Nachbarn 1/2012

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seit 30Jahren Wir helfen Menschen Jubiläums-GV im «Südpol» 22. Mai ab 16 Uhr Nachbarn Nr. 1 / 2012 Arme Kinder in der Schweiz Auch hier bei uns sind 260 000 Kinder von Armut betroffen. Zwei Familien erzählen, was das für sie bedeutet. Luzern

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Caritas-Magazin Nachbarn Nr. 1/12 mit dem Schwerpunktthema: Arme Kinder in der Schweiz.

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seit 30Jahren

Wir helfen Menschen

Jubiläums-GV im «Südpol»22. Mai ab 16 Uhr

NachbarnNr. 1 / 2012

Arme Kinder in der SchweizAuch hier bei uns sind 260 000 Kinder von Armut betroffen. Zwei Familien erzählen, was das für sie bedeutet.

Luzern

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Inhalt

Schwerpunkt

Arme Kinder in der Schweiz

Armut grenzt Kinder aus, ein Leben lang. Denn Armut wird vererbt, die soziale Mobi- lität in der Schweiz ist gering. Wer arm ist, bleibt meistens arm. Für Kinder hat dies weitreichende Konsequenzen: Sie können nicht mit ihren Kameradinnen und Kamera- den mithalten und stehen im Abseits.Auch bei uns sind geschätzte 260 000 Kinder betroffen. Zwei Familien erzählen, was das für sie bedeutet. Zudem stellt Caritas Zahlen, Fakten und Lösungsansätze vor. ab Seite 6

Zum Schutz der betroffenen Kinder haben wir Bilder von Models verwendet.

Inhalt

Wahre Freundschaft ist keine Frage des Geldes, sollte man meinen …

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Editorial

3 von Thomas ThaliGeschäftsleiter Caritas Luzern

Kurz & bündig

4 News aus dem Caritas-Netz

1963

12 In der Schweiz angekommen Wenn die Kinder von Saisonarbeitern zu ihren Vätern kommen.

Persönlich

13 «Was hat Ihnen als Kind am meisten gefehlt?»

Sechs verschiedene Antworten.

Caritas Luzern

14 Glück hoch zwei Bei «mit mir»-Patenschaften treffen zwei Lebenswelten aufeinander.

17 30 Jahre jung Seit 30 Jahren hilft die Caritas Luzern in der Zentralschweiz Menschen in Not.

18 Freestyle-KommunikationÜber 400 Freiwillige helfen mit, den Caritas-Gedanken weiterzutragen. Einer davon ist Jean-Pierre Schibich.

19 Migration und Gesundheit Das Projekt «Miges Balù».

21 Armut halbieren Eine Zwischenbilanz.

Kiosk

22 Ihre Frage an uns

Gedankenstrich

23 Kolumne von Tanja Kummer

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Editorial

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«Nachbarn», das Magazin der regionalen Caritas-Stellen, erscheint zweimal jährlich. Gesamtauflage: 38 500 Ex.

Auflage LU: 9 600 Ex.

Redaktion: Daniela Mathis, Urs Odermatt (Caritas Luzern)Ariel Leuenberger (national)

Gestaltung und Produktion: Daniela Mathis, Urs Odermatt

Druck: Stämpfli Publikationen AG, Bern

Caritas LuzernMorgartenstrasse 196002 LuzernTel. 041 368 52 00www.caritas-luzern.chPC 60-4141-0

260 000 arme Kinder in der Schweiz, das sind im Durchschnitt zwei bis drei Kinder in jeder Schulklasse. Zwar sieht man es ihnen selten an, aber die Auswirkungen sind enorm. Arme Kinder haben schlechtere Bildungschancen und ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist eingeschränkt. So vererbt sich Armut. Die Chancen, den Teufelskreis zu durchbrechen, sind klein.Die Zahl der armen Kinder in der Schweiz hat sich in den letzten Jahren zwar nicht vergrössert, sie ist aber auch nicht kleiner ge-worden. Hier fordern wir Massnahmen der Politik. Es braucht Ergänzungsleistungen für Familien, es braucht den Ausbau

von Betreuungsangeboten und es braucht eine eigentliche Bil-dungsoffensive. Diese Investiti-onen sind nicht nur menschlich notwendig, sie sind auch wirt-schaftlich sinnvoll. Mittelfristig sparen wir damit Sozialkosten. Daneben braucht es aber auch die unmittelbare Hilfe, sei es im

Einzelfall oder mit Projekten wie «mit mir», Caritas-Markt und KulturLegi.Lesen Sie in diesem Heft mehr zur Kinderarmut, was dagegen getan wird und was man noch tun kann. Geben wir die Hoff-nung nicht auf, dass in der reichen Schweiz alle Kinder Chan-cen erhalten.

Herzlichst

Liebe Leserin, lieber Leser

Thomas Thali Geschäftsleiter Caritas Luzern«Es braucht den Aus-

bau von Betreuungs-angeboten und eine eigentliche Bildungs-offensive.»

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Kurz & bündig

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Caritas-Markt

LichtblickeIn den Caritas-Märkten können Armutsbetroffene zu Tiefstpreisen einkaufen.

Mit dem Kauf von Produkten des täglichen Bedarfs können Ar-mutsbetroffene rund 30 Prozent sparen gegenüber dem Einkauf im Supermarkt. Zum Einkauf berechtigt sind Menschen, die am oder unter dem Existenzminimum leben. Nach einer Budget-überprüfung erhalten sie eine Einkaufskarte, die ein Jahr lang gültig ist, und kõnnen sich dafür etwas leisten, was ihnen sonst verwehrt wäre: einen Kinobesuch, einen Ausflug oder ein neues Paar Schuhe. Kleine Lichtblicke in einem sorgenreichen Alltag.Möglich ist dies dank der Solidarität, welche die Märkte täglich von vielen Seiten erfahren. Seit 20 Jahren unterstützen Freiwil-lige die Verantwortlichen in den Filialen, Unternehmen belie-fern die Zentrale mit Produkten, die sie nicht mehr verkaufen kõnnen, und Spenderinnen und Spender helfen die Kosten zu tragen. Ohne diese Hilfe kõnnten die Caritas-Märkte nicht exis-tieren, denn sie erwirtschaften keine Gewinne.Im Jubiläumsjahr 2012 wird es in allen Caritas-Märkten speziel-le Rabatttage geben, denn auch unsere Kundinnen und Kunden sollen ein Geschenk erhalten. www.caritas-markt.ch

Caritas-Markt

Erfolgs- geschichteVor 20 Jahren wurde der erste Caritas-Markt eröff-net, seither wächst das Netz ständig.

Der erste Caritas-Markt õffne-te 1992 in Basel seine Tore, bald darauf folgten weitere Märkte in Luzern und Bern. Schweizweit be-treibt Caritas heute 23 Märkte, und das Netz wächst: Im letzten Jahr sind neue Märkte in Baar, Baden und Biel erõffnet worden.

Eine Zentrale in Rothenburg (LU) ist für die Akquisition und die Verteilung der Waren zuständig – jährlich rund 13 000 Paletten. Hier kommen Lieferungen aller Gross-verteiler der Schweiz an. Waren aus Überproduktionen, schadhaf-ten Serien, Falschlieferungen oder Liquidationen sowie gespendete Lebensmittel. Die Qualität der Le-bensmittel ist einwandfrei und un-terliegt den strengen Bestimmun-gen des Lebensmittelgesetzes.

Caritas-Märkte gibt es in der ganzen

Schweiz.

2011 gab es neue Märkte in

Baar, Baden und Biel.

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Kurz & bündig

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Migration

Flüchtlingstag in labyrinthischer FormFlüchtlinge und vorläufig Aufgenommene leisten einen wichtigen Beitrag zur Schweizer Berufswelt und Gesellschaft.

Im Rahmen des UNHCR-Weltflüchtlingstags veranstalten am Samstag, 16. Juni 2012, verschiedene Schweizer Städte und Ge-meinden einen nationalen Flüchtlingstag. Auf dem Berner Bun-desplatz und auf dem Zentralplatz in Biel wird ein Labyrinth interaktiv und spielerisch den Weg zur Integration von Flücht-lingen aufzeigen. Integration ist ein Gewinn für beide Seiten, und Flüchtlinge haben der Schweiz viel zu geben: Talent, Be-rufserfahrung, Motivation und die Begeisterung über ihre neu-en beruflichen und sozialen Möglichkeiten. Organisiert wird der Anlass von mehreren Hilfswerken, darunter die Caritas Bern. Vorgängig wird ein «Flashmob» auf den Flüchtlingstag auf-merksam machen. Vielerorts organisiert die Caritas, gemein-sam mit anderen Organisationen, die Flüchtlingstage. So in Aarau, Arbon, Bern, Basel, Luzern, St. Gallen, Sarnen, Zofingen und Zürich. In Luzern findet auf dem Kapellplatz das traditio-nelle Begegnungsfest statt.www.caritas-luzern.ch/tdf

NEWS Sport hebt die Stimmung

Ein gesunder Körper stärkt den Geist, wussten schon die Römer. Dass diese Weisheit auch für Arbeitslose gilt, zeigt ein Pilotprojekt der Suva bei Caritas Lu-zern: Im Caritas Bauteilmarkt turnen die Teilnehmenden jeden Morgen ein paar Minuten. Das Programm ist fest in den Tagesablauf integriert, rund 70 Arbeits-lose machen mit.

Frauen reden die gleiche Sprache

Rapperswil-Jona, Gossau, Wil, Flawil und Uzwil starteten zusammen mit Cari-tas St. Gallen-Appenzell das Projekt «FemmesTISCHE». Das ist ein Elternbil-dungsprogramm mit Migrantinnen: Frau-en tauschen sich in einer Gesprächs- runde mit einer Moderatorin in ihrer Mut-tersprache aus. Sie reden über Erzie-hung, Familie oder Ernährung, behan-deln Integrationsthemen und erhalten Informationen über das Schulsystem.

KulturLegi vergünstigt Ferien

Caritas und Reka arbeiten bei der Kultur-Legi zusammen: Armutsbetroffene kön-nen neu bei der Reka ohne administrati-ven Aufwand Ferien buchen, praktisch gratis. Zu einem Solidaritätspreis von 100 Franken können sie eines der reser-vierten 100 Arrangements für Ferien in der Schweiz beantragen. Das Anmelde-formular kann hier heruntergeladen wer-den:www.kulturlegi.ch, www.reka.ch

Pfarreien sammelten für Caritas

Die Opfer der Gottesdienste Ende Janu-ar und Anfang Februar 2012 spendeten zahlreiche Pfarreien der Deutschschweiz erneut zu Gunsten von regionalen Cari-tas-Projekten. Dieses Jahr wurden ar-mutsbetroffene Kinder in der Schweiz un-terstützt. Durch die Sammlung kamen über 130 000 Franken zusammen. Wir danken den Pfarreien für die vielen Spenden. Dass es viel zu tun gibt, zeigt das Hauptthema dieses Magazins.

An über 200 Orten in der Schweiz gibt es Veranstaltungen zum Flüchtlingstag.

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Rubrik

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Freundschaften machen Kinder stark und zuversichtlich – das Leben macht mehr Spass, wenn man schöne und schwierige Momente mit anderen teilen kann.

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Schwerpunkt

ichel (14), schwärmt vom Bugatti, den er kürzlich in einem Automobilmuseum gesehen hat. Sven

(12) spielt gerne Fussball und hat sich gerade einen blauen Schal ge-strickt. Bryan (11) hat in der Schule lieber Englisch als Mathe und spielt am freien Nachmittag gerne mit Kollegen im Freien. Natalie (11) hat Freude am Velofahren und will spä-ter einmal Physiotherapeutin oder Topmodel werden. Michel, Sven, Bryan und Natalie – vier Kinder mit unterschiedlichen Neigungen und Wünschen, die eine Erfahrung ge-meinsam haben: Sie wissen, was es heisst, von der Sozialhilfe zu leben.

Michel und seine FamilieDie Mutter von Michel lebt seit der Trennung von ihrem Partner vor bald elf Jahren alleine mit ihm und seinem jüngeren Bruder Yves. Bis vor vier Jahren war auch noch

«Unsere Mutter kann zaubern»In der Schweiz sind viele Kinder von Armut betroffen. Wie erleben sie ihre Situation? Wo spüren sie am meisten, dass bei ihnen daheim weniger Geld da ist als bei ihren Kolleginnen und Kollegen? Wie gehen sie damit um? Begegnungen mit Kindern aus Sozialhilfe beziehenden Familien.

Text: Ursula Binggeli Bilder: Zoe Tempest

M te Mal vor acht Jahren begegnet, obwohl er gar nicht so weit weg wohnt. Nun ist Michel der Mann im Haus, er nimmt den Gästen beim Eintreten die Mäntel ab und bringt ihnen ein Glas Mineralwasser. Im Gespräch erzählt er dann, dass es ihm im Moment in der Schule nicht gut laufe. Dem Vierzehnjährigen ist das Lernen verleidet, er steht auf Kriegsfuss mit den Hausaufgaben, seine Leistungen werden immer schlechter. Seine Mutter hat ihm das Fussballspielen so lange un-tersagt, bis er wieder bessere Noten heimbringt. Nun hofft sie, dass der bevorstehende Umzug der Familie in eine andere Gemeinde die Wende bringt: Ein neues Schulhaus, neue Kollegen, eine neue Lehrperson – vielleicht packt es Michel dann! In der Freizeit zeigt Michel bereits jetzt, was er kann. Im Freizeittreff für Behinderte, den sein Bruder ein Mal im Monat besucht, ist er neu-erdings Leiter. Er freut sich über

Michels Schwester dabei, aber sie ist unterdessen 20 und wohnt nun bei ihrem Freund. Michels Mutter hat früher als Coiffeuse gearbeitet und dann verschiedene Teilzeitjobs gehabt. Seit sie mit den Kindern alleine ist, arbeitet sie jedoch nicht mehr ausser Haus. Eine Tagesmut-ter sei zu teuer, sagt sie. Und: «Ich wollte und konnte mich nicht von den Kindern trennen.» Vor allem Yves braucht viel Aufmerksamkeit. Er hat eine leichte geistige Behin-derung und besucht eine heilpäda-gogische Schule. Die Familie lebt schon lange von der Sozialhilfe. Michels Mutter hat sich in den letzten zehn Jahren sehr zurückgezogen. Zum Ausge-hen habe sie weder Zeit noch Geld gehabt, sagt sie dazu. Ihre Kontakt-freude lebt sie heute am Computer aus: Im Internet hat sie Kollegen gefunden, mit denen sie sich regel-mässig online austauscht. Seinem Vater ist Michel das letz-

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die neue Aufgabe, doch er ist kei-ner, der Zukunftspläne schmieden mag – auch beruflich: Er weiss noch nicht, was er werden möchte. Seit kurzem hat Michel vom Projekt «mit mir» der Caritas einen Götti und eine Gotte vermittelt erhalten. Das Ehepaar unternimmt mit ihm regelmässig Ausflüge – zum Bei-spiel ins Automobilmuseum oder in den Europapark. Lässig sei das, sagt er, und lächelt.

Zu Besuch bei Sven, Bryan und Natalie In Svens Klasse ist im Klassenrat einmal das Sackgeld thematisiert worden. Seither weiss der Zwölfjäh-rige, dass eine seiner Kolleginnen regelmässig 50 Franken bekommt, wenn sie eine gute Prüfung ge-schrieben hat. Er erzählt das ganz

Diese bezahlt Frau S. nun einen Sprachkurs, ihr Deutsch wird von Monat zu Monat besser und sie hofft, in absehbarer Zeit Arbeit zu finden. Sven, Bryan und Natalie be-wegen sich bereits ziemlich selbst-verständlich in der neuen Sprache. Dass Familie S. eisern sparen muss, wird nicht nur beim Sack-geld deutlich. Im Winter kann je-weils nur eines der Kinder mit der Klasse ins Skilager reisen. Wenn Sven und Natalie in den Sommer-ferien die regionale Fussballwo-che für daheimgebliebene Kinder besuchen, übernimmt das Sozial-amt zwar den Kurs, aber nicht die Busbillette hin und zurück. Die elf-jährige Natalie erzählt, dass diese Zusatzkosten das Familienbudget jeweils sehr belasten, «weil dort alles schon ganz genau eingeteilt

Zusammenhalten, auch wenn es manchmal schwierig ist: Wahre Freunde sind immer füreinander da.

sachlich. Seine jüngere Schwester Natalie berichtet, sie kenne Mäd-chen, die sich vom Sackgeld sogar neue Kleider kaufen können. Ihr Zwillingsbruder Bryan übersetzt daraufhin, was die Mutter der drei Geschwister gerade auf Portugie-sisch gesagt hat: «Unsere Mutter hat manchmal Schuldgefühle, weil sie uns kein Taschengeld geben kann.» Und dann fügt er spitzbü-bisch an: «Aber sie gebe uns dafür ganz viele liebe Küsse, sagt sie.» Alle lachen. Frau S. ist vor dreieinhalb Jahren mit ihren Kindern von Brasilien in die Schweiz gekommen, in die Heimat des Ex-Mannes, in der Hoffnung, als Alleinerziehende ih-ren Kindern hier bessere Chancen bieten zu können. Seit die Familie da ist, lebt sie von der Sozialhilfe.

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Schwerpunkt

ist». Mit dem Sparen kennt sich je-des der Kinder bestens aus. Letztes Jahr konnte Familie S. eine Ferienwoche im Tessin verbrin-gen. Das Wetter war schön, es war warm, es hatte so viele Ameisen wie in Brasilien, aber weil das Sozi-alamt den Bungalow bezahlte, aber halt nichts an die Extras, die auch zum Ferienglück gehören, gab es für die Familie keine kleinen Freu-den wie hie und da eine Glace oder Besuche im Schwimmbad. Natalie sagt zwar: «Mami kann zaubern!», wenn sie davon erzählt, wie ihre beiden Brüder und sie von der Mutter zum Geburtstag stets Geschenke erhalten. Aber sie weiss, dass ihr grosser Wunsch für den nächsten Geburtstag – mit ihren Freundinnen eine Bowlingbahn in einem Restaurant besuchen, so wie es andere Mädchen in ihrer Klasse auch machen – möglicherweise ein Wunsch bleiben wird. «Es kostet halt», sagt sie nüchtern. «Mami sagt, dass sie es probiert, aber viel-leicht geht es nicht.»

Haustiere liegen nicht drinSven weiss, dass sein Wunsch nach einem Hund unerfüllbar ist. Haus-tiere sind im Budget nicht vorge-sehen. Die Meerschweinchen und Hamster, die sie vor einiger Zeit von einem wegziehenden Nachbarn übernommen hatten, mussten sie aus demselben Grund weiterver-schenken. «Das Futter war zu teu-er», erklärt Sven.Aber daneben gibt es viele Dinge, die Spass machen und wenig bis nichts kosten. Gemeinsam Kuchen backen! Gemeinsam brasiliani-sche Gerichte kochen! Gemeinsam Spiele spielen! «Ich liebe meine Kinder und ich liebe es, mit ihnen Zeit zu verbringen», sagt Frau S. Und Sven fügt an: «Es kommt gar nicht so fest drauf an, was wir ma-chen – Hauptsache, wir machen es gemeinsam.»

Michael Marugg, Mitglied der Eidg. Kommission für Kinder- und Jugendfragen (EKKJ)

KoMMENtAr Wie beeinträchtigt Armut die Entwicklung von Kindern?

Materielle Armut bedeutet nicht nur weniger Geld, sie zieht Nach-teile für die Kinder und die ganze Familie in vielen Lebensbereichen nach sich. Weniger soziale Kontakte, schlechtere Lernmöglichkei-ten, mangelhafte Gesundheitsvorsorge müssen aufgeholt werden, bevor eine chancengleiche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben möglich wird. Materielle Armut kann Eltern derart beanspruchen, dass sie ihre Verantwortung gegenüber den Kindern nicht mehr wahrnehmen können, und der Stress kann sogar das Risiko von Misshandlungen erhöhen.

Fallen arme Kinder auf?Armut versteckt sich und will sich suchenden Blicken entziehen. Arme Kinder sind als Persönlichkeiten nicht auffälliger oder unauf-

fälliger als andere. Trotz-dem weiss man, in welchen Quartieren sicher keine rei-chen Leute wohnen. Gleich-altrige haben einen schar-fen Blick dafür, wem die Minimalausstattung an ma-teriellen Dingen fehlt. Die Statistik zeigt, dass armuts-betroffene Kinder schlech-

teren Zugang zu höherer Bildung haben. Ein einzelnes armes Kind fällt vielleicht nicht auf, die Armut von Kindern dagegen schon, wenn man nicht wegschaut.

Welche Perspektiven haben Kinder aus armen Familien?Vom-Tellerwäscher-zum-Milliardär-Karrieren sind möglich, werden aber die Ausnahme zur Regel eines hohen Risikos sein, dass sich Armut vererbt. Das muss nicht tatenlos hingenommen werden. Die Startlinie für armutsbetroffene Kinder kann verbessert werden, bei-spielsweise mit einer adäquaten Existenzsicherung, Mentoring-Pro-jekten oder situationsgerechter Unterstützung der Eltern in ihrer Erziehungsaufgabe. Haben Kinder eine gute Gegenwart, haben sie auch bessere Zukunftschancen. Dafür hat sich die Eidgenössische Kommission für Kinder- und Jugendfragen (EKKJ) im Bericht «Jung und arm: das Tabu brechen» engagiert.

«Armutsbetroffene Kinder haben schlechteren Zugang zu höherer Bildung.»

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Schwerpunkt

er Begriff der Armut ist stark mit Bildern aus anderen Weltgegenden verbunden. Traurige Kinder mit Hungerbäuchen, Kin-dersoldaten, Bauern, die ihre kargen Äcker von Hand bestellen. Armut in einer rei-

chen Gesellschaft wird als «Luxusproblem» verstan-den, soziale Auffangnetze verhindern zum Glück das Schlimmste. Aber hier sind Armutsbetroffene ausge-schlossen, während in ärmeren Gesellschaften die Ge-meinschaft mitträgt und das Verständnis viel grösser ist. In der Schweiz sind rund 260 000 Kinder von Armut betroffen – das sind ungefähr 13 000 Schulklassen. Sie leben in Haushalten, die auf Sozialhilfe angewiesen sind oder zu den «Working Poor» gehören. Kinder, die von Armut betroffen sind, leiden nicht nur daran, dass

ihre Familien zu wenig Geld haben. Auch weniger ge-sundes Essen, prekäres Wohnen, unmodische Kleider belasten sie. Dadurch verlieren sie an Selbstwertge-fühl; oft entwickeln sie Schulschwächen und verwen-den ihre Energie hauptsächlich dazu, den familiären Zusammenhalt zu sichern und von ihren Freunden nicht ausgeschlossen zu werden.

Armut wird vererbtDie soziale Herkunft hat auf die Entwicklung und die Chancen der Kinder einen überdurchschnittlich grossen Einfluss, gerade in der Schweiz. Kurzum: Reichtum und Armut sowie damit verbundene Mög-lichkeiten und Einschränkungen werden vererbt. So kann von Chancengleichheit keine Rede sein. Das hat weitreichende Folgen: Wenn die Nachteile der sozialen

Arme Kinder in der SchweizArmut grenzt Kinder aus, ein Leben lang. Denn Armut wird vererbt, die soziale Mobilität in der Schweiz ist gering. Die Betroffenen können nicht mit ihren Kameradinnen und Kameraden mithalten und stehen im Abseits.

Text: Ariel Leuenberger Illustration: Christoph Fischer

D

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Herkunft nicht ausgeglichen werden, bleiben sie über das ganze Leben erhalten. Wer keinen guten Schulab-schluss erreicht, hat Schwierigkeiten, eine adäquate Berufsausbildung zu absolvieren und einen guten Ar-beitsplatz zu finden. Das ist später selbst bei der Höhe der Rente noch erkennbar.

Bildung und FreizeitSchon beim Schuleintritt weisen die Kinder in der Schweiz sehr unterschiedliche Kompetenzen auf – Bil-dungsdefizite nehmen bereits in der Vorschulphase Form an. Die ersten Lebensjahre stellen eine kritische Phase für die intellektuelle, kognitive und emotiona-le Entwicklung eines Kindes dar. Denn Kinder lernen in dieser Zeit besonders leicht, und allfällige Defizite lassen sich leichter ausgleichen als später. In der früh-kindlichen Bildung besteht daher ein grosses Potenzial für die Verhinderung von Armut.Erziehung findet nicht nur in der Schule oder im El-ternhaus statt. Vereine, Freunde und Familienausflü-ge tragen wesentlich zur Bildung des sozialen Netzes, zur Integration und auch zur Entwicklung und Vertie-fung der Interessen und Fähigkeiten bei. Arme Kinder können aber oft nicht mithalten, weil die Kosten für diese Aktivitäten das Budget ihrer Eltern sprengen. Einmal mehr sind sie benachteiligt und stehen abseits.

Gleiche Chancen für alleDie Stärke einer Gesellschaft misst sich bekanntlich am Wohl der Schwachen. Caritas setzt sich dafür ein, dass in der Schweiz alle Kinder gleiche Chancen haben. Wir helfen armutsbetroffenen Familien direkt mit per-sönlicher Beratung und verschiedenen Projekten. Zu-dem setzen wir uns anwaltschaftlich für Betroffene ein, indem wir die Rahmenbedingungen, welche zu Armut führen, mit Forderungen an die Politik zu ver-bessern versuchen.

Links und Publikationen

Kampagne für arme KinderMit der Kampagne «Abseits» machen die regionalen Caritas-Organisationen in der Deutschschweiz auf Pro-bleme und Lösungsansätze aufmerksam. Details auf www.kinderarmut.ch

Sozialalmanach 2012Das Caritas-Jahrbuch zur sozialen Lage in der Schweiz mit dem Schwerpunktthema «Arme Kinder». Unter ande-rem mit Beiträgen von Ueli Mäder, Ludwig Gärtner, Mi-chael Marugg, Carlo Knöpfel, Margrit Stamm. Zu bestellen unter www.kinderarmut.ch/publikationen

Caritas fordert MassnahmenDie bestehenden Rahmenbedin-gungen genügen nicht, um die Kinderarmut in der Schweiz zu verringern.

Arme Kinder haben nicht die gleichen Chan-cen wie ihre besser gestellten Freundinnen und Freunde. Armutsbekämpfung und Ar-mutsprävention müssen den Ausschluss-mechanismen entgegenwirken. Caritas for-dert Massnahmen zur Existenzsicherung einerseits und solche zur Chancengleichheit andererseits. Beide sind notwendig, um die Vererbung von Armut zu durchbrechen. Die Erwerbsarbeit von Eltern muss erleichtert, günstiger Wohnraum für Familien gefördert werden. Es braucht Ergänzungsleistungen für Familien sowie den Ausbau von Betreu-ungs- und Bildungsangeboten. In Quartieren verankerte Familienunterstützungszentren können dazu beitragen, armutsbetroffenen Familien früher, besser und umfassender zur Seite zu stehen. Nur so haben ihre Kin-der die Chance, aus dem Abseits zu treten und mit ihren Freunden wieder mithalten zu können. Verschiedene Caritas-Projekte wie die KulturLegi, der Caritas-Markt oder das Patenschaftsprojekt «mit mir» helfen ihnen schon heute.

Die Schweiz liegt unter dem Durchschnitt: Ausgaben für Familien in OECD-Staaten, in Prozent des BIP (2007).

0.5%

1%

1.5%

2%

2.5%

3%

3.5%

4%

Steuererleichterungen für Familien

Dienstleistungen für Familien

Beiträge für Familien

USAJpPorItCanCHSpPol

Ø O

EC

D

CzAtGerNeNorSwDenUKFr

Öffentliche Ausgaben für Familien in % des BIP, 2007

Steuererleichterungen für Familien

Beiträge für Familien

Dienstleistungen für Familien

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In der Schweiz angekommen Seit den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts lebten viele Italiener als Saisonarbeiter in Bara-ckensiedlungen. Als sie später ihre Familie nach-ziehen konnten, arbeiteten meist auch die Mütter, und die Kinder waren sich selbst überlassen. Noch in den Siebzigerjahren gab es mehr als 10 000 ille-gal in der Schweiz lebende Kinder von Saisonarbei-tern.

Bild: Rob Gnant – Barackensiedlung an der Luggwegstrasse in Zürich © Fotostiftung Schweiz / 2012, ProLitteris, Zürich

1963

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Persönlich

Hans Trampitsch, Fleisch-fachverkäufer:Am meisten gefehlt hat mir, dass der Vater nicht mehr Zeit gehabt hat, mit uns Kindern etwas zu unternehmen, zu spielen. Aber

das war natürlich auch schwierig. Ich bin mit sieben Geschwistern aufgewachsen. Auch die Mutter hatte zu wenig Zeit. Sie musste ja damals zum Beispiel die Windeln noch von Hand auswaschen.

Angela Falk, Studentin:Ich wurde mit sechs Wochen ad-optiert, meine Wurzeln haben mir aber nie gefehlt. Da ich eine Nach-züglerin bin – meine Geschwister sind 12 und 14 Jahre älter als ich

–, haben mir gleichaltrige Geschwister gefehlt, mit denen ich mich hätte austauschen und zusammen rebellisch sein können. Ich ging dafür zu Freunden nach Hause, bei mir zuhause war alles ein bisschen zu leer und zu steril.

Ruth Becker, kfm. Ange- stellte, Familienfrau:Ich hatte eine sehr schöne Kind-heit und hab gar nicht das Gefühl, dass mir etwas gefehlt hätte. Nur etwas kommt mir in den Sinn. Ich

hätte wahnsinnig gerne einen Hund gehabt. Da wa-ren meine Eltern aber strikt dagegen, weil das doch viel Aufwand bedeutet hätte.

Letina Okbamichael, Eritrea:Als ich zehn Jahre alt war, starb mein Vater. Für mich und mei-nen sechsjährigen Bruder war das eine schlimme Erfahrung. Die Mutter musste arbeiten gehen

und ich hatte viel auf meinen Bruder aufzupassen. Der Vater fehlte mir sehr.

Pascal Tschudin, Auszu- bildender:Bis zum 16. Lebensjahr lebte ich in Ecuador. Ich hatte eine gute Kindheit, mir hat nichts gefehlt. Ich schätzte vor allem den Zu-

sammenhalt in unserer Grossfamilie und hatte viele gute Freunde. Vor gut zwei Jahren kamen wir in die Schweiz. Hier herrscht eine andere Mentalität: Ich habe nur wenige Bekannte und mir fehlt der Kontakt zur Grossfamilie, vor allem zu meinen Grosseltern.

«Was hat Ihnen als Kind am meisten gefehlt?»Diese Frage haben wir unterschiedlichen Menschen auf der Strasse gestellt. An verschiedenen Orten in der Deutschschweiz.

Anina Jost, Studentin:Ich würde meine Kindheit eins zu eins wieder so erleben wollen, wie ich sie erlebt habe. Ich hatte alles, was ein Kind überhaupt ha-ben kann. Ich hatte Liebe, Zeit mit

meinen Eltern, Freunde, Spass und eine gute Erzie-hung genossen. Mir wurden aber auch Grenzen auf-gezeigt und ich machte auch schlechte Erfahrungen. Genau diese haben sich als sehr wichtige Momente herausgestellt.

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Caritas Luzern

Jelena und Barbara mit ihrem pinken Bilderbuch.

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Caritas Luzern

warten: Nachdem Jelena vom Klet-terpark am Pilatus gehört hat, will sie sofort hin. Barbara bremst die Drittklässlerin. Das Ganztages-erlebnis wird als Geburtstags-geschenk aufgespart. Das bislang schönste Erlebnis für Jelena? «Das iPhone von Barbaras Freund in den Händen zu haben!», sagt sie schnurgerade. Es sieht ganz nach einer Verlängerung der Patenschaft aus: Für ein Mädchen ist eine Be-ziehung zu einer jungen Frau cool. Die Busfahrt zurück ins Elternhaus naht. Jelena und Barbara packen die restliche Lasagne ein. Im Buch wird das vielschichtige Erlebnis dokumentiert. Während Jelena das Fleisch malt, besorgt Barbara das Gemüse. Die zusätzlichen Farb-punkte mögen die Stimmung illus-trieren.

Glück hoch zweiBei «mit mir»-Patenschaften treffen zwei Lebenswelten aufeinander. Die gemeinsamen Stunden können Etappen auf einer Abenteuerreise bedeuten.

Text: Edith Arnold Bild: Priska Ketterer

begegnen sich die beiden alle zwei Wochen am Samstag oder Sonn-tag, wenn die Pflegefachfrau in der Neonatologie des Kinderspitals frei hat. Während Gleichaltrige ihre Bekannten im realen und digita-len Raum treffen oder Gehirn- und andere Muskeln stählen, pflegt sie eine Beziehung zu einem ver-mittelten Patenkind. Barbara Gut-mensch? Sie lächelt am mittlerwei-le sorgfältig gedeckten Tisch und meint: «Bis 20 habe ich mich jede Woche für die Pfadi Dreilinden en-gagiert. Danach hatte ich entspre-chend Freizeit.» Zusammen mit zwei Freundinnen besucht sie eine «mit mir»-Infoveranstaltung der Caritas Luzern. Alle drei kehrten mit tamilischen Patenjungen zu-rück. Wobei der Altersunterschied so klein ist, dass die Rollen diffus bleiben: Kolleginnen, Freundin-nen, was sind Patinnen? Nach drei Jahren laufen Patenschaften aus. Barbara wünscht in der Folge ein jüngeres Mädchen. «Mit Kindern kann man die eigene Fantasie ausleben», sagt sie. Vor-stellungen im Luzerner Theater, scannen im Historischen Museum, bald picknicken an der Reuss usw.Die Vorfreude überlagert sich auch bei Jelena mit der Nachfreude. Am Telefon besprechen die beiden je-weils das nächste Erlebnis. Wenn sich dann die Haustür öffne, sagt Barbara, würden sie immer fun-kelnde Augen empfangen. Manchmal müssen Wünsche auch

«J elena und Barbara» heisst das Bilderbuch. Im Fachhandel würde es auf-

fallen. Auf dem pinkfarbenen Um-schlag ist ein Garten angebracht respektive ein grünes Papier mit rankenden Gräsern, Rosenblättern in Herzform und anderen getrock-neten Zierden. Im Innern geht es geklebt, gemalt und geschrieben weiter. Mindestens so spannend wirken die leeren Seiten, auf denen die nächsten Erlebnisse dokumen-tiert werden.Zum Beispiel Lasagne kochen und essen an einem Samstag-nachmittag im Februar. Draussen herrschen eisige Temperaturen. Drinnen, im obersten Stock einer urbanen Altbauwohnung in Lu-zern, stehen Barbara Grüter (25) und Jelena (9) vor dampfenden Kochtöpfen. Nach Anleitung der Patin in rotweisskarierter Schürze schichtet das Patenkind zwei Ge-fässe. Das viele Gemüse um das Hackfleisch scheint noch etwas zu irritieren. Zuhause besteht eine La-sagne aus Hackfleisch in Tomaten-sauce, weissen Pastablättern und Ziegenkäse.

Mit Kindern die eigene Fanta-sie auslebenJelena hat ausländische Wurzeln und wohnt mit ihrer Mutter und den beiden Schwestern in einer Agglomerationsgemeinde. Hier ist sie von Barbara mit dem Bus abge-holt worden. Seit letztem Sommer

Engagieren Sie sich!

«mit mir»-Patenschaften vermitteln Kindern aus sozial oder finanziell schwierigen Verhältnissen eine Pa-tin oder einen Paten.Unterstützen Sie das Projekt «mit mir» als Gotte/Götti, als Vermitt-ler/in oder finanziell.

www.caritas-luzern.ch/mit-mir

PC 60-4141-0

Herzlichen Dank!

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Caritas Luzern

KulturLegiEine sinnvolle Freizeit- gestaltung für Kinder aus Familien mit schmalem Budget bieten die Ange-bote der KulturLegi.

Die KulturLegi führt alleine in der Zentralschweiz rund 220 ermäs-sigte Angebote. Über 1000 Ange-bote sind es in der ganzen Schweiz, darunter zahlreiche Aktivitäten für Kinder und Jugendliche.Vergünstigt sind beispielsweise die Eintritte in den Circus Monti, immer wieder gibt es gar Gratisein-tritte in den Zirkus Knie. Oder doch lieber gleich selbst in die Zirkus-schule Tortellini und die Welt der Akrobaten und Clowns dank der um mehr als die Hälfte reduzierten Jahresgebühr kennenlernen?In der Zentralschweiz bieten zahl-reiche Schul-, Gemeinde- und Kan-tonsbibliotheken gratis Buchaus-leihe und Internetnutzung für KulturLegi-Nutzerinnen und -Nut-zer an. Die Schiffe auf dem Vier-waldstätter- oder dem Zuger- und Ägerisee fahren sie zum Halbtax-preis zum nächsten Museum. Bei solch einem Ausflug lassen sich die Schlösser und Museen der In-nerschweiz zu stark ermässigten Preisen kennenlernen.Oder im Dezember Simon Ammann live beim Skispringen in Engelberg fliegen sehen – zum halben Preis. Wieso nicht in einer der Skischulen gleich selber Skifahren lernen dank verbilligtem Kursangebot? Ist es zu kalt dafür oder der Schnee lässt gar zu wünschen übrig, ab nach Luzern «Schlittschühändle» im Eiszent-rum oder baden in einem der diver-sen Hallenbäder in der Region. www.kulturlegi.ch/zentralschweiz

In der heutigen Welt ist ein Überfluss an Angeboten und Mög-lichkeiten eine ständige Verlockung. Doch muss nicht immer al-les neu sein. Vieles findet man gut erhalten in den Secondhand-Läden von Caritas Wohnen.Vom süssen Teddybären über die Strampeldecke zum Kinder-spielzeug, zur Chasperli-Kassette oder zu einer CD der Lieb-lingsband oder der «Drei ???», hier findet man so allerlei. Das Sortiment geht vom Kinderwagen bis zum Fahrrad für Kinder, manchmal gar mit dem passenden Velohelm dazu. Rollbrett-Liebhaber finden durchaus auch mal ein Skateboard oder ein Snowboard, mit dem die ersten Fahrversuche auf dem Asphalt oder dem Schnee hervorragend gelingen. Auch für Fortgeschrit-tene findet sich immer etwas.Die Bücherecke hat nicht nur schöne Bildbänder, Literatur und Klassiker zu bieten, sondern auch Kindergeschichten, Jugend-bücher und für die Schule einen Rechtschreibeduden oder ein spannendes Nachschlagewerk für die Geografie-Hausarbeit.www.caritas-luzern.ch/secondhand

Bei Caritas Wohnen gibt es auch neue Kinderkleider zu günstigen Preisen.

Secondhand-ArtikelDie Secondhand-Läden von Caritas Wohnen in Luzern, Sursee und Hochdorf bieten auch für Kinder und Jugendliche ein abwechslungsreiches Sortiment.

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1993 öffnete der erste Caritas-Markt.

Das erste Fahrzeug von Caritas Möbel.

Die KulturLegi wird lanciert.

Caritas Luzern

30 Jahre jungie Caritas Luzern fei-ert im März 2012 ihr 30-jähriges Bestehen. Seit jeher orientiert sich ihre Tätigkeit an den

Nöten der Schwächsten und an der Frage: Wer braucht welche Hilfe?

Was 1982 mit einer 50-Prozent-Stelle begonnen hat, ist heute zu einem professionellen Dienstleis-tungsbetrieb mittlerer Grösse an-gewachsen. Die Caritas Luzern be-schäftigt rund 250 Mitarbeitende und gehört zu den grössten KMU in der Zentralschweiz. Mit ihr ge-wachsen sind die Aufgaben und die gesellschaftlichen Herausforderun-gen.Gleich geblieben ist indes das En-gagement der Caritas Luzern für Menschen in Not. Aus dem sozi-alen Engagement der Kirche für hilfsbedürftige Menschen hervor-gegangen, standen für das katho-lische Hilfswerk von Beginn an Alleinerziehende – damals noch als Einelternfamilien bezeichnet –, Arbeitslose, Arme, Flüchtlinge und Menschen am Rande der Gesell-schaft im Zentrum.

Von der Pionierarbeit zu RegelstrukturenImmer wieder ging die Caritas Lu-zern in den 30 Jahren als Pionierin

neue Wege. So hat sie etwa als ers-tes Hilfswerk auf dem Platz Luzern gemeinsam mit dem Kanton ein Erwerbslosenprojekt initiiert und aufgebaut. Daraus entstand An-fang der 1990er-Jahre das Beschäf-tigungsprojekt «Möbelwerkplatz», erst nur für ein halbes Jahr. Es folg-ten weitere Programme für arbeits-lose Frauen, für ausgesteuerte Per-sonen; ihnen allen ist gemeinsam, dass sie nahe am Arbeitsmarkt sind. Heute gehören solche Arbeits-integrationsprojekte zur Regel-struktur – Arbeit, Bildung und das Ziel der Integration in den ersten Arbeitsmarkt sind zum Standard geworden.

Engagiert in den Herausforde-rungen der GesellschaftDie Caritas Luzern versuchte stets, innovativ auf die gesellschaftlichen Realitäten zu reagieren. Themen wie Verschuldung beschäftigten die Caritas Luzern schon in den Anfän-gen. Mittlerweile bietet das Caritas-Netz in der ganzen Schweiz Budget- und Schuldenberatung an. Zur Zeit der Häuserbesetzungen im Luzern der 80er-Jahre, bedingt durch die Problematik der Obdachlosigkeit, führte sie die Gassenarbeit und be-treute und verwaltete Wohnungen – was schliesslich in das Angebot «betreutes Wohnen» der Stadt Lu-

zern mündete. Mitinitiiert hat die Caritas Luzern im Bereich Asyl als Leistungserbringerin für den Kan-ton die Härtefallkommission.Die Caritas Luzern ist auch Stimme für jene, die keine haben. Sie macht sich stark für Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, aus-gegrenzt sind und ohne viel Auf-merksamkeit ihrer Mitbürger/in-

nen. Aus dem Wissen, dass Armut heute weit mehr Personen betrifft als Betagte oder Rentner/innen wie noch vor 30 Jahren, wurde für diese Menschen vor fünf Jahren die KulturLegi in der Zentralschweiz lanciert. Sie ermöglicht ihnen das Teilnehmen am sozialen Leben.So hat die Caritas Luzern ihre Pro-jekte und Unterstützungsangebote in den Bereichen Armut, Erwerbs-losigkeit und Migration immer wie-der dem gesellschaftlichen Wandel angepasst. Dabei unterstützt wur-de sie von der ersten Stunde an von zahlreichen freiwillig Engagierten. Mit ihnen zusammen gilt es, auch die nächsten 30 Jahre bedürftigen Menschen zur Seite zu stehen, sie so zu unterstützen, dass sie ein menschenwürdiges Leben führen können und weniger Ausgrenzung erfahren.www.caritas-luzern.ch/30Jahre

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Caritas Luzern

eutsch ist das Steckenpferd von Jean-Pierre Schibich, damit hat der Korrektor

jeden Tag zu tun. «Die Sprache ist meine Leidenschaft. Der Austausch mit jungen Asylsuchenden, die Deutsch lernen und mit Schweizern in Kontakt kommen wollen, ist für mich ein guter Ausgleich zur eher kopflastigen Arbeit», sagt Jean-Pierre Schibich, der sich seit rund zehn Jahren bei der Caritas Luzern in der Freiwilligenarbeit engagiert. Anfangs hat er Kindern mit Mig-rationshintergrund bei den Schul-aufgaben geholfen, und seit einem Jahr begleitet er den 18-jährigen Ib-rahim, der ohne Angehörige in die Schweiz gekommen ist und jetzt auf Asyl hofft. Einmal wöchentlich trifft sich der 52-jährige Schweizer mit dem jungen Mann aus West-afrika. Seit dieser Arbeit gefunden hat, ist es etwas seltener, aber noch immer regelmässig. «Dabei stellen sich ganz andere Herausforderun-gen als beim Nachhilfeunterricht mit Kindern. Dort hatte ich als An-knüpfungspunkt für ein Gespräch

jeweils die Schulbücher. Ibrahim und ich hingegen praktizieren eine Art ‹Freestyle›-Kommunikation: Wir erfinden unseren Gesprächs-stoff aus dem Moment heraus. Ich greife beispielsweise ein Thema auf, das mit ihm oder seinem Um-feld zu tun hat. Oder bringe einen Zeitungsartikel aus dem Gemein-deblatt Emmen mit, über den wir dann sprechen.»

Zusammen Neues entdeckenAnfangs fanden die Gespräche im Asylzentrum Sonnenhof statt, und schon bald unternahmen die beiden auch kleine Ausflüge. Jean-Pierre Schibich zeigte Ibrahim zum Beispiel die Bibliothek und erklär-te ihm, wie er Bücher ausleihen kann. Oder sie besuchen eine Aus-stellung, erzählen einander aus dem Alltag in ihren Ländern und diskutieren Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Kulturen. «Wenn ich mit Ibrahim unterwegs bin, entdecke auch ich Unbekanntes oder schaue Vertrautes aus einem anderen Blickwinkel an. Plötz-

lich mache ich mir beispielsweise Gedanken über die Altersbetreu-ung in der Schweiz, die so anders funktioniert als in Afrika, wo die Familie einen viel bedeutenderen Stellenwert hat. Umgekehrt bin ich eine Art Bindeglied für Ibrahim zur Schweizer Kultur und zu den Leu-ten hier.» Ibrahim sei neugierig, aufgeschlossen und intelligent, darum falle es ihnen auch nicht schwer, Gesprächsthemen zu fin-den. Jean-Pierre Schibich ist auch aktiv bei manne.ch und im Luzer-ner Sentitreff. An beide Orte hat er Ibrahim auch schon zu Anlässen mitgebracht, was wiederum neue Kontakte für beide Seiten öffnet. Ibrahim ist praktizierender Mus-lim, und das erlebt Jean-Pierre Schibich als Bereicherung. «Es ist für mich das erste Mal, dass ich persönlichen Kontakt zu einem muslimischen Menschen habe. Das ist für mich eine besonders schöne Erfahrung.»

Zusammen den Schweizer Alltag und ferne Welten entdecken.

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Freestyle- Kommunikation Über 400 Freiwillige helfen mit, den Caritas-Gedanken weiter-zutragen. Sie unterstützen Menschen in verschiedenen Situationen im Alltag. So wie Jean-Pierre Schibich.

Text: Christine Weber Bild: Symbolfoto

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Caritas Luzern

Topmotiviert Deutsch lernen (C554)Endlich kann der junge Mann (Meg-gen) den langersehnten Deutschkurs besuchen. In seinem Heimatland Afghanistan genoss der 19-Jährige keine Schulbildung. Er ist motiviert, schnellstmöglich Deutsch zu lernen. Wer hilft ihm dabei, das im Sprachun-terricht Gelernte richtig anzuwenden, und unterstützt ihn bei den Hausauf-gaben und beim Üben der Sprache?

Nachhilfe für 1. Sek. B (C545)Die 13-Jährige lebt mit ihren beiden Geschwistern und den Eltern in Em-menbrücke. Sie hat in sehr kurzer Zeit Deutsch gelernt und besucht bereits die 1. Sek. B. Sie will in ihrer Freizeit viel für die Schule arbeiten und sucht jemanden, der sie darin unterstützt (Nachhilfe) und ihr hilft, den Schul-stoff zu «verarbeiten». Einsatz: mind. zwei Stunden pro Woche. Kenntnisse über den Schulstoff Sek. B1 sind von Vorteil. Die Familie kommt aus Syrien.

Integrieren und Deutsch sprechen (C559)Seit Februar kann die unbegleitete minderjährige Asylsuchende aus Tan-sania die Schule besuchen. Die 17-Jäh-rige verfügt über gute Englischkennt-nisse. Sie möchte schnell Deutsch lernen, um sich hier zu integrieren, die Sprache sprechen und bald mit ei-ner Ausbildung beginnen zu können. Regelmässig möchte sie sich mit einer Frau über 25 treffen, um dabei das Ge-lernte anzuwenden und mehr über die Schweiz sowie das Leben in und um Luzern zu erfahren.

Haben Sie einen Einsatz gefunden?Auf unserer Website finden Sie weite-re Einsatzmöglichkeiten und viele zu-sätzliche Informationen rund um die Freiwilligenarbeit.www.caritas-luzern.ch/freiwillige

Freiwilligenarbeit mit Jugendlichen Migration und

Gesundheit«Miges Balù» bietet Migrantinnen und Migranten dank interkulturellen Vermittelnden besseren Zugang zum Gesundheitssystem, zu Gesundheits-förderung und Prävention.

m Kanton Luzern ist rund ein Sechstel der Kinder und Ju-gendlichen von Übergewicht betroffen. Dabei leiden Kinder mit einem Migrationshintergrund und jene aus bildungsfer-

nen Milieus überdurchschnittlich darunter. Wichtig ist es daher, Massnahmen zu entwickeln, die möglichst früh nach der Geburt und nach dem Zuzug aus dem Ausland greifen. Ziel ist, dass möglichst alle Familien lernen, verantwortungsvoll mit ihrer Gesundheit umzugehen. Genau das will das Projekt «Miges Balù». Es ist ein auf Ernäh-rung und Bewegung ausgerichtetes Beratungsangebot. Dabei figurieren insbesondere Väter- und Mütterberatungsstellen als Dreh- und Angelpunkt. Diese haben mit nahezu allen Eltern von Neugeborenen Kontakt. Sie sind es, die Migrationsfamilien über adäquate Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern infor-mieren sowie über die Bedeutung von ausreichender Bewegung, aber auch über frühkindliche Erziehung. Denn wer gesund ist, hat bessere Startchancen im Leben.

Das Projekt wird im Auftrag der kantonalen Dienststelle Ge-sundheit, Gesundheitsförderung durch die Caritas Luzern ge-leitet. Sie ist es auch, welche die Väter- und Mütterberatungs-stellen fachlich unterstützt, berät und schult wie auch die in diesem Projekt wichtigen interkulturell Vermittelnden rekru-tiert, coacht und vermittelt. Diese helfen, sprachliche und kul-turelle Hürden zu meistern und zwischen den Beratungsstellen und den fremdsprachigen Familien zu vermitteln. Aufgrund des Erfolges in der Stadt Luzern wird das Angebot im Jahr 2012 auf die Gemeinden im Kanton ausgeweitet. Als Pilot startet «Miges Balù» mit der Mütterberatungsstelle Sursee Wol-husen.

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Caritas Luzern

Kinderarmut auf den zweiten BlickDie Luzerner Stiftung der St. Anna-Schwestern unterstützt seit einigen Jahren die Bildungsangebote der Caritas Luzern für Migrantinnen.

Text: Daniela Mathis Bild: Gemeinschaft St. Anna-Schwestern

Helfen Sie mit!

Unterstützen Sie die Bildungs-projekte für Migrantinnen.

Spendenkonto PC 60-4141-0

Herzlichen Dank!

icht nur, weil Caritas ein christliches Hilfswerk ist, unterstützen die St. Anna-

Schwestern die Caritas Luzern. Ihrer beider Motivation basiert auf den gleichen Idealen. Zudem wid-met sich seit der Gründung der St. Anna Schwestern die Gemeinschaft den Belangen der Frauen. Vor 100 Jahren sah diese Hilfe etwas anders aus als heute. In einer Zeit, in der staatliche Strukturen und Hilfs-angebote noch wenig vorhanden waren, übernahmen die St. Anna Schwestern viele Aufgaben.Das hat sich geändert. «Heute sind es mehrheitlich Migrantinnen, die eine vielfältige Unterstützung brauchen», sagt Sr. Heidi Kälin. Ins Haus Hagar, eine von den St. Anna-Schwestern geführte «Herberge für Frauen und Kinder in Notsituatio-nen», kommen Schweizerinnen wie Migrantinnen. Letztere kämpften indes mit zusätzlichen Problemen. Oft sind sie schlecht gebildet, be-herrschen die Sprache kaum, sind isoliert.

Bildung und Integration gegen Armut«Bildung und Integration sind in der Bekämpfung von Armut zen-tral», wiederholt die Generalobe-rin der Gemeinschaft der St. Anna Schwestern immer wieder. «Wenn ich im Umfeld unseres Frauenhau-ses Mütter mit ihren Kindern be-obachte, denke ich manchmal: Von wegen Kinderarmut, die haben ja alles. Ein Überfluss an Spielsachen, sind ständig am Süssigkeiten-

Naschen. Es scheint ihnen an nichts zu fehlen.» Hinter dem vie-len Spielzeug und den Schleck-waren steht aber kein Überfluss an Geld. Manchmal erhielten Kin-der diese Dinge, weil Eltern ein schlechtes Gewissen hätten, weil sie ihnen wenig Zeit widmen könn-ten. Gerade auch Alleinerziehen-de hätten es sehr schwer, weil sie ihren Kindern nicht alles bieten könnten. «Immer wieder habe ich erlebt, dass Eltern Geld für Unnö-tiges ausgegeben haben. Danach fehlt es ihnen für die wichtigen Ausgaben. Für gesunde Lebens-mittel, die Arztrechnung oder für den Schulausflug. Das wäre aber wichtiger für die Integration des Kindes als das neueste Spiel für die Playstation.» Dagegen helfe nur Aufklärung, Bil-dung, Integration und das Erlernen der Sprache, ist Sr. Heidi überzeugt. Wichtig sei auch das Durchbrechen der Isolation, gerade bei Frauen mit Migrationshintergrund. Sie sind oft schlecht vernetzt und wissen nicht, an welche Anlaufstellen sie sich wenden können. Sie kennen ihre Umgebung wenig. «Das Bildungs-angebot für Migrantinnen der Cari-tas Luzern hat mich diesbezüglich überzeugt. Letztes Jahr durften wir die Schulungsräume mit dazuge-hörender Kinderkrippe in Littau besuchen. Ein wichtiges Angebot, da Frauen oft keine Bildungskur-se besuchen, weil sie kleine Kinder haben und niemanden, der für ein paar Stunden auf sie aufpasst.» Während des Kurses wurde auch

über Freizeitgestaltung diskutiert. Was gibt es für Möglichkeiten und Angebote in Luzern und Umgebung und wo gibt es Informationen dazu? Wie kommt man da hin? «Das ist Austausch, die Sprache und Um-gebung kennenlernen, Isolation durchbrechen. Und es zeigt eine sinnvollere Freizeitgestaltung auf, als vor dem Fernseher zu sitzen.»

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Schwester Heidi Kälin, Gemeinschaft St. Anna-Schwestern

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Caritas Luzern

Armut halbieren2010 lancierte Caritas anlässlich des Europäischen Jahres zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung die Kampagne «Armut halbieren».

Bild: Urs Siegenthaler

«Arbeit muss sich lohnen», diese Forderung formulier-te die Caritas Luzern bereits 2008 an ihrer Vereinsver-sammlung. Mit der Lancierung der Kampagne «Armut halbieren» bekräftigt die Caritas Luzern dieses Anlie-gen und fordert eine kantonale Armutspolitik.Der 2011 erschienene Armutsbericht des Luzerner Re-gierungsrates war ein erster Meilenstein, weitere sol-len folgen. Der Bericht fokussiert insbesondere auf die Armutsbekämpfung, weniger auf die Prävention.Zusammen mit Politikerinnen und Politikern aus den verschiedenen Parteien analysierte die Caritas Luzern den Bericht. Fazit: Die angekündigten Massnahmen müssen schneller umgesetzt werden.

ÖffentlichkeitsarbeitDie Caritas Luzern führte diverse Aktivitäten im Jahr der Bekämpfung von Armut durch: Teilnahme am So-lidaritätslauf des Luzerner Stadtlaufes, Strassenak-tion mit leeren Geldbeuteln, Podium an der Vereins-versammlung 2010 «Armut im Kanton Luzern – Wie reagiert die Politik?», Ringvorlesung mit der Universi-

tät Luzern zum Thema «Armut in der Schweiz», SKOS-Ausstellung «Im Fall» usw.

Zwischenstand und AusblickDie Kantonsrätin Felicitas Zopfi (SP) hat auf Anregung der Caritas Luzern im Kantonsrat eine Motion zum The-ma Armut eingereicht. Der Grosse Rat hat diesen in der Folge als Postulat überwiesen.Die in der Kampagne formulierten Ziele hat die Cari-tas Luzern bereits in weiten Teilen umgesetzt: So wur-den zwei neue Caritas-Märkte eröffnet, in Sursee und in Baar (ZG). Die Sozialberatung wurde insbesondere durch die Schuldenberatung und die neue Beratungs-Hotline verstärkt.Ferner treffen sich Vertreter/innen der Caritas Luzern halbjährlich mit Politiker/innen sämtlicher Fraktio-nen zum Thema «Bekämpfung der Armut im Kanton Luzern». Diskutiert werden Themen wie Wohnen oder Nichtinanspruchnahme wirtschaftlicher Sozialhilfe.www.caritas-luzern.ch/armut-halbierenwww.armut-halbieren.ch

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Kiosk

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AGENDAVereinsversammlung 2012: «Gesellschaft von morgen verstehen»

Im Rahmen der Jubiläums-Vereinsver-sammlung ist nicht bloss die 30-jährige Geschichte der Caritas Luzern ein The-ma, sondern vor allem die Zukunft. Wie wird die Gesellschaft von morgen ausse-hen? Welche Fragen stellen sich dem Hilfswerk in den kommenden Jahren? Eine Diskussionsrunde mit anschliessen-dem Apéro will Denkanstösse vermitteln. Die Veranstaltung ist öffentlich.Dienstag, 22. 5. 2012, ab 16 UhrSüdpol, Arsenalstrasse 28, Kriens

Tag des Flüchtlings 2012

Am Flüchtlingstag 2012 und dem alljähr-lichen Begegnungsfest auf dem Kapell-platz mit Livemusik und kulinarischen Spezialitäten sind wieder die «Riesenku-gelibahn» für die Kleinen, die Schmink-Ecke und das Teezelt mit dabei. Der dies-jährige Tag des Flüchtlings wird um 10.30 Uhr von Regierungsrätin Yvonne Schärli eröffnet.Samstag, 16. 6. 2012, 10.30 bis 18 UhrKapellplatz Luzern

Diskussionsforum zur Studie «Soziale Aufgaben im ländlichen Raum»

In den ländlichen Gebieten des Kantons Luzern sind im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung bedeutende Veränderungen im Gange. Um diese Veränderungen be-wältigen zu können, sind alle gesell-schaftlichen Kräfte gefordert. Zusammen mit der Römisch-katholischen Landeskir-che und der Reformierten Kirche Kanton Luzern laden wir deshalb in allen Regio-nen des Kantons zu Diskussionsforen ein.Region Rontal: 16. 10. 2012Region Seetal: 30. 10. 2012

Weitere Informationen zu allen Veranstaltungen finden Sie auf www.caritas-luzern.ch/events

Legate zugunsten der Caritas Luzern

Die Caritas Luzern hilft Menschen in Not. Legate spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie ermöglichen uns, langfristig und nachhaltig zu helfen. Möchten Sie Ihren Abschied vom Leben mitgestalten? Mit der Broschüre «Regelung der letzten Dinge» können Sie den Perso-nen, die mit der Regelung Ihrer letzten Dinge betraut sein werden, eine wertvolle Hilfe bieten. Für weitere Informationen schicken wir Ihnen gerne unseren Testa-ments-Ratgeber. Sie können beides auch im Webshop bestellen.www.caritas-luzern.ch/webshop

Ihre Frage an uns

Sind Menschen, die mit dem Auto zum Caritas-Markt fahren, wirklich arm? Ein Auto kostet jeden Monat viel Geld, das man sicher sinnvoller einsetzen könnte. (Anna Schmid, Bern)

Liebe Frau SchmidEs stimmt: Ein Auto ist teuer. Unsere Sozialberaterinnen und -berater empfehlen bei der Budgetberatung stets, auf das Auto zu verzichten und die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen. Doch es gibt Situationen, in denen ein eigenes Auto unverzicht-bar ist. Wer zum Beispiel Schichtarbeit verrichtet, kommt kaum ohne Auto nach Hause. Und wer abgelegen auf dem Land wohnt, wo die Wohnungen besonders günstig sind, ist unter Umstän-den auch auf ein Auto angewiesen.Wir bei Caritas sind der Meinung, dass jeder Mensch sein Geld so einsetzen soll, wie er es für richtig empfindet. Wenn arme Menschen auf Ferien oder auf eine grössere Wohnung verzichten und sich dafür das eigene Auto leisten, so ist das ihre Entschei-dung, die es zu respektieren gilt – wenn sie Prioritäten setzen können. Aber wenn sich unsere Klientinnen und Klienten nicht

an das gemeinsam erarbeitete Budget halten, stellen wir die Beratung ein. Denn ohne Auto hat jede Familie am Ende des Monats mehr Geld zur freien Verfügung. Schliesslich kann man sich auch ein Fahrzeug leihen, von Freunden oder bei Mobility.

Haben Sie auch eine Frage an uns? Gerne beantworten wir diese in der nächsten Ausgabe von «Nachbarn». Senden Sie Ihre Frage per E-Mail an [email protected] oder per Post an:

Redaktion Nachbarn Caritas ZürichBeckenhofstrasse 16Postfach8021 Zürich

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Gedankenstrich

Ich habe keine Ahnung

Tanja Kummer ist Schriftstellerin. Ihr Erzählband «Wäre doch gelacht» und andere Bücher sind im Zytglogge-Verlag erschienen. 2010 leitete die Autorin die Schreibwerkstatt «wir sind arm» der Caritas. Die so entstandenen Texte können Sie nachlesen auf www.wir-sind-arm.ch.

Illustration: Christoph Fischer

«Sie haben ja keine Ahnung!» Das hören wir oft. Wir, die Geld haben. Dass wir keine Ahnung hätten, was es heisst, arm zu sein. Und uns da-rum nicht einmischen sollen. Aber spenden sollen wir trotzdem, am besten viel. Kein Problem, das ma-che ich gerne. Nicht einmischen, meine ich.Aber einiges müsste mir wirklich erklärt werden. Warum man zum Beispiel Kinder in die Welt setzt, wenn man kein Geld hat. Ohne mein Vermögen hätte ich keine Familie gegründet. Die Ausbildung der vier Kinder ist teuer. Aber je-mand muss ja eines Tages die Fir-ma übernehmen. Lange dachte ich an unsern Jüngsten, Carl. Er ist zehn. Aber jetzt enttäuscht er mich. Er gibt sich mit dieser Angela ab. Ich weiss nicht, wo er die kennen-gelernt hat. Sicher nicht an der Pri-vatschule. Sie ist aus schlechtem Haus: zwei Geschwister, die Mutter alleinerziehend, arbeitslos, arm und offenbar dumm.

Auf sein Drängen hin habe ich Carl erlaubt, das Mädchen zum Lunch einzuladen. Beim Essen erzählte sie tatsächlich, dass sie ein Handy hat! So ein Mädchen vertelefoniert doch Unsummen! Und zuhause hätten sie sogar einen Computer. Als ich Carl auf diesen liederlichen Umgang mit Geld hinwies, erwider-te er: «Sie braucht ein Handy und einen Compi, um mit andern Men-schen in Kontakt zu sein, so wie wir alle, das gehört auch zur Chan-cengleichheit, das haben wir in der Schule durchgenommen!» Chan-cengleichheit! So ein Blödsinn.Ob es auch mit Chancengleichheit zu tun hat, dass sich Angela unan-ständig gierig auf alles gestürzt hat – egal, ob Fleisch, Gemüse oder Kar-toffeln –, was beim Lunch angebo-ten wurde? «Kein Wunder», sagte ich zu Carl, «die Mutter sitzt sicher den ganzen Tag vor dem Fernseher und kocht nie etwas Anständiges!» «Nein», entgegnete Carl, «sie sucht unter anderem gutes, billiges Ge-

müse. Du hast einfach keine Ah-nung!» Keine Ahnung, so so. Ich wette, dass er nichts dagegen hätte, wenn ich seiner Freundin Geld ge-ben würde. Doch ich habe ja keine Ahnung und darum halte ich mich da raus.

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Armut grenzt Kinder aus. Ein Leben lang. Ihre Spende hilft, die Armut in der Schweiz zu halbieren: www.kinderarmut.ch. Danke.

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