Nachfrage-Boom nach PLM€¦ · Airbus, nach den Lieferverzögerungen des Airbus A380 das so...

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Üblicherweise befinden sich über 100 Einzellösungen im Einsatz, die jeweils Teilaspekte der Produktentwicklung (MCAD, ECAD, Simulation, Anforde- rungsmanagement, Projektmanagement etc.) unterstützen. Medienbrüche und Schnittstellenkomplexität verhindern ei- nen nahtlosen und stabilen Datenaus- tausch. Im Gegensatz dazu skalieren effi- zienzorientierte asiatische Wachstums- führer, wie etwa der Telekommunikati- onskonzern Huawei, der mittlerweile so groß ist wie Ericsson, auf Basis von Wind- chill als einer stark vereinheitlichenden PLM-Plattform. Ist ein Unternehmen in der Lage, die Ein- führungszeiten seiner Produkte einzuhal- ten, oder besser noch, zu verkürzen, hat es die Kosten für die Produktentwicklung sowie für das Produkt selbst im Griff und kann sich für die Qualität verbürgen, dann ist es für den internationalen Wett- bewerb gerüstet (Best-in-Class-Kriterien der Aberdeen Group: The Lean Product Development Benchmark Report, Mai 2007). Verschiebt sich die Serienreife ei- nes Autos, verteuert sich der Produktions- anlauf. Gibt es Qualitätsprobleme, folgen Rückrufaktionen mit der dazugehörigen Beschädigung der Marke und den mone- tären Folgen. Verzögert sich die Auftrags- abwicklung etwa bei der Auslieferung ei- nes Kraftwerks, führt dies schnell zu Kon- ventionalstrafen. Je fortgeschrittener das Stadium der Produktentwicklung ist, in dem Änderungen vorgenommen werden müssen, desto höher sind die Opportuni- tätskosten. Aus der 'Innovationsagenda 2006' (Gemeinschaftsstudie von PTC und dem Werkzeugmaschinenlabor, WZL, der RWTH Aachen) geht hervor, dass zwei Drittel aller Unternehmen mehr als 20 % der Produktmodifikationen erst nach dem Produktionsbeginn vornehmen, was pro Änderung 10- bis 100-fach höhere Kosten verursacht, als während der Ent- wicklungsphase. Grundsätzlich gilt, dass 70 % der gesamten Produktkosten bereits während der Produktentwicklung defi- niert werden (Aberdeen Group). Absicherung von Innovationsfähigkeit Ein prominentes Beispiel für die Bedeu- tung von PLM-Plattformen ist die Eine Bestandsaufnahme aus Sicht eines PLM-Anbieters Nachfrage-Boom nach PLM D ies ist nicht nur 'gefühlt': Die Studie 'Managing Complexity in Automotive Engineering' (Ge- meinschaftsstudie von PTC (Parametric Technology Corporation) und dem Werk- zeugmaschinenlabor, WZL, der RWTH Aachen, Hewlett Packard und Schuh & Co. Komplexitätsmanagement, Aachen 2007) belegt am Beispiel der Automobil- industrie, dass der Grad der Komplexität durch Modellvielfalt, Technologie- und Prozessanforderungen exponentiell ange- stiegen ist. Der Anteil an Elektronik- und Softwarekomponenten nimmt beständig zu, das heißt die Mechatronik intensiviert die Komplexität zusätzlich und macht de- ren Beherrschung umso essenzieller. Den- noch müssen Unternehmen in der Lage sein, in allen Regionen und in allen Zeit- zonen Produkte effizient und innovativ zu entwickeln, wenn sie dem globalen Wett- bewerbsdruck standhalten wollen. Herausforderungen der Produktentwicklung In einer fragmentierten und heterogenen IT-Landschaft können Unternehmen die- se Anforderungen nicht mehr bewältigen. Ob Maschinenbau, Anlagenbau, Elektronik-, Automobil- oder Luftfahrtindustrie; ob in Europa, Amerika oder Asien – wohin der Ingenieur auch blickt, beobachtet er eine ste- tig steigende Komplexität, und das in vielerlei Hinsicht. TECHNIK Leitebene [ 1 ] [1] Der Grad der Komplexität ist durch Modellviel- falt, Technologie- und Prozessanforderungen ex- ponentiell angestiegen. 22 IEE 3-2010

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Üblicherweise befinden sich über 100 Einzellösungen im Einsatz, die jeweils Teilaspekte der Produktentwicklung (MCAD, ECAD, Simulation, Anforde-rungsmanagement, Projektmanagement etc.) unterstützen. Medienbrüche und Schnittstellenkomplexität verhindern ei-nen nahtlosen und stabilen Datenaus-tausch. Im Gegensatz dazu skalieren effi-zienzorientierte asiatische Wachstums-führer, wie etwa der Telekommunikati-onskonzern Huawei, der mittlerweile so groß ist wie Ericsson, auf Basis von Wind-chill als einer stark vereinheitlichenden PLM-Plattform. Ist ein Unternehmen in der Lage, die Ein-führungszeiten seiner Produkte einzuhal-ten, oder besser noch, zu verkürzen, hat es die Kosten für die Produktentwicklung sowie für das Produkt selbst im Griff und kann sich für die Qualität verbürgen, dann ist es für den internationalen Wett-bewerb gerüstet (Best-in-Class-Kriterien der Aberdeen Group: The Lean Product Development Benchmark Report, Mai 2007). Verschiebt sich die Serienreife ei-nes Autos, verteuert sich der Produktions-

anlauf. Gibt es Qualitätsprobleme, folgen Rückrufaktionen mit der dazugehörigen Beschädigung der Marke und den mone-tären Folgen. Verzögert sich die Auftrags-abwicklung etwa bei der Auslieferung ei-nes Kraftwerks, führt dies schnell zu Kon-ventionalstrafen. Je fortgeschrittener das Stadium der Produktentwicklung ist, in dem Änderungen vorgenommen werden müssen, desto höher sind die Opportuni-tätskosten. Aus der 'Innovationsagenda 2006' (Gemeinschaftsstudie von PTC und dem Werkzeugmaschinenlabor, WZL, der RWTH Aachen) geht hervor, dass zwei Drittel aller Unternehmen mehr als 20 % der Produktmodifikationen erst nach dem Produktionsbeginn vornehmen, was pro Änderung 10- bis 100-fach höhere Kosten verursacht, als während der Ent-wicklungsphase. Grundsätzlich gilt, dass 70 % der gesamten Produktkosten bereits während der Produktentwicklung defi-niert werden (Aberdeen Group).

Absicherung von Innovationsfähigkeit Ein prominentes Beispiel für die Bedeu-tung von PLM-Plattformen ist die

Eine Bestandsaufnahme aus Sicht eines PLM-Anbieters

Nachfrage-Boom nach PLM

D ies ist nicht nur 'gefühlt': Die Studie 'Managing Complexity in Automotive Engineering' (Ge-

meinschaftsstudie von PTC (Parametric Technology Corporation) und dem Werk-zeugmaschinenlabor, WZL, der RWTH Aachen, Hewlett Packard und Schuh & Co. Komplexitätsmanagement, Aachen 2007) belegt am Beispiel der Automobil-industrie, dass der Grad der Komplexität durch Modellvielfalt, Technologie- und Prozessanforderungen exponentiell ange-stiegen ist. Der Anteil an Elektronik- und Softwarekomponenten nimmt beständig zu, das heißt die Mechatronik intensiviert die Komplexität zusätzlich und macht de-ren Beherrschung umso essenzieller. Den-noch müssen Unternehmen in der Lage sein, in allen Regionen und in allen Zeit-zonen Produkte effizient und innovativ zu entwickeln, wenn sie dem globalen Wett-bewerbsdruck standhalten wollen.

Herausforderungen der Produktentwicklung In einer fragmentierten und heterogenen IT-Landschaft können Unternehmen die-se Anforderungen nicht mehr bewältigen.

Ob Maschinenbau, Anlagenbau, Elektronik-, Automobil- oder Luftfahrtindustrie; ob in Europa, Amerika oder Asien – wohin der Ingenieur auch blickt, beobachtet er eine ste-

tig steigende Komplexität, und das in vielerlei Hinsicht.

TECHNIK Leitebene

[1]

[1] Der Grad der Komplexität ist durch Modellviel-falt, Technologie- und Prozessanforderungen ex-ponentiell angestiegen.

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Die Nachfrage löst einen PLM-Boom aus, der die Branche an-treibt. PLM liefert die Wertschöp-fungskette für das Engineering.

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Autor Michael Sauter ist Senior Vice President bei der PTC – Parametric Technology Corporation GmbH in München. infoDIRECT 782iee0310 www.iee-online.de Link zur PLM-Plattform Link zum Unternehmen

gie eingeführt. Bei Domino-Kunden han-delt es sich um Großkonzerne, die in ihrer Branche führend sind und mit ihren Tech-nologieentscheidungen Maßstäbe für die Mitbewerber und die Zulieferbranche setzen.

Zentrale Plattform Neben den etablierten Autoren-Tools wie Pro/Engineer, Mathcad, Arbortext und Cocreate baut PTC die webbasierte inte-grale Windchill-Plattform als zentrale Plattform für die Daten der Produktent-wicklung kontinuierlich aus. Kernprozes-se wie etwa die Angebotsphasen, Anfor-derungsbeschreibungen, Spezifikationen, heterogene CAD-Datenverwaltung, die Verwaltung von Konstruktions-, Fer-tigungs- und Einkaufsstücklisten sowie von Prozessplänen und technischen Do-kumenten werden auf der Plattform abge-bildet, auf die weltweit verteilte Teams in Echtzeit und in der jeweils aktuellen Ver-sion simultan zugreifen können. So nutzt beispielsweise Volkswagen die Windchill-Plattform für seine weltweite Aggregateentwicklung. Eine umfassend angelegte neue Suite zur erweiterten Pro-duktanalytik ermöglicht zum Beispiel die Berücksichtigung von internationalen Compliance-Auflagen wie etwa der EU-Richtlinie Reach bereits in der frühen Ent-wicklungsphase. Das Gleiche gilt für Fra-gen der Produkthaftung, Kosten und CO

2-Ausstoß. Mit Blick auf die zuneh-

mende Bedeutung von Mechatronik inte-griert der Hersteller gerade eine Open-Source-basierte Lösung zur Einbindung von Embedded Software. Ein weiteres neues Zugpferd ist die konsequente Nut-zung von Serviceinformationen. So kann aus ein und derselben Datenbasis eine multimediale Montageanleitung für einen

Servicetechniker in Deutschland oder in China ebenso aufbereitet werden wie eine speziell angepasste Kundenpräsentation für den Vertriebsmitarbeiter oder die Do-kumentation eines Änderungsprozesses.

Verzahnung unumgänglich Die von außen auf die Unternehmen ein-wirkende Komplexität erzeugt großen Handlungsbedarf für die Produktent-wicklung und deren Verzahnung im Ge-samtunternehmen. Die Chefetagen der Fertigungsindustrie machen sich hierzu intensive Gedanken. Ein wichtiger Be-standteil dieser Zukunftsplanung ist die Vereinfachung der internen Prozesse, Da-ten und Systeme. Analysten und Kunden-entscheidungen zeigen, dass eine PLM-Plattform hierfür die besten Vorausset-zungen bietet.

EADS: Als Louis Gallois, CEO von EADS, und Thomas Enders, CEO von Airbus, nach den Lieferverzögerungen des Airbus A380 das so genannte Phénix-Pro-gramm auflegen ließen, war die Ver-schlankung der Produktentwicklung das erklärte strategische Ziel. Die PLM-Landschaft, das heißt die IT-Lö-sungen für die Produktentwicklung sowie die damit verbundenen Methoden und Prozesse, sollten unternehmensweit har-monisiert werden. Mit einem großen ab-teilungs- und divisionsübergreifenden Team unterzog EADS vier etablierte PLM-Anbieter einem zwölfmonatigen Evaluierungsverfahren, das von der unab-hängigen PLM-Organisation Collabora-tive Product Development Associates, LLC (CDPA) aus Stamford (USA) als Re-ferenz-Vergleichstest anerkannt wurde, bevor EADS im Sommer 2008 schließlich eine Entscheidung zu Gunsten der Wind-chill-Plattform als zentrale PLM-Platt-form für die Definition der Produktmas-ter fällte. Es ist gerade insgesamt eine sehr spannen-de Entwicklung auf dem Markt zu beob-achten: Ähnlich wie einst ERP (Enterprise Ressource Planning) eine Fülle von Ein-zelanwendungen für die Herstellung des physischen Produktes konsolidiert hat, übernimmt PLM mittlerweile die gleiche Rolle für die Entwicklung des digitalen Produkts. PLM liefert die Wertschöp-fungskette für das Engineering, ERP stellt die Wertschöpfungskette für die Logistik. Unternehmen entscheiden sich immer öf-ter für langfristige, strategisch ausgerich-tete Technologiepartnerschaften für ihre Produktentwicklung, die sie in die Lage versetzen, globale Zusammenarbeit in verteilten Teams effizient zu unterstützen. Und hier ist zu sehen, dass der Markt inte-grale Lösungen gut annimmt. Die Analys-ten der Aberdeen-Group bescheinigen der PTC Technologie den höchsten Reifegrad in der PLM-Industrie. Die Windchill-Plattform ist seit 2004 zweimal so schnell gewachsen wie der PLM-Markt insgesamt. Mit Stand von heute sind 850 000 Lizenzen mit aktuel-len Wartungsverträgen im Einsatz und seit drei Quartalen verbucht PTC wieder einen regelrechten Nachfrage-Boom mit einem Lizenzumsatz-Plus von über 50 %. Mit dem Konzept der so genannten Do-mino-Strategie hat PTC eine weitere Messlatte zur Bewertung seiner Technolo-

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[2] [3]

[2] Beim Airbus A380 war die Verschlankung der Produktentwicklung das erklärte strategische Ziel für den Einsatz von PLM. [3] Ein weiterer Vorteil ist die konsequente Nut-zung von Serviceinformationen. So kann aus ein und derselben Datenbasis eine multimediale Montageanleitung für einen Servicetechniker in Deutschland oder in China aufbereitet werden.