen Streitkräfte bestätigten die Zahl der Toten und ergänzten, daß darunter 32 Frauen und 48 Kinder seien. Bereits Ende September hätten die Menschen die 150 Kilometer südlich der Grenze gelegene Stadt Arlit per Lastwagen verlassen. (dpa/jW)

Pakistan: weiter US-Drohnenan-griffeISLAMABAD. Trotz der Prote-ste des pakistanischen Premier-ministers Nawaz Sharif setzen die USA ihre Drohnenangriffe im Grenzgebiet zu Afghanistan fort. Bei Raketenbeschuß im Stammesgebiet Nord-Waziri-stan seien am Donnerstag drei mutmaßliche Extremisten getö-tet worden, hieß es aus Sicher-heitskreisen. Das Außenmini-sterium in Islamabad verurteilte den Vorfall als »Verletzung von Pakistans Souveränität«. Sharif hatte vergangene Woche bei einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama in Washington ein Ende der Drohneneinsätze gefordert. (dpa/jW)

Türkei: Mit Kopf-tuch im ParlamentISTANBUL. Mit dem demon-strativen Tragen eines Kopf-tuchs im Parlament in Ankara haben vier weibliche Abge-ordnete einen Tabubruch in der Türkei begangen. Alle vier Parlamentarierinnen gehörten der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP an, wie türkische Medien berichteten. Zuletzt war 1999 die Abge-ordnete Merve Kavakci mit Kopftuch im Parlament in An-kara erschienen. Sie hatte einen Eklat ausgelöst. Ihr wurden die Staatsangehörigkeit und ihr Parlamentssitz aberkannt.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte Ende vergangenen Monats das Kopf-tuchverbot im öffentlichen Dienst außer in der Justiz und bei den Sicherheitskräften ge-kippt. (dpa/jW)

Kooperationsver-trag Rußland–Ni-caragua MANAGUA. Rußland und Ni-caragua haben am Mittwoch ein militärisches Kooperati-onsabkommen geschlossen. Die Streitkräfte beider Länder würden sich künftig regelmäßig über Fragen der internationalen Sicherheit austauschen, sagte der Vorsitzende des russischen

Bei einem US-amerikanischen Drohnenangriff in Nordwest-pakistan sind in der Nacht zum

Donnerstag mindestens drei Men-schen getötet und ebenso viele verletzt worden. Schauplatz der Operation, bei der zwei Raketen auf ein Gebäude abgeschossen wurden, war ein Dorf nahe Miranshah, der Hauptstadt des Bezirks Nordwasiristan. Anonyme Quellen in den pakistanischen Sicher-heitskräften behaupteten der Routine entsprechend, daß es sich bei den Op-fern ausschließlich um mutmaßliche »Militante«, also bewaffnete Kämp-fer, gehandelt habe, ohne sie irgendei-ner Gruppierung zuzuordnen.

Pakistans Regierungschef Nawaz Sharif war am vorigen Mittwoch von Barack Obama im Weißen Haus emp-fangen worden. Nach eigenen Angaben hatte er bei dieser Gelegenheit den US-Präsidenten aufgefordert, die Droh-neneinsätze gegen Ziele in Pakistan einzustellen, da sie die Souveränität seines Landes verletzten und politisch kontraproduktiv seien. Obama hatte

das heikle Thema bei der anschließen-den gemeinsamen Pressekonferenz nur kurz mit leeren Phrasen gestreift. Der gestrige Angriff, es war der 24. in diesem Jahr, stellt seine praktische Antwort auf Sharifs Appell dar. Das scheint die Kritik der oppositionellen PTI zu bestätigen, daß der Premier die pakistanische Position allzu beschei-den und unterwürfig vorgetragen habe. Ganz sicher nicht hilfreich war eine am Mittwoch veröffentlichte Statistik des pakistanischen Verteidigungsministe-riums, die mit überraschenden, völlig neuen Zahlen aufwartete. Danach sol-len bei sämtlichen Drohnenangriffen der vergangenen fünf Jahre »nur« 67 Zivilisten getötet worden sein. Gegen-über UN-Vertretern hatte die pakista-nische Regierung im März die Zahl der seit Beginn der Angriffe im Jahr 2004 getöteten Zivilpersonen mit min-destens 400, möglicherweise bis zu 600 angegeben. Rund 85 Prozent aller bewaffneten Drohneneinsätze gegen Pakistan fanden in der Amtszeit von Obama statt.

Die Angaben gegenüber der UNO stellten die erste derartige Auskunft einer pakistanischen Regierung zum Gesamtumfang der Angriffe und ihrer Folgen dar. Was die jetzt erfolgte »Kor-rektur« nach unten durch das Vertei-digungsministerium – und damit vor allem durch das in Pakistan sehr ein-flußreiche Oberkommando der Streit-kräfte – veranlaßt hat, kann nur vermu-tet werden. Das Ministerium folgte jetzt sogar der unglaubwürdigen Behaup-tung der US-Regierung, im laufenden Jahr ebenso wie im vorigen sei nicht eine einzige Zivilperson durch Drohnen getötet worden. Wenn das wahr wäre, würde die damals 67jährige Momina Bibi noch leben, die am 24. Oktober 2012 bei der Gartenarbeit in einem Dorf Nordwasiristans von der Rakete eines unbemannten Flugkörpers zerfetzt wurde. Ihr Sohn Rafiq Rahman, ein Grundschullehrer, war zusammen mit seiner neunjährigen Tochter Nabila und seinem 13jährigen Sohn Zubair in den vergangenen Tagen auf Einladung des demokratischen Kongreßabgeordneten

Alan Grayson in den USA, um über den Tod seiner Mutter zu berichten.

Neben zahlreichen Interviews tra-ten die drei Paschtunen am Dienstag auch bei einem sogenannten »Brie-fing« des Kongresses auf, das formal unterhalb eines offiziellen »Hearings« rangiert. Außer Grayson mochten sich nur noch vier andere Kongreßmit-glieder, auch sie alle Abgeordnete der Demokratischen Partei, die Mühe und Qual antun, sich über die Folgen der Drohnenangriffe aus erster Hand zu informieren. Sie hörten, wie die Furcht vor den furchtbaren Raketen der Flug-körper, von denen oft mehrere viele Stunden lang über den Dörfern kreisen, das Leben der Bevölkerung bestimmt und vergiftet. Obama, der sich erst kürzlich mit dem Empfang des 16jäh-rigen Taliban-Opfers Malala Yousafzai schmückte, ignorierte die Gelegenheit, die neunjährige Nabila Rahman eben-falls ins Weiße Haus einzuladen. Sie hatte bei dem Angriff nicht nur ihre Großmutter verloren, sondern war auch selbst erheblich durch Splitter verletzt

Obama setzt auf DrohnenPakistanisches Verteidigungsministerium »korrigiert« Opferzahlen nach unten. Von Knut Mellenthin

Zwischen Sudan und Südsudan gibt es neue Spannungen. In der von beiden nordostafrikani-

schen Nachbarländern beanspruchten Grenzregion Abyei fand nun ein Refe-rendum um die staatliche Zugehörig-keit des erdölreichen Gebietes statt. Seit der Abspaltung von Südsudan im Juli 2011 konnte keine Einigung darüber erzielt werden, zu welchem der beiden Staaten die Region gehören soll. Nicht einmal darauf, wer berechtigt ist, über diese Frage abzustimmen, konnten sich die Regierungen in Khartum und Juba verständigen. Nun will die Bevölke-rung vor Ort offenbar Fakten schaffen. 99,89 Prozent der Einwohner der Regi-on stimmten Angaben der inoffiziellen Wahlorganisatoren vom gestrigen Don-nerstag für den Anschluß an Südsudan. Das berichtete die Sudan Tribune.

Bisher war ein Referendum vor allem an der Frage gescheitert, wer zur Teilnahme berechtigt sei. Neben der in der Region großen Bevölke-rungsgruppe der Ngok Dinka, deren Loyalität Richtung Südsudan geht, wohnen hier zumindest zeitweise Angehörige der Misseriya. Diese no-madisch lebende Gruppe hat in der Vergangenheit häufig an der Seite Khartums in Konflikte eingegriffen. Während Khartum der Ansicht ist, daß die Misseriya über den Status von Abyei mitentscheiden sollen, will die Regierung von Südsudan genau dies verhindern. Ursprünglich war ei-ne Abstimmung über den Status von Abyei bereits für Januar 2011 geplant, zeitgleich mit dem Unabhängigkeits-referendum im Südsudan. Letzteres hatte zur Abspaltung des Südens im Juli 2011 geführt. Seither wird über die weitere Vorgangsweise verhan-delt. Im vergangenen Jahr empfahl Südafrikas ehemaliger Präsident Tha-bo Mbeki als Vermittler der Afrika-nischen Union ein Referendum unter Ausschluß der Misseriya. Doch auch dies brachte keine neue Bewegung. Vor einigen Wochen hatten Vertreter der Ngok Dinka schließlich die Befra-gung für Ende Oktober angekündigt.

Nun wurde seit vergangenem Sonn-tag in Abyei abgestimmt. Die genauen Umstände und Termine sind aufgrund des inoffiziellen Charakters des Refe-rendums unklar. Am Montag bereits hatte die Nachrichtenagentur Reuters

berichtet, daß schon »Zehntausende« Einwohner abgestimmt hätten. Die Regierungen beider Länder haben sich derweil von dem Referendum distan-ziert. Beobachter vermuten jedoch, daß Südsudan finanzielle und logisti-sche Unterstützung gewährte. Auch die Afrikanische Union (AU) und die Vereinten Nationen (UNO) lehnen die Initiative der Bevölkerung Abyeis ab. In jedem Fall kommt diese den Inter-essen Jubas entgegen. Allgemein wur-de bereits im Vorfeld eine Mehrheit für die Zugehörigkeit zum Süden er-wartet. Und selbst wenn das Ergebnis von den entscheidenden Institutionen offiziell nicht zur Kenntnis genom-men werden sollte, dürfte es dennoch die Position Jubas in dem Grenzstreit stärken.

Allerdings könnte die Abstimmung auch den schwelenden Konflikt zwi-schen den beiden Nachbarländern er-neut eskalieren lassen. Während der

vergangenen Tage verschärfte sich bereits der Ton in der Auseinander-setzung. Die dem Südsudan naheste-hende Sudan Tribune zitierte am Mitt-woch den Sprecher des sudanesischen Parlaments, Ahmed Ibrahim Al-Tahir, das Referendum als »Rebellion« be-zeichnete. Al-Tahir verglich die Ab-stimmung mit den bewaffneten Auf-ständen in den Provinzen Südkordofan und Blauer Nil, gegen die Khartum immer wieder militärisch vorgeht. Auch von Seiten der Misseriya gab es Medienberichten zufolge bereits Ankündigungen, Abyei nötigenfalls »verteidigen« zu wollen. Diplomati-schere Worte fand indes Sudans Prä-sident Omar Al-Baschir, der laut BBC Anfang der Woche versicherte, er und sein südsudanesischer Amtskollege Salva Kiir würden sich weiterhin um eine Lösung des Konflikts bemühen, die den Wünschen der lokalen Ge-meinschaften entspricht.

Abstimmung als RebellionSudan und Südsudan: Bewohner der Grenzregion Abyei halten Referendum über staatliche

Mit südsudanesischen Flaggen bekunden Frauen in Abyei, der Hauptstadt der gleichnamigen Grenzregion zwi-schen Sudan und Südsudan, ihre Haltung beim Referendum

Teure FreiheitAl-Qaida-Arm in Niger läßt vier Areva-Mitarbeiter frei. Lösegeldzahlung stärkt Islamisten und schafft Vorwand zur Repression. Von Jörg Tiedjen

Auf den ersten Blick ist es eine lang ersehnte Nachricht: Die vier Mitarbeiter der französi-

schen Konzerne Areva und Vinci, die seit Herbst 2010 von der radikalisla-mistischen »Al-Qaida im islamischen Maghreb« (AQMI) gefangengehalten wurden, sind seit Dienstag frei. Die Franzosen Daniel Larribe, Marc Fé-ret, Pierre Legrand und Thierry Dole waren am frühen Morgen des 16. Sep-tember 2010 zusammen mit Larribes Frau Françoise sowie zwei weiteren Leidensgenossen in Arlit im Nordwe-sten Nigers entführt worden. Letztere drei kamen bereits im Februar 2011 frei. In Arlit befindet sich eine von Areva unterhaltene Uranmine, Vinci agiert dort als Anlagenbauer.

Für die Freilassung der Geiseln hat-te AQMI einen Gefangenenaustausch, die Rücknahme des Kopftuchverbots in Frankreich sowie 90 Millionen Eu-ro Lösegeld verlangt. Die jetzige Er-folgsnachricht traf deswegen nicht auf ungeteilte Freude. Zwar beeilten sich offizielle Stellen, das Ende des Gei-seldramas als reinen Verhandlungser-folg darzustellen, und stritten ab, daß man die Forderungen der Entführer erfüllt habe. Da es aber keinen Ge-fangenenaustausch gab und auch das Schleierverbot bestehen bleibt, liegt es

nahe, daß sehr wohl Lösegeld gezahlt wurde. Die französische Tageszeitung Le Monde berichtete am Mittwoch, daß die Entführer »über 20 Millionen Euro« erhalten hätten. Der Radiosen-der RFI bestätigte dies unter Berufung auf eine Quelle, die dem nigrischen Verhandlungsführer »sehr, sehr nahe« stehe. Das Geld habe der französische Geheimdienst DGST im Austausch gegen die GPS-Koordinaten der Gei-seln in der Wüste deponiert.

Schlechte Erinnerungen werden wach, hatten doch mehrere europä-ische Regierungen, darunter die deut-sche, AQMI in den vergangenen zehn Jahren immer wieder Millionen-Lö-segelder zukommen lassen. Es dürf-ten nicht zuletzt diese Mittel gewesen sein, die den Islamisten 2012 zu ei-nem ihrer größten Erfolge verhalfen. Im Anschluß an die Revolte der Tua-reg-Separatisten der »Nationalbewe-gung für die Befreiung von Azawad« ( MNLA) übernahmen sie gemeinsam mit anderen Dschihadisten-Gruppen die Kontrolle über den Norden des Nachbarlands Mali. Die Lage ist dort – wie im Niger – nach wie vor an-gespannt. Areva weigert sich derweil weiter hartnäckig, den Forderungen der Bevölkerung im Niger entgegen-zukommen, die Schutz vor den kata-

strophalen Auswirkungen des Uran-bergbaus und eine Beteiligung an den Gewinnen verlangt. Der Konflikt wird so weiter angeheizt. Das Geiseldrama diente dem Atomkonzern dennoch als Anlaß, unter Hinweis auf die Bedro-hung durch AQMI die Eröffnung einer weiteren Mine bei Imouraren hinaus-zuzögern. Areva dürfte das aufgrund des Kollaps auf dem Uranmarkt nach der Reaktorkatastrophe von Fukushi-ma recht gewesen sein. Dem Niger jedoch entgingen Einnahmen, mit de-nen das verarmte Land fest gerechnet hatte.

Die Verträge sollen nun neu ver-handelt werden. Bürgerrechtler de-monstrieren seit Wochen, um den nigrischen Präsidenten Mahamadou Issoufou zu drängen, sich gegenüber dem Konzern unnachgiebig zu zeigen. Im vergangenen Winter war bekannt geworden, daß Areva ihm als »Ent-schädigung« für Imouraren ein neues Flugzeug schenken wollte. Wenn in dieser Situation AQMI mit Millionen-beträgen überschüttet wird, liegt der Verdacht nahe, daß einmal mehr die Dschihadisten-Karte gespielt werden soll. Die verschärften »Sicherheits-maßnahmen«, die so gerechtfertigt werden, richten sich jedoch nur vor-dergründig gegen AQMI. Hauptadres-

Rekordergebnis ignoriertBlockade Kubas verurteilt. Konzernmedien ist das kaum eine Meldung wert

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Freitag, 1. November 2013, Nr. 253 7POLITIKFreitag, 1. November 2013, Nr. 253 6 POLITIK Freitag, 1. Oktober 2014, Nr. 1TAGeSAUSGABe6

Mit der Blockade gegen Kuba hat sich Washington weiter als je zuvor von der Völ-

kergemeinschaft isoliert. Einzig Israel unterstützte in der UN-Generalver-sammlung am Dienstag noch die US-Politik gegen die sozialistische Kari-bikinsel, 188 Staaten verurteilten sie, und selbst die drei ökonomisch von den USA abhängigen Pazifikstaaten Mikronesien, Marshallinseln und Pa-lau trauten sich eine Enthaltung zu (jW berichtete).

Neben diesem Rekordergebnis zeigte vor allem die Schärfe der Re-debeiträge, daß die Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten nicht bereit ist, das Verhalten der USA länger zu tolerie-ren. »Die USA stellen sich über die Völker der Welt«, stellte Boliviens UN-Botschafter Sacha Llorenty fest. Im Namen des Wirtschaftsbündnisses Mercosur kritisierte Venezuelas Ver-treter Samuel Moncada die »flagrante Verletzung der UN-Charta durch die USA«. Eine deutliche Warnung sprach Chinas ständiger UN-Repräsentant, Wang Min, aus. Die exterritoriale Aus-weitung der US-Blockade gegen Kuba auf Drittländer verletze »die Interessen und die Souveränität« dieser Staaten, erklärte der Diplomat und versicherte, daß China dies nicht hinnehme.

In Deutschland forderte die entwick-lungspolitische Sprecherin der Frakti-on Die Linke, Heike Hänsel, am Mitt-woch die Europäische Kommission, den EU-Ministerrat und die Bundesre-gierung auf, den Online-Bezahldienst PayPal mit Sanktionen zu belegen. Grundlage dafür seien die Bestimmun-gen der »EU Blocking Regulation«, mit der eine Ausdehnung der US-Blockade gegen Kuba auf Europa verhindert werden soll. PayPal, die europäische Tochter eines US-Unternehmens, hat-te wiederholt Guthaben von Nutzern in Deutschland eingefroren, um diese zum Abbruch ihrer Geschäftsbeziehun-gen mit Kuba zu zwingen.

In den bundesdeutschen Konzern-medien fand das Votum in New York bestenfalls in den Meldungsspal-ten Platz. In den Nachbarländern zi-tierten dagegen der Tages-Anzeiger (Schweiz), der Standard (Österreich) und andere Blätter sogar den kubani-schen Außenminister Bruno Rodríguez mit dem Satz: »Die USA sind mit ih-rer Politik gegen Kuba völlig isoliert, es fehlt jede ethische oder rechtliche Grundlage.« Die spanischen Tageszei-tungen El País und El Mundo, die Äu-ßerungen kubanischer Systemgegner regelmäßig auf der Titelseite bringen, fanden hingegen auch nur wenig Platz

für die Entscheidung in New York. »Es scheint UN-Resolutionen erster und zweiter Klasse zu geben«, spöttelte ein Leser der Onlinezeitung Público. Im Gegensatz zu den Konzernblättern hatte das linksliberale Portal bereits am Dienstag ausführlich berichtet und in wenigen Stunden 77 Leserkommen-tare erhalten. Umfangreiche Informa-tionen boten auch das Internetportal des Moskauer Fernsehsenders Russia Today (RT) und der iranische Kanal HispanTV sowie die chinesische Nach-richtenagentur Xinhua. Diese hob her-vor, daß die Pekinger Regierung nicht nur in den Vereinten Nationen, sondern auch direkt gegenüber den USA auf eine Beendigung der Blockade dränge.

Die Medien der USA übernahmen teilweise eine kurze Agenturmeldung oder verschwiegen das Thema ganz. Lediglich die Washington Post veröf-fentlichte einen längeren Artikel, zu dem auch eigene Korrespondentinnen aus Havanna und vom UN-Sitz in New York beitrugen. So erfuhren die Post-Leser, daß alle Debattenbeiträge der UN-Generalversammlung, einschließ-lich der Stellungnahme des US-Vertre-ters Ronald D. Godard, live und in vol-ler Länge im kubanischen Fernsehen übertragen worden waren.

Die Medien der Insel äußerten sich zufrieden über das weiter gestärkte Votum der Weltgemeinschaft gegen die US-Blockade. In der Tageszeitung Granma wies ein Kommentator aller-dings auch kritisch darauf hin, daß eine Reform der Vereinten Nationen drin-gend notwendig sei, damit »Beschlüsse wie diese verbindlich werden und das Land, das die Blockade aufrecht erhält, dazu verpflichten, sie zu beenden, wie es die Mehrheit der Welt fordert«.

Flüchtlinge in der Sahara verdurstetBAMAKO. 87 Migranten, die auf dem Weg nach Europa die Sahara durchqueren wollten, sind tot im Norden Nigers ent-deckt worden. Das Fahrzeug, in dem sie saßen, sei nahe der Grenze zu Algerien liegenge-blieben, und die Menschen – zumeist Frauen und Kinder – seien anschließend verdurstet, berichteten Rettungskräfte am Donnerstag. Die nigrischen Streitkräfte bestätigten die Zahl der Toten und ergänzten, daß darunter 32 Frauen und 48 Kinder seien. Bereits Ende September hätten die Menschen die 150 Kilometer südlich der Grenze gelegene Stadt Arlit per Lastwagen verlassen. (dpa/jW)

Pakistan: weiter US-Drohnenan-griffeISLAMABAD. Trotz der Prote-ste des pakistanischen Premier-ministers Nawaz Sharif setzen die USA ihre Drohnenangriffe im Grenzgebiet zu Afghanistan fort. Bei Raketenbeschuß im Stammesgebiet Nord-Waziri-stan seien am Donnerstag drei mutmaßliche Extremisten getö-tet worden, hieß es aus Sicher-heitskreisen. Das Außenmini-sterium in Islamabad verurteilte den Vorfall als »Verletzung von Pakistans Souveränität«. Sharif hatte vergangene Woche bei einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama in Washington ein Ende der Drohneneinsätze gefordert. (dpa/jW)

Türkei: Mit Kopf-tuch im ParlamentISTANBUL. Mit dem demon-strativen Tragen eines Kopf-tuchs im Parlament in Ankara haben vier weibliche Abge-ordnete einen Tabubruch in der Türkei begangen. Alle vier Parlamentarierinnen gehörten der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP an, wie türkische Medien berichteten. Zuletzt war 1999 die Abge-ordnete Merve Kavakci mit Kopftuch im Parlament in An-kara erschienen. Sie hatte einen Eklat ausgelöst. Ihr wurden die Staatsangehörigkeit und ihr Parlamentssitz aberkannt.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte Ende vergangenen Monats das Kopf-tuchverbot im öffentlichen Dienst außer in der Justiz und bei den Sicherheitskräften ge-kippt. (dpa/jW)

Kooperationsver-trag Rußland–Ni-caragua MANAGUA. Rußland und Ni-caragua haben am Mittwoch ein militärisches Kooperati-onsabkommen geschlossen. Die Streitkräfte beider Länder würden sich künftig regelmäßig über Fragen der internationalen Sicherheit austauschen, sagte der Vorsitzende des russischen

Bei einem US-amerikanischen Drohnenangriff in Nordwest-pakistan sind in der Nacht zum

Donnerstag mindestens drei Men-schen getötet und ebenso viele verletzt worden. Schauplatz der Operation, bei der zwei Raketen auf ein Gebäude abgeschossen wurden, war ein Dorf nahe Miranshah, der Hauptstadt des Bezirks Nordwasiristan. Anonyme Quellen in den pakistanischen Sicher-heitskräften behaupteten der Routine entsprechend, daß es sich bei den Op-fern ausschließlich um mutmaßliche »Militante«, also bewaffnete Kämp-fer, gehandelt habe, ohne sie irgendei-ner Gruppierung zuzuordnen.

Pakistans Regierungschef Nawaz Sharif war am vorigen Mittwoch von Barack Obama im Weißen Haus emp-fangen worden. Nach eigenen Angaben hatte er bei dieser Gelegenheit den US-Präsidenten aufgefordert, die Droh-neneinsätze gegen Ziele in Pakistan einzustellen, da sie die Souveränität seines Landes verletzten und politisch kontraproduktiv seien. Obama hatte

das heikle Thema bei der anschließen-den gemeinsamen Pressekonferenz nur kurz mit leeren Phrasen gestreift. Der gestrige Angriff, es war der 24. in diesem Jahr, stellt seine praktische Antwort auf Sharifs Appell dar. Das scheint die Kritik der oppositionellen PTI zu bestätigen, daß der Premier die pakistanische Position allzu beschei-den und unterwürfig vorgetragen habe. Ganz sicher nicht hilfreich war eine am Mittwoch veröffentlichte Statistik des pakistanischen Verteidigungsministe-riums, die mit überraschenden, völlig neuen Zahlen aufwartete. Danach sol-len bei sämtlichen Drohnenangriffen der vergangenen fünf Jahre »nur« 67 Zivilisten getötet worden sein. Gegen-über UN-Vertretern hatte die pakista-nische Regierung im März die Zahl der seit Beginn der Angriffe im Jahr 2004 getöteten Zivilpersonen mit min-destens 400, möglicherweise bis zu 600 angegeben. Rund 85 Prozent aller bewaffneten Drohneneinsätze gegen Pakistan fanden in der Amtszeit von Obama statt.

Die Angaben gegenüber der UNO stellten die erste derartige Auskunft einer pakistanischen Regierung zum Gesamtumfang der Angriffe und ihrer Folgen dar. Was die jetzt erfolgte »Kor-rektur« nach unten durch das Vertei-digungsministerium – und damit vor allem durch das in Pakistan sehr ein-flußreiche Oberkommando der Streit-kräfte – veranlaßt hat, kann nur vermu-tet werden. Das Ministerium folgte jetzt sogar der unglaubwürdigen Behaup-tung der US-Regierung, im laufenden Jahr ebenso wie im vorigen sei nicht eine einzige Zivilperson durch Drohnen getötet worden. Wenn das wahr wäre, würde die damals 67jährige Momina Bibi noch leben, die am 24. Oktober 2012 bei der Gartenarbeit in einem Dorf Nordwasiristans von der Rakete eines unbemannten Flugkörpers zerfetzt wurde. Ihr Sohn Rafiq Rahman, ein Grundschullehrer, war zusammen mit seiner neunjährigen Tochter Nabila und seinem 13jährigen Sohn Zubair in den vergangenen Tagen auf Einladung des demokratischen Kongreßabgeordneten

Alan Grayson in den USA, um über den Tod seiner Mutter zu berichten.

Neben zahlreichen Interviews tra-ten die drei Paschtunen am Dienstag auch bei einem sogenannten »Brie-fing« des Kongresses auf, das formal unterhalb eines offiziellen »Hearings« rangiert. Außer Grayson mochten sich nur noch vier andere Kongreßmit-glieder, auch sie alle Abgeordnete der Demokratischen Partei, die Mühe und Qual antun, sich über die Folgen der Drohnenangriffe aus erster Hand zu informieren. Sie hörten, wie die Furcht vor den furchtbaren Raketen der Flug-körper, von denen oft mehrere viele Stunden lang über den Dörfern kreisen, das Leben der Bevölkerung bestimmt und vergiftet. Obama, der sich erst kürzlich mit dem Empfang des 16jäh-rigen Taliban-Opfers Malala Yousafzai schmückte, ignorierte die Gelegenheit, die neunjährige Nabila Rahman eben-falls ins Weiße Haus einzuladen. Sie hatte bei dem Angriff nicht nur ihre Großmutter verloren, sondern war auch selbst erheblich durch Splitter verletzt

Obama setzt auf DrohnenPakistanisches Verteidigungsministerium »korrigiert« Opferzahlen nach unten. Von Knut Mellenthin

Zwischen Sudan und Südsudan gibt es neue Spannungen. In der von beiden nordostafrikani-

schen Nachbarländern beanspruchten Grenzregion Abyei fand nun ein Refe-rendum um die staatliche Zugehörig-keit des erdölreichen Gebietes statt. Seit der Abspaltung von Südsudan im Juli 2011 konnte keine Einigung darüber erzielt werden, zu welchem der beiden Staaten die Region gehören soll. Nicht einmal darauf, wer berechtigt ist, über diese Frage abzustimmen, konnten sich die Regierungen in Khartum und Juba verständigen. Nun will die Bevölke-rung vor Ort offenbar Fakten schaffen. 99,89 Prozent der Einwohner der Regi-on stimmten Angaben der inoffiziellen Wahlorganisatoren vom gestrigen Don-nerstag für den Anschluß an Südsudan. Das berichtete die Sudan Tribune.

Bisher war ein Referendum vor allem an der Frage gescheitert, wer zur Teilnahme berechtigt sei. Neben der in der Region großen Bevölke-rungsgruppe der Ngok Dinka, deren Loyalität Richtung Südsudan geht, wohnen hier zumindest zeitweise Angehörige der Misseriya. Diese no-madisch lebende Gruppe hat in der Vergangenheit häufig an der Seite Khartums in Konflikte eingegriffen. Während Khartum der Ansicht ist, daß die Misseriya über den Status von Abyei mitentscheiden sollen, will die Regierung von Südsudan genau dies verhindern. Ursprünglich war ei-ne Abstimmung über den Status von Abyei bereits für Januar 2011 geplant, zeitgleich mit dem Unabhängigkeits-referendum im Südsudan. Letzteres hatte zur Abspaltung des Südens im Juli 2011 geführt. Seither wird über die weitere Vorgangsweise verhan-delt. Im vergangenen Jahr empfahl Südafrikas ehemaliger Präsident Tha-bo Mbeki als Vermittler der Afrika-nischen Union ein Referendum unter Ausschluß der Misseriya. Doch auch dies brachte keine neue Bewegung. Vor einigen Wochen hatten Vertreter der Ngok Dinka schließlich die Befra-gung für Ende Oktober angekündigt.

Nun wurde seit vergangenem Sonn-tag in Abyei abgestimmt. Die genauen Umstände und Termine sind aufgrund des inoffiziellen Charakters des Refe-rendums unklar. Am Montag bereits hatte die Nachrichtenagentur Reuters

berichtet, daß schon »Zehntausende« Einwohner abgestimmt hätten. Die Regierungen beider Länder haben sich derweil von dem Referendum distan-ziert. Beobachter vermuten jedoch, daß Südsudan finanzielle und logisti-sche Unterstützung gewährte. Auch die Afrikanische Union (AU) und die Vereinten Nationen (UNO) lehnen die Initiative der Bevölkerung Abyeis ab. In jedem Fall kommt diese den Inter-essen Jubas entgegen. Allgemein wur-de bereits im Vorfeld eine Mehrheit für die Zugehörigkeit zum Süden er-wartet. Und selbst wenn das Ergebnis von den entscheidenden Institutionen offiziell nicht zur Kenntnis genom-men werden sollte, dürfte es dennoch die Position Jubas in dem Grenzstreit stärken.

Allerdings könnte die Abstimmung auch den schwelenden Konflikt zwi-schen den beiden Nachbarländern er-neut eskalieren lassen. Während der

vergangenen Tage verschärfte sich bereits der Ton in der Auseinander-setzung. Die dem Südsudan naheste-hende Sudan Tribune zitierte am Mitt-woch den Sprecher des sudanesischen Parlaments, Ahmed Ibrahim Al-Tahir, das Referendum als »Rebellion« be-zeichnete. Al-Tahir verglich die Ab-stimmung mit den bewaffneten Auf-ständen in den Provinzen Südkordofan und Blauer Nil, gegen die Khartum immer wieder militärisch vorgeht. Auch von Seiten der Misseriya gab es Medienberichten zufolge bereits Ankündigungen, Abyei nötigenfalls »verteidigen« zu wollen. Diplomati-schere Worte fand indes Sudans Prä-sident Omar Al-Baschir, der laut BBC Anfang der Woche versicherte, er und sein südsudanesischer Amtskollege Salva Kiir würden sich weiterhin um eine Lösung des Konflikts bemühen, die den Wünschen der lokalen Ge-meinschaften entspricht.

Abstimmung als RebellionSudan und Südsudan: Bewohner der Grenzregion Abyei halten Referendum über staatliche

Mit südsudanesischen Flaggen bekunden Frauen in Abyei, der Hauptstadt der gleichnamigen Grenzregion zwi-schen Sudan und Südsudan, ihre Haltung beim Referendum

Teure FreiheitAl-Qaida-Arm in Niger läßt vier Areva-Mitarbeiter frei. Lösegeldzahlung stärkt Islamisten und schafft Vorwand zur Repression. Von Jörg Tiedjen

Auf den ersten Blick ist es eine lang ersehnte Nachricht: Die vier Mitarbeiter der französi-

schen Konzerne Areva und Vinci, die seit Herbst 2010 von der radikalisla-mistischen »Al-Qaida im islamischen Maghreb« (AQMI) gefangengehalten wurden, sind seit Dienstag frei. Die Franzosen Daniel Larribe, Marc Fé-ret, Pierre Legrand und Thierry Dole waren am frühen Morgen des 16. Sep-tember 2010 zusammen mit Larribes Frau Françoise sowie zwei weiteren Leidensgenossen in Arlit im Nordwe-sten Nigers entführt worden. Letztere drei kamen bereits im Februar 2011 frei. In Arlit befindet sich eine von Areva unterhaltene Uranmine, Vinci agiert dort als Anlagenbauer.

Für die Freilassung der Geiseln hat-te AQMI einen Gefangenenaustausch, die Rücknahme des Kopftuchverbots in Frankreich sowie 90 Millionen Eu-ro Lösegeld verlangt. Die jetzige Er-folgsnachricht traf deswegen nicht auf ungeteilte Freude. Zwar beeilten sich offizielle Stellen, das Ende des Gei-seldramas als reinen Verhandlungser-folg darzustellen, und stritten ab, daß man die Forderungen der Entführer erfüllt habe. Da es aber keinen Ge-fangenenaustausch gab und auch das Schleierverbot bestehen bleibt, liegt es

nahe, daß sehr wohl Lösegeld gezahlt wurde. Die französische Tageszeitung Le Monde berichtete am Mittwoch, daß die Entführer »über 20 Millionen Euro« erhalten hätten. Der Radiosen-der RFI bestätigte dies unter Berufung auf eine Quelle, die dem nigrischen Verhandlungsführer »sehr, sehr nahe« stehe. Das Geld habe der französische Geheimdienst DGST im Austausch gegen die GPS-Koordinaten der Gei-seln in der Wüste deponiert.

Schlechte Erinnerungen werden wach, hatten doch mehrere europä-ische Regierungen, darunter die deut-sche, AQMI in den vergangenen zehn Jahren immer wieder Millionen-Lö-segelder zukommen lassen. Es dürf-ten nicht zuletzt diese Mittel gewesen sein, die den Islamisten 2012 zu ei-nem ihrer größten Erfolge verhalfen. Im Anschluß an die Revolte der Tua-reg-Separatisten der »Nationalbewe-gung für die Befreiung von Azawad« ( MNLA) übernahmen sie gemeinsam mit anderen Dschihadisten-Gruppen die Kontrolle über den Norden des Nachbarlands Mali. Die Lage ist dort – wie im Niger – nach wie vor an-gespannt. Areva weigert sich derweil weiter hartnäckig, den Forderungen der Bevölkerung im Niger entgegen-zukommen, die Schutz vor den kata-

strophalen Auswirkungen des Uran-bergbaus und eine Beteiligung an den Gewinnen verlangt. Der Konflikt wird so weiter angeheizt. Das Geiseldrama diente dem Atomkonzern dennoch als Anlaß, unter Hinweis auf die Bedro-hung durch AQMI die Eröffnung einer weiteren Mine bei Imouraren hinaus-zuzögern. Areva dürfte das aufgrund des Kollaps auf dem Uranmarkt nach der Reaktorkatastrophe von Fukushi-ma recht gewesen sein. Dem Niger jedoch entgingen Einnahmen, mit de-nen das verarmte Land fest gerechnet hatte.

Die Verträge sollen nun neu ver-handelt werden. Bürgerrechtler de-monstrieren seit Wochen, um den nigrischen Präsidenten Mahamadou Issoufou zu drängen, sich gegenüber dem Konzern unnachgiebig zu zeigen. Im vergangenen Winter war bekannt geworden, daß Areva ihm als »Ent-schädigung« für Imouraren ein neues Flugzeug schenken wollte. Wenn in dieser Situation AQMI mit Millionen-beträgen überschüttet wird, liegt der Verdacht nahe, daß einmal mehr die Dschihadisten-Karte gespielt werden soll. Die verschärften »Sicherheits-maßnahmen«, die so gerechtfertigt werden, richten sich jedoch nur vor-dergründig gegen AQMI. Hauptadres-

Rekordergebnis ignoriertBlockade Kubas verurteilt. Konzernmedien ist das kaum eine Meldung wert

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Freitag, 1. November 2013, Nr. 253 7POLITIKFreitag, 1. November 2013, Nr. 253 6 POLITIK Freitag, 1. Oktober 2014, Nr. 1 TAGeSAUSGABe 7

Mit der Blockade gegen Kuba hat sich Washington weiter als je zuvor von der Völ-

kergemeinschaft isoliert. Einzig Israel unterstützte in der UN-Generalver-sammlung am Dienstag noch die US-Politik gegen die sozialistische Kari-bikinsel, 188 Staaten verurteilten sie, und selbst die drei ökonomisch von den USA abhängigen Pazifikstaaten Mikronesien, Marshallinseln und Pa-lau trauten sich eine Enthaltung zu (jW berichtete).

Neben diesem Rekordergebnis zeigte vor allem die Schärfe der Re-debeiträge, daß die Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten nicht bereit ist, das Verhalten der USA länger zu tolerie-ren. »Die USA stellen sich über die Völker der Welt«, stellte Boliviens UN-Botschafter Sacha Llorenty fest. Im Namen des Wirtschaftsbündnisses Mercosur kritisierte Venezuelas Ver-treter Samuel Moncada die »flagrante Verletzung der UN-Charta durch die USA«. Eine deutliche Warnung sprach Chinas ständiger UN-Repräsentant, Wang Min, aus. Die exterritoriale Aus-weitung der US-Blockade gegen Kuba auf Drittländer verletze »die Interessen und die Souveränität« dieser Staaten, erklärte der Diplomat und versicherte, daß China dies nicht hinnehme.

In Deutschland forderte die entwick-lungspolitische Sprecherin der Frakti-on Die Linke, Heike Hänsel, am Mitt-woch die Europäische Kommission, den EU-Ministerrat und die Bundesre-gierung auf, den Online-Bezahldienst PayPal mit Sanktionen zu belegen. Grundlage dafür seien die Bestimmun-gen der »EU Blocking Regulation«, mit der eine Ausdehnung der US-Blockade gegen Kuba auf Europa verhindert werden soll. PayPal, die europäische Tochter eines US-Unternehmens, hat-te wiederholt Guthaben von Nutzern in Deutschland eingefroren, um diese zum Abbruch ihrer Geschäftsbeziehun-gen mit Kuba zu zwingen.

In den bundesdeutschen Konzern-medien fand das Votum in New York bestenfalls in den Meldungsspal-ten Platz. In den Nachbarländern zi-tierten dagegen der Tages-Anzeiger (Schweiz), der Standard (Österreich) und andere Blätter sogar den kubani-schen Außenminister Bruno Rodríguez mit dem Satz: »Die USA sind mit ih-rer Politik gegen Kuba völlig isoliert, es fehlt jede ethische oder rechtliche Grundlage.« Die spanischen Tageszei-tungen El País und El Mundo, die Äu-ßerungen kubanischer Systemgegner regelmäßig auf der Titelseite bringen, fanden hingegen auch nur wenig Platz

für die Entscheidung in New York. »Es scheint UN-Resolutionen erster und zweiter Klasse zu geben«, spöttelte ein Leser der Onlinezeitung Público. Im Gegensatz zu den Konzernblättern hatte das linksliberale Portal bereits am Dienstag ausführlich berichtet und in wenigen Stunden 77 Leserkommen-tare erhalten. Umfangreiche Informa-tionen boten auch das Internetportal des Moskauer Fernsehsenders Russia Today (RT) und der iranische Kanal HispanTV sowie die chinesische Nach-richtenagentur Xinhua. Diese hob her-vor, daß die Pekinger Regierung nicht nur in den Vereinten Nationen, sondern auch direkt gegenüber den USA auf eine Beendigung der Blockade dränge.

Die Medien der USA übernahmen teilweise eine kurze Agenturmeldung oder verschwiegen das Thema ganz. Lediglich die Washington Post veröf-fentlichte einen längeren Artikel, zu dem auch eigene Korrespondentinnen aus Havanna und vom UN-Sitz in New York beitrugen. So erfuhren die Post-Leser, daß alle Debattenbeiträge der UN-Generalversammlung, einschließ-lich der Stellungnahme des US-Vertre-ters Ronald D. Godard, live und in vol-ler Länge im kubanischen Fernsehen übertragen worden waren.

Die Medien der Insel äußerten sich zufrieden über das weiter gestärkte Votum der Weltgemeinschaft gegen die US-Blockade. In der Tageszeitung Granma wies ein Kommentator aller-dings auch kritisch darauf hin, daß eine Reform der Vereinten Nationen drin-gend notwendig sei, damit »Beschlüsse wie diese verbindlich werden und das Land, das die Blockade aufrecht erhält, dazu verpflichten, sie zu beenden, wie es die Mehrheit der Welt fordert«.

Flüchtlinge in der Sahara verdurstetBAMAKO. 87 Migranten, die auf dem Weg nach Europa die Sahara durchqueren wollten, sind tot im Norden Nigers ent-deckt worden. Das Fahrzeug, in dem sie saßen, sei nahe der Grenze zu Algerien liegenge-blieben, und die Menschen – zumeist Frauen und Kinder – seien anschließend verdurstet, berichteten Rettungskräfte am Donnerstag. Die nigrischen Streitkräfte bestätigten die Zahl der Toten und ergänzten, daß darunter 32 Frauen und 48 Kinder seien. Bereits Ende September hätten die Menschen die 150 Kilometer südlich der Grenze gelegene Stadt Arlit per Lastwagen verlassen. (dpa/jW)

Pakistan: weiter US-Drohnenan-griffeISLAMABAD. Trotz der Prote-ste des pakistanischen Premier-ministers Nawaz Sharif setzen die USA ihre Drohnenangriffe im Grenzgebiet zu Afghanistan fort. Bei Raketenbeschuß im Stammesgebiet Nord-Waziri-stan seien am Donnerstag drei mutmaßliche Extremisten getö-tet worden, hieß es aus Sicher-heitskreisen. Das Außenmini-sterium in Islamabad verurteilte den Vorfall als »Verletzung von Pakistans Souveränität«. Sharif hatte vergangene Woche bei einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama in Washington ein Ende der Drohneneinsätze gefordert. (dpa/jW)

Türkei: Mit Kopf-tuch im ParlamentISTANBUL. Mit dem demon-strativen Tragen eines Kopf-tuchs im Parlament in Ankara haben vier weibliche Abge-ordnete einen Tabubruch in der Türkei begangen. Alle vier Parlamentarierinnen gehörten der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP an, wie türkische Medien berichteten. Zuletzt war 1999 die Abge-ordnete Merve Kavakci mit Kopftuch im Parlament in An-kara erschienen. Sie hatte einen Eklat ausgelöst. Ihr wurden die Staatsangehörigkeit und ihr Parlamentssitz aberkannt.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte Ende vergangenen Monats das Kopf-tuchverbot im öffentlichen Dienst außer in der Justiz und bei den Sicherheitskräften ge-kippt. (dpa/jW)

Kooperationsver-trag Rußland–Ni-caragua MANAGUA. Rußland und Ni-caragua haben am Mittwoch ein militärisches Kooperati-onsabkommen geschlossen. Die Streitkräfte beider Länder würden sich künftig regelmäßig über Fragen der internationalen Sicherheit austauschen, sagte der Vorsitzende des russischen

Bei einem US-amerikanischen Drohnenangriff in Nordwest-pakistan sind in der Nacht zum

Donnerstag mindestens drei Men-schen getötet und ebenso viele verletzt worden. Schauplatz der Operation, bei der zwei Raketen auf ein Gebäude abgeschossen wurden, war ein Dorf nahe Miranshah, der Hauptstadt des Bezirks Nordwasiristan. Anonyme Quellen in den pakistanischen Sicher-heitskräften behaupteten der Routine entsprechend, daß es sich bei den Op-fern ausschließlich um mutmaßliche »Militante«, also bewaffnete Kämp-fer, gehandelt habe, ohne sie irgendei-ner Gruppierung zuzuordnen.

Pakistans Regierungschef Nawaz Sharif war am vorigen Mittwoch von Barack Obama im Weißen Haus emp-fangen worden. Nach eigenen Angaben hatte er bei dieser Gelegenheit den US-Präsidenten aufgefordert, die Droh-neneinsätze gegen Ziele in Pakistan einzustellen, da sie die Souveränität seines Landes verletzten und politisch kontraproduktiv seien. Obama hatte

das heikle Thema bei der anschließen-den gemeinsamen Pressekonferenz nur kurz mit leeren Phrasen gestreift. Der gestrige Angriff, es war der 24. in diesem Jahr, stellt seine praktische Antwort auf Sharifs Appell dar. Das scheint die Kritik der oppositionellen PTI zu bestätigen, daß der Premier die pakistanische Position allzu beschei-den und unterwürfig vorgetragen habe. Ganz sicher nicht hilfreich war eine am Mittwoch veröffentlichte Statistik des pakistanischen Verteidigungsministe-riums, die mit überraschenden, völlig neuen Zahlen aufwartete. Danach sol-len bei sämtlichen Drohnenangriffen der vergangenen fünf Jahre »nur« 67 Zivilisten getötet worden sein. Gegen-über UN-Vertretern hatte die pakista-nische Regierung im März die Zahl der seit Beginn der Angriffe im Jahr 2004 getöteten Zivilpersonen mit min-destens 400, möglicherweise bis zu 600 angegeben. Rund 85 Prozent aller bewaffneten Drohneneinsätze gegen Pakistan fanden in der Amtszeit von Obama statt.

Die Angaben gegenüber der UNO stellten die erste derartige Auskunft einer pakistanischen Regierung zum Gesamtumfang der Angriffe und ihrer Folgen dar. Was die jetzt erfolgte »Kor-rektur« nach unten durch das Vertei-digungsministerium – und damit vor allem durch das in Pakistan sehr ein-flußreiche Oberkommando der Streit-kräfte – veranlaßt hat, kann nur vermu-tet werden. Das Ministerium folgte jetzt sogar der unglaubwürdigen Behaup-tung der US-Regierung, im laufenden Jahr ebenso wie im vorigen sei nicht eine einzige Zivilperson durch Drohnen getötet worden. Wenn das wahr wäre, würde die damals 67jährige Momina Bibi noch leben, die am 24. Oktober 2012 bei der Gartenarbeit in einem Dorf Nordwasiristans von der Rakete eines unbemannten Flugkörpers zerfetzt wurde. Ihr Sohn Rafiq Rahman, ein Grundschullehrer, war zusammen mit seiner neunjährigen Tochter Nabila und seinem 13jährigen Sohn Zubair in den vergangenen Tagen auf Einladung des demokratischen Kongreßabgeordneten

Alan Grayson in den USA, um über den Tod seiner Mutter zu berichten.

Neben zahlreichen Interviews tra-ten die drei Paschtunen am Dienstag auch bei einem sogenannten »Brie-fing« des Kongresses auf, das formal unterhalb eines offiziellen »Hearings« rangiert. Außer Grayson mochten sich nur noch vier andere Kongreßmit-glieder, auch sie alle Abgeordnete der Demokratischen Partei, die Mühe und Qual antun, sich über die Folgen der Drohnenangriffe aus erster Hand zu informieren. Sie hörten, wie die Furcht vor den furchtbaren Raketen der Flug-körper, von denen oft mehrere viele Stunden lang über den Dörfern kreisen, das Leben der Bevölkerung bestimmt und vergiftet. Obama, der sich erst kürzlich mit dem Empfang des 16jäh-rigen Taliban-Opfers Malala Yousafzai schmückte, ignorierte die Gelegenheit, die neunjährige Nabila Rahman eben-falls ins Weiße Haus einzuladen. Sie hatte bei dem Angriff nicht nur ihre Großmutter verloren, sondern war auch selbst erheblich durch Splitter verletzt

Obama setzt auf DrohnenPakistanisches Verteidigungsministerium »korrigiert« Opferzahlen nach unten. Von Knut Mellenthin

Zwischen Sudan und Südsudan gibt es neue Spannungen. In der von beiden nordostafrikani-

schen Nachbarländern beanspruchten Grenzregion Abyei fand nun ein Refe-rendum um die staatliche Zugehörig-keit des erdölreichen Gebietes statt. Seit der Abspaltung von Südsudan im Juli 2011 konnte keine Einigung darüber erzielt werden, zu welchem der beiden Staaten die Region gehören soll. Nicht einmal darauf, wer berechtigt ist, über diese Frage abzustimmen, konnten sich die Regierungen in Khartum und Juba verständigen. Nun will die Bevölke-rung vor Ort offenbar Fakten schaffen. 99,89 Prozent der Einwohner der Regi-on stimmten Angaben der inoffiziellen Wahlorganisatoren vom gestrigen Don-nerstag für den Anschluß an Südsudan. Das berichtete die Sudan Tribune.

Bisher war ein Referendum vor allem an der Frage gescheitert, wer zur Teilnahme berechtigt sei. Neben der in der Region großen Bevölke-rungsgruppe der Ngok Dinka, deren Loyalität Richtung Südsudan geht, wohnen hier zumindest zeitweise Angehörige der Misseriya. Diese no-madisch lebende Gruppe hat in der Vergangenheit häufig an der Seite Khartums in Konflikte eingegriffen. Während Khartum der Ansicht ist, daß die Misseriya über den Status von Abyei mitentscheiden sollen, will die Regierung von Südsudan genau dies verhindern. Ursprünglich war ei-ne Abstimmung über den Status von Abyei bereits für Januar 2011 geplant, zeitgleich mit dem Unabhängigkeits-referendum im Südsudan. Letzteres hatte zur Abspaltung des Südens im Juli 2011 geführt. Seither wird über die weitere Vorgangsweise verhan-delt. Im vergangenen Jahr empfahl Südafrikas ehemaliger Präsident Tha-bo Mbeki als Vermittler der Afrika-nischen Union ein Referendum unter Ausschluß der Misseriya. Doch auch dies brachte keine neue Bewegung. Vor einigen Wochen hatten Vertreter der Ngok Dinka schließlich die Befra-gung für Ende Oktober angekündigt.

Nun wurde seit vergangenem Sonn-tag in Abyei abgestimmt. Die genauen Umstände und Termine sind aufgrund des inoffiziellen Charakters des Refe-rendums unklar. Am Montag bereits hatte die Nachrichtenagentur Reuters

berichtet, daß schon »Zehntausende« Einwohner abgestimmt hätten. Die Regierungen beider Länder haben sich derweil von dem Referendum distan-ziert. Beobachter vermuten jedoch, daß Südsudan finanzielle und logisti-sche Unterstützung gewährte. Auch die Afrikanische Union (AU) und die Vereinten Nationen (UNO) lehnen die Initiative der Bevölkerung Abyeis ab. In jedem Fall kommt diese den Inter-essen Jubas entgegen. Allgemein wur-de bereits im Vorfeld eine Mehrheit für die Zugehörigkeit zum Süden er-wartet. Und selbst wenn das Ergebnis von den entscheidenden Institutionen offiziell nicht zur Kenntnis genom-men werden sollte, dürfte es dennoch die Position Jubas in dem Grenzstreit stärken.

Allerdings könnte die Abstimmung auch den schwelenden Konflikt zwi-schen den beiden Nachbarländern er-neut eskalieren lassen. Während der

vergangenen Tage verschärfte sich bereits der Ton in der Auseinander-setzung. Die dem Südsudan naheste-hende Sudan Tribune zitierte am Mitt-woch den Sprecher des sudanesischen Parlaments, Ahmed Ibrahim Al-Tahir, das Referendum als »Rebellion« be-zeichnete. Al-Tahir verglich die Ab-stimmung mit den bewaffneten Auf-ständen in den Provinzen Südkordofan und Blauer Nil, gegen die Khartum immer wieder militärisch vorgeht. Auch von Seiten der Misseriya gab es Medienberichten zufolge bereits Ankündigungen, Abyei nötigenfalls »verteidigen« zu wollen. Diplomati-schere Worte fand indes Sudans Prä-sident Omar Al-Baschir, der laut BBC Anfang der Woche versicherte, er und sein südsudanesischer Amtskollege Salva Kiir würden sich weiterhin um eine Lösung des Konflikts bemühen, die den Wünschen der lokalen Ge-meinschaften entspricht.

Abstimmung als RebellionSudan und Südsudan: Bewohner der Grenzregion Abyei halten Referendum über staatliche

Mit südsudanesischen Flaggen bekunden Frauen in Abyei, der Hauptstadt der gleichnamigen Grenzregion zwi-schen Sudan und Südsudan, ihre Haltung beim Referendum

Teure FreiheitAl-Qaida-Arm in Niger läßt vier Areva-Mitarbeiter frei. Lösegeldzahlung stärkt Islamisten und schafft Vorwand zur Repression. Von Jörg Tiedjen

Auf den ersten Blick ist es eine lang ersehnte Nachricht: Die vier Mitarbeiter der französi-

schen Konzerne Areva und Vinci, die seit Herbst 2010 von der radikalisla-mistischen »Al-Qaida im islamischen Maghreb« (AQMI) gefangengehalten wurden, sind seit Dienstag frei. Die Franzosen Daniel Larribe, Marc Fé-ret, Pierre Legrand und Thierry Dole waren am frühen Morgen des 16. Sep-tember 2010 zusammen mit Larribes Frau Françoise sowie zwei weiteren Leidensgenossen in Arlit im Nordwe-sten Nigers entführt worden. Letztere drei kamen bereits im Februar 2011 frei. In Arlit befindet sich eine von Areva unterhaltene Uranmine, Vinci agiert dort als Anlagenbauer.

Für die Freilassung der Geiseln hat-te AQMI einen Gefangenenaustausch, die Rücknahme des Kopftuchverbots in Frankreich sowie 90 Millionen Eu-ro Lösegeld verlangt. Die jetzige Er-folgsnachricht traf deswegen nicht auf ungeteilte Freude. Zwar beeilten sich offizielle Stellen, das Ende des Gei-seldramas als reinen Verhandlungser-folg darzustellen, und stritten ab, daß man die Forderungen der Entführer erfüllt habe. Da es aber keinen Ge-fangenenaustausch gab und auch das Schleierverbot bestehen bleibt, liegt es

nahe, daß sehr wohl Lösegeld gezahlt wurde. Die französische Tageszeitung Le Monde berichtete am Mittwoch, daß die Entführer »über 20 Millionen Euro« erhalten hätten. Der Radiosen-der RFI bestätigte dies unter Berufung auf eine Quelle, die dem nigrischen Verhandlungsführer »sehr, sehr nahe« stehe. Das Geld habe der französische Geheimdienst DGST im Austausch gegen die GPS-Koordinaten der Gei-seln in der Wüste deponiert.

Schlechte Erinnerungen werden wach, hatten doch mehrere europä-ische Regierungen, darunter die deut-sche, AQMI in den vergangenen zehn Jahren immer wieder Millionen-Lö-segelder zukommen lassen. Es dürf-ten nicht zuletzt diese Mittel gewesen sein, die den Islamisten 2012 zu ei-nem ihrer größten Erfolge verhalfen. Im Anschluß an die Revolte der Tua-reg-Separatisten der »Nationalbewe-gung für die Befreiung von Azawad« ( MNLA) übernahmen sie gemeinsam mit anderen Dschihadisten-Gruppen die Kontrolle über den Norden des Nachbarlands Mali. Die Lage ist dort – wie im Niger – nach wie vor an-gespannt. Areva weigert sich derweil weiter hartnäckig, den Forderungen der Bevölkerung im Niger entgegen-zukommen, die Schutz vor den kata-

strophalen Auswirkungen des Uran-bergbaus und eine Beteiligung an den Gewinnen verlangt. Der Konflikt wird so weiter angeheizt. Das Geiseldrama diente dem Atomkonzern dennoch als Anlaß, unter Hinweis auf die Bedro-hung durch AQMI die Eröffnung einer weiteren Mine bei Imouraren hinaus-zuzögern. Areva dürfte das aufgrund des Kollaps auf dem Uranmarkt nach der Reaktorkatastrophe von Fukushi-ma recht gewesen sein. Dem Niger jedoch entgingen Einnahmen, mit de-nen das verarmte Land fest gerechnet hatte.

Die Verträge sollen nun neu ver-handelt werden. Bürgerrechtler de-monstrieren seit Wochen, um den nigrischen Präsidenten Mahamadou Issoufou zu drängen, sich gegenüber dem Konzern unnachgiebig zu zeigen. Im vergangenen Winter war bekannt geworden, daß Areva ihm als »Ent-schädigung« für Imouraren ein neues Flugzeug schenken wollte. Wenn in dieser Situation AQMI mit Millionen-beträgen überschüttet wird, liegt der Verdacht nahe, daß einmal mehr die Dschihadisten-Karte gespielt werden soll. Die verschärften »Sicherheits-maßnahmen«, die so gerechtfertigt werden, richten sich jedoch nur vor-dergründig gegen AQMI. Hauptadres-

Rekordergebnis ignoriertBlockade Kubas verurteilt. Konzernmedien ist das kaum eine Meldung wert

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Page 7: n Anzeigenpreisliste Nr. 24 vom 1.10 - Junge WeltDie den real existierenden Kapitalismus nicht für das Ende der Geschichte hält. Leserinnen und Leser, die diese Zeitung für sich

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Deutsche Waffen für ÖlBerlin rüstet kurdische Peschmerga für Kampf gegen »Islamischen Staat« auf und entsorgt

Altbestände. Gefahr des Einsatzes von Pistolen gegen Oppositionelle. Von Nick Brauns

Die Bundesregierung will mit

Waffen- und Ausrüstungshil-

fe einen Großverband von

4 000 kurdischen Peschmerga-Sol-

daten im Nordirak ausstatten. Stra-

tegisches Ziel sei es, daß die Streit-

kräfte der Autonomieregion deren

Territorium gegen die Angriffe des

»Islamischen Staates« (IS) halten

und begrenzt auch verlorenes Gebiet

zurückerobern können, erklärte Ver-

teidigungsministerin Ursula von der

Leyen. Sieht man sich die Zusam-

mensetzung der Waffenlieferungen

an, entsteht allerdings der Eindruck,

die Bundesregierung wolle sich vor

allem die Gunst des über riesige Öl-

und Gasreserven gebietenden kur-

dischen Präsidenten Masud Barsani

erhalten, ohne andererseits dessen

Bestrebungen zur Ausrufung eines

unabhängigen Kurdenstaates durch

die Lieferung von schweren Waffen

zu befördern.

Geliefert werden vor allem Hand-

feuerwaffen, darunter je 8 000 G3-

und G36-Sturmgewehre mit sechs

Millionen Schuß Munition. Sturmge-

wehre in den Nordirak zu schicken,

ist allerdings wie Eulen nach Athen

zu tragen. Denn wer einmal in der Re-

gion war, weiß, daß an solchen Waf-

fen kein Mangel besteht und selbst

viele Privathaushalte darüber verfü-

gen. 8 000 P1-Pistolen machen in der

offenen Feldschlacht gegen den IS

zudem wenig Sinn. Dagegen besteht

die Gefahr, daß solche Waffen zur

Niederschlagung sozialer Proteste

zum Einsatz kommen. Die Peschmer-

ga, bei denen es sich um Parteitrup-

pen der großen Regierungsparteien

KDP und PUK handelt, eröffneten

in den letzten Jahren mehrfach das

Feuer auf Oppositionskundgebungen

und töteten dabei Demonstranten.

Von Relevanz im Kampf gegen den

über eine Reihe von Beutepanzern

verfügenden IS sind allein die 30

Abschußsysteme mit 500 Milan-Pan-

zerabwehrraketen, die die deutsche

Regierung schicken will. Bei einem

nicht unerheblichen Teil dieser ab

den 70er Jahren von der Bundeswehr

beschafften Raketen droht nach Infor-

mationen der »Tagesschau« jedoch in

absehbarer Zeit die Haltbarkeit aus-

zulaufen. So löst die Bundeswehr ein

kostspieliges Entsorgungsproblem

und schafft Platz für moderne Syste-

me. »Wir gehen davon aus, daß der

Bundeswehr alles mittelfristig ersetzt

wird«, sagte ein Sprecher des Ver-

teidigungsministeriums über die 70

Millionen Euro teure Rüstungshilfe

an Erbil.Durch eine über die irakische Zen-

tralregierung in Bagdad an Erbil er-

folgende Lieferung in drei Etappen

soll sichergestellt werden, daß keine

Waffenlager angelegt werden. Dabei

herrscht weniger die Befürchtung,

daß solches Gerät – wie beim kampf-

losen Rückzug der irakischen Armee

aus Mossul oder der Peschmerga aus

der Grenzstadt Rabia – in die Hän-

de des IS geraten könnte. »Hinter

der Aufteilung auf mehrere Tranchen

steht die Sorge, die Waffen könnten

andernfalls an Kämpfer der Arbeiter-

partei Kurdistans (PKK) weitergege-

ben werden«, erfuhr die Frankfurter

Allgemeine Zeitung aus Regierungs-

kreisen.Die in der EU-»Terrorliste« aufge-

führte PKK und die mit ihr verbün-

deten Volksverteidigungseinheiten

YPG aus dem kurdischen Selbstver-

waltungsgebiet in Syrien, die dort be-

reits seit über zwei Jahren erfolgreich

gegen die Dschihadisten kämpfen

und im Irak Zehntausende Jesiden vor

dem IS retteten, sollen nach dem Wil-

len der Bundesregierung leer ausge-

hen. PKK-Chef Cemil Bayik kritisier-

te diese Entscheidung gegenüber der

FAZ: Berlin müsse sich bei den Lie-

ferungen davon leiten lassen, welche

Organisation »am erbittertsten und

erfolgreichsten kämpft«, forderte er.

»IS« mit Raketen aus der BRD

In Syrien erobertes Kriegsgerät im Internet präsentiert. Al-Nusra-Front will von Terrorliste runter

Die Terrororganisation »Isla-

mischer Staat« (IS) hat in

einem im Internet veröffent-

lichten Video nach eigenen Angaben

in Syrien eroberte deutsche und rus-

sische Waffen präsentiert. In einem

Video, aufgenommen auf dem von

der Miliz eroberten Militärflughafen

Al-Tabka zeigen IS-Kämpfer unter

anderem alte russische Kampfjets,

Artillerie und mehrere Raketen, von

denen einige auf Deutsch mit »Lenk-

flugkörper DM 72–136 mm Panzer-

abwehr« beschriftet sind. Nach ei-

nem Bericht der Zeitung Die Welt

vom Dienstag handelt es sich bei den

deutschen Raketen um den Typ HOT.

Diese seien 1981 an die Regierung

Syriens geliefert worden, schrieb das

Blatt.Auf den Golanhöhen in Syrien ver-

langten islamistische Rebellen der

Al-Nusra-Front von den Vereinten

Nationen (UN), von der Terrorliste

gestrichen zu werden. Diese und

weitere Forderungen hätten die Is-

lamisten als Bedingung für die Frei-

lassung von 44 fidschianischen Blau-

helmsoldaten gestellt, sagte Armee-

sprecher Mosese Tikoitoga in der

fidschianischen Hauptstadt Suva.

Die 44 UN-Soldaten waren am

vergangenen Donnerstag gemeinsam

mit 72 philippinischen Blauhelm-

soldaten auf den Golanhöhen von

den Islamisten eingekesselt worden.

Während die philippinischen Blau-

helme am Samstag befreit werden

konnten, gab die Al-Nusra-Front

bekannt, die Soldaten aus Fidschi

gefangen genommen zu haben. Sie

war – wie auch der Islamische Staat –

im Mai 2013 vom UN-Sicherheitsrat

als »Terrororganisation« eingestuft

worden.Im Irak drangen Angehörige von

Soldaten, die im Juni nahe Tikrit von

der IS-Miliz getötet worden sein sol

len, am Dienstag in das Parlament in

Bagdad ein. Die Angehörigen for

derten, Sicherheitskräfte zur Verant

wortung zu ziehen, die das Massaker

nicht verhindert hätten, sagte der Ab

geordnete Abdel-Hussein Al-Musa

wi der Nachrichtenseite Al-Sumaria

News. (dpa/jW)

Moskau reagiert auf

NATO-Bedrohung

MOSKAU. Als Reaktion auf eine

angekündigte stärkere Präsenz

von NATO-Truppen in Osteuropa

erwägt Rußland eine Einstufung

des Paktes als Gefährdung seiner

Sicherheit. Eine Ausweitung der

NATO-Aktivitäten werde »ihren

Platz unter den äußeren militä-

rischen Bedrohungen« finden,

sagte der Vizechef des russischen

Sicherheitsrats, Michail Popow,

am Dienstag. »Alle Fakten« wie-

sen darauf hin, daß die USA und

die NATO »ihre Politik der Ver-

schlechterung der Beziehungen zu

Rußland fortsetzen« wollten, sagte

Popow der Nachrichtenagentur

RIA Nowosti. Nach seinen Anga-

ben soll die russische Militärdok-

trin bis zum Jahresende aktualisiert

werden. Er habe »keine Zweifel«

daran, daß ein verstärktes NATO-

Engagement in Osteuropa dann als

Bedrohung kategorisiert werde.

(AFP/jW)

n Siehe Seite 7

Kranke wegen Cannabis

im Hungerstreik

KÖLN/RÜTHEN. Die Auseinander-

setzung um den privaten Anbau

von Cannabis zu Therapiezwecken

spitzt sich zu: Das Bundesinstitut

für Arzneimittel und Medizin-

produkte (BfArM) will das Urteil

des Kölner Verwaltungsgerichts

überprüfen lassen, das drei chro-

nisch kranken Patienten im Juli

den Anbau von Hanfpflanzen zu

Hause erlaubt hatte. Man habe in

der vergangenen Woche Berufung

beim Oberverwaltungsgericht

Münster eingelegt, sagte ein Spre-

cher des BfArM am Dienstag. Die

Arbeitsgemeinschaft Cannabis als

Märkte erschließen

Afrikas Filetstücke: Großprojekte von

Industriestaaten zur Agrarförde-

rung nützen vor allem KonzernenAbzug anordnen

Kiew rückt ab: Ukrainische Truppen räu-

men Stellungen bei Lugansk. Volks-

republiken fordern AutonomieLinke schulenDas Bedürfnis nach marxistischer

Bildung ist vorhanden. Eine Bilanz

nach einem Jahr MEZ in BerlinHilfe anbietenFlüchtlinge aus Irak und Syrien müssen

Möglichkeit bekommen, legal in die

BRD einzureisen. Interview27

3

Deutsche Waffen für ÖlBundesregierung rüstet kurdische Peschmerga für Kampf gegen »Islamischen Staat« auf und

entsorgt ihre Altbestände. Gefahr des Einsatzes von Pistolen gegen Oppositionelle. Von Nick Brauns

Die Bundesregierung will mit

Waffen- und Ausrüstungshilfe

einen Großverband von 4 000

kurdischen Peschmerga-Soldaten im

Nordirak ausstatten. Strategisches Ziel

sei es, daß die Streitkräfte der Auto-

nomieregion deren Territorium gegen

die Angriffe des »Islamischen Staates«

(IS) halten und begrenzt auch verlore-

nes Gebiet zurückerobern können, er-

klärte Verteidigungsministerin Ursula

von der Leyen. Sieht man sich die Zu-

sammensetzung der Waffenlieferungen

an, entsteht allerdings der Eindruck,

die Bundesregierung wolle sich vor al-

lem die Gunst des über riesige Öl- und

Gasreserven gebietenden kurdischen

Präsidenten Masud Barsani erhalten,

ohne andererseits dessen Bestrebun-

gen zur Ausrufung eines unabhängigen

Kurdenstaates durch die Lieferung von

schweren Waffen zu befördern.

Geliefert werden vor allem Hand-

feuerwaffen, darunter je 8 000 G3-

und G36-Sturmgewehre mit sechs

Millionen Schuß Munition. Sturmge-

wehre in den Nordirak zu schicken,

ist allerdings wie Eulen nach Athen

zu tragen. Denn wer einmal in der

Re gion war, weiß, daß an solchen Waf-

fen kein Mangel besteht und selbst

viele Privathaushalte darüber verfü-

gen. 8 000 P1-Pistolen machen in der

offenen Feldschlacht gegen den IS

zudem wenig Sinn. Dagegen besteht

die Gefahr, daß solche Waffen zur Nie-

derschlagung sozialer Proteste zum

Einsatz kommen. Die Peschmerga, bei

denen es sich um Parteitruppen der

großen Regierungsparteien KDP und

PUK handelt, eröffneten in den letzten

Jahren mehrfach das Feuer auf Op-

positionskundgebungen und töteten

dabei Demonstranten.

Von Relevanz im Kampf gegen den

über eine Reihe von Beutepanzern

verfügenden IS sind allein die 30 Ab-

schußsysteme mit 500 Milan-Panzer-

abwehrraketen, die die deutsche Re-

gierung schicken will. Bei einem nicht

unerheblichen Teil dieser ab den 70er

Jahren von der Bundeswehr beschaff-

ten Raketen droht nach Informationen

der »Tagesschau« jedoch in absehba-

rer Zeit die Haltbarkeit auszulaufen.

So löst die Bundeswehr ein kostspie-

liges Entsorgungsproblem und schafft

Platz für moderne Systeme. »Wir ge-

hen davon aus, daß der Bundeswehr

alles mittelfristig ersetzt wird«, sagte

ein Sprecher des Verteidigungsmini-

steriums über die 70 Millionen Euro

teure Rüstungshilfe an Erbil.

Durch eine über die irakische Zen-

tralregierung in Bagdad an Erbil er-

folgende Lieferung in drei Etappen

soll sichergestellt werden, daß keine

Waffenlager angelegt werden. Dabei

herrscht weniger die Befürchtung, daß

solches Gerät – wie beim kampflosen

Rückzug der irakischen Armee aus

Mossul oder der Peschmerga aus der

Grenzstadt Rabia – in die Hände des

IS geraten könnte. »Hinter der Auftei-

lung auf mehrere Tranchen steht die

Sorge, die Waffen könnten andernfalls

an Kämpfer der Arbeiterpartei Kurdi-

stans (PKK) weitergegeben werden«,

erfuhr die Frankfurter Allgemeine

Zeitung aus Regierungskreisen.

Die in der EU-»Terrorliste« aufge-

führte PKK und die mit ihr verbündeten

Volksverteidigungseinheiten YPG aus

dem kurdischen Selbstverwaltungs-

gebiet in Syrien, die dort bereits seit

über zwei Jahren erfolgreich gegen die

Dschihadisten kämpfen und im Irak

Zehntausende Jesiden vor dem IS ret-

teten, sollen nach dem Willen der Bun-

desregierung leer ausgehen. PKK-Chef

Cemil Bayik kritisierte diese Entschei-

dung gegenüber der FAZ: Berlin müsse

sich bei den Lieferungen davon leiten

lassen, welche Organisation »am erbit-

tertsten und erfolgreichsten kämpft«,

forderte er.

»Islamischer Staat« mit Raketen aus BRD

In Syrien erobertes Kriegsgerät im Internet präsentiert. Al-Nusra-Front will von Terrorliste gestrichen werden

Die Terrororganisation »Isla-

mischer Staat« (IS) hat in

einem im Internet veröffent-

lichten Video nach eigenen Angaben

in Syrien eroberte deutsche und rus-

sische Waffen präsentiert. In einem

Video, aufgenommen auf dem von

der Miliz eroberten Militärflughafen

Al-Tabka zeigen IS-Kämpfer unter

anderem alte russische Kampfjets,

Artillerie und mehrere Raketen, von

denen einige auf Deutsch mit »Lenk-

flugkörper DM 72–136 mm Panzer-

abwehr« beschriftet sind. Nach ei-

nem Bericht der Zeitung Die Welt

vom Dienstag handelt es sich bei den

deutschen Raketen um den Typ HOT.

Diese seien 1981 an die Regierung

Syriens geliefert worden, schrieb das

Blatt.Auf den Golanhöhen in Syrien

verlangten islamistische Rebellen

der Al-Nusra-Front von den Verein-

ten Nationen (UN), von der Ter-

rorliste gestrichen zu werden. Die-

se und weitere Forderungen hätten

die Islamisten als Bedingung für die

Freilassung von 44 fidschianischen

Blauhelmsoldaten gestellt, sagte Ar-

meesprecher Mosese Tikoitoga in der

fidschianischen Hauptstadt Suva.

Die 44 UN-Soldaten waren am

vergangenen Donnerstag gemeinsam

mit 72 philippinischen Blauhelm-

soldaten auf den Golanhöhen von

den Islamisten eingekesselt worden.

Während die philippinischen Blau-

helme am Samstag befreit werden

konnten, gab die Al-Nusra-Front

bekannt, die Soldaten aus Fidschi

gefangen genommen zu haben. Sie

war – wie auch der Islamische Staat –

im Mai 2013 vom UN-Sicherheitsrat

als »Terrororganisation« eingestuft

worden.Im Irak drangen Angehörige von

Soldaten, die im Juni nahe Tikrit von

der IS-Miliz getötet worden sein sol-

len, am Dienstag in das Parlament in

Bagdad ein. Die Angehörigen for-

derten, Sicherheitskräfte zur Verant-

wortung zu ziehen, die das Massaker

nicht verhindert hätten, sagte der Ab-

geordnete Abdel-Hussein Al-Musa-

wi der Nachrichtenseite Al-Sumaria

News. (dpa/jW)

junge Welt wird herausgegeben von 1 581

Genossinnen und Genossen (Stand 22.8.2014).

Informationen: www.jungewelt.de/lpg

junge WeltDie Tageszeitung

www.jungewelt.de

Gegründet 1 947 · Mittwoch, 3. September 2014 · Nr. 204 · 1,40 Euro · PVSt A11002 · Entgelt bezahlt

Moskau reagiert auf

NATO-Bedrohung

Moskau. Als Reaktion auf eine

angekündigte stärkere Präsenz

von NATO-Truppen in Osteuropa

erwägt Rußland eine Einstufung

des Paktes als Gefährdung seiner

Sicherheit. Eine Ausweitung der

NATO-Aktivitäten werde »ihren

Platz unter den äußeren militä-

rischen Bedrohungen« finden,

sagte der Vizechef des russischen

Sicherheitsrats, Michail Popow,

am Dienstag. »Alle Fakten« wie-

sen darauf hin, daß die USA und

die NATO »ihre Politik der Ver-

schlechterung der Beziehungen zu

Rußland fortsetzen« wollten, sagte

Popow der Nachrichtenagentur

RIA Nowosti. Nach seinen Anga-

ben soll die russische Militärdok-

trin bis zum Jahresende aktualisiert

werden. Er habe »keine Zweifel«

daran, daß ein verstärktes NATO-

Engagement in Osteuropa dann als

Bedrohung kategorisiert werde.

(AFP/jW)

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Kranke wegen Cannabis

im Hungerstreik

köln/Rüthen. Die Auseinanderset-

zung um den privaten Anbau von

Cannabis zu Therapiezwecken

spitzt sich zu: Das Bundesinstitut

für Arzneimittel und Medizin-

produkte (BfArM) will das Urteil

des Kölner Verwaltungsgerichts

überprüfen lassen, das drei chro-

nisch kranken Patienten im Juli

den Anbau von Hanfpflanzen zu

Hause erlaubt hatte. Man habe in

der vergangenen Woche Berufung

beim Oberverwaltungsgericht

Münster eingelegt, sagte ein Spre-

cher des BfArM am Dienstag. Die

Arbeitsgemeinschaft Cannabis als

Medizin (ACM) teilte mit, sechs

chronisch Kranke seien aus Protest

gegen die Berufung in den Hunger-

streik getreten. Das Kölner Urteil

sei ein enorm wichtiger Schritt für

die betroffenen Patienten gewesen,

betonte der ACM-Vorsitzende

Franjo Grotenhermen: »Durch die

Berufung wird eine Behandlung

weiterhin unnötig hinausgezö-

gert«. (dpa/jW)

9

Können sich über aufgestockte Arsenale freuen: Kurdische Peschmerga-Kämpfer westlich von Mossul

Berliner Thinktank

Google finanziert Forschung in

Deutschland, um auf die Politik Ein-

fluß zu nehmen. So gründete das Un-

ternehmen das Humboldt-Institut

für Internet und Gesellschaft.

Von Thomas Wagner Seiten 10/11

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Märkte erschließen

Afrikas Filetstücke: Großprojekte von

Industriestaaten zur Agrarförde-

rung nützen vor allem KonzernenAbzug anordnen

Kiew rückt ab: Ukrainische Truppen räu-

men Stellungen bei Lugansk. Volks-

republiken fordern AutonomieLinke schulenDas Bedürfnis nach marxistischer

Bildung ist vorhanden. Eine Bilanz

nach einem Jahr MEZ in BerlinHilfe anbietenFlüchtlinge aus Irak und Syrien müssen

Möglichkeit bekommen, legal in die

BRD einzureisen. Interview27

3

Deutsche Waffen für ÖlBundesregierung rüstet kurdische Peschmerga für Kampf gegen »Islamischen Staat« auf und

entsorgt ihre Altbestände. Gefahr des Einsatzes von Pistolen gegen Oppositionelle. Von Nick Brauns

Die Bundesregierung will mit

Waffen- und Ausrüstungshilfe

einen Großverband von 4 000

kurdischen Peschmerga-Soldaten im

Nordirak ausstatten. Strategisches Ziel

sei es, daß die Streitkräfte der Auto-

nomieregion deren Territorium gegen

die Angriffe des »Islamischen Staates«

(IS) halten und begrenzt auch verlore-

nes Gebiet zurückerobern können, er-

klärte Verteidigungsministerin Ursula

von der Leyen. Sieht man sich die Zu-

sammensetzung der Waffenlieferungen

an, entsteht allerdings der Eindruck,

die Bundesregierung wolle sich vor al-

lem die Gunst des über riesige Öl- und

Gasreserven gebietenden kurdischen

Präsidenten Masud Barsani erhalten,

ohne andererseits dessen Bestrebun-

gen zur Ausrufung eines unabhängigen

Kurdenstaates durch die Lieferung von

schweren Waffen zu befördern.

Geliefert werden vor allem Hand-

feuerwaffen, darunter je 8 000 G3-

und G36-Sturmgewehre mit sechs

Millionen Schuß Munition. Sturmge-

wehre in den Nordirak zu schicken,

ist allerdings wie Eulen nach Athen

zu tragen. Denn wer einmal in der

Re gion war, weiß, daß an solchen Waf-

fen kein Mangel besteht und selbst

viele Privathaushalte darüber verfü-

gen. 8 000 P1-Pistolen machen in der

offenen Feldschlacht gegen den IS

zudem wenig Sinn. Dagegen besteht

die Gefahr, daß solche Waffen zur Nie-

derschlagung sozialer Proteste zum

Einsatz kommen. Die Peschmerga, bei

denen es sich um Parteitruppen der

großen Regierungsparteien KDP und

PUK handelt, eröffneten in den letzten

Jahren mehrfach das Feuer auf Op-

positionskundgebungen und töteten

dabei Demonstranten.

Von Relevanz im Kampf gegen den

über eine Reihe von Beutepanzern

verfügenden IS sind allein die 30 Ab-

schußsysteme mit 500 Milan-Panzer-

abwehrraketen, die die deutsche Re-

gierung schicken will. Bei einem nicht

unerheblichen Teil dieser ab den 70er

Jahren von der Bundeswehr beschaff-

ten Raketen droht nach Informationen

der »Tagesschau« jedoch in absehba-

rer Zeit die Haltbarkeit auszulaufen.

So löst die Bundeswehr ein kostspie-

liges Entsorgungsproblem und schafft

Platz für moderne Systeme. »Wir ge-

hen davon aus, daß der Bundeswehr

alles mittelfristig ersetzt wird«, sagte

ein Sprecher des Verteidigungsmini-

steriums über die 70 Millionen Euro

teure Rüstungshilfe an Erbil.

Durch eine über die irakische Zen-

tralregierung in Bagdad an Erbil er-

folgende Lieferung in drei Etappen

soll sichergestellt werden, daß keine

Waffenlager angelegt werden. Dabei

herrscht weniger die Befürchtung, daß

solches Gerät – wie beim kampflosen

Rückzug der irakischen Armee aus

Mossul oder der Peschmerga aus der

Grenzstadt Rabia – in die Hände des

IS geraten könnte. »Hinter der Auftei-

lung auf mehrere Tranchen steht die

Sorge, die Waffen könnten andernfalls

an Kämpfer der Arbeiterpartei Kurdi-

stans (PKK) weitergegeben werden«,

erfuhr die Frankfurter Allgemeine

Zeitung aus Regierungskreisen.

Die in der EU-»Terrorliste« aufge-

führte PKK und die mit ihr verbündeten

Volksverteidigungseinheiten YPG aus

dem kurdischen Selbstverwaltungs-

gebiet in Syrien, die dort bereits seit

über zwei Jahren erfolgreich gegen die

Dschihadisten kämpfen und im Irak

Zehntausende Jesiden vor dem IS ret-

teten, sollen nach dem Willen der Bun-

desregierung leer ausgehen. PKK-Chef

Cemil Bayik kritisierte diese Entschei-

dung gegenüber der FAZ: Berlin müsse

sich bei den Lieferungen davon leiten

lassen, welche Organisation »am erbit-

tertsten und erfolgreichsten kämpft«,

forderte er.

»Islamischer Staat« mit Raketen aus BRD

In Syrien erobertes Kriegsgerät im Internet präsentiert. Al-Nusra-Front will von Terrorliste gestrichen werden

Die Terrororganisation »Isla-

mischer Staat« (IS) hat in

einem im Internet veröffent-

lichten Video nach eigenen Angaben

in Syrien eroberte deutsche und rus-

sische Waffen präsentiert. In einem

Video, aufgenommen auf dem von

der Miliz eroberten Militärflughafen

Al-Tabka zeigen IS-Kämpfer unter

anderem alte russische Kampfjets,

Artillerie und mehrere Raketen, von

denen einige auf Deutsch mit »Lenk-

flugkörper DM 72–136 mm Panzer-

abwehr« beschriftet sind. Nach ei-

nem Bericht der Zeitung Die Welt

vom Dienstag handelt es sich bei den

deutschen Raketen um den Typ HOT.

Diese seien 1981 an die Regierung

Syriens geliefert worden, schrieb das

Blatt.Auf den Golanhöhen in Syrien

verlangten islamistische Rebellen

der Al-Nusra-Front von den Verein-

ten Nationen (UN), von der Ter-

rorliste gestrichen zu werden. Die-

se und weitere Forderungen hätten

die Islamisten als Bedingung für die

Freilassung von 44 fidschianischen

Blauhelmsoldaten gestellt, sagte Ar-

meesprecher Mosese Tikoitoga in der

fidschianischen Hauptstadt Suva.

Die 44 UN-Soldaten waren am

vergangenen Donnerstag gemeinsam

mit 72 philippinischen Blauhelm-

soldaten auf den Golanhöhen von

den Islamisten eingekesselt worden.

Während die philippinischen Blau-

helme am Samstag befreit werden

konnten, gab die Al-Nusra-Front

bekannt, die Soldaten aus Fidschi

gefangen genommen zu haben. Sie

war – wie auch der Islamische Staat –

im Mai 2013 vom UN-Sicherheitsrat

als »Terrororganisation« eingestuft

worden.Im Irak drangen Angehörige von

Soldaten, die im Juni nahe Tikrit von

der IS-Miliz getötet worden sein sol-

len, am Dienstag in das Parlament in

Bagdad ein. Die Angehörigen for-

derten, Sicherheitskräfte zur Verant-

wortung zu ziehen, die das Massaker

nicht verhindert hätten, sagte der Ab-

geordnete Abdel-Hussein Al-Musa-

wi der Nachrichtenseite Al-Sumaria

News. (dpa/jW)

junge Welt wird herausgegeben von 1 581

Genossinnen und Genossen (Stand 22.8.2014).

Informationen: www.jungewelt.de/lpg

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Gegründet 1 947 · Mittwoch, 3. September 2014 · Nr. 204 · 1,40 Euro · PVSt A11002 · Entgelt bezahlt

Moskau reagiert auf

NATO-Bedrohung

Moskau. Als Reaktion auf eine

angekündigte stärkere Präsenz

von NATO-Truppen in Osteuropa

erwägt Rußland eine Einstufung

des Paktes als Gefährdung seiner

Sicherheit. Eine Ausweitung der

NATO-Aktivitäten werde »ihren

Platz unter den äußeren militä-

rischen Bedrohungen« finden,

sagte der Vizechef des russischen

Sicherheitsrats, Michail Popow,

am Dienstag. »Alle Fakten« wie-

sen darauf hin, daß die USA und

die NATO »ihre Politik der Ver-

schlechterung der Beziehungen zu

Rußland fortsetzen« wollten, sagte

Popow der Nachrichtenagentur

RIA Nowosti. Nach seinen Anga-

ben soll die russische Militärdok-

trin bis zum Jahresende aktualisiert

werden. Er habe »keine Zweifel«

daran, daß ein verstärktes NATO-

Engagement in Osteuropa dann als

Bedrohung kategorisiert werde.

(AFP/jW)

u Siehe Seite 7

Kranke wegen Cannabis

im Hungerstreik

köln/Rüthen. Die Auseinanderset-

zung um den privaten Anbau von

Cannabis zu Therapiezwecken

spitzt sich zu: Das Bundesinstitut

für Arzneimittel und Medizin-

produkte (BfArM) will das Urteil

des Kölner Verwaltungsgerichts

überprüfen lassen, das drei chro-

nisch kranken Patienten im Juli

den Anbau von Hanfpflanzen zu

Hause erlaubt hatte. Man habe in

der vergangenen Woche Berufung

beim Oberverwaltungsgericht

Münster eingelegt, sagte ein Spre-

cher des BfArM am Dienstag. Die

Arbeitsgemeinschaft Cannabis als

Medizin (ACM) teilte mit, sechs

chronisch Kranke seien aus Protest

gegen die Berufung in den Hunger-

streik getreten. Das Kölner Urteil

sei ein enorm wichtiger Schritt für

die betroffenen Patienten gewesen,

betonte der ACM-Vorsitzende

Franjo Grotenhermen: »Durch die

Berufung wird eine Behandlung

weiterhin unnötig hinausgezö-

gert«. (dpa/jW)

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Können sich über aufgestockte Arsenale freuen: Kurdische Peschmerga-Kämpfer westlich von Mossul

Berliner Thinktank

Google finanziert Forschung in

Deutschland, um auf die Politik Ein-

fluß zu nehmen. So gründete das Un-

ternehmen das Humboldt-Institut

für Internet und Gesellschaft.

Von Thomas Wagner Seiten 10/11

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GEGRÜNDET 1 947 · SAMSTAG, 4. OKTOBER 2014 · NR. 230 · 1,80 EURO · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT

Berliner Thinktank

Google finanziert Forschung

in Deutschland, um auf die

Politik Einfluß zu nehmen. So

gründete das Unternehmen

das Humboldt-Institut für In-

ternet und Gesellschaft. Von

Thomas Wagner Seiten 10/11

Märkte erschließen

Afrikas Filetstücke: Großprojekte von

Industriestaaten zur Agrarförde-

rung nützen vor allem KonzernenAbzug anordnen

Kiew rückt ab: Ukrainische Truppen räu-

men Stellungen bei Lugansk. Volks-

republiken fordern AutonomieLinke schulenDas Bedürfnis nach marxistischer

Bildung ist vorhanden. Eine Bilanz

nach einem Jahr MEZ in BerlinHilfe anbietenFlüchtlinge aus Irak und Syrien müssen

Möglichkeit bekommen, legal in die

BRD einzureisen. Interview27

3

Deutsche Waffen für ÖlBundesregierung rüstet kurdische Peschmerga für Kampf gegen »Islamischen Staat« auf und

entsorgt ihre Altbestände. Gefahr des Einsatzes von Pistolen gegen Oppositionelle. Von Nick Brauns

Die Bundesregierung will mit

Waffen- und Ausrüstungshilfe

einen Großverband von 4 000

kurdischen Peschmerga-Soldaten im

Nordirak ausstatten. Strategisches Ziel

sei es, daß die Streitkräfte der Auto-

nomieregion deren Territorium gegen

die Angriffe des »Islamischen Staates«

(IS) halten und begrenzt auch verlore-

nes Gebiet zurückerobern können, er-

klärte Verteidigungsministerin Ursula

von der Leyen. Sieht man sich die Zu-

sammensetzung der Waffenlieferungen

an, entsteht allerdings der Eindruck,

die Bundesregierung wolle sich vor al-

lem die Gunst des über riesige Öl- und

Gasreserven gebietenden kurdischen

Präsidenten Masud Barsani erhalten,

ohne andererseits dessen Bestrebun-

gen zur Ausrufung eines unabhängigen

Kurdenstaates durch die Lieferung von

schweren Waffen zu befördern.

Geliefert werden vor allem Hand-

feuerwaffen, darunter je 8 000 G3-

und G36-Sturmgewehre mit sechs

Millionen Schuß Munition. Sturmge-

wehre in den Nordirak zu schicken,

ist allerdings wie Eulen nach Athen

zu tragen. Denn wer einmal in der

Re gion war, weiß, daß an solchen Waf-

fen kein Mangel besteht und selbst

viele Privathaushalte darüber verfü-

gen. 8 000 P1-Pistolen machen in der

offenen Feldschlacht gegen den IS

zudem wenig Sinn. Dagegen besteht

die Gefahr, daß solche Waffen zur Nie-

derschlagung sozialer Proteste zum

Einsatz kommen. Die Peschmerga, bei

denen es sich um Parteitruppen der

großen Regierungsparteien KDP und

PUK handelt, eröffneten in den letzten

Jahren mehrfach das Feuer auf Op-

positionskundgebungen und töteten

dabei Demonstranten.

Von Relevanz im Kampf gegen den

über eine Reihe von Beutepanzern

verfügenden IS sind allein die 30 Ab-

schußsysteme mit 500 Milan-Panzer-

abwehrraketen, die die deutsche Re-

gierung schicken will. Bei einem nicht

unerheblichen Teil dieser ab den 70er

Jahren von der Bundeswehr beschaff-

ten Raketen droht nach Informationen

der »Tagesschau« jedoch in absehba-

rer Zeit die Haltbarkeit auszulaufen.

So löst die Bundeswehr ein kostspie-

liges Entsorgungsproblem und schafft

Platz für moderne Systeme. »Wir ge-

hen davon aus, daß der Bundeswehr

alles mittelfristig ersetzt wird«, sagte

ein Sprecher des Verteidigungsmini-

steriums über die 70 Millionen Euro

teure Rüstungshilfe an Erbil.

Durch eine über die irakische Zen-

tralregierung in Bagdad an Erbil er-

folgende Lieferung in drei Etappen

soll sichergestellt werden, daß keine

Waffenlager angelegt werden. Dabei

herrscht weniger die Befürchtung, daß

solches Gerät – wie beim kampflosen

Rückzug der irakischen Armee aus

Mossul oder der Peschmerga aus der

Grenzstadt Rabia – in die Hände des

IS geraten könnte. »Hinter der Auftei-

lung auf mehrere Tranchen steht die

Sorge, die Waffen könnten andernfalls

an Kämpfer der Arbeiterpartei Kurdi-

stans (PKK) weitergegeben werden«,

erfuhr die Frankfurter Allgemeine

Zeitung aus Regierungskreisen.

Die in der EU-»Terrorliste« aufge-

führte PKK und die mit ihr verbündeten

Volksverteidigungseinheiten YPG aus

dem kurdischen Selbstverwaltungs-

gebiet in Syrien, die dort bereits seit

über zwei Jahren erfolgreich gegen die

Dschihadisten kämpfen und im Irak

Zehntausende Jesiden vor dem IS ret-

teten, sollen nach dem Willen der Bun-

desregierung leer ausgehen. PKK-Chef

Cemil Bayik kritisierte diese Entschei-

dung gegenüber der FAZ: Berlin müsse

sich bei den Lieferungen davon leiten

lassen, welche Organisation »am erbit-

tertsten und erfolgreichsten kämpft«,

forderte er.

»Islamischer Staat« mit Raketen aus BRD

In Syrien erobertes Kriegsgerät im Internet präsentiert. Al-Nusra-Front will von Terrorliste gestrichen werden

Die Terrororganisation »Isla-

mischer Staat« (IS) hat in

einem im Internet veröffent-

lichten Video nach eigenen Angaben

in Syrien eroberte deutsche und rus-

sische Waffen präsentiert. In einem

Video, aufgenommen auf dem von

der Miliz eroberten Militärflughafen

Al-Tabka zeigen IS-Kämpfer unter

anderem alte russische Kampfjets,

Artillerie und mehrere Raketen, von

denen einige auf Deutsch mit »Lenk-

flugkörper DM 72–136 mm Panzer-

abwehr« beschriftet sind. Nach ei-

nem Bericht der Zeitung Die Welt

vom Dienstag handelt es sich bei den

deutschen Raketen um den Typ HOT.

Diese seien 1981 an die Regierung

Syriens geliefert worden, schrieb das

Blatt.Auf den Golanhöhen in Syrien

verlangten islamistische Rebellen

der Al-Nusra-Front von den Verein-

ten Nationen (UN), von der Ter-

rorliste gestrichen zu werden. Die-

se und weitere Forderungen hätten

die Islamisten als Bedingung für die

Freilassung von 44 fidschianischen

Blauhelmsoldaten gestellt, sagte Ar-

meesprecher Mosese Tikoitoga in der

fidschianischen Hauptstadt Suva.

Die 44 UN-Soldaten waren am

vergangenen Donnerstag gemeinsam

mit 72 philippinischen Blauhelm-

soldaten auf den Golanhöhen von

den Islamisten eingekesselt worden.

Während die philippinischen Blau-

helme am Samstag befreit werden

konnten, gab die Al-Nusra-Front

bekannt, die Soldaten aus Fidschi

gefangen genommen zu haben. Sie

war – wie auch der Islamische Staat –

im Mai 2013 vom UN-Sicherheitsrat

als »Terrororganisation« eingestuft

worden.Im Irak drangen Angehörige von

Soldaten, die im Juni nahe Tikrit von

der IS-Miliz getötet worden sein sol-

len, am Dienstag in das Parlament in

Bagdad ein. Die Angehörigen for-

derten, Sicherheitskräfte zur Verant-

wortung zu ziehen, die das Massaker

nicht verhindert hätten, sagte der Ab-

geordnete Abdel-Hussein Al-Musa-

wi der Nachrichtenseite Al-Sumaria

News. (dpa/jW)

junge Welt wird herausgegeben von 1 581

Genossinnen und Genossen (Stand 22.8.2014).

Informationen: www.jungewelt.de/lpg

junge WeltDie Tageszeitung

www.jungewelt.de

Gegründet 1 947 · Mittwoch, 3. September 2014 · Nr. 204 · 1,40 Euro · PVSt A11002 · Entgelt bezahlt

Moskau reagiert auf

NATO-Bedrohung

Moskau. Als Reaktion auf eine

angekündigte stärkere Präsenz

von NATO-Truppen in Osteuropa

erwägt Rußland eine Einstufung

des Paktes als Gefährdung seiner

Sicherheit. Eine Ausweitung der

NATO-Aktivitäten werde »ihren

Platz unter den äußeren militä-

rischen Bedrohungen« finden,

sagte der Vizechef des russischen

Sicherheitsrats, Michail Popow,

am Dienstag. »Alle Fakten« wie-

sen darauf hin, daß die USA und

die NATO »ihre Politik der Ver-

schlechterung der Beziehungen zu

Rußland fortsetzen« wollten, sagte

Popow der Nachrichtenagentur

RIA Nowosti. Nach seinen Anga-

ben soll die russische Militärdok-

trin bis zum Jahresende aktualisiert

werden. Er habe »keine Zweifel«

daran, daß ein verstärktes NATO-

Engagement in Osteuropa dann als

Bedrohung kategorisiert werde.

(AFP/jW)

u Siehe Seite 7

Kranke wegen Cannabis

im Hungerstreik

köln/Rüthen. Die Auseinanderset-

zung um den privaten Anbau von

Cannabis zu Therapiezwecken

spitzt sich zu: Das Bundesinstitut

für Arzneimittel und Medizin-

produkte (BfArM) will das Urteil

des Kölner Verwaltungsgerichts

überprüfen lassen, das drei chro-

nisch kranken Patienten im Juli

den Anbau von Hanfpflanzen zu

Hause erlaubt hatte. Man habe in

der vergangenen Woche Berufung

beim Oberverwaltungsgericht

Münster eingelegt, sagte ein Spre-

cher des BfArM am Dienstag. Die

Arbeitsgemeinschaft Cannabis als

Medizin (ACM) teilte mit, sechs

chronisch Kranke seien aus Protest

gegen die Berufung in den Hunger-

streik getreten. Das Kölner Urteil

sei ein enorm wichtiger Schritt für

die betroffenen Patienten gewesen,

betonte der ACM-Vorsitzende

Franjo Grotenhermen: »Durch die

Berufung wird eine Behandlung

weiterhin unnötig hinausgezö-

gert«. (dpa/jW)

9

Können sich über aufgestockte Arsenale freuen: Kurdische Peschmerga-Kämpfer westlich von Mossul

Berliner Thinktank

Google finanziert Forschung in

Deutschland, um auf die Politik Ein-

fluß zu nehmen. So gründete das Un-

ternehmen das Humboldt-Institut

für Internet und Gesellschaft.

Von Thomas Wagner Seiten 10/11

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Märkte erschließen

Afrikas Filetstücke: Großprojekte von

Industriestaaten zur Agrar-

förderung nützen KonzernenAbzug anordnenKiew rückt ab: Ukrainische Truppen

räumen Stellungen bei Lugansk.

Volksrepubliken für AutonomieLinke schulenBedürfnis nach marxistischer

Bildung ist vorhanden. Bilanz

nach einem Jahr MEZ in BerlinHilfe anbietenFlüchtlinge aus Irak und Syrien müs-

sen Möglichkeit bekommen,

legal in die BRD einzureisen.

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310

Ihr Beileger

Ihr Beileger

Deutsche Waffen für ÖlBerlin rüstet kurdische Peschmerga für Kampf gegen »Islamischen Staat« auf und entsorgt

Altbestände. Gefahr des Einsatzes von Pistolen gegen Oppositionelle.

Die Bundesregierung will mit

Waffen- und Ausrüstungshil-

fe einen Großverband von

4 000 kurdischen Peschmerga-Sol-

daten im Nordirak ausstatten. Stra-

tegisches Ziel sei es, daß die Streit-

kräfte der Autonomieregion deren

Territorium gegen die Angriffe des

»Islamischen Staates« (IS) halten

und begrenzt auch verlorenes Gebiet

zurückerobern können, erklärte Ver-

teidigungsministerin Ursula von der

Leyen. Sieht man sich die Zusam-

mensetzung der Waffenlieferungen

an, entsteht allerdings der Eindruck,

die Bundesregierung wolle sich vor

allem die Gunst des über riesige Öl-

und Gasreserven gebietenden kur-

dischen Präsidenten Masud Barsani

erhalten, ohne andererseits dessen

Bestrebungen zur Ausrufung eines

unabhängigen Kurdenstaates durch

die Lieferung von schweren Waffen

zu befördern.

Geliefert werden vor allem Hand-

feuerwaffen, darunter je 8 000 G3-

und G36-Sturmgewehre mit sechs

Millionen Schuß Munition. Sturmge-

wehre in den Nordirak zu schicken,

ist allerdings wie Eulen nach Athen

zu tragen. Denn wer einmal in der Re-

gion war, weiß, daß an solchen Waf-

gion war, weiß, daß an solchen Waf-

gion war, weiß, daß an solchen Waf

fen kein Mangel besteht und selbst

viele Privathaushalte darüber verfü-

gen. 8 000 P1-Pistolen machen in der

offenen Feldschlacht gegen den IS

zudem wenig Sinn. Dagegen besteht

die Gefahr, daß solche Waffen zur

Niederschlagung sozialer Proteste

zum Einsatz kommen. Die Peschmer-

ga, bei denen es sich um Parteitrup-

pen der großen Regierungsparteien

KDP und PUK handelt, eröffneten

in den letzten Jahren mehrfach das

Feuer auf Oppositionskundgebungen

und töteten dabei Demonstranten.

Von Relevanz im Kampf gegen den

über eine Reihe von Beutepanzern

verfügenden IS sind allein die 30

Abschußsysteme mit 500 Milan-Pan-

zerabwehrraketen, die die deutsche

Regierung schicken will. Bei einem

nicht unerheblichen Teil dieser ab

den 70er Jahren von der Bundeswehr

beschafften Raketen droht nach Infor-

mationen der »Tagesschau« jedoch in

absehbarer Zeit die Haltbarkeit aus-

zulaufen. So löst die Bundeswehr ein

kostspieliges Entsorgungsproblem

und schafft Platz für moderne Syste-

me. »Wir gehen davon aus, daß der

Bundeswehr alles mittelfristig ersetzt

wird«, sagte ein Sprecher des Ver-

teidigungsministeriums über die 70

Millionen Euro teure Rüstungshilfe

an Erbil.Durch eine über die irakische Zen

tralregierung in Bagdad an Erbil er

folgende Lieferung in drei Etappen

soll sichergestellt werden, daß keine

Waffenlager angelegt werden. Dabei

herrscht weniger die Befürchtung,

daß solches Gerät – wie beim kampf

losen Rückzug der irakischen Armee

aus Mossul oder der Peschmerga aus

der Grenzstadt Rabia – in die Hän

de des IS geraten könnte. »Hinter

der Aufteilung auf mehrere Tranchen

steht die Sorge, die Waffen könnten

andernfalls an Kämpfer der Arbeiter

partei Kurdistans (PKK) weitergege

ben werden«, erfuhr die Frankfurter

»IS« mit Raketen aus der BRD

In Syrien erobertes Kriegsgerät im Internet präsentiert. Al-Nusra-Front will von Terrorliste runter

Die Terrororganisation »Isla-

mischer Staat« (IS) hat in

einem im Internet veröffent-

lichten Video nach eigenen Angaben

in Syrien eroberte deutsche und rus-

sische Waffen präsentiert. In einem

Video, aufgenommen auf dem von

der Miliz eroberten Militärflughafen

Al-Tabka zeigen IS-Kämpfer unter

anderem alte russische Kampfjets,

Artillerie und mehrere Raketen, von

denen einige auf Deutsch mit »Lenk-

denen einige auf Deutsch mit »Lenk-

denen einige auf Deutsch mit »Lenk

flugkörper DM 72–136 mm Panzer-

abwehr« beschriftet sind. Nach ei-

nem Bericht der Zeitung Die Welt

vom Dienstag handelt es sich bei den

deutschen Raketen um den Typ HOT.

Diese seien 1981 an die Regierung

Syriens geliefert worden, schrieb das

Blatt.Auf den Golanhöhen in Syrien ver-

langten islamistische Rebellen der

Al-Nusra-Front von den Vereinten

Nationen (UN), von der Terrorliste

gestrichen zu werden. Diese und

weitere Forderungen hätten die Is-

lamisten als Bedingung für die Frei-

lassung von 44 fidschianischen Blau-

helmsoldaten gestellt, sagte Armee

sprecher Mosese Tikoitoga in der

fidschianischen Hauptstadt Suva.

Die 44 UN-Soldaten waren am

vergangenen Donnerstag gemeinsam

mit 72 philippinischen Blauhelm

soldaten auf den Golanhöhen von

den Islamisten eingekesselt worden.

Während die philippinischen Blau

helme am Samstag befreit werden

konnten, gab die Al-Nusra-Front

bekannt, die Soldaten aus Fidschi

gefangen genommen zu haben. Sie

war – wie auch der Islamische Staat –

geordnete Abdel-Hussein Al-Musa

wi der Nachrichtenseite Al-Sumaria

News. (dpa/jW)

Können sich über aufgestockte Arsenale freuen: Kurdische Peschmerga-Kämpfer westlich von Mossul

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GEGRÜNDET 1947 · SAMSTAG, 4. OKTOBER 2014 · NR. 230 · 1,80 EURO · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT

Berliner Thinktank

Google finanziert Forschung

in Deutschland, um auf die

Politik Einfluß zu nehmen. So

gründete das Unternehmen

das Humboldt-Institut für In-

ternet und Gesellschaft. Von

Thomas Wagner Seiten 10/11

WWW.JUNGEWELT.DE

Märkte erschließen

Afrikas Filetstücke: Großprojekte von

Abzug anordnenKiew rückt ab: Ukrainische Truppen

räumen Stellungen bei Lugansk.

Volksrepubliken für AutonomieLinke schulenBedürfnis nach marxistischer

Bildung ist vorhanden. Bilanz

nach einem Jahr MEZ in BerlinHilfe anbietenFlüchtlinge aus Irak und Syrien müs-

sen Möglichkeit bekommen,

legal in die BRD einzureisen.

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Deutsche Waffen für ÖlBerlin rüstet kurdische Peschmerga für Kampf gegen »Islamischen Staat« auf und entsorgt

Altbestände. Gefahr des Einsatzes von Pistolen gegen Oppositionelle. Von Nick Brauns

Millionen Euro teure Rüstungshilfe

Durch eine über die irakische Zen

tralregierung in Bagdad an Erbil er

folgende Lieferung in drei Etappen

soll sichergestellt werden, daß keine

Waffenlager angelegt werden. Dabei

herrscht weniger die Befürchtung,

– wie beim kampf

losen Rückzug der irakischen Armee

aus Mossul oder der Peschmerga aus

– in die Hän

de des IS geraten könnte. »Hinter

der Aufteilung auf mehrere Tranchen

steht die Sorge, die Waffen könnten

andernfalls an Kämpfer der Arbeiter

partei Kurdistans (PKK) weitergege

Frankfurter

Moskau reagiert auf

NATO-Bedrohung

MOSKAU. Als Reaktion auf eine

angekündigte stärkere Präsenz

von NATO-Truppen in Osteuropa

Können sich über aufgestockte Arsenale freuen: Kurdische Peschmerga-Kämpfer westlich von Mossul

Afrikas Filetstücke: Großprojekte von

Industriestaaten zur Agrar-

förderung nützen KonzernenAbzug anordnenKiew rückt ab: Ukrainische Truppen

räumen Stellungen bei Lugansk.

Volksrepubliken für Autonomie 10

Ihr Beileger

Frankfurter

»IS« mit Raketen aus der BRD

In Syrien erobertes Kriegsgerät im Internet präsentiert. Al-Nusra-Front will von Terrorliste runter

helmsoldaten gestellt, sagte Armee

sprecher Mosese Tikoitoga in der

Hauptstadt Suva.

Die 44 UN-Soldaten waren am

vergangenen Donnerstag gemeinsam

mit 72 philippinischen Blauhelm-

soldaten auf den Golanhöhen von

den Islamisten eingekesselt worden.

Während die philippinischen Blau-

helme am Samstag befreit werden

konnten, gab die Al-Nusra-Front

bekannt, die Soldaten aus Fidschi

worden.Im Irak drangen Angehörige von

Soldaten, die im Juni nahe Tikrit von

der IS-Miliz getötet worden sein sol

len, am Dienstag in das Parlament in

Bagdad ein. Die Angehörigen for

derten, Sicherheitskräfte zur Verant

wortung zu ziehen, die das Massaker

nicht verhindert hätten, sagte der Ab

geordnete Abdel-Hussein Al-Musa

wi der Nachrichtenseite Al-Sumaria

Millionen Euro teure Rüstungshilfe

Durch eine über die irakische Zen-

tralregierung in Bagdad an Erbil er-

folgende Lieferung in drei Etappen

soll sichergestellt werden, daß keine

Waffenlager angelegt werden. Dabei

herrscht weniger die Befürchtung,

– wie beim kampf-– wie beim kampf-– wie beim kampf

losen Rückzug der irakischen Armee

aus Mossul oder der Peschmerga aus

– in die Hän

de des IS geraten könnte. »Hinter

der Aufteilung auf mehrere Tranchen

steht die Sorge, die Waffen könnten

andernfalls an Kämpfer der Arbeiter

partei Kurdistans (PKK) weitergege

Frankfurter

Allgemeine Zeitung

kreisen.Können sich über aufgestockte Arsenale freuen: Kurdische Peschmerga-Kämpfer westlich von Mossul

Ihr Beileger

Deutsche Waffen für ÖlBerlin rüstet kurdische Peschmerga für Kampf gegen »Islamischen Staat« auf und entsorgt

Altbestände. Gefahr des Einsatzes von Pistolen gegen Oppositionelle. Von Nick Brauns

Die Bundesregierung will mit

Waffen- und Ausrüstungshil-

fe einen Großverband von

4 000 kurdischen Peschmerga-Sol-

daten im Nordirak ausstatten. Stra-

tegisches Ziel sei es, daß die Streit-

kräfte der Autonomieregion deren

Territorium gegen die Angriffe des

»Islamischen Staates« (IS) halten

und begrenzt auch verlorenes Gebiet

zurückerobern können, erklärte Ver-

teidigungsministerin Ursula von der

Leyen. Sieht man sich die Zusam-

mensetzung der Waffenlieferungen

an, entsteht allerdings der Eindruck,

die Bundesregierung wolle sich vor

allem die Gunst des über riesige Öl-

und Gasreserven gebietenden kur-

dischen Präsidenten Masud Barsani

erhalten, ohne andererseits dessen

Bestrebungen zur Ausrufung eines

unabhängigen Kurdenstaates durch

die Lieferung von schweren Waffen

zu befördern.

Geliefert werden vor allem Hand-

feuerwaffen, darunter je 8 000 G3-

und G36-Sturmgewehre mit sechs

Millionen Schuß Munition. Sturmge-

wehre in den Nordirak zu schicken,

ist allerdings wie Eulen nach Athen

zu tragen. Denn wer einmal in der Re-

gion war, weiß, daß an solchen Waf-

fen kein Mangel besteht und selbst

viele Privathaushalte darüber verfü-

gen. 8 000 P1-Pistolen machen in der

offenen Feldschlacht gegen den IS

zudem wenig Sinn. Dagegen besteht

die Gefahr, daß solche Waffen zur

Niederschlagung sozialer Proteste

zum Einsatz kommen. Die Peschmer-

ga, bei denen es sich um Parteitrup-

pen der großen Regierungsparteien

KDP und PUK handelt, eröffneten

in den letzten Jahren mehrfach das

Feuer auf Oppositionskundgebungen

und töteten dabei Demonstranten.

Von Relevanz im Kampf gegen den

über eine Reihe von Beutepanzern

verfügenden IS sind allein die 30

Abschußsysteme mit 500 Milan-Pan-

zerabwehrraketen, die die deutsche

Regierung schicken will. Bei einem

nicht unerheblichen Teil dieser ab

den 70er Jahren von der Bundeswehr

beschafften Raketen droht nach Infor-

mationen der »Tagesschau« jedoch in

absehbarer Zeit die Haltbarkeit aus-

zulaufen. So löst die Bundeswehr ein

kostspieliges Entsorgungsproblem

und schafft Platz für moderne Syste-

me. »Wir gehen davon aus, daß der

Bundeswehr alles mittelfristig ersetzt

wird«, sagte ein Sprecher des Ver-

teidigungsministeriums über die 70

Millionen Euro teure Rüstungshilfe

an Erbil.Durch eine über die irakische Zen-

tralregierung in Bagdad an Erbil er-

folgende Lieferung in drei Etappen

soll sichergestellt werden, daß keine

Waffenlager angelegt werden. Dabei

herrscht weniger die Befürchtung,

daß solches Gerät – wie beim kampf-

losen Rückzug der irakischen Armee

aus Mossul oder der Peschmerga aus

der Grenzstadt Rabia – in die Hän-

de des IS geraten könnte. »Hinter

der Aufteilung auf mehrere Tranchen

steht die Sorge, die Waffen könnten

andernfalls an Kämpfer der Arbeiter-

partei Kurdistans (PKK) weitergege-

ben werden«, erfuhr die Frankfurter

Allgemeine Zeitung aus Regierungs-

kreisen.Die in der EU-»Terrorliste« aufge-

führte PKK und die mit ihr verbün-

deten Volksverteidigungseinheiten

YPG aus dem kurdischen Selbstver-

waltungsgebiet in Syrien, die dort be-

reits seit über zwei Jahren erfolgreich

gegen die Dschihadisten kämpfen

und im Irak Zehntausende Jesiden vor

dem IS retteten, sollen nach dem Wil-

len der Bundesregierung leer ausge-

hen. PKK-Chef Cemil Bayik kritisier-

te diese Entscheidung gegenüber der

FAZ: Berlin müsse sich bei den Lie-

ferungen davon leiten lassen, welche

Organisation »am erbittertsten und

erfolgreichsten kämpft«, forderte er.

»IS« mit Raketen aus der BRD

In Syrien erobertes Kriegsgerät im Internet präsentiert. Al-Nusra-Front will von Terrorliste runter

Die Terrororganisation »Isla-

mischer Staat« (IS) hat in

einem im Internet veröffent-

lichten Video nach eigenen Angaben

in Syrien eroberte deutsche und rus-

sische Waffen präsentiert. In einem

Video, aufgenommen auf dem von

der Miliz eroberten Militärflughafen

Al-Tabka zeigen IS-Kämpfer unter

anderem alte russische Kampfjets,

Artillerie und mehrere Raketen, von

denen einige auf Deutsch mit »Lenk-

flugkörper DM 72–136 mm Panzer-

abwehr« beschriftet sind. Nach ei-

nem Bericht der Zeitung Die Welt

vom Dienstag handelt es sich bei den

deutschen Raketen um den Typ HOT.

Diese seien 1981 an die Regierung

Syriens geliefert worden, schrieb das

Blatt.Auf den Golanhöhen in Syrien ver-

langten islamistische Rebellen der

Al-Nusra-Front von den Vereinten

Nationen (UN), von der Terrorliste

gestrichen zu werden. Diese und

weitere Forderungen hätten die Is-

lamisten als Bedingung für die Frei-

lassung von 44 fidschianischen Blau-

helmsoldaten gestellt, sagte Armee-

sprecher Mosese Tikoitoga in der

fidschianischen Hauptstadt Suva.

Die 44 UN-Soldaten waren am

vergangenen Donnerstag gemeinsam

mit 72 philippinischen Blauhelm-

soldaten auf den Golanhöhen von

den Islamisten eingekesselt worden.

Während die philippinischen Blau-

helme am Samstag befreit werden

konnten, gab die Al-Nusra-Front

bekannt, die Soldaten aus Fidschi

gefangen genommen zu haben. Sie

war – wie auch der Islamische Staat –

im Mai 2013 vom UN-Sicherheitsrat

als »Terrororganisation« eingestuft

worden.Im Irak drangen Angehörige von

Soldaten, die im Juni nahe Tikrit von

der IS-Miliz getötet worden sein sol-

len, am Dienstag in das Parlament in

Bagdad ein. Die Angehörigen for-

derten, Sicherheitskräfte zur Verant-

wortung zu ziehen, die das Massaker

nicht verhindert hätten, sagte der Ab-

geordnete Abdel-Hussein Al-Musa-

wi der Nachrichtenseite Al-Sumaria

News. (dpa/jW)

junge Welt wird herausgegeben von

1 572 Genossinnen und Genossen (Stand 2.7.2014).

Informationen: www.jungewelt.de/lpg

Moskau reagiert auf

NATO-Bedrohung

MOSKAU. Als Reaktion auf eine

angekündigte stärkere Präsenz

von NATO-Truppen in Osteuropa

erwägt Rußland eine Einstufung

des Paktes als Gefährdung seiner

Sicherheit. Eine Ausweitung der

NATO-Aktivitäten werde »ihren

Platz unter den äußeren militä-

rischen Bedrohungen« finden,

sagte der Vizechef des russischen

Sicherheitsrats, Michail Popow,

am Dienstag. »Alle Fakten« wie-

sen darauf hin, daß die USA und

die NATO »ihre Politik der Ver-

schlechterung der Beziehungen zu

Rußland fortsetzen« wollten, sagte

Popow der Nachrichtenagentur

RIA Nowosti. Nach seinen Anga-

ben soll die russische Militärdok-

trin bis zum Jahresende aktualisiert

werden. Er habe »keine Zweifel«

daran, daß ein verstärktes NATO-

Engagement in Osteuropa dann als

Bedrohung kategorisiert werde.

(AFP/jW)

n Siehe Seite 7

Kranke wegen Cannabis

im Hungerstreik

KÖLN/RÜTHEN. Die Auseinander-

setzung um den privaten Anbau

von Cannabis zu Therapiezwecken

spitzt sich zu: Das Bundesinstitut

für Arzneimittel und Medizin-

produkte (BfArM) will das Urteil

des Kölner Verwaltungsgerichts

überprüfen lassen, das drei chro-

nisch kranken Patienten im Juli

den Anbau von Hanfpflanzen zu

Hause erlaubt hatte. Man habe in

der vergangenen Woche Berufung

beim Oberverwaltungsgericht

Münster eingelegt, sagte ein Spre-

cher des BfArM am Dienstag. Die

Arbeitsgemeinschaft Cannabis als

Medizin (ACM) teilte mit, sechs

chronisch Kranke seien aus Protest

gegen die Berufung in den Hunger-

streik getreten. Das Kölner Urteil

sei ein enorm wichtiger Schritt für

die betroffenen Patienten gewesen,

betonte der ACM-Vorsitzende

Franjo Grotenhermen: »Durch die

Berufung wird eine Behandlung

weiterhin unnötig hinausgezö-

gert«. (dpa/jW)

Märkte erschließen

Afrikas Filetstücke: Großprojekte von

Industriestaaten zur Agrarförde-

rung nützen vor allem KonzernenAbzug anordnen

Kiew rückt ab: Ukrainische Truppen räu-

men Stellungen bei Lugansk. Volks-

republiken fordern AutonomieLinke schulenDas Bedürfnis nach marxistischer

Bildung ist vorhanden. Eine Bilanz

nach einem Jahr MEZ in BerlinHilfe anbietenFlüchtlinge aus Irak und Syrien müssen

Möglichkeit bekommen, legal in die

BRD einzureisen. Interview27

3

Deutsche Waffen für ÖlBundesregierung rüstet kurdische Peschmerga für Kampf gegen »Islamischen Staat« auf und

entsorgt ihre Altbestände. Gefahr des Einsatzes von Pistolen gegen Oppositionelle. Von Nick Brauns

Die Bundesregierung will mit

Waffen- und Ausrüstungshilfe

einen Großverband von 4 000

kurdischen Peschmerga-Soldaten im

Nordirak ausstatten. Strategisches Ziel

sei es, daß die Streitkräfte der Auto-

nomieregion deren Territorium gegen

die Angriffe des »Islamischen Staates«

(IS) halten und begrenzt auch verlore-

nes Gebiet zurückerobern können, er-

klärte Verteidigungsministerin Ursula

von der Leyen. Sieht man sich die Zu-

sammensetzung der Waffenlieferungen

an, entsteht allerdings der Eindruck,

die Bundesregierung wolle sich vor al-

lem die Gunst des über riesige Öl- und

Gasreserven gebietenden kurdischen

Präsidenten Masud Barsani erhalten,

ohne andererseits dessen Bestrebun-

gen zur Ausrufung eines unabhängigen

Kurdenstaates durch die Lieferung von

schweren Waffen zu befördern.

Geliefert werden vor allem Hand-

feuerwaffen, darunter je 8 000 G3-

und G36-Sturmgewehre mit sechs

Millionen Schuß Munition. Sturmge-

wehre in den Nordirak zu schicken,

ist allerdings wie Eulen nach Athen

zu tragen. Denn wer einmal in der

Re gion war, weiß, daß an solchen Waf-

fen kein Mangel besteht und selbst

viele Privathaushalte darüber verfü-

gen. 8 000 P1-Pistolen machen in der

offenen Feldschlacht gegen den IS

zudem wenig Sinn. Dagegen besteht

die Gefahr, daß solche Waffen zur Nie-

derschlagung sozialer Proteste zum

Einsatz kommen. Die Peschmerga, bei

denen es sich um Parteitruppen der

großen Regierungsparteien KDP und

PUK handelt, eröffneten in den letzten

Jahren mehrfach das Feuer auf Op-

positionskundgebungen und töteten

dabei Demonstranten.

Von Relevanz im Kampf gegen den

über eine Reihe von Beutepanzern

verfügenden IS sind allein die 30 Ab-

schußsysteme mit 500 Milan-Panzer-

abwehrraketen, die die deutsche Re-

gierung schicken will. Bei einem nicht

unerheblichen Teil dieser ab den 70er

Jahren von der Bundeswehr beschaff-

ten Raketen droht nach Informationen

der »Tagesschau« jedoch in absehba-

rer Zeit die Haltbarkeit auszulaufen.

So löst die Bundeswehr ein kostspie-

liges Entsorgungsproblem und schafft

Platz für moderne Systeme. »Wir ge-

hen davon aus, daß der Bundeswehr

alles mittelfristig ersetzt wird«, sagte

ein Sprecher des Verteidigungsmini-

steriums über die 70 Millionen Euro

teure Rüstungshilfe an Erbil.

Durch eine über die irakische Zen-

tralregierung in Bagdad an Erbil er-

folgende Lieferung in drei Etappen

soll sichergestellt werden, daß keine

Waffenlager angelegt werden. Dabei

herrscht weniger die Befürchtung, daß

solches Gerät – wie beim kampflosen

Rückzug der irakischen Armee aus

Mossul oder der Peschmerga aus der

Grenzstadt Rabia – in die Hände des

IS geraten könnte. »Hinter der Auftei-

lung auf mehrere Tranchen steht die

Sorge, die Waffen könnten andernfalls

an Kämpfer der Arbeiterpartei Kurdi-

stans (PKK) weitergegeben werden«,

erfuhr die Frankfurter Allgemeine

Zeitung aus Regierungskreisen.

Die in der EU-»Terrorliste« aufge-

führte PKK und die mit ihr verbündeten

Volksverteidigungseinheiten YPG aus

dem kurdischen Selbstverwaltungs-

gebiet in Syrien, die dort bereits seit

über zwei Jahren erfolgreich gegen die

Dschihadisten kämpfen und im Irak

Zehntausende Jesiden vor dem IS ret-

teten, sollen nach dem Willen der Bun-

desregierung leer ausgehen. PKK-Chef

Cemil Bayik kritisierte diese Entschei-

dung gegenüber der FAZ: Berlin müsse

sich bei den Lieferungen davon leiten

lassen, welche Organisation »am erbit-

tertsten und erfolgreichsten kämpft«,

forderte er.

»Islamischer Staat« mit Raketen aus BRD

In Syrien erobertes Kriegsgerät im Internet präsentiert. Al-Nusra-Front will von Terrorliste gestrichen werden

Die Terrororganisation »Isla-

mischer Staat« (IS) hat in

einem im Internet veröffent-

lichten Video nach eigenen Angaben

in Syrien eroberte deutsche und rus-

sische Waffen präsentiert. In einem

Video, aufgenommen auf dem von

der Miliz eroberten Militärflughafen

Al-Tabka zeigen IS-Kämpfer unter

anderem alte russische Kampfjets,

Artillerie und mehrere Raketen, von

denen einige auf Deutsch mit »Lenk-

flugkörper DM 72–136 mm Panzer-

abwehr« beschriftet sind. Nach ei-

nem Bericht der Zeitung Die Welt

vom Dienstag handelt es sich bei den

deutschen Raketen um den Typ HOT.

Diese seien 1981 an die Regierung

Syriens geliefert worden, schrieb das

Blatt.Auf den Golanhöhen in Syrien

verlangten islamistische Rebellen

der Al-Nusra-Front von den Verein-

ten Nationen (UN), von der Ter-

rorliste gestrichen zu werden. Die-

se und weitere Forderungen hätten

die Islamisten als Bedingung für die

Freilassung von 44 fidschianischen

Blauhelmsoldaten gestellt, sagte Ar-

meesprecher Mosese Tikoitoga in der

fidschianischen Hauptstadt Suva.

Die 44 UN-Soldaten waren am

vergangenen Donnerstag gemeinsam

mit 72 philippinischen Blauhelm-

soldaten auf den Golanhöhen von

den Islamisten eingekesselt worden.

Während die philippinischen Blau-

helme am Samstag befreit werden

konnten, gab die Al-Nusra-Front

bekannt, die Soldaten aus Fidschi

gefangen genommen zu haben. Sie

war – wie auch der Islamische Staat –

im Mai 2013 vom UN-Sicherheitsrat

als »Terrororganisation« eingestuft

worden.Im Irak drangen Angehörige von

Soldaten, die im Juni nahe Tikrit von

der IS-Miliz getötet worden sein sol-

len, am Dienstag in das Parlament in

Bagdad ein. Die Angehörigen for-

derten, Sicherheitskräfte zur Verant-

wortung zu ziehen, die das Massaker

nicht verhindert hätten, sagte der Ab-

geordnete Abdel-Hussein Al-Musa-

wi der Nachrichtenseite Al-Sumaria

News. (dpa/jW)

junge Welt wird herausgegeben von 1 581

Genossinnen und Genossen (Stand 22.8.2014).

Informationen: www.jungewelt.de/lpg

junge WeltDie Tageszeitung

www.jungewelt.de

Gegründet 1 947 · Mittwoch, 3. September 2014 · Nr. 204 · 1,40 Euro · PVSt A11002 · Entgelt bezahlt

Moskau reagiert auf

NATO-Bedrohung

Moskau. Als Reaktion auf eine

angekündigte stärkere Präsenz

von NATO-Truppen in Osteuropa

erwägt Rußland eine Einstufung

des Paktes als Gefährdung seiner

Sicherheit. Eine Ausweitung der

NATO-Aktivitäten werde »ihren

Platz unter den äußeren militä-

rischen Bedrohungen« finden,

sagte der Vizechef des russischen

Sicherheitsrats, Michail Popow,

am Dienstag. »Alle Fakten« wie-

sen darauf hin, daß die USA und

die NATO »ihre Politik der Ver-

schlechterung der Beziehungen zu

Rußland fortsetzen« wollten, sagte

Popow der Nachrichtenagentur

RIA Nowosti. Nach seinen Anga-

ben soll die russische Militärdok-

trin bis zum Jahresende aktualisiert

werden. Er habe »keine Zweifel«

daran, daß ein verstärktes NATO-

Engagement in Osteuropa dann als

Bedrohung kategorisiert werde.

(AFP/jW)

u Siehe Seite 7

Kranke wegen Cannabis

im Hungerstreik

köln/Rüthen. Die Auseinanderset-

zung um den privaten Anbau von

Cannabis zu Therapiezwecken

spitzt sich zu: Das Bundesinstitut

für Arzneimittel und Medizin-

produkte (BfArM) will das Urteil

des Kölner Verwaltungsgerichts

überprüfen lassen, das drei chro-

nisch kranken Patienten im Juli

den Anbau von Hanfpflanzen zu

Hause erlaubt hatte. Man habe in

der vergangenen Woche Berufung

beim Oberverwaltungsgericht

Münster eingelegt, sagte ein Spre-

cher des BfArM am Dienstag. Die

Arbeitsgemeinschaft Cannabis als

Medizin (ACM) teilte mit, sechs

chronisch Kranke seien aus Protest

gegen die Berufung in den Hunger-

streik getreten. Das Kölner Urteil

sei ein enorm wichtiger Schritt für

die betroffenen Patienten gewesen,

betonte der ACM-Vorsitzende

Franjo Grotenhermen: »Durch die

Berufung wird eine Behandlung

weiterhin unnötig hinausgezö-

gert«. (dpa/jW)

9

Können sich über aufgestockte Arsenale freuen: Kurdische Peschmerga-Kämpfer westlich von Mossul

Berliner Thinktank

Google finanziert Forschung in

Deutschland, um auf die Politik Ein-

fluß zu nehmen. So gründete das Un-

ternehmen das Humboldt-Institut

für Internet und Gesellschaft.

Von Thomas Wagner Seiten 10/11

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Märkte erschließen

Afrikas Filetstücke: Großprojekte von

Industriestaaten zur Agrarförde-

rung nützen vor allem KonzernenAbzug anordnen

Kiew rückt ab: Ukrainische Truppen räu-

men Stellungen bei Lugansk. Volks-

republiken fordern AutonomieLinke schulenDas Bedürfnis nach marxistischer

Bildung ist vorhanden. Eine Bilanz

nach einem Jahr MEZ in BerlinHilfe anbietenFlüchtlinge aus Irak und Syrien müssen

Möglichkeit bekommen, legal in die

BRD einzureisen. Interview27

3

Deutsche Waffen für ÖlBundesregierung rüstet kurdische Peschmerga für Kampf gegen »Islamischen Staat« auf und

entsorgt ihre Altbestände. Gefahr des Einsatzes von Pistolen gegen Oppositionelle. Von Nick Brauns

Die Bundesregierung will mit

Waffen- und Ausrüstungshilfe

einen Großverband von 4 000

kurdischen Peschmerga-Soldaten im

Nordirak ausstatten. Strategisches Ziel

sei es, daß die Streitkräfte der Auto-

nomieregion deren Territorium gegen

die Angriffe des »Islamischen Staates«

(IS) halten und begrenzt auch verlore-

nes Gebiet zurückerobern können, er-

klärte Verteidigungsministerin Ursula

von der Leyen. Sieht man sich die Zu-

sammensetzung der Waffenlieferungen

an, entsteht allerdings der Eindruck,

die Bundesregierung wolle sich vor al-

lem die Gunst des über riesige Öl- und

Gasreserven gebietenden kurdischen

Präsidenten Masud Barsani erhalten,

ohne andererseits dessen Bestrebun-

gen zur Ausrufung eines unabhängigen

Kurdenstaates durch die Lieferung von

schweren Waffen zu befördern.

Geliefert werden vor allem Hand-

feuerwaffen, darunter je 8 000 G3-

und G36-Sturmgewehre mit sechs

Millionen Schuß Munition. Sturmge-

wehre in den Nordirak zu schicken,

ist allerdings wie Eulen nach Athen

zu tragen. Denn wer einmal in der

Re gion war, weiß, daß an solchen Waf-

fen kein Mangel besteht und selbst

viele Privathaushalte darüber verfü-

gen. 8 000 P1-Pistolen machen in der

offenen Feldschlacht gegen den IS

zudem wenig Sinn. Dagegen besteht

die Gefahr, daß solche Waffen zur Nie-

derschlagung sozialer Proteste zum

Einsatz kommen. Die Peschmerga, bei

denen es sich um Parteitruppen der

großen Regierungsparteien KDP und

PUK handelt, eröffneten in den letzten

Jahren mehrfach das Feuer auf Op-

positionskundgebungen und töteten

dabei Demonstranten.

Von Relevanz im Kampf gegen den

über eine Reihe von Beutepanzern

verfügenden IS sind allein die 30 Ab-

schußsysteme mit 500 Milan-Panzer-

abwehrraketen, die die deutsche Re-

gierung schicken will. Bei einem nicht

unerheblichen Teil dieser ab den 70er

Jahren von der Bundeswehr beschaff-

ten Raketen droht nach Informationen

der »Tagesschau« jedoch in absehba-

rer Zeit die Haltbarkeit auszulaufen.

So löst die Bundeswehr ein kostspie-

liges Entsorgungsproblem und schafft

Platz für moderne Systeme. »Wir ge-

hen davon aus, daß der Bundeswehr

alles mittelfristig ersetzt wird«, sagte

ein Sprecher des Verteidigungsmini-

steriums über die 70 Millionen Euro

teure Rüstungshilfe an Erbil.

Durch eine über die irakische Zen-

tralregierung in Bagdad an Erbil er-

folgende Lieferung in drei Etappen

soll sichergestellt werden, daß keine

Waffenlager angelegt werden. Dabei

herrscht weniger die Befürchtung, daß

solches Gerät – wie beim kampflosen

Rückzug der irakischen Armee aus

Mossul oder der Peschmerga aus der

Grenzstadt Rabia – in die Hände des

IS geraten könnte. »Hinter der Auftei-

lung auf mehrere Tranchen steht die

Sorge, die Waffen könnten andernfalls

an Kämpfer der Arbeiterpartei Kurdi-

stans (PKK) weitergegeben werden«,

erfuhr die Frankfurter Allgemeine

Zeitung aus Regierungskreisen.

Die in der EU-»Terrorliste« aufge-

führte PKK und die mit ihr verbündeten

Volksverteidigungseinheiten YPG aus

dem kurdischen Selbstverwaltungs-

gebiet in Syrien, die dort bereits seit

über zwei Jahren erfolgreich gegen die

Dschihadisten kämpfen und im Irak

Zehntausende Jesiden vor dem IS ret-

teten, sollen nach dem Willen der Bun-

desregierung leer ausgehen. PKK-Chef

Cemil Bayik kritisierte diese Entschei-

dung gegenüber der FAZ: Berlin müsse

sich bei den Lieferungen davon leiten

lassen, welche Organisation »am erbit-

tertsten und erfolgreichsten kämpft«,

forderte er.

»Islamischer Staat« mit Raketen aus BRD

In Syrien erobertes Kriegsgerät im Internet präsentiert. Al-Nusra-Front will von Terrorliste gestrichen werden

Die Terrororganisation »Isla-

mischer Staat« (IS) hat in

einem im Internet veröffent-

lichten Video nach eigenen Angaben

in Syrien eroberte deutsche und rus-

sische Waffen präsentiert. In einem

Video, aufgenommen auf dem von

der Miliz eroberten Militärflughafen

Al-Tabka zeigen IS-Kämpfer unter

anderem alte russische Kampfjets,

Artillerie und mehrere Raketen, von

denen einige auf Deutsch mit »Lenk-

flugkörper DM 72–136 mm Panzer-

abwehr« beschriftet sind. Nach ei-

nem Bericht der Zeitung Die Welt

vom Dienstag handelt es sich bei den

deutschen Raketen um den Typ HOT.

Diese seien 1981 an die Regierung

Syriens geliefert worden, schrieb das

Blatt.Auf den Golanhöhen in Syrien

verlangten islamistische Rebellen

der Al-Nusra-Front von den Verein-

ten Nationen (UN), von der Ter-

rorliste gestrichen zu werden. Die-

se und weitere Forderungen hätten

die Islamisten als Bedingung für die

Freilassung von 44 fidschianischen

Blauhelmsoldaten gestellt, sagte Ar-

meesprecher Mosese Tikoitoga in der

fidschianischen Hauptstadt Suva.

Die 44 UN-Soldaten waren am

vergangenen Donnerstag gemeinsam

mit 72 philippinischen Blauhelm-

soldaten auf den Golanhöhen von

den Islamisten eingekesselt worden.

Während die philippinischen Blau-

helme am Samstag befreit werden

konnten, gab die Al-Nusra-Front

bekannt, die Soldaten aus Fidschi

gefangen genommen zu haben. Sie

war – wie auch der Islamische Staat –

im Mai 2013 vom UN-Sicherheitsrat

als »Terrororganisation« eingestuft

worden.Im Irak drangen Angehörige von

Soldaten, die im Juni nahe Tikrit von

der IS-Miliz getötet worden sein sol-

len, am Dienstag in das Parlament in

Bagdad ein. Die Angehörigen for-

derten, Sicherheitskräfte zur Verant-

wortung zu ziehen, die das Massaker

nicht verhindert hätten, sagte der Ab-

geordnete Abdel-Hussein Al-Musa-

wi der Nachrichtenseite Al-Sumaria

News. (dpa/jW)

junge Welt wird herausgegeben von 1 581

Genossinnen und Genossen (Stand 22.8.2014).

Informationen: www.jungewelt.de/lpg

junge WeltDie Tageszeitung

www.jungewelt.de

Gegründet 1 947 · Mittwoch, 3. September 2014 · Nr. 204 · 1,40 Euro · PVSt A11002 · Entgelt bezahlt

Moskau reagiert auf

NATO-Bedrohung

Moskau. Als Reaktion auf eine

angekündigte stärkere Präsenz

von NATO-Truppen in Osteuropa

erwägt Rußland eine Einstufung

des Paktes als Gefährdung seiner

Sicherheit. Eine Ausweitung der

NATO-Aktivitäten werde »ihren

Platz unter den äußeren militä-

rischen Bedrohungen« finden,

sagte der Vizechef des russischen

Sicherheitsrats, Michail Popow,

am Dienstag. »Alle Fakten« wie-

sen darauf hin, daß die USA und

die NATO »ihre Politik der Ver-

schlechterung der Beziehungen zu

Rußland fortsetzen« wollten, sagte

Popow der Nachrichtenagentur

RIA Nowosti. Nach seinen Anga-

ben soll die russische Militärdok-

trin bis zum Jahresende aktualisiert

werden. Er habe »keine Zweifel«

daran, daß ein verstärktes NATO-

Engagement in Osteuropa dann als

Bedrohung kategorisiert werde.

(AFP/jW)

u Siehe Seite 7

Kranke wegen Cannabis

im Hungerstreik

köln/Rüthen. Die Auseinanderset-

zung um den privaten Anbau von

Cannabis zu Therapiezwecken

spitzt sich zu: Das Bundesinstitut

für Arzneimittel und Medizin-

produkte (BfArM) will das Urteil

des Kölner Verwaltungsgerichts

überprüfen lassen, das drei chro-

nisch kranken Patienten im Juli

den Anbau von Hanfpflanzen zu

Hause erlaubt hatte. Man habe in

der vergangenen Woche Berufung

beim Oberverwaltungsgericht

Münster eingelegt, sagte ein Spre-

cher des BfArM am Dienstag. Die

Arbeitsgemeinschaft Cannabis als

Medizin (ACM) teilte mit, sechs

chronisch Kranke seien aus Protest

gegen die Berufung in den Hunger-

streik getreten. Das Kölner Urteil

sei ein enorm wichtiger Schritt für

die betroffenen Patienten gewesen,

betonte der ACM-Vorsitzende

Franjo Grotenhermen: »Durch die

Berufung wird eine Behandlung

weiterhin unnötig hinausgezö-

gert«. (dpa/jW)

9

Können sich über aufgestockte Arsenale freuen: Kurdische Peschmerga-Kämpfer westlich von Mossul

Berliner Thinktank

Google finanziert Forschung in

Deutschland, um auf die Politik Ein-

fluß zu nehmen. So gründete das Un-

ternehmen das Humboldt-Institut

für Internet und Gesellschaft.

Von Thomas Wagner Seiten 10/11

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Können sich über aufgestockte Arsenale freuen: Kurdische Peschmerga-Kämpfer westlich von Mossul

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GEGRÜNDET 1 947 · SAMSTAG, 4. OKTOBER 2014 · NR. 230 · 1,80 EURO · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT

Berliner Thinktank

Google finanziert Forschung

in Deutschland, um auf die

Politik Einfluß zu nehmen. So

gründete das Unternehmen

das Humboldt-Institut für In-

ternet und Gesellschaft. Von

Thomas Wagner Seiten 10/11

Märkte erschließen

Afrikas Filetstücke: Großprojekte von

Industriestaaten zur Agrarförde-

rung nützen vor allem KonzernenAbzug anordnen

Kiew rückt ab: Ukrainische Truppen räu-

men Stellungen bei Lugansk. Volks-

republiken fordern AutonomieLinke schulenDas Bedürfnis nach marxistischer

Bildung ist vorhanden. Eine Bilanz

nach einem Jahr MEZ in BerlinHilfe anbietenFlüchtlinge aus Irak und Syrien müssen

Möglichkeit bekommen, legal in die

BRD einzureisen. Interview27

3

Deutsche Waffen für ÖlBundesregierung rüstet kurdische Peschmerga für Kampf gegen »Islamischen Staat« auf und

entsorgt ihre Altbestände. Gefahr des Einsatzes von Pistolen gegen Oppositionelle. Von Nick Brauns

Die Bundesregierung will mit

Waffen- und Ausrüstungshilfe

einen Großverband von 4 000

kurdischen Peschmerga-Soldaten im

Nordirak ausstatten. Strategisches Ziel

sei es, daß die Streitkräfte der Auto-

nomieregion deren Territorium gegen

die Angriffe des »Islamischen Staates«

(IS) halten und begrenzt auch verlore-

nes Gebiet zurückerobern können, er-

klärte Verteidigungsministerin Ursula

von der Leyen. Sieht man sich die Zu-

sammensetzung der Waffenlieferungen

an, entsteht allerdings der Eindruck,

die Bundesregierung wolle sich vor al-

lem die Gunst des über riesige Öl- und

Gasreserven gebietenden kurdischen

Präsidenten Masud Barsani erhalten,

ohne andererseits dessen Bestrebun-

gen zur Ausrufung eines unabhängigen

Kurdenstaates durch die Lieferung von

schweren Waffen zu befördern.

Geliefert werden vor allem Hand-

feuerwaffen, darunter je 8 000 G3-

und G36-Sturmgewehre mit sechs

Millionen Schuß Munition. Sturmge-

wehre in den Nordirak zu schicken,

ist allerdings wie Eulen nach Athen

zu tragen. Denn wer einmal in der

Re gion war, weiß, daß an solchen Waf-

fen kein Mangel besteht und selbst

viele Privathaushalte darüber verfü-

gen. 8 000 P1-Pistolen machen in der

offenen Feldschlacht gegen den IS

zudem wenig Sinn. Dagegen besteht

die Gefahr, daß solche Waffen zur Nie-

derschlagung sozialer Proteste zum

Einsatz kommen. Die Peschmerga, bei

denen es sich um Parteitruppen der

großen Regierungsparteien KDP und

PUK handelt, eröffneten in den letzten

Jahren mehrfach das Feuer auf Op-

positionskundgebungen und töteten

dabei Demonstranten.

Von Relevanz im Kampf gegen den

über eine Reihe von Beutepanzern

verfügenden IS sind allein die 30 Ab-

schußsysteme mit 500 Milan-Panzer-

abwehrraketen, die die deutsche Re-

gierung schicken will. Bei einem nicht

unerheblichen Teil dieser ab den 70er

Jahren von der Bundeswehr beschaff-

ten Raketen droht nach Informationen

der »Tagesschau« jedoch in absehba-

rer Zeit die Haltbarkeit auszulaufen.

So löst die Bundeswehr ein kostspie-

liges Entsorgungsproblem und schafft

Platz für moderne Systeme. »Wir ge-

hen davon aus, daß der Bundeswehr

alles mittelfristig ersetzt wird«, sagte

ein Sprecher des Verteidigungsmini-

steriums über die 70 Millionen Euro

teure Rüstungshilfe an Erbil.

Durch eine über die irakische Zen-

tralregierung in Bagdad an Erbil er-

folgende Lieferung in drei Etappen

soll sichergestellt werden, daß keine

Waffenlager angelegt werden. Dabei

herrscht weniger die Befürchtung, daß

solches Gerät – wie beim kampflosen

Rückzug der irakischen Armee aus

Mossul oder der Peschmerga aus der

Grenzstadt Rabia – in die Hände des

IS geraten könnte. »Hinter der Auftei-

lung auf mehrere Tranchen steht die

Sorge, die Waffen könnten andernfalls

an Kämpfer der Arbeiterpartei Kurdi-

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erfuhr die Frankfurter Allgemeine

Zeitung aus Regierungskreisen.

Die in der EU-»Terrorliste« aufge-

führte PKK und die mit ihr verbündeten

Volksverteidigungseinheiten YPG aus

dem kurdischen Selbstverwaltungs-

gebiet in Syrien, die dort bereits seit

über zwei Jahren erfolgreich gegen die

Dschihadisten kämpfen und im Irak

Zehntausende Jesiden vor dem IS ret-

teten, sollen nach dem Willen der Bun-

desregierung leer ausgehen. PKK-Chef

Cemil Bayik kritisierte diese Entschei-

dung gegenüber der FAZ: Berlin müsse

sich bei den Lieferungen davon leiten

lassen, welche Organisation »am erbit-

tertsten und erfolgreichsten kämpft«,

forderte er.

»Islamischer Staat« mit Raketen aus BRD

In Syrien erobertes Kriegsgerät im Internet präsentiert. Al-Nusra-Front will von Terrorliste gestrichen werden

Die Terrororganisation »Isla-

mischer Staat« (IS) hat in

einem im Internet veröffent-

lichten Video nach eigenen Angaben

in Syrien eroberte deutsche und rus-

sische Waffen präsentiert. In einem

Video, aufgenommen auf dem von

der Miliz eroberten Militärflughafen

Al-Tabka zeigen IS-Kämpfer unter

anderem alte russische Kampfjets,

Artillerie und mehrere Raketen, von

denen einige auf Deutsch mit »Lenk-

flugkörper DM 72–136 mm Panzer-

abwehr« beschriftet sind. Nach ei-

nem Bericht der Zeitung Die Welt

vom Dienstag handelt es sich bei den

deutschen Raketen um den Typ HOT.

Diese seien 1981 an die Regierung

Syriens geliefert worden, schrieb das

Blatt.Auf den Golanhöhen in Syrien

verlangten islamistische Rebellen

der Al-Nusra-Front von den Verein-

ten Nationen (UN), von der Ter-

rorliste gestrichen zu werden. Die-

se und weitere Forderungen hätten

die Islamisten als Bedingung für die

Freilassung von 44 fidschianischen

Blauhelmsoldaten gestellt, sagte Ar-

meesprecher Mosese Tikoitoga in der

fidschianischen Hauptstadt Suva.

Die 44 UN-Soldaten waren am

vergangenen Donnerstag gemeinsam

mit 72 philippinischen Blauhelm-

soldaten auf den Golanhöhen von

den Islamisten eingekesselt worden.

Während die philippinischen Blau-

helme am Samstag befreit werden

konnten, gab die Al-Nusra-Front

bekannt, die Soldaten aus Fidschi

gefangen genommen zu haben. Sie

war – wie auch der Islamische Staat –

im Mai 2013 vom UN-Sicherheitsrat

als »Terrororganisation« eingestuft

worden.Im Irak drangen Angehörige von

Soldaten, die im Juni nahe Tikrit von

der IS-Miliz getötet worden sein sol-

len, am Dienstag in das Parlament in

Bagdad ein. Die Angehörigen for-

derten, Sicherheitskräfte zur Verant-

wortung zu ziehen, die das Massaker

nicht verhindert hätten, sagte der Ab-

geordnete Abdel-Hussein Al-Musa-

wi der Nachrichtenseite Al-Sumaria

News. (dpa/jW)

junge Welt wird herausgegeben von 1 581

Genossinnen und Genossen (Stand 22.8.2014).

Informationen: www.jungewelt.de/lpg

junge WeltDie Tageszeitung

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Gegründet 1 947 · Mittwoch, 3. September 2014 · Nr. 204 · 1,40 Euro · PVSt A11002 · Entgelt bezahlt

Moskau reagiert auf

NATO-Bedrohung

Moskau. Als Reaktion auf eine

angekündigte stärkere Präsenz

von NATO-Truppen in Osteuropa

erwägt Rußland eine Einstufung

des Paktes als Gefährdung seiner

Sicherheit. Eine Ausweitung der

NATO-Aktivitäten werde »ihren

Platz unter den äußeren militä-

rischen Bedrohungen« finden,

sagte der Vizechef des russischen

Sicherheitsrats, Michail Popow,

am Dienstag. »Alle Fakten« wie-

sen darauf hin, daß die USA und

die NATO »ihre Politik der Ver-

schlechterung der Beziehungen zu

Rußland fortsetzen« wollten, sagte

Popow der Nachrichtenagentur

RIA Nowosti. Nach seinen Anga-

ben soll die russische Militärdok-

trin bis zum Jahresende aktualisiert

werden. Er habe »keine Zweifel«

daran, daß ein verstärktes NATO-

Engagement in Osteuropa dann als

Bedrohung kategorisiert werde.

(AFP/jW)

u Siehe Seite 7

Kranke wegen Cannabis

im Hungerstreik

köln/Rüthen. Die Auseinanderset-

zung um den privaten Anbau von

Cannabis zu Therapiezwecken

spitzt sich zu: Das Bundesinstitut

für Arzneimittel und Medizin-

produkte (BfArM) will das Urteil

des Kölner Verwaltungsgerichts

überprüfen lassen, das drei chro-

nisch kranken Patienten im Juli

den Anbau von Hanfpflanzen zu

Hause erlaubt hatte. Man habe in

der vergangenen Woche Berufung

beim Oberverwaltungsgericht

Münster eingelegt, sagte ein Spre-

cher des BfArM am Dienstag. Die

Arbeitsgemeinschaft Cannabis als

Medizin (ACM) teilte mit, sechs

chronisch Kranke seien aus Protest

gegen die Berufung in den Hunger-

streik getreten. Das Kölner Urteil

sei ein enorm wichtiger Schritt für

die betroffenen Patienten gewesen,

betonte der ACM-Vorsitzende

Franjo Grotenhermen: »Durch die

Berufung wird eine Behandlung

weiterhin unnötig hinausgezö-

gert«. (dpa/jW)

9

Können sich über aufgestockte Arsenale freuen: Kurdische Peschmerga-Kämpfer westlich von Mossul

Berliner Thinktank

Google finanziert Forschung in

Deutschland, um auf die Politik Ein-

fluß zu nehmen. So gründete das Un-

ternehmen das Humboldt-Institut

für Internet und Gesellschaft.

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Afrikas Filetstücke: Großprojekte von

Industriestaaten zur Agrar-

förderung nützen KonzernenAbzug anordnenKiew rückt ab: Ukrainische Truppen

räumen Stellungen bei Lugansk.

Volksrepubliken für AutonomieLinke schulenBedürfnis nach marxistischer

Bildung ist vorhanden. Bilanz

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sen Möglichkeit bekommen,

legal in die BRD einzureisen.

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Ihr Prospekt oder Flyer in junge Welt

n Beileger

Page 8: n Anzeigenpreisliste Nr. 24 vom 1.10 - Junge WeltDie den real existierenden Kapitalismus nicht für das Ende der Geschichte hält. Leserinnen und Leser, die diese Zeitung für sich

8

Mit der Blockade gegen Kuba hat sich Washington weiter als je zuvor von der Völ-

kergemeinschaft isoliert. Einzig Israel unterstützte in der UN-Generalver-sammlung am Dienstag noch die US-Politik gegen die sozialistische Kari-bikinsel, 188 Staaten verurteilten sie, und selbst die drei ökonomisch von den USA abhängigen Pazifikstaaten Mikronesien, Marshallinseln und Pa-lau trauten sich eine Enthaltung zu (jW berichtete).

Neben diesem Rekordergebnis zeigte vor allem die Schärfe der Re-debeiträge, daß die Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten nicht bereit ist, das Verhalten der USA länger zu tolerie-ren. »Die USA stellen sich über die Völker der Welt«, stellte Boliviens UN-Botschafter Sacha Llorenty fest. Im Namen des Wirtschaftsbündnisses Mercosur kritisierte Venezuelas Ver-treter Samuel Moncada die »flagrante Verletzung der UN-Charta durch die USA«. Eine deutliche Warnung sprach Chinas ständiger UN-Repräsentant, Wang Min, aus. Die exterritoriale Aus-weitung der US-Blockade gegen Kuba auf Drittländer verletze »die Interessen und die Souveränität« dieser Staaten, erklärte der Diplomat und versicherte, daß China dies nicht hinnehme.

In Deutschland forderte die entwick-lungspolitische Sprecherin der Frakti-on Die Linke, Heike Hänsel, am Mitt-woch die Europäische Kommission, den EU-Ministerrat und die Bundesre-gierung auf, den Online-Bezahldienst PayPal mit Sanktionen zu belegen. Grundlage dafür seien die Bestimmun-gen der »EU Blocking Regulation«, mit der eine Ausdehnung der US-Blockade gegen Kuba auf Europa verhindert werden soll. PayPal, die europäische Tochter eines US-Unternehmens, hat-te wiederholt Guthaben von Nutzern in Deutschland eingefroren, um diese zum Abbruch ihrer Geschäftsbeziehun-gen mit Kuba zu zwingen.

In den bundesdeutschen Konzern-medien fand das Votum in New York bestenfalls in den Meldungsspal-ten Platz. In den Nachbarländern zi-tierten dagegen der Tages-Anzeiger (Schweiz), der Standard (Österreich) und andere Blätter sogar den kubani-schen Außenminister Bruno Rodríguez mit dem Satz: »Die USA sind mit ih-rer Politik gegen Kuba völlig isoliert, es fehlt jede ethische oder rechtliche Grundlage.« Die spanischen Tageszei-tungen El País und El Mundo, die Äu-ßerungen kubanischer Systemgegner regelmäßig auf der Titelseite bringen, fanden hingegen auch nur wenig Platz

für die Entscheidung in New York. »Es scheint UN-Resolutionen erster und zweiter Klasse zu geben«, spöttelte ein Leser der Onlinezeitung Público. Im Gegensatz zu den Konzernblättern hatte das linksliberale Portal bereits am Dienstag ausführlich berichtet und in wenigen Stunden 77 Leserkommen-tare erhalten. Umfangreiche Informa-tionen boten auch das Internetportal des Moskauer Fernsehsenders Russia Today (RT) und der iranische Kanal HispanTV sowie die chinesische Nach-richtenagentur Xinhua. Diese hob her-vor, daß die Pekinger Regierung nicht nur in den Vereinten Nationen, sondern auch direkt gegenüber den USA auf eine Beendigung der Blockade dränge.

Die Medien der USA übernahmen teilweise eine kurze Agenturmeldung oder verschwiegen das Thema ganz. Lediglich die Washington Post veröf-fentlichte einen längeren Artikel, zu dem auch eigene Korrespondentinnen aus Havanna und vom UN-Sitz in New York beitrugen. So erfuhren die Post-Leser, daß alle Debattenbeiträge der UN-Generalversammlung, einschließ-lich der Stellungnahme des US-Vertre-ters Ronald D. Godard, live und in vol-ler Länge im kubanischen Fernsehen übertragen worden waren.

Die Medien der Insel äußerten sich zufrieden über das weiter gestärkte Votum der Weltgemeinschaft gegen die US-Blockade. In der Tageszeitung Granma wies ein Kommentator aller-dings auch kritisch darauf hin, daß eine Reform der Vereinten Nationen drin-gend notwendig sei, damit »Beschlüsse wie diese verbindlich werden und das Land, das die Blockade aufrecht erhält, dazu verpflichten, sie zu beenden, wie es die Mehrheit der Welt fordert«.

Flüchtlinge in der Sahara verdurstetBAMAKO. 87 Migranten, die auf dem Weg nach Europa die Sahara durchqueren wollten, sind tot im Norden Nigers ent-deckt worden. Das Fahrzeug, in dem sie saßen, sei nahe der Grenze zu Algerien liegenge-blieben, und die Menschen – zumeist Frauen und Kinder – seien anschließend verdurstet, berichteten Rettungskräfte am Donnerstag. Die nigrischen Streitkräfte bestätigten die Zahl der Toten und ergänzten, daß darunter 32 Frauen und 48 Kinder seien. Bereits Ende September hätten die Menschen die 150 Kilometer südlich der Grenze gelegene Stadt Arlit per Lastwagen verlassen. (dpa/jW)

Pakistan: weiter US-Drohnenan-griffeISLAMABAD. Trotz der Prote-ste des pakistanischen Premier-ministers Nawaz Sharif setzen die USA ihre Drohnenangriffe im Grenzgebiet zu Afghanistan fort. Bei Raketenbeschuß im Stammesgebiet Nord-Waziri-stan seien am Donnerstag drei mutmaßliche Extremisten getö-tet worden, hieß es aus Sicher-heitskreisen. Das Außenmini-sterium in Islamabad verurteilte den Vorfall als »Verletzung von Pakistans Souveränität«. Sharif hatte vergangene Woche bei einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama in Washington ein Ende der Drohneneinsätze gefordert. (dpa/jW)

Türkei: Mit Kopf-tuch im ParlamentISTANBUL. Mit dem demon-strativen Tragen eines Kopf-tuchs im Parlament in Ankara haben vier weibliche Abge-ordnete einen Tabubruch in der Türkei begangen. Alle vier Parlamentarierinnen gehörten der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP an, wie türkische Medien berichteten. Zuletzt war 1999 die Abge-ordnete Merve Kavakci mit Kopftuch im Parlament in An-kara erschienen. Sie hatte einen Eklat ausgelöst. Ihr wurden die Staatsangehörigkeit und ihr Parlamentssitz aberkannt.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte Ende vergangenen Monats das Kopf-tuchverbot im öffentlichen Dienst außer in der Justiz und bei den Sicherheitskräften ge-kippt. (dpa/jW)

Kooperationsver-trag Rußland–Ni-caragua MANAGUA. Rußland und Ni-caragua haben am Mittwoch ein militärisches Kooperati-onsabkommen geschlossen. Die Streitkräfte beider Länder würden sich künftig regelmäßig über Fragen der internationalen Sicherheit austauschen, sagte der Vorsitzende des russischen

Bei einem US-amerikanischen Drohnenangriff in Nordwest-pakistan sind in der Nacht zum

Donnerstag mindestens drei Men-schen getötet und ebenso viele verletzt worden. Schauplatz der Operation, bei der zwei Raketen auf ein Gebäude abgeschossen wurden, war ein Dorf nahe Miranshah, der Hauptstadt des Bezirks Nordwasiristan. Anonyme Quellen in den pakistanischen Sicher-heitskräften behaupteten der Routine entsprechend, daß es sich bei den Op-fern ausschließlich um mutmaßliche »Militante«, also bewaffnete Kämp-fer, gehandelt habe, ohne sie irgendei-ner Gruppierung zuzuordnen.

Pakistans Regierungschef Nawaz Sharif war am vorigen Mittwoch von Barack Obama im Weißen Haus emp-fangen worden. Nach eigenen Angaben hatte er bei dieser Gelegenheit den US-Präsidenten aufgefordert, die Droh-neneinsätze gegen Ziele in Pakistan einzustellen, da sie die Souveränität seines Landes verletzten und politisch kontraproduktiv seien. Obama hatte

das heikle Thema bei der anschließen-den gemeinsamen Pressekonferenz nur kurz mit leeren Phrasen gestreift. Der gestrige Angriff, es war der 24. in diesem Jahr, stellt seine praktische Antwort auf Sharifs Appell dar. Das scheint die Kritik der oppositionellen PTI zu bestätigen, daß der Premier die pakistanische Position allzu beschei-den und unterwürfig vorgetragen habe. Ganz sicher nicht hilfreich war eine am Mittwoch veröffentlichte Statistik des pakistanischen Verteidigungsministe-riums, die mit überraschenden, völlig neuen Zahlen aufwartete. Danach sol-len bei sämtlichen Drohnenangriffen der vergangenen fünf Jahre »nur« 67 Zivilisten getötet worden sein. Gegen-über UN-Vertretern hatte die pakista-nische Regierung im März die Zahl der seit Beginn der Angriffe im Jahr 2004 getöteten Zivilpersonen mit min-destens 400, möglicherweise bis zu 600 angegeben. Rund 85 Prozent aller bewaffneten Drohneneinsätze gegen Pakistan fanden in der Amtszeit von Obama statt.

Die Angaben gegenüber der UNO stellten die erste derartige Auskunft einer pakistanischen Regierung zum Gesamtumfang der Angriffe und ihrer Folgen dar. Was die jetzt erfolgte »Kor-rektur« nach unten durch das Vertei-digungsministerium – und damit vor allem durch das in Pakistan sehr ein-flußreiche Oberkommando der Streit-kräfte – veranlaßt hat, kann nur vermu-tet werden. Das Ministerium folgte jetzt sogar der unglaubwürdigen Behaup-tung der US-Regierung, im laufenden Jahr ebenso wie im vorigen sei nicht eine einzige Zivilperson durch Drohnen getötet worden. Wenn das wahr wäre, würde die damals 67jährige Momina Bibi noch leben, die am 24. Oktober 2012 bei der Gartenarbeit in einem Dorf Nordwasiristans von der Rakete eines unbemannten Flugkörpers zerfetzt wurde. Ihr Sohn Rafiq Rahman, ein Grundschullehrer, war zusammen mit seiner neunjährigen Tochter Nabila und seinem 13jährigen Sohn Zubair in den vergangenen Tagen auf Einladung des demokratischen Kongreßabgeordneten

Alan Grayson in den USA, um über den Tod seiner Mutter zu berichten.

Neben zahlreichen Interviews tra-ten die drei Paschtunen am Dienstag auch bei einem sogenannten »Brie-fing« des Kongresses auf, das formal unterhalb eines offiziellen »Hearings« rangiert. Außer Grayson mochten sich nur noch vier andere Kongreßmit-glieder, auch sie alle Abgeordnete der Demokratischen Partei, die Mühe und Qual antun, sich über die Folgen der Drohnenangriffe aus erster Hand zu informieren. Sie hörten, wie die Furcht vor den furchtbaren Raketen der Flug-körper, von denen oft mehrere viele Stunden lang über den Dörfern kreisen, das Leben der Bevölkerung bestimmt und vergiftet. Obama, der sich erst kürzlich mit dem Empfang des 16jäh-rigen Taliban-Opfers Malala Yousafzai schmückte, ignorierte die Gelegenheit, die neunjährige Nabila Rahman eben-falls ins Weiße Haus einzuladen. Sie hatte bei dem Angriff nicht nur ihre Großmutter verloren, sondern war auch selbst erheblich durch Splitter verletzt

Obama setzt auf DrohnenPakistanisches Verteidigungsministerium »korrigiert« Opferzahlen nach unten. Von Knut Mellenthin

Zwischen Sudan und Südsudan gibt es neue Spannungen. In der von beiden nordostafrikani-

schen Nachbarländern beanspruchten Grenzregion Abyei fand nun ein Refe-rendum um die staatliche Zugehörig-keit des erdölreichen Gebietes statt. Seit der Abspaltung von Südsudan im Juli 2011 konnte keine Einigung darüber erzielt werden, zu welchem der beiden Staaten die Region gehören soll. Nicht einmal darauf, wer berechtigt ist, über diese Frage abzustimmen, konnten sich die Regierungen in Khartum und Juba verständigen. Nun will die Bevölke-rung vor Ort offenbar Fakten schaffen. 99,89 Prozent der Einwohner der Regi-on stimmten Angaben der inoffiziellen Wahlorganisatoren vom gestrigen Don-nerstag für den Anschluß an Südsudan. Das berichtete die Sudan Tribune.

Bisher war ein Referendum vor allem an der Frage gescheitert, wer zur Teilnahme berechtigt sei. Neben der in der Region großen Bevölke-rungsgruppe der Ngok Dinka, deren Loyalität Richtung Südsudan geht, wohnen hier zumindest zeitweise Angehörige der Misseriya. Diese no-madisch lebende Gruppe hat in der Vergangenheit häufig an der Seite Khartums in Konflikte eingegriffen. Während Khartum der Ansicht ist, daß die Misseriya über den Status von Abyei mitentscheiden sollen, will die Regierung von Südsudan genau dies verhindern. Ursprünglich war ei-ne Abstimmung über den Status von Abyei bereits für Januar 2011 geplant, zeitgleich mit dem Unabhängigkeits-referendum im Südsudan. Letzteres hatte zur Abspaltung des Südens im Juli 2011 geführt. Seither wird über die weitere Vorgangsweise verhan-delt. Im vergangenen Jahr empfahl Südafrikas ehemaliger Präsident Tha-bo Mbeki als Vermittler der Afrika-nischen Union ein Referendum unter Ausschluß der Misseriya. Doch auch dies brachte keine neue Bewegung. Vor einigen Wochen hatten Vertreter der Ngok Dinka schließlich die Befra-gung für Ende Oktober angekündigt.

Nun wurde seit vergangenem Sonn-tag in Abyei abgestimmt. Die genauen Umstände und Termine sind aufgrund des inoffiziellen Charakters des Refe-rendums unklar. Am Montag bereits hatte die Nachrichtenagentur Reuters

berichtet, daß schon »Zehntausende« Einwohner abgestimmt hätten. Die Regierungen beider Länder haben sich derweil von dem Referendum distan-ziert. Beobachter vermuten jedoch, daß Südsudan finanzielle und logisti-sche Unterstützung gewährte. Auch die Afrikanische Union (AU) und die Vereinten Nationen (UNO) lehnen die Initiative der Bevölkerung Abyeis ab. In jedem Fall kommt diese den Inter-essen Jubas entgegen. Allgemein wur-de bereits im Vorfeld eine Mehrheit für die Zugehörigkeit zum Süden er-wartet. Und selbst wenn das Ergebnis von den entscheidenden Institutionen offiziell nicht zur Kenntnis genom-men werden sollte, dürfte es dennoch die Position Jubas in dem Grenzstreit stärken.

Allerdings könnte die Abstimmung auch den schwelenden Konflikt zwi-schen den beiden Nachbarländern er-neut eskalieren lassen. Während der

vergangenen Tage verschärfte sich bereits der Ton in der Auseinander-setzung. Die dem Südsudan naheste-hende Sudan Tribune zitierte am Mitt-woch den Sprecher des sudanesischen Parlaments, Ahmed Ibrahim Al-Tahir, das Referendum als »Rebellion« be-zeichnete. Al-Tahir verglich die Ab-stimmung mit den bewaffneten Auf-ständen in den Provinzen Südkordofan und Blauer Nil, gegen die Khartum immer wieder militärisch vorgeht. Auch von Seiten der Misseriya gab es Medienberichten zufolge bereits Ankündigungen, Abyei nötigenfalls »verteidigen« zu wollen. Diplomati-schere Worte fand indes Sudans Prä-sident Omar Al-Baschir, der laut BBC Anfang der Woche versicherte, er und sein südsudanesischer Amtskollege Salva Kiir würden sich weiterhin um eine Lösung des Konflikts bemühen, die den Wünschen der lokalen Ge-meinschaften entspricht.

Abstimmung als RebellionSudan und Südsudan: Bewohner der Grenzregion Abyei halten Referendum über staatliche

Mit südsudanesischen Flaggen bekunden Frauen in Abyei, der Hauptstadt der gleichnamigen Grenzregion zwi-schen Sudan und Südsudan, ihre Haltung beim Referendum

Teure FreiheitAl-Qaida-Arm in Niger läßt vier Areva-Mitarbeiter frei. Lösegeldzahlung stärkt Islamisten und schafft Vorwand zur Repression. Von Jörg Tiedjen

Auf den ersten Blick ist es eine lang ersehnte Nachricht: Die vier Mitarbeiter der französi-

schen Konzerne Areva und Vinci, die seit Herbst 2010 von der radikalisla-mistischen »Al-Qaida im islamischen Maghreb« (AQMI) gefangengehalten wurden, sind seit Dienstag frei. Die Franzosen Daniel Larribe, Marc Fé-ret, Pierre Legrand und Thierry Dole waren am frühen Morgen des 16. Sep-tember 2010 zusammen mit Larribes Frau Françoise sowie zwei weiteren Leidensgenossen in Arlit im Nordwe-sten Nigers entführt worden. Letztere drei kamen bereits im Februar 2011 frei. In Arlit befindet sich eine von Areva unterhaltene Uranmine, Vinci agiert dort als Anlagenbauer.

Für die Freilassung der Geiseln hat-te AQMI einen Gefangenenaustausch, die Rücknahme des Kopftuchverbots in Frankreich sowie 90 Millionen Eu-ro Lösegeld verlangt. Die jetzige Er-folgsnachricht traf deswegen nicht auf ungeteilte Freude. Zwar beeilten sich offizielle Stellen, das Ende des Gei-seldramas als reinen Verhandlungser-folg darzustellen, und stritten ab, daß man die Forderungen der Entführer erfüllt habe. Da es aber keinen Ge-fangenenaustausch gab und auch das Schleierverbot bestehen bleibt, liegt es

nahe, daß sehr wohl Lösegeld gezahlt wurde. Die französische Tageszeitung Le Monde berichtete am Mittwoch, daß die Entführer »über 20 Millionen Euro« erhalten hätten. Der Radiosen-der RFI bestätigte dies unter Berufung auf eine Quelle, die dem nigrischen Verhandlungsführer »sehr, sehr nahe« stehe. Das Geld habe der französische Geheimdienst DGST im Austausch gegen die GPS-Koordinaten der Gei-seln in der Wüste deponiert.

Schlechte Erinnerungen werden wach, hatten doch mehrere europä-ische Regierungen, darunter die deut-sche, AQMI in den vergangenen zehn Jahren immer wieder Millionen-Lö-segelder zukommen lassen. Es dürf-ten nicht zuletzt diese Mittel gewesen sein, die den Islamisten 2012 zu ei-nem ihrer größten Erfolge verhalfen. Im Anschluß an die Revolte der Tua-reg-Separatisten der »Nationalbewe-gung für die Befreiung von Azawad« ( MNLA) übernahmen sie gemeinsam mit anderen Dschihadisten-Gruppen die Kontrolle über den Norden des Nachbarlands Mali. Die Lage ist dort – wie im Niger – nach wie vor an-gespannt. Areva weigert sich derweil weiter hartnäckig, den Forderungen der Bevölkerung im Niger entgegen-zukommen, die Schutz vor den kata-

strophalen Auswirkungen des Uran-bergbaus und eine Beteiligung an den Gewinnen verlangt. Der Konflikt wird so weiter angeheizt. Das Geiseldrama diente dem Atomkonzern dennoch als Anlaß, unter Hinweis auf die Bedro-hung durch AQMI die Eröffnung einer weiteren Mine bei Imouraren hinaus-zuzögern. Areva dürfte das aufgrund des Kollaps auf dem Uranmarkt nach der Reaktorkatastrophe von Fukushi-ma recht gewesen sein. Dem Niger jedoch entgingen Einnahmen, mit de-nen das verarmte Land fest gerechnet hatte.

Die Verträge sollen nun neu ver-handelt werden. Bürgerrechtler de-monstrieren seit Wochen, um den nigrischen Präsidenten Mahamadou Issoufou zu drängen, sich gegenüber dem Konzern unnachgiebig zu zeigen. Im vergangenen Winter war bekannt geworden, daß Areva ihm als »Ent-schädigung« für Imouraren ein neues Flugzeug schenken wollte. Wenn in dieser Situation AQMI mit Millionen-beträgen überschüttet wird, liegt der Verdacht nahe, daß einmal mehr die Dschihadisten-Karte gespielt werden soll. Die verschärften »Sicherheits-maßnahmen«, die so gerechtfertigt werden, richten sich jedoch nur vor-dergründig gegen AQMI. Hauptadres-

Rekordergebnis ignoriertBlockade Kubas verurteilt. Konzernmedien ist das kaum eine Meldung wert

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Freitag, 1. November 2013, Nr. 253 7POLITIKFreitag, 1. November 2013, Nr. 253 6 POLITIK Freitag, 1. Oktober 2014, Nr. 1beilage4

Mit der Blockade gegen Kuba hat sich Washington weiter als je zuvor von der Völ-

kergemeinschaft isoliert. Einzig Israel unterstützte in der UN-Generalver-sammlung am Dienstag noch die US-Politik gegen die sozialistische Kari-bikinsel, 188 Staaten verurteilten sie, und selbst die drei ökonomisch von den USA abhängigen Pazifikstaaten Mikronesien, Marshallinseln und Pa-lau trauten sich eine Enthaltung zu (jW berichtete).

Neben diesem Rekordergebnis zeigte vor allem die Schärfe der Re-debeiträge, daß die Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten nicht bereit ist, das Verhalten der USA länger zu tolerie-ren. »Die USA stellen sich über die Völker der Welt«, stellte Boliviens UN-Botschafter Sacha Llorenty fest. Im Namen des Wirtschaftsbündnisses Mercosur kritisierte Venezuelas Ver-treter Samuel Moncada die »flagrante Verletzung der UN-Charta durch die USA«. Eine deutliche Warnung sprach Chinas ständiger UN-Repräsentant, Wang Min, aus. Die exterritoriale Aus-weitung der US-Blockade gegen Kuba auf Drittländer verletze »die Interessen und die Souveränität« dieser Staaten, erklärte der Diplomat und versicherte, daß China dies nicht hinnehme.

In Deutschland forderte die entwick-lungspolitische Sprecherin der Frakti-on Die Linke, Heike Hänsel, am Mitt-woch die Europäische Kommission, den EU-Ministerrat und die Bundesre-gierung auf, den Online-Bezahldienst PayPal mit Sanktionen zu belegen. Grundlage dafür seien die Bestimmun-gen der »EU Blocking Regulation«, mit der eine Ausdehnung der US-Blockade gegen Kuba auf Europa verhindert werden soll. PayPal, die europäische Tochter eines US-Unternehmens, hat-te wiederholt Guthaben von Nutzern in Deutschland eingefroren, um diese zum Abbruch ihrer Geschäftsbeziehun-gen mit Kuba zu zwingen.

In den bundesdeutschen Konzern-medien fand das Votum in New York bestenfalls in den Meldungsspal-ten Platz. In den Nachbarländern zi-tierten dagegen der Tages-Anzeiger (Schweiz), der Standard (Österreich) und andere Blätter sogar den kubani-schen Außenminister Bruno Rodríguez mit dem Satz: »Die USA sind mit ih-rer Politik gegen Kuba völlig isoliert, es fehlt jede ethische oder rechtliche Grundlage.« Die spanischen Tageszei-tungen El País und El Mundo, die Äu-ßerungen kubanischer Systemgegner regelmäßig auf der Titelseite bringen, fanden hingegen auch nur wenig Platz

für die Entscheidung in New York. »Es scheint UN-Resolutionen erster und zweiter Klasse zu geben«, spöttelte ein Leser der Onlinezeitung Público. Im Gegensatz zu den Konzernblättern hatte das linksliberale Portal bereits am Dienstag ausführlich berichtet und in wenigen Stunden 77 Leserkommen-tare erhalten. Umfangreiche Informa-tionen boten auch das Internetportal des Moskauer Fernsehsenders Russia Today (RT) und der iranische Kanal HispanTV sowie die chinesische Nach-richtenagentur Xinhua. Diese hob her-vor, daß die Pekinger Regierung nicht nur in den Vereinten Nationen, sondern auch direkt gegenüber den USA auf eine Beendigung der Blockade dränge.

Die Medien der USA übernahmen teilweise eine kurze Agenturmeldung oder verschwiegen das Thema ganz. Lediglich die Washington Post veröf-fentlichte einen längeren Artikel, zu dem auch eigene Korrespondentinnen aus Havanna und vom UN-Sitz in New York beitrugen. So erfuhren die Post-Leser, daß alle Debattenbeiträge der UN-Generalversammlung, einschließ-lich der Stellungnahme des US-Vertre-ters Ronald D. Godard, live und in vol-ler Länge im kubanischen Fernsehen übertragen worden waren.

Die Medien der Insel äußerten sich zufrieden über das weiter gestärkte Votum der Weltgemeinschaft gegen die US-Blockade. In der Tageszeitung Granma wies ein Kommentator aller-dings auch kritisch darauf hin, daß eine Reform der Vereinten Nationen drin-gend notwendig sei, damit »Beschlüsse wie diese verbindlich werden und das Land, das die Blockade aufrecht erhält, dazu verpflichten, sie zu beenden, wie es die Mehrheit der Welt fordert«.

Flüchtlinge in der Sahara verdurstetBAMAKO. 87 Migranten, die auf dem Weg nach Europa die Sahara durchqueren wollten, sind tot im Norden Nigers ent-deckt worden. Das Fahrzeug, in dem sie saßen, sei nahe der Grenze zu Algerien liegenge-blieben, und die Menschen – zumeist Frauen und Kinder – seien anschließend verdurstet, berichteten Rettungskräfte am Donnerstag. Die nigrischen Streitkräfte bestätigten die Zahl der Toten und ergänzten, daß darunter 32 Frauen und 48 Kinder seien. Bereits Ende September hätten die Menschen die 150 Kilometer südlich der Grenze gelegene Stadt Arlit per Lastwagen verlassen. (dpa/jW)

Pakistan: weiter US-Drohnenan-griffeISLAMABAD. Trotz der Prote-ste des pakistanischen Premier-ministers Nawaz Sharif setzen die USA ihre Drohnenangriffe im Grenzgebiet zu Afghanistan fort. Bei Raketenbeschuß im Stammesgebiet Nord-Waziri-stan seien am Donnerstag drei mutmaßliche Extremisten getö-tet worden, hieß es aus Sicher-heitskreisen. Das Außenmini-sterium in Islamabad verurteilte den Vorfall als »Verletzung von Pakistans Souveränität«. Sharif hatte vergangene Woche bei einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama in Washington ein Ende der Drohneneinsätze gefordert. (dpa/jW)

Türkei: Mit Kopf-tuch im ParlamentISTANBUL. Mit dem demon-strativen Tragen eines Kopf-tuchs im Parlament in Ankara haben vier weibliche Abge-ordnete einen Tabubruch in der Türkei begangen. Alle vier Parlamentarierinnen gehörten der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP an, wie türkische Medien berichteten. Zuletzt war 1999 die Abge-ordnete Merve Kavakci mit Kopftuch im Parlament in An-kara erschienen. Sie hatte einen Eklat ausgelöst. Ihr wurden die Staatsangehörigkeit und ihr Parlamentssitz aberkannt.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte Ende vergangenen Monats das Kopf-tuchverbot im öffentlichen Dienst außer in der Justiz und bei den Sicherheitskräften ge-kippt. (dpa/jW)

Kooperationsver-trag Rußland–Ni-caragua MANAGUA. Rußland und Ni-caragua haben am Mittwoch ein militärisches Kooperati-onsabkommen geschlossen. Die Streitkräfte beider Länder würden sich künftig regelmäßig über Fragen der internationalen Sicherheit austauschen, sagte der Vorsitzende des russischen

Bei einem US-amerikanischen Drohnenangriff in Nordwest-pakistan sind in der Nacht zum

Donnerstag mindestens drei Men-schen getötet und ebenso viele verletzt worden. Schauplatz der Operation, bei der zwei Raketen auf ein Gebäude abgeschossen wurden, war ein Dorf nahe Miranshah, der Hauptstadt des Bezirks Nordwasiristan. Anonyme Quellen in den pakistanischen Sicher-heitskräften behaupteten der Routine entsprechend, daß es sich bei den Op-fern ausschließlich um mutmaßliche »Militante«, also bewaffnete Kämp-fer, gehandelt habe, ohne sie irgendei-ner Gruppierung zuzuordnen.

Pakistans Regierungschef Nawaz Sharif war am vorigen Mittwoch von Barack Obama im Weißen Haus emp-fangen worden. Nach eigenen Angaben hatte er bei dieser Gelegenheit den US-Präsidenten aufgefordert, die Droh-neneinsätze gegen Ziele in Pakistan einzustellen, da sie die Souveränität seines Landes verletzten und politisch kontraproduktiv seien. Obama hatte

das heikle Thema bei der anschließen-den gemeinsamen Pressekonferenz nur kurz mit leeren Phrasen gestreift. Der gestrige Angriff, es war der 24. in diesem Jahr, stellt seine praktische Antwort auf Sharifs Appell dar. Das scheint die Kritik der oppositionellen PTI zu bestätigen, daß der Premier die pakistanische Position allzu beschei-den und unterwürfig vorgetragen habe. Ganz sicher nicht hilfreich war eine am Mittwoch veröffentlichte Statistik des pakistanischen Verteidigungsministe-riums, die mit überraschenden, völlig neuen Zahlen aufwartete. Danach sol-len bei sämtlichen Drohnenangriffen der vergangenen fünf Jahre »nur« 67 Zivilisten getötet worden sein. Gegen-über UN-Vertretern hatte die pakista-nische Regierung im März die Zahl der seit Beginn der Angriffe im Jahr 2004 getöteten Zivilpersonen mit min-destens 400, möglicherweise bis zu 600 angegeben. Rund 85 Prozent aller bewaffneten Drohneneinsätze gegen Pakistan fanden in der Amtszeit von Obama statt.

Die Angaben gegenüber der UNO stellten die erste derartige Auskunft einer pakistanischen Regierung zum Gesamtumfang der Angriffe und ihrer Folgen dar. Was die jetzt erfolgte »Kor-rektur« nach unten durch das Vertei-digungsministerium – und damit vor allem durch das in Pakistan sehr ein-flußreiche Oberkommando der Streit-kräfte – veranlaßt hat, kann nur vermu-tet werden. Das Ministerium folgte jetzt sogar der unglaubwürdigen Behaup-tung der US-Regierung, im laufenden Jahr ebenso wie im vorigen sei nicht eine einzige Zivilperson durch Drohnen getötet worden. Wenn das wahr wäre, würde die damals 67jährige Momina Bibi noch leben, die am 24. Oktober 2012 bei der Gartenarbeit in einem Dorf Nordwasiristans von der Rakete eines unbemannten Flugkörpers zerfetzt wurde. Ihr Sohn Rafiq Rahman, ein Grundschullehrer, war zusammen mit seiner neunjährigen Tochter Nabila und seinem 13jährigen Sohn Zubair in den vergangenen Tagen auf Einladung des demokratischen Kongreßabgeordneten

Alan Grayson in den USA, um über den Tod seiner Mutter zu berichten.

Neben zahlreichen Interviews tra-ten die drei Paschtunen am Dienstag auch bei einem sogenannten »Brie-fing« des Kongresses auf, das formal unterhalb eines offiziellen »Hearings« rangiert. Außer Grayson mochten sich nur noch vier andere Kongreßmit-glieder, auch sie alle Abgeordnete der Demokratischen Partei, die Mühe und Qual antun, sich über die Folgen der Drohnenangriffe aus erster Hand zu informieren. Sie hörten, wie die Furcht vor den furchtbaren Raketen der Flug-körper, von denen oft mehrere viele Stunden lang über den Dörfern kreisen, das Leben der Bevölkerung bestimmt und vergiftet. Obama, der sich erst kürzlich mit dem Empfang des 16jäh-rigen Taliban-Opfers Malala Yousafzai schmückte, ignorierte die Gelegenheit, die neunjährige Nabila Rahman eben-falls ins Weiße Haus einzuladen. Sie hatte bei dem Angriff nicht nur ihre Großmutter verloren, sondern war auch selbst erheblich durch Splitter verletzt

Obama setzt auf DrohnenPakistanisches Verteidigungsministerium »korrigiert« Opferzahlen nach unten. Von Knut Mellenthin

Zwischen Sudan und Südsudan gibt es neue Spannungen. In der von beiden nordostafrikani-

schen Nachbarländern beanspruchten Grenzregion Abyei fand nun ein Refe-rendum um die staatliche Zugehörig-keit des erdölreichen Gebietes statt. Seit der Abspaltung von Südsudan im Juli 2011 konnte keine Einigung darüber erzielt werden, zu welchem der beiden Staaten die Region gehören soll. Nicht einmal darauf, wer berechtigt ist, über diese Frage abzustimmen, konnten sich die Regierungen in Khartum und Juba verständigen. Nun will die Bevölke-rung vor Ort offenbar Fakten schaffen. 99,89 Prozent der Einwohner der Regi-on stimmten Angaben der inoffiziellen Wahlorganisatoren vom gestrigen Don-nerstag für den Anschluß an Südsudan. Das berichtete die Sudan Tribune.

Bisher war ein Referendum vor allem an der Frage gescheitert, wer zur Teilnahme berechtigt sei. Neben der in der Region großen Bevölke-rungsgruppe der Ngok Dinka, deren Loyalität Richtung Südsudan geht, wohnen hier zumindest zeitweise Angehörige der Misseriya. Diese no-madisch lebende Gruppe hat in der Vergangenheit häufig an der Seite Khartums in Konflikte eingegriffen. Während Khartum der Ansicht ist, daß die Misseriya über den Status von Abyei mitentscheiden sollen, will die Regierung von Südsudan genau dies verhindern. Ursprünglich war ei-ne Abstimmung über den Status von Abyei bereits für Januar 2011 geplant, zeitgleich mit dem Unabhängigkeits-referendum im Südsudan. Letzteres hatte zur Abspaltung des Südens im Juli 2011 geführt. Seither wird über die weitere Vorgangsweise verhan-delt. Im vergangenen Jahr empfahl Südafrikas ehemaliger Präsident Tha-bo Mbeki als Vermittler der Afrika-nischen Union ein Referendum unter Ausschluß der Misseriya. Doch auch dies brachte keine neue Bewegung. Vor einigen Wochen hatten Vertreter der Ngok Dinka schließlich die Befra-gung für Ende Oktober angekündigt.

Nun wurde seit vergangenem Sonn-tag in Abyei abgestimmt. Die genauen Umstände und Termine sind aufgrund des inoffiziellen Charakters des Refe-rendums unklar. Am Montag bereits hatte die Nachrichtenagentur Reuters

berichtet, daß schon »Zehntausende« Einwohner abgestimmt hätten. Die Regierungen beider Länder haben sich derweil von dem Referendum distan-ziert. Beobachter vermuten jedoch, daß Südsudan finanzielle und logisti-sche Unterstützung gewährte. Auch die Afrikanische Union (AU) und die Vereinten Nationen (UNO) lehnen die Initiative der Bevölkerung Abyeis ab. In jedem Fall kommt diese den Inter-essen Jubas entgegen. Allgemein wur-de bereits im Vorfeld eine Mehrheit für die Zugehörigkeit zum Süden er-wartet. Und selbst wenn das Ergebnis von den entscheidenden Institutionen offiziell nicht zur Kenntnis genom-men werden sollte, dürfte es dennoch die Position Jubas in dem Grenzstreit stärken.

Allerdings könnte die Abstimmung auch den schwelenden Konflikt zwi-schen den beiden Nachbarländern er-neut eskalieren lassen. Während der

vergangenen Tage verschärfte sich bereits der Ton in der Auseinander-setzung. Die dem Südsudan naheste-hende Sudan Tribune zitierte am Mitt-woch den Sprecher des sudanesischen Parlaments, Ahmed Ibrahim Al-Tahir, das Referendum als »Rebellion« be-zeichnete. Al-Tahir verglich die Ab-stimmung mit den bewaffneten Auf-ständen in den Provinzen Südkordofan und Blauer Nil, gegen die Khartum immer wieder militärisch vorgeht. Auch von Seiten der Misseriya gab es Medienberichten zufolge bereits Ankündigungen, Abyei nötigenfalls »verteidigen« zu wollen. Diplomati-schere Worte fand indes Sudans Prä-sident Omar Al-Baschir, der laut BBC Anfang der Woche versicherte, er und sein südsudanesischer Amtskollege Salva Kiir würden sich weiterhin um eine Lösung des Konflikts bemühen, die den Wünschen der lokalen Ge-meinschaften entspricht.

Abstimmung als RebellionSudan und Südsudan: Bewohner der Grenzregion Abyei halten Referendum über staatliche

Mit südsudanesischen Flaggen bekunden Frauen in Abyei, der Hauptstadt der gleichnamigen Grenzregion zwi-schen Sudan und Südsudan, ihre Haltung beim Referendum

Teure FreiheitAl-Qaida-Arm in Niger läßt vier Areva-Mitarbeiter frei. Lösegeldzahlung stärkt Islamisten und schafft Vorwand zur Repression. Von Jörg Tiedjen

Auf den ersten Blick ist es eine lang ersehnte Nachricht: Die vier Mitarbeiter der französi-

schen Konzerne Areva und Vinci, die seit Herbst 2010 von der radikalisla-mistischen »Al-Qaida im islamischen Maghreb« (AQMI) gefangengehalten wurden, sind seit Dienstag frei. Die Franzosen Daniel Larribe, Marc Fé-ret, Pierre Legrand und Thierry Dole waren am frühen Morgen des 16. Sep-tember 2010 zusammen mit Larribes Frau Françoise sowie zwei weiteren Leidensgenossen in Arlit im Nordwe-sten Nigers entführt worden. Letztere drei kamen bereits im Februar 2011 frei. In Arlit befindet sich eine von Areva unterhaltene Uranmine, Vinci agiert dort als Anlagenbauer.

Für die Freilassung der Geiseln hat-te AQMI einen Gefangenenaustausch, die Rücknahme des Kopftuchverbots in Frankreich sowie 90 Millionen Eu-ro Lösegeld verlangt. Die jetzige Er-folgsnachricht traf deswegen nicht auf ungeteilte Freude. Zwar beeilten sich offizielle Stellen, das Ende des Gei-seldramas als reinen Verhandlungser-folg darzustellen, und stritten ab, daß man die Forderungen der Entführer erfüllt habe. Da es aber keinen Ge-fangenenaustausch gab und auch das Schleierverbot bestehen bleibt, liegt es

nahe, daß sehr wohl Lösegeld gezahlt wurde. Die französische Tageszeitung Le Monde berichtete am Mittwoch, daß die Entführer »über 20 Millionen Euro« erhalten hätten. Der Radiosen-der RFI bestätigte dies unter Berufung auf eine Quelle, die dem nigrischen Verhandlungsführer »sehr, sehr nahe« stehe. Das Geld habe der französische Geheimdienst DGST im Austausch gegen die GPS-Koordinaten der Gei-seln in der Wüste deponiert.

Schlechte Erinnerungen werden wach, hatten doch mehrere europä-ische Regierungen, darunter die deut-sche, AQMI in den vergangenen zehn Jahren immer wieder Millionen-Lö-segelder zukommen lassen. Es dürf-ten nicht zuletzt diese Mittel gewesen sein, die den Islamisten 2012 zu ei-nem ihrer größten Erfolge verhalfen. Im Anschluß an die Revolte der Tua-reg-Separatisten der »Nationalbewe-gung für die Befreiung von Azawad« ( MNLA) übernahmen sie gemeinsam mit anderen Dschihadisten-Gruppen die Kontrolle über den Norden des Nachbarlands Mali. Die Lage ist dort – wie im Niger – nach wie vor an-gespannt. Areva weigert sich derweil weiter hartnäckig, den Forderungen der Bevölkerung im Niger entgegen-zukommen, die Schutz vor den kata-

strophalen Auswirkungen des Uran-bergbaus und eine Beteiligung an den Gewinnen verlangt. Der Konflikt wird so weiter angeheizt. Das Geiseldrama diente dem Atomkonzern dennoch als Anlaß, unter Hinweis auf die Bedro-hung durch AQMI die Eröffnung einer weiteren Mine bei Imouraren hinaus-zuzögern. Areva dürfte das aufgrund des Kollaps auf dem Uranmarkt nach der Reaktorkatastrophe von Fukushi-ma recht gewesen sein. Dem Niger jedoch entgingen Einnahmen, mit de-nen das verarmte Land fest gerechnet hatte.

Die Verträge sollen nun neu ver-handelt werden. Bürgerrechtler de-monstrieren seit Wochen, um den nigrischen Präsidenten Mahamadou Issoufou zu drängen, sich gegenüber dem Konzern unnachgiebig zu zeigen. Im vergangenen Winter war bekannt geworden, daß Areva ihm als »Ent-schädigung« für Imouraren ein neues Flugzeug schenken wollte. Wenn in dieser Situation AQMI mit Millionen-beträgen überschüttet wird, liegt der Verdacht nahe, daß einmal mehr die Dschihadisten-Karte gespielt werden soll. Die verschärften »Sicherheits-maßnahmen«, die so gerechtfertigt werden, richten sich jedoch nur vor-dergründig gegen AQMI. Hauptadres-

Rekordergebnis ignoriertBlockade Kubas verurteilt. Konzernmedien ist das kaum eine Meldung wert

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Freitag, 1. November 2013, Nr. 253 7POLITIKFreitag, 1. November 2013, Nr. 253 6 POLITIK Freitag, 1. Oktober 2014, Nr. 1beilage4

Satzspiegel: 285 x 432 mmSpaltenbreiten: 1 Spalte 58 mm 2 Spalten 120 mm 3 Spalten 182 mm 4 Spalten 244 mm Marginalie 37 mm

mm-Preise: s/w ZF Rot 2c 3/4cnormal 3,00 € 3,10 € 3,20 € 3,50 €ermäßigt* 2,00 € 2,10 € 2,20 € 2,50 €

Mindestberechnung für Farbanzeigen: 500 mm* Verlagsanzeigen/Buchangebote/Touristik/Kulturveran-staltungen, Stellenanzeigen, Regionalkunden

Mit der Blockade gegen Kuba hat sich Washington weiter als je zuvor von der Völ-

kergemeinschaft isoliert. Einzig Israel unterstützte in der UN-Generalver-sammlung am Dienstag noch die US-Politik gegen die sozialistische Kari-bikinsel, 188 Staaten verurteilten sie, und selbst die drei ökonomisch von den USA abhängigen Pazifikstaaten Mikronesien, Marshallinseln und Pa-lau trauten sich eine Enthaltung zu (jW berichtete).

Neben diesem Rekordergebnis zeigte vor allem die Schärfe der Re-debeiträge, daß die Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten nicht bereit ist, das Verhalten der USA länger zu tolerie-ren. »Die USA stellen sich über die Völker der Welt«, stellte Boliviens UN-Botschafter Sacha Llorenty fest. Im Namen des Wirtschaftsbündnisses Mercosur kritisierte Venezuelas Ver-treter Samuel Moncada die »flagrante Verletzung der UN-Charta durch die USA«. Eine deutliche Warnung sprach Chinas ständiger UN-Repräsentant, Wang Min, aus. Die exterritoriale Aus-weitung der US-Blockade gegen Kuba auf Drittländer verletze »die Interessen und die Souveränität« dieser Staaten, erklärte der Diplomat und versicherte, daß China dies nicht hinnehme.

In Deutschland forderte die entwick-lungspolitische Sprecherin der Frakti-on Die Linke, Heike Hänsel, am Mitt-woch die Europäische Kommission, den EU-Ministerrat und die Bundesre-gierung auf, den Online-Bezahldienst PayPal mit Sanktionen zu belegen. Grundlage dafür seien die Bestimmun-gen der »EU Blocking Regulation«, mit der eine Ausdehnung der US-Blockade gegen Kuba auf Europa verhindert werden soll. PayPal, die europäische Tochter eines US-Unternehmens, hat-te wiederholt Guthaben von Nutzern in Deutschland eingefroren, um diese zum Abbruch ihrer Geschäftsbeziehun-gen mit Kuba zu zwingen.

In den bundesdeutschen Konzern-medien fand das Votum in New York bestenfalls in den Meldungsspal-ten Platz. In den Nachbarländern zi-tierten dagegen der Tages-Anzeiger (Schweiz), der Standard (Österreich) und andere Blätter sogar den kubani-schen Außenminister Bruno Rodríguez mit dem Satz: »Die USA sind mit ih-rer Politik gegen Kuba völlig isoliert, es fehlt jede ethische oder rechtliche Grundlage.« Die spanischen Tageszei-tungen El País und El Mundo, die Äu-ßerungen kubanischer Systemgegner regelmäßig auf der Titelseite bringen, fanden hingegen auch nur wenig Platz

für die Entscheidung in New York. »Es scheint UN-Resolutionen erster und zweiter Klasse zu geben«, spöttelte ein Leser der Onlinezeitung Público. Im Gegensatz zu den Konzernblättern hatte das linksliberale Portal bereits am Dienstag ausführlich berichtet und in wenigen Stunden 77 Leserkommen-tare erhalten. Umfangreiche Informa-tionen boten auch das Internetportal des Moskauer Fernsehsenders Russia Today (RT) und der iranische Kanal HispanTV sowie die chinesische Nach-richtenagentur Xinhua. Diese hob her-vor, daß die Pekinger Regierung nicht nur in den Vereinten Nationen, sondern auch direkt gegenüber den USA auf eine Beendigung der Blockade dränge.

Die Medien der USA übernahmen teilweise eine kurze Agenturmeldung oder verschwiegen das Thema ganz. Lediglich die Washington Post veröf-fentlichte einen längeren Artikel, zu dem auch eigene Korrespondentinnen aus Havanna und vom UN-Sitz in New York beitrugen. So erfuhren die Post-Leser, daß alle Debattenbeiträge der UN-Generalversammlung, einschließ-lich der Stellungnahme des US-Vertre-ters Ronald D. Godard, live und in vol-ler Länge im kubanischen Fernsehen übertragen worden waren.

Die Medien der Insel äußerten sich zufrieden über das weiter gestärkte Votum der Weltgemeinschaft gegen die US-Blockade. In der Tageszeitung Granma wies ein Kommentator aller-dings auch kritisch darauf hin, daß eine Reform der Vereinten Nationen drin-gend notwendig sei, damit »Beschlüsse wie diese verbindlich werden und das Land, das die Blockade aufrecht erhält, dazu verpflichten, sie zu beenden, wie es die Mehrheit der Welt fordert«.

Flüchtlinge in der Sahara verdurstetBAMAKO. 87 Migranten, die auf dem Weg nach Europa die Sahara durchqueren wollten, sind tot im Norden Nigers ent-deckt worden. Das Fahrzeug, in dem sie saßen, sei nahe der Grenze zu Algerien liegenge-blieben, und die Menschen – zumeist Frauen und Kinder – seien anschließend verdurstet, berichteten Rettungskräfte am Donnerstag. Die nigrischen Streitkräfte bestätigten die Zahl der Toten und ergänzten, daß darunter 32 Frauen und 48 Kinder seien. Bereits Ende September hätten die Menschen die 150 Kilometer südlich der Grenze gelegene Stadt Arlit per Lastwagen verlassen. (dpa/jW)

Pakistan: weiter US-Drohnenan-griffeISLAMABAD. Trotz der Prote-ste des pakistanischen Premier-ministers Nawaz Sharif setzen die USA ihre Drohnenangriffe im Grenzgebiet zu Afghanistan fort. Bei Raketenbeschuß im Stammesgebiet Nord-Waziri-stan seien am Donnerstag drei mutmaßliche Extremisten getö-tet worden, hieß es aus Sicher-heitskreisen. Das Außenmini-sterium in Islamabad verurteilte den Vorfall als »Verletzung von Pakistans Souveränität«. Sharif hatte vergangene Woche bei einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama in Washington ein Ende der Drohneneinsätze gefordert. (dpa/jW)

Türkei: Mit Kopf-tuch im ParlamentISTANBUL. Mit dem demon-strativen Tragen eines Kopf-tuchs im Parlament in Ankara haben vier weibliche Abge-ordnete einen Tabubruch in der Türkei begangen. Alle vier Parlamentarierinnen gehörten der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP an, wie türkische Medien berichteten. Zuletzt war 1999 die Abge-ordnete Merve Kavakci mit Kopftuch im Parlament in An-kara erschienen. Sie hatte einen Eklat ausgelöst. Ihr wurden die Staatsangehörigkeit und ihr Parlamentssitz aberkannt.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte Ende vergangenen Monats das Kopf-tuchverbot im öffentlichen Dienst außer in der Justiz und bei den Sicherheitskräften ge-kippt. (dpa/jW)

Kooperationsver-trag Rußland–Ni-caragua MANAGUA. Rußland und Ni-caragua haben am Mittwoch ein militärisches Kooperati-onsabkommen geschlossen. Die Streitkräfte beider Länder würden sich künftig regelmäßig über Fragen der internationalen Sicherheit austauschen, sagte der Vorsitzende des russischen

Bei einem US-amerikanischen Drohnenangriff in Nordwest-pakistan sind in der Nacht zum

Donnerstag mindestens drei Men-schen getötet und ebenso viele verletzt worden. Schauplatz der Operation, bei der zwei Raketen auf ein Gebäude abgeschossen wurden, war ein Dorf nahe Miranshah, der Hauptstadt des Bezirks Nordwasiristan. Anonyme Quellen in den pakistanischen Sicher-heitskräften behaupteten der Routine entsprechend, daß es sich bei den Op-fern ausschließlich um mutmaßliche »Militante«, also bewaffnete Kämp-fer, gehandelt habe, ohne sie irgendei-ner Gruppierung zuzuordnen.

Pakistans Regierungschef Nawaz Sharif war am vorigen Mittwoch von Barack Obama im Weißen Haus emp-fangen worden. Nach eigenen Angaben hatte er bei dieser Gelegenheit den US-Präsidenten aufgefordert, die Droh-neneinsätze gegen Ziele in Pakistan einzustellen, da sie die Souveränität seines Landes verletzten und politisch kontraproduktiv seien. Obama hatte

das heikle Thema bei der anschließen-den gemeinsamen Pressekonferenz nur kurz mit leeren Phrasen gestreift. Der gestrige Angriff, es war der 24. in diesem Jahr, stellt seine praktische Antwort auf Sharifs Appell dar. Das scheint die Kritik der oppositionellen PTI zu bestätigen, daß der Premier die pakistanische Position allzu beschei-den und unterwürfig vorgetragen habe. Ganz sicher nicht hilfreich war eine am Mittwoch veröffentlichte Statistik des pakistanischen Verteidigungsministe-riums, die mit überraschenden, völlig neuen Zahlen aufwartete. Danach sol-len bei sämtlichen Drohnenangriffen der vergangenen fünf Jahre »nur« 67 Zivilisten getötet worden sein. Gegen-über UN-Vertretern hatte die pakista-nische Regierung im März die Zahl der seit Beginn der Angriffe im Jahr 2004 getöteten Zivilpersonen mit min-destens 400, möglicherweise bis zu 600 angegeben. Rund 85 Prozent aller bewaffneten Drohneneinsätze gegen Pakistan fanden in der Amtszeit von Obama statt.

Die Angaben gegenüber der UNO stellten die erste derartige Auskunft einer pakistanischen Regierung zum Gesamtumfang der Angriffe und ihrer Folgen dar. Was die jetzt erfolgte »Kor-rektur« nach unten durch das Vertei-digungsministerium – und damit vor allem durch das in Pakistan sehr ein-flußreiche Oberkommando der Streit-kräfte – veranlaßt hat, kann nur vermu-tet werden. Das Ministerium folgte jetzt sogar der unglaubwürdigen Behaup-tung der US-Regierung, im laufenden Jahr ebenso wie im vorigen sei nicht eine einzige Zivilperson durch Drohnen getötet worden. Wenn das wahr wäre, würde die damals 67jährige Momina Bibi noch leben, die am 24. Oktober 2012 bei der Gartenarbeit in einem Dorf Nordwasiristans von der Rakete eines unbemannten Flugkörpers zerfetzt wurde. Ihr Sohn Rafiq Rahman, ein Grundschullehrer, war zusammen mit seiner neunjährigen Tochter Nabila und seinem 13jährigen Sohn Zubair in den vergangenen Tagen auf Einladung des demokratischen Kongreßabgeordneten

Alan Grayson in den USA, um über den Tod seiner Mutter zu berichten.

Neben zahlreichen Interviews tra-ten die drei Paschtunen am Dienstag auch bei einem sogenannten »Brie-fing« des Kongresses auf, das formal unterhalb eines offiziellen »Hearings« rangiert. Außer Grayson mochten sich nur noch vier andere Kongreßmit-glieder, auch sie alle Abgeordnete der Demokratischen Partei, die Mühe und Qual antun, sich über die Folgen der Drohnenangriffe aus erster Hand zu informieren. Sie hörten, wie die Furcht vor den furchtbaren Raketen der Flug-körper, von denen oft mehrere viele Stunden lang über den Dörfern kreisen, das Leben der Bevölkerung bestimmt und vergiftet. Obama, der sich erst kürzlich mit dem Empfang des 16jäh-rigen Taliban-Opfers Malala Yousafzai schmückte, ignorierte die Gelegenheit, die neunjährige Nabila Rahman eben-falls ins Weiße Haus einzuladen. Sie hatte bei dem Angriff nicht nur ihre Großmutter verloren, sondern war auch selbst erheblich durch Splitter verletzt

Obama setzt auf DrohnenPakistanisches Verteidigungsministerium »korrigiert« Opferzahlen nach unten. Von Knut Mellenthin

Zwischen Sudan und Südsudan gibt es neue Spannungen. In der von beiden nordostafrikani-

schen Nachbarländern beanspruchten Grenzregion Abyei fand nun ein Refe-rendum um die staatliche Zugehörig-keit des erdölreichen Gebietes statt. Seit der Abspaltung von Südsudan im Juli 2011 konnte keine Einigung darüber erzielt werden, zu welchem der beiden Staaten die Region gehören soll. Nicht einmal darauf, wer berechtigt ist, über diese Frage abzustimmen, konnten sich die Regierungen in Khartum und Juba verständigen. Nun will die Bevölke-rung vor Ort offenbar Fakten schaffen. 99,89 Prozent der Einwohner der Regi-on stimmten Angaben der inoffiziellen Wahlorganisatoren vom gestrigen Don-nerstag für den Anschluß an Südsudan. Das berichtete die Sudan Tribune.

Bisher war ein Referendum vor allem an der Frage gescheitert, wer zur Teilnahme berechtigt sei. Neben der in der Region großen Bevölke-rungsgruppe der Ngok Dinka, deren Loyalität Richtung Südsudan geht, wohnen hier zumindest zeitweise Angehörige der Misseriya. Diese no-madisch lebende Gruppe hat in der Vergangenheit häufig an der Seite Khartums in Konflikte eingegriffen. Während Khartum der Ansicht ist, daß die Misseriya über den Status von Abyei mitentscheiden sollen, will die Regierung von Südsudan genau dies verhindern. Ursprünglich war ei-ne Abstimmung über den Status von Abyei bereits für Januar 2011 geplant, zeitgleich mit dem Unabhängigkeits-referendum im Südsudan. Letzteres hatte zur Abspaltung des Südens im Juli 2011 geführt. Seither wird über die weitere Vorgangsweise verhan-delt. Im vergangenen Jahr empfahl Südafrikas ehemaliger Präsident Tha-bo Mbeki als Vermittler der Afrika-nischen Union ein Referendum unter Ausschluß der Misseriya. Doch auch dies brachte keine neue Bewegung. Vor einigen Wochen hatten Vertreter der Ngok Dinka schließlich die Befra-gung für Ende Oktober angekündigt.

Nun wurde seit vergangenem Sonn-tag in Abyei abgestimmt. Die genauen Umstände und Termine sind aufgrund des inoffiziellen Charakters des Refe-rendums unklar. Am Montag bereits hatte die Nachrichtenagentur Reuters

berichtet, daß schon »Zehntausende« Einwohner abgestimmt hätten. Die Regierungen beider Länder haben sich derweil von dem Referendum distan-ziert. Beobachter vermuten jedoch, daß Südsudan finanzielle und logisti-sche Unterstützung gewährte. Auch die Afrikanische Union (AU) und die Vereinten Nationen (UNO) lehnen die Initiative der Bevölkerung Abyeis ab. In jedem Fall kommt diese den Inter-essen Jubas entgegen. Allgemein wur-de bereits im Vorfeld eine Mehrheit für die Zugehörigkeit zum Süden er-wartet. Und selbst wenn das Ergebnis von den entscheidenden Institutionen offiziell nicht zur Kenntnis genom-men werden sollte, dürfte es dennoch die Position Jubas in dem Grenzstreit stärken.

Allerdings könnte die Abstimmung auch den schwelenden Konflikt zwi-schen den beiden Nachbarländern er-neut eskalieren lassen. Während der

vergangenen Tage verschärfte sich bereits der Ton in der Auseinander-setzung. Die dem Südsudan naheste-hende Sudan Tribune zitierte am Mitt-woch den Sprecher des sudanesischen Parlaments, Ahmed Ibrahim Al-Tahir, das Referendum als »Rebellion« be-zeichnete. Al-Tahir verglich die Ab-stimmung mit den bewaffneten Auf-ständen in den Provinzen Südkordofan und Blauer Nil, gegen die Khartum immer wieder militärisch vorgeht. Auch von Seiten der Misseriya gab es Medienberichten zufolge bereits Ankündigungen, Abyei nötigenfalls »verteidigen« zu wollen. Diplomati-schere Worte fand indes Sudans Prä-sident Omar Al-Baschir, der laut BBC Anfang der Woche versicherte, er und sein südsudanesischer Amtskollege Salva Kiir würden sich weiterhin um eine Lösung des Konflikts bemühen, die den Wünschen der lokalen Ge-meinschaften entspricht.

Abstimmung als RebellionSudan und Südsudan: Bewohner der Grenzregion Abyei halten Referendum über staatliche

Mit südsudanesischen Flaggen bekunden Frauen in Abyei, der Hauptstadt der gleichnamigen Grenzregion zwi-schen Sudan und Südsudan, ihre Haltung beim Referendum

Teure FreiheitAl-Qaida-Arm in Niger läßt vier Areva-Mitarbeiter frei. Lösegeldzahlung stärkt Islamisten und schafft Vorwand zur Repression. Von Jörg Tiedjen

Auf den ersten Blick ist es eine lang ersehnte Nachricht: Die vier Mitarbeiter der französi-

schen Konzerne Areva und Vinci, die seit Herbst 2010 von der radikalisla-mistischen »Al-Qaida im islamischen Maghreb« (AQMI) gefangengehalten wurden, sind seit Dienstag frei. Die Franzosen Daniel Larribe, Marc Fé-ret, Pierre Legrand und Thierry Dole waren am frühen Morgen des 16. Sep-tember 2010 zusammen mit Larribes Frau Françoise sowie zwei weiteren Leidensgenossen in Arlit im Nordwe-sten Nigers entführt worden. Letztere drei kamen bereits im Februar 2011 frei. In Arlit befindet sich eine von Areva unterhaltene Uranmine, Vinci agiert dort als Anlagenbauer.

Für die Freilassung der Geiseln hat-te AQMI einen Gefangenenaustausch, die Rücknahme des Kopftuchverbots in Frankreich sowie 90 Millionen Eu-ro Lösegeld verlangt. Die jetzige Er-folgsnachricht traf deswegen nicht auf ungeteilte Freude. Zwar beeilten sich offizielle Stellen, das Ende des Gei-seldramas als reinen Verhandlungser-folg darzustellen, und stritten ab, daß man die Forderungen der Entführer erfüllt habe. Da es aber keinen Ge-fangenenaustausch gab und auch das Schleierverbot bestehen bleibt, liegt es

nahe, daß sehr wohl Lösegeld gezahlt wurde. Die französische Tageszeitung Le Monde berichtete am Mittwoch, daß die Entführer »über 20 Millionen Euro« erhalten hätten. Der Radiosen-der RFI bestätigte dies unter Berufung auf eine Quelle, die dem nigrischen Verhandlungsführer »sehr, sehr nahe« stehe. Das Geld habe der französische Geheimdienst DGST im Austausch gegen die GPS-Koordinaten der Gei-seln in der Wüste deponiert.

Schlechte Erinnerungen werden wach, hatten doch mehrere europä-ische Regierungen, darunter die deut-sche, AQMI in den vergangenen zehn Jahren immer wieder Millionen-Lö-segelder zukommen lassen. Es dürf-ten nicht zuletzt diese Mittel gewesen sein, die den Islamisten 2012 zu ei-nem ihrer größten Erfolge verhalfen. Im Anschluß an die Revolte der Tua-reg-Separatisten der »Nationalbewe-gung für die Befreiung von Azawad« ( MNLA) übernahmen sie gemeinsam mit anderen Dschihadisten-Gruppen die Kontrolle über den Norden des Nachbarlands Mali. Die Lage ist dort – wie im Niger – nach wie vor an-gespannt. Areva weigert sich derweil weiter hartnäckig, den Forderungen der Bevölkerung im Niger entgegen-zukommen, die Schutz vor den kata-

strophalen Auswirkungen des Uran-bergbaus und eine Beteiligung an den Gewinnen verlangt. Der Konflikt wird so weiter angeheizt. Das Geiseldrama diente dem Atomkonzern dennoch als Anlaß, unter Hinweis auf die Bedro-hung durch AQMI die Eröffnung einer weiteren Mine bei Imouraren hinaus-zuzögern. Areva dürfte das aufgrund des Kollaps auf dem Uranmarkt nach der Reaktorkatastrophe von Fukushi-ma recht gewesen sein. Dem Niger jedoch entgingen Einnahmen, mit de-nen das verarmte Land fest gerechnet hatte.

Die Verträge sollen nun neu ver-handelt werden. Bürgerrechtler de-monstrieren seit Wochen, um den nigrischen Präsidenten Mahamadou Issoufou zu drängen, sich gegenüber dem Konzern unnachgiebig zu zeigen. Im vergangenen Winter war bekannt geworden, daß Areva ihm als »Ent-schädigung« für Imouraren ein neues Flugzeug schenken wollte. Wenn in dieser Situation AQMI mit Millionen-beträgen überschüttet wird, liegt der Verdacht nahe, daß einmal mehr die Dschihadisten-Karte gespielt werden soll. Die verschärften »Sicherheits-maßnahmen«, die so gerechtfertigt werden, richten sich jedoch nur vor-dergründig gegen AQMI. Hauptadres-

Rekordergebnis ignoriertBlockade Kubas verurteilt. Konzernmedien ist das kaum eine Meldung wert

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Freitag, 1. November 2013, Nr. 253 7POLITIKFreitag, 1. November 2013, Nr. 253 6 POLITIK Freitag, 1. Oktober 2014, Nr. 1beilage4 Freitag, 1. Oktober 2014, Nr. 1beilage4

Formatbeispiele/Sonderformate:1/3 Seite 1/4 Seite 1/8 Seite120 x 324 120 x 243 120 x 121,5182 x 184 161 x 195 161 x 97285 x 144 285 x 1081 944,00 € 1 458,00 € 729,00 €1 296,00 €* 972,00 €* 486,00 €*

Eckfeld groß99 x 200900,00 €600,00 €*

Mit der Blockade gegen Kuba hat sich Washington weiter als je zuvor von der Völ-

kergemeinschaft isoliert. Einzig Israel unterstützte in der UN-Generalver-sammlung am Dienstag noch die US-Politik gegen die sozialistische Kari-bikinsel, 188 Staaten verurteilten sie, und selbst die drei ökonomisch von den USA abhängigen Pazifikstaaten Mikronesien, Marshallinseln und Pa-lau trauten sich eine Enthaltung zu (jW berichtete).

Neben diesem Rekordergebnis zeigte vor allem die Schärfe der Re-debeiträge, daß die Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten nicht bereit ist, das Verhalten der USA länger zu tolerie-ren. »Die USA stellen sich über die Völker der Welt«, stellte Boliviens UN-Botschafter Sacha Llorenty fest. Im Namen des Wirtschaftsbündnisses Mercosur kritisierte Venezuelas Ver-treter Samuel Moncada die »flagrante Verletzung der UN-Charta durch die USA«. Eine deutliche Warnung sprach Chinas ständiger UN-Repräsentant, Wang Min, aus. Die exterritoriale Aus-weitung der US-Blockade gegen Kuba auf Drittländer verletze »die Interessen und die Souveränität« dieser Staaten, erklärte der Diplomat und versicherte, daß China dies nicht hinnehme.

In Deutschland forderte die entwick-lungspolitische Sprecherin der Frakti-on Die Linke, Heike Hänsel, am Mitt-woch die Europäische Kommission, den EU-Ministerrat und die Bundesre-gierung auf, den Online-Bezahldienst PayPal mit Sanktionen zu belegen. Grundlage dafür seien die Bestimmun-gen der »EU Blocking Regulation«, mit der eine Ausdehnung der US-Blockade gegen Kuba auf Europa verhindert werden soll. PayPal, die europäische Tochter eines US-Unternehmens, hat-te wiederholt Guthaben von Nutzern in Deutschland eingefroren, um diese zum Abbruch ihrer Geschäftsbeziehun-gen mit Kuba zu zwingen.

In den bundesdeutschen Konzern-medien fand das Votum in New York bestenfalls in den Meldungsspal-ten Platz. In den Nachbarländern zi-tierten dagegen der Tages-Anzeiger (Schweiz), der Standard (Österreich) und andere Blätter sogar den kubani-schen Außenminister Bruno Rodríguez mit dem Satz: »Die USA sind mit ih-rer Politik gegen Kuba völlig isoliert, es fehlt jede ethische oder rechtliche Grundlage.« Die spanischen Tageszei-tungen El País und El Mundo, die Äu-ßerungen kubanischer Systemgegner regelmäßig auf der Titelseite bringen, fanden hingegen auch nur wenig Platz

für die Entscheidung in New York. »Es scheint UN-Resolutionen erster und zweiter Klasse zu geben«, spöttelte ein Leser der Onlinezeitung Público. Im Gegensatz zu den Konzernblättern hatte das linksliberale Portal bereits am Dienstag ausführlich berichtet und in wenigen Stunden 77 Leserkommen-tare erhalten. Umfangreiche Informa-tionen boten auch das Internetportal des Moskauer Fernsehsenders Russia Today (RT) und der iranische Kanal HispanTV sowie die chinesische Nach-richtenagentur Xinhua. Diese hob her-vor, daß die Pekinger Regierung nicht nur in den Vereinten Nationen, sondern auch direkt gegenüber den USA auf eine Beendigung der Blockade dränge.

Die Medien der USA übernahmen teilweise eine kurze Agenturmeldung oder verschwiegen das Thema ganz. Lediglich die Washington Post veröf-fentlichte einen längeren Artikel, zu dem auch eigene Korrespondentinnen aus Havanna und vom UN-Sitz in New York beitrugen. So erfuhren die Post-Leser, daß alle Debattenbeiträge der UN-Generalversammlung, einschließ-lich der Stellungnahme des US-Vertre-ters Ronald D. Godard, live und in vol-ler Länge im kubanischen Fernsehen übertragen worden waren.

Die Medien der Insel äußerten sich zufrieden über das weiter gestärkte Votum der Weltgemeinschaft gegen die US-Blockade. In der Tageszeitung Granma wies ein Kommentator aller-dings auch kritisch darauf hin, daß eine Reform der Vereinten Nationen drin-gend notwendig sei, damit »Beschlüsse wie diese verbindlich werden und das Land, das die Blockade aufrecht erhält, dazu verpflichten, sie zu beenden, wie es die Mehrheit der Welt fordert«.

Flüchtlinge in der Sahara verdurstetBAMAKO. 87 Migranten, die auf dem Weg nach Europa die Sahara durchqueren wollten, sind tot im Norden Nigers ent-deckt worden. Das Fahrzeug, in dem sie saßen, sei nahe der Grenze zu Algerien liegenge-blieben, und die Menschen – zumeist Frauen und Kinder – seien anschließend verdurstet, berichteten Rettungskräfte am Donnerstag. Die nigrischen Streitkräfte bestätigten die Zahl der Toten und ergänzten, daß darunter 32 Frauen und 48 Kinder seien. Bereits Ende September hätten die Menschen die 150 Kilometer südlich der Grenze gelegene Stadt Arlit per Lastwagen verlassen. (dpa/jW)

Pakistan: weiter US-Drohnenan-griffeISLAMABAD. Trotz der Prote-ste des pakistanischen Premier-ministers Nawaz Sharif setzen die USA ihre Drohnenangriffe im Grenzgebiet zu Afghanistan fort. Bei Raketenbeschuß im Stammesgebiet Nord-Waziri-stan seien am Donnerstag drei mutmaßliche Extremisten getö-tet worden, hieß es aus Sicher-heitskreisen. Das Außenmini-sterium in Islamabad verurteilte den Vorfall als »Verletzung von Pakistans Souveränität«. Sharif hatte vergangene Woche bei einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama in Washington ein Ende der Drohneneinsätze gefordert. (dpa/jW)

Türkei: Mit Kopf-tuch im ParlamentISTANBUL. Mit dem demon-strativen Tragen eines Kopf-tuchs im Parlament in Ankara haben vier weibliche Abge-ordnete einen Tabubruch in der Türkei begangen. Alle vier Parlamentarierinnen gehörten der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP an, wie türkische Medien berichteten. Zuletzt war 1999 die Abge-ordnete Merve Kavakci mit Kopftuch im Parlament in An-kara erschienen. Sie hatte einen Eklat ausgelöst. Ihr wurden die Staatsangehörigkeit und ihr Parlamentssitz aberkannt.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte Ende vergangenen Monats das Kopf-tuchverbot im öffentlichen Dienst außer in der Justiz und bei den Sicherheitskräften ge-kippt. (dpa/jW)

Kooperationsver-trag Rußland–Ni-caragua MANAGUA. Rußland und Ni-caragua haben am Mittwoch ein militärisches Kooperati-onsabkommen geschlossen. Die Streitkräfte beider Länder würden sich künftig regelmäßig über Fragen der internationalen Sicherheit austauschen, sagte der Vorsitzende des russischen

Bei einem US-amerikanischen Drohnenangriff in Nordwest-pakistan sind in der Nacht zum

Donnerstag mindestens drei Men-schen getötet und ebenso viele verletzt worden. Schauplatz der Operation, bei der zwei Raketen auf ein Gebäude abgeschossen wurden, war ein Dorf nahe Miranshah, der Hauptstadt des Bezirks Nordwasiristan. Anonyme Quellen in den pakistanischen Sicher-heitskräften behaupteten der Routine entsprechend, daß es sich bei den Op-fern ausschließlich um mutmaßliche »Militante«, also bewaffnete Kämp-fer, gehandelt habe, ohne sie irgendei-ner Gruppierung zuzuordnen.

Pakistans Regierungschef Nawaz Sharif war am vorigen Mittwoch von Barack Obama im Weißen Haus emp-fangen worden. Nach eigenen Angaben hatte er bei dieser Gelegenheit den US-Präsidenten aufgefordert, die Droh-neneinsätze gegen Ziele in Pakistan einzustellen, da sie die Souveränität seines Landes verletzten und politisch kontraproduktiv seien. Obama hatte

das heikle Thema bei der anschließen-den gemeinsamen Pressekonferenz nur kurz mit leeren Phrasen gestreift. Der gestrige Angriff, es war der 24. in diesem Jahr, stellt seine praktische Antwort auf Sharifs Appell dar. Das scheint die Kritik der oppositionellen PTI zu bestätigen, daß der Premier die pakistanische Position allzu beschei-den und unterwürfig vorgetragen habe. Ganz sicher nicht hilfreich war eine am Mittwoch veröffentlichte Statistik des pakistanischen Verteidigungsministe-riums, die mit überraschenden, völlig neuen Zahlen aufwartete. Danach sol-len bei sämtlichen Drohnenangriffen der vergangenen fünf Jahre »nur« 67 Zivilisten getötet worden sein. Gegen-über UN-Vertretern hatte die pakista-nische Regierung im März die Zahl der seit Beginn der Angriffe im Jahr 2004 getöteten Zivilpersonen mit min-destens 400, möglicherweise bis zu 600 angegeben. Rund 85 Prozent aller bewaffneten Drohneneinsätze gegen Pakistan fanden in der Amtszeit von Obama statt.

Die Angaben gegenüber der UNO stellten die erste derartige Auskunft einer pakistanischen Regierung zum Gesamtumfang der Angriffe und ihrer Folgen dar. Was die jetzt erfolgte »Kor-rektur« nach unten durch das Vertei-digungsministerium – und damit vor allem durch das in Pakistan sehr ein-flußreiche Oberkommando der Streit-kräfte – veranlaßt hat, kann nur vermu-tet werden. Das Ministerium folgte jetzt sogar der unglaubwürdigen Behaup-tung der US-Regierung, im laufenden Jahr ebenso wie im vorigen sei nicht eine einzige Zivilperson durch Drohnen getötet worden. Wenn das wahr wäre, würde die damals 67jährige Momina Bibi noch leben, die am 24. Oktober 2012 bei der Gartenarbeit in einem Dorf Nordwasiristans von der Rakete eines unbemannten Flugkörpers zerfetzt wurde. Ihr Sohn Rafiq Rahman, ein Grundschullehrer, war zusammen mit seiner neunjährigen Tochter Nabila und seinem 13jährigen Sohn Zubair in den vergangenen Tagen auf Einladung des demokratischen Kongreßabgeordneten

Alan Grayson in den USA, um über den Tod seiner Mutter zu berichten.

Neben zahlreichen Interviews tra-ten die drei Paschtunen am Dienstag auch bei einem sogenannten »Brie-fing« des Kongresses auf, das formal unterhalb eines offiziellen »Hearings« rangiert. Außer Grayson mochten sich nur noch vier andere Kongreßmit-glieder, auch sie alle Abgeordnete der Demokratischen Partei, die Mühe und Qual antun, sich über die Folgen der Drohnenangriffe aus erster Hand zu informieren. Sie hörten, wie die Furcht vor den furchtbaren Raketen der Flug-körper, von denen oft mehrere viele Stunden lang über den Dörfern kreisen, das Leben der Bevölkerung bestimmt und vergiftet. Obama, der sich erst kürzlich mit dem Empfang des 16jäh-rigen Taliban-Opfers Malala Yousafzai schmückte, ignorierte die Gelegenheit, die neunjährige Nabila Rahman eben-falls ins Weiße Haus einzuladen. Sie hatte bei dem Angriff nicht nur ihre Großmutter verloren, sondern war auch selbst erheblich durch Splitter verletzt

Obama setzt auf DrohnenPakistanisches Verteidigungsministerium »korrigiert« Opferzahlen nach unten. Von Knut Mellenthin

Zwischen Sudan und Südsudan gibt es neue Spannungen. In der von beiden nordostafrikani-

schen Nachbarländern beanspruchten Grenzregion Abyei fand nun ein Refe-rendum um die staatliche Zugehörig-keit des erdölreichen Gebietes statt. Seit der Abspaltung von Südsudan im Juli 2011 konnte keine Einigung darüber erzielt werden, zu welchem der beiden Staaten die Region gehören soll. Nicht einmal darauf, wer berechtigt ist, über diese Frage abzustimmen, konnten sich die Regierungen in Khartum und Juba verständigen. Nun will die Bevölke-rung vor Ort offenbar Fakten schaffen. 99,89 Prozent der Einwohner der Regi-on stimmten Angaben der inoffiziellen Wahlorganisatoren vom gestrigen Don-nerstag für den Anschluß an Südsudan. Das berichtete die Sudan Tribune.

Bisher war ein Referendum vor allem an der Frage gescheitert, wer zur Teilnahme berechtigt sei. Neben der in der Region großen Bevölke-rungsgruppe der Ngok Dinka, deren Loyalität Richtung Südsudan geht, wohnen hier zumindest zeitweise Angehörige der Misseriya. Diese no-madisch lebende Gruppe hat in der Vergangenheit häufig an der Seite Khartums in Konflikte eingegriffen. Während Khartum der Ansicht ist, daß die Misseriya über den Status von Abyei mitentscheiden sollen, will die Regierung von Südsudan genau dies verhindern. Ursprünglich war ei-ne Abstimmung über den Status von Abyei bereits für Januar 2011 geplant, zeitgleich mit dem Unabhängigkeits-referendum im Südsudan. Letzteres hatte zur Abspaltung des Südens im Juli 2011 geführt. Seither wird über die weitere Vorgangsweise verhan-delt. Im vergangenen Jahr empfahl Südafrikas ehemaliger Präsident Tha-bo Mbeki als Vermittler der Afrika-nischen Union ein Referendum unter Ausschluß der Misseriya. Doch auch dies brachte keine neue Bewegung. Vor einigen Wochen hatten Vertreter der Ngok Dinka schließlich die Befra-gung für Ende Oktober angekündigt.

Nun wurde seit vergangenem Sonn-tag in Abyei abgestimmt. Die genauen Umstände und Termine sind aufgrund des inoffiziellen Charakters des Refe-rendums unklar. Am Montag bereits hatte die Nachrichtenagentur Reuters

berichtet, daß schon »Zehntausende« Einwohner abgestimmt hätten. Die Regierungen beider Länder haben sich derweil von dem Referendum distan-ziert. Beobachter vermuten jedoch, daß Südsudan finanzielle und logisti-sche Unterstützung gewährte. Auch die Afrikanische Union (AU) und die Vereinten Nationen (UNO) lehnen die Initiative der Bevölkerung Abyeis ab. In jedem Fall kommt diese den Inter-essen Jubas entgegen. Allgemein wur-de bereits im Vorfeld eine Mehrheit für die Zugehörigkeit zum Süden er-wartet. Und selbst wenn das Ergebnis von den entscheidenden Institutionen offiziell nicht zur Kenntnis genom-men werden sollte, dürfte es dennoch die Position Jubas in dem Grenzstreit stärken.

Allerdings könnte die Abstimmung auch den schwelenden Konflikt zwi-schen den beiden Nachbarländern er-neut eskalieren lassen. Während der

vergangenen Tage verschärfte sich bereits der Ton in der Auseinander-setzung. Die dem Südsudan naheste-hende Sudan Tribune zitierte am Mitt-woch den Sprecher des sudanesischen Parlaments, Ahmed Ibrahim Al-Tahir, das Referendum als »Rebellion« be-zeichnete. Al-Tahir verglich die Ab-stimmung mit den bewaffneten Auf-ständen in den Provinzen Südkordofan und Blauer Nil, gegen die Khartum immer wieder militärisch vorgeht. Auch von Seiten der Misseriya gab es Medienberichten zufolge bereits Ankündigungen, Abyei nötigenfalls »verteidigen« zu wollen. Diplomati-schere Worte fand indes Sudans Prä-sident Omar Al-Baschir, der laut BBC Anfang der Woche versicherte, er und sein südsudanesischer Amtskollege Salva Kiir würden sich weiterhin um eine Lösung des Konflikts bemühen, die den Wünschen der lokalen Ge-meinschaften entspricht.

Abstimmung als RebellionSudan und Südsudan: Bewohner der Grenzregion Abyei halten Referendum über staatliche

Mit südsudanesischen Flaggen bekunden Frauen in Abyei, der Hauptstadt der gleichnamigen Grenzregion zwi-schen Sudan und Südsudan, ihre Haltung beim Referendum

Teure FreiheitAl-Qaida-Arm in Niger läßt vier Areva-Mitarbeiter frei. Lösegeldzahlung stärkt Islamisten und schafft Vorwand zur Repression. Von Jörg Tiedjen

Auf den ersten Blick ist es eine lang ersehnte Nachricht: Die vier Mitarbeiter der französi-

schen Konzerne Areva und Vinci, die seit Herbst 2010 von der radikalisla-mistischen »Al-Qaida im islamischen Maghreb« (AQMI) gefangengehalten wurden, sind seit Dienstag frei. Die Franzosen Daniel Larribe, Marc Fé-ret, Pierre Legrand und Thierry Dole waren am frühen Morgen des 16. Sep-tember 2010 zusammen mit Larribes Frau Françoise sowie zwei weiteren Leidensgenossen in Arlit im Nordwe-sten Nigers entführt worden. Letztere drei kamen bereits im Februar 2011 frei. In Arlit befindet sich eine von Areva unterhaltene Uranmine, Vinci agiert dort als Anlagenbauer.

Für die Freilassung der Geiseln hat-te AQMI einen Gefangenenaustausch, die Rücknahme des Kopftuchverbots in Frankreich sowie 90 Millionen Eu-ro Lösegeld verlangt. Die jetzige Er-folgsnachricht traf deswegen nicht auf ungeteilte Freude. Zwar beeilten sich offizielle Stellen, das Ende des Gei-seldramas als reinen Verhandlungser-folg darzustellen, und stritten ab, daß man die Forderungen der Entführer erfüllt habe. Da es aber keinen Ge-fangenenaustausch gab und auch das Schleierverbot bestehen bleibt, liegt es

nahe, daß sehr wohl Lösegeld gezahlt wurde. Die französische Tageszeitung Le Monde berichtete am Mittwoch, daß die Entführer »über 20 Millionen Euro« erhalten hätten. Der Radiosen-der RFI bestätigte dies unter Berufung auf eine Quelle, die dem nigrischen Verhandlungsführer »sehr, sehr nahe« stehe. Das Geld habe der französische Geheimdienst DGST im Austausch gegen die GPS-Koordinaten der Gei-seln in der Wüste deponiert.

Schlechte Erinnerungen werden wach, hatten doch mehrere europä-ische Regierungen, darunter die deut-sche, AQMI in den vergangenen zehn Jahren immer wieder Millionen-Lö-segelder zukommen lassen. Es dürf-ten nicht zuletzt diese Mittel gewesen sein, die den Islamisten 2012 zu ei-nem ihrer größten Erfolge verhalfen. Im Anschluß an die Revolte der Tua-reg-Separatisten der »Nationalbewe-gung für die Befreiung von Azawad« ( MNLA) übernahmen sie gemeinsam mit anderen Dschihadisten-Gruppen die Kontrolle über den Norden des Nachbarlands Mali. Die Lage ist dort – wie im Niger – nach wie vor an-gespannt. Areva weigert sich derweil weiter hartnäckig, den Forderungen der Bevölkerung im Niger entgegen-zukommen, die Schutz vor den kata-

strophalen Auswirkungen des Uran-bergbaus und eine Beteiligung an den Gewinnen verlangt. Der Konflikt wird so weiter angeheizt. Das Geiseldrama diente dem Atomkonzern dennoch als Anlaß, unter Hinweis auf die Bedro-hung durch AQMI die Eröffnung einer weiteren Mine bei Imouraren hinaus-zuzögern. Areva dürfte das aufgrund des Kollaps auf dem Uranmarkt nach der Reaktorkatastrophe von Fukushi-ma recht gewesen sein. Dem Niger jedoch entgingen Einnahmen, mit de-nen das verarmte Land fest gerechnet hatte.

Die Verträge sollen nun neu ver-handelt werden. Bürgerrechtler de-monstrieren seit Wochen, um den nigrischen Präsidenten Mahamadou Issoufou zu drängen, sich gegenüber dem Konzern unnachgiebig zu zeigen. Im vergangenen Winter war bekannt geworden, daß Areva ihm als »Ent-schädigung« für Imouraren ein neues Flugzeug schenken wollte. Wenn in dieser Situation AQMI mit Millionen-beträgen überschüttet wird, liegt der Verdacht nahe, daß einmal mehr die Dschihadisten-Karte gespielt werden soll. Die verschärften »Sicherheits-maßnahmen«, die so gerechtfertigt werden, richten sich jedoch nur vor-dergründig gegen AQMI. Hauptadres-

Rekordergebnis ignoriertBlockade Kubas verurteilt. Konzernmedien ist das kaum eine Meldung wert

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Freitag, 1. November 2013, Nr. 253 7POLITIKFreitag, 1. November 2013, Nr. 253 6 POLITIK Freitag, 1. Oktober 2014, Nr. 1beilage4

Mit der Blockade gegen Kuba hat sich Washington weiter als je zuvor von der Völ-

kergemeinschaft isoliert. Einzig Israel unterstützte in der UN-Generalver-sammlung am Dienstag noch die US-Politik gegen die sozialistische Kari-bikinsel, 188 Staaten verurteilten sie, und selbst die drei ökonomisch von den USA abhängigen Pazifikstaaten Mikronesien, Marshallinseln und Pa-lau trauten sich eine Enthaltung zu (jW berichtete).

Neben diesem Rekordergebnis zeigte vor allem die Schärfe der Re-debeiträge, daß die Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten nicht bereit ist, das Verhalten der USA länger zu tolerie-ren. »Die USA stellen sich über die Völker der Welt«, stellte Boliviens UN-Botschafter Sacha Llorenty fest. Im Namen des Wirtschaftsbündnisses Mercosur kritisierte Venezuelas Ver-treter Samuel Moncada die »flagrante Verletzung der UN-Charta durch die USA«. Eine deutliche Warnung sprach Chinas ständiger UN-Repräsentant, Wang Min, aus. Die exterritoriale Aus-weitung der US-Blockade gegen Kuba auf Drittländer verletze »die Interessen und die Souveränität« dieser Staaten, erklärte der Diplomat und versicherte, daß China dies nicht hinnehme.

In Deutschland forderte die entwick-lungspolitische Sprecherin der Frakti-on Die Linke, Heike Hänsel, am Mitt-woch die Europäische Kommission, den EU-Ministerrat und die Bundesre-gierung auf, den Online-Bezahldienst PayPal mit Sanktionen zu belegen. Grundlage dafür seien die Bestimmun-gen der »EU Blocking Regulation«, mit der eine Ausdehnung der US-Blockade gegen Kuba auf Europa verhindert werden soll. PayPal, die europäische Tochter eines US-Unternehmens, hat-te wiederholt Guthaben von Nutzern in Deutschland eingefroren, um diese zum Abbruch ihrer Geschäftsbeziehun-gen mit Kuba zu zwingen.

In den bundesdeutschen Konzern-medien fand das Votum in New York bestenfalls in den Meldungsspal-ten Platz. In den Nachbarländern zi-tierten dagegen der Tages-Anzeiger (Schweiz), der Standard (Österreich) und andere Blätter sogar den kubani-schen Außenminister Bruno Rodríguez mit dem Satz: »Die USA sind mit ih-rer Politik gegen Kuba völlig isoliert, es fehlt jede ethische oder rechtliche Grundlage.« Die spanischen Tageszei-tungen El País und El Mundo, die Äu-ßerungen kubanischer Systemgegner regelmäßig auf der Titelseite bringen, fanden hingegen auch nur wenig Platz

für die Entscheidung in New York. »Es scheint UN-Resolutionen erster und zweiter Klasse zu geben«, spöttelte ein Leser der Onlinezeitung Público. Im Gegensatz zu den Konzernblättern hatte das linksliberale Portal bereits am Dienstag ausführlich berichtet und in wenigen Stunden 77 Leserkommen-tare erhalten. Umfangreiche Informa-tionen boten auch das Internetportal des Moskauer Fernsehsenders Russia Today (RT) und der iranische Kanal HispanTV sowie die chinesische Nach-richtenagentur Xinhua. Diese hob her-vor, daß die Pekinger Regierung nicht nur in den Vereinten Nationen, sondern auch direkt gegenüber den USA auf eine Beendigung der Blockade dränge.

Die Medien der USA übernahmen teilweise eine kurze Agenturmeldung oder verschwiegen das Thema ganz. Lediglich die Washington Post veröf-fentlichte einen längeren Artikel, zu dem auch eigene Korrespondentinnen aus Havanna und vom UN-Sitz in New York beitrugen. So erfuhren die Post-Leser, daß alle Debattenbeiträge der UN-Generalversammlung, einschließ-lich der Stellungnahme des US-Vertre-ters Ronald D. Godard, live und in vol-ler Länge im kubanischen Fernsehen übertragen worden waren.

Die Medien der Insel äußerten sich zufrieden über das weiter gestärkte Votum der Weltgemeinschaft gegen die US-Blockade. In der Tageszeitung Granma wies ein Kommentator aller-dings auch kritisch darauf hin, daß eine Reform der Vereinten Nationen drin-gend notwendig sei, damit »Beschlüsse wie diese verbindlich werden und das Land, das die Blockade aufrecht erhält, dazu verpflichten, sie zu beenden, wie es die Mehrheit der Welt fordert«.

Flüchtlinge in der Sahara verdurstetBAMAKO. 87 Migranten, die auf dem Weg nach Europa die Sahara durchqueren wollten, sind tot im Norden Nigers ent-deckt worden. Das Fahrzeug, in dem sie saßen, sei nahe der Grenze zu Algerien liegenge-blieben, und die Menschen – zumeist Frauen und Kinder – seien anschließend verdurstet, berichteten Rettungskräfte am Donnerstag. Die nigrischen Streitkräfte bestätigten die Zahl der Toten und ergänzten, daß darunter 32 Frauen und 48 Kinder seien. Bereits Ende September hätten die Menschen die 150 Kilometer südlich der Grenze gelegene Stadt Arlit per Lastwagen verlassen. (dpa/jW)

Pakistan: weiter US-Drohnenan-griffeISLAMABAD. Trotz der Prote-ste des pakistanischen Premier-ministers Nawaz Sharif setzen die USA ihre Drohnenangriffe im Grenzgebiet zu Afghanistan fort. Bei Raketenbeschuß im Stammesgebiet Nord-Waziri-stan seien am Donnerstag drei mutmaßliche Extremisten getö-tet worden, hieß es aus Sicher-heitskreisen. Das Außenmini-sterium in Islamabad verurteilte den Vorfall als »Verletzung von Pakistans Souveränität«. Sharif hatte vergangene Woche bei einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama in Washington ein Ende der Drohneneinsätze gefordert. (dpa/jW)

Türkei: Mit Kopf-tuch im ParlamentISTANBUL. Mit dem demon-strativen Tragen eines Kopf-tuchs im Parlament in Ankara haben vier weibliche Abge-ordnete einen Tabubruch in der Türkei begangen. Alle vier Parlamentarierinnen gehörten der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP an, wie türkische Medien berichteten. Zuletzt war 1999 die Abge-ordnete Merve Kavakci mit Kopftuch im Parlament in An-kara erschienen. Sie hatte einen Eklat ausgelöst. Ihr wurden die Staatsangehörigkeit und ihr Parlamentssitz aberkannt.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte Ende vergangenen Monats das Kopf-tuchverbot im öffentlichen Dienst außer in der Justiz und bei den Sicherheitskräften ge-kippt. (dpa/jW)

Kooperationsver-trag Rußland–Ni-caragua MANAGUA. Rußland und Ni-caragua haben am Mittwoch ein militärisches Kooperati-onsabkommen geschlossen. Die Streitkräfte beider Länder würden sich künftig regelmäßig über Fragen der internationalen Sicherheit austauschen, sagte der Vorsitzende des russischen

Bei einem US-amerikanischen Drohnenangriff in Nordwest-pakistan sind in der Nacht zum

Donnerstag mindestens drei Men-schen getötet und ebenso viele verletzt worden. Schauplatz der Operation, bei der zwei Raketen auf ein Gebäude abgeschossen wurden, war ein Dorf nahe Miranshah, der Hauptstadt des Bezirks Nordwasiristan. Anonyme Quellen in den pakistanischen Sicher-heitskräften behaupteten der Routine entsprechend, daß es sich bei den Op-fern ausschließlich um mutmaßliche »Militante«, also bewaffnete Kämp-fer, gehandelt habe, ohne sie irgendei-ner Gruppierung zuzuordnen.

Pakistans Regierungschef Nawaz Sharif war am vorigen Mittwoch von Barack Obama im Weißen Haus emp-fangen worden. Nach eigenen Angaben hatte er bei dieser Gelegenheit den US-Präsidenten aufgefordert, die Droh-neneinsätze gegen Ziele in Pakistan einzustellen, da sie die Souveränität seines Landes verletzten und politisch kontraproduktiv seien. Obama hatte

das heikle Thema bei der anschließen-den gemeinsamen Pressekonferenz nur kurz mit leeren Phrasen gestreift. Der gestrige Angriff, es war der 24. in diesem Jahr, stellt seine praktische Antwort auf Sharifs Appell dar. Das scheint die Kritik der oppositionellen PTI zu bestätigen, daß der Premier die pakistanische Position allzu beschei-den und unterwürfig vorgetragen habe. Ganz sicher nicht hilfreich war eine am Mittwoch veröffentlichte Statistik des pakistanischen Verteidigungsministe-riums, die mit überraschenden, völlig neuen Zahlen aufwartete. Danach sol-len bei sämtlichen Drohnenangriffen der vergangenen fünf Jahre »nur« 67 Zivilisten getötet worden sein. Gegen-über UN-Vertretern hatte die pakista-nische Regierung im März die Zahl der seit Beginn der Angriffe im Jahr 2004 getöteten Zivilpersonen mit min-destens 400, möglicherweise bis zu 600 angegeben. Rund 85 Prozent aller bewaffneten Drohneneinsätze gegen Pakistan fanden in der Amtszeit von Obama statt.

Die Angaben gegenüber der UNO stellten die erste derartige Auskunft einer pakistanischen Regierung zum Gesamtumfang der Angriffe und ihrer Folgen dar. Was die jetzt erfolgte »Kor-rektur« nach unten durch das Vertei-digungsministerium – und damit vor allem durch das in Pakistan sehr ein-flußreiche Oberkommando der Streit-kräfte – veranlaßt hat, kann nur vermu-tet werden. Das Ministerium folgte jetzt sogar der unglaubwürdigen Behaup-tung der US-Regierung, im laufenden Jahr ebenso wie im vorigen sei nicht eine einzige Zivilperson durch Drohnen getötet worden. Wenn das wahr wäre, würde die damals 67jährige Momina Bibi noch leben, die am 24. Oktober 2012 bei der Gartenarbeit in einem Dorf Nordwasiristans von der Rakete eines unbemannten Flugkörpers zerfetzt wurde. Ihr Sohn Rafiq Rahman, ein Grundschullehrer, war zusammen mit seiner neunjährigen Tochter Nabila und seinem 13jährigen Sohn Zubair in den vergangenen Tagen auf Einladung des demokratischen Kongreßabgeordneten

Alan Grayson in den USA, um über den Tod seiner Mutter zu berichten.

Neben zahlreichen Interviews tra-ten die drei Paschtunen am Dienstag auch bei einem sogenannten »Brie-fing« des Kongresses auf, das formal unterhalb eines offiziellen »Hearings« rangiert. Außer Grayson mochten sich nur noch vier andere Kongreßmit-glieder, auch sie alle Abgeordnete der Demokratischen Partei, die Mühe und Qual antun, sich über die Folgen der Drohnenangriffe aus erster Hand zu informieren. Sie hörten, wie die Furcht vor den furchtbaren Raketen der Flug-körper, von denen oft mehrere viele Stunden lang über den Dörfern kreisen, das Leben der Bevölkerung bestimmt und vergiftet. Obama, der sich erst kürzlich mit dem Empfang des 16jäh-rigen Taliban-Opfers Malala Yousafzai schmückte, ignorierte die Gelegenheit, die neunjährige Nabila Rahman eben-falls ins Weiße Haus einzuladen. Sie hatte bei dem Angriff nicht nur ihre Großmutter verloren, sondern war auch selbst erheblich durch Splitter verletzt

Obama setzt auf DrohnenPakistanisches Verteidigungsministerium »korrigiert« Opferzahlen nach unten. Von Knut Mellenthin

Zwischen Sudan und Südsudan gibt es neue Spannungen. In der von beiden nordostafrikani-

schen Nachbarländern beanspruchten Grenzregion Abyei fand nun ein Refe-rendum um die staatliche Zugehörig-keit des erdölreichen Gebietes statt. Seit der Abspaltung von Südsudan im Juli 2011 konnte keine Einigung darüber erzielt werden, zu welchem der beiden Staaten die Region gehören soll. Nicht einmal darauf, wer berechtigt ist, über diese Frage abzustimmen, konnten sich die Regierungen in Khartum und Juba verständigen. Nun will die Bevölke-rung vor Ort offenbar Fakten schaffen. 99,89 Prozent der Einwohner der Regi-on stimmten Angaben der inoffiziellen Wahlorganisatoren vom gestrigen Don-nerstag für den Anschluß an Südsudan. Das berichtete die Sudan Tribune.

Bisher war ein Referendum vor allem an der Frage gescheitert, wer zur Teilnahme berechtigt sei. Neben der in der Region großen Bevölke-rungsgruppe der Ngok Dinka, deren Loyalität Richtung Südsudan geht, wohnen hier zumindest zeitweise Angehörige der Misseriya. Diese no-madisch lebende Gruppe hat in der Vergangenheit häufig an der Seite Khartums in Konflikte eingegriffen. Während Khartum der Ansicht ist, daß die Misseriya über den Status von Abyei mitentscheiden sollen, will die Regierung von Südsudan genau dies verhindern. Ursprünglich war ei-ne Abstimmung über den Status von Abyei bereits für Januar 2011 geplant, zeitgleich mit dem Unabhängigkeits-referendum im Südsudan. Letzteres hatte zur Abspaltung des Südens im Juli 2011 geführt. Seither wird über die weitere Vorgangsweise verhan-delt. Im vergangenen Jahr empfahl Südafrikas ehemaliger Präsident Tha-bo Mbeki als Vermittler der Afrika-nischen Union ein Referendum unter Ausschluß der Misseriya. Doch auch dies brachte keine neue Bewegung. Vor einigen Wochen hatten Vertreter der Ngok Dinka schließlich die Befra-gung für Ende Oktober angekündigt.

Nun wurde seit vergangenem Sonn-tag in Abyei abgestimmt. Die genauen Umstände und Termine sind aufgrund des inoffiziellen Charakters des Refe-rendums unklar. Am Montag bereits hatte die Nachrichtenagentur Reuters

berichtet, daß schon »Zehntausende« Einwohner abgestimmt hätten. Die Regierungen beider Länder haben sich derweil von dem Referendum distan-ziert. Beobachter vermuten jedoch, daß Südsudan finanzielle und logisti-sche Unterstützung gewährte. Auch die Afrikanische Union (AU) und die Vereinten Nationen (UNO) lehnen die Initiative der Bevölkerung Abyeis ab. In jedem Fall kommt diese den Inter-essen Jubas entgegen. Allgemein wur-de bereits im Vorfeld eine Mehrheit für die Zugehörigkeit zum Süden er-wartet. Und selbst wenn das Ergebnis von den entscheidenden Institutionen offiziell nicht zur Kenntnis genom-men werden sollte, dürfte es dennoch die Position Jubas in dem Grenzstreit stärken.

Allerdings könnte die Abstimmung auch den schwelenden Konflikt zwi-schen den beiden Nachbarländern er-neut eskalieren lassen. Während der

vergangenen Tage verschärfte sich bereits der Ton in der Auseinander-setzung. Die dem Südsudan naheste-hende Sudan Tribune zitierte am Mitt-woch den Sprecher des sudanesischen Parlaments, Ahmed Ibrahim Al-Tahir, das Referendum als »Rebellion« be-zeichnete. Al-Tahir verglich die Ab-stimmung mit den bewaffneten Auf-ständen in den Provinzen Südkordofan und Blauer Nil, gegen die Khartum immer wieder militärisch vorgeht. Auch von Seiten der Misseriya gab es Medienberichten zufolge bereits Ankündigungen, Abyei nötigenfalls »verteidigen« zu wollen. Diplomati-schere Worte fand indes Sudans Prä-sident Omar Al-Baschir, der laut BBC Anfang der Woche versicherte, er und sein südsudanesischer Amtskollege Salva Kiir würden sich weiterhin um eine Lösung des Konflikts bemühen, die den Wünschen der lokalen Ge-meinschaften entspricht.

Abstimmung als RebellionSudan und Südsudan: Bewohner der Grenzregion Abyei halten Referendum über staatliche

Mit südsudanesischen Flaggen bekunden Frauen in Abyei, der Hauptstadt der gleichnamigen Grenzregion zwi-schen Sudan und Südsudan, ihre Haltung beim Referendum

Teure FreiheitAl-Qaida-Arm in Niger läßt vier Areva-Mitarbeiter frei. Lösegeldzahlung stärkt Islamisten und schafft Vorwand zur Repression. Von Jörg Tiedjen

Auf den ersten Blick ist es eine lang ersehnte Nachricht: Die vier Mitarbeiter der französi-

schen Konzerne Areva und Vinci, die seit Herbst 2010 von der radikalisla-mistischen »Al-Qaida im islamischen Maghreb« (AQMI) gefangengehalten wurden, sind seit Dienstag frei. Die Franzosen Daniel Larribe, Marc Fé-ret, Pierre Legrand und Thierry Dole waren am frühen Morgen des 16. Sep-tember 2010 zusammen mit Larribes Frau Françoise sowie zwei weiteren Leidensgenossen in Arlit im Nordwe-sten Nigers entführt worden. Letztere drei kamen bereits im Februar 2011 frei. In Arlit befindet sich eine von Areva unterhaltene Uranmine, Vinci agiert dort als Anlagenbauer.

Für die Freilassung der Geiseln hat-te AQMI einen Gefangenenaustausch, die Rücknahme des Kopftuchverbots in Frankreich sowie 90 Millionen Eu-ro Lösegeld verlangt. Die jetzige Er-folgsnachricht traf deswegen nicht auf ungeteilte Freude. Zwar beeilten sich offizielle Stellen, das Ende des Gei-seldramas als reinen Verhandlungser-folg darzustellen, und stritten ab, daß man die Forderungen der Entführer erfüllt habe. Da es aber keinen Ge-fangenenaustausch gab und auch das Schleierverbot bestehen bleibt, liegt es

nahe, daß sehr wohl Lösegeld gezahlt wurde. Die französische Tageszeitung Le Monde berichtete am Mittwoch, daß die Entführer »über 20 Millionen Euro« erhalten hätten. Der Radiosen-der RFI bestätigte dies unter Berufung auf eine Quelle, die dem nigrischen Verhandlungsführer »sehr, sehr nahe« stehe. Das Geld habe der französische Geheimdienst DGST im Austausch gegen die GPS-Koordinaten der Gei-seln in der Wüste deponiert.

Schlechte Erinnerungen werden wach, hatten doch mehrere europä-ische Regierungen, darunter die deut-sche, AQMI in den vergangenen zehn Jahren immer wieder Millionen-Lö-segelder zukommen lassen. Es dürf-ten nicht zuletzt diese Mittel gewesen sein, die den Islamisten 2012 zu ei-nem ihrer größten Erfolge verhalfen. Im Anschluß an die Revolte der Tua-reg-Separatisten der »Nationalbewe-gung für die Befreiung von Azawad« ( MNLA) übernahmen sie gemeinsam mit anderen Dschihadisten-Gruppen die Kontrolle über den Norden des Nachbarlands Mali. Die Lage ist dort – wie im Niger – nach wie vor an-gespannt. Areva weigert sich derweil weiter hartnäckig, den Forderungen der Bevölkerung im Niger entgegen-zukommen, die Schutz vor den kata-

strophalen Auswirkungen des Uran-bergbaus und eine Beteiligung an den Gewinnen verlangt. Der Konflikt wird so weiter angeheizt. Das Geiseldrama diente dem Atomkonzern dennoch als Anlaß, unter Hinweis auf die Bedro-hung durch AQMI die Eröffnung einer weiteren Mine bei Imouraren hinaus-zuzögern. Areva dürfte das aufgrund des Kollaps auf dem Uranmarkt nach der Reaktorkatastrophe von Fukushi-ma recht gewesen sein. Dem Niger jedoch entgingen Einnahmen, mit de-nen das verarmte Land fest gerechnet hatte.

Die Verträge sollen nun neu ver-handelt werden. Bürgerrechtler de-monstrieren seit Wochen, um den nigrischen Präsidenten Mahamadou Issoufou zu drängen, sich gegenüber dem Konzern unnachgiebig zu zeigen. Im vergangenen Winter war bekannt geworden, daß Areva ihm als »Ent-schädigung« für Imouraren ein neues Flugzeug schenken wollte. Wenn in dieser Situation AQMI mit Millionen-beträgen überschüttet wird, liegt der Verdacht nahe, daß einmal mehr die Dschihadisten-Karte gespielt werden soll. Die verschärften »Sicherheits-maßnahmen«, die so gerechtfertigt werden, richten sich jedoch nur vor-dergründig gegen AQMI. Hauptadres-

Rekordergebnis ignoriertBlockade Kubas verurteilt. Konzernmedien ist das kaum eine Meldung wert

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Freitag, 1. November 2013, Nr. 253 7POLITIKFreitag, 1. November 2013, Nr. 253 6 POLITIK Freitag, 1. Oktober 2014, Nr. 1beilage4

Mit der Blockade gegen Kuba hat sich Washington weiter als je zuvor von der Völ-

kergemeinschaft isoliert. Einzig Israel unterstützte in der UN-Generalver-sammlung am Dienstag noch die US-Politik gegen die sozialistische Kari-bikinsel, 188 Staaten verurteilten sie, und selbst die drei ökonomisch von den USA abhängigen Pazifikstaaten Mikronesien, Marshallinseln und Pa-lau trauten sich eine Enthaltung zu (jW berichtete).

Neben diesem Rekordergebnis zeigte vor allem die Schärfe der Re-debeiträge, daß die Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten nicht bereit ist, das Verhalten der USA länger zu tolerie-ren. »Die USA stellen sich über die Völker der Welt«, stellte Boliviens UN-Botschafter Sacha Llorenty fest. Im Namen des Wirtschaftsbündnisses Mercosur kritisierte Venezuelas Ver-treter Samuel Moncada die »flagrante Verletzung der UN-Charta durch die USA«. Eine deutliche Warnung sprach Chinas ständiger UN-Repräsentant, Wang Min, aus. Die exterritoriale Aus-weitung der US-Blockade gegen Kuba auf Drittländer verletze »die Interessen und die Souveränität« dieser Staaten, erklärte der Diplomat und versicherte, daß China dies nicht hinnehme.

In Deutschland forderte die entwick-lungspolitische Sprecherin der Frakti-on Die Linke, Heike Hänsel, am Mitt-woch die Europäische Kommission, den EU-Ministerrat und die Bundesre-gierung auf, den Online-Bezahldienst PayPal mit Sanktionen zu belegen. Grundlage dafür seien die Bestimmun-gen der »EU Blocking Regulation«, mit der eine Ausdehnung der US-Blockade gegen Kuba auf Europa verhindert werden soll. PayPal, die europäische Tochter eines US-Unternehmens, hat-te wiederholt Guthaben von Nutzern in Deutschland eingefroren, um diese zum Abbruch ihrer Geschäftsbeziehun-gen mit Kuba zu zwingen.

In den bundesdeutschen Konzern-medien fand das Votum in New York bestenfalls in den Meldungsspal-ten Platz. In den Nachbarländern zi-tierten dagegen der Tages-Anzeiger (Schweiz), der Standard (Österreich) und andere Blätter sogar den kubani-schen Außenminister Bruno Rodríguez mit dem Satz: »Die USA sind mit ih-rer Politik gegen Kuba völlig isoliert, es fehlt jede ethische oder rechtliche Grundlage.« Die spanischen Tageszei-tungen El País und El Mundo, die Äu-ßerungen kubanischer Systemgegner regelmäßig auf der Titelseite bringen, fanden hingegen auch nur wenig Platz

für die Entscheidung in New York. »Es scheint UN-Resolutionen erster und zweiter Klasse zu geben«, spöttelte ein Leser der Onlinezeitung Público. Im Gegensatz zu den Konzernblättern hatte das linksliberale Portal bereits am Dienstag ausführlich berichtet und in wenigen Stunden 77 Leserkommen-tare erhalten. Umfangreiche Informa-tionen boten auch das Internetportal des Moskauer Fernsehsenders Russia Today (RT) und der iranische Kanal HispanTV sowie die chinesische Nach-richtenagentur Xinhua. Diese hob her-vor, daß die Pekinger Regierung nicht nur in den Vereinten Nationen, sondern auch direkt gegenüber den USA auf eine Beendigung der Blockade dränge.

Die Medien der USA übernahmen teilweise eine kurze Agenturmeldung oder verschwiegen das Thema ganz. Lediglich die Washington Post veröf-fentlichte einen längeren Artikel, zu dem auch eigene Korrespondentinnen aus Havanna und vom UN-Sitz in New York beitrugen. So erfuhren die Post-Leser, daß alle Debattenbeiträge der UN-Generalversammlung, einschließ-lich der Stellungnahme des US-Vertre-ters Ronald D. Godard, live und in vol-ler Länge im kubanischen Fernsehen übertragen worden waren.

Die Medien der Insel äußerten sich zufrieden über das weiter gestärkte Votum der Weltgemeinschaft gegen die US-Blockade. In der Tageszeitung Granma wies ein Kommentator aller-dings auch kritisch darauf hin, daß eine Reform der Vereinten Nationen drin-gend notwendig sei, damit »Beschlüsse wie diese verbindlich werden und das Land, das die Blockade aufrecht erhält, dazu verpflichten, sie zu beenden, wie es die Mehrheit der Welt fordert«.

Flüchtlinge in der Sahara verdurstetBAMAKO. 87 Migranten, die auf dem Weg nach Europa die Sahara durchqueren wollten, sind tot im Norden Nigers ent-deckt worden. Das Fahrzeug, in dem sie saßen, sei nahe der Grenze zu Algerien liegenge-blieben, und die Menschen – zumeist Frauen und Kinder – seien anschließend verdurstet, berichteten Rettungskräfte am Donnerstag. Die nigrischen Streitkräfte bestätigten die Zahl der Toten und ergänzten, daß darunter 32 Frauen und 48 Kinder seien. Bereits Ende September hätten die Menschen die 150 Kilometer südlich der Grenze gelegene Stadt Arlit per Lastwagen verlassen. (dpa/jW)

Pakistan: weiter US-Drohnenan-griffeISLAMABAD. Trotz der Prote-ste des pakistanischen Premier-ministers Nawaz Sharif setzen die USA ihre Drohnenangriffe im Grenzgebiet zu Afghanistan fort. Bei Raketenbeschuß im Stammesgebiet Nord-Waziri-stan seien am Donnerstag drei mutmaßliche Extremisten getö-tet worden, hieß es aus Sicher-heitskreisen. Das Außenmini-sterium in Islamabad verurteilte den Vorfall als »Verletzung von Pakistans Souveränität«. Sharif hatte vergangene Woche bei einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama in Washington ein Ende der Drohneneinsätze gefordert. (dpa/jW)

Türkei: Mit Kopf-tuch im ParlamentISTANBUL. Mit dem demon-strativen Tragen eines Kopf-tuchs im Parlament in Ankara haben vier weibliche Abge-ordnete einen Tabubruch in der Türkei begangen. Alle vier Parlamentarierinnen gehörten der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP an, wie türkische Medien berichteten. Zuletzt war 1999 die Abge-ordnete Merve Kavakci mit Kopftuch im Parlament in An-kara erschienen. Sie hatte einen Eklat ausgelöst. Ihr wurden die Staatsangehörigkeit und ihr Parlamentssitz aberkannt.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte Ende vergangenen Monats das Kopf-tuchverbot im öffentlichen Dienst außer in der Justiz und bei den Sicherheitskräften ge-kippt. (dpa/jW)

Kooperationsver-trag Rußland–Ni-caragua MANAGUA. Rußland und Ni-caragua haben am Mittwoch ein militärisches Kooperati-onsabkommen geschlossen. Die Streitkräfte beider Länder würden sich künftig regelmäßig über Fragen der internationalen Sicherheit austauschen, sagte der Vorsitzende des russischen

Bei einem US-amerikanischen Drohnenangriff in Nordwest-pakistan sind in der Nacht zum

Donnerstag mindestens drei Men-schen getötet und ebenso viele verletzt worden. Schauplatz der Operation, bei der zwei Raketen auf ein Gebäude abgeschossen wurden, war ein Dorf nahe Miranshah, der Hauptstadt des Bezirks Nordwasiristan. Anonyme Quellen in den pakistanischen Sicher-heitskräften behaupteten der Routine entsprechend, daß es sich bei den Op-fern ausschließlich um mutmaßliche »Militante«, also bewaffnete Kämp-fer, gehandelt habe, ohne sie irgendei-ner Gruppierung zuzuordnen.

Pakistans Regierungschef Nawaz Sharif war am vorigen Mittwoch von Barack Obama im Weißen Haus emp-fangen worden. Nach eigenen Angaben hatte er bei dieser Gelegenheit den US-Präsidenten aufgefordert, die Droh-neneinsätze gegen Ziele in Pakistan einzustellen, da sie die Souveränität seines Landes verletzten und politisch kontraproduktiv seien. Obama hatte

das heikle Thema bei der anschließen-den gemeinsamen Pressekonferenz nur kurz mit leeren Phrasen gestreift. Der gestrige Angriff, es war der 24. in diesem Jahr, stellt seine praktische Antwort auf Sharifs Appell dar. Das scheint die Kritik der oppositionellen PTI zu bestätigen, daß der Premier die pakistanische Position allzu beschei-den und unterwürfig vorgetragen habe. Ganz sicher nicht hilfreich war eine am Mittwoch veröffentlichte Statistik des pakistanischen Verteidigungsministe-riums, die mit überraschenden, völlig neuen Zahlen aufwartete. Danach sol-len bei sämtlichen Drohnenangriffen der vergangenen fünf Jahre »nur« 67 Zivilisten getötet worden sein. Gegen-über UN-Vertretern hatte die pakista-nische Regierung im März die Zahl der seit Beginn der Angriffe im Jahr 2004 getöteten Zivilpersonen mit min-destens 400, möglicherweise bis zu 600 angegeben. Rund 85 Prozent aller bewaffneten Drohneneinsätze gegen Pakistan fanden in der Amtszeit von Obama statt.

Die Angaben gegenüber der UNO stellten die erste derartige Auskunft einer pakistanischen Regierung zum Gesamtumfang der Angriffe und ihrer Folgen dar. Was die jetzt erfolgte »Kor-rektur« nach unten durch das Vertei-digungsministerium – und damit vor allem durch das in Pakistan sehr ein-flußreiche Oberkommando der Streit-kräfte – veranlaßt hat, kann nur vermu-tet werden. Das Ministerium folgte jetzt sogar der unglaubwürdigen Behaup-tung der US-Regierung, im laufenden Jahr ebenso wie im vorigen sei nicht eine einzige Zivilperson durch Drohnen getötet worden. Wenn das wahr wäre, würde die damals 67jährige Momina Bibi noch leben, die am 24. Oktober 2012 bei der Gartenarbeit in einem Dorf Nordwasiristans von der Rakete eines unbemannten Flugkörpers zerfetzt wurde. Ihr Sohn Rafiq Rahman, ein Grundschullehrer, war zusammen mit seiner neunjährigen Tochter Nabila und seinem 13jährigen Sohn Zubair in den vergangenen Tagen auf Einladung des demokratischen Kongreßabgeordneten

Alan Grayson in den USA, um über den Tod seiner Mutter zu berichten.

Neben zahlreichen Interviews tra-ten die drei Paschtunen am Dienstag auch bei einem sogenannten »Brie-fing« des Kongresses auf, das formal unterhalb eines offiziellen »Hearings« rangiert. Außer Grayson mochten sich nur noch vier andere Kongreßmit-glieder, auch sie alle Abgeordnete der Demokratischen Partei, die Mühe und Qual antun, sich über die Folgen der Drohnenangriffe aus erster Hand zu informieren. Sie hörten, wie die Furcht vor den furchtbaren Raketen der Flug-körper, von denen oft mehrere viele Stunden lang über den Dörfern kreisen, das Leben der Bevölkerung bestimmt und vergiftet. Obama, der sich erst kürzlich mit dem Empfang des 16jäh-rigen Taliban-Opfers Malala Yousafzai schmückte, ignorierte die Gelegenheit, die neunjährige Nabila Rahman eben-falls ins Weiße Haus einzuladen. Sie hatte bei dem Angriff nicht nur ihre Großmutter verloren, sondern war auch selbst erheblich durch Splitter verletzt

Obama setzt auf DrohnenPakistanisches Verteidigungsministerium »korrigiert« Opferzahlen nach unten. Von Knut Mellenthin

Zwischen Sudan und Südsudan gibt es neue Spannungen. In der von beiden nordostafrikani-

schen Nachbarländern beanspruchten Grenzregion Abyei fand nun ein Refe-rendum um die staatliche Zugehörig-keit des erdölreichen Gebietes statt. Seit der Abspaltung von Südsudan im Juli 2011 konnte keine Einigung darüber erzielt werden, zu welchem der beiden Staaten die Region gehören soll. Nicht einmal darauf, wer berechtigt ist, über diese Frage abzustimmen, konnten sich die Regierungen in Khartum und Juba verständigen. Nun will die Bevölke-rung vor Ort offenbar Fakten schaffen. 99,89 Prozent der Einwohner der Regi-on stimmten Angaben der inoffiziellen Wahlorganisatoren vom gestrigen Don-nerstag für den Anschluß an Südsudan. Das berichtete die Sudan Tribune.

Bisher war ein Referendum vor allem an der Frage gescheitert, wer zur Teilnahme berechtigt sei. Neben der in der Region großen Bevölke-rungsgruppe der Ngok Dinka, deren Loyalität Richtung Südsudan geht, wohnen hier zumindest zeitweise Angehörige der Misseriya. Diese no-madisch lebende Gruppe hat in der Vergangenheit häufig an der Seite Khartums in Konflikte eingegriffen. Während Khartum der Ansicht ist, daß die Misseriya über den Status von Abyei mitentscheiden sollen, will die Regierung von Südsudan genau dies verhindern. Ursprünglich war ei-ne Abstimmung über den Status von Abyei bereits für Januar 2011 geplant, zeitgleich mit dem Unabhängigkeits-referendum im Südsudan. Letzteres hatte zur Abspaltung des Südens im Juli 2011 geführt. Seither wird über die weitere Vorgangsweise verhan-delt. Im vergangenen Jahr empfahl Südafrikas ehemaliger Präsident Tha-bo Mbeki als Vermittler der Afrika-nischen Union ein Referendum unter Ausschluß der Misseriya. Doch auch dies brachte keine neue Bewegung. Vor einigen Wochen hatten Vertreter der Ngok Dinka schließlich die Befra-gung für Ende Oktober angekündigt.

Nun wurde seit vergangenem Sonn-tag in Abyei abgestimmt. Die genauen Umstände und Termine sind aufgrund des inoffiziellen Charakters des Refe-rendums unklar. Am Montag bereits hatte die Nachrichtenagentur Reuters

berichtet, daß schon »Zehntausende« Einwohner abgestimmt hätten. Die Regierungen beider Länder haben sich derweil von dem Referendum distan-ziert. Beobachter vermuten jedoch, daß Südsudan finanzielle und logisti-sche Unterstützung gewährte. Auch die Afrikanische Union (AU) und die Vereinten Nationen (UNO) lehnen die Initiative der Bevölkerung Abyeis ab. In jedem Fall kommt diese den Inter-essen Jubas entgegen. Allgemein wur-de bereits im Vorfeld eine Mehrheit für die Zugehörigkeit zum Süden er-wartet. Und selbst wenn das Ergebnis von den entscheidenden Institutionen offiziell nicht zur Kenntnis genom-men werden sollte, dürfte es dennoch die Position Jubas in dem Grenzstreit stärken.

Allerdings könnte die Abstimmung auch den schwelenden Konflikt zwi-schen den beiden Nachbarländern er-neut eskalieren lassen. Während der

vergangenen Tage verschärfte sich bereits der Ton in der Auseinander-setzung. Die dem Südsudan naheste-hende Sudan Tribune zitierte am Mitt-woch den Sprecher des sudanesischen Parlaments, Ahmed Ibrahim Al-Tahir, das Referendum als »Rebellion« be-zeichnete. Al-Tahir verglich die Ab-stimmung mit den bewaffneten Auf-ständen in den Provinzen Südkordofan und Blauer Nil, gegen die Khartum immer wieder militärisch vorgeht. Auch von Seiten der Misseriya gab es Medienberichten zufolge bereits Ankündigungen, Abyei nötigenfalls »verteidigen« zu wollen. Diplomati-schere Worte fand indes Sudans Prä-sident Omar Al-Baschir, der laut BBC Anfang der Woche versicherte, er und sein südsudanesischer Amtskollege Salva Kiir würden sich weiterhin um eine Lösung des Konflikts bemühen, die den Wünschen der lokalen Ge-meinschaften entspricht.

Abstimmung als RebellionSudan und Südsudan: Bewohner der Grenzregion Abyei halten Referendum über staatliche

Mit südsudanesischen Flaggen bekunden Frauen in Abyei, der Hauptstadt der gleichnamigen Grenzregion zwi-schen Sudan und Südsudan, ihre Haltung beim Referendum

Teure FreiheitAl-Qaida-Arm in Niger läßt vier Areva-Mitarbeiter frei. Lösegeldzahlung stärkt Islamisten und schafft Vorwand zur Repression. Von Jörg Tiedjen

Auf den ersten Blick ist es eine lang ersehnte Nachricht: Die vier Mitarbeiter der französi-

schen Konzerne Areva und Vinci, die seit Herbst 2010 von der radikalisla-mistischen »Al-Qaida im islamischen Maghreb« (AQMI) gefangengehalten wurden, sind seit Dienstag frei. Die Franzosen Daniel Larribe, Marc Fé-ret, Pierre Legrand und Thierry Dole waren am frühen Morgen des 16. Sep-tember 2010 zusammen mit Larribes Frau Françoise sowie zwei weiteren Leidensgenossen in Arlit im Nordwe-sten Nigers entführt worden. Letztere drei kamen bereits im Februar 2011 frei. In Arlit befindet sich eine von Areva unterhaltene Uranmine, Vinci agiert dort als Anlagenbauer.

Für die Freilassung der Geiseln hat-te AQMI einen Gefangenenaustausch, die Rücknahme des Kopftuchverbots in Frankreich sowie 90 Millionen Eu-ro Lösegeld verlangt. Die jetzige Er-folgsnachricht traf deswegen nicht auf ungeteilte Freude. Zwar beeilten sich offizielle Stellen, das Ende des Gei-seldramas als reinen Verhandlungser-folg darzustellen, und stritten ab, daß man die Forderungen der Entführer erfüllt habe. Da es aber keinen Ge-fangenenaustausch gab und auch das Schleierverbot bestehen bleibt, liegt es

nahe, daß sehr wohl Lösegeld gezahlt wurde. Die französische Tageszeitung Le Monde berichtete am Mittwoch, daß die Entführer »über 20 Millionen Euro« erhalten hätten. Der Radiosen-der RFI bestätigte dies unter Berufung auf eine Quelle, die dem nigrischen Verhandlungsführer »sehr, sehr nahe« stehe. Das Geld habe der französische Geheimdienst DGST im Austausch gegen die GPS-Koordinaten der Gei-seln in der Wüste deponiert.

Schlechte Erinnerungen werden wach, hatten doch mehrere europä-ische Regierungen, darunter die deut-sche, AQMI in den vergangenen zehn Jahren immer wieder Millionen-Lö-segelder zukommen lassen. Es dürf-ten nicht zuletzt diese Mittel gewesen sein, die den Islamisten 2012 zu ei-nem ihrer größten Erfolge verhalfen. Im Anschluß an die Revolte der Tua-reg-Separatisten der »Nationalbewe-gung für die Befreiung von Azawad« ( MNLA) übernahmen sie gemeinsam mit anderen Dschihadisten-Gruppen die Kontrolle über den Norden des Nachbarlands Mali. Die Lage ist dort – wie im Niger – nach wie vor an-gespannt. Areva weigert sich derweil weiter hartnäckig, den Forderungen der Bevölkerung im Niger entgegen-zukommen, die Schutz vor den kata-

strophalen Auswirkungen des Uran-bergbaus und eine Beteiligung an den Gewinnen verlangt. Der Konflikt wird so weiter angeheizt. Das Geiseldrama diente dem Atomkonzern dennoch als Anlaß, unter Hinweis auf die Bedro-hung durch AQMI die Eröffnung einer weiteren Mine bei Imouraren hinaus-zuzögern. Areva dürfte das aufgrund des Kollaps auf dem Uranmarkt nach der Reaktorkatastrophe von Fukushi-ma recht gewesen sein. Dem Niger jedoch entgingen Einnahmen, mit de-nen das verarmte Land fest gerechnet hatte.

Die Verträge sollen nun neu ver-handelt werden. Bürgerrechtler de-monstrieren seit Wochen, um den nigrischen Präsidenten Mahamadou Issoufou zu drängen, sich gegenüber dem Konzern unnachgiebig zu zeigen. Im vergangenen Winter war bekannt geworden, daß Areva ihm als »Ent-schädigung« für Imouraren ein neues Flugzeug schenken wollte. Wenn in dieser Situation AQMI mit Millionen-beträgen überschüttet wird, liegt der Verdacht nahe, daß einmal mehr die Dschihadisten-Karte gespielt werden soll. Die verschärften »Sicherheits-maßnahmen«, die so gerechtfertigt werden, richten sich jedoch nur vor-dergründig gegen AQMI. Hauptadres-

Rekordergebnis ignoriertBlockade Kubas verurteilt. Konzernmedien ist das kaum eine Meldung wert

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Freitag, 1. November 2013, Nr. 253 7POLITIKFreitag, 1. November 2013, Nr. 253 6 POLITIK Freitag, 1. Oktober 2014, Nr. 1beilage4

n Anzeigen in Beilagen

Sonderbeilagen der Tageszeitung junge Welt zeichnen sich durch unverwechselbare Schwerpunktsetzung und analytische Brillanz aus. Sie erreichen neben dem Stammleserkreis zahlreiche interessante Zielgruppen mit hoher Bildung und ausgeprägter gesellschaftli-cher Aktivität. Unsere ständigen Leserinnen und Leser nehmen diese jW-Specials als hochwertiges Angebot besonders gut wahr. Zugleich werden diese Beilagen über mehrere Monate als Marke-tinginstrument genutzt und entfalten so eine ausgesprochen nach-haltige Wirkung. Ihre Anzeigenschaltung in einer jW-Sonderbeilage erreicht also nicht nur zielgenau die Interessenten, sie ist auch für einen langen Zeitraum bei jW-Auftritten auf Veranstaltungen und Messen präsent.

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Page 9: n Anzeigenpreisliste Nr. 24 vom 1.10 - Junge WeltDie den real existierenden Kapitalismus nicht für das Ende der Geschichte hält. Leserinnen und Leser, die diese Zeitung für sich

9n Beilagen 2015

Für den US-Milliardär Nick Hanauer steht der Aufstand der Armen bevor: In einem jetzt in den USA veröffentlichen offenen Brief mahnt der Mitbegründer

von Amazon seine »Mitplutokraten«, die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößere sich mit Riesenschritten. »Wenn wir unsere Politik nicht einschneidend ändern, wird die Mittelklasse verschwinden, und wir finden uns wieder am Ende des 18. Jahrhunderts in Frankreich. Vor der Revolution.«

»Wacht auf, Leute, es wird nicht mehr lange dauern!« heißt es weiter in dem per Internet verbreiteten Schreiben. »Bevor ihr es richtig merkt, steht das Land in Flammen. Dann bleibt uns keine Zeit mehr, zum Flughafen zu kommen und per Privatjet nach Neuseeland zu flüchten.« Hanauer hat wohl recht, es könnte für ihn und seinesgleichen eng werden.

Milliardären wie ihm geht es aber eher nicht

um Humanismus. Sie treibt vielmehr die Sorge um, daß es eines Tages mit einem Luxusleben vorbei sein könnte, »das sich die anderen 99,99 Prozent der Amerikaner nicht einmal vorstel-len können«. Irgendwann, schwant es Hanauer, wird der Knoten platzen: »Zeig mir eine sehr ungleiche Gesellschaft, und ich zeige dir einen Polizeistaat oder einen Aufstand. Es gibt keine Gegenbeispiele, kein einziges. Die Frage ist nicht ob, sondern wann.«

Daß ein »Aufstand der Mistgabeln« (Hanau-er) droht, wissen auch die Polizeibehörden der EU-Staaten und anderer kapitalistischer Län-der. Um Leute wie Hanauer & Co. zu schützen, wird aufgerüstet: Da wird am Demonstrations- und Streikrecht herumgeschraubt, die Polizei setzt Drohnen ein, das Internet wird von zig Be-hörden und nicht zuletzt vom US-Geheimdienst überwacht.

Auch die Justiz spielt mit: Schuldig sind in

der Regel Demonstranten oder Streikende, An-zeigen gegen Polizisten werden – zumindest in Deutschland – gerne mit Gegenanzeigen we-gen »Verleumdung« oder »Widerstandes gegen die Staatsgewalt« beantwortet. Stehen Polizisten doch einmal als Zeugen vor Gericht, kann man getrost von der Volksweisheit ausgehen, daß eine Krähe der anderen kein Auge aushackt.

Einige der genannten Aspekte werden auch in der vorliegenden jW-Beilage »Staat & Gewalt« aufgegriffen. Bodo Ramelow, möglicherweise nach der Wahl im September neuer Minister-präsident Thüringens, gibt einen Überblick über die Bespitzelung der Linkspartei durch die Ver-fassungsschutzämter (Seite 2). Auf Seite 3 folgt ein Interview mit dem Kriminalbiologen Mark Benecke, dem Bundespolizisten gründlich die Lust ausgetrieben haben, sie an deren Fachhoch-schule weiterhin in Sachen Forensik zu unter-richten.

»Der Kampf um das Demorecht beginnt auf der Straße« ist ein Interview mit Elke Steven vom Grundrechtekomitee überschrieben. Sie schildert darin (Seite 4), wie engagierte Juristen versuchen, der Polizei bei ihren Einsätzen gegen Demon-stranten auf die Finger zu schauen. Das Schick-sal Tausender Bootsflüchtlinge steht im Zentrum eines Beitrages von Ulla Jelpke, der innenpoli-tischen Sprecherin der Linksfraktion (Seite 5). Sie konzentriert sich darin auf FRONTEX, die Flüchtlingsabwehrorganisation der EU. Auf der folgenden Seite schildert dieselbe Autorin, wie die Polizeistatistik die Öffentlichkeit in die Irre führt.

Den Abschluß bilden ein Bericht von Markus Bernhardt (Seite 7) über die Schießwut von Polizisten sowie ein Beitrag über eine Neuent-wicklung, die auch deutsche Polizeiführer be-geistern dürfte: Drohnen, die Gummigeschosse, Farb- oder Reizgaskugeln auf Demonstranten verschießen können.

Die Kluft wird immer größerSoziale Widersprüche wachsen, Polizeibehörden rüsten auf. Justiz spielt munter mit. Von Peter Wolter

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Polizeigewalt in Berlin: Beamte fallen über einen Demonstranten her, der gegen die Räumung der von

Flüchtlingen besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule protestierte (27. Juni). Hunderte Polizisten haben die

Ohlauer Straße abgesperrt, im Wohngebiet herrscht seitdem Ausnahmezustand

Staat & GewaltDie Linkspartei im Visier des Verfassungsschutzes – Lagebericht über die Bespitzelung von Bodo Ramelow n Seite 2 Kriminalbiologe Mark Benecke im Interview: Bislang hatte er Bundespolizisten ausgebildet, jetzt haben sie ihn zum Mal schikaniert. n Seite 3 Kompetenzgerangel in der EU: Ulla Jelpke über die neuen Aufgaben von FRONTEX. n Seite 5 Wenn Drohnen über den Köpfen dröhnen: Peter Wolter über Gummi geschosse und Pfefferspray. n Seite 8

Spezial

Mit der Blockade gegen Kuba hat sich Washington weiter als je zuvor von der Völ-

kergemeinschaft isoliert. Einzig Israel unterstützte in der UN-Generalver-sammlung am Dienstag noch die US-Politik gegen die sozialistische Kari-bikinsel, 188 Staaten verurteilten sie, und selbst die drei ökonomisch von den USA abhängigen Pazifikstaaten Mikronesien, Marshallinseln und Pa-lau trauten sich eine Enthaltung zu (jW berichtete).

Neben diesem Rekordergebnis zeigte vor allem die Schärfe der Re-debeiträge, daß die Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten nicht bereit ist, das Verhalten der USA länger zu tolerie-ren. »Die USA stellen sich über die Völker der Welt«, stellte Boliviens UN-Botschafter Sacha Llorenty fest. Im Namen des Wirtschaftsbündnisses Mercosur kritisierte Venezuelas Ver-treter Samuel Moncada die »flagrante Verletzung der UN-Charta durch die USA«. Eine deutliche Warnung sprach Chinas ständiger UN-Repräsentant, Wang Min, aus. Die exterritoriale Aus-weitung der US-Blockade gegen Kuba auf Drittländer verletze »die Interessen und die Souveränität« dieser Staaten, erklärte der Diplomat und versicherte, daß China dies nicht hinnehme.

In Deutschland forderte die entwick-lungspolitische Sprecherin der Frakti-on Die Linke, Heike Hänsel, am Mitt-woch die Europäische Kommission, den EU-Ministerrat und die Bundesre-gierung auf, den Online-Bezahldienst PayPal mit Sanktionen zu belegen. Grundlage dafür seien die Bestimmun-gen der »EU Blocking Regulation«, mit der eine Ausdehnung der US-Blockade gegen Kuba auf Europa verhindert werden soll. PayPal, die europäische Tochter eines US-Unternehmens, hat-te wiederholt Guthaben von Nutzern in Deutschland eingefroren, um diese zum Abbruch ihrer Geschäftsbeziehun-gen mit Kuba zu zwingen.

In den bundesdeutschen Konzern-medien fand das Votum in New York bestenfalls in den Meldungsspal-ten Platz. In den Nachbarländern zi-tierten dagegen der Tages-Anzeiger (Schweiz), der Standard (Österreich) und andere Blätter sogar den kubani-schen Außenminister Bruno Rodríguez mit dem Satz: »Die USA sind mit ih-rer Politik gegen Kuba völlig isoliert, es fehlt jede ethische oder rechtliche Grundlage.« Die spanischen Tageszei-tungen El País und El Mundo, die Äu-ßerungen kubanischer Systemgegner regelmäßig auf der Titelseite bringen, fanden hingegen auch nur wenig Platz

für die Entscheidung in New York. »Es scheint UN-Resolutionen erster und zweiter Klasse zu geben«, spöttelte ein Leser der Onlinezeitung Público. Im Gegensatz zu den Konzernblättern hatte das linksliberale Portal bereits am Dienstag ausführlich berichtet und in wenigen Stunden 77 Leserkommen-tare erhalten. Umfangreiche Informa-tionen boten auch das Internetportal des Moskauer Fernsehsenders Russia Today (RT) und der iranische Kanal HispanTV sowie die chinesische Nach-richtenagentur Xinhua. Diese hob her-vor, daß die Pekinger Regierung nicht nur in den Vereinten Nationen, sondern auch direkt gegenüber den USA auf eine Beendigung der Blockade dränge.

Die Medien der USA übernahmen teilweise eine kurze Agenturmeldung oder verschwiegen das Thema ganz. Lediglich die Washington Post veröf-fentlichte einen längeren Artikel, zu dem auch eigene Korrespondentinnen aus Havanna und vom UN-Sitz in New York beitrugen. So erfuhren die Post-Leser, daß alle Debattenbeiträge der UN-Generalversammlung, einschließ-lich der Stellungnahme des US-Vertre-ters Ronald D. Godard, live und in vol-ler Länge im kubanischen Fernsehen übertragen worden waren.

Die Medien der Insel äußerten sich zufrieden über das weiter gestärkte Votum der Weltgemeinschaft gegen die US-Blockade. In der Tageszeitung Granma wies ein Kommentator aller-dings auch kritisch darauf hin, daß eine Reform der Vereinten Nationen drin-gend notwendig sei, damit »Beschlüsse wie diese verbindlich werden und das Land, das die Blockade aufrecht erhält, dazu verpflichten, sie zu beenden, wie es die Mehrheit der Welt fordert«.

Flüchtlinge in der Sahara verdurstetBAMAKO. 87 Migranten, die auf dem Weg nach Europa die Sahara durchqueren wollten, sind tot im Norden Nigers ent-deckt worden. Das Fahrzeug, in dem sie saßen, sei nahe der Grenze zu Algerien liegenge-blieben, und die Menschen – zumeist Frauen und Kinder – seien anschließend verdurstet, berichteten Rettungskräfte am Donnerstag. Die nigrischen Streitkräfte bestätigten die Zahl der Toten und ergänzten, daß darunter 32 Frauen und 48 Kinder seien. Bereits Ende September hätten die Menschen die 150 Kilometer südlich der Grenze gelegene Stadt Arlit per Lastwagen verlassen. (dpa/jW)

Pakistan: weiter US-Drohnenan-griffeISLAMABAD. Trotz der Prote-ste des pakistanischen Premier-ministers Nawaz Sharif setzen die USA ihre Drohnenangriffe im Grenzgebiet zu Afghanistan fort. Bei Raketenbeschuß im Stammesgebiet Nord-Waziri-stan seien am Donnerstag drei mutmaßliche Extremisten getö-tet worden, hieß es aus Sicher-heitskreisen. Das Außenmini-sterium in Islamabad verurteilte den Vorfall als »Verletzung von Pakistans Souveränität«. Sharif hatte vergangene Woche bei einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama in Washington ein Ende der Drohneneinsätze gefordert. (dpa/jW)

Türkei: Mit Kopf-tuch im ParlamentISTANBUL. Mit dem demon-strativen Tragen eines Kopf-tuchs im Parlament in Ankara haben vier weibliche Abge-ordnete einen Tabubruch in der Türkei begangen. Alle vier Parlamentarierinnen gehörten der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP an, wie türkische Medien berichteten. Zuletzt war 1999 die Abge-ordnete Merve Kavakci mit Kopftuch im Parlament in An-kara erschienen. Sie hatte einen Eklat ausgelöst. Ihr wurden die Staatsangehörigkeit und ihr Parlamentssitz aberkannt.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte Ende vergangenen Monats das Kopf-tuchverbot im öffentlichen Dienst außer in der Justiz und bei den Sicherheitskräften ge-kippt. (dpa/jW)

Kooperationsver-trag Rußland–Ni-caragua MANAGUA. Rußland und Ni-caragua haben am Mittwoch ein militärisches Kooperati-onsabkommen geschlossen. Die Streitkräfte beider Länder würden sich künftig regelmäßig über Fragen der internationalen Sicherheit austauschen, sagte der Vorsitzende des russischen

Bei einem US-amerikanischen Drohnenangriff in Nordwest-pakistan sind in der Nacht zum

Donnerstag mindestens drei Men-schen getötet und ebenso viele verletzt worden. Schauplatz der Operation, bei der zwei Raketen auf ein Gebäude abgeschossen wurden, war ein Dorf nahe Miranshah, der Hauptstadt des Bezirks Nordwasiristan. Anonyme Quellen in den pakistanischen Sicher-heitskräften behaupteten der Routine entsprechend, daß es sich bei den Op-fern ausschließlich um mutmaßliche »Militante«, also bewaffnete Kämp-fer, gehandelt habe, ohne sie irgendei-ner Gruppierung zuzuordnen.

Pakistans Regierungschef Nawaz Sharif war am vorigen Mittwoch von Barack Obama im Weißen Haus emp-fangen worden. Nach eigenen Angaben hatte er bei dieser Gelegenheit den US-Präsidenten aufgefordert, die Droh-neneinsätze gegen Ziele in Pakistan einzustellen, da sie die Souveränität seines Landes verletzten und politisch kontraproduktiv seien. Obama hatte

das heikle Thema bei der anschließen-den gemeinsamen Pressekonferenz nur kurz mit leeren Phrasen gestreift. Der gestrige Angriff, es war der 24. in diesem Jahr, stellt seine praktische Antwort auf Sharifs Appell dar. Das scheint die Kritik der oppositionellen PTI zu bestätigen, daß der Premier die pakistanische Position allzu beschei-den und unterwürfig vorgetragen habe. Ganz sicher nicht hilfreich war eine am Mittwoch veröffentlichte Statistik des pakistanischen Verteidigungsministe-riums, die mit überraschenden, völlig neuen Zahlen aufwartete. Danach sol-len bei sämtlichen Drohnenangriffen der vergangenen fünf Jahre »nur« 67 Zivilisten getötet worden sein. Gegen-über UN-Vertretern hatte die pakista-nische Regierung im März die Zahl der seit Beginn der Angriffe im Jahr 2004 getöteten Zivilpersonen mit min-destens 400, möglicherweise bis zu 600 angegeben. Rund 85 Prozent aller bewaffneten Drohneneinsätze gegen Pakistan fanden in der Amtszeit von Obama statt.

Die Angaben gegenüber der UNO stellten die erste derartige Auskunft einer pakistanischen Regierung zum Gesamtumfang der Angriffe und ihrer Folgen dar. Was die jetzt erfolgte »Kor-rektur« nach unten durch das Vertei-digungsministerium – und damit vor allem durch das in Pakistan sehr ein-flußreiche Oberkommando der Streit-kräfte – veranlaßt hat, kann nur vermu-tet werden. Das Ministerium folgte jetzt sogar der unglaubwürdigen Behaup-tung der US-Regierung, im laufenden Jahr ebenso wie im vorigen sei nicht eine einzige Zivilperson durch Drohnen getötet worden. Wenn das wahr wäre, würde die damals 67jährige Momina Bibi noch leben, die am 24. Oktober 2012 bei der Gartenarbeit in einem Dorf Nordwasiristans von der Rakete eines unbemannten Flugkörpers zerfetzt wurde. Ihr Sohn Rafiq Rahman, ein Grundschullehrer, war zusammen mit seiner neunjährigen Tochter Nabila und seinem 13jährigen Sohn Zubair in den vergangenen Tagen auf Einladung des demokratischen Kongreßabgeordneten

Alan Grayson in den USA, um über den Tod seiner Mutter zu berichten.

Neben zahlreichen Interviews tra-ten die drei Paschtunen am Dienstag auch bei einem sogenannten »Brie-fing« des Kongresses auf, das formal unterhalb eines offiziellen »Hearings« rangiert. Außer Grayson mochten sich nur noch vier andere Kongreßmit-glieder, auch sie alle Abgeordnete der Demokratischen Partei, die Mühe und Qual antun, sich über die Folgen der Drohnenangriffe aus erster Hand zu informieren. Sie hörten, wie die Furcht vor den furchtbaren Raketen der Flug-körper, von denen oft mehrere viele Stunden lang über den Dörfern kreisen, das Leben der Bevölkerung bestimmt und vergiftet. Obama, der sich erst kürzlich mit dem Empfang des 16jäh-rigen Taliban-Opfers Malala Yousafzai schmückte, ignorierte die Gelegenheit, die neunjährige Nabila Rahman eben-falls ins Weiße Haus einzuladen. Sie hatte bei dem Angriff nicht nur ihre Großmutter verloren, sondern war auch selbst erheblich durch Splitter verletzt

Obama setzt auf DrohnenPakistanisches Verteidigungsministerium »korrigiert« Opferzahlen nach unten. Von Knut Mellenthin

Zwischen Sudan und Südsudan gibt es neue Spannungen. In der von beiden nordostafrikani-

schen Nachbarländern beanspruchten Grenzregion Abyei fand nun ein Refe-rendum um die staatliche Zugehörig-keit des erdölreichen Gebietes statt. Seit der Abspaltung von Südsudan im Juli 2011 konnte keine Einigung darüber erzielt werden, zu welchem der beiden Staaten die Region gehören soll. Nicht einmal darauf, wer berechtigt ist, über diese Frage abzustimmen, konnten sich die Regierungen in Khartum und Juba verständigen. Nun will die Bevölke-rung vor Ort offenbar Fakten schaffen. 99,89 Prozent der Einwohner der Regi-on stimmten Angaben der inoffiziellen Wahlorganisatoren vom gestrigen Don-nerstag für den Anschluß an Südsudan. Das berichtete die Sudan Tribune.

Bisher war ein Referendum vor allem an der Frage gescheitert, wer zur Teilnahme berechtigt sei. Neben der in der Region großen Bevölke-rungsgruppe der Ngok Dinka, deren Loyalität Richtung Südsudan geht, wohnen hier zumindest zeitweise Angehörige der Misseriya. Diese no-madisch lebende Gruppe hat in der Vergangenheit häufig an der Seite Khartums in Konflikte eingegriffen. Während Khartum der Ansicht ist, daß die Misseriya über den Status von Abyei mitentscheiden sollen, will die Regierung von Südsudan genau dies verhindern. Ursprünglich war ei-ne Abstimmung über den Status von Abyei bereits für Januar 2011 geplant, zeitgleich mit dem Unabhängigkeits-referendum im Südsudan. Letzteres hatte zur Abspaltung des Südens im Juli 2011 geführt. Seither wird über die weitere Vorgangsweise verhan-delt. Im vergangenen Jahr empfahl Südafrikas ehemaliger Präsident Tha-bo Mbeki als Vermittler der Afrika-nischen Union ein Referendum unter Ausschluß der Misseriya. Doch auch dies brachte keine neue Bewegung. Vor einigen Wochen hatten Vertreter der Ngok Dinka schließlich die Befra-gung für Ende Oktober angekündigt.

Nun wurde seit vergangenem Sonn-tag in Abyei abgestimmt. Die genauen Umstände und Termine sind aufgrund des inoffiziellen Charakters des Refe-rendums unklar. Am Montag bereits hatte die Nachrichtenagentur Reuters

berichtet, daß schon »Zehntausende« Einwohner abgestimmt hätten. Die Regierungen beider Länder haben sich derweil von dem Referendum distan-ziert. Beobachter vermuten jedoch, daß Südsudan finanzielle und logisti-sche Unterstützung gewährte. Auch die Afrikanische Union (AU) und die Vereinten Nationen (UNO) lehnen die Initiative der Bevölkerung Abyeis ab. In jedem Fall kommt diese den Inter-essen Jubas entgegen. Allgemein wur-de bereits im Vorfeld eine Mehrheit für die Zugehörigkeit zum Süden er-wartet. Und selbst wenn das Ergebnis von den entscheidenden Institutionen offiziell nicht zur Kenntnis genom-men werden sollte, dürfte es dennoch die Position Jubas in dem Grenzstreit stärken.

Allerdings könnte die Abstimmung auch den schwelenden Konflikt zwi-schen den beiden Nachbarländern er-neut eskalieren lassen. Während der

vergangenen Tage verschärfte sich bereits der Ton in der Auseinander-setzung. Die dem Südsudan naheste-hende Sudan Tribune zitierte am Mitt-woch den Sprecher des sudanesischen Parlaments, Ahmed Ibrahim Al-Tahir, das Referendum als »Rebellion« be-zeichnete. Al-Tahir verglich die Ab-stimmung mit den bewaffneten Auf-ständen in den Provinzen Südkordofan und Blauer Nil, gegen die Khartum immer wieder militärisch vorgeht. Auch von Seiten der Misseriya gab es Medienberichten zufolge bereits Ankündigungen, Abyei nötigenfalls »verteidigen« zu wollen. Diplomati-schere Worte fand indes Sudans Prä-sident Omar Al-Baschir, der laut BBC Anfang der Woche versicherte, er und sein südsudanesischer Amtskollege Salva Kiir würden sich weiterhin um eine Lösung des Konflikts bemühen, die den Wünschen der lokalen Ge-meinschaften entspricht.

Abstimmung als RebellionSudan und Südsudan: Bewohner der Grenzregion Abyei halten Referendum über staatliche

Mit südsudanesischen Flaggen bekunden Frauen in Abyei, der Hauptstadt der gleichnamigen Grenzregion zwi-schen Sudan und Südsudan, ihre Haltung beim Referendum

Teure FreiheitAl-Qaida-Arm in Niger läßt vier Areva-Mitarbeiter frei. Lösegeldzahlung stärkt Islamisten und schafft Vorwand zur Repression. Von Jörg Tiedjen

Auf den ersten Blick ist es eine lang ersehnte Nachricht: Die vier Mitarbeiter der französi-

schen Konzerne Areva und Vinci, die seit Herbst 2010 von der radikalisla-mistischen »Al-Qaida im islamischen Maghreb« (AQMI) gefangengehalten wurden, sind seit Dienstag frei. Die Franzosen Daniel Larribe, Marc Fé-ret, Pierre Legrand und Thierry Dole waren am frühen Morgen des 16. Sep-tember 2010 zusammen mit Larribes Frau Françoise sowie zwei weiteren Leidensgenossen in Arlit im Nordwe-sten Nigers entführt worden. Letztere drei kamen bereits im Februar 2011 frei. In Arlit befindet sich eine von Areva unterhaltene Uranmine, Vinci agiert dort als Anlagenbauer.

Für die Freilassung der Geiseln hat-te AQMI einen Gefangenenaustausch, die Rücknahme des Kopftuchverbots in Frankreich sowie 90 Millionen Eu-ro Lösegeld verlangt. Die jetzige Er-folgsnachricht traf deswegen nicht auf ungeteilte Freude. Zwar beeilten sich offizielle Stellen, das Ende des Gei-seldramas als reinen Verhandlungser-folg darzustellen, und stritten ab, daß man die Forderungen der Entführer erfüllt habe. Da es aber keinen Ge-fangenenaustausch gab und auch das Schleierverbot bestehen bleibt, liegt es

nahe, daß sehr wohl Lösegeld gezahlt wurde. Die französische Tageszeitung Le Monde berichtete am Mittwoch, daß die Entführer »über 20 Millionen Euro« erhalten hätten. Der Radiosen-der RFI bestätigte dies unter Berufung auf eine Quelle, die dem nigrischen Verhandlungsführer »sehr, sehr nahe« stehe. Das Geld habe der französische Geheimdienst DGST im Austausch gegen die GPS-Koordinaten der Gei-seln in der Wüste deponiert.

Schlechte Erinnerungen werden wach, hatten doch mehrere europä-ische Regierungen, darunter die deut-sche, AQMI in den vergangenen zehn Jahren immer wieder Millionen-Lö-segelder zukommen lassen. Es dürf-ten nicht zuletzt diese Mittel gewesen sein, die den Islamisten 2012 zu ei-nem ihrer größten Erfolge verhalfen. Im Anschluß an die Revolte der Tua-reg-Separatisten der »Nationalbewe-gung für die Befreiung von Azawad« ( MNLA) übernahmen sie gemeinsam mit anderen Dschihadisten-Gruppen die Kontrolle über den Norden des Nachbarlands Mali. Die Lage ist dort – wie im Niger – nach wie vor an-gespannt. Areva weigert sich derweil weiter hartnäckig, den Forderungen der Bevölkerung im Niger entgegen-zukommen, die Schutz vor den kata-

strophalen Auswirkungen des Uran-bergbaus und eine Beteiligung an den Gewinnen verlangt. Der Konflikt wird so weiter angeheizt. Das Geiseldrama diente dem Atomkonzern dennoch als Anlaß, unter Hinweis auf die Bedro-hung durch AQMI die Eröffnung einer weiteren Mine bei Imouraren hinaus-zuzögern. Areva dürfte das aufgrund des Kollaps auf dem Uranmarkt nach der Reaktorkatastrophe von Fukushi-ma recht gewesen sein. Dem Niger jedoch entgingen Einnahmen, mit de-nen das verarmte Land fest gerechnet hatte.

Die Verträge sollen nun neu ver-handelt werden. Bürgerrechtler de-monstrieren seit Wochen, um den nigrischen Präsidenten Mahamadou Issoufou zu drängen, sich gegenüber dem Konzern unnachgiebig zu zeigen. Im vergangenen Winter war bekannt geworden, daß Areva ihm als »Ent-schädigung« für Imouraren ein neues Flugzeug schenken wollte. Wenn in dieser Situation AQMI mit Millionen-beträgen überschüttet wird, liegt der Verdacht nahe, daß einmal mehr die Dschihadisten-Karte gespielt werden soll. Die verschärften »Sicherheits-maßnahmen«, die so gerechtfertigt werden, richten sich jedoch nur vor-dergründig gegen AQMI. Hauptadres-

Rekordergebnis ignoriertBlockade Kubas verurteilt. Konzernmedien ist das kaum eine Meldung wert

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Freitag, 1. November 2013, Nr. 253 7POLITIKFreitag, 1. November 2013, Nr. 253 6 POLITIKMittwoch, 2. Juli 2014, Nr. 150

Am 9. Mai dieses Jahres feierten in Berlin unweit des Sowjetischen Eh-renmals im Treptower Park Hunderte Antifaschisten den »Tag der Befrei-

ung«. Das Fest ist nicht nur für deutsche Linke ein beliebter Anlaufpunkt. Auch russische Be-sucher kommen dort, nachdem sie der Toten und Helden des Zweiten Weltkrieges gedacht haben, gern vorbei.

Sieben Tage zuvor hatte ein faschistischer Mob in Odessa ein Pogrom gegen Linke began-gen. Mindestens 48 Menschen wurden ermordet – manche Beobachter sprechen von über 100 To-ten. Sie erstickten in dem angesteckten Gewerk-schaftshaus oder wurden von Neonazis brutal erschlagen. Eine Fotoausstellung dokumentiert diese Greueltaten. Sie war bereits in vielen eu-ropäischen Städten zu sehen und auch in der der jW-Ladengalerie.

Das Massaker von Odessa ist bis heute nicht aufgeklärt. Die ukrainischen Behörden versu-chen – nachdem zuerst den Opfern die Grau-samkeiten angelastet wurden – die Ermittlungen einzustellen. Reinhard Lauterbach war kurz nach

den Ereignissen in Odessa. Er hatte damals für die junge Welt darüber berichtet. In seinem Bei-trag auf Seite 3 dieser Beilage beschreibt er, wie die Umstände des Mordens verschwiegen und die Täter geschützt werden. In einem weiteren Artikel zeichnet er nach, wie die Faschisten aus-gehend von den Protesten gegen den ehemaligen Präsidenten Wiktor Janukowitsch politische und kulturelle Hegemonie erlangten und ausbauen konnten. Weit über die Westukraine hinaus sind sie zu einer ernstzunehmenden Gefahr für Linke und Minderheiten geworden. Auch das ange-strebte Verbot der Kommunistischen Partei der Ukraine zeugt von der reaktionären Entwicklung in dem osteuropäischen Land.

Es ist nicht verwunderlich, daß sich deutsche Medien über die faschistische Gewalt ausschwei-gen. Sie wollen von der Existenz der ukrainischen Faschisten nichts wissen. Vielmehr unterstützen sie die westliche Strategie gegen Rußland, wie Arnold Schölzel in seinem Beitrag beschreibt. Die Chauvinisten in den Regierungssesseln in Kiew oder mit Gewehren bewaffnet in der Ostu-kraine sind dabei nicht nur die Handlanger der

einheimischen Oligarchen, sondern auch Werk-zeug der NATO und der EU, um das Land in ihren Einflußbereich einzugliedern.

Auch Neonazis aus Westeuropa und Rußland sehen in den Ereignissen in der Ukraine ihre Chance. Momentan ist eine unbekannte Anzahl von ihnen in der Ukraine, wie Thomas Eipeldau-er berichtet. Die internationalen Söldner kämp-fen vor allem im »Asow«-Bataillon, das offiziell unter Befehl der Kiewer Regierung steht. Die Einheit nimmt wie andere rechte Gruppierun-gen an den »Antiterroroperationen« gegen die »Volksrepubliken« im Osten der Ukraine teil – mit Tausenden Opfern unter der Zivilbevöl-kerung.

In der Abkehr von Internationalismus und Antiimperialismus sieht John Lütten in seinem Beitrag die Ursache für die ausbleibende Re-aktion der antifaschistischen Bewegung in der Bundesrepublik. Auf dem Fest im Treptower Park wurde sich zwar auf einem großen Transpa-rent gegen jeden Nationalismus ausgesprochen – eine Bekundung der Anteilnahme angesichts der Opfer des Massakers in Odessa aber fehlte.

Für viele russische Berliner, die Anfang Mai zum Sowjetischen Ehrenmal kamen, standen die Ereignisse kurz zuvor in der Schwarzmeerme-tropole im engen Zusammenhang mit der Zeit des historischen Faschismus. Einige Besucher bildeten aus Kerzen das Wort »Odessa« vor der Skulptur der Mutter Heimat. Dieses Symbol tie-fer Trauer und berechtigter Furcht blieb für die meisten dort anwesenden deutschen Antifaschi-sten unverstanden.

Wie aktuell die Geschichte noch immer ist, zeigt Frank Brendle in seinem Text. So beruft sich die Partei »Swoboda« auf den Nazikolla-borateur Stepan Bandera. Die Geschichte wird nach nationalistischen Interessen umgeschrie-ben. Dabei wird Rußland zum Feind er- und Fa-schisten zu »Helden« verklärt. Das Aufkommen alter, nationalistischer Parolen wie »Ruhm der Ukraine« zeugen davon.

Eine gemeinsame antifaschistische Antwort auf die Ereignisse in der Ukraine fehlt bislang. Ganz so, als sei zur rechten Gewalt, dem un-verhohlenen Geschichtsrevisionismus und dem massenmedial verbreiteten russophoben.

Das Schweigen brechenDas Treiben des rechten Mobs in der Ukraine bleibt in der Bundesrepublik weitgehend unbeachtet. Gemeinsame antifaschistische Antwort fehlt. Von Roland Zschächner

Odessa trauert: Ein Mann gedenkt der Opfer des Pogroms in dem in Brand gesteckten

Gewerkschaftshaus (4. Mai 2014)

AntifaVölkische Geschichtsschreibung: In der Ukraine wird Kollaboration mit den Nazis neu bewertet n Seite 2 Volksgemeinschaft: Nach dem Putsch in Kiew konnte eine rechte Hegemonie n Seiten 4/5 Volksverdummung: Arnold Schölzel über bürgerliche Medien und ihr Verschleiern der Existenz von Faschisten und ihre Hetze gegen Rußland n Seite 7 Völkerfreundschaft: Ohne Antiimperialismus nützt Antifabewegung nur neoliberaler Herrschaft n Seite 8

Spezial

Mit der Blockade gegen Kuba hat sich Washington weiter als je zuvor von der Völ-

kergemeinschaft isoliert. Einzig Israel unterstützte in der UN-Generalver-sammlung am Dienstag noch die US-Politik gegen die sozialistische Kari-bikinsel, 188 Staaten verurteilten sie, und selbst die drei ökonomisch von den USA abhängigen Pazifikstaaten Mikronesien, Marshallinseln und Pa-lau trauten sich eine Enthaltung zu (jW berichtete).

Neben diesem Rekordergebnis zeigte vor allem die Schärfe der Re-debeiträge, daß die Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten nicht bereit ist, das Verhalten der USA länger zu tolerie-ren. »Die USA stellen sich über die Völker der Welt«, stellte Boliviens UN-Botschafter Sacha Llorenty fest. Im Namen des Wirtschaftsbündnisses Mercosur kritisierte Venezuelas Ver-treter Samuel Moncada die »flagrante Verletzung der UN-Charta durch die USA«. Eine deutliche Warnung sprach Chinas ständiger UN-Repräsentant, Wang Min, aus. Die exterritoriale Aus-weitung der US-Blockade gegen Kuba auf Drittländer verletze »die Interessen und die Souveränität« dieser Staaten, erklärte der Diplomat und versicherte, daß China dies nicht hinnehme.

In Deutschland forderte die entwick-lungspolitische Sprecherin der Frakti-on Die Linke, Heike Hänsel, am Mitt-woch die Europäische Kommission, den EU-Ministerrat und die Bundesre-gierung auf, den Online-Bezahldienst PayPal mit Sanktionen zu belegen. Grundlage dafür seien die Bestimmun-gen der »EU Blocking Regulation«, mit der eine Ausdehnung der US-Blockade gegen Kuba auf Europa verhindert werden soll. PayPal, die europäische Tochter eines US-Unternehmens, hat-te wiederholt Guthaben von Nutzern in Deutschland eingefroren, um diese zum Abbruch ihrer Geschäftsbeziehun-gen mit Kuba zu zwingen.

In den bundesdeutschen Konzern-medien fand das Votum in New York bestenfalls in den Meldungsspal-ten Platz. In den Nachbarländern zi-tierten dagegen der Tages-Anzeiger (Schweiz), der Standard (Österreich) und andere Blätter sogar den kubani-schen Außenminister Bruno Rodríguez mit dem Satz: »Die USA sind mit ih-rer Politik gegen Kuba völlig isoliert, es fehlt jede ethische oder rechtliche Grundlage.« Die spanischen Tageszei-tungen El País und El Mundo, die Äu-ßerungen kubanischer Systemgegner regelmäßig auf der Titelseite bringen, fanden hingegen auch nur wenig Platz

für die Entscheidung in New York. »Es scheint UN-Resolutionen erster und zweiter Klasse zu geben«, spöttelte ein Leser der Onlinezeitung Público. Im Gegensatz zu den Konzernblättern hatte das linksliberale Portal bereits am Dienstag ausführlich berichtet und in wenigen Stunden 77 Leserkommen-tare erhalten. Umfangreiche Informa-tionen boten auch das Internetportal des Moskauer Fernsehsenders Russia Today (RT) und der iranische Kanal HispanTV sowie die chinesische Nach-richtenagentur Xinhua. Diese hob her-vor, daß die Pekinger Regierung nicht nur in den Vereinten Nationen, sondern auch direkt gegenüber den USA auf eine Beendigung der Blockade dränge.

Die Medien der USA übernahmen teilweise eine kurze Agenturmeldung oder verschwiegen das Thema ganz. Lediglich die Washington Post veröf-fentlichte einen längeren Artikel, zu dem auch eigene Korrespondentinnen aus Havanna und vom UN-Sitz in New York beitrugen. So erfuhren die Post-Leser, daß alle Debattenbeiträge der UN-Generalversammlung, einschließ-lich der Stellungnahme des US-Vertre-ters Ronald D. Godard, live und in vol-ler Länge im kubanischen Fernsehen übertragen worden waren.

Die Medien der Insel äußerten sich zufrieden über das weiter gestärkte Votum der Weltgemeinschaft gegen die US-Blockade. In der Tageszeitung Granma wies ein Kommentator aller-dings auch kritisch darauf hin, daß eine Reform der Vereinten Nationen drin-gend notwendig sei, damit »Beschlüsse wie diese verbindlich werden und das Land, das die Blockade aufrecht erhält, dazu verpflichten, sie zu beenden, wie es die Mehrheit der Welt fordert«.

Flüchtlinge in der Sahara verdurstetBAMAKO. 87 Migranten, die auf dem Weg nach Europa die Sahara durchqueren wollten, sind tot im Norden Nigers ent-deckt worden. Das Fahrzeug, in dem sie saßen, sei nahe der Grenze zu Algerien liegenge-blieben, und die Menschen – zumeist Frauen und Kinder – seien anschließend verdurstet, berichteten Rettungskräfte am Donnerstag. Die nigrischen Streitkräfte bestätigten die Zahl der Toten und ergänzten, daß darunter 32 Frauen und 48 Kinder seien. Bereits Ende September hätten die Menschen die 150 Kilometer südlich der Grenze gelegene Stadt Arlit per Lastwagen verlassen. (dpa/jW)

Pakistan: weiter US-Drohnenan-griffeISLAMABAD. Trotz der Prote-ste des pakistanischen Premier-ministers Nawaz Sharif setzen die USA ihre Drohnenangriffe im Grenzgebiet zu Afghanistan fort. Bei Raketenbeschuß im Stammesgebiet Nord-Waziri-stan seien am Donnerstag drei mutmaßliche Extremisten getö-tet worden, hieß es aus Sicher-heitskreisen. Das Außenmini-sterium in Islamabad verurteilte den Vorfall als »Verletzung von Pakistans Souveränität«. Sharif hatte vergangene Woche bei einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama in Washington ein Ende der Drohneneinsätze gefordert. (dpa/jW)

Türkei: Mit Kopf-tuch im ParlamentISTANBUL. Mit dem demon-strativen Tragen eines Kopf-tuchs im Parlament in Ankara haben vier weibliche Abge-ordnete einen Tabubruch in der Türkei begangen. Alle vier Parlamentarierinnen gehörten der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP an, wie türkische Medien berichteten. Zuletzt war 1999 die Abge-ordnete Merve Kavakci mit Kopftuch im Parlament in An-kara erschienen. Sie hatte einen Eklat ausgelöst. Ihr wurden die Staatsangehörigkeit und ihr Parlamentssitz aberkannt.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte Ende vergangenen Monats das Kopf-tuchverbot im öffentlichen Dienst außer in der Justiz und bei den Sicherheitskräften ge-kippt. (dpa/jW)

Kooperationsver-trag Rußland–Ni-caragua MANAGUA. Rußland und Ni-caragua haben am Mittwoch ein militärisches Kooperati-onsabkommen geschlossen. Die Streitkräfte beider Länder würden sich künftig regelmäßig über Fragen der internationalen Sicherheit austauschen, sagte der Vorsitzende des russischen

Bei einem US-amerikanischen Drohnenangriff in Nordwest-pakistan sind in der Nacht zum

Donnerstag mindestens drei Men-schen getötet und ebenso viele verletzt worden. Schauplatz der Operation, bei der zwei Raketen auf ein Gebäude abgeschossen wurden, war ein Dorf nahe Miranshah, der Hauptstadt des Bezirks Nordwasiristan. Anonyme Quellen in den pakistanischen Sicher-heitskräften behaupteten der Routine entsprechend, daß es sich bei den Op-fern ausschließlich um mutmaßliche »Militante«, also bewaffnete Kämp-fer, gehandelt habe, ohne sie irgendei-ner Gruppierung zuzuordnen.

Pakistans Regierungschef Nawaz Sharif war am vorigen Mittwoch von Barack Obama im Weißen Haus emp-fangen worden. Nach eigenen Angaben hatte er bei dieser Gelegenheit den US-Präsidenten aufgefordert, die Droh-neneinsätze gegen Ziele in Pakistan einzustellen, da sie die Souveränität seines Landes verletzten und politisch kontraproduktiv seien. Obama hatte

das heikle Thema bei der anschließen-den gemeinsamen Pressekonferenz nur kurz mit leeren Phrasen gestreift. Der gestrige Angriff, es war der 24. in diesem Jahr, stellt seine praktische Antwort auf Sharifs Appell dar. Das scheint die Kritik der oppositionellen PTI zu bestätigen, daß der Premier die pakistanische Position allzu beschei-den und unterwürfig vorgetragen habe. Ganz sicher nicht hilfreich war eine am Mittwoch veröffentlichte Statistik des pakistanischen Verteidigungsministe-riums, die mit überraschenden, völlig neuen Zahlen aufwartete. Danach sol-len bei sämtlichen Drohnenangriffen der vergangenen fünf Jahre »nur« 67 Zivilisten getötet worden sein. Gegen-über UN-Vertretern hatte die pakista-nische Regierung im März die Zahl der seit Beginn der Angriffe im Jahr 2004 getöteten Zivilpersonen mit min-destens 400, möglicherweise bis zu 600 angegeben. Rund 85 Prozent aller bewaffneten Drohneneinsätze gegen Pakistan fanden in der Amtszeit von Obama statt.

Die Angaben gegenüber der UNO stellten die erste derartige Auskunft einer pakistanischen Regierung zum Gesamtumfang der Angriffe und ihrer Folgen dar. Was die jetzt erfolgte »Kor-rektur« nach unten durch das Vertei-digungsministerium – und damit vor allem durch das in Pakistan sehr ein-flußreiche Oberkommando der Streit-kräfte – veranlaßt hat, kann nur vermu-tet werden. Das Ministerium folgte jetzt sogar der unglaubwürdigen Behaup-tung der US-Regierung, im laufenden Jahr ebenso wie im vorigen sei nicht eine einzige Zivilperson durch Drohnen getötet worden. Wenn das wahr wäre, würde die damals 67jährige Momina Bibi noch leben, die am 24. Oktober 2012 bei der Gartenarbeit in einem Dorf Nordwasiristans von der Rakete eines unbemannten Flugkörpers zerfetzt wurde. Ihr Sohn Rafiq Rahman, ein Grundschullehrer, war zusammen mit seiner neunjährigen Tochter Nabila und seinem 13jährigen Sohn Zubair in den vergangenen Tagen auf Einladung des demokratischen Kongreßabgeordneten

Alan Grayson in den USA, um über den Tod seiner Mutter zu berichten.

Neben zahlreichen Interviews tra-ten die drei Paschtunen am Dienstag auch bei einem sogenannten »Brie-fing« des Kongresses auf, das formal unterhalb eines offiziellen »Hearings« rangiert. Außer Grayson mochten sich nur noch vier andere Kongreßmit-glieder, auch sie alle Abgeordnete der Demokratischen Partei, die Mühe und Qual antun, sich über die Folgen der Drohnenangriffe aus erster Hand zu informieren. Sie hörten, wie die Furcht vor den furchtbaren Raketen der Flug-körper, von denen oft mehrere viele Stunden lang über den Dörfern kreisen, das Leben der Bevölkerung bestimmt und vergiftet. Obama, der sich erst kürzlich mit dem Empfang des 16jäh-rigen Taliban-Opfers Malala Yousafzai schmückte, ignorierte die Gelegenheit, die neunjährige Nabila Rahman eben-falls ins Weiße Haus einzuladen. Sie hatte bei dem Angriff nicht nur ihre Großmutter verloren, sondern war auch selbst erheblich durch Splitter verletzt

Obama setzt auf DrohnenPakistanisches Verteidigungsministerium »korrigiert« Opferzahlen nach unten. Von Knut Mellenthin

Zwischen Sudan und Südsudan gibt es neue Spannungen. In der von beiden nordostafrikani-

schen Nachbarländern beanspruchten Grenzregion Abyei fand nun ein Refe-rendum um die staatliche Zugehörig-keit des erdölreichen Gebietes statt. Seit der Abspaltung von Südsudan im Juli 2011 konnte keine Einigung darüber erzielt werden, zu welchem der beiden Staaten die Region gehören soll. Nicht einmal darauf, wer berechtigt ist, über diese Frage abzustimmen, konnten sich die Regierungen in Khartum und Juba verständigen. Nun will die Bevölke-rung vor Ort offenbar Fakten schaffen. 99,89 Prozent der Einwohner der Regi-on stimmten Angaben der inoffiziellen Wahlorganisatoren vom gestrigen Don-nerstag für den Anschluß an Südsudan. Das berichtete die Sudan Tribune.

Bisher war ein Referendum vor allem an der Frage gescheitert, wer zur Teilnahme berechtigt sei. Neben der in der Region großen Bevölke-rungsgruppe der Ngok Dinka, deren Loyalität Richtung Südsudan geht, wohnen hier zumindest zeitweise Angehörige der Misseriya. Diese no-madisch lebende Gruppe hat in der Vergangenheit häufig an der Seite Khartums in Konflikte eingegriffen. Während Khartum der Ansicht ist, daß die Misseriya über den Status von Abyei mitentscheiden sollen, will die Regierung von Südsudan genau dies verhindern. Ursprünglich war ei-ne Abstimmung über den Status von Abyei bereits für Januar 2011 geplant, zeitgleich mit dem Unabhängigkeits-referendum im Südsudan. Letzteres hatte zur Abspaltung des Südens im Juli 2011 geführt. Seither wird über die weitere Vorgangsweise verhan-delt. Im vergangenen Jahr empfahl Südafrikas ehemaliger Präsident Tha-bo Mbeki als Vermittler der Afrika-nischen Union ein Referendum unter Ausschluß der Misseriya. Doch auch dies brachte keine neue Bewegung. Vor einigen Wochen hatten Vertreter der Ngok Dinka schließlich die Befra-gung für Ende Oktober angekündigt.

Nun wurde seit vergangenem Sonn-tag in Abyei abgestimmt. Die genauen Umstände und Termine sind aufgrund des inoffiziellen Charakters des Refe-rendums unklar. Am Montag bereits hatte die Nachrichtenagentur Reuters

berichtet, daß schon »Zehntausende« Einwohner abgestimmt hätten. Die Regierungen beider Länder haben sich derweil von dem Referendum distan-ziert. Beobachter vermuten jedoch, daß Südsudan finanzielle und logisti-sche Unterstützung gewährte. Auch die Afrikanische Union (AU) und die Vereinten Nationen (UNO) lehnen die Initiative der Bevölkerung Abyeis ab. In jedem Fall kommt diese den Inter-essen Jubas entgegen. Allgemein wur-de bereits im Vorfeld eine Mehrheit für die Zugehörigkeit zum Süden er-wartet. Und selbst wenn das Ergebnis von den entscheidenden Institutionen offiziell nicht zur Kenntnis genom-men werden sollte, dürfte es dennoch die Position Jubas in dem Grenzstreit stärken.

Allerdings könnte die Abstimmung auch den schwelenden Konflikt zwi-schen den beiden Nachbarländern er-neut eskalieren lassen. Während der

vergangenen Tage verschärfte sich bereits der Ton in der Auseinander-setzung. Die dem Südsudan naheste-hende Sudan Tribune zitierte am Mitt-woch den Sprecher des sudanesischen Parlaments, Ahmed Ibrahim Al-Tahir, das Referendum als »Rebellion« be-zeichnete. Al-Tahir verglich die Ab-stimmung mit den bewaffneten Auf-ständen in den Provinzen Südkordofan und Blauer Nil, gegen die Khartum immer wieder militärisch vorgeht. Auch von Seiten der Misseriya gab es Medienberichten zufolge bereits Ankündigungen, Abyei nötigenfalls »verteidigen« zu wollen. Diplomati-schere Worte fand indes Sudans Prä-sident Omar Al-Baschir, der laut BBC Anfang der Woche versicherte, er und sein südsudanesischer Amtskollege Salva Kiir würden sich weiterhin um eine Lösung des Konflikts bemühen, die den Wünschen der lokalen Ge-meinschaften entspricht.

Abstimmung als RebellionSudan und Südsudan: Bewohner der Grenzregion Abyei halten Referendum über staatliche

Mit südsudanesischen Flaggen bekunden Frauen in Abyei, der Hauptstadt der gleichnamigen Grenzregion zwi-schen Sudan und Südsudan, ihre Haltung beim Referendum

Teure FreiheitAl-Qaida-Arm in Niger läßt vier Areva-Mitarbeiter frei. Lösegeldzahlung stärkt Islamisten und schafft Vorwand zur Repression. Von Jörg Tiedjen

Auf den ersten Blick ist es eine lang ersehnte Nachricht: Die vier Mitarbeiter der französi-

schen Konzerne Areva und Vinci, die seit Herbst 2010 von der radikalisla-mistischen »Al-Qaida im islamischen Maghreb« (AQMI) gefangengehalten wurden, sind seit Dienstag frei. Die Franzosen Daniel Larribe, Marc Fé-ret, Pierre Legrand und Thierry Dole waren am frühen Morgen des 16. Sep-tember 2010 zusammen mit Larribes Frau Françoise sowie zwei weiteren Leidensgenossen in Arlit im Nordwe-sten Nigers entführt worden. Letztere drei kamen bereits im Februar 2011 frei. In Arlit befindet sich eine von Areva unterhaltene Uranmine, Vinci agiert dort als Anlagenbauer.

Für die Freilassung der Geiseln hat-te AQMI einen Gefangenenaustausch, die Rücknahme des Kopftuchverbots in Frankreich sowie 90 Millionen Eu-ro Lösegeld verlangt. Die jetzige Er-folgsnachricht traf deswegen nicht auf ungeteilte Freude. Zwar beeilten sich offizielle Stellen, das Ende des Gei-seldramas als reinen Verhandlungser-folg darzustellen, und stritten ab, daß man die Forderungen der Entführer erfüllt habe. Da es aber keinen Ge-fangenenaustausch gab und auch das Schleierverbot bestehen bleibt, liegt es

nahe, daß sehr wohl Lösegeld gezahlt wurde. Die französische Tageszeitung Le Monde berichtete am Mittwoch, daß die Entführer »über 20 Millionen Euro« erhalten hätten. Der Radiosen-der RFI bestätigte dies unter Berufung auf eine Quelle, die dem nigrischen Verhandlungsführer »sehr, sehr nahe« stehe. Das Geld habe der französische Geheimdienst DGST im Austausch gegen die GPS-Koordinaten der Gei-seln in der Wüste deponiert.

Schlechte Erinnerungen werden wach, hatten doch mehrere europä-ische Regierungen, darunter die deut-sche, AQMI in den vergangenen zehn Jahren immer wieder Millionen-Lö-segelder zukommen lassen. Es dürf-ten nicht zuletzt diese Mittel gewesen sein, die den Islamisten 2012 zu ei-nem ihrer größten Erfolge verhalfen. Im Anschluß an die Revolte der Tua-reg-Separatisten der »Nationalbewe-gung für die Befreiung von Azawad« ( MNLA) übernahmen sie gemeinsam mit anderen Dschihadisten-Gruppen die Kontrolle über den Norden des Nachbarlands Mali. Die Lage ist dort – wie im Niger – nach wie vor an-gespannt. Areva weigert sich derweil weiter hartnäckig, den Forderungen der Bevölkerung im Niger entgegen-zukommen, die Schutz vor den kata-

strophalen Auswirkungen des Uran-bergbaus und eine Beteiligung an den Gewinnen verlangt. Der Konflikt wird so weiter angeheizt. Das Geiseldrama diente dem Atomkonzern dennoch als Anlaß, unter Hinweis auf die Bedro-hung durch AQMI die Eröffnung einer weiteren Mine bei Imouraren hinaus-zuzögern. Areva dürfte das aufgrund des Kollaps auf dem Uranmarkt nach der Reaktorkatastrophe von Fukushi-ma recht gewesen sein. Dem Niger jedoch entgingen Einnahmen, mit de-nen das verarmte Land fest gerechnet hatte.

Die Verträge sollen nun neu ver-handelt werden. Bürgerrechtler de-monstrieren seit Wochen, um den nigrischen Präsidenten Mahamadou Issoufou zu drängen, sich gegenüber dem Konzern unnachgiebig zu zeigen. Im vergangenen Winter war bekannt geworden, daß Areva ihm als »Ent-schädigung« für Imouraren ein neues Flugzeug schenken wollte. Wenn in dieser Situation AQMI mit Millionen-beträgen überschüttet wird, liegt der Verdacht nahe, daß einmal mehr die Dschihadisten-Karte gespielt werden soll. Die verschärften »Sicherheits-maßnahmen«, die so gerechtfertigt werden, richten sich jedoch nur vor-dergründig gegen AQMI. Hauptadres-

Rekordergebnis ignoriertBlockade Kubas verurteilt. Konzernmedien ist das kaum eine Meldung wert

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Freitag, 1. November 2013, Nr. 253 7POLITIKFreitag, 1. November 2013, Nr. 253 6 POLITIKMittwoch, 2. Juli 2014, Nr. 150

Januar Sa./So. 10./11.1. Erweiterte Wochenendbeilage zur Liebknecht-Luxemburg-Ehrung

Mi. 28.1. Rosa-Luxemburg-Konferenz

Februar Mi. 11.2. Phantastische Literatur

Mi. 25.2. Moderne Technik

März Mi. 4.3. Alternative Reisen

Sa./So. 7./8.3. Wochenendbeilage mit Schwerpunkt Feminismus

Do. 12.3. Literatur zur Buchmesse Leipzig

April Mi. 15.4. Marxismus

Do./Fr. 30.4./1.5. 1.-Mai-Beilage

Mai Fr. 8.5. Befreiung

Mi. 20.5. Staat & Gewalt

Mi. 27.5. Kinder

Juni Mi. 10.6. Literatur & Shop

Mi. 24.6. Medien & Krieg

Juli Mi. 8.7. Stadtentwicklung & Mieterproteste

Mi. 22.7. Kuba/ALBA

August Mi. 5.8. Anarchismus

Mi. 12.8. Land & Wirtschaft

September Sa./So. 5./6.9. Erweiterte Wochenendbeilage mit Schwerpunkt Antifaschismus

Mi. 23.9. Gewerkschaften

Oktober Mi. 14.10. Literatur zur Buchmesse Frankfurt/Main

Mi. 28.10. Jugend & Bildung

November Mi. 11.11. Wein

Sa./So. Mitte November

Erweiterte Wochenendbeilage zur Linken Literaturmesse Nürnberg

Dezember Mi. 2.12. Afrika

Mi. 9.12. »Blende«-Fotowettbewerb 2015

Mi. 16.12. Behindertenpolitik

Do./Fr. 24./25.12. Weihnachtsbeilage

Änderungen vorbehalten.

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Wettlauf nach KurdistanNach den USA wollen immer mehr NATO-Staaten Waffen in den Nordirak liefern. Deutschland soll da nicht abseits stehen, finden selbst Linke. Von Rüdiger Göbel

Unter den Staaten der NATO ist ein richtiggehender Wett-bewerb entstanden, wer am

schnellsten Kriegsgerät an kurdische Kämpfer im Irak liefert. Vordergrün-dig geht es um das Zurückdrängen der Terrorgruppe »Islamischer Staat« (IS), die im Zweistromland auf dem Vor-marsch ist. In eroberten Gebieten ver-breitet die – von den USA ursprünglich ausgebildete und aufgerüstete – Miliz mit Massenhinrichtungen und ande-ren Greueltaten Angst und Schrecken. Zehntausende Menschen sind so in den vergangenen Wochen zur Flucht ge-zwungen worden.

Nach Luftangriffen auf mutmaßli-che IS-Stellungen in der vergangenen Woche begannen die USA offiziell am Montag mit Waffenlieferungen an kurdische Peschmerga-Kämpfer. Auch »Militärberater« hat Washington ab-kommandiert. Benjamin Rhodes, der Sicherheitsberater von US-Präsident Barack Obama, erklärte am Mittwoch im Sender Fox News, zur Rettung Tausender jesidischer Flüchtlinge im Sindschar-Gebirge werde ein Luftein-satz geprüft – und die Entsendung von Bodentruppen. Am Dienstag kündigte die Bundesregierung an, die kurdischen Truppen so schnell wie möglich mit deutschem Militärmaterial auszustat-ten. Die Lieferung von tödlichem Gerät wurde dabei noch ausgeschlossen, im Gespräch sind gepanzerte Fahrzeuge, Nachtsichtgeräte und Schutzwesten. Am Mittwoch preschte Frankreich vor mit der Ankündigung, man wolle noch am selben Tag mit Waffenlieferungen beginnen. Der Präsident habe »in Ab-stimmung mit der irakischen Regie-rung« beschlossen, nach den Hilferufen der kurdischen Behörden Rüstungsgüter zu versenden, teilte das Büro von Fran-çois Hollande mit. Unklar ist dabei, mit

wem genau in Bagdad Paris den Deal vereinbart hat, mit dem amtierenden Ministerpräsidenten Nuri Al-Maliki, auf dessen Abgang die westlichen Waf-fenhelfer drängen, oder mit dem für den Posten des irakischen Regierungschefs neu nominierten Haidar Al-Abadi.

Auch die NATO-Mitglieder Großbri-tannien, die Niederlande und Tschechi-en bringen sich in Position. In der BRD wird die Bundesregierung derweil un-ter mediales Sperrfeuer genommen, bei der Waffenhilfe in das Konfliktge-biet nicht außen vor zu bleiben. Motto: Deutschland debattiert, die USA hel-fen. Von den im Bundestag vertretenen Parteien gehen die Grünen bisher am weitesten. Deren Außenexperte Omid

Nouripour sprach sich für einen Einsatz der deutschen Luftwaffe an der Seite der US-Airforce aus. »Wir können nicht immer alle unangenehmen Aufgaben komplett den USA überlassen«, sagte Nouripour Spiegel online. »Immer von deutscher Verantwortung in der Welt zu sprechen und dann sich in die Büsche zu schlagen, wenn es ungemütlich wird, das geht nicht.«

In der Partei Die Linke stellte sich der Bundestagsabgeordnete Jan Korte hinter die Forderung von Fraktionschef Gregor Gysi, auch die BRD solle Waf-fen liefern. »Der Selbstverteidigungs-kampf muß unterstützt werden«, so Korte. »Die irakische Armee und die Kurden sind dazu völkerrechtlich legi-

timiert. Daher muß gefragt werden, ob sie auch ausreichend ausgerüstet sind.«

e Nachrichtenagentur Reuters, »die radie Nachrichtenagentur Reuters, »die radie Nachrichtenagentur Reuters, »die radie Nachrichtenagentur Reuters, »die radie Nachrichtenagentur Reuters, »die radiAm Mittwoch nachmittag meldete dikalen Kämpfer des Islamischen Staats setzen ihren Vormarsch in Syrien fort«. Auf den Gedanken, Syrien im Kampf gegen IS zu unterstützen, kommt kei-ner. Im Gegenteil: Den Antiterrorkampf unter Führung von Präsident Baschar Al-Assad bestrafen EU und USA mit Embargomaßnahmen, die die gesamte Bevölkerung des Landes treffen.n Siehe Seiten 3 und 8

Letzter Prozeßtag: Gustl Mollath freiWurde er zu Unrecht in Psychiatrie gesperrt – oder bleibt der Makel des mutmaßlichen Gewalttäters?

Nach 16 Verhandlungstagen wird der ehemalige Psychia-triepatient Gustl Mollath das

Gericht am heutigen Donnerstag in Freiheit verlassen. Der 57jährige wird vom Landgericht Regensburg freige-sprochen: Denn die deutsche Prozeß-ordnung gibt für Wiederaufnahmever-fahren vor, daß das Urteil für den An-geklagten nicht schlechter ausfallen darf als zuvor. Ob an dem Nürnberger jedoch der Makel des Gewalttäters haften bleibt, der seine Frau mißhan-delt habe, ist vor dem Urteilsspruch ei-

ne gewichtige Frage. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hatte Mollath 2006 wegen Schuldunfähigkeit freigespro-chen, ihn aber wegen Wahnvorstel-lungen und Gemeingefährlichkeit in die Psychiatrie eingewiesen. Erst nach mehr als sieben Jahren kam er frei. Der Fall löste eine bundesweite Debat-te über die Zwangsunterbringung in psychiatrischen Kliniken aus.

Mollath selbst wies die Anschuldi-gungen auch im Wiederaufnahmever-fahren zurück: »Die mir vorgeworfe-nen Straftaten habe ich nicht began-

gen.« Er bezichtigte dagegen seine Exfrau, eine Intrige gegen ihn gespon-nen zu haben. Sie habe Straftaten er-funden und ihm angehängt, »um mich kostengünstig zu entfernen«, behaup-tete Mollath in seinen letzten Worten vor dem Urteil am vergangenen Frei-tag. Er forderte wie seine Verteidigung einen Freispruch erster Klasse – also aus erwiesener Unschuld.

Die Staatsanwaltschaft glaubt indes nicht an ein Komplott der damaligen Ehefrau, das die Aufdeckung eines Schwarzgeldskandals durch Mollath

verhindern sollte, in den sie angeb-lich verwickelt war. Der Ankläger forderte, Mollath wegen gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung schuldig zu sprechen. Hinweise auf eine erneu-te Unterbringung des Nürnbergers sieht der Anklagevertreter nicht. Der Oberstaatsanwalt beantragte zudem eine Entschädigung für die Zeit in der Psychiatrie. Die Kosten für das Wie-deraufnahmeverfahren sowie Mol-laths Verteidigung trägt ohnehin die Staatskasse. (dpa/jW)

junge Welt wird herausgegeben von 1 572 Genossin-nen und Genossen (Stand 2.7.2014). Informationen: www.jungewelt.de/lpg

Gaza: Israel zieht Truppen zusammenGaza/Tel aVIV/KaIRo. Wenige Stun-den vor Ablauf der Waffenruhe zwischen Israel und Palästinen-serorganisationen in der Nacht von gestern auf heute hat Tel Aviv offenbar zusätzliche Truppen an die Grenze zum Gazastreifen ver-legt. Das berichtete die israelische Nachrichtenseite ynet am Mitt-woch. Es würden auch Reservisten mobilisiert. Eine israelische Ar-meesprecherin wollte die Berichte nicht kommentieren.

Zuvor hatten die Konflikt-parteien am Mittwoch die Ver-handlungen über eine dauerhafte Waffenruhe in Kairo fortgesetzt. Anzeichen für einen Durchbruch bei den indirekten Gesprächen gab es nicht. Aus der palästinensischen Botschaft verlautete lediglich, die palästinensische Delegation spreche weiter mit den ägyptischen Vermittlern. Die israelische Füh-rung lehnt direkte Gespräche ab, da sie die Hamas, die im Gazastreifen regiert, als Terrororganisation ein-stuft. (dpa/Reuters/jW)

Rentenangleichung: Bitte warten

DReSDen. Vor Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern kündigte die Bundeskanzlerin an, die Rentenwerte in Ostdeutschland in sechs Jahren an diejenigen im Westen anzugleichen. »2020 soll die Renteneinheit erreicht sein«, sagte Angela Merkel (CDU) im Interview mit der Sächsischen Zeitung (Mittwochausgabe). Bis 2017 wolle die Bundesregierung ein entsprechendes Gesetz auf den Weg bringen. Aktuell beträgt der Renten-wert in Ostdeutschland 92 Prozent des Westwertes. »Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum die Bundeskanzlerin bis zum Wahljahr 2017 warten will, um einen Fahrplan zu beschließen, der die Ostrenten-angleichung auf das 30. Jahr nach der Wiedervereinigung verschiebt«, kommentierte dies Bodo Ramelow, Spitzenkandidat der Linkspartei in Thüringen. (AFP/jW)

auf dem Weg in den eigenen Staat? Kurdische Peschmerga-Kämpfer in erbil (7. august 2014)

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Berliner ThinktankGoogle finanziert Forschung

in Deutschland, um auf die

Politik einfluß zu nehmen. So

gründete das Unternehmen

das Humboldt-Institut für In-

ternet und Gesellschaft. Von

thomas Wagner Seiten 10/11

WWW.jUnGeWeLt.De

Märkte erschließenafrikas Filetstücke: Großprojekte von

Industriestaaten zur agrar-förderung nützen Konzernen

Abzug anordnenKiew rückt ab: ukrainische truppen

räumen Stellungen bei lugansk. Volksrepubliken für autonomie

Linke schulenbedürfnis nach marxistischer

bildung ist vorhanden. bilanz nach einem Jahr Mez in berlin

Hilfe anbietenFlüchtlinge aus Irak und Syrien müs-

sen Möglichkeit bekommen, legal in die brd einzureisen. 2 93 10

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Page 13: n Anzeigenpreisliste Nr. 24 vom 1.10 - Junge WeltDie den real existierenden Kapitalismus nicht für das Ende der Geschichte hält. Leserinnen und Leser, die diese Zeitung für sich

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Einmal im Jahr organisiert die junge Welt mit Unterstützung zahlreicher Organi-sationen und Gruppen die Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin. Schwerpunkt der Veranstaltung ist neben Vorträgen und Diskussionen zu Erfah-rungen, Analysen und Aktivitäten linker Bewegungen und Parteien weltweit auch der Austausch zu Entwicklungen und politischen Kämpfen in Deutschland. Im Jahr 2014 waren mehr als 2 000 Besucher zu den Referaten und Podiumsgesprächen in die Berliner Urania gekommen. Die gesamten Vorträge und Diskussionsbeiträge der Konferenz werden in der Rosa-Luxemburg-Broschüre zusammengefasst, die im März des gleichen Jahres am Kiosk erhältlich ist.

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Anzeigen- und Druckunterlagenschluss ist der 20. Februar 2015, Erscheinungs-termin Anfang März 2015 zur Buchmesse Leipzig.

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RefeRate von JöRg KRonaueR: »Ziel fast erreicht« | andeRs KoustRup KaeRgaaRd: »auf Befehl der herrschenden Klasse« denIs goldBeRg: »afrika zahlte den preis« | ZIvadIn JovanovIc: »neuverteilung der Welt« | MIchel chossudovsKy: »nicht eroberung, sondern Zerstörung als Ziel« | MaRIa do socoRRo goMes coelho: »Brutale offensive des Kapitals«

außerdem: dokumentation der podIuMsgespRäche (»vierte gewalt und heimatfront: Wie Medien Kriege möglich machen«, »Widerstand gegen faschismus, Krieg und sozialabbau zusammenführen«) sowie grußbotschaften, Interviews mit den Mitwirkenden des Konzerts »lieder gegen den Krieg« und ergänzende artikel

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Unser Verlag bringt auch eine der ältesten Musikzeitschriften im deutschspra-chigen Raum heraus: Melodie und Rhythmus (M&R) erscheint zweimonatlich mit einer Aufl age von 22 000 Exemplaren und ist im Abonnement und am Kiosk erhältlich. Jede Ausgabe bietet neben einer Marktübersicht mit interessanten Neuerscheinungen vielfältige Beiträge zu einem Themenschwerpunkt, in denen es vor allem um gesellschaftliche Rahmenbedingungen für die Produktion von Kunst und Kultur geht. Zum Mai 2014 haben wir die Zeitschrift komplett überarbei-tet. Korrespondenten aus verschiedenen Städten der Welt berichten über aktuelle Kulturdiskussionen vor Ort. Der Kunsttheoretiker Moshe Zuckermann von der Universität Tel Aviv analysiert in jedem Heft einen aktuellen Musiktitel. Auch der originäre M&R-Fragebogen darf nicht fehlen, in dem Künstler auf ungewöhnliche Fragen reagieren. Jede Ausgabe ist voller Überraschungen – fordern Sie bei uns ein kostenloses Probeexemplar an.

Sie können jederzeit mit den Kolleginnen und Kollegen unserer Anzeigenabteilung über eine Anzeigenschaltung in M&R sprechen. Besonders günstig sind auch hier Mehrfachschaltungen und Kombinationsbuchungen mit der Print- und Onlineaus-gabe der Tageszeitung junge Welt. Neben den normalen Anzeigenfl ächen im Heft in variabler Größe stellen wir auch die Umschlagseiten U2, U3 und U4 für Ihre Vierfarbdruckanzeige zur Verfügung – soweit sie nicht bereits vergeben sind. Die Anzeigenpreisliste schicken wir Ihnen auf Anfrage gerne zu.

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M it seinem letzten Album hat das Sextett Letzte Instanz die Trilogie »Schuldig-Heilig-Ewig« abgeschlos-

sen, im vergangenen Jahr wurde fulmi-nant das 15-jährige Bestehen mit aus-giebiger Tournee, Album und einer DVD namens »Brachialromantik« gefeiert. Da-nach war allerdings Sendepause bei der Dresdener Gothic-Folkrock-Formation. Jetzt meldet sich die Letzte Instanz mit dem wuchtigen Meisterstück »Im Auge des Sturms« zurück. Sänger und Haupt-texter Holly Loose erteilt launig Auskunft darüber.

Letzte Instanz sind bekannt für ihren Spagat zwischen Lyrik und Brachiali-tät. Woher kommt diese abenteuerli-che Gratwanderung?

Musikalisch ist das ist eine bandinterne Angelegenheit. Wir haben unterschiedli-che musikalische Vorlieben, gleichzeitig lieben wir das Überraschende. Ich selbst kümmere mich nicht um das Instrumen-tale. Mir reicht der Job, dass ich für nahe-zu alle Texte verantwortlich zeichne. In ihnen steckt weniger Brachialität als viel-mehr Dramatik, Melancholie und Weh-

mut. Die meisten meiner Verse haben Ven-tilfunktion. Die hat zwar im Laufe meines fortschreitenden Alters nachgelassen. Doch Melancholiker werden ihr Leben lang welche bleiben – nun, ich bin beken-nender Melancholiker.

Was hat es mit dem Albumtitel auf sich?

»Im Auge eines Sturms« geht es erschre-ckend ruhig zu, während um dieses Auge herum alles auseinanderbricht. Ähnlich kommt mir der Zustand unseres Plane-ten vor. Wobei wir mit dem Titel auch auf die Entstehungsgeschichte des neuen Al-bums hinweisen. Nach einigen Differen-zen mussten wir uns sammeln und wieder zusammenbringen.

Was ist passiert? Es gab Umbesetzungen, wir mach-

ten uns zudem Gedanken darüber, wie wir uns musikalisch verändern können. Schließlich einigten wir uns darauf, beim Schreiben »back to the roots« zu gehen, al-so nicht mehr Song-Fragmente via Skype auszutauschen. Stattdessen trafen wir uns alle paar Wochen in einem Studio,

Letzte InstanzIm Auge des Sturms

Drakkar Records

»Die Ausgangs-situation für die aktuelle Platte war klar«, erklärt Sänger Holly Loose: »Möglichst keine Samples und Elektronik-Spiele-

reien einsetzen, dafür die Instrumente eigenhändig spielen, die Vocal-Parts sind allesamt ohne Netz und doppel-ten Boden gesungen.« Fünf intensi-ve Monate hat das Sextett sich Zeit genommen, um »Im Auge des Sturms« einzuspielen – fünf intensive Mona-te, die sich rentiert haben. Das elfte Studiowerk strotzt nur so vor einem dramatischen Wechselspiel zwischen wehmütiger Lyrik und fiebriger Wut.

Wenn alles aUseinanderbrichtLetzte Instanz zwIschen LyrIk und wut

spielten Stücke weitgehend analog ein, mit echten Instrumenten. Dadurch klingt unser Sound dieses Mal urwüchsiger und authentischer.

Wie entstehen Ihre Texte? Um das vorwegzunehmen: Oft bin ich

froh, wenn die Musen mich nicht küs-sen. Vor allem nicht im Sommer! Da will ich grillen, das eine oder andere Bier trinken und nicht nachdenken müssen. Doch wenn die Musen mich küssen, dann tun sie das unvorbereitet und mit voller Wucht. Plötzlich wird eine Idee, die ich seit Monaten mit mir herumgeschleppt habe, innerhalb einer Nacht fertig.

Interview: Michael Fuchs-Gamböck

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Die Farben der ArktisDas Porträt einer atemberaubend schönen Region

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Eine blutige Träne läuft aus dem Auge des toten Delfi nweibchens. Milch tropft aus den Zitzen. „Als ich das tote Tier sah, wusste ich sofort: Irgendwo dort draußen im Ärmelkanal verhungert jetzt ein Delfi nbaby“, sagt Thilo Maack, Meeresbiologe bei Greenpeace.

Das tote Delfi nmädchen gehört zur Gattung der Gemeinen Delfi ne. Sie starb im Ärmel-kanal. Dort sind ihre Artgenossen noch immer der Gefahr ausgesetzt, sich in riesigen Netzen zu verfangen, die gleichzeitig von zwei Schif-fen durch das Wasser gezogen werden. Diese so genannte Gespann-Fischerei dient dazu, den begehrten Edelfi sch Loup de Mer (Wolfs-barsch) zu fangen. Vorne so groß wie zwei

sterben viele Schweinswale in den Netzen der Fischer. Um sie und andere Meeresbewohner zu schützen, versenkten Greenpeace-Aktivisten im Sylter Außenriff tonnenschwere Steine. So schützen sie dieses Gebiet vor der zerstö-rerischen Schleppnetzfi scherei.

Handeln, bevor es zu spät istEs ist ein Skandal: Die Bundesregierung hat 2004 ein Drittel der deutschen Nord- undOstsee unter Schutz gestellt, auch das Sylter Außenriff – allerdings nur auf dem Papier. Denn noch immer bauen Saugbagger dort Sand ab und Fischer stellen weiter ihre Netze auf. Greenpeace hingegen handelt, damit der Kinderstube der Schweinswale endlich wirklicher Schutz zukommt.

Wie viel sind Ihnen die Delfi ne wert?Bereits mit fünf Euro im Monat können Sie Fördermitglied von Greenpeace werden. So helfen Sie, Delfi ne und andere bedrohte Tiere wirksam zu schützen. Wenn eines unserer Schiffe unterwegs ist, kostet das rund 5.000 Euro pro Tag. Deshalb: Werden Sie noch heute Fördermitglied. Ob Sie monatlich 5, 10 oder 15 Euro geben, jeder Betrag ist wichtig. Füllen Sie einfach die Postkarte aus und schicken Sie sie an uns zurück. Oder ganz bequem online unter www.greenpeace.de/spende Fördermitglied werden. Die Natur wird Ihnen dankbar sein!

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Spendenbescheinigung, da steuerlich absetzbarer Förderbeitrag

Jederzeit kündbare Mitgliedschaft!

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Fußballfelder verjüngen sich die Netze zum Ende hin und werden so zur tödlichen Falle. In ihrem Todeskampf fügen sich die Delfi ne schwerste Verletzungen zu und ersticken schließlich qualvoll.

Greenpeace kämpft für den Schutz der MeeresbewohnerNicht nur im Ärmelkanal ist das Leben der Del-fi ne und Wale durch zerstörerische Fischerei-praktiken bedroht. Auch in Nord- und Ostsee

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Für die Einrichtung eines echten Meeresschutzgebiets: Greenpeace-Aktivisten versenken große Natursteine im „Sylter Außenriff“.

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es ist nicht Eu-er Geld, das mich glücklich

macht (…) Schluss mit der Heuche-lei (…), ich haue von hier ab (…).« Das singt Zaz in »Je Veux«, und der Rhythmus von Gi-tarren, Bass, Blä-sern und Schlag-zeug treibt derart, dass man die fran-zösische Sängerin fast schon unter-wegs sieht – bloß ihre Meinung will sie noch heraus-schmettern. Seit 2010 scheucht die-ses Lied der heu-te 34-Jährigen die Leute aus dem Stillstand. Es hat sich kein bisschen abgenutzt. Es zieht. Dabei ist es genau-genommen viel, viel älter: »Gypsy-Jazz«, so die tra-dierte Formel, ist in den 20er-Jahren die europäische Antwort auf den amerikanischen Jazz, besonders den Swing gewe-sen. Bei aller Ver-kürzung: Es ist was dran, denn die aus Frankreich stammende verswingte Valse Musette der Brüder Ferret und wenig spä-ter von Django Reinhardt und Stéphane Grappelli feiern bei Zaz auf ihren beiden bisherigen CDs Urstände: Fingerstyle, Ar-peggien, Achtelketten, Synkopen, Soli, Metallsaiten der Gitarre, Kontrabass … Und Zaz hat eine unbeirrbar starke, zum Improvisieren wie geborene Stimme, die über denen aller Pop-Püppis der letzten Jahre steht. Zaz sagte in Rottenburg am Rande eines Konzerts auf die Frage nach der Identifikation mit Gypsy-Jazz: »Ich lie-be nicht nur diese Musik, sondern alle Mu-

sikrichtungen dieser Welt. Aber ich mag das Weitergeben. Es ist immer so, dass in den Städten die älteren Menschen den jün-geren etwas weitergeben. Aber gerade in Frankreich wird sehr viel getrennt – Men-schen nach Kategorien, das bedauere ich. Sobald man jedoch mit Leidenschaft et-was an jemanden weitergibt, ihn zugleich auch integriert, findet ein Austausch statt. Musik ist genau das für mich, und das ist besonders bei den Zigeunern so.«

Nun gibt es seltsame Koinzidenzen: In der Zeit, in der die Popularität von Zaz und ihrer Gypsy-Jazz-Songs begann, be-gannen auch die Abschiebungen und ge-

walttätigen Über-griffe gegenüber den Sinti und Ro-ma. 2010 wurde auch der Plan des deutschen Innen-ministers bekannt, 10.000 Roma aus Deutschland in den Kosovo abzu-schieben. Frank-reich lässt seitdem Camps auf bruta-le Weise durch die Polizei räumen – allein zwischen April und Okto-ber 2011 waren es 46 mit 5.763 Men-schen. Zuletzt wur-de in einem Pariser Vorort ein 16-jähri-ger Dieb ins Koma geprügelt, weil sei-ne Mutter ein Lö-segeld von 15.000 Euro nicht zahlen konnte. Zu dem Wenigen, das noch goutiert wird, ge-hört der Gypsy-Jazz. Der qualvol-le Prozess gesell-schaftlicher Aner-kennung, zu dem in den 80er-Jahren die Wahrnehmung jahrhundertelan-ger Unterdrückung

bis zum Völkermord durch die Nazis ge-hörte, droht zu scheitern. Und mit dem Tod vieler Musikstars will es scheinen, als habe die Musikindustrie die Hoheit über diesen Teil der Kultur erlangt. Zaz, eine unglaublich vielseitige Sängerin, zuhause zwischen Rock, Jazz, Latin, Cabaret, Chan-son und Straßenmusik, engagiert in der Öko-Bewegung, trägt immerhin die Sehn-sucht nach der Unabhängigkeit weiter. Im November erscheint ihr drittes Album.

Das vollständige Gespräch mit Zaz: www.kunstundkultur-online.de

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Nach dem Sturz Mussolinis und der sich anschließenden Besetzung großer Teile des Landes durch die deutsche Wehrmacht formierte sich in Italien 1943 der bewaffnete

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José James While You Were Sleeping

Blue Note

Erstaunlich, dass eine so eng zusammenarbei-tende Band ein so schwer einzuord-nendes Album abliefert. Wie eine willkürliche

Sammlung voller Höhepunkte – vom unglaublichen, an J Dilla erinnernden »U r the 1« mit seinem verschleppten Beat bis zum mit Hendrix-Gitarre agie-renden »Anywhere You Go«. Jeder Song funktioniert in seinem eigenen Kosmos und erreicht das gesteckte Ziel, Jazz neu zu verorten. Man möch-te raten, »While You Were Sleeping« nicht als Album zu hören, sondern jedes Lied einzeln, mit Abstand, um zu verstehen, was hier angedacht wurde.

n icht jeder will sich mit einem Status quo im Jazz zufrieden geben, vor allem nicht José James und seine neue Band.

»Wir alle sind auf eine gewisse Art ungedul-dig und unzufrieden damit, wo sich die-se Szene gerade befindet. We want to hit harder.« Was stört ihn denn? »Ich habe das Gefühl, dass Jazz weiterhin sehr traditio-nell bleibt. Da gibt es natürlich Leute wie Robert Glasper, aber diese Liste ist kurz.« Nicht einmal Esperanza Spalding befindet sich darauf: »Wenn man sie neben ein Jazz-Trio stellt, dann fällt sie natürlich mehr auf – aber verglichen mit St. Vincent ist sie konservativ.« Meint José James. Dabei ist er selbst ein Musiker, der seine Karriere tradi-tionell begonnen hat, nämlich an der New School for Jazz and Contemporary Music, ei-ner Privatuniversität in New York.

Seit 2008 sind bereits drei Alben er-schienen – auf allen findet die Suche nach einer neuen Herangehensweise statt, oh-ne sich dabei abstrakt und avantgardis-tisch zu geben. José James will neue Wege finden zu fusionieren – am deutlichsten geschah das auf seinem Album »No Be-ginning No End«, auf dem er Neo-Soul in den Jazz zurückführen wollte, aber daran scheiterte, dass D'Angelo schon vor 14 Jah-ren mit »Voodoo« das letzte Wort zu die-sem Thema gesprochen hatte.

Jetzt folgt mit »While You Were Sleeping« ein weiterer Anlauf, dieses Mal mit einem neuem Konzept: »An ›No Beginning No End‹ waren an die 20 Musiker beteiligt, in verschiedenen Studios. Jetzt habe ich eine Band. Das gab mir die Flexibilität, so viele Dinge auszuprobieren.« Zur Bandbreite,

Ungeduldig auf der Suche José JaMes und Band Wollen JaZZ WiedeR in

einen BReiteRen MusiKalischen Kontext stellen

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die er mit Gitarrist Brad Allen Williams, Keyboarder Kris Bowers, Bassist Solomon Dorsey und Schlagzeuger Richard Spa-ven erreicht, meint James: »Dieses Album bietet eine Synthese von allem, was ich an Musik liebe. Ich mag zeitgenössische Künstler wie Frank Ocean, James Blake und Junip, aber auch Bands wie Nirvana und Radiohead – mit deren Musik ich auf-wuchs – oder auch Madlib.«

Breiter kann man sich kaum aufstel-len, und dabei hat er hier nicht einmal die leichten EDM-Einflüsse erwähnt. »Was ich versuche, ist, nicht nur an Jazz zu denken und wohin dieses Album innerhalb die-ser Szene passt. Jazz muss wieder in einen größeren Kontext gestellt werden. Wo er auch früher war. Wir haben fast vergessen, das Jazz populär war.«

mUSIk & kÜnStler

California Breed California Breed Frontiers Records

in der rockszene als »super-groups« gehandelte Bands lö-sen sich meist schnell wieder auf. Zum Beispiel Black Coun-try Communion. Als Joe Bona-massa ausstieg, war es vorbei. Allerdings waren schwerge-wichte wie ex-Deep-Purp-le-Bassist Glenn Hughes und schlagzeuger Jason Bonham (Filius von John Bonham) mit im spiel. eine Neugründung war selbstverständlich. Die heißt California Breed. Mit im Boot sitzt der 23-jährige sänger und Gitarrist Andrew Watt. Die 13 Ti-tel ihres Debüts klingen wie aus den 70er-Jahren. Der energie des klaren, rohen sounds kann man sich schwer entziehen.

Richard Labitzke

Paloma FaithA Perfect ContradictionSony Music

Obwohl die engländerin Palo-ma Faith mit »A Perfect Con-tradiction« bereits ihr drittes Album vorlegt, ist sie hierzu-lande noch ein Geheimtipp. Zu unrecht, denn: Faith ist nicht nur eine wandlungsfähi-ge Künstlerin, sondern haucht dem Funk und Motown-soul neues Leben ein. ihr Album ist funky, leicht jazzig, ein biss-chen Old-school-Disco. Die single »Can't rely on You« ist eine kraftvolle Nummer, die in die Beine geht und sich im Ohr festsetzt. Die songs sind sehr beat betont und tanzbar. Ausnahme: das klavierlastige »Only Love Can Hurt Like This«, einer der schönsten Tracks.

Janine Kallenbach

Studio Rio Presents:The Brazil Connection Legacy Recordings

Die idee der Us-amerikani-schen Produzenten Berman Brothers zu diesem Album ist wohl dem Zeitgeist geschul-det: samba und Bossa-No-va-Grooves mit Klassikern von Billie Holiday, The isley Bro-thers, Aretha Franklin, Marvin Gaye oder sly & The Family stone verbinden und regen an, sie mit Original-Mehr-spurbänder des studio rio von einem Allstar-ensemble brasilianischer Musikpioniere neu einspielen zu lassen. Das Ziel: »Die Lebensfreude Brasi-liens mit unvergessenen songs großer amerikanischer Künst-ler zusammenzuführen.« sehr kommerziell.

Thomas König

JamesLa Petite MortCooking Vinyl

Nachdem sich Coldplay mit ih-rem letzten Album der klassi-schen Hymne für den Moment verweigern, müssen andere die sache mit der großen, ver-einenden Geste übernehmen. James sind dem gewachsen, zumal das mittlerweile 13. Werk der Briten aus dem uni-versell teilbaren Gefühl der Trauer heraus geboren wurde: innerhalb kurzer Zeit verlor sänger und songwriter Tim Booth seine Mutter und sei-nen besten Freund. »La Peti-te Mort« ist zunächst einmal schmerztherapie, Kummer und Wut transzendieren jedoch musikalisch und wachsen zum lebensbejahenden Fest heran.

Friedrich Reip

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Networking Showcase FestivalTrade FairConferenceFilm ScreeningsAwardsvirtualWOMEX

Santiago de CompostelaGalicia, Spain22 — 26 Oct 2014www.womex.com

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29 AUG2014

57rezensionen Musik & künstler

KissKiss 40 Universal

Wenn die Clowns aus der Bom-bast-Kitsch-Kostümabteilung ihr 40-jähriges Dienstjubiläum begehen, wird gefeiert und Kasse gemacht. 28 Gold-Al-ben und weltweit hundert Millionen verkaufter Tonträger gehören zur Bilanz von Gene simmons und Paul stanley. Zusammen mit ihren Kollegen Tommy Thayer und eric singer verwalten sie das musikalische erbe. Nunmehr erscheinen alle 18 studioalben remastert als Vinyl-edition. Kiss ist zur Welt-marke mit über 3.000 lizenzier-ten Merchandise-Produkten gewachsen. Das Kiss-Prinzip funktioniert auch im 40. Jahr.

Richard Labitzke

Los de AbajoMariachi BeatFlowfish Records

salsa mit einem gehörigen schuss Punk bieten laut eigen-werbung die mexikanischen Musikrebellen Los de Abajo (Die von unten). Der Punk ist zwar kaum herauszuhören, doch haben die acht Männer mit Frontfrau Tanja Melo im Laufe der Jahre einen eige-nen sound geschaffen. Die Mischung aus rock, salsa, reggae, ska, Cumbia und son Jarocho kann getrost als eine Art mexikanischer Folk be-zeichnet werden. Auf alle Fälle ist sie ziemlich einzigartig. Das Ganze ist ohne überflüssige schnörkel produziert, instru-mentiert und arrangiert.

Carsten Collenbusch

Nico SchwindGrippin' WorldStil vor Talent

Midtempo-House, soulig-me-lancholische Vocals oder samples, dazu ein bisschen Genreübergreifendes – hier handelt es sich um standardkost aus dem Haus »stil vor Talent« (sVT). Klar, Labels wie dieses definieren sich über ihre Marke, aber zwischen zeitloser Pro-duktion und der Wiederholung des ewig Gleichen besteht ein Unterschied. Da ändern auch Nuancen in richtung Hip-Hop nichts. Andererseits ist alles – und das ist auch typisch sVT – sauber und solide, ein makel-loser Oldschool-House-Track wie der Titel über jeden Zweifel erhaben. eine halbe sache.

Chris Owl

Echo & The BunnymenMeteorites429 Records

Auch auf »Meteorites« – wie schon auf den elf vorangegan-genen Alben von echo & The Bunnymen – gibt ian McCul-loch den songs seine stimme. Ansonsten ist das Potential der Platte überschaubar. Die zehn stücke sind zwar ohne Frage richtig gut geraten, die Musik wirkt so fokussiert, stark und dank der Produktion von »Ur-ban Hymns«-Produzent Youth glasklar wie seit mindestens zehn, vielleicht 20 Jahren nicht. Das Album ist unantast bar, himmlisch, wunderschön und echt. Nur ideen, die neue Per-spektiven eröffnen – die findet man hier nicht.

Friedrich Reip

ANZeiGe

54 Musik & künstler rezensionen

The WytchesAnnabel Dream ReaderHeavenly

Hochsommer bedeutet ja bei weitem nicht, dass es allen prächtig geht. Das aus Pe-terborough stammende Trio The Wytches etwa, seit seinen ersten Singles in ihrer Hei-mat Großbritannien als hot shit gehandelt, hat mit seinem Debütalbum einen wolkenver-hangenen, garstig grungigen Surf-Soundtrack komponiert, der jede Menge gute Laune kostet. Wer im Sog von tiefer gestimmten Gitarren, schep-pernden Drums und krächzen-den, wundgesungenen Vocals die Nerven behält, kann dabei allerdings echte Schätze auf-tun: Die arabisch anmuten-

Erland & The CarnivalClosing TimeButterfly Recordings

Wenn man musikalische In-nenblicke, Herzschläge voller Nachdenklichkeit und die mit-reißende Kraft eines Neuan-fangs in Songs verpackt, dann muss wohl so etwas wie das Album »Closing Time« von Er-land & The Carnival dabei he-rauskommen. Erland Cooper und Simon Tong haben teils sehr persönliche Erlebnisse zum Kern ihrer Songs gemacht. In ihren gediegenen, oft lied-haften Popmelodien vereinen sie elektronische Streicher-Ar-rangements mit zart hallendem Gesang zu spannungsgelade-ner und vielseitiger elektro-nischer Folkmusik. Klanglich

The Soft Pink TruthWhy Do The Heathen Rage?Thrill Jockey

Sein jüngstes Album positi-oniert Drew Daniel alias The Soft Pink Truth als queeren Gegenpol zu rassistischen, sexistischen, homophoben und antisemitischen Aus-wüchsen im Black Metal. Mit Hilfe zahlreicher genrefremder Gäste, wie Antony von Antony & The Johnsons, überführt Da-niel »klassische« Black-Metal-Songs in Coverversionen, die an Spielarten elektronischer Musik andocken. Manche da-von klingen nach EBM, andere nach Eurodance. Black-Me-tal-typisches Blast-Beat-Ge-knüppel wird durch tanzbare Grooves ersetzt. »Why Do the

Addys MercedesLocomotora a CubaMedia Luna

»Ich werde gehen, um die Frei-heitsstatue zu sehen, auch die Niagarafälle von Nahem, nach Paris, nach Panama, denn hier passiert nichts«, singt Addys Mercedes. Die Kubanerin, die 1993 mit 19 Jahren einem deutschen Touristen nach Gelsenkirchen folgte, verar-beitet in den Texten ihre eigene Geschichte. Heute lebt und ar-beitet sie mit ihrem Partner Cae Davis (Bass, Gitarre, Perkussi-on) in Essen. In ihren melan-cholischen Lyrics schwelgt sie in ihren Erinnerungen an Kuba – ohne wirklich zu berühren. Zu gefällig sind die Popmelo-dien, zu wenig variationsreich

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61rezensionen Musik & künstler

Gemma Ray liebt das Ki-no. Bereits 2009, ein Jahr nach Veröffentlichung ih-

res Debütalbums »The Lea-der«, arrangierte sie Lyrics von Sonic Youths Song »Drunken Butterfly« auf die Filmmusik des Horrorklassikers »Rose-mary’s Baby«. Dann spielte die mittlerweile in Berlin leben-de Britin mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg ein paar Konzerte – maßgebliche Inspiration vermutlich für die im vergangenen Jahr erschie-nene Instrumental-LP »Down Baby Down«, deren Komposi-tionen Ray selbst als »Fanta-sy Soundtracks« bezeichnete.

Wenn man so möchte, ist nun auch »Milk For Your Mo-tors« ein Stück großes Kino: spannungs- und wendungs-reich, mit einem glitzernden Cast (neben den erneut ver-tretenen Babelsbergern u.a. Suicide-Sänger Alan Vega,

Singer-Songwriter Howe Gelb und Placebo-Violinistin Fio-na Brice) und einer Dramatur-gie, die nach zartem Einstieg Fahrt aufnimmt – Richtung Katastrophe: vom Slow-Mo-Doo Wop (»Shake Baby Sha-ke«) und dem Popstück »When I Kissed You« hin der elegi-schen Abblende (»Rubbing Out Your Name«).

Auffällig ist dabei die Häu-fung von Bildern der Bewe-gung und der Straße. »Milk For Your Motors« ist ein Ro-admovie, dem allerdings das zentrale Element der (Selbst)befreiung abgeht – ein Trip durch eine sich verdüstern-de Landschaft, nach dessen Ende alle ganz die alten sind. Dass es der Song »You Changed Me« nur als überflüssiger Bo-nus-Track auf die europäische Version geschafft hat, macht da durchaus Sinn.

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Milk For Your MotorsSony

Basement JaxxJuntoAtlantic Jaxx

Basement Jaxx sind Dinosau-rier. In Zeiten des EDM, mit DJs wie Tiësto auf der einen Seite und einer in sich abgeschlosse-nen Szene in den Clubs auf der anderen, stehen sie verloren im Nichts. Was tun? Basement Jaxx gehen ganz in Richtung Pop. Vergessen sind die dicht geschichteten Tracks, die wil-den bis wahnwitzigen Experi-mente – schon der Einstieg mit »Power to the People« klingt wie der verspätete Versuch einer WM-Hymne. Ansonsten ist die Grundlage meist House im Retro-Stil, doch das kön-nen Hercules oder Disclosure zurzeit am besten. Nur selten klingen sie wie sie selbst (»We Are Not Alone«), aber Neues

Cold SpecksNeuroplasticity Mute

Das Debüt der afro-kanadi-schen Songwriterin AI Spx alias Cold Specks war so etwas wie moderne Kirchenmusik mit einer explosiven Rock-Soul-Mischung. Nach Zusammen-arbeiten mit Moby, Ambrose Akinmusire und Swans stehen bei ihrem zweiten Album »Neu-roplasticity« abermals die se-mi-missionarischen Geschich-ten über die dunklen Seiten des Lebens im Vordergrund. Ob mit dreisten Riffs, warmen Pi-ano-Chords oder wehleidigen Trompeten – die Wahl-Londo-nerin weiß ihre erzählstarke und kraftvolle Stimme eindrucksvoll zwischen Trübsal und rebelli-scher Potenz zu inszenieren. Sie selbst nennt ihre Musik üb-

Black JuJuKilled By YouthEigenvertrieb

Hier kommt ein Geheimtipp für alle, die es dreckig, laut und psychedelisch mögen: Das Trio Black JuJu aus London und Ay-lesbury spielt energiegelade-nen Punk’n‘Roll und veröffent-licht mit »Killed By Youth« ein kurzweiliges Debütalbum. Die zehn Tracks zwischen treiben-dem Noise-Rock mit Blues-Ein-schlag, psychedelischem Punk- und drückendem Stoner-Rock wirken authentisch und sind facettenreich genug, um Gen-re-Klischees und Langeweile zu vermeiden. Auf nervtötend lange Stoner-Parts und große Allüren wird verzichtet. Black JuJu bringen ihre Sache ohne große Schnörkel auf den Punkt. Das Album erscheint am 25. September, wer schon einmal

Tiemo HauerCamillegreen elephant records

Was für eine Stimme. Wunder-bar kratzig, tief und eindring-lich. Tiemo Hauer meldet sich mit seinem dritten Studioalbum »Camille« eindrucksvoll zurück. Waren seinen ersten beiden Al-ben noch vergleichsweise ruhig und schlicht, dreht er dieses Mal voll auf. Nicht nur seine Texte gehen unter die Haut, son-dern auch die erstklassische Mischung aus Pop-Arrange-ments und Indie-Klängen – mit einem Hauch von Melancholie und unbändiger Lebensfreude. Mit der Leichtigkeit seiner be-wegenden Stimme beleuchtet Tiemo Hauer die Höhen und Tiefen des Lebens und lang-weilt keine Minute.

Janine Kallenbach

IM NETZEine blutige Träne läuft aus dem Auge des toten Delfi nweibchens. Milch tropft aus den Zitzen. „Als ich das tote Tier sah, wusste ich sofort: Irgendwo dort draußen im Ärmelkanal verhungert jetzt ein Delfi nbaby“, sagt Thilo Maack, Meeresbiologe bei Greenpeace.

Das tote Delfi nmädchen gehört zur Gattung sterben viele Schweinswale in den Netzen der Werden Sie noch heute

TOD

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Die Farben der ArktisDas Porträt einer atemberaubend schönen Region

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Eine blutige Träne läuft aus dem Auge des toten Delfi nweibchens. Milch tropft aus den Zitzen. „Als ich das tote Tier sah, wusste ich sofort: Irgendwo dort draußen im Ärmelkanal verhungert jetzt ein Delfi nbaby“, sagt Thilo Maack, Meeresbiologe bei Greenpeace.

Das tote Delfi nmädchen gehört zur Gattung

der Gemeinen Delfi ne. Sie starb im Ärmel-

kanal. Dort sind ihre Artgenossen noch immer

der Gefahr ausgesetzt, sich in riesigen Netzen

zu verfangen, die gleichzeitig von zwei Schif-

fen durch das Wasser gezogen werden. Diese

so genannte Gespann-Fischerei dient dazu,

den begehrten Edelfi sch Loup de Mer (Wolfs-

barsch) zu fangen. Vorne so groß wie zwei

sterben viele Schweinswale in den Netzen der

Fischer. Um sie und andere Meeresbewohner

zu schützen, versenkten Greenpeace-Aktivisten

im Sylter Außenriff tonnenschwere Steine.

So schützen sie dieses Gebiet vor der zerstö-

rerischen Schleppnetzfi scherei.

Handeln, bevor es zu spät istEs ist ein Skandal: Die Bundesregierung hat

2004 ein Drittel der deutschen Nord- und

Ostsee unter Schutz gestellt, auch das Sylter

Außenriff – allerdings nur auf dem Papier.

Denn noch immer bauen Saugbagger dort

Sand ab und Fischer stellen weiter ihre Netze

auf. Greenpeace hingegen handelt, damit

der Kinderstube der Schweinswale endlich

wirklicher Schutz zukommt.

Wie viel sind Ihnen die Delfi ne wert?Bereits mit fünf Euro im Monat können Sie

Fördermitglied von Greenpeace werden. So

helfen Sie, Delfi ne und andere bedrohte Tiere

wirksam zu schützen. Wenn eines unserer

Schiffe unterwegs ist, kostet das rund 5.000

Euro pro Tag. Deshalb: Werden Sie noch heute

Fördermitglied. Ob Sie monatlich 5, 10 oder

15 Euro geben, jeder Betrag ist wichtig. Füllen

Sie einfach die Postkarte aus und schicken

Sie sie an uns zurück. Oder ganz bequem

online unter www.greenpeace.de/spende

Fördermitglied werden. Die Natur wird Ihnen

dankbar sein!

Ihre Spende hilft Leben retten!

Werden Sie noch heute Fördermitglied! Als Willkommensgeschenk erhalten

Sie den Greenpeace-Bildband „Die Farben der Arktis“.

Ihre Vorteile als FördermitgliedService-Scheckheft mit wertvollen

Angeboten, wie Trinkwasser-Analyse,

Filmverleih und mehr

Greenpeace-Nachrichten 4 x im Jahr frei Haus

Spendenbescheinigung, da steuerlich absetzbarer Förderbeitrag

Jederzeit kündbare Mitgliedschaft!

Bildband gratis!

Fußballfelder verjüngen sich die Netze zum

Ende hin und werden so zur tödlichen Falle.

In ihrem Todeskampf fügen sich die Delfi ne

schwerste Verletzungen zu und ersticken

schließlich qualvoll.

Greenpeace kämpft für den Schutz der MeeresbewohnerNicht nur im Ärmelkanal ist das Leben der Del-

fi ne und Wale durch zerstörerische Fischerei-

praktiken bedroht. Auch in Nord- und Ostsee

TODwww.greenpeace.de/spende

Für die Einrichtung eines echten Meeresschutzgebiets:

Greenpeace-Aktivisten versenken große Natursteine im

„Sylter Außenriff“.

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Page 16: n Anzeigenpreisliste Nr. 24 vom 1.10 - Junge WeltDie den real existierenden Kapitalismus nicht für das Ende der Geschichte hält. Leserinnen und Leser, die diese Zeitung für sich

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15. Die Rechnung ist in der auf der Rechnung angegebenen Frist zu bezahlen, sofern nicht im einzelnenFalleinekürzereZahlungsfristoderVorauszahlungvereinbartist.EtwaigeNachlässefürvorzeitigeZahlungenwerdennachderPreislistegewährt.

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17. Der Verlag liefert mit der Rechnung auf Wunsch einen Anzeigenabschnitt. Wenn Art und Umfang desAnzeigenauftragesesrechtfertigen,werdenmindestenszweiKopfbelegeodervollständigeBelegnummerngeliefert.KanneinBelegnichtmehrbeschafftwerden,sotrittanseineStelleeinerechtsverbindlicheAufnahmebescheinigungdesVerlages.

18. DiefürdenVerlagtätigenWerbungsmittlerundWerbeagenturensindverpflichtet,sichinihrenAngeboten, Verträgen und Abrechnungen mit den Werbungtreibenden an die Preisliste des Ver-lageszuhalten.DievomVerlaggewährteMitteilungsvergütungdarfandenAuftraggeberwederganz noch teilweise weitergegeben werden.

19. Für konzernangehörige Firmen, die gemeinsame Rabattierungen beanspruchen wollen, ist eine Prüfung durch den Verlag notwendig und kann nicht generell gewährt werden.

20. ErfüllungsortundGerichtsstandistfürbeideTeilederSitzdesVerlages.DieladungsfähigeAn-schriftlautet:Verlag8.MaiGmbH,Torstr.6,10119Berlin.Geschäftsführer:DietmarKoschmie-der,AmtsgerichtBerlin-Charlottenburg–HRB55651.

21. DerKundehatdigitalübermittelteDruckunterlagenfreivonsogenanntenComputerviren,-würmernundsonstigenSchadensquellenzuliefern.Eristinsbesondereverpflichtet,zudiesemZweckhandelsüblicheSchutzprogrammeeinzusetzen,diejeweilsdemneuestenStandzuentsprechenhaben.EntdecktderVerlagaufeinerihmübermitteltenDateiSchadensquellendervorbezeichnetenArt,wirdderVerlagvondieserDateikeinenGebrauchmachenunddiese,soweitzurSchadensvermeidungbzw.-begrenzungerforderlich,löschen,ohnedassderKundeindiesemZusammenhangSchadensersatzansprüchegeltendmachenkann.DerVerlagbehältsichvor,denKundenaufSchadensersatzinAnspruchzunehmen,wenndurchsolche,durchdenKundeneingebrachteSchadensquellendemVerlagSchädenentstandensind.

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