Nachbarn Nr. 1/2015

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Nachbarn Nr. 1 / 2015 Luzern Soziales Existenzminimum Die öffentliche Diskussion über die Sozialhilfe gibt Anlass zur Sorge. Nicht die Armut wird bekämpft, sondern die Armutsbetroffenen.

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Caritas-Magazin «Nachbarn» Nr. 1/15 mit dem Schwerpunktthema: Soziales Existenzminimum. Drei armutsbetroffene Frauen berichten aus ihrem Alltag, der von Einschränkungen geprägt ist.

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NachbarnNr. 1 / 2015Luzern

Soziales ExistenzminimumDie öffentliche Diskussion über die Sozialhilfe gibt Anlass zur Sorge. Nicht die Armut wird bekämpft, sondern die Armutsbetroffenen.

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Inhalt

Inhalt

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Editorial

3 von Thomas Thali Geschäftsleiter Caritas Luzern

Kurz & bündig

4 News aus dem Caritas-Netz

Persönlich

13 «Was machen Sie mit Ihren Freunden am liebsten in der Freizeit?»

Sechs Antworten

Caritas Luzern

14 Mit zehn Franken durch den TagStrategien von Betroffenen

17 Günstig einkaufen im Caritas-Markt

18 Wenn die Wohnung in der Stadt ein unerfüllbarer Traum bleibt.

19 Von Barcodes und KundenKommunikationstechnologien im Berufsleben

20 Beim Lernen assistierenFreiwillige im Einsatz

21 Gesunde Ernährung für alleCecilia Schnüriger unterstützt den Caritas-Markt mit einer Patenschaft.

Kiosk

22 Wer bezieht eigentlich Sozialhilfe?

Gedankenstrich

23 Existenzminimum

Schwerpunkt

Soziales Existenzminimum

Die Schweizer Bundesverfassung garantiert notleidenden Menschen Hilfe und Betreu-ung. Doch ist die dafür zuständige Sozialhil-fe in letzter Zeit politisch stark unter Druck geraten. Einsparungen durch Leistungskür-zungen werden gefordert. Vergessen gehen dabei die rund eine Viertelmillion Menschen in der Schweiz, die in prekären Verhältnis-sen leben und deshalb Sozialhilfe beziehen. Gefangen im Strudel der Armut, droht ihnen die soziale Isolation. Drei armutsbetroffene Frauen berichten aus ihrem Alltag, der von Einschränkungen geprägt ist. Caritas nimmt eine klare Haltung ein: Bekämpft die Armut, nicht die Armutsbetroffenen! ab Seite 6

Das Leben am Existenzminimum ist geprägt von Verzicht. Vierbeiner sind häufig die einzigen Seelentröster – für die, die es sich leisten können.

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Editorial

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Liebe Leserin, lieber LeserWenn Ihnen dieses Heft mit der Post zugeschickt wurde, leben Sie vermutlich über dem sozialen Existenzminimum. Wahr-scheinlich spenden Sie regelmässig für Caritas oder haben sonst einen Bezug zu unserem Hilfswerk. Es ist unser Anlie-gen, Sie über unsere Ziele und unsere Arbeit regelmässig zu in-formieren und eine nachhaltige, vertrauensvolle Beziehung zu pflegen.

Wenn Sie das vorliegende Heft aus dem Prospektständer einer unserer Sozialberatungsstellen genommen haben, ist es gut

möglich, dass Sie am oder unter dem sozialen Existenzminimum leben. Dann erleben Sie täglich, dass die Teilhabe am sozialen Leben Geld kostet. Sie wissen, dass nur schon das Einladen von Freunden gut geplant und budge-

tiert sein muss, dass der Jahresbeitrag für den Sportverein ein Loch ins Monatsbudget reisst und ein gelegentlicher Konzert-besuch nur dank der KulturLegi drinliegt.

Das soziale Existenzminimum ist eine grosse Errungenschaft unseres Sozialwesens. Trotzdem gibt es politische Kräfte, die das unnötig finden und die Sozialhilfe auf 600 Franken pro Per-son kürzen wollen. In diesem Magazin lesen Sie, warum das aus Sicht der Caritas unverantwortlich wäre und mit welchen Projekten und Angeboten wir die soziale Integration fördern.

Übrigens: Wenn Sie sich selbst regelmässig zugunsten Armuts-betroffener engagieren möchten, können Sie dies mit einer Pa-tenschaft «Pro Caritas-Markt» tun. Über Ihren Beitrag würden wir uns freuen.

«Nachbarn», das Magazin der regionalen Caritas-Organisationen, erscheint zweimal jährlich. Gesamtauflage: 34 770 Ex.

Auflage LU: 9 200 Ex.

Redaktion: Urs Odermatt, Milena Würth (Caritas Luzern)Bojan Josifovic (national)

Gestaltung und Produktion: Urs Odermatt, Cyrille Massaux

Druck: Stämpfli AG, Bern

Caritas LuzernBrünigstrasse 25, Postfach6002 LuzernTel.: 041 368 51 00www.caritas-luzern.chPC 60–4141-0IBAN CH84 0900 0000 6000 4141 0

Thomas ThaliGeschäftsleiter Caritas Luzern

«Die Teilhabe am sozialen Leben kostet Geld.»

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Kurz & bündig

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Anerkennung für Fahrende

Taskforce des BundesratesCaritas Zürich setzt sich zusammen mit Bundes-vertretern und weiteren Organisationen für bessere Lebensbedingungen für Fahrende ein.

Um den Anliegen von Fahrenden in der Öffentlichkeit eine starke Stimme zu geben, engagiert sich Caritas Zürich im Aufbau und der Pflege eines Netzwerkes aus Organisationen von Fahrenden und solchen aus den Bereichen Menschenrechte, Minderheiten und Diskriminierung. Dazu ist Caritas Zürich mit Vertretenden aus 21 Organisationen zusammengekommen, um gemeinsam Forderungen nach Respekt und Anerkennung für Jenische, Sin-ti und Roma zu stellen. Anlässlich des internationalen Tages der Roma wandte sich Caritas Zürich zusammen mit weiteren Ver-tretenden aus dem Netzwerk direkt an den Bundesrat. In einem Schreiben machten sie diesen auf die Forderungen aufmerksam. In der Folge wurde Caritas zur Mitarbeit in einer Taskforce zur Verbesserung der Lebensweise von Fahrenden eingeladen. Hier engagiert sich Caritas zusammen mit den Partnern für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen für Fahrende sowie für zusätz-liche Stand- und Durchgangsplätze in der gesamten Schweiz. Das Ziel der Arbeitsgruppe ist, bis Ende 2015 einen Aktionsplan samt Massnahmenkatalog auszuarbeiten.www.caritas-zuerich.ch/fahrende

Berufliche Integration

Ein LichtblickIn Luzern-Littau wurde Ende März das Caritas-Haus Grossmatte nach einem Umbau neu eröffnet.

Unzählige Menschen gehen im Ca-ritas-Haus ein und aus. Sie arbeiten in einem der Betriebe: Schreinerei, Malerei, Velowerkstatt, Kreativ- atelier, Kantine oder im Lager von Caritas Wohnen und Caritas Ser-vice. Im fünften Stock befindet sich das Personalrestaurant «Food for Workers», das auch Mitarbeitenden der umliegenden Firmen zugäng-lich ist. In der Schreinerei werden Büromöbel hergestellt, das beliebte Spiel «Kubb» oder – ganz trendy – der Luzerner Rodel, mit dem sich Rennen gewinnen lassen.In Bildungsprogrammen werden nicht nur Deutschkenntnisse, son-dern auch berufsspezifisches Fach-

steht für die Adresse Grossmatte 10

Die Caritas Luzernhat ein zweites Caritas-Haus:

G10wissen vermittelt. Ein individuelles Coaching unterstützt die Erwerbs-losen zudem beim Wiedereintritt in den ersten Arbeitsmarkt. Sie fin-den im umgebauten Caritas-Haus Arbeitsbedingungen und -möglich-keiten vor, die sie auf die reale Be-rufswelt vorbereiten.www.caritas-luzern.ch/service

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Kurz & bündig

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Caritas beider Basel baut Angebot aus

Zusammen arbeit mit PastoralräumenCaritas beider Basel arbeitet stärker mit einzel-nen Pastoralräumen zusammen und macht so das eigene Angebot noch mehr Personen zugänglich.

Caritas beider Basel möchte die Angebote für die bereits beste-henden und neu entstandenen Pastoralräume in der Region Basel ausbauen. Dazu bietet sie Bildungsangebote im Bereich «Armut und Migration» an und arbeitet im Rahmen der Sozi-alberatung eng mit den einzelnen Pastoralräumen zusammen. Seit Januar 2015 führt Caritas beider Basel Sozialberatungen im Auftrag des Pastoralraums Allschwil-Schönenbuch durch. Die Gemeinde Allschwil hat eine hohe Sozialhilfequote, weshalb sich viele Personen an die Kirche wenden. Die Zusammenarbeit mit Caritas soll zu einer Entlastung der Angestellten des Pastoral-raums führen, die über zu wenig Ressourcen zur Unterstützung von Personen in unterschiedlichsten Notlagen verfügen. Die Be-ratungen finden in der Geschäftsstelle von Caritas beider Basel in Kleinbasel statt. Das Tram Nummer 6 garantiert einen einfa-chen und günstigen Anreiseweg.www.caritas-beider-basel.ch

NEWS Kooperation mit Dock St. Gallen

Caritas St. Gallen-Appenzell und Dock St. Gallen sind auf den 1. Januar 2015 eine Kooperation eingegangen. Die Angebote Liegenschaften-Service, Bau service und Umgebungspflege werden wirkungsvoll und kosteneffizient unter einer Trägerschaft geführt. Das Ziel bleibt, langzeitarbeitslose Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu in-tegrieren. www.caritas-betriebe.ch

Fachstelle Wohnen bei Caritas Aargau

Die neue Fachstelle Wohnen der Caritas Aargau pflegt Kontakte zu Vermietern und weiteren Schlüsselpersonen im The-menfeld. Sie unterstützt Sozialarbeitende bei Fragen rund ums Wohnen und setzt für geeignete Aufgaben Freiwillige ein. Weiter entwickelt die Stelle ein Kursan-gebot zu «Wohnkompetenzen» und leis-tet Sensibilisierungsarbeit zum Thema. www.caritas-aargau.ch

10 Jahre KulturLegi Kanton Bern

Zum runden Geburtstag lanciert Caritas Bern die Kampagne «KulturLegi bewegt – Sport integriert». Mit der Kampagne soll die Teilnahme von Menschen mit knappem Budget an Sport- und Freizeit-angeboten gefördert werden. Die 23-fa-che OL-Weltmeisterin Simone Niggli-Lu-der und der Olympia-Silbermedaillen - gewinner Markus Ryffel unterstützen die Kampagne als Botschafter. www.kulturlegi.ch/bern

Lautstarke Beiträge aus Zürich

Im Rahmen des Wettbewerbs «luut-starch» gestalteten 170 Jugendliche und junge Erwachsene zusammen mit Rappern und Fotografen Texte und Bilder zu Armut in der Schweiz. Entstanden sind 37 lautstar-ke Beiträge. Zu den Siegern des Wettbe-werbs gehört das junge Berner Rap-Duo «best-elle & Gian». In ihrem Song «Zver-deckde ir Schwiz» stellt das Duo den Alltag zweier Klassenkollegen gegenüber: Die eine hat mehr als genug, dem anderen mangelt’s an allem. www.luutstarch.ch

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Rubrik

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Ein Leben in Armut bringt Eltern an den Rand der Verzweiflung und lässt Kinderträume platzen.

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Schwerpunkt

enn Marina Babic* zu erklären versucht, was Armut bedeutet, er-zählt sie von jenem Abend. Sie kam damals auf dem Heimweg von der Arbeit an einem Restaurant vorbei

und sah durchs Fenster die Menschen an ihren Tischen sitzen, essend, trinkend, plaudernd. Marina Babic war müde und hungrig und besass noch genau zwanzig Franken, die bis Ende Monat reichen mussten. Sie blickte auf die Gäste und fühlte eine grosse Einsamkeit in sich aufsteigen. Dann ging sie weiter, nach Hause, zu ihren beiden Kindern.

Marina Babic hat ihren Mann nach Aufenthalten im Frauenhaus vor neun Jahren verlassen und ist heute geschieden. Die 35-Jährige arbeitet Teilzeit, im Stun-denlohn. In guten Monaten liegt das Familieneinkom-men bei 3 800, in schlechteren bei rund 3 000 Franken – Kinderrenten miteingerechnet. Davon entfallen 1 600 Franken auf die Wohnungsmiete. Die Suche nach einer günstigeren Wohnung ist schwierig, da Marina Babics Betreibungsregisterauszug zeigt, dass sie eine Zeit-lang nicht allen Verpflichtungen nachkommen konnte.

Verzicht auf SozialhilfeArmut hat viele Gesichter. In der Schweiz leben knapp 600 000 Menschen in finanziell prekären Verhältnis-

sen; viele von ihnen sind wie Marina Babic alleinerzie-hend. Das monatliche Haushaltsbudget einer Person, die Sozialhilfe bezieht, beträgt (ohne Miete und Kran-kenkasse) 986 bzw. 33 Franken pro Tag. Dies muss für Essen, Kleidung, Hygiene, öffentlichen Verkehr, Te-lefon, Fernsehen und Internet reichen. Familie Babic muss an vielen Tagen mit noch weniger Geld auskom-men.

Marina Babic verzichtet nämlich auf Sozialhilfe, weil sie vom Migrationsamt erfahren hat, dass ein Bezug ihre Aufenthaltsbewilligung gefährden könnte. Und ihr grosses Ziel, der Erhalt einer Niederlassungsbewil-ligung, wäre erst recht unerreichbar. Obwohl Marina Babic bereits vor 13 Jahren aus Kroatien in die Schweiz gekommen ist, verfügt sie nach wie vor erst über eine B-Bewilligung, die jährlich erneuert werden muss. Dies verringert ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Marina Babics Alltag wird dominiert von der Frage, wie sie ihre Rechnungen bezahlen kann. Ihr Kopf sei immer gefüllt mit Zahlungsterminen, sagt sie. «Ich bin zur Ökonomin geworden. Aber manchmal bin ich einfach nur noch müde.» Immer wieder rafft sie sich auf. Denn ihre Kinder sollen möglichst wenig mitbe-kommen von den finanziellen Problemen.

«Manchmal bin ich einfach nur noch müde.»Knapp 1 000 Franken im Monat: Das erhalten Sozialhilfebeziehende vom Sozialamt zur Deckung ihres alltäglichen Bedarfs – vom Brot über die Zahnpasta bis hin zum Telefonabonnement und Kinobesuch. Drei Gespräche mit Betroffenen über ein Leben mit in vielerlei Hinsicht eingeschränkten Möglichkeiten.

Text: Ursula Binggeli, Bilder: Zoe Tempest in Zusammenarbeit mit Barbara Rusterholz

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Schwerpunkt

Marina Babics Tochter bestand die Aufnahmeprü-fung ans Gymnasium, und auch der neunjährige Sohn ist ein guter Schüler. Darüber ist sie sehr glücklich. Gleichzeitig macht sie sich Sorgen. «Könnte es sich negativ auf ihre weiteren Chancen auswirken, dass wir so wenig Geld haben?» Als die Tochter in den ersten Tagen am Gymi eine Rechnung über mehrere hundert Franken heimbrachte für diverse Schulbücher, war Marina Babic der Verzweiflung nahe. Eine Bekannte riet ihr, sich an die Caritas zu wenden, welche die Rech-nung dann bezahlte und der Familie beratend zur Seite stand.

Der Lohn reicht nur im SommerRegula Baumann* ist fast 25 Jahre älter als Marina Ba-bic. Vor neun Jahren starb ihr Partner, Kinder hat sie keine. Auch sie hat ein unregelmässiges Einkommen. Sie trägt Zeitungen aus, hilft im Gewerbebetrieb des Bruders mit und freut sich jeweils auf die Badesaison, weil sie dann zusätzlich noch im Strandbad arbeitet und damit auf einen Lohn kommt, von dem sie leben kann.

Im Winterhalbjahr beträgt ihr monatliches Einkom-men oft nur 1 500 Franken, davon gehen 900 Franken für die Wohnungsmiete weg und die Krankenkassen-prämie will auch noch bezahlt sein. In diesen Monaten

erhält Regula Baumann ergänzende Sozialhilfe. «Wie lange das noch möglich ist, weiss ich nicht», sagt sie. «Denn eigentlich verlangt das Sozialamt von mir, dass ich mir die zweite Säule auszahlen lasse und meinen Lebensunterhalt auf diese Weise finanziere. Aber für mich kommt das nicht in Frage.» Sie fürchtet, sonst im Rentenalter in chronischer Armut leben zu müssen. Caritas unterstützt sie nun in der Auseinandersetzung mit dem Sozialamt.

Schwierige Jahre bis zur PensionierungFast 20 Jahre lang hatte Regula Baumann bei einer grossen Telekommunikationsfirma gearbeitet – bis neue Kopfhörer eingeführt wurden, die bei ihr ein hef-tiges Ekzem an den Ohrmuscheln auslösten. Nach lan-ger Leidenszeit verlor sie ihren Job. Eine neue Festan-stellung hat sie seither trotz unzähliger Bewerbungen nicht mehr gefunden. Mit bald sechzig Jahren kommt Regula Baumann das langsam näherrückende Ren-tenalter wie eine Erlösung vor. «Wenn ich pensioniert bin, möchte ich als Freiwillige in Sozialbetrieben arbei-ten. Zum Beispiel in einem Caritas-Laden.»

Vierbeinige SeelentrösterJeannine Roth* lebt ebenfalls alleine – und doch nicht ganz. Denn sie teilt ihre Zweizimmerwohnung mit fünf sehr gepflegten Katzen und vielen bunten Zier-

Armut wirkt sich stets auf die ganze Familie aus. So liegen Musikunterricht oder Fussballtraining für das Kind häufig nicht drin.

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Schwerpunkt

fischen. In der Stube stehen neben einem Fernseher diverse kleine Aquarien auf dem Regal. An der Wand hängen Teppiche mit Kat-zensujets, die Jeannine Roth in der Tagesklinik geknüpft hat, welche sie eine Zeitlang besuchte. Vor zwei Jahren hatte sie einen Nervenzu-sammenbruch, seither kämpft sie mit Depressionen und ist arbeits-unfähig. Nach wie vor ist sie in psychologischer Behandlung; die IV-Abklärung läuft. Zuletzt hatte sie in einem Altersheim als Pflege-helferin gearbeitet.

Seit vergangenem Sommer ist Jean-nine Roth ausgesteuert und lebt von der Sozialhilfe. Das Futter für ihre Katzen und die Fische muss sie von den für sie selber gedachten 900 Franken Grundbedarf bezah-len. Die Tiere seien ihr Luxus, sagt sie und lächelt. «Andere geben Geld für Zigaretten aus.» Wenn sie für sich selber Lebensmittel einkaufen geht, sucht sie konsequent nach he-rabgesetzter Ware.

Ein Leben ohne Katzen kann sich die Mutter zweier Teenager-Töch-ter, die beide in Pflegefamilien auf-wachsen, nicht vorstellen. «Sie sind meine Seelentröster.» Die Katzen helfen ihr, mit ihrer Lebenssitua-tion klarzukommen. Zudem tue es ihr gut, für ihre Tiere zu sorgen, sagt Jeannine Roth. Dank dieser Aufgabe wird die viele freie Zeit, die sie zur Verfügung hat, nicht zur grossen Leere. Dass Caritas ihr gelegentlich unter die Arme greift, bedeutet ihr viel.

*Namen geändert

EXISTENZSICHERUNG GENÜGT NICHT

In der Schweiz gibt es einen Sozialstaat – warum braucht es Caritas?Caritas setzt sich überall dort ein, wo der Staat nicht oder kaum unter-stützen kann. Sei dies mit klaren, parteinehmenden Botschaften, fun-dierten Positionen, gesellschaftlichen Forderungen oder ganz konkret mit wirkungsvollen Massnahmen und Einsätzen im In- und Ausland. Ohne Caritas, auch wenn sie häufig bescheiden im Hintergrund wirkt, würde der Schweiz eine parteiübergreifende und wertvolle Organisa-tion fehlen.

Reicht die Sozialhilfe aus, welche in der Schweiz ausbezahlt wird?Die Sozialhilfe zahlt ihren Klientinnen und Klienten denjenigen Betrag

aus, welcher in der Schweiz als Basis der Existenzsicherung er-rechnet wurde. Dieser deckt Grundbedarf, Mietzinsbeiträge und Krankenkassenprämien. Dabei wurde als Bezugsgrösse der durchschnittliche Bedarf (Warenkorb) derjenigen Bevöl-kerungsschicht gewählt, welche zu den zehn Prozent mit dem geringsten Einkommen gehört.

Damit wird deutlich, dass in erster Linie die Existenzsicherung gewähr-leistet wird und nur in bescheidenem Umfang die Teilhabe am gesell-schaftlichen Leben möglich ist. Dies entspricht dem politischen Willen und kann als gesellschaftlicher Konsens betrachtet werden.

In fernen Ländern verdienen Menschen einen Dollar pro Tag – ist Armut in der Schweiz ein Luxusproblem?Es ist wichtig, zwischen absoluter Armut (weniger als 1.25 US-Dollar pro Tag verfügbar) und relativer Armut (deutlich unter Einkommens-durchschnitt des Landes) zu unterscheiden. Die Schweiz ist zwar nicht von absoluter Armut betroffen, doch ist die relative Armut weit verbrei-tet und einschneidend. Finanzielle Not führt oft zur gesellschaftlichen Ausgrenzung oder gar zu sozialer Isolation. Armutsbekämpfung ist notwendig und sollte mehr beinhalten als die Existenzsicherung. Ar-mutsbetroffene Menschen müssen Aussicht auf bessere Lebensum-stände haben und die Chance erhalten, am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilzunehmen.

«Die Bekämpfung der Armut ist notwendig und be inhaltet mehr als nur die Existenzsicherung.»

Nicole Wagner leitet seit vier Jahren die Sozialhilfe Basel-Stadt.

Zuvor war sie Geschäftsführerin des Wohn Werk Basel.

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Schwerpunkt

n Artikel 12 garantiert die Schweizer Bundesver-fassung den Menschen, die in Not geraten und nicht in der Lage sind, für sich zu sorgen, Hilfe, Betreuung und die Mittel, die für ein menschen-würdiges Dasein unerlässlich sind. Auf dieser

Grundlage definiert die Sozialhilfe ein soziales Exis-tenzminimum. Mit ihren Richtlinien sorgt die Schwei-zerische Konferenz für Sozialhilfe (Skos) dafür, dass dieses soziale Existenzminimum in der Schweiz flä-chendeckend zur Anwendung kommt.

Was ist das soziale Existenz minimum?Das soziale Existenzminimum setzt sich zusammen aus den Wohn- und Gesundheitskosten, situations-bedingten Leistungen und dem Grundbedarf. Das heisst, Mietzins im ortsüblichen Rahmen sowie ob-ligatorische Krankenversicherungskosten sind Teil des sozialen Existenzminimums und werden von der Sozialhilfe gedeckt. Auch eingeschlossen sind situati-onsbedingte Leistungen, die sich aus der besonderen Lage eines Haushalts ergeben, beispielsweise Kinder-

Für ein soziales ExistenzminimumDas soziale Existenzminimum schafft Chancengerechtigkeit und weist den Weg aus der Armut. Eine Kürzung des Grundbedarfs ist inakzeptabel.

Text: Bettina Fredrich, Illustration: Achilles Greminger

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Schwerpunkt

betreuungskosten oder benötigte Medikamente. Eine weitere Komponente des sozialen Existenzminimums bildet der Grundbedarf für den Lebensunterhalt. Er orientiert sich am Konsumverhalten der einkommens-schwächsten zehn Prozent der Schweizer Bevölkerung und ist nach Anzahl Personen im Haushalt abgestuft. Eine alleinstehende Person erhält derzeit monatlich 986 Franken, Zweipersonenhaushalte, zum Beispiel eine alleinerziehende Mutter mit ihrem Kind, 1 509 Franken und eine Familie mit zwei Kindern hat An-recht auf 2 110 Franken. Mit dem Grundbedarf müs-sen Ernährung, Kleidung, Energieverbrauch, laufende Haushaltsführung, Gesundheitspflege, Verkehrsaus-lagen, Kommunikation, Unterhaltung und Bildung, Körperpflege sowie Vereinsbeiträge bezahlt werden.

Die Armut bekämpfen, nicht die ArmutsbetroffenenInsbesondere der Grundbedarf geriet in den letzten Monaten politisch stark unter Druck. Einige Kanto-ne haben Kürzungen vollzogen, in anderen sind po-litische Vorstösse hängig, die auf eine Reduktion der Leistungen zielen. Kürzungen beim Grundbedarf sind aber aus mindestens zwei Gründen inakzeptabel: Ers-tens widerspricht eine Beschneidung des Grundbe-darfs dem Bedarfsprinzip. Wenn sich der Grundbedarf nicht mehr am Bedarf der ärmsten zehn Prozent der Schweizer Bevölkerung orientiert, wird er zur willkür-lichen Grösse. Zweitens ignorieren Befürworterinnen und Befürworter eines Leistungsabbaus, dass das soziale Existenzminimum für Chancengerechtigkeit und für die Bekämpfung der Armut unverzichtbar ist. Derzeit ermöglicht es eine minimale Teilhabe am ge-sellschaftlichen Leben. Ein Geschenk für einen Kin-dergeburtstag, die Teilnahme an einem Schulsportla-ger oder ein Abendessen mit Freunden sollen – wenn auch in eingeschränktem Rahmen – möglich bleiben. Kindern aus armutsbetroffenen Familien erlaubt dies einen fairen Start ins Leben. Für Erwachsene, das be-legen jüngste Studien, sind soziale Netze das zentrale Puzzleteil auf dem Weg aus der Armut zurück ins Be-rufsleben.

Das soziale Existenzminimum sichert nicht nur das Überleben, sondern ist zugleich Grundlage für Chan-cengerechtigkeit und Wegweiser aus der Armut. Ar-mut kann mit einem Leistungsabbau in der Sozialhilfe nicht beseitigt werden. Im Gegenteil: Eine Beschnei-dung des sozialen Existenzminimums verunmöglicht den betroffenen Menschen, aus der Armut zurück in die Mitte der Gesellschaft zu finden.

Links und Publikationen

Erklärung zur Sozialhilfe«Armut bekämpfen, nicht die Armutsbetroffe-nen.» Caritas steht für ein soziales Existenz-minimum ein. Mehr dazu unter: www.caritas.ch/de/was-wir-sagen/erklaerung-zur-sozialhilfe

Positionspapiere von CaritasUnsere Meinung zu aktuellen politischen Entwicklungen sind zu finden auf: www.caritas.ch/positionspapiere

Gemeinsam Armut verhindern

Am 16. Dezember 2014 veröffentlichte Caritas gemeinsam mit 20 anderen Organisationen eine Erklärung für das soziale Existenzmi-nimum. Darin kritisiert Caritas die öffent-liche Armutsdiskussion der letzten Monate und formuliert zentrale Forderungen. Dazu gehört das Festhalten am sozialen Existenz-minimum. Die Schweizer Bundesverfassung schreibt vor, das Wohl der Schwächsten in unserer Gesellschaft zu achten. Menschen in der Sozialhilfe haben ein Recht, in Würde zu leben. Das soziale Existenzminimum ist für Caritas nicht verhandelbar. Gleichzei-tig muss die Ursachenbekämpfung in der Armutspolitik wieder ins Zentrum rücken. Zu einer investiven Armutspolitik, welche Armut präventiv verhindert, gehören: exis-tenzsichernde Löhne, Ergänzungsleistun-gen für Familien, Steuerbefreiung des sozi-alen Existenzminimums, Massnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie, Ausbildung und Beruf, niederschwellige An-gebote in der frühen Förderung, Investitio-nen in Nachhol- und Weiterbildung sowie Förderung des preisgünstigen Wohnungs-baus. Caritas wird sich weiter hartnäckig da-für einsetzen.

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Wohnungsnot Tausende von Jugendlichen gingen 1981 in Zürich und auch in anderen Schweizer Städten auf die Strasse, um für mehr Freiräume und Autono-me Jugendzentren (AJZ) zu de-monstrieren. Die Forderung nach Freiräumen war auch ein Kampf um Häuser. Hausbesetzungen waren an der Tagesordnung wie hier am Stauffacher in Zürich.

Foto: Klaus Rozsa / photoscene.ch.

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Persönlich

Paul Dalcher, PR-Berater, Pratteln:Mit meinen Freunden gehe ich regelmässig wandern, spiele Ten-nis oder wir schauen einen Fuss-ballmatch zusammen. Auch als

Trommler bei einer Basler Fasnachtsclique verbringe ich viel Zeit mit Freunden. Ich mache gerne Sachen, die einen Sinn ergeben – auch im karitativen Bereich. Kostenpunkt: 300 bis 400 Franken im Monat. Der ef-fektive Wert ist wohl das Zehnfache.

Linus Lippenberger, Schüler, Scherzingen:Meine Hobbys sind Fussball- und Schlagzeugspielen. In meiner Freizeit besuche ich mit Freun-den gern das Kino in Konstanz.

Da kostet uns ein Eintritt im Durchschnitt 10 Fran-ken. Für die kurze Busfahrt dahin nutze ich meine Jahreskarte. Das Fussballspielen im Verein sowie der Schlagzeugunterricht werden von meinen Eltern durch Jahresbeiträge bezahlt.

Babsi Gut,Kindergärtnerin, Meggen:Wir treffen uns jeden Dienstag zum Tango tanzen. Da üben wir unter Anleitung immer wieder neue Schritte. Am Samstag gehen

wir dann oft zusammen an einen grösseren Anlass, manchmal auch in Zürich oder Basel. Für den Kurs zahle ich 320 Franken im Monat, dazu kommen dann noch die Ausgaben am Wochenende.

«Was machen Sie mit Ihren Freunden am liebsten in der Freizeit?»

Antworten von Passantinnen und Passanten aus der Deutschschweiz.

Lucia Bertodatto, pensionierte Laborantin, Schlieren:Oft spaziere ich mit Freunden einfach an einem Fluss oder See entlang, da gibt es immer viel zu beobachten. Manchmal besuchen

wir auch eine Ausstellung oder ein Museum – viele sind kostenlos. Anschliessend gehen wir noch etwas trinken. Kostenpunkt (exkl. GA): rund 100 Franken im Monat.

Simone Gossweiler, Praktikantin, Aarau:Ich lese gerne, gehe oft joggen und mache Pilates. Am Wochenen-de treffe ich mich mit Freunden. Wir gehen etwas trinken oder in

einen Club. Manchmal steht auch Wandern auf dem Programm oder wir sind mit den Inlineskates unter-wegs. Kostenpunkt: Für all diese Aktivitäten gebe ich pro Monat 300 bis 350 Franken aus.

Hassan Ahmad, ehem. Taxifahrer, Abtwil:Ich verbringe meine Freizeit ger-ne mit meiner Familie zuhause. Wenn die Kinder wollen, gehe ich aber auch mit ihnen spazie-

ren oder mal schwimmen. Manchmal besuchen wir auch befreundete Familien; das macht uns Spass. Ein Ausflug mit der ganzen Familie kostet mich etwa 30 Franken.

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Einkaufen bei Caritas Wohnen: Es findet sich so manches, was man brauchen kann, zu erschwinglichem Preis.

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as Busticket vom Bahnhof Luzern bis zur Hal-testelle in der Nähe des Caritas-Ladens kostet ohne Halbtaxabo vier Franken. Wer sich mit

sehr wenig Geld durch den Tag bewegen muss, geht da doch lieber zu Fuss. «Oder fährt schwarz. Ich sehe jedenfalls keine Möglichkeit, mit so wenig Geld legal durch ein halbwegs akzeptables Leben zu kommen», schreibt Silvia P., die sich an einer kleinen Facebook-Umfrage «Wie kommt man mit zehn Franken durch den Tag?» beteiligt hatte. «Einschränken könnte ich mich beim Einkaufen, mit Restaurantbesuchen, Coif-feur und Kosmetika und noch einigem mehr. Aber zehn Franken? Das geht auf keinen Fall!», ist die 47-Jähri-ge überzeugt. Roland S. kommt zum gleichen Schluss: «Ich könnte an vielen Orten sparen. Auch beim Sozi-alleben. Etwa indem ich keinen Besuch mehr einlade, nicht mit Kollegen ins Café gehe und keine Veranstal-tungen mit Eintritt besuche. Vielleicht würde es mir gelingen, das für zwei bis drei Tage auszuprobieren. Aber auf Dauer? Kaum.» Zudem hat Roland S. die Befürchtung, dass er anderen Leuten zur Last fallen würde. «Wer will schon ständig auf jemanden Rück-sicht nehmen und ihn oder sie einladen müssen? Das

nervt mit der Zeit bestimmt und ich würde mich wohl zurückziehen.»

Die junge Musikerin Laura X. weiss aus eigener Er-fahrung, wie das Leben mit sehr wenig Geld aussieht. «Als Studentin habe ich mich während drei Jahren mit einem vergleichba-ren Budget durchge-schlagen», sagt sie und merkt an, dass ihr das nur mit un-glaublich viel Phan-tasie und guter Ver-netzung gelungen sei: «Damit kann im Leben und Alltag nichts konsumiert werden. Da heisst es: tau-schen, besorgen, planen, teilen.» Von Kleidern über Haushaltsutensilien bis zu Büchern und Möbeln habe sie Brockenhäuser abgeklappert. Kleider seien unter Kolleginnen getauscht worden und die Partys nicht in einer Disco, sondern daheim am Küchentisch gestie-gen. «Dass alle Freunde ihre Getränke selber mitbrach-ten, verstand sich von selbst.» Beat R. sieht nicht nur Negatives bei einem kleinen Budget. Nebst dem Ein-

Caritas Luzern

Mit zehn Franken durch den TagMit wenig Geld über die Runden zu kommen, erfordert viel Zeit, Energie und Phanta-sie. Was für Strategien haben Betroffene? Und wie stellen sich das Otto und Emma Normalverbraucher vor? Wir fragten nach.

Text: Christine Weber Bilder: Jutta Vogel

D«Da heisst es tauschen, besorgen, planen, teilen.»

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Caritas Luzern

Der Caritas-Markt bietet auch frisches Obst und Gemüse zu günstigen Preisen an und macht so eine gesunde ausgewogene Ernährung auch zu günstigen Preisen möglich.

kaufen in billigeren Läden wie Cash & Carry, Aldi oder dem Caritas-Laden verweist er auf Plattformen wie das Luzerner Tauschnetz (www.tauschnetz.ch). «Sich mit Tauschhandel über Wasser zu halten, könnte das Sozi-alleben auch bereichern», meint er. Aber eben: Sich den Alltagsbedarf im Tauschhandel zu beschaffen, wäre wohl mindestens ein 100-Prozent-Job.

Auf keinen Fall verzichten würden alle Umfrageteil-nehmenden auf Kommunikation. «Das braucht es in der heutigen Gesellschaft einfach. Gerade bei der Job-suche, für die Arbeit oder eben zur Vernetzung ist es unverzichtbar, wortwörtlich verbunden zu sein. Das geht nun mal übers Mobile und Internet», sagt Laura X. Über Seiten wie Facebook findet zudem kostenlos ein sozialer Austausch statt, auch ohne Geld bleibt man hier mit der Welt verbunden. Zumindest virtuell. Mobilität gehört ebenfalls zu den wesentlichen Fak-toren, um beruflich und sozial integriert zu bleiben. Um die Reisepreise möglichst tief zu halten, braucht es ebenfalls viel Organisationstalent. Beispielsweise gibt es über die SBB-Website günstigere Spartickets, private und berufliche Reisen werden möglichst auf den gleichen Tag gelegt oder es wird über Internet nach

einer geeigneten Fahrgemeinschaft gesucht. Über sol-che Möglichkeiten muss man zuerst Bescheid wissen und Zugang dazu haben – das fällt längst nicht allen von Armut Betroffenen gleich leicht. Auch wer sich wie die Studentin Laura X bestens mit den hiesigen Gepflo-genheiten auskennt, Deutsch spricht, gut vernetzt und kreativ ist, kommt zum Schluss: «Auf die Dauer ist ein Leben mit so wenig Geld in der Schweiz schlicht nicht möglich. Egal, wie bescheiden und improvisationsfä-hig jemand ist.»

Zehn Franken am Tag beträgt die Nothilfe; damit müssen abge-wiesene Asylbewerber klarkommen. Das Existenzminimum für Sozialhilfebeziehende ist mit rund 30 Franken pro Tag (exklusi-ve Miete und Krankenkasse) etwas höher.

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Caritas Luzern

Günstig und gut einkaufen im Caritas-Markt Günstig einkaufen kann man vielerorts. Im Caritas-Markt ist es möglich, dass sich auch Menschen mit wenig Geld gesund, frisch und ausgeglichen ernähren können. Wer hier verkehrt, muss die «KulturLegi» vorweisen, eine Karte, mit der armutsbetroffene Menschen auch Freizeit- Kultur- und Sportangebote vergünstigt nutzen können.

Text: Christine Weber

adina H. kauft etwa einmal wöchentlich im Caritas-Markt an der Bleicherstrasse in Luzern ein. Heute stehen Kartoffeln, Tomaten, Milch

und Zahnpasta auf der Liste. «Ich kaufe hier meistens Grundnahrungsmittel ein, es ist billiger», sagt die jun-ge Frau aus Eritrea. Seit kurzem steht sie zwar auf eige-nen Beinen und bezieht keine finanzielle Unterstützung mehr. Aber in ihrem Job verdient sie wenig und muss noch immer jeden Rappen umdrehen. «Darum bin ich froh, dass ich mit der Caritas-Karte hier einkaufen kann.»

Auch viele andere greifen auf das Angebot zurück, im Laden herrscht ein emsiges Kommen und Gehen. Nebst Lebensmitteln beinhaltet das Angebot Hygieneartikel und Haushaltssachen – ein ganz normaler Laden, mit einem Unterschied: Die Waren sind im Schnitt rund die Hälfte günstiger. Bezogen werden sie einerseits über Hersteller, die Produkte nicht auf dem üblichen Weg verkaufen können, weil zum Beispiel ein Druckfehler auf der Etikette ist. Andererseits kauft die Caritas man-che Produkte ein und gibt sie im Laden zum Selbstkos-tenpreis ab.

Möglich ist dies dank Sponsoren, die den Caritas-Markt unterstützen. Einkaufen können hier Leute mit einem kleinen Budget wie Sadina H. Voraussetzung dazu ist die Kultur Legi, die von Sozialdiensten, diversen Bera-tungsstellen und natürlich der Caritas selbst ausgestellt wird. Mit dieser Karte können auch viele Veranstaltun-gen und Sport- und Bildungsangebote zu reduziertem Preis besucht werden.

Anders ist es beim Laden Caritas Wohnen: Hier können alle einkaufen und von günstigen Preisen und einem vielfältigen Angebot profitieren, sei das im Wohnbe-reich, bei Textilien, Büchern oder Spielsachen. «Manch-mal schaue ich dort auch rein. Das ist praktisch, weil der Laden ja am gleichen Ort an der Bleicherstrasse ist», sagt Sadina H. und packt ihre Einkäufe in den Korb.

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Patenschaft «Pro Caritas-Markt»Menschen in Not brauchen Vitamin B

Eine ausgewogene Ernährung mit frischem Gemüse und Obst liegt bei Haushalten mit knappem Budget oft nicht drin. Armut kann zu Fehlernährung, Übergewicht und ge-sundheitlichen Problemen führen. Kinder leiden unter diesen Folgen oft ein Leben lang. Sie haben ein Recht auf eine gesunde Entwicklung.

Helfen Sie mit mit nur 1 Franken pro Tag! Übernehmen Sie eine Patenschaft «Pro Caritas-Markt», damit auch ar-mutsbetroffene Menschen in Ihrer Region gesund und günstig einkaufen können.

Mit dem beigelegten Einzahlungsschein können Sie Ihren Patenschaftsbeitrag direkt überweisen! Nach Erhalt Ihrer Zahlung von 90, 180 oder dem Jahresbei-trag von 360 Franken senden wir Ihnen die Unterlagen für eine regelmässige Unterstützung.

Herzlichen Dank!

Weitere Informationen finden Sie auch im Flyer oder unter www.caritas-luzern/patenschaft.

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Caritas Luzern

ine 2,5-Zimmer-Wohnung für 1 700 Franken, 2 200 Franken für eine Bleibe mit drei Zimmern. Mietpreise

wie diese sind in Luzern keine Sel-tenheit, sondern durchaus üblich. Fakt ist: Eine Wohnung zu mieten wird in der Stadt immer teurer. Besonders stark spüren dies So-zialhilfebezüger, für welche eine Wohnung im Zentrum oft ein un-erfüllbarer Traum bleibt. Und das wiederum hat Konsequenzen für die Gemeinden in der Agglomerati-on, in welchen die Sozialhilfequote regelmässig ansteigt. In Kriens zum Beispiel betrug die Sozialhilfequote 2013 3,8 Pro-zent (2012: 3,4), in Ebikon stieg die Quote im selben Zeitraum von 2,9 auf 3,4 Prozent. Der Grund: In der Agglo sind die Wohnungen im Gegensatz zur Stadt für viele so-zial Schwächere noch bezahlbar. Ob diese Quoten weiter ansteigen werden, ist laut Lothar Sidler, So-zialvorsteher der Gemeinde Kriens, unklar. Dass Gemeinden wie Kri-ens, Ebikon oder Emmen für Sozi-alhilfebezüger nach wie vor attrak-tiv sind, steht für Sidler aber ausser Frage: «Es geht ja nicht nur um den günstigen Wohnraum, der im Übri-gen kaum günstiger ist als auf der Landschaft. Eine entscheidende Rolle spielen auch die vorhandene Anonymität sowie der lebensnot-

wendige Service Public. Dinge also, die unterstützungsbedürftige Men-schen eher in der Stadt oder in der Agglomeration als auf dem Land finden», sagt Sidler. Dass es besonders viele Sozialhilfe-bezüger in die Agglomeration zieht, ist laut Edith Lang, stellvertreten-de Direktorin von LUSTAT Statis-tik, eine Luzerner Besonderheit. «Während in anderen Kantonen grosse strukturelle Unterschiede zwischen Stadt und Agglo existie-ren, wird in Luzern die gesamte Agglomeration als urbaner Raum wahrgenommen.» So sei unter an-derem zu erklären, weshalb gleich mehrere grosse Agglomerationsge-meinden eine höhere Sozialhilfe-quote aufweisen als die Stadt Lu-zern (2013: 3,3 Prozent).

Hausbesitzer sollen renovierenNicht nur die Agglo, sondern auch zentrumsnahe Gemeinden im länd-lichen Raum wie Wolhusen sind für Sozialhilfebezüger attraktiv. Der Wohnraum ist günstig, die Zug-fahrt nach Luzern kurz. Zudem gibt es in der Gemeinde viele Liegen-schaften, die sanierungsbedürftig sind. «Dort sind die Mieten natür-lich tief», erklärt Gemeindepräsi-dent Peter Bigler. Die Gemeinde sei aber daran, die Rahmenbedingun-gen zu verändern und die Liegen-schaftsbesitzer zu ermutigen, die

Häuser zu renovieren. Damit wür-den auch die Mieten ansteigen, wo-mit einem zu starkem Zuzug von Sozialhilfebezügern entgegenge-wirkt werden soll.

Alleinerziehende sind beson-ders betroffenBesonders Alleinerziehende sind aber auf solch günstige Wohnun-gen angewiesen. So waren gemäss LUSTAT 18,9 Prozent der in der Agglomeration wohnhaften Allein-erziehenden 2013 auf wirtschaft-liche Sozialhilfe angewiesen. «Mit ihrem Teilzeitpensum in meist niedrig qualifizierten Jobs werden sie schnell zu Working Poors», weiss Oskar Mathis, Sozialvorste-her der Gemeinde Horw und Leiter Bereich Gesundheit und Soziales des Verbands Luzerner Gemein-den. Zudem weisen Gemeinden mit einem hohen Anteil an geringer Qualifizierten sowie ausländischen Staatsangehörigen oft eine über-durchschnittlich hohe Sozialhilfe-quote aus. Im Zusammenhang mit der Sozialhilfequote spiele das Bil-dungsniveau der betroffenen Bevöl-kerung deshalb eine entscheidende Rolle: «Je höher der Bildungsstand, desto geringer die Wahrscheinlich-keit eines Sozialhilfebezugs», so Edith Lang.

Wenn die Wohnung in der Stadt ein unerfüllbarer Traum bleibtWeil die Mietpreise immer weiter steigen, ist eine Wohnung im Stadtzentrum für viele Menschen nicht bezahlbar. Das bekommen besonders die Gemeinden in der Agglome-ration und in Zentrumsnähe zu spüren.

Text: Daniel Schriber

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Caritas Luzern

Von Barcodes und Kunden Wer nach einer längeren Pause wieder ins Berufsleben einsteigen möchte, muss Kompe-tenzen mitbringen, die früher nicht gefragt waren. Vor allem im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie geht die Entwicklung schnell voran. Umso wichtiger also, dass Erwerbslose gezielt darin gefördert werden.

Text: Milena Würth Bild: Priska Ketterer

nser Alltag – im Privaten und im Berufsleben – ist geprägt von Informations-

und Kommunikationstechnolo-gien. Sei es, wenn der Einkauf an der Migroskasse gescannt oder mit einem Badge die Tür geöffnet wird. Wer im Berufsleben bestehen will, muss sich mit Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) auskennen. Bis anhin wurde bei Programmen zur beruflichen Integration die Förderung der IKT-Kompetenzen jedoch zu wenig be-rücksichtigt. Die Caritas Luzern wird dies nun ändern.

«Ziel unserer Programme für Er-werbslose ist es, sie optimal auf den ersten Arbeitsmarkt vorzubereiten. Je mehr ihr Einsatzplatz bei der Ca-ritas Luzern einem solchen aus dem ersten Arbeitsmarkt entspricht, des-to grösser sind die Chancen, im Be-rufsleben wieder Fuss zu fassen», erklärt Daniel von Holzen, Leiter Läden und Märkte bei der Caritas Luzern. Deswegen wird an einem Konzept gearbeitet, wie in verschie-denen Arbeitsbereichen der berufli-chen Integration die IKT-Kompeten-zen gezielt gefördert werden können. Das setzt natürlich voraus, dass die notwendige Infrastruktur vorhan-den ist. «Sinnvoll erscheint uns ein Einsatz von technischen Datenerfas-sungsgeräten vor allem im Verkauf und in der Logistik», so von Holzen.

Es ist geplant, die Läden von Caritas Wohnen, die Caritas-Märkte und die Gastronomiebetriebe mit Touch-screen-Kassen auszustatten und wo sinnvoll Barcodes zum Einscannen einzuführen. «Die Programmteil-nehmenden sollen praktische Er-fahrungen machen und so ihre IKT-Kompetenzen gezielt verbessern.» Auch in der Logistik sollen vermehrt technische Erfassungssysteme zum Einsatz kommen.

Die Einführung dieser Informations- und Kommunikationstechnologien stellt die Caritas Luzern aber auch vor Herausforderungen. Die Betriebe sind nicht identisch mit Unterneh-

men des ersten Arbeitsmarktes. So müssen die bestehenden Strukturen beachtet werden und mit dem Ein-satz der Technologien sollten nicht Einsatzplätze wegrationalisiert wer-den. «Die richtige Balance zwischen dem Einsatz der Technologien, damit die Programmteilnehmenden ihre IKT-Kompetenzen stärken können, und dem sinnvollen Einsatz für die tägliche Arbeit gilt es zu finden», so der Projektleiter. «Wenn uns dies gelingt, werden unsere Integrations-programme noch attraktiver, da sie nahezu den Arbeitsplätzen auf dem ersten Arbeitsmarkt entsprechen.»

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Das Auszeichnen von Verkaufsartikeln mit einfachen farbigen Etiketten gehört bald einmal der Vergangenheit an. Auch die Programmteilnehmenden erwerben IKT-Kompetenzen.

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Caritas Luzern

Beim Lernen assistierenMotivierte und interessierte Migrantinnen und Migranten besuchen regelmässig Deutsch- und Alphabetisierungskurse der Caritas Luzern. Eine anspruchsvolle Aufgabe für die Lehrperson, die aber auf die Unterstützung von Freiwilligen zählen kann.

Text: Milena Würth Bild: Priska Ketterer

ontagmorgen im Cari-tas-Haus Grossmatte, vor dem Kursraum im

3. Stock, hört man ein grosses «Hallo» und Frauen, die sich munter austauschen. Kurz vor 9 Uhr betreten die Teilnehmerin-nen des Alphabetisierungskur-ses den bunt gestalteten Schu-

lungsraum. Pünktlich beginnt die Deutschlehrerin mit dem Unter-richt. Der Einstieg am Montagmor-gen fällt oft nicht leicht. Darum werden zuerst einmal Gymnastik-übungen gemacht. Dann erteilt die Lehrerin den ersten Arbeitsauf-trag und die Arbeitsbücher wer-den aufgeschlagen. Die meisten der Kursteilnehmerinnen haben

kaum Deutschkenntnisse, und so wird mit vielen Bildern gearbeitet.

Schnell tauchen bei der ersten Teilnehmerin Verständnisfragen auf und sie braucht Unterstüt-zung. Diesen Part übernimmt Franziska Moser, die als Freiwil-lige die Lehrperson unterstützt. «Bei den Kursteilnehmerinnen handelt es sich oft um lernunge-wohnte Frauen, und die Klassen sind sehr heterogen. Deswegen ist es eine grosse Erleichterung für die Lehrperson, wenn sie durch eine Freiwillige unterstützt wird. Ich bin so etwas wie der verlänger-te Arm der Lehrperson», erklärt sie. Dank der Unterstützung der Freiwilligen kann individueller auf die Frauen eingegangen wer-den und so eine möglichst nie-derschwellige Hilfe angeboten werden. Zudem bietet dies die Möglichkeit, die Klasse auch mal in Kleingruppen zu unterteilen, um intensiver mit ihnen zu arbei-

ten. «Als Freiwillige kann ich mit den Teilnehmerinnen auf einer kollegialeren Ebene arbeiten, was sehr geschätzt wird», fügt Fran-ziska Moser an.

Was aber bewegt die junge Frau, sich freiwillig in einem Deutsch-kurs zu engagieren? «Für mich ist diese Arbeit eine grosse Bereiche-rung und Horizonterweiterung. Ich komme mit Menschen aus Kulturen in Kontakt, die mir vor-hin ziemlich unbekannt waren» schwärmt sie. «Zudem sind die Kursteilnehmerinnen immer sehr wertschätzend und es kommt viel zurück.»

Um elf Uhr endet der Kurs. Die Teilnehmerinnen, die Lehrperson und Franziska Moser sind zwar er-schöpft, aber zufrieden und freuen sich darauf, sich in einer Woche wiederzusehen.Weitere Infos und Einsatzplätze unter www.caritas-luzern/freiwillige.

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«Ich bin so etwas wie der verlängerte Arm der Lehrperson.»

Nur schon in der Schulbank zu sitzen und sich auf ein Buch zu konzentrieren ist für viele Teilnehmende im Alphabetisierungs-kurs überhaupt nicht einfach.

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Caritas Luzern

ünf Jahre lang war Cecilia Schnü riger unterwegs. Mit ihrem Motorrad

kurvte sie allein rund um den Globus, in alle mögli-chen Regionen dieser Welt. Und etwas hat die Luzerner IT-Fachfrau auf ihrer beein-druckenden Reise beson-ders geprägt: «Die Hilfsbe-reitschaft der Menschen.» Wenn immer sie irgendwo festsass, etwa weil das Ge-triebe des Töffs wieder ein-mal schlapp machte, war sofort jemand da, der ihr unter die Arme griff. Egal ob in Asien, Nordafrika oder Südamerika: Im Stich gelassen fühlte sich die Weltenbummlerin nirgends. «Diese Erlebnisse präg-ten mich», sagt die 50-Jährige.

Oft reicht das Haushaltsbudget nichtAls sie vor vier Jahren zurück in ihre Heimat kam, war ihr klar, dass sie sich fortan für Menschen einsetzen wollte, denen es weniger gut ging als ihr selber. Seit mehreren Jahren engagiert sie sich deshalb für das Caritas-Projekt «mit mir». In dem Patenschaftsprojekt engagieren sich Freiwillige für benachteiligte Kinder in der Schweiz und schenken ihnen Zeit und Aufmerk-samkeit. Doch Schnüriger tut noch mehr. Seit vergan-genem Jahr ist die Informatikerin zusätzlich beim Projekt «Pro Caritas-Markt» dabei. Mit ihrem Jahres-beitrag von 360 Franken trägt sie ihren Teil dazu bei, dass armutsbetroffene Menschen aus der Region ge-sund, frisch und ausgeglichen einkaufen können. Fakt ist nämlich: Auch in der reichen Schweiz müssen im-mer mehr Menschen mit einem Haushaltsbudget über die Runden kommen, das kaum ausreicht. Die Kon-sequenz: Eine ausgewogene Ernährung mit frischem Gemüse und Obst liegt in vielen Familien kaum drin.

«Ich finde es schlimm, dass immer mehr Leuten das Geld fehlt, um sich gesund zu ernähren», sagt Cecilia Schnüriger. Die Folgen schlechter Ernährung sind be-kannt.«Wenn ich spende, dann für Projekte, die ich selber nachhaltig und sinnvoll finde», betont Cecilia Schnü-riger. «Mit meiner Patenschaft ‹Pro Caritas-Markt› kann ich vor meiner Haustüre etwas Gutes tun. Wenn dadurch auch nur ein Kind zum frischen Apfel statt zur ungesunden Packung Chips greift, hat sich mein Engagement bereits gelohnt.»

Gesunde Ernährung für alle Die Caritas-Märkte ermöglichen ärmeren Menschen, sich trotz geringem Haushalts-budget gesund und ausgeglichen zu ernähren. «Das ist sinnvoll und nachhaltig», findet auch Cecilia Schnüriger, die das Projekt mit einer Patenschaft unterstützt.

Text: Daniel Schriber Bild: Jutta Vogel

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Patenschaft «Pro Caritas-Markt»Mit einer Projektpatenschaft «Pro Caritas-Markt» kön-nen auch Sie mit nur 1 Franken pro Tag armutsbetroffene Menschen unterstützen. Nutzen Sie den beigelegten Einzahlungsschein zur Überweisung von 90, 180 oder dem Jahresbeitrag von 360 Franken. Herzlichen Dank!Weitere Informationen finden Sie auch im Flyer oder unter www.caritas-luzern/patenschaft.

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Kiosk

AGENDA

Vereinsversammlung 2015

Alle Interessierten sind herzlich zur Vereinsversammlung 2015 eingela-den. Die Veranstaltung ist öffentlich.

Dienstag, 9.6.2015, ab 16 UhrQuartierzentrum «Der MaiHof», Lu-zern

Aktionwsoche Asyl 2015

Die zweite Aktionswoche Asyl in Lu-zern findet vom 15.–21. Juni 2015 statt.2014 fand erstmals die Aktionswo-che Asyl unter dem Motto «Auf der Flucht – bei uns angekommen?» im Kanton Luzern statt. Diverse Veran-staltungen ermöglichten Kontakte zu Menschen aus vielen Herkunftslän-dern und mit verschiedensten kultu-rellen Hintergründen. Getragen wird die Aktion vom «Runden Tisch Asyl» und von lokalen Organisationen in den Luzerner Gemeinden.Die Caritas Luzern engagiert sich auch diese Jahr bei der Aktionswo-che Asyl.

Weitere Informationen zu Veranstaltungen auf www.caritas-luzern.ch/events.

Mitgliedschaft bei der Caritas Luzern

Bestimmen Sie mit – werden Sie Mitglied bei der Caritas Luzern und besitzen Sie eine Stimme bei der jährlich stattfindenden Vereinsversammlung. Die Caritas Luzern ist eine christlich orientierte Non-Profit-Organisation, die fachkompetent soziale Not wahrnimmt und lindert. Sie engagiert sich gegen Armut und fördert soziale und berufliche Integration. Sie versteht sich als Teil des gesell-schaftlichen Lebens und des sozialen Miteinanders, als Teil der Diakonie der katholischen Kirche im Kanton Luzern und der Zentralschweiz sowie als Teil des nationalen und internationalen Caritas-Netzes.Seit Januar 2014 steht die Mitgliedschaft Institutionen und Einzelpersonen offen, die die Inhalte des Leitbildes teilen.Weitere Informationen und Anmeldung auf www.caritas-luzern.ch/mitgliedschaft

Liebe Caritas, wer bezieht eigentlich Sozialhilfe?

Rund 235 000 Personen beziehen in der Schweiz Sozial-hilfe. Diese knappe Viertelmillion Menschen weisen sehr unterschiedliche Profile und Lebensläufe auf.

Grundsätzlich kann es jede und jeden treffen. Ein unerwarteter Schicksalsschlag wie der plötzliche Stellenverlust, eine Schei-dung oder eine Krankheit können stabile materielle Verhältnisse erschüttern und Menschen in die Armut treiben. Statistiken be-legen aber, dass es Risikofaktoren gibt, die finanzielle Knappheit und damit den Gang zum Sozialamt wahrscheinlicher machen. Gefährdet ist, wer ein niedriges Bildungsniveau besitzt oder eine nichtanerkannte ausländische Ausbildung absolviert hat, wer mehrere Kinder hat, erst recht, wer sie allein erzieht und darum keine Zeit für Weiterbildungen aufbringen kann, wer an gesund-heitlichen Problemen leidet, wer jung oder über 46 Jahre alt ist oder wer eine IV-Teilrente bezieht. Ein Drittel der Sozialhilfe-beziehenden sind Kinder und Jugendliche. Häufig geht zudem vergessen, dass ein gewichtiger Teil der Sozialhilfeempfänger/innen arbeitet – rund ein Drittel der Personen im erwerbsfähi-gen Alter. Deren Einkommen reicht allerdings nicht aus, um die Lebenskosten zu decken.

Die Wege, die in die Armut und damit zum Sozialamt führen, sind verschieden. Caritas setzt sich für eine nachhaltige Ar-mutspolitik ein. Diese definiert Massnahmen, um Armut zu ver-hindern, und hilft Menschen, die in Not geraten, sich aus ihrer prekären Lage zu befreien.

Haben Sie eine Frage an uns? Senden Sie diese per E-Mail an [email protected]. Gerne beantworten wir diese in der nächsten Ausgabe von «Nachbarn».

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Gedankenstrich

Existenzminimum

Existenzminimum, das ist so ein Wort. Das ist so ein Wort, das mich bereits bedrückt, bevor ich verstanden habe, was alles damit verbunden ist, was es für die jenigen bedeutet, auf die es angewendet wird.

Zum Teil liegt es an der Existenz. Wieso Existenz und nicht Leben, frage ich mich. Wer würde denn bloss existieren, bloss eine Existenz haben wollen? Und wann sonst ist von Existenz die Rede? Fragt vielleicht jemand: «Wie viele Menschen existieren in Ihrem Haushalt?» oder «Wo ist Ihr Existenzmittelpunkt?» Geht viel-leicht eine Frau in den Coop oder die Mi-gros (eher zu Lidl oder Aldi, wenn man am Existenzminimum lebt), um Existenzmit-tel zu kaufen? Schreibt sie einen Existenzlauf, um sich zu bewerben und endlich wieder einen Job zu finden? Existiert etwa ein Mann mit seiner Existenzgefährtin bis an sein Existenzende in einer 1,5-Zimmer-Woh-nung, weil sie sich mehr Existenzraum nicht leisten können oder dürfen? Und was unterscheidet die Exis-tenz vom Leben? Ist nicht das eine weniger als das an-dere? Ich benutze das Wort so gut wie nie. Vielleicht habe ich schon mal von einem unglücklich Verliebten gesprochen und gesagt: «Ich glaube, sie weiss nicht mal, dass er existiert.» Weil es doch bei Existenz um das Vorhandensein geht, um ein Ja oder Nein, nicht um weniger oder mehr. (existiert der Yeti? Existiert das Nichts?) Aber wieso dann das Minimum? Das Mini-

mum der Existenz? Das Minimum an Existenz? Gibt es auch ein Existenzmaximum? Könnte man sagen: «Jetzt reichts aber, Sie existieren definitiv zu sehr, zu viel. Machen Sie mal halblang?» Und wenn ich aber am Minimum bin, am Existenzminimum, existiere ich dann weniger als die anderen (von leben ganz zu schweigen), existiere ich dann so wenig, wie es nur geht? Existenzminimum, das ist doch ein Begriff, der schon bedrückt, bevor man noch verstanden hat, was er bedeutet. Bevor ich noch verstehe, wer definiert, was unerlässlich ist für die Existenz, und wie es möglich sein soll, ein Minimum noch zu kürzen. Wie soll das möglich sein?

Ulrike Ulrich lebt als freie Schriftstellerin in Zürich. Nach den beiden Romanen «fern bleiben» und «Hinter den Augen» erscheint in diesem Sommer ihr erster Erzählband im Wiener Luftschacht-Verlag. Sie engagiert sich in einer Arbeits -gruppe des Deutschschweizer PEN für Schriftsteller/innen, die staatlichen Repressionen ausgesetzt sind. www.ulrikeulrich.ch

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Dabei sein, auch mit wenig Geld.

www.kulturlegi.ch

* Schmales Budget, volles Programm:Mit der KulturLegi erhalten Menschen mit tiefem Einkommen Preisreduktionen für Angebote aus Kultur,Sport, Bildung und Freizeit.

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