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NEUE MUSIK UND T HEOLOGIE Symposion: Referate • Liturgie • Konzerte BRIXEN 2005 14.-16. OKTOBER

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NEUE MUSIK UND THEOLOGIESymposion: Referate • Liturgie • Konzerte

BRIXEN 2005 • 14.-16. OKTOBER

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Wir dankenfür die Förderung

Kulturabteilung der Südtiroler Landesregierung

Gemeindeverwaltung Brixen

Autonome Region Trentino-Südtirol

für die Zusammenarbeit

Verband der Kirchenchöre Südtirol

Institut für Musikerziehung in deutscher und ladinischer Sprache

Domkapitel Brixen

Cusanus Akademie und Kulturverein Brixen

RAI-Sender Bozen

dem Medienpartner

Das Symposion und die Konzerte werden in besonderer Weise gefördert durch die

Brixner Initiative Musik und Kirche

Vorstand

Dr. Heinrich Psaier, PräsidentDr. Josef Lanz, künstlerischer Leiter

Dr. Konrad Eichbichler, VizepräsidentKathi Trojer, GründungsmitgliedProf. Heinrich Walder, DomkapellmeisterProf. Josef Knapp, Domkapellmeister i.R.

Brixner Initiative Musik und KircheGroßer Graben 29 – I-39042 BrixenTel. 0472 836424 – Fax 0472 801171e-mail: [email protected]: www.musikkirche.it

Erste Umschlagseite: Paul Klee, Angelus Novus, 1920

»Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muss so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. [...] Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, dass der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.« (Walter Benjamin, 1971)

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Die Melodie Christi

Die Beziehung zwischen Musik und Theologie lässt sich bildlich veran-schaulichen. Hinweisen möchte ich diesbezüglich auf den Umschlag des Kompendiums des Katechismus der Katholischen Kirche mit dem Bildsymbol vom Guten Hirten. Dieses Bild stammt von einem frühchristlichen Grabstein in den Domitillakatakomben. Christen verwendeten dieses Bild aus dem Leben der Hirten als Symbol für die Ruhe und das Glück, zu dem die Menschen berufen sind.

Dieses Bild zeigt uns Christus als den Guten Hirten, der seine Schafe leitet und beschützt und der den Hirtenstab als Zeichen seiner Autorität trägt. Er ruft die Gläubigen auf der Flöte durch die Melodie der Wahrheit herbei und lässt sie im Schatten des „Lebensbaumes" ruhen.

Möge das Symposion 2005 „Neue Musik und Theologie“ dazu beitragen, dass die Melodie Christi zu den Menschen dringt und die Menschen dadurch zu Christus geführt werden.

Wilhelm Egger, Bischof

„Neue Musik und Theologie“ – auf den ersten Blick scheint es sich beim Thema des heurigen Symposions der Brixner Initiative Musik und Kirche um einen Widerspruch zu handeln. In Zeiten zunehmender Säkularisierung und eines in der westlichen Welt immer weiter verbreiteten materialistischen Diesseitsdenkens scheint kein Platz für eine Musik, die sich mit Religion, mit Liturgie, mit Geistlichem auseinandersetzt.

Kirchenmusik ist gegenläufig zur Schnelllebigkeit und Oberflächlichkeit der heutigen Zeit. Damit entspricht sie nicht dem Zeitgeist der Spaßgesellschaft, liegt außerhalb deren kurzlebiger Trends und wird daher auch medial kaum propagiert.

Und doch stehen sich die beiden Gebiete Musik und Religion auch heute noch weit näher als allgemein angenommen. Wohl auch deshalb, weil beide seit Jahrtausenden tiefen Bedürfnissen der Menschen entspringen. Das Interesse an der Materie ist groß – bleibt aber vielfach im Verborgenen. Es existiert ein beachtliches Reservoir an zeitgenössischer liturgischer Musik, das lediglich gefördert werden muss.

Die Brixner Initiative Musik und Kirche nähert sich mit ihrem heurigen Symposion dieser Thematik sowohl auf theoretisch-musikwissenschaftlichem Wege als auch durch die Aufführung interessanter Werke der Gegenwart. Damit zählt diese Veranstaltung im gesamten deutschsprachigen Raum zu den seltenen ihrer Art, bei denen Kirchenmusik nicht nur liturgisch eingesetzt, sondern in einen theologisch-philosophischen und musikalisch-ästhetischen Diskurs eingebettet wird.

Es ist der Brixner Initiative gelungen, für diese Tagung eine erlesene Schar von Referenten zu gewinnen, darunter den bekannten Komponisten Dieter Schnebel, den Messiaen-Schüler Elmar Seidel und den Musikwissenschaftler und Paläographen Prälat Joachim Angerer, Abt des niederösterreichischen Prä-monstratenser-Stiftes Geras. Dem Vorstand sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Initiative gilt mein Dank und meine besondere Anerkennung.

Dem Symposion „Neue Musik und Theologie“ wünsche ich den verdienten Erfolg, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern anregende, interessante und aufschluss reiche Tage in Brixen.

Dr. Sabina Kasslatter MurLandesrätin für Familie, Denkmalpflege und deutsche Kultur

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Bereits zum 18. Mal veranstaltet die Brixner Initiative Musik und Kirche ihr Herbstsymposion, in dessen Mittelpunkt heuer das Thema „Neue Musik und Theologie“ steht. Das Spannungsfeld zwischen Musik und Theologie bewegt seit jeher die Diskussionen und Gemüter in kirchenmusikalischen Kreisen. Wie die Architektur und die bildenden Künste ist auch die Musik Ausdruck des Zeitgeistes und reflektiert Erfahrungen, Gefühle, Emotionen und Stimmungen der jeweiligen Epoche. Gerade aus der unterschiedlichen Dynamik von Musik und Theologie ergibt sich das Spannungspotential, das der Beziehung zwischen religiösem Text und musikalischer Umsetzung zugrunde liegt.

Die Fülle an kirchenmusikalischen Werken und Kompositionen der Moderne zeugt von der Vitalität des Wechselspiels zwischen Musik und Kirche: eine Beziehung, in der beide Komponenten einander nähren und Impulse verleihen und sich im Gegenüber neu ausrichten und definieren. Auch die Stadt Brixen lebt mit ihrer langen Tradition der Kirchenmusik das stetige Wechselspiel zwischen Musik und Religion, den Wandel und die Erneuerung, denen auch die Kirchenmusik als autonome Kunstform ausgesetzt ist.

Umso mehr freue ich mich, dass die Brixner Initiative Musik und Kirche ihr diesjähriges Herbstsymposion dem sehr aktuellen und keinesfalls unkritischen Thema der Beziehung zwischen Neuer Musik und Theologie widmet. Es ist wie-derum gelungen, eine Reihe von Komponisten, Dirigenten, Musikwissenschaft-lern und Referenten von internationalem Rang und Namen für das Symposion zu gewinnen, die inhaltliche und musikalische Glanz punkte setzen werden.

Ich möchte an dieser Stelle den Verantwortlichen der Brixner Initiative Musik und Kirche, den Herren Dr. Heinrich Psaier, Dr. Josef Lanz und Dr. Konrad Eichbichler, die das Projekt Musik und Kirche auf höchstem Niveau betreuen und vorantreiben, meinen aufrichtigen Dank und meine Anerkennung für ihr Engagement aussprechen, verbunden mit dem Wunsch, dass sie das Kulturangebot unserer Stadt Brixen auch weiterhin durch ihr Wirken und ihren Einsatz bereichern mögen.

Als Bürgermeister von Brixen heiße ich Sie alle herzlich in unserer Stadt willkom-men und wünsche dem Symposion viel Erfolg und einen regen Publikumszuspruch.

Der BürgermeisterAlbert Pürgstaller

Eine der wichtigsten Aufgaben der Stiftung Südtiroler Sparkasse besteht darin, außerordentliche kulturelle Ereignisse in Südtirol zu fördern. Das Symposion „Neue Musik und Theologie“ kann zweifelsohne als ein solches bezeichnet werden. Das abwechslungsreiche Programm von Referaten, Liturgie und Konzerten bürgt für Qualität und hohen Anspruch und stellt eine maßgebliche Bereicherung für Südtirols Kulturwelt dar.

An dieser Stelle möchte ich mich vor allem bei den Organisatoren und all jenen, die zum guten Gelingen der Veranstaltung beitragen, für ihr Bemühen bedanken, dieses anspruchsvolle und kulturell wertvolle Symposion organisiert zu haben.

Ich wünsche der Brixner Initiative Musik und Kirche einen guten und erfolgreichen Verlauf und allen Teilnehmern erbauliche und informative Tage.

Der Präsident der Stiftung Südtiroler SparkasseRA Dr. Gerhard Brandstätter

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Musik begeistert, unterhält, fordert heraus, schafft Stunden der Muße, lässt Alltag vergessen und schenkt dem Menschen wertvolle Erlebnisse. Es lässt sich bei weitem nicht in Worte fassen, welche Bereicherung die Musik für den Menschen ist. Und dabei ist die Erfahrungswelt durchaus unterschiedlich. Liebt der eine die Sinfonik von Anton Bruckner, so ist für den anderen die barocke Musik eines Rameau oder Clérambault das höchste der Gefühle. Schwört der eine auf Johann Sebastian Bach, so findet der andere Wolfgang Amadeus Mozart den größten aller Komponisten. Musik allein schafft unterschiedliche Befindlichkeiten, wird unterschiedlich erlebt und erfahren. Es gibt hier keinen allgemein verbindenden Faktor.

Wenn aber ein Text vorliegt, dann ist die Musik immer Dienerin des Wortes. Die allgemeine Verbindlichkeit des Textes hat Vorrang und bestimmt oder formt die musikalische Umsetzung und die Vertonung eines Textes kann über das Wort hinausführen. Gerade bei vielen geistlichen Kompositionen ist spürbar, dass der Text die Musik beflügelt und ihr Stimmungen, Deutungen und Klänge entlockt, die den oft unaussprechbaren Inhalt der Worte verdeutlichen oder gar ergänzen.

Die Thematik des heurigen Symposions „Neue Musik und Theologie“ ist eine wunderbare Vereinigung, über die man tagelang reden könnte und die viele schöne und beeindruckende Erlebnisse vermittelt. Ich hoffe, dass wie in früheren Jahren diese Verbindung von Wort und Musik in guten und hörenswerten Darbietungen verschiedener Ensembles manifest wird.

P. Urban Stillhard, OSBVorsitzender des Verbandes der Kirchenchöre Südtirols

Schon Martin Luther war der Überzeugung, dass Gott das Evangelium durch die Musik predigen kann. Und heute schreibt Clytus Gottwald: „Und dadurch, dass Musik Religion nicht bloß schön-redet, sondern in ihren eigenen Reflexionsprozess einbezieht, wird sie selbst zur Theologie“.

In theologischen, aber auch kirchenmusikalischen Kreisen ist man nicht ungern der Ansicht, Musik füge dem Text lediglich etwas hinzu oder bringe nur zum Vorschein, was ohnehin vorhanden ist. Wir treffen hier wieder – vielleicht grundlegender als in früheren Epochen – auf das Spannungsfeld Musik und Religion. Die reine Dienerrolle der Musik in der Kirche hat sich in der Säkularisation verabschiedet, nicht verabschiedet hat sich jedoch die Musik von der Religion. Unabhängig von der Liturgie, aber nicht abgetrennt von ihr, entwickelt sich die geistliche Musik zu einer Selbständigkeit, die neue Perspektiven öffnet.

Auffällig ist, dass die Neue Musik des 20. Jahrhunderts bei aller Aufgeklärtheit, bei aller kompositorischen Rationalität eine Fülle von religiösen Werken hervorgebracht hat. Der wirksame theologische Impuls ist also keineswegs abgeebbt, sondern hat nach einer neuen Bestimmung des Geistlichen in der Musik gesucht und einen bedeutenden Auftrieb erhalten.

Zwei Komponistenpersönlichkeiten stehen beim Symposion im Mittelpunkt: Olivier Messiaen und Igor Strawinsky. Elmar Seidel, Kompositionsschüler von Messiaen, wird über „Liturgische Musik, religiöse Musik und Olivier Messiaens Musik der Farbklänge“ referieren und der Nordtiroler Organist Hannes Christian Hadwiger „Livre du Saint Sacrement“ von Messiaen auf der Domorgel spielen. Beim Gottesdienst am Sonntag wird die Messe von Igor Strawinsky, ein Bekenntniswerk des orthodox religiösen Exilrussen zur katholischen Messliturgie, aufgeführt. Ausführende sind der Chor des Instituts für Musikerziehung und das Concertino Brixen unter der Leitung von Erwin Ortner. Norbert Jers spricht in seinem Referat über „Die Messkompositionen von Igor Strawinsky“. Allgemein auf das Symposion-Thema eingehen werden Dieter Schnebel, Komponist, Musikwissenschaftler und Theologe, mit

Die Musica ist eine schöne, herrliche Gabe Gottes und nahe der Theologie.Martin Luther

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dem Thema „Komponisten als Theologen“ und Clytus Gottwald, Dirigent und Musikwissenschaftler, mit „Neue Musik und Theologie - Religion und Avantgarde“.

Als Referent für die Eröffnung des Symposions und als Zelebrant beim abschließenden Gottesdienst konnte Prälat DDr. Joachim Angerer OPräm, Universitätsprofessor und Abt des niederösterreichischen Prämonstratenser-Stiftes Geras, gewonnen werden. In seinem rigorosen Einsatz für eine qualität-volle moderne Kultur in der Religion ist Joachim Angerer innerhalb der Kirche auf beträchtlichen Widerstand gestoßen.

Musikalisch begleitet wird das Symposion auch mit dem Konzert des jungen, international bekannten Wiener Chores „Sine nomine“ unter der Leitung von Johannes Hiemetsberger.

Dr. Josef LanzKünstlerischer Leiter

Symposion „Neue Musik und Theologie“Referate • Liturgie • Konzerte

Programmüberblick

Freitag 14. Oktober

17.00 Uhr Cusanus Akademie Seite 12Eröffnung des Symposions und FestvortragPrälat DDr. Joachim Angerer OPräm

20.00 Uhr Dom zu Brixen Seite 14Orgelkonzert mit Hannes Christian HadwigerOlivier Messiaen: Livre du Saint Sacrement

Hinweise Seite 31

Sonntag 16. Oktober

10.00 Uhr Dom zu Brixen Seite 28Festgottesdienst mit Prälat Joachim AngererChor des Südtiroler Instituts für Musikerziehung, Concertino BrixenLeitung: Erwin Ortner

Samstag 15. Oktober

9.00 bis 17.00 Uhr Cusanus Akademie Seite 17 ReferateElmar Seidel (Mainz), Norbert Jers (Aachen), Dieter Schnebel (Berlin), Clytus Gottwald (Stuttgart)

20.00 Uhr Dom zu Brixen Seite 22Chorkonzert „Anfang & Ende“Chorus sine nomine, Leitung: Johannes HiemetsbergerOrgel: Gerda Heger & Alexander Koller

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Eröffnung des Symposions mit Grußworten und Festvortrag

Prälat DDr. Joachim Angerer OPrämIm Spannungsfeld zwischen Nikolaus Cusanus und Moderne: Bedeutet Erneuerung zurück „ad fontes“oder ein „Voran“?

Der Bogen mag weit gespannt erscheinen: Nikolaus Cusanus (1401-1464) — Moderne. Jedoch, der in Kues an der Mosel geborene Kardinal und bedeutende Kirchenreformer war in den Jahren 1450-1458 Fürstbischof von Brixen. Liest man seine Lebensgeschichte und befasst man sich nur in großen Zügen mit seinem Wirken und Schrifttum, dann wird verständlich, weshalb ihn einer der besten Kenner (R. Haubst) als „Pförtner der neuen Zeit“ bezeichnete.

In ihm, einem der wichtigsten Theologen, Gelehrten und Förderer der Künste, erblicken wir einen Menschen der Renaissance, der Wiedergeburt. Er entdeckt und befasst sich mit Handschriften der Antike, gibt seine akademische Lauf-bahn auf, um – beginnend mit dem Konzil von Basel (1432/33) – zu Gunsten der Reform in der Kirche seine Dienste einzubringen. Ob die Erlaubnis des Gebrauchs der Orgel durch das Konzil von Basel auf sein Betreiben zurückgeht, ist nicht festzustellen. Seine unmittelbare Handschrift aber tragen jene Reform- Charten, die er 1451/52 als päpstlicher Legat in den Klöstern Deutschlands und Österreichs zurückließ. Aus ihnen mag sein Wirken exemplarisch nachgezeich-net und mögen allgemein gültige Fragen beantwortet werden:

Gibt es eine nur lineare Entwicklung oder lassen sich Bruchstellen nachzeichnen, an denen es im Verlaufe unserer abendländischen Geschichte zu wesentlichen Fortschritten in musicis kam? Anhand der Maßnahmen von Cusanus lässt sich jedenfalls zeigen, dass nicht Zerstörung, Unterdrückung oder Bestrafung gefordert war, sondern ein Fortschritt „secundum laudabilem consuetudinem – nach lobenswerter Praxis“.

Prälat DDr. Joachim Angerer OPräm geboren in Rottenbuch (Bayern), Studien in Salzburg (Philosophie, zugleich am Mozarteum Orgel und Kapellmeisterei), ab 1957 Theologie am Pontificio Ateneo di Sant´Anselmo in Rom, 1961 Lic.theol., 1965 Dr. theol., 1961-1963 in Würzburg Altphilologie und Geschichte. Ab 1965 Studium der Musikwissenschaft in Wien, 1972 Dr.phil. (Musikwissenschaft), 1977 Habilitation und ao. Universitätsprofessor mit Schwerpunkt mittelalterliche Musikwissen-schaft und Paläographie.1960 Priesterweihe in Rom, seit 1963 Seelsorger in Eibenstein an der Thaya, Niederöster-reich (Waldviertel). 1969-2004 „Provisor und Waldmeister“ des Prämonstratenser Chorher-renstiftes Geras, 1979-1985 Prior und 1986-2004 Abt des Stiftes Geras.Von den wissenschaftlichen Publikationen besonders bekannt sind die Bildbände „Klöster-reich“ und „Mensch Mönch“.Unter der Leitung von Prälat DDr. Joachim Angerer wurden die Stifte Geras und Pernegg von Grund auf saniert, renoviert und revitalisiert. 1970 wurden die Kunst- und Kreativkurse ins Leben gerufen. Eine Idee, nämlich Kunst, Kunsthandwerk und Kurse mit dem Motto „Do it Yourself“ für Liebhaber, die sogenannten Dilettanten, anzubieten, machte Karriere. 1980 wurde das Stiftsrestaurant und Hotel „Alter Schüttkasten“ in Geras eröffnet, 1994 das „Fasten- und Seminarzentrum Pernegg“. Mehr als 100 Kursleiter und Professoren aus Österreich, Bulgarien, Deutschland, Italien, Japan, Korea, Taiwan, Ungarn … unterrichten in Geras-Pernegg.

Freitag 14. Oktober

17.00 Uhr Cusanus Akademie

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OrgelkonzertHannes Christian Hadwiger, Orgel

Olivier Messiaen: Livre du Saint Sacrement

I. Adoro te II. La Source de Vie / Die Quelle des LebensIII. Le Dieu caché / Der verborgene GottIV. Acte de Foi / Entscheidung zum GlaubenV. Puer natus est nobisVI. La manne et le Pain de Vie / Manna und LebensbrotVII. Les ressucités et la lumière de Vie / Die Auferstandenen und das Licht

des LebensVIII. Institution de I’Eucharistie / Einsetzung der Eucharistie [Gründonnerstag]IX. Les Ténèbres / Die Finsternis X. La Résurrection du Christ / Die Auferstehung ChristiXI. L’apparition du Christ ressuscité à Marie-Madeleine / Der auferstandene

Christus erscheint Maria MagdalenaXII. La Transsubstantiation / Die WandlungXIII. Les Deux murailles d’eau / Die zwei Mauern aus WasserXIV. Prière avant la Communion / Gebet vor der KommunionXV. La Joie de la Grâce / Die Freude der Gnade [Vogelkonzert]XVI. Prière après la Communion / Gebet nach der KommunionXVII. La Présence multiplée / Die vielfache Gegenwart XVIII. Offrande et Alléluia final / Opfergabe und abschließendes Alleluja

Livre de Saint Sacrement

Das Werk wirkt in der derzeitigen Wiederbesinnung auf christlichen Glauben wie ein theologischer Erlebnisgarten voll einfacher Bilder und mystischer Einsichten. In etwa 100 Minuten werden wir durch die Geheimnisse der Menschwerdung Gottes und der Verheißung des ewigen Lebens geführt: vom verborgenen Gott, der Quelle des Lebens, dem Kind, das uns geboren ist (Weihnachten), dem Manna im Alten Testament und dem Brot des Lebens, das in der Eucharistie verehrt wird (Gründonnerstag und Fronleichnam sind die großen Feste der Gegenwart Christi im gewandelten Leib des Pascha-Brotes und der Gemeinschaft der Gläubigen), von der Auferstehung und dem Licht des neuen Lebens, das uns als „Lumen Christi“ verheißen ist, in dem unsere Augen sehend werden, von der Finsternis und deren Überwindung durch den auferstandenen Christus, der nicht den „Wichtigen“ in dieser Welt als erster erscheint, sondern der einfachen, nicht gerade tadellosen Maria-Magdalena; weiters das Geheimnis der Wandlung in der Messfeier, die Kommunion und die jubelnde Freude der Gläubigen. Wer sich mit den wunderbaren Klängen des großen französischen Mystikers einen Abend in die Provokation christlichen Glaubens vertiefen will, der wird das seltene Ereignis nützen.

Olivier Messiaen (1908-1992) wurde als Sohn des Englischlehrers und Shakespeare-Übersetzers Pierre Messiaen und der angesehenen Dichterin Cécile Sauvage in Avignon geboren. 1919 ließ sich die Familie in Paris nieder. Am Conservatoire studierte Messiaen von 1919 bis 1930 Klavier und Schlagzeug, griechische Metrik bei Maurice Emmanuel, Orgel und Improvisation bei Marcel Dupré sowie Komposition und Instrumentation bei Paul Dukas. 1931 übernahm er die Organistenstelle an der Pariser Kirche Sainte-Trinité, die er 55 Jahre lang innehatte. 1932 heiratete er die Geigerin und Komponistin Claire Delbos, die nur wenige Jahre nach der Geburt des Sohnes Pascal (1937) von einem Nervenleiden

Freitag 14. Oktober

20.00 Uhr Dom

„Eine Musik, die einwiegt und die singt, die neues Blut ist, sprechende Gebärde, ein unbekannter Duft, ein Vogel ohne Schlaf; eine Musik der farbigen Kirchen-fenster, ein Wirbel der komplementären Farben, ein theologischer Regenbogen“

Olivier Messiaen

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Referate

9.00 UhrElmar SeidelLiturgische Musik, religiöse Musik und Olivier Messiaens „Musik der Farbklänge“

10.30 UhrNorbert JersDie Messkompositionen von Igor Strawinsky

15.00 UhrDieter SchnebelKomponisten als Theologen

16.30 UhrClytus GottwaldNeue Musik und Theologie - Religion und Avantgarde

Samstag 15. Oktober

Cusanus Akademie

befallen wurde und 1959 starb. Zusammen mit André Jolivet, Yves Baudrier und Jean-Yves Daniel-Lesur gilt Messiaen als Gründer der ‚Jeune France‘, eine Gruppe von Komponisten, die sich 1936 formierte. 1942 wurde er Professor am Conservatoire de Paris und lehrte dort bis 1978, Messiaen war der Lehrer u.a. von Pierre Boulez, Karlheinz Stockhausen, Iannis Xenakis. 1944 legte er in dem Lehrbuch „Technique de mon langage musical“ seine wichtigsten harmonischen und rhythmischen Neuerungen dar. Nach einem Kompositionsauftrag von Rolf Liebermann schrieb Messiaen für die Pariser Oper 1975-1983 nach eigenem Libretto seine einzige Oper „Saint Francois d’Assise“, deren 8 Bilder das Eingehen der göttlichen Gnade in die Seele des hl. Franziskus darstellen. 1992 starb Messiaen in Paris.Der französische Komponist schöpfte für seine Musik Anregungen aus dem Studium der Zahlenmystik, indischer Rhythmen, der Gregorianik, des Vogelgesangs, der Klangwelt javanischer Gamelan-Orchester aber auch der Musik Claude Debussys und Igor Strawinskys. Über all diesen Einflüssen ist seine Musik geprägt von der Energie geistiger Werte und einem tiefen, katholischen Glauben. Messiaen studierte Vogelstimmen, die er bei Reisen in aller Welt aufzeichnete. Die Vögel waren ihm „die nächsten Geschöpfe vor Gott, aber nur die Singvögel, nicht die Raubvögel, die schreien nur“ (In einem Interview 1983 in der Pariser Oper). Vogelstimmen prägen fast alle seiner Werke, u.a. hat er auch einen umfangreichen „Catalogue d’Oiseaux“ (1956-1985) komponiert.

Hannes Christian Hadwigerwurde am 25. Dezember 1972 in Lienz in Osttirol geboren. Er bekam mit sieben Jahren seinen ersten Klavierunterricht an der Musikschule Lienz und seit seinem vierzehnten Lebensjahr Orgelunterricht (u.a. bei Wolfgang Mitterer). Nach seiner Matura am BG/BRG Lienz im Jahre 1991 begann er an der Grazer Hochschule für Musik und Darstellende Kunst zu studieren. Er inskribierte die Fächer IGP Orgel bei Karin Tausch, Katholische Kirchenmusik bei Joseph Döller und Komposi tion bei Joachim Jung, Peter Michael Hamel, Beat Furrer u. a. 1995 erwarb er sein erstes Kirchenmusikdiplom und legte 1996 die Lehrbefähigungsprüfung – beides mit Auszeichnung – ab. Während seines Studiums nahm er an Kursen u. a. bei Michael Radulescu, Ludger Lohmann, Daniel Roth und Peter Eben teil. Seit Dezember 1996 leitet Hannes Christian Hadwiger den Grazer Universitätschor.

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Elmar Seidel (Mainz)Liturgische Musik, religiöse Musik und Olivier Messiaens Musik der „Farbklänge“

Am 4. Dezember 1977 hielt Olivier Messiaen in Notre Dame de Paris einen Vortrag. Darin erörterte er die Frage, wie sich Musik mit dem Heiligen verbin-den könnte. Er nennt drei verschiedene Arten der Verbindung: An erster Stelle die liturgische Musik, den Gregorianischen Choral. Alle übrige Kirchenmusik – er nennt Bachs h-Moll-Messe und Matthäus-Passion, Mozarts ‘Ave verum’, Pendereckis Lukas-Passion und Ligetis Requiem – ist für Messiaen keine liturgische, sondern religiöse Musik. Nach seinen Vorstellungen reicht sie weit über alles Christliche hinaus. Denn religiös sei jede Musik, die sich mit Verehrung dem Heiligen und Unaussprechlichen – dem Mysterium – nähert, sei es nun das Gebet des Sarastro in Mozarts ‘Zauberflöte’ oder Musik des tibetanischen Kultes.Man mag sich über diese synkretistische Haltumg des bekennenden Katholiken Olivier Messiaen wundern. An dritter, aber nicht letzter, sondern höchster Stelle steht für Messiaen der „Farbklang“ (Son-couleur) – ich spreche lieber von der Musik der „Farbklänge“ – oder die Blendung (éblouissement). Sie haben „teil am herrlichen Lobpreis des Gloria, das zu Gott und zu Jesus Christus sagt, ‘Du allein bist der Heilige, Du allein der Höchste’. Indem sie dies tun, helfen sie, uns besser auf unseren Tod, unsere Auferstehung und das neue Leben, das uns erwartet, vorzubereiten“ (Messiaen).Es ist klar, dass Messiaen hier an seine eigenen geistlichen Werke denkt. Als Beispiel dafür sollen die 1963 entstandenen ‘Couleurs de la Cité céleste’ vor ge-führt und erörtert werden. Die Struktur dieses Stückes für Solo-Klavier, Bläser und Schlagzeug wird nach Messiaens eigenen Worten von Farben bestimmt.

Prof. Dr. Elmar Seidelgeb. 1930 in Frankenstein (Schlesien), studierte 1949 bis 1953 Komposition bei Günter Bialas an der Nordwestdeutschen Musik-akademie in Detmold sowie 1953 bis 1954 bei Olivier Messiaen in Paris. Sein Studium der Musikwissenschaft an der Universität in Frankfurt a. Main schloss er 1962 mit der Promotion zum Dr. phil. ab (Dissertation ‚Die Enharmonik in den harmonischen Großformen Franz Schuberts‘). 1961 bis 1992 lehrte er Tonsatz am Staatlichen Hochschulinstitut für Musik in Mainz (jetzt Universität Mainz), seit 1971 als Professor. Seidel schrieb Arbeiten zur Geschichte der Musiktheorie im 19. Jh. (Riemann und Sechter), zur Geschichte der kath. Kirchenmusik im 19. und 20. Jh., über J. S. Bach (Choralbear-beitungen), über Schubert, Bruckner und Messiaen.

9.00 Uhr Cusanus Akademie

Norbert Jers (Aachen)Die Messkompositionen von Igor Strawinsky

Strawinskys Kompositionen nach Texten der römischen Liturgie – dazu zählen die berühmte „Messe“ (1948), die ursprünglich in kirchenslawischer Sprache vertonten Chorsätze „Pater noster“, „Credo“ und „Ave Maria“ (1926-34), die späten „Requiem Canticles“ (1966) und der „Introitus T. S. Eliot in memo-riam“ (1965) – all dies sind Werke eines russisch-orthodoxen Musikers, der in der Begegnung mit französischem Klassizismus seine Affinität zur lateinischen Sprache entdeckte und in den Jahrzehnten des amerikanischen Exils sich immer mehr dem geistlichen Schaffen verschrieb. Gleichwohl hat der Schöpfer des revolutionären „Sacre du Printemps“ und der mozartischen Opernmoritat „The Rake’s Progress“ niemals Kirchenmusik im emphatischen Sinne betrie-ben; dennoch bekannte er: „In der Kirche begehen wir weniger musikalische Sünden.“ Worin liegt nun, in allem biografischen und stilistischen Wandel, Strawinskys kulturell-religiöse Identität, welche private Theologie der Musik stützt seine Beiträge zur Messkomposition im 20. Jahrhundert?

Prof. Dr. Norbert Jersgeb. 1947 in Aachen, Studium der Musikwissenschaft an der Uni-versität zu Köln, 1976 Promotion bei Prof. Dr. Dietrich Kämper.Berufstätigkeit: 1976 Redakteursvertretung in der Abteilung Volksmusik des WDR; 1977-1980 Arno Volk Verlag Hans Gerig KG Köln; 1980-1983 Bischöfliche Akademie des Bistums Aachen (Erwachsenenbildung); seit 1983 Professur im Bereich Kulturpädagogik (Ästhetik und Kommunikation) an der Kath. Fachhochschule NW, Abt. Aachen, 1989-1993 Dekan; seit 2000 Lehrauftrag für Musikwissenschaft an der Kath. Hochschule für Kirchenmusik St. Gregorius Aachen.

10.30 Uhr Cusanus Akademie

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Dieter Schnebel (Berlin)Komponisten als Theologen

Es waren nicht nur religiös eingestellte Musiker, die geistliche Werke schrieben. Auch eher liberal denkende Künstler oder widerborstige Gläubige, gar Atheisten komponierten Messen und Requiems. Mochten zunächst die illustrativen Momente der Texte zur Vertonung gereizt haben, so zeigt doch ihre musikalische Ausformung jeweils auch eine Deutung, gar eine verborgene Theologie, die der von professionellen Theologen nicht nachsteht, ja sie an Originalität übertrifft, zumal die Komponisten unbefangener an die liturgischen Worte herangingen. Beispiele von Bach, Haydn, Schubert, Schumann, Janacek, Strawinsky, Schnebel.

Prof. Dr. Dieter SchnebelKomponist und Musiktheoretiker, geb.1930 in Lahr/Baden, Studium der Musik und Musikwissenschaft, der Theologie und Philosophie (Freiburg/Bg., Tübingen), 1956-1976 Pfarrer, Religions-, Musiklehrer (Kaiserslautern, Frankfurt/M, München). 1976-1995 Professor für Experimentelle Musik und Musikwis-senschaft an der Hochschule der Künste Berlin.Wichtige Werke: Stücke (Streichquartett), Glossolalie (Sprecher und Instrumente), Das Urteil (nach F. Kafka – Stimmen und Instrumente), visibile music 1 (1 Dirigent und 1 Instrumentalist), Für Stimmen – missa est (Chor; Orgel), Ki-no (Nachtmusik für Projektoren und Hörer), Maulwerke (Stimmen und Reproduk-tionsgeräte), Schulmusik (Stimmen, Instrumente), Canones (Orchester), B-Dur-Quintett, Schubert-Phantasie (Orchester), Körper-Sprache (3-9 stumme Darsteller), Jowaegerli (szenische Kantate), Missa (Soli, Chor, Orchester), Violinstücke, Cello-inventionen, Sinfonie X, Zeichen-Sprache (Gesten mit Stimme), Museumsstücke (bewegliche Stimmen und Instrumente), Raum-Zeit y (für Musiker auf Drehstühlen).Publikationen MO-NO, Musik zum lesen (Köln 1970); Mauricio Kagel: Musik, Theater, Film (Köln 1971); Denkbare Musik, Ge-sammelte Schriften 1952-72 (Köln 1972), Anschläge-Ausschläge, Ansätze zur Neuen Musik (München 1993), Signatur 33 (2000).

15.00 Uhr Cusanus Akademie

Clytus Gottwald (Stuttgart)Neue Musik und Theologie - Religion und Avantgarde

Auffällig ist, dass die Neue Musik des 20. Jahrhunderts bei aller Aufgeklärtheit, bei aller kompositorischen Rationalität eine Fülle von religiösen Werken hervorgebracht hat. Dabei wäre zu untersuchen, ob und auf welche Weise das Religiöse sich auch dort artikuliert, wo die Komponisten sich als religiöse Zweifler oder als Agnostiker bekannt haben.

Prof. Dr. Clytus GottwaldClytus Gottwald wurde in Bad Salzbrunn/Schlesien am 20. November 1925 geboren. Er studierte Gesang bei Gerhard Hüsch und Chorleitung bei Kurt Thomas, sowie Musik-wissenschaften an den Universitäten von Tübingen und Frankfurt mit den Nebenfächern Soziologie und protestantische Theologie. 1961 promovierte er in Frankfurt bei Helmuth Osthoff mit einer Dissertation über den Niederländischen Komponisten Johannes Ghiselin-Verbonnet.1954-58 Assistent des französischen Chorleiters Marcel Couraud. 1958-70 Kantor an der St. Pauls-Kirche in Stuttgart. 1960 gründete er die Schola Cantorum Stuttgart, die er durch die Aufführung avantgardistischer Vokalmusik zu internationalem Ansehen führte. Zahlreiche Komponisten schrieben Werke für die Schola Cantorum: Boulez, Ligeti, Schnebel, Kagel, Lachenmann, Holliger, Globokar, Penderecki, Steve Reich, Grisey, Ferneyhough, Zender und andere. 1968 wurde er Berater für zeitgenössische Musik bei Radio Stuttgart, 1985 wurde er zum Professor ernannt. Er legte seine Tätigkeit beim Rundfunk 1988 nieder, die Aktivitäten der Schola Cantorum endeten 1990 mit einer Tournee in die frühere Sowjetunion.1974 ernannte Boulez ihn zum Mitglied der Planungsgruppe der IRCAM in Paris (Institut de Recherche et Coordination Acoustique/Musique am Centre Pompidou). Seit 1961 ist Gottwald Mitglied der Deutschen Forschungsgemeinschaft (primäres Forschungsgebiet: Musikpaläographie). Zahlreiche Kataloge, Bücher und andere Schriften. Arbeiten an Nachlassenschaften (Partituren, Manuskripte, Briefe) an der Paul-Sacher-Stiftung in Basel.

16.30 Uhr Cusanus Akademie

Clytus Gottwald und György Ligeti

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„ANFANG & ENDE“ - A cappella Chorkonzert

Chorus sine nomineLeitung: Johannes Hiemetsberger

Arvo Pärt (1935) Sieben Magnificat-Antiphonen (1991) für Chor a cappella O Weisheit - O Adonai - O Spross aus Isais Wurzel - O Schlüssel Davids - - O Morgenstern - O König aller Völker - O Immanuel

Gregorianisch: Magnificat (Gerda Heger, Sopran)

J. S. Bach (1685-1750) Contrapunctus I aus der „Kunst der Fuge“ (Orgel: Alexander Koller)

J. S. Bach / Dieter Schnebel (1930) Contrapunctus I aus der „Kunst der Fuge“ für 20-stimmigen Chor a cappella

Johannes Brahms (1833-1897) Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz op. 29,2

Jehan Alain (1911-1940) Le jardin suspendu (Orgel: Gerda Heger)

Bo Holten (1948) Regn og Rusk og Rosenbusk für vier Solisten und Chor a cappella (Theresa Dlouhy, Sopransolo; Monika Hiemetsberger, Sopran; Rita Höllhuemer, Alt; Florian Ehrlinger, Tenor)

Sven David Sandström (1942) Es ist genug (1986) für 16-stimmigen Chor a cappella (Theresa Dlouhy, Sopran & Markus Jandrisits, Bariton)

Gustav Mahler/Clytus Gottwald (1925) Ich bin der Welt abhanden gekommen für 16-stimmigen Chor a cappella (Theresa Dlouhy, Sopran)

Samstag 15. Oktober

20.00 Uhr Dom

Arvo Pärt wurde 1935 im estnischen Paide geboren und begann seine Berufs-laufbahn als Tonmeister am Estnischen Rundfunk. Daneben studierte er am Kon-servatorium Tallinn Komposition. Bereits während seiner Studienzeit machte Pärt mit zwei Chor-Orchester-Werken auf sich aufmerksam: mit der Kinderkan-tate „Unser Garten“ (1959) und dem Oratorium „Schritt der Welt“ (1961); beide erhielten 1962 auf einer gesamtsowjetischen „Leistungsschau“ junger Komponis-ten in Moskau Erste Preise. 1963 schloss er sein Studium mit der Diplomprüfung ab; ab diesem Zeitpunkt trat Pärt immer mehr mit großen Orchesterwerken hervor, die sich auch bald im Westen großer Beliebtheit erfreuten, da sie in leicht verständlicher Sprache der Tradition seines Landes folgten. Ab 1967 als freischaffener Komponist in Tallinn tätig, ging Pärt 1980 in den Westen, lebte einige Jahre in Wien und zog schließlich nach Berlin, wo er sich heute vor allem seinem Schaffen widmet.Pärt arbeitet in einem Stil, der durch stete Kombinationen von Skalen und Drei-klängen geprägt ist, deren Umschichtungen zu einem Zustand so genannter „angespannter Ruhe“ führen. Das glockenähnliche Klangbild wurde vom Kompo-nisten selbst Tintinnabuli-Stil genannt, nach dem lateinischen Wort für „Schel-le“ – „tintinnabulum“. Das musikalische Material ist dabei auf einfache Linien und Klänge beschränkt, nach den Worten Pärts auf den „unteilbaren Kern“ der Musik, wodurch sich neben knapper, übersichtlicher Form auch eine akribische Detailarbeit und ein harmonisch ausgewogenes Klanggefüge ergeben.

In Dieter Schnebels Reihe „Re-visionen“ werden einige exemplarische Werke der großen klassisch-romantischen Tradition nicht so sehr in herkömmlicher Weise paraphrasiert als im Wortsinn be-arbeitet. Die klassischen Werke werden durch die massenhafte Ausschüttung in den Medien leicht zu etwas allzu Gewohntem, das man gar nicht mehr recht wahrnimmt. Schnebels Bearbeitungen versuchen, das innere Leben einiger Werke von Bach, Beethoven, Schubert, Wagner und Webern neu zu erschließen und zugleich seine Entfaltung nach außen ins Räum-liche zu ermöglichen.Contrapunctus I aus der „Kunst der Fuge“ wird von 20 Singstimmen ausgeführt, die mitten unterm Publikum im ganzen Aufführungsraum verteilt sind, so dass die Stimmen des Bachschen Satzes räumliches Wesen gewinnen, sich beispiels-weise in den Raum hinein ausdehnen und zusammenziehen, gerade oder quer oder kurvig durch den Raum wandern, wie es jeweils ihrem Wesen entspricht. Durch die vokale Ausführung und eine differenzierte Artikulation der Klänge wird das sprechende Wesen der Bachschen Musik herausgebracht.

Johannes Brahms’ Motette „Schaffe in mir, Gott, ein rein Herz“ auf den Psaml 51, 12–14 entstand im Sommer 1857 und zeugt von der Meisterschaft, die Brahms bereits in jenen jungen Jahren erreicht hatte. Das Werk verbindet kompositori-

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te Steigerung anhebt, letztlich aber im Dunkel tiefer Deklamationen verebbt. Ein Schlusschoral rundet das Werk im Stil einer protestantischen Kantate des 18. Jahrhunderts ab.

Sven-David Sandström wurde 1942 in Borensberg geboren, studierte von 1968 bis 1972 am Stockholmer Royal College of Music Komposition bei Ingvar Lidholm und erhielt auch durch György Ligeti und Per Nørgård wichtige Anregungen. Bald als Komponist überaus erfolgreich, schrieb er sowohl Chor- und Orchesterwerke als auch Bühnenkompositionen und Ballette. 1994 verfasste er, als sein „sum-mum opus“, die „Hohe Messe“ für Solisten, Chor und Orchester, die Sandströms „neoromantischer“ Klanglichkeit besonders entgegenkommt, 1997 folgte mit dem Oratorium „Moses“ (das er anlässlich der 300-Jahr-Feier der Kathedrale von Oslo verfasste) ein weiterer Welterfolg.Die Chorkomposition „Es ist genug“ (1986) ist für sechzehn Stimmen geschrie-ben. Für seine Komposition greift Sandström auf die Kantate „Eins bitte ich vom Herrn“ des norddeutschen Komponisten Dietrich Buxtehude sowie auf ein schwedisches Volkslied zurück. Aus dem von barocker Todes- und Erlösungs-sehnsucht gezeichneten Kantatentext werden Melodieteile Buxtehudes von Sandström verarbeitet und in eine neue Form gebracht. Dazu verwendet Sand-ström chromatische Linien, riesige Cluster oder auch (nicht tonal festgelegte) gesummte Klänge bzw. Seufzergeräusche. Dabei kehrt er während des ganzen Stücks immer wieder zur zentralen Aussage „es ist genug“ zurück. Diese ganz schlicht gehaltenen Akkordblöcke beruhen auf einem Melodieausschnitt Buxte-hudes und bilden den Gegenpol zu den rhythmisch und tonal komplexen Aussa-gen, die in der Mitte des Stücks im Teil „komm doch und nimm mich, wenn es dir gefällt“ eine dramatische Steigerung erreichen.

Im Jahre 1901 schrieb Gustav Mahler (1860-1911) das Lied „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ für eine Singstimme und Orchester, das hier in einer Bearbeitung für 16-stimmigen Chor a cappella von Clytus Gottwald erklingt. Aus einem kleinen Motiv lässt Mahler nach und nach die Melodie dieses wunderbaren Liedes entstehen, mit dessen innigem Text er sich ganz und gar identifizieren konnte: Er selbst sagte über die ungemein erfüllte und gehaltene Art dieses Liedes, es sei Empfindung bis in die Lippen hinauf, die sie aber nicht übertritt. Auch sagte er: das sei er selbst!Clytus Gottwald überträgt die Dichte und die Farbigkeit des Orchesterklangs von Gustav Mahlers Lied meisterhaft auf die Chorstimmen: das Lied gewinnt durch die rein vokale Ausführung eine ganz eigene Form der Intensität.

sche Prinzipien der alten Polyphonie mit dem Ausdruck der Romantik. Es be-steht aus jeweils zwei Kanons und zwei Fugen, die abwechselnd erklingen. Der erste Satz, ein Vergrößerungskanon, verdient besondere Aufmerksamkeit und zeigt, wie sehr sich Brahms die Kunst der Polyphonie angeeignet hatte.

Bei seinem Kompositionsstudium am Conservatoire de Paris hatte Jehan Alain nur geringen Erfolg, da seine Lehrer seinen Kompositionsstil zu „unorthodox“ fanden. Es gab viele Quellen, die die Entwicklung von Jehans Stil beeinfluss-ten, unter anderem der Kontakt mit indischen und nordafrikanischen Musikern bei der Pariser Kolonialausstellung und das Aufkommenn des Jazz. Zu seinen Lehrern gehörten Paul Dukas und Marcel Dupre. Bekannt ist Alain aber nicht nur für seine farbenprächtig-schillernde Musik, sondern auch für seine Zeich-nungen. Alains Leben war hart: 1935 heiratete Alain und hatte Probleme, seine Familie in dieser schweren Zeit zu erhalten, zwei Jahre später verunglückte seine Schwester Odile. 1940, im zweiten Weltkrieg, übernahm Alain die Aufgabe, den Vormarsch der deutschen Truppen zu beobachten, wobei er noch jung, im Alter von 29 Jahren, den Tod fand.Alains Werke weisen eine stark rhythmische Komponente auf, aber der Kom-ponist lässt sich auch durch Kirchentonarten inspirieren. Ebenso prägt ihn der Einfluss anderer Kulturen (Danses a Agni Yavishta). Ein schillerndes Stück magischer Klanglichkeit ist „Le jardin suspendu“. Jehan Alains Kompositionsstil ist vergleichbar mit Messiaen, wiewohl Alain andere Wege ging.

Bo Holten studierte Musikologie an der Universität Kopenhagen, arbeitete einige Jahre als Musiklehrer sowie als Musikkritiker. 1979 gründete er die Vokalgruppe Ars Nova, mit der er an die 450 Konzerte gab und zahlreiche Werke zur Urauf-führung brachte; 15 CDs geben Zeugnis von dieser intensiven Zusammenarbeit. Nach der Trennung von Ars Nova gründete Holten das Vokalensemble Musica Ficta, das ebenfalls sehr bald zu einem wichtigen Faktor des dänischen Musikle-bens wurde. Als Komponist trat Holten bislang durch über 100 Werke hervor, worunter sich 2 Symphonien, fünf Solokonzerte, etliche große Chor-Orchester-Werke, zwei Opern und zwei Musicals befinden. Kammermusik, Liederzyklen sowie Kompositionen für Schlagzeugensemble runden den Werkkatalog ab.Holtens Werke für Chor (mit oder ohne Instrumente) nehmen eine bedeutende Rolle in seinem Œuvre ein. Dabei ist ihm als durchaus extrovertiertem Musiker wichtig, dass das Publikum seine Aussage versteht und sich auch direkt ange-sprochen fühlt. – Das gilt auch für die 1991 entstandene Komposition „Regn og Rusk og Rosenbusk“ für vier Solostimmen und Chor a cappella, die einen Text von Hans Christian Andersen im Sinne alter Doppelchörigkeit verarbeitet, wobei die Solostimmen als eine Art „Concertino“ gegen den Chor (das „ Tutti“) treten und zu mannigfachem Gegeneinander finden. Weite Linien wechseln mit motorisch wiederholten Deklamationstönen ab, bis eine nahezu konzertan-

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Klangbogen und Osterklang Wien, das Rheingau Musikfestival in Wiesbaden u.v.a.Die kommenden Projekte: Der Chorus sine nomine gestaltet im Dezember das Weihnachtskonzert der Jeunesse mit Werken von Pärt und Bach im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins – im Februar 2006 stehen Konzerte sowie die CD-Einspielung von Leonard Bernsteins „Mass“ unter Kristjan Järvi auf dem Programm – im April folgt dann die e-Moll-Messe im Wiener Musikverein mit Johannes Hiemetsbergers Debut bei den Wiener Symphonikern.

Johannes Hiemetsberger oder: die Art der Begegnung

„Es gibt zwei Arten von Begegnungen: entweder ich gehe und jemand läuft mir über den Weg. Zufall, Schicksal... Das kann spannend, aber auch unangenehm sein. Oder ich treffe jemanden ganz gezielt, einen Freund vielleicht… Im Chor suche ich nach Begegnungen dieser zweiten Art, nach dem Moment vor dem Ton, in dem sich eine Gruppe auf einem genau gleichen Punkt findet. Diese Art von Homogenität reizt mich: vierzig Sängerinnen und Sänger und ein einziges Anliegen. Mein Interesse in der Probe gilt dem Augenblick, der dem Ton vorangeht, denn hier passiert im Glücksfall ein Wunder. Proben heißt für mich ausprobieren, suchen. Ich glaube an die gemeinsame Entwicklung eines Ensembles – und: ich probe gerne…“Gesagt, getan: Johannes Hiemetsberger unterrichtet Chorleitung an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien, ist auf internationalen Vokalwochen, wie zum Beispiel dem Festival „Europa Cantat“, genauso präsent wie in der heimischen Szene, in der seine Vokalwoche „Cantata Kaltenberg“ zehn Jahre lang einen Fixplatz unter den beliebtesten Sommerkursen einnahm und der Oberösterreichische Landesjugendchor von 2000-2005 für Frischluft in der jungen Chorszene sorgte . Das 2002 von ihm gegründete Vokalsolistenensemble COMPANY OF MUSIC realisiert eigenartig abwechslungsreiche vokale Kammermusik. Als Dirigent arbeitet er mit Orchestern wie der Camerata Salzburg, der Wiener Akademie, dem Bach Consort Wien oder dem Ensemble Tonus zusammen. Begegnungen mit Lehrern wie Georg Mark und Reinhard Schwarz (Dirigieren am Konser-vatorium der Stadt Wien), Johannes Prinz (Chorleitung an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien) sowie Erwin Ortner und Herwig Reiter prägten seine bisherige künstlerische Laufbahn. Johannes Hiemetsberger ist Preisträger des „Erwin Ortner Fonds“ zur Förderung der Chormusik.

Pressestimmen

... Als sensationell zu werten war der Auftritt des „Chorus sine nomine“ unter Johannes Hiemetsberger. Mit berückender stimmlicher Klarheit sangen die jungen Leute drei von Mendelssohns „Liedern, im Freien zu singen“, fächerten das dichte Stimmgewebe in „Es ist genug“ des schwedischen Komponisten Sven-David Sandström durchsichtig auf. Und in einer Andersen-Vertonung des Dänen Bo Holten überwältigte das Stimmwunder eines engelgleich die höchsten Höhen erklimmenden Solosoprans. ... (Die Presse, Kammermusikfest Lockenhaus, Juli 2005)

Chorus sine nomine

Der Chorus sine nomine, 1991 von Johannes Hiemetsberger gegründet, fand international Beachtung durch Erste Preise bei a-cappella-Wettbewerben wie „Florilège Vocale“ (Tours/France), dem Chorwettbewerb in Spittal a.d. Drau und dem EBU-Wettbewerb „Let the peoples sing“ 2001. Nach der Teilnahme am „Cheer Formosa International Festival“ in Taiwan 2001 wurde der Chorus sine nomine im September 2003 ein zweites Mal nach Asien eingeladen: zum Internationalen Chorfestival auf die Philippinen – bei dem auch die renommierten „Philippine Madrigal Singers“ auftraten.Der Auseinandersetzung mit a-cappella-Musik wird ein ganz besonderer Stellenwert einge-räumt: Johannes Hiemetsberger holt für seinen Chor stets vokale Raritäten ins Programm: sei es mit der 40stimmigen Motette „Spem in alium“ von Thomas Tallis für das Festival Pfingsten + Barock 2002 der Salzburger Festspiele oder mit der doppelchörigen Messe von Frank Martin, die gemeinsam mit Davids „Deutscher Messe“ auch auf der neuesten a cappella CD dokumentiert ist (Herbst 2005). Eine wichtige Säule bilden auch Projekt-Eigeninitiativen wie Auftragswerke und eigens entwickelte Konzertreihen: z.B. die Uraufführung der für den Chor geschriebenen „Johannes-passion” von Wolfgang Sauseng (2003) sowie das von Johannes Hiemetsberger mitkonzi-pierte Projekt „CRY“ im Linzer Brucknerhaus und im Musikverein (Herbst 2004). Zu den Konzertpartnern des Chorus sine nomine zählen Jordi Savall, HK Gruber, Kristjan Järvi, Bertrand de Billy, Leonard Slatkin, das RSO-Wien, die Camerata Salzburg, das Brucknerorchester Linz, das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich, recreation-Großes Orchester Graz, das National Symphony Orchestra Washington, das Jeunesse World Orchestra, Ensemble Tonus, Bach Consort Wien, die Kremerata in Lockenhaus, der

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Festgottesdienstmit Prälat Prof. DDr. Joachim Angerer OPräm,em. Abt des Prämonstratenserstiftes Geras (Niederösterreich)Direktübertragung im RAI-Sender Bozen

Chor des Instituts für MusikerziehungConcertino Brixen, Einstudierung: Josef FeichterLeitung: Erwin OrtnerOrgel: Heinrich Walder

Ordinarium:Igor Strawinsky (1882-1971) Messe für gemischten Chor und doppeltes Bläserquintett

Proprium:Igor Strawinsky Ave Maria Pater noster

Olivier Messiaen (1908-1922) O sacrum convivium

Postludium:Jan Janca (1933) Choraltoccata über „Nun danket alle Gott“

Sonntag 16. Oktober

10.00 Uhr Dom zu Brixen

Igor Strawinsky: Messe für gemischten Chor und doppeltes Bläserquintett (zwei Oboen, Englischhorn, zwei Fagotte, zwei Trompeten und drei Posaunen)

Die Messe schuf Strawinsky in seiner kalifornischen Wahlheimat während der Jahre 1944-1948, an der Wende zu dem ausgesparten Klangstil seiner Alterswerke. Sie entstand nicht als Auftragswerk wie die 1930 für das Boston Symphony Orchestra geschriebene „Psalmensymphonie“ oder das 1955 für San Marco und Venedig komponierte „Canticum Sacrum“, sondern frei von Außenaufträgen als ein Geisteszeugnis und Bekenntniswerk des orthodox religiösen Exilrussen.Entgegen dem Ort der Uraufführung (Mailänder Scala) und der dortigen Beset-zung mit gemischtem Chor und Solostimmen, mit denen Ernest Ansermet am 27. Oktober 1948 überraschte, hat Strawinsky seine Messe-Komposition vom Ursprung her gottesdienstbezogen und für Sakralräume gedacht, auch wenn er selber in der amerikanischen Aufführungspraxis davon abwich.Das in der Mitte der fünf Messeteile stehende Credo ist auch bei Strawinsky das Zentralstück im Sinne einer Missa recitata, von der gregorianischen Intonation des Zelebranten über das hymnodische Syllabieren der zwölf Glaubensartikel durch den Sängerdienst des Gemeindechores bis zur ausmelodierten Amen-Finalis a cappella: Glaubensritornelle von archaischer Geschlossenheit des tonal doppelpoligen Chorsatzes (C-Dur/e-Moll-phrygisch) über dem tragenden Orgel-punkt der tiefen Bläser.Auch die Ecksätze der Messe, das dreiteilige Kyrie und Agnus Dei, sind als Bittgesänge vom Chorischen her bestimmt, der blockhaften Chorfront des Credo gegenüber jedoch gegenchörig aufgelichtet, durch Holzbläserkadenzen gegliedert und zum Schluss rein vocaliter in die Verklärung des Worts gehoben: „Dona nobis pacem“. Figurativer geführt sind die Sing- wie die Instrumentalstimmen für die von Kyrie, Credo und Agnus Dei flankierten Lobgesänge des Gloria und das Sanctus/Benedictus, stilverwandt den psalmodierenden Melodietypen altrussischer Kirchen-musik bis in den Gipfelpunkt des „Hosanna in excelsis“.Mag man Strawinskys Komposition als Modell einer antikonzertanten Messe ansehen oder nicht, in ihrer geistigen Dichte erwirkt sie sehr wohl Bildung und Bindung zu un-sichtbarer Gemeinschaft.(nach Heinrich Lindlar)

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Chor des Instituts für Musikerziehung

Als das Institut für Musikerziehung im Jahre 1997 sein zwanzigjähriges Bestehen feierte, bemühte es sich aus diesem Anlass, einen möglichst umfassenden und breit gefächerten Einblick in die eigenen Tätigkeiten und Leistungen zu bieten. So lud auch eine Auswahl von Lehrerinnen und Lehrern des Institutes am 22. November 1997 zu einem Konzert in das Haus der Kultur „Walther-von-der-Vogelweide“ Bozen ein.Der aus diesem Anlass ins Leben gerufene Chor, in dem sich an die vierzig Sängerinnen und Sänger zusammengefunden haben, hat bereits bei seinem ersten Auftritt durch präzise Intonation, durch stimmliche Treffsicherheit und durch Ausgewogenheit in den Registern begeistert.Es wurde zur guten Tradition des Hauses, diesen Chor einmal jährlich, meist in den Sommer-monaten, zu einer intensiven Arbeitswoche zusammenzuführen. Von Anfang an bis 2001 stand der Chor unter der Leitung des in der Zwischenzeit in den Ruhestand getretenen Inspektors Prof. Willi Seebacher. Im Sommer 2002 und 2003 stand der Chor unter der Leitung von Prof. Hansruedi Kämpfen (Brig-Wallis) und erarbeitete die Konzerte „lux aeterna“ und „Von der Leichtigkeit des Seins“. Zurzeit steht der Chor des Institutes für Musikerziehung in deutscher und ladinischer Sprache unter der Leitung von Herrn Prof. Erwin Ortner (Wien).

Concertino Brixen

Das Ensemble Concertino Brixen widmet sich vor allem kammermusikalisch dimensionierter Orchesterliteratur und steht seit der Gründung vor rund einem Jahrzehnt als „Orchesterfreunde Brixen“ unter der musikalischen Leitung von Josef Feichter. Schwerpunkt des Repertoires bildeten Werke aus Barock und Klassik, der Bogen spannte sich aber auch bis in die Gegenwart (Friedrich Gulda, Werner Pirchner, Uraufführung der „Cusanus-Meditationen“ von Petr Eben). Das Orchester arbeitet projektbezogen mit verschiedenen Chören und fallweise mit anderen Leitern zusammen. Es trat im Rahmen der Musikwoche in memoriam Gustav Mahler in Toblach und der Brixner Initiative Musik und Kirche auf. Aufführungen des Ensembles wurden mehrfach vom Rundfunk aufgezeichnet.

Erwin Ortner

Geboren in Wien – Mitglied der Wiener Sängerknaben unter Ferdinand Grossmann – Studium an der damaligen Akademie für Musik und Darstellende Kunst Wien (Musik-pädagogik, Kirchenmusik, Dirigieren bei Hans Swarowsky, Chordirigieren bei Hans Gillesberger). – Seit 1980 ebendort ordentlicher Hochschulprofessor für Chorleitung und chorische Stimmbildung – von 1996 bis 2002 Rektor der nun zur Universität für Musik und Darstellende Kunst umgewandelten Hochschule – Gründer und künstlerischer Leiter des Arnold Schoenberg Chores – von 1983 bis zu dessen Auflösung 1995 künstlerischer Leiter des Chores des österreichischen Rundfunks – Leitung von Meisterklassen für Chor- und Orchesterdirigieren, u. a. Internationale Chorakademie Krems – Gastdirigate im In- und Ausland.

Die Vorträge sind für alle frei zugänglich.

KartenKonzert am 14.10.: Euro 5Konzert am 15.10.: Euro 12, ermäßigt Euro 8Kulturpass: 50% ErmäßigungKartenvorverkauf beim Tourismusverein Brixen, Bahnhofstraße 9

Tagungsbüro:Cusanus Akademie (Tel. 0472 832 204, Fax 0472 837 554)geöffnet ab Freitag, 14. Oktober, 16 Uhr

Berichtbände:Symposion 1988 „Musik in der Kirche“Symposion 1989 „Kult, Mythen, Symbole“Symposion 1990 „Choral und Mehrstimmigkeit“Symposion 1991 „Mozart und die Geistliche Musik“Symposion 1992 „Lob und Leid der Schöpfung“Symposion 1993 „Musik und Liturgie“Symposion 1994 „Spiritualität Osteuropas“Symposion 1995 „Letzte Werke“Symposion 1996 „Bruckner und die ‚Kirchen-Symphonik‘ “Symposion 1997 „Mystik und Ekstase“Symposion 1998 „Musik wird geistlich“Symposion 1999 „Musica Sacra im 20. Jahrhundert“Symposion 2000 „Orient-Okzident“Symposion 2001 „1100 Jahre Brixen - 600 Jahre Cusanus“Symposion 2002 „Cäcilianismus in Tirol“Symposion 2003 „Säkularisation 1803 in Tirol“Symposion 2004 „Kirchenmusik auf dem Balkan“ (in Vorbereitung)

erhältlich im Tagungsbüro

Änderungen vorbehalten

Hinweise

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