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chronos theatertexte „Die ganze Richtung passt mir nicht!“ Kästners Ur-Fassung des „Fabian“: Der Gang vor die Hunde n e u :

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chronostheatertexte

„Die ganze Richtung passt mir nicht!“

Kästners

Ur-Fassung

des „Fabian“:

Der Gang vor

die Hunde

neu:

II III

Fotoarchiv Erich Kästner © RA Peter Beisler, München

„Die ganze Richtung passt

mir nicht!“ eRich kästneR: Der Gang vor die HundeDie Ur-Fassung von Kästners berühmtem Roman „Fabian“ Stoffrecht zur individuellen Dramatisierung, frei zur UA1931 lieferte erich kästner seinem Verlag ein Manuskript mit dem titel „Der Gang vor die hunde“: die Geschichte des arbeitslosen Ger-manisten Jakob Fabian, der durch das überhitzte Berlin der zwanzi-ger Jahre streift, eine stadt, die sich politisch und erotisch im Aus-nahmezustand befindet. Der junge kästner, der freche shootingstar der Berliner Literatur-szene mit dem messerscharfen Blick, hatte in seinem ersten Roman alle Register gezogen.Das machte dieses Buch für den Verlag zu einem sprengsatz, den das Lektorat mit spitzen Fingern entschärfte und der dann – entge-gen kästners ursprünglicher intention – unter dem titel „Fabian. Die Geschichte eines Moralisten“ erschien. noch in der verharmlo-sten Fassung galt das Buch vielen als dekadent und obszön: »Ge-druckter Dreck!«, empörte sich der Völkische Beobachter, indessen sich Autoren wie hans Fallada, hermann hesse und heinrich Mann verneigten. kästner selbst sagte dazu: »Dieses Buch ist nichts für konfirmanden, ganz gleich, wie alt sie sind.«Die ursprüngliche Romanfassung wurde nun erstmals vom kästner-experten sven hanuschek Wort für Wort rekonstruiert und sorgfäl-tig ediert. Das Buch erscheint im Oktober 2013 im Atrium Verlag.

EricH KästnEr, geboren 1899 in Dresden, war satirischer schriftsteller,

Dramatiker, kabarettist, Feuilletonist und bedeutender kinderbuchautor.

1928 erschien das erste der beiden Bücher, die ihn auf einen schlag weltbe-

rühmt gemacht haben: der Gedichtband „herz auf taille“. ein Jahr später

folgte das kinderbuch „emil und die Detektive“. Bis 1933 erschienen zahl-

reiche Bücher, die seinen erfolg festigten. im nationalsozialismus wurden

seine Bücher verbrannt und erich kästner erhielt Publikationsverbot. nach

dem ende des krieges leitete kästner das Feuilleton der „neuen Zeitung“

und gründete das kabarett „Die schaubude“. Allmählich begann er wieder

Bücher zu schreiben, und zwar zunehmend für kinder. Mehrere literarische

Auszeichnungen (u. a. Georg-Büchner-Preis, 1957; hans-christian-Ander-

sen-Medaille, 1960) unterstreichen seine literarische Bedeutung. Am 29. Juli

1974 starb erich kästner in München.

Beachten Sie bitte auch den musikalischen „Fabian“ von Jakob Vinje auf S. V

„Die Müllers haben alles für bare Münze genommen…“WALteR MehRinG:Müller. chronik einer deutschen sippeFür die Bühne bearbeitet von Sven j. Olsson; 8 Darsteller/innen; frei zur UA „Die Müllers haben alles für bare Münze genommen (...). ihr Ver-trauen in die Unfehlbarkeit der Vorgesetzten war ebenso unerschüt-terlich und blind wie ihr Glaube an die Gerechtigkeit ihrer eigenen handlungen.“ so wie es keinen ‚deutscheren’ nachnamen gibt als Müller, so gibt es keine mustergültigere deutsche sippe als jene Müllers, deren Geschichte Dr. Arminus Müller von der Römerzeit an lückenlos erforscht und niederschreibt. niemals zeichneten sich die Müllers durch „besondere schicksale“ oder „durch besondere Begabung“ aus, doch ihre Bereitwilligkeit, sich dem jeweiligen herrscher mit hin-gabe zu unterstellen, war beispielhaft. sie haben dem heidentum abgeschworen, dem teufel widerstanden, sie wurden „lutherisch zugleich mit ihren Fürsten“, leisteten heeresdienste und dienten ih-ren herren gleichermaßen unbeirrt unter der Monarchie wie in der Republik. so konnte es Dr. Arminus Müller auch nicht vorhersehen, dass die nationalsozialisten, deren erhebung er selbst doch naturge-mäß voll und ganz begrüßt hatte, ausgerechnet ihn auffordern wür-den, seine Rassenreinheit zu belegen. eine Forderung, der er mit der gebotenen Müllerschen eilfertigkeit und Gründlichkeit nachkommt und an der er gewissermaßen naturgemäß scheitern muss. nicht nur, weil die (männlichen) Müllers ausgesprochen „triebbestimmte, brünstige Menschen“ waren (Uwe naumann), in der Wahl ihrer Frauen keinesfalls zimperlich und also ohnehin keine keuschen Leumundszeugen für Armin Müllers ‚Ariernachweis’. Vielmehr kri-tisiert Walter Mehring grundsätzlich die hypostasierung der reinen substanz, die solchermaßen erwiesen werden soll - und diese kritik hat bis heute nichts an Dringlichkeit verloren. Die substanz, die uns innewohnen soll und die rein erhalten werden muss, heißt heute natürlich nicht mehr ‚Rasse’ oder ‚Volk’. Die wendigen Müllers wären bestens vorbereitet gewesen auf die heutigen Anforderungen, das ‚eigentliche’ zu verwirklichen: jene identitätsanforderung zum Beispiel, derzufolge wir alle unverwech-selbare individuen sein müssen, in einem fitten körper, politisch engagiert je nach der Mode etc. Geändert hat sich die Diktion, nicht die sache. Als Armin Müller mit seinem ‚Bund der teutoburger’ singend um ein nächtliches Weihefeuer tanzt, lässt Mehring eine „tolle Jazzband einen American song intonieren, der den germanischen spuk mit einem schlag fortblies“. ein guter Jazzsong ist Walter Mehrings sa-tirischer „Müller“ noch heute, er hat nichts an schärfe verloren und schon gar nicht seinen Gegenstand!in sven j. Olssons kunstvoller Bearbeitung steht der Genealogie der Müllers nun erstmals die Bühne offen.

WAltEr MEHrinG (1896-1981) zählt zu den bedeutendsten deutschen

Autoren des 20. Jahrhunderts. er debütierte in den zwanziger Jahren

mit Gedichten und chansons, schrieb Polemiken, Aufsätze, Dramen und

Romane. 1917/18 war er Mitbegründer der Berliner Dada-sektion, seine

Gedichte aus den frühen 1920er Jahren gehören zu den wesentlichen

Werken des expressionismus. er publizierte regelmäßig satirische Artikel

gegen Militarismus, nationalismus und Antisemitismus in der „Weltbüh-

ne“ und gehörte neben kurt tucholsky zu den Begründern des politischen

kabaretts in Berlin: „Mehring hat ein neues Lebensgefühl, einen neuen

Rhythmus, eine neue technik... Wenn die neue Zeit einen neuen Dichter

hervorgebracht hat: hier ist er.“ (kurt tucholsky) seine Gedichte und chan-

sons machten ihn berühmt und verhasst. Joseph Goebbels verfasste 1933

einen hetzartikel gegen ihn mit der Überschrift „An den Galgen“. Mehring

entging nur knapp seiner Verhaftung, floh 1933 nach Paris und emigrierte

schließlich in die UsA. 1953 kehrt er nach europa zurück und lebte zuletzt

in einem hotel in Zürich: „eine existenz der permanenten improvisation,

die er selbst als Fortsetzung der exil-situation begriff, für die er die wohl

berühmteste chiffre geschaffen hat: „staatenlos im nirgendwo“.“ (Portrait

Radio Bremen, 29.09.2011)

er starb am 3. Oktober 1981 in Zürich.

sein theaterstück „Der kaufmann von Berlin“ wurde 2010 an der

Volksbühne Berlin von Frank castorf neu inszeniert.

© picture-alliance/Fred Stein

neue Stücke

von Stefan

Schroeder

ein

Weihnachts-

stück für

erwachsene

VIV

Heldentod3 D - 1 H oder 4 bel.; frei zur UAsie haben sich tagelang mit koffern durch eine gar nicht märchen-hafte Welt geschleppt und angekommen sind sie in einer herunter gekommenen hotellobby: schneewittchen, Rapunzel und Aschen-puttel, die vor der unbesetzten Rezeption des menschenleeren hotels auf ihren koffern sitzen und darauf warten, dass jemand kommt: ihr Prinz womöglich – oder doch wenigstens der emp-fangschef oder der Barkeeper.Rapunzel ist die erste, die die theorie in den Ring wirft, dass sich das Warten nicht lohnt, da niemand mehr kommen wird – und schon gar kein held. Doch Aschenputtel flüchtet sich lieber in die rationale erörterung dieser rätselhaften situation, und schneewitt-chen, die Verträumte, die schon einmal tot im Glassarg lag, entwirft ein hoffnungsvolles spiel: Gemeinsam wollen die drei die ausge-bliebene Rettung durch ihre Prinzen nachspielen. Wir sehen also in Folge die nachgestellte Begegnung Rapunzels und des blinden Prinzen in der Wüstenei, das scheintote schneewittchen im sarg und Aschenputtels schuhanprobe. Die selbstbespiegelung der drei in ihrem spiel offenbart ihre uneingestandene Ahnung: Gibt es die-se Prinzen überhaupt oder sind sie ein reiner irrglaube?Die Verzweiflung ist auf dem höhepunkt, als doch noch das Un-glaubliche passiert: Das hotel betritt ein Prinz – doch der hat spür-bar schon bessere Zeiten gesehen und entspricht so gar nicht der Vorstellung, die die drei sich von ihm gemacht hatten…

Weitere Stücke von Stefan Schroeder auf www.chronostheatertexte.de und auf www.kindertheater.de

OtFRieD PReUssLeR Die Flucht nach ägyptenSämtliche Vorgänge, Zufälle und Ereignisse auf dem Weg durchs Königreich Böhmen. Und Wunder. Zur individuellen Dramatisierungsicherlich ist weithin bekannt, dass die heilige Familie auf ihrer Flucht nach ägypten durch das königreich Böhmen kam. nicht nur der kaiser Franz Joseph (im Auftrag von könig herodes), sondern sogar der Unterteufel Luzifer persönlich, versuchen hier die heilige Familie aufzuhalten. Doch die zieht wundersam arglos und unbehelligt durch die Lausitz ins Böhmische und hinterlässt am Wegrand das eine oder andere kleine und größere Wunder.

OtFriED PrEusslEr wurde am 20. Oktober 1923 in Reichenberg

geboren. nach krieg und Gefangenschaft kam er nach Oberbayern, wo

er bis 1970 Volksschullehrer war. Danach widmete er sich ausschließlich

seiner literarischen Arbeit. Für sein Gesamtwerk und in Würdigung

seiner literarischen Verdienste wurde Otfried Preußler mit zahlreichen

Auszeichnungen geehrt, darunter mit dem eichendorff-Literaturpreis,

der ernennung zum titular-Professor und der Verleihung des Bun-

desverdienstkreuzes sowie des Bayerischen Maximiliansordens für

Wissenschaft und kunst. seine Bücher erreichten bisher weltweit eine

Gesamtauflage von 50 Millionen exemplaren in über 50 sprachen; die

Bühnenstücke zählen zu den meistgespielten Werken des kinderthea-

ters. seine Liebe zu kindern begründete auch sein soziales engagement.

Viele Jahre unterstützte er die Orthopädische kinderklinik Aschau.

Otfried Preußler verstarb am 18. Februar 2013 in Prien am chiemsee.

„ sie haben ein Recht auf die richtige Betreuung.“

steFAn schROeDeR: Aufräumen mit Alfons2 D - 3 H; UA: Theater an der Volme, Hagen (08.03.2013)Alfons bekommt nie Besuch. er will auch nicht besucht werden. ebenso wenig will er das haus verlassen oder seinen tagesablauf ändern. Denn Alfons verbringt jeden tag gleich, er trinkt tee und sortiert seine Zeitungen und vor allem: er bleibt zu hause, allein. Doch dann geschieht leider das Unfassbare: es klingelt an seiner haustür. trotz seiner beharrlichen Versuche, das Läuten zu ignorie-ren, sieht Alfons sich schließlich genötigt, den eindringlingen die tür zu öffnen. Obwohl sie sich eigentlich nur in der hausnummer geirrt haben, bringen die junge tine und ihre enervierende Mutter Dorothea unter der Ankündigung, nur ein bisschen aufräumen zu wollen, sein geordnetes Leben gnadenlos durcheinander. Je mehr teetassen allerdings im Verlauf des Aufräumens zertrümmert wer-

stücke von erich kästner

eRich kästneR, JAkOB VinJe: FabianMusiktheater von Jakob Vinje nach dem gleichnamigen Roman von Erich Kästner; Libretto: Katharina Vinje; Liedtexte: Erich Kästner/Jakob Vinje; 3 D - 4 H; für 6 Instrumente oder Orchester„…Es ist ein Irrtum zu glauben, die entscheidenden Momente eines Lebens, in denen sich eine gewohnte Richtung für immer ändert, müssten von lauter und greller Dynamik sein.“ (Pascal Mercier)im Berlin der großen Weltwirtschaftskrise, am Vorabend der Macht-übergabe an hitler, scheitert Fabian ganz leise und kein bisschen grell. er verliert seine stellung als Werbetexter, weil er zu gut und damit zu teuer ist, er verliert seine Freundin cornelia an die mehr oder weniger korrupte Filmindustrie und er verliert seinen einzigen Freund Labude, der sich ‚fälschlicherweise‘ umbringt.Fabian ist ein Moralist und versucht doch nach kräften, es nicht zu sein. er stürzt sich ins nachtleben und in zügellose Abenteuer. Aber es ekelt ihn vor der Verlogenheit der antibürgerlichen Affären, die sich schon nicht mehr von der scheinheiligkeit der ehrbaren bürgerlichen Verhältnisse unterscheidet. er verabscheut die Rech-ten, gehört aber auch nicht zu den Linken. Fabian hält sich raus und kann dennoch nicht wegschauen. Zu seinem Leben passt sein ende: Fabian ertrinkt, ganz einfach, weil er nicht schwimmen kann. „In Wahrheit ist die Dramatik einer lebensbestimmenden Erfah-rung oft von unglaublich leiser Art. Wenn sie ihre revolutionäre Wirkung entfaltet und dafür sorgt, dass ein Leben in ein ganz neues Licht getaucht wird und eine vollkommen neue Melodie be-kommt, so tut sie das lautlos, und in dieser wundervollen Lautlosig-keit liegt ihr besonderer Adel…“ (Pascal Mercier)kästners Roman ist auch heute noch ein Plädoyer für eine solche „vollkommen neue Melodie“, nach der das Leben verlaufen könnte. Die Zustände, an denen Fabian scheitert, haben sich nicht wesent-lich geändert. Zwischenmenschliche Beziehungen unterliegen heute wie damals überwiegend einem Warencharakter, ideologien stehen noch immer hoch im kurs, während die Aktien gleichermaßen wei-ter fallen. Revolutionär also wäre es, die ganze Richtung zu ändern... in ihrer charmanten und melancholischen, dabei immer unaufdring-lichen Art, fasst Jakob Vinjes Musik Fabians ebenso unspektakuläres wie tragisches scheitern in Musik und lässt dadurch ganz leise und kein bisschen grell etwas von dieser anderen Melodie erahnen. JAKOb VinJE wurde 1968 in Bruchsal geboren. er studierte Musikwissen-

schaft und kulturmanagement. er leitete u.a. als Geschäftsführer die Opern-

festspiele Zwingenberg und arbeitete von 1993 bis 1998 als korrepetitor

bei John neumeier in hamburg sowie bei einigen Musicalproduktionen.

Von 1996-1998 war er Dozent an der stella Academy – school for music,

dance and drama. seit 1998 arbeitet er als freischaffender komponist in

Frankreich und Deutschland.

Bearbeitungen als Sprechtheater:Für die Bühne bearbeitet von Hans Drawe und Horst Ruprecht; 7 D - 7 H; UA: Stadttheater Ingolstadt, 1999

Für die Bühne bearbeitet von Gottfried Greiffenhagen; 3 D - 6 H; UA: Theater am Kurfürstendamm, Berlin, 2001

„ich wäre so gern schrebergärtner geworden.“sVen j. OLssOn: Die richtigenEine schwarze Komödie3 D - 4 H; frei zur UAklaus und Leila Richtig betreiben „Die Richtigen Gmbh & co. kG“, eine Jobvermittlungszentrale, die sich neuerdings auf die Auswahl geeigneter selbstmordattentäter spezialisiert hat. Denn, „wenn si-cherheit von Profis betrieben wird, kann man die Anschläge nicht den Amateuren überlassen“. Völlig richtig, mit ihrem Assessment-center für zukünftige Attentäter schließen die beiden diese Markt-lücke. heute treffen sich dort die investmentbankerin Dr. Müller, die linke terroristin Zorro, Addi, ein Renter auf krücken, der ar-beitslose Ahmed sowie der schwabe Mohammed, ein gläubiger Muslim. Während die Vorstellungsrunde noch verhältnismäßig zügig und stringent verläuft, werden in den anschließenden Diskus-sions- und spielrunden schnell die unterschiedlichen erwartungen an die ‚Arbeit’ erkennbar. Markige Bekenntnisse treten zurück hin-ter den wichtigen Fragen, ob man sich die 72 Jungfrauen eigentlich aussuchen dürfe, ob man vor dem Attentat noch seiner schwester zur hochzeit gratulieren sollte und wie viel Mitspracherecht der zukünftige Arbeitgeber denn überhaupt bei der Auswahl von Zie-len und der Gestaltung der Bekennervideos einräume. Da wird es höchste Zeit für die letzte, die entscheidende ‚challenge’ der heu-tigen kandidaten. Die endet, wie könnte es anders sein, explosiv. sven j. Olssons schwarzhumoriges stück bricht schlicht und er-greifend die ideologie des ‚suicide bombings’ auf den Wahnsinn herunter, der sie ist. Unser Lachen über die Figuren und ihre hin-gestammelten Gründe, mit denen sie sich für eine irrsinnige und unmenschliche Aufgabe qualifizieren wollen, ist das des Menschen, der einen Begriff von Freiheit hat.

2. Platz beim „Stücke schießen“ an den Hamburger Kammerspielen

sVEn j. OlssOn wurde in hamburg geboren und ist gelernter Buch-

händler und studierter Diplom-sozialwirt. seit 1982 ist er in verschiedenen

Bereichen als Produktionsassistent, Regisseur,

Regieassistent, Requisiteur, Dramaturg und

schauspieler am theater tätig. seit 1989

schreibt er stücke und führte Regie bei zahl-

reichen kleinkunstprogrammen. er arbeitet

sowohl mit Profis als auch mit Amateuren zu-

sammen, so gründete er in hamburg beispiels-

weise ein theaterprojekt für Wohnungslose:

Mit den „hornköppe“ hat er bereits mehrere

stücke erfolgreich auf die Bühne gebracht.

© Bettina Stoess

© Verena Scabell

den, um so näher kommen sich die drei, um so mehr einblicke gewähren sie einander langsam in ihre ängste und Wünsche. „Dass Tine nicht ganz so harmlos ist wie sie tut und wodurch die Biographien aller drei Figuren ihrer Kratzer bekommen, offenbart das Stück erst nach und nach und zeigt damit hinter der Komödie eine erstaunliche Vielschichtigkeit. (...) Dem (...) Autor und Regis-seur Stefan Schroeder gelingt mit „Aufräumen mit Alfons“ nicht nur eine erfrischende Komödie, sondern auch ein Stück mit Tiefgang über das Zuhören und den Respekt voreinander.“ Westfalenpost/Westfälische Rundschau

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stücke von erich kästner

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Drei Männer im Schnee: Latvian National TheatreFotoarchiv Erich Kästner, RA Peter Beisler, München

wuchs ausgebildet wird. so kann jederzeit – vom Volk unbemerkt – ein Diktator gegen den nächsten ausgetauscht werden.„Das oft gesuchte politische Stück, das trotzdem unterhaltsam ist – hier ist es.“ (Wolfgang Drews, FAZ)

Die verschwundene MiniaturZur individuellen DramatisierungBeim genüsslichen Verzehr einer schlachtplatte auf der terrasse des noblen hotel D´Angleterre macht Fleischermeister külz aus Berlin die Bekanntschaft von Fräulein trübner. sie erzählt ihm, dass sie die Privatsekretärin eines steinreichen kunstsammlers ist, der soeben eine wertvolle Miniatur erstanden hat. sie sei nun mit der schwie-rigen Aufgabe betraut, dieses Prachtstück unversehrt nach Berlin zu schaffen. Allerdings habe sie längst die Befürchtung, dass sie ver-folgt würde. Fräulein trübner bittet külz um hilfe. er solle die Mi-niatur mit nach Berlin nehmen, ihn würde niemand verdächtigen. in der Zwischenzeit könne sie mit aller weiblichen Raffinesse die Verfolger abschütteln. Für Fleischermeister külz ist so ein Abenteu-er eine willkommene Abwechslung, und er willigt ein. Doch schon auf der schiffspassage gelingt es den Ganoven, das kunstwerk zu entwenden… eine rasante kriminalkomödie mit überraschenden Wendungen!

eRich kästneR, eBeRhARD keinDORFFVerwandte sind auch MenschenLustspiel; 6 D - 7 H - 5 K; UA: Hebbel-Theater, 1955ein sehr reicher Mann aus Amerika will sich für die Bosheiten sei-ner Verwandten rächen, die er in jungen Jahren erfahren hat. er lässt sich totsagen, um, als Diener verkleidet, die weit verzweigte sippe, die ihn nicht kennt, bei der testamentseröffnung zu beobach-ten und zu ärgern. nachher tut ihm die Fopperei leid, denn seine Verwandten sind gar nicht so übel; sie haben ihren spleen und ihre liebe not mit dem leidigen Geld, aber ansonsten sind sie „auch nur Menschen“.

Weitere Stücke: eRich kästneRchauvelin oder lang lebe der König!10 H - 4 D, Db möglich

eRich kästneR, eBeRhARD keinDORFFseine Majestät Gustav KrauseKomödie; 7 D - 10 H

eRich kästneR, eBeRhARD keinDORFFDie Frau nach MaßLustspiel; 3 D - 5 H

eRich kästneR, eBeRhARD keinDORFFDas goldene DachKomödie; 8 D - 12 H

MünchhausenNach dem Drehbuch für die Bühne bearbeitet von Johanna Schall und Grit van Dyk; 5 D - 7 H - 1 Kind - 1 Statistin; UA: Volkstheater Rostock, 2010„Die Geschichten müssen erzählt werden“, resümiert der sagen-umwobene Baron Münchhausen am ende seines – überirdisch – langen Lebens. er ritt auf der kanonenkugel und auf einem hal-bierten Pferd, überlistete immer wieder die Mächtigen und liebte alle Frauen. Ob er dabei log und übertrieb, spielte keine Rolle. Die Menschen wollten ihm einfach glauben, denn Münchhausen liebte und lebte das Leben mit einer solchen intensität, dass schon ein bloßer Abglanz davon die alltägliche Mittelmäßigkeit seiner Zuhö-rer erleuchten konnte. Münchhausen wagte, was die Mehrheit sich versagt: er wollte alles und alles sofort. er wollte nicht herrschen, sondern genießen. seine größte Geschichte war sein eigenes Leben.„Der Mensch mit der stärkeren Einbildungskraft erzwingt sich ganz einfach eine reichere Welt.“ (erich kästner)

Drei Männer im schneeKomödie in fünf Akten nach dem gleichnamigen Roman4 D - 6 H; für die Bühne bearbeitet von Charles Lewinsky im sommer 1927 saß erich kästner in einer Zeitungsredaktion und musste tausende von einsendungen zu einem Preisausschreiben prüfen und sortieren. Gut möglich, dass kästner im Verlauf dieser ihn zweifellos frustrierenden tätigkeit erfahren musste, dass die Gewinner eines Preisausschreibens nicht immer den erwartungen derer entsprechen, die die Preise aussetzen. Diese erfahrung inspi-rierte ihn zu einer seiner erfolgreichsten Geschichten.Der exzentrische und reiche Geheimrat tobler beteiligt sich unter fremden namen an einem Preisausschreiben seiner eigenen Firma und gewinnt den zweiten Preis: einen zehntägigen Aufenthalt in einem Grandhotel in den Alpen! er beschließt, die Reise inkognito anzutreten, denn tobler will die Menschen studieren, will wissen, wie sie auf einen armen schlucker reagieren würden. Zwar infor-miert seine besorgte tochter vorab den empfangschef über die Maskerade, doch gerät trotzdem alles reichlich in Unordnung, weil zeitgleich der Gewinner des 1. Preises im Grandhotel eintrifft: der tatsächlich mittellose Fritz hagedorn. eine heitere komödie über sein und schein.

Das lebenslängliche KindLustspiel; 3 D - 9 Herich kästner brachte den stoff der „Drei Männer im schnee“ 1934 bereits unter dem Pseudonym Robert neuner als komödie in vier Akten unter dem titel „Das lebenslängliche kind“ heraus. Abgese-hen von den namen der handelnden Personen (hier z. B. schlüter statt tobler) sind die inhalte weitestgehend identisch.

Die schule der Diktatoren4 D - 10 HVier anonyme Drahtzieher präsentieren dem Volk einen Diktator, der in Wahrheit aber nichts anderes als ein lenkbares Werkzeug ist. Um durch Attentate oder plötzlich auftretende Launen ihrer menschlichen Marionette nicht in Verlegenheit gebracht zu wer-den, gründen die Großen Vier eine schule, in der Diktatorennach-

IXVIII

für junge

erwachsene

coming of age

FRieDRich GLAUseR: Matto regiertFür die Bühne bearbeitet von Stefan Schroeder; 2 D - 5 H; frei zur UA Zu nachtschlafender Zeit wird Wachtmeister studer aus dem Bett geklingelt. ein alter Bekannter bittet ihn um seine hilfe: Dr. Ladu-ner, leitender Arzt in der heil- und Pflegeanstalt Randlingen, er-zählt, dass der Patient Pieterlen ausgebrochen sei und der Direktor der Anstalt vermisst werde. Pflichtbewusst und sorgfältig macht sich der studer an die Arbeit, findet den Direktor, findet den Pie-terlen, löst sogar den Fall um den unglücklichen Patienten herbert caplaun. Und dennoch kommt es ihm am ende so vor, als habe er nichts begriffen. Denn in der Anstalt regiert „Matto“, der Geist, der die Grenze von Vernunft und Wahnsinn einreißt. Alle gesicherten erkenntnisse zerrinnen dem studer zwischen den Fingern, indizien werden nutzlos und selbst auf seine gute Menschenkenntnis kann er sich nichts mehr einbilden. Wenn er glaubt, Matto auf die spur gekommen zu sein, so hat er gerade mal einen winzigen Blick in die tiefen Abgründen der menschlichen Psyche getan. Glausers Figuren behalten diese Abgründigkeit durchgängig. ihre Motivationen und handlungen werden nur scheinbar erklärt und bleiben im Grunde unverständlich, fremdartig. Dicht unter der Oberfläche gerät das konstrukt der kriminalgeschichte aus den Fu-gen, wird es unwichtig, wer am ende der täter, wer das Opfer war, denn dunkel bleiben die Gründe der taten und nur noch schmal ist der Grat, durch den die ‚Gesunden‘ von den ‚kranken‘ geschieden sind. so trifft auf „Matto regiert“ bereits zu, was beinahe 30 Jahre später Michel Foucault seiner Untersuchung zu „Wahnsinn und Ge-sellschaft“ voranstellen wird: „Man könnte die Geschichte der Gren-zen schreiben - dieser obskuren Gesten, die, sobald sie ausgeführt, notwendig schon vergessen sind -, mit denen eine kultur etwas zu-rückweist, was für sie außerhalb liegt.“„In diesem Werk Glausers ist auch ein surrealistisches, ein visio-näres Element, Einfühlung für die Verrückten und ihre andere Welt: Ich kann mich nicht mehr über Verrückte wundern, die Stimmen hören, denn ich habe selbst das Unsichtbare sprechen gehört. Der Roman „Matto regiert“ spielt in einem Irrenhaus, und das Irren-haus wiederum ist hier - wie schon oft - ein Bild für die Welt.“ (Die Zeit, Dieter Bachraann, 20. Juli 1973)

AnnA GMeyneR:ManjaFür die Bühne bearbeitet von Birte Werner; 5 Darsteller/innen (Doppelbesetzungen); frei zur UA Fünf kinder, die unterschiedlicher nicht sein könnten, treffen am Vorabend der Barbarei aufeinander. Ungeachtet der politischen Zu-gehörigkeit ihrer eltern, ihrer sozialen herkunft und ihrer unter-schiedlichen temperamente schließen sie eine große Freundschaft. ihr treffpunkt und ihr Zufluchtsort ist eine Mauer, ein kleiner Gar-ten. Dort setzen sie gegen die Zeichen der Zeit ihre eigene Zeit – und für einen langen Moment scheint es, als könnte ihnen die Volks-gemeinschaft nichts anhaben. Doch die Verteidigung wird immer schwieriger, die Brüche werden nach und nach tiefer: Franz Meiß-ner, der sohn eines braunen emporkömmlings, muss seine jüdische Freundin Manja vor dem Vater verschweigen. Der kommunisten-

sohn karl Müller soll in Franz nur den Freund, nicht den Feind se-hen. Der schmächtige harry hartung soll nach dem Willen seines Vaters als ‚3/4 Arier‘ in der hJ reüssieren. Und heini heidemann erkennt, dass sein so kluger, humanistischer Vater keine Antworten mehr auf die zunehmende Verbreitung der braunen ideologie hat. nur die ‚Ostjüdin’ Manja scheint von alledem seltsam unberührt zu bleiben, sie ist die ruhende, zuversichtliche Mitte dieser Freundschaft. Dass dieser eindruck täuscht – wir wissen es von Anbeginn an. Über vierzehn Jahre hinweg, von 1920 bis 1934 werden die Lebens-geschichten der Familien kunstvoll und klug miteinander verwoben. Die kinder an der Mauer sind weit mehr als bloß die stellvertreter ihrer eltern: sie sind deren spiegel, aber auch ihr Gegenbild, imma-nente kritik zugleich. in ihrer Freundschaft versuchen sie bis zuletzt, das Besondere ihres individuellen Lebens zu bewahren und es dem Allgemeinen nicht unterzuordnen. Doch die totalität, die ihr Leben mehr und mehr bestimmt, lässt schützende Mauern nicht mehr zu. Die kritik der Autorin trifft aber auch die Feinde des totalitären sy-stems. im letzten großen Zwiegespräch zwischen dem humanisten heidemann und dem Widerstandskämpfer Müller beharren bei-de auf ihren Überzeugungen. Und vergeben damit die historische chance, einander im entscheidenden Moment beizustehen gegen die Gefahr, die größer nicht sein konnte: heidemann: „Man kämpft nicht nur mit der Faust, auch der Gedanke ist eine Waffe.“Müller: „Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns. Lieber ein Lump, der uns hilft, als ein heiliger, der zusieht.“

Finn-OLe heinRich:räuberhändeFür die Bühne bearbeitet von Michael Müller;

2 H (Doppelbesetzungen); UA: Thalia Theater Hamburg, 16.08.2013, Regie: Anne Lenk

Janik und samuel sind Freunde fürs Leben, sie sind wie Brü-der. Das Abi haben sie in der tasche und das Leben vor sich: in die-sem sommer scheint ihnen alles möglich zu sein, das Leben ist ein offenes Buch. Doch dann lässt sich Janik auf dem straßenfest mit samuels Mutter ein, und alle illusionen zerbrechen in jenem kurzen Augenblick, als samuel die beiden erwischt. Janiks eltern haben samuel quasi adoptiert, denn seine Mutter irene ist eine trinkerin, eine Pennerin. sie ist das genaue Gegenteil von Janiks Akademikerfamilie mit dem unerträglich tadellosen Um-gangston. irene zog Janik deshalb immer schon an; sie war fremd, interessant und unter ihrer zerstörten Fassade lag die schönheit eines wilden Lebens. irene war Janiks sinnbild einer Rebellion, zu der er eigentlich keinen Grund hatte und die er sich um so mehr ersehnte. Um ihre Freundschaft zu retten, fliegen Janik und samuel nach istanbul. samuel ist sich ganz sicher, dass sein unbekannter Vater türke war und er in der türkei nicht nur den Vater, sondern auch sich selbst finden wird. Janik folgt ihm auf seinen suchenden We-gen, beschützt ihn und pflegt ihn als er krank wird. er will, dass alles so wird wie früher, dass sie wieder unzertrennbar werden. Aber am ende der Reise stehen sie vor zwei unterschiedlichen Wegen in die Zukunft: nichts ist mehr wie zuvor und doch ist nichts verloren. „Anne Lenk hat „Räuberhände“ am Hamburger Thalia Theater in der Gaußstraße zur Uraufführung gebracht. Enorm leichthändig

ist ihr Zugriff, freundlich, den Figuren zugewandt erzählt sie deren Geschichte. Da fällt kein einzelner Satz bedeutungsschwer ins Ge-wicht, da sind alle Gesten gleichberechtigt, wirken alle Handlungen unbedacht und spontan, sind alle Wendungen möglich. Da gleicht das Geschichtenerzählen einer lockeren Bewegung, Zeitsprünge inklusive und allem Schwermut zum Trotz. (...) Mit wenigen Mitteln schafft Anne Lenk einen faszinierenden, tieftraurigen Abend. Die überall lauernde Verzweiflung blitzt regelmäßig an die Oberfläche. Mal durch den brüllend lauten Münchner-Freiheit-Hit „Ohne dich (schlaf ich heut Nacht nicht ein)“, meist durch die grandiosen, oft unvermittelt agierenden Schauspieler. Kleine Gesten, Haltungen und Unwägbarkeiten. Authentisch, erschütternd und nah.“ (katrin Ullmann, www.nachtkritik.de)

steFAn schROeDeR: Engelchen und teufelchenKomödie für 1 D - 1 H; UA: 04.05.2012, Theater an der Volme, Hagen (Regie: Stefan Schroeder)Zunächst scheint alles nur ein Buchungsfehler des Managements zu sein: engelchen und teufelchen finden sich in ein und dem-selben engen hotelzimmer wieder. Damit nicht genug hat das Zim-mer keine Fenster, kein funktionierendes Badezimmer und nur ein Bett! Das hotel sei leider ausgebucht, so die lapidare Antwort der Rezeption, man bitte die beiden, sich zu arrangieren. Während das realitätsblinde engelchen aus der situation nur das Beste machen möchte und eine schier nervtötend gute Laune zur schau stellt, ist das prinzipiell misanthropische teufelchen im wahrsten sinne des Wortes echauffiert. nach und nach dämmert es den beiden, dass hier nicht etwa der Zufall am Werk sein kann, sondern dass ihre beiden chefs sie infamerweise in eine Art Zwangsurlaub verschickt haben, oder sollte man besser sagen: in eine Zwangstherapie? Denn die Obrigkeit sorgt mit heimtückischem hokuspokus dafür, dass die beiden tiefere einblicke in das eigene seelenleben nehmen müssen, als ihnen zunächst lieb ist. Am ende aber ergibt sich ein interes-santes neues Lebensmodell: schicksalhaft, schonungslos und zum schreien komisch.

ReihAneh yOUZBAshi DiZAJi:stuttgart.teheran.DialogFür 4 Darsteller/innen; frei zur UA auch erhältlich als Monolog „Stuttgart. Teheran“ (UA Akademietheater Ulm 2010)Die junge Frau erinnert sich gerne an die kindertage im Paradies, daran, wie die Welt um sie herum aussah, roch und schmeckte. Da-mals, als sie noch nichts wusste über die Gefahr, in der sie mit ih-ren eltern schwebte. Denn die politische Opposition im iran wurde verfolgt und der erste Golfkrieg begann. Doch im Dampfbad der Großeltern schien die Welt im absoluten Gleichgewicht zu sein. im Luftschutzkeller nicht mehr. Als ihr Vater um Asyl in stuttgart ansucht, verspricht er ihr eine kindernähmaschine. Doch es erwartet sie nur das Gastgeschenk der stadt: ein 50teiliges Puzzle, die stadtansicht in Grau. Das essen schmeckt nicht, die sprache ist fremd, sie hausen in einem kleinen Zimmer zu dritt.

Weiterhin im Programm

Fotoarchiv Arche Verlag

für junge

erwachsene

XIX

Räuberhände: Thalia Theater Hamburg © Krafft AngererDoch das kind lernt deutsch, lernt sich in diesem Land zu bewegen, findet ihren eigenen Weg. Als sie alt genug ist, geht sie ihn zurück: sie reist in den iran der Gegenwart auf der suche nach der Vergan-genheit. sie trifft ihre cousinen, denen ihr Vater verbietet, das in-ternet zu benutzen. sie fürchtet sich an jeder straßenecke vor der sittenpolizei. Die Familie will sie verheiraten, sie wird in die enge getrieben, ihr Vater muss kommen, um sie zu retten. Die Frau, die uns ihre Geschichte erzählt, wandelt sicher und selbstsicher auf einem schmalen Grat: sie urteilt immer aufgrund individueller erfahrung, verallgemeinert nie und erlangt dennoch Allgemeingültigkeit. Während in Deutschland die „kulturellen ei-genheiten und Unterschiede“ als unantastbar und nicht kritikfähig gelten, kommt sie ohne diese kollektivbegriffe aus. sie kritisiert zwei Gesellschaftsformen, die sie erlebt hat, und braucht dazu keine identitäts- oder kulturklischees. Und auch keine ‚heimat‘. nur ein Zuhause.

Eingeladen zum Mülheimer Stückepreis 2012

ReihAneh yOUZBAshi DiZAJi:Prellung ii2 D; frei zur UA

ein stück über mehrere Runden: Zwei Frauen stehen im Ring, tänzeln, gehen in Deckung und schlagen zu. sie ver-

haken sich ineinander und lösen sich wieder. sie liefern sich einen zähen kampf um die Frage, wie ein richtiger kampf zu sein habe. Die Mutter weiß genau, was sie zu tun hat. sie kämpft

für die Befreiung ihrer ehemaligen heimat. Daraus zieht sie kraft, darin allein scheint ihr Versöhnung möglich mit

ihrem Leben im exil, in dem sie innerlich nie angekommen ist. ihrer tochter ist das exil längst ein Zuhause geworden und sie hat ganz andere sorgen. Vor allem aber ist sie es leid, dass sie für einen kampf geboren sein soll, der nicht mehr der ihre ist. im Ringen um ihre Beziehung zueinander und um ihren höchstei-genen Umgang mit der Welt, verletzen beide einander schonungs-los. sie führen schlag um schlag die Wut aus, aus der jeder kampf sich speisen muss - und gleichzeitig haben sie sehnsucht nacheinan-der und nach einem glücklichen, freien Leben. Reihaneh youzbashi Dizaji nähert sich der Frage, wie engagement und Autonomie heute gelingend vermittelt werden könne, auf unge-wöhnliche Weise: in einem intimen, berührenden kammerspiel. sie verweigert eine eindeutige Parteinahme, ihre Figuren haben Recht und Unrecht zugleich. Die Autorin lässt sie den Widerspruch aus-halten, dass es Gründe genug geben kann, für ein Leben zu kämp-fen, in dem es keinen kampf mehr gäbe; wissend, dass jeder kampf immer ein Pakt mit dem teufel ist – und sei es nur dem inneren.

Das gesamte Programm unter www.chronostheatertexte.de Lektorat: Juliane Lachenmayer; externes Lektorat: stefan schroeder; chronos theatertexte im Verlag für kindertheater Weitendorf Gmbh, Max-Brauer-Allee 34, 22765 hamburg, Tel: 0049 (0)40/607 909-916, Fax: 0049 (0)40/607 909-616, E-Mail: [email protected], Website: www.chronostheatertexte.deRedaktion: Juliane Lachenmayer, Grafikdesign: Ursula Peters, hamburg Titelfoto: erich kästner, Fabian. Die Geschichte eines Moralisten, staatsschauspiel Dresden © Matthias horn

Weiterhin im Programm

Theatertexte für junges Publikumchronos theatertexte in Verlag für KindertheaterWeitendorf GmbH Max-Brauer-Allee 34D-22765 HamburgTelefon: 0049 (0)40/607 909-916Telefax: 0049 (0)40/607 909-616

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