Nachricht aus Peru 1. Rundbrief von Eva - msc-hiltrup.de · Am Mittwoch und Freitag fahre ich zum...
Transcript of Nachricht aus Peru 1. Rundbrief von Eva - msc-hiltrup.de · Am Mittwoch und Freitag fahre ich zum...
Lima, im September 2014
Nachricht aus Peru – 1. Rundbrief von Eva
Hallöchen!
Hier kommt nun – TADAA – mein erster Rundbrief aus der Ferne. Auf den folgenden Seiten
findet ihr ein Wenig über mein Leben und meinen Alltag als MaZ heraus und erfahrt auch,
wohin genau es mich eigentlich verschlagen hat. Nach Dingen aus den Themenbereichen
Kultur und Gesellschaft sucht ihr hier allerdings vergeblich; noch lebe ich nicht lange genug
hier, als dass ich sachlich korrekt und frei von den Emotionen meiner ersten Eindrücke
schreiben könnte.
Wo ich bin und wie ich da ankam.
Mittlerweile bin ich schon 6 Wochen hier: In Lima, der Hauptstadt Perus, wo ich in Vipol de
Naranjal, Distrikt San Martin de Porres, lebe. Über einen Monat! Ich weiß selber gar nicht, ob
sich das nach viel oder wenig anfühlt. Was ich auf jeden Fall sicher sagen kann ist, dass ich in
diesen ersten 1 ½ Monat schon wirklich viel erlebt habe. Dabei schaue ich sowohl auf sehr
Schönes, aber leider auch auf Negatives zurück.
Um mit meiner Berichterstattung ganz vorne anzufangen, beginne ich mit der Aus-/Anreise.
Zunächst, als Carina und ich gemeinsam im Flughafen in der Schlagen am Zoll anstanden,
war ich emotional leicht überfordert: Der Abschied ist mir wahrlich schwer gefallen – er war
zugegeben tränenreich – und gleichzeitig war ich unglaublich aufgeregt, dass es ENDLICH
losging. Beim Betreten des Flugzeuges hätte ich es mir allerdings fast wieder anders
überlegt. Spontan fing ich noch mal an zu heulen. Diesmal aber nicht aus Traurigkeit,
sondern aus blanker Panik… Ganz schön groß so eine Boing! Und dass man damit wirklich
fliegen kann, oh man, da komm ich gar nicht drauf klar. Zum Glück hatte ich 1. meinen
Kuschelelefanten im Arm (Danke Fanti, hast gute Arbeit geleistet!) und 2. steht der nächste
Flug erst in ca. 11 Monaten an.
In Lima angekommen wurden wir von unseren beiden Vorgängerinnen Elena und Karen abgeholt. Fix und fertig wie ich von der langen Reise war lernte ich im Taxi meine erste
Lektion: „Anschnallen braucht man sich hier nicht.“ In Anbetracht der örtlichen Verkehrslage
und dem recht flotten Fahrstil war ich zwar nicht 100%ig überzeugt, aber ok. Unterwegs
überwältigten mich dann die ersten Eindrücke. Ich sah (und roch) eine Müllverbrennung am
Straßenrand, Häuser ohne Dächer und alle möglichen Braunschattierungen. Mit all dem
konnte ich natürlich erst mal gar nichts anfangen. Dank meiner Englischschüler aus San Lucas
weiß ich jetzt zum Beispiel, dass die Häuser keine (Spitz-)Dächer haben, weil sie zum Einen
keine brauchen (So „richtigen“ Regen gibt es hier nämlich nicht, ab und zu ist es niesel-
diesig. Ein bisschen ist es dann, als würde die Luftfeuchtigkeit explodieren.) und so zum
Anderen immer noch ein Stockwerk ergänzt werden kann wenn Bedarf und/oder genügend
Geld dazu vorhanden sind. Ich persönlich finde unsere „Dachterasse“ auch ganz cool:
Letztens konnte ich beim Wäschewaschen am Abend zum Beispiel ein Feuerwerk sehen. Die
vielen Braunschattierungen hingegen bedeuten nicht etwa alles hier wäre trist. Sie sind ein
Resultat aus Smog und Staub, welche sich über bunte Farben und Pflanzen legen und dort
haften bleiben.
Nach und nach lernte ich meine Einsatzstellen und das Leben als MaZ in Lima kennen. Es war
dabei eine unglaublich große Hilfe, die ersten 1 ½ Wochen gemeinsam mit Elena und Karen
hier zu sein! Sie zeigten uns den Markt, empfohlen uns ihre Lieblingshändler, machten uns
mit ihren Freunden und Kollegen bekannt, erklärten uns das Busfahren. Um da fix genauer
drauf einzugehen: Man stellt sich hier nur selten an eine „richtige“ Bushaltestelle und
genaue Fahrpläne existieren nicht. Es gibt viele verschiedene feste Busrouten, an deren
Wegesrand man auf den nächsten Bus wartet. Wenn der passende Bus kommt (zur Cuna z.B.
die NN-22 A oder B) winkt man dem Busfahrer zu und er hält an. Neben dem Fahrer gibt es
dann noch eine zweite Person im Bus, die das Geld kassiert. Während der Fahrt kommt
er/sie auf einen zu und man bezahlt den entsprechenden Tarif des Zielortes. Wenn der
Zielort in Sicht kommt steht man einfach auf, geht nach vorn und sagt „Baja …“ – zur Cuna
z.B. „Baja Curva“, da wir in einer Kurve raus müssen. Gut, das einige Male vorgemacht
bekommen zu haben! Nach der gemeinsamen Zeit war es dann aber auch schön das
Matratzenlager im Wohnzimmer gegen ein eigenes Schlafzimmer mit Bett und Schrank
einzutauschen und somit richtig in das „eigene“ Jahr als MaZ zu starten…
Auf die Plätze, fertig, los!
Der Start hier in Lima gestaltete sich leider holprig und unangenehmer als erwartet. Nach
dem wir an unserem ersten Wochenende auf dem Weg zu Olivia von zwei Jugendlichen
ausgeraubt wurden (sie haben uns die kompletten Taschen abgenommen, ich hatte
blöderweise auch meine Jacke im Rucksack), fühlte ich mich zugegeben nicht allzu wohl in
dieser Stadt. Dass ich danach vor Schreck, Jackenlosigkeit und Lima-Klima 4 Tage mit Fieber
im Bett lag (und Zeit hatte über Dinge wie den Überfall, das Sprachproblem, die pipapo
10741 Kilometer zwischen mir und meinen Lieben oder die Dauer eines ganzen Jahres fern
von der Heimat nachzudenken), machte die Situation in dem Moment leider auch nicht
besser.
Was die Situation aber besser machte war die offene, freundliche Art, mit der wir hier
aufgenommen wurden – unsere Mentorin und Ansprechpartnerin Schwester Mathilde
wohnt ganz in der Nähe; der Vermieter unserer Wohnung ist immer mit Rat und Tat, seine
Frau für einem Pläuschchen zur Stelle; die Kollegen und Kinder in der Cuna haben uns
freundlich willkommen geheißen; die Englischschüler sind glücklicher Weise geduldig und
hilfsbereit bei Sprachproblemen. Es ist total schön, sich gut aufgehoben und von netten
Menschen umgeben zu fühlen, die einem ihre Hilfe und Freundschaft anbieten! So fühle ich
mich jetzt, als wäre ich „komplett hier“. Der anfängliche Schreck ist überwunden, die
Gedanken in meinem Kopf kreisen nicht mehr durch die Gegend, sondern sind bei meinen
Einsatzstellen angekommen. Ich freue mich richtig, in den kommenden Monaten immer
mehr über und vor allem von den Menschen, ihrer Kultur, ihrer Mentalität und Geschichte
zu lernen! Das ist ein total spannendes Thema, da es innerhalb Perus drei Regionen gibt:
Costa (Küste), Sierra (Anden) und Selva (Regenwaldregion). Sie weisen ganz verschiedene
Tier- und Pflanzenwelten, unterschiedliches Klima und geografische Besonderheiten auf.
Peru ist eines von fünf Ländern mit der weltweit größten Artenvielfalt (Beispiele: 2000
Schmetterling-, 36 Delfinarten, 55 Mais- und 91 Kartoffelsorten) – und ebenso vielfältig wie
die Natur sind auch Bräuche, Feste, Essen, … .
Zu meinen Einsatzstellen.
An den Vormittagen von 8:00 - 13:00 Uhr ist Cuna-Zeit. Die Cuna „Casa del Niño y de la Niña“ ist quasi wie eine KiTa und hat von 8 bis 17 Uhr geöffnet. Kinder im Alter von wenigen
Monaten bis ca. 3 oder 4 Jahren werden dort in zwei Stockwerken (unten die Kleinkinder,
oben die älteren Kinder) betreut. Ich bin immer im oberen Stockwerk. Der Tagesablauf ist da
ungefähr so: Bis 8:30 Uhr kommen die Kinder, dann gibt es Leche (Milch) und ein Stück
Brötchen zum Frühstück. Danach wird meist im Stuhlkreis ein wenig gesungen und später an
den Tischen gespielt, bis es gegen 10 Uhr eine Zwischenmahlzeit gibt. Diese besteht aus
einer Frucht oder Mazamorra (eine Art Pudding, der aus Früchten oder Mais gekocht wird).
Danach wird wieder gespielt, getanzt, gepuzzelt, gebastelt, auch schon mal ein Filmchen
geguckt oder das zählen bis 10 geübt. Nach dem warmen Mittagessen um 12 Uhr heißt es
für alle Mittagsschlaf, doch bevor wirklich alle eingeschlafen sind ist es für mich meist schon
Zeit zu gehen. Soweit die Theorie – letztens war zum Beispiel der ganze Tag durcheinander,
da eine Straße weiter ein kleiner Zirkus halt gemacht hatte. Dessen Vorstellung konnten wir
natürlich nicht verpassen. ;-)
An vier Nachmittagen in der Woche gebe ich verschiedene Englischklassen/-kurse.
Montags und donnerstags fahren Carina und ich mit dem Bus in den Stadtteil Pueblo Libre.
Dort sind auf einem recht großen Gelände das Provinzhaus der Missionsschwestern, die
Klinik Stella Maris und das Colegio San Lucas. Im Colegio gibt es eine Abendschule für
Jugendliche. Viele der Schüler/innen arbeiten vormittags und können darum nur
Unterrichtsstunden am Abend besuchen. Die Schulzeit beträgt vier Jahre und auf dem
Stundenplan aller vier Jahrgänge steht einmal die Woche Englischunterricht – die Lehrerin
der 1. und 3. Klasse bin ich.
Am Mittwoch und Freitag fahre ich zum „Casa de la Mujer“ (Haus der Frau) nach Cerro
Candela (dort ist auch die Cuna und außerdem noch ein Gesundheitszentrum). Der erste
Englischkurs ist für Jugendliche/Erwachsene, danach finden zwei Kurse mit Kindern statt. Mit
den Kindern übe ich gerade ein Lied mit den Zahlen und Farben ein (also, auf Englisch
natürlich) um es beim 14. Geburtstag des Frauenhauses am Ende des Monats vorzuführen.
Hoffentlich bekommen wir das gut hin! Im Casa de las Mujer gibt es ein breites Angebot
an Kursen; wenn ich da bin finden zum Beispiel Back-, Näh-, Computer-, und Bastelkurse
statt. Darum freue ich mich schon sehr auf das Fest, bestimmt werden noch mehr Kurse ihre
Arbeit vorstellen und damit meinen bisherigen Einblick in die Einrichtung erweitern.
Joa, und dienstags habe ich den Nachmittag frei. Nach dem Vorbereiten der Englischklassen
bleibt dann immer noch Zeit zum Einkaufen gehen, Wäsche waschen, putzen, telefonieren
oder gepflegtem „abgammeln“ (muss ja auch mal sein :D).
Sonstige Erlebnisse.
An einem Wochenende sind Carina, Lara (sie und Niklas sind ebenfalls Freiwillige aus
Deutschland und wohnen gleich um die Ecke) und Ana (eine Peruanerin, die in unserer
Nachbarschaft wohnt) einen Tag ins Centro gefahren. Ich fand es total interessant, sowohl
die historische Innenstadt samt Rathaus und Präsidentenpalast zu sehen, als auch in zwei
Museen ein wenig über die Geschichte Limas zu erfahren. Außerdem sind wir in die
Katakomben unterhalb des
Franziskanerklosters gestiegen
(Grusel-Faktor), haben in
einem „bunte-Muster-bestickt-
mit-Lamas-oder-gar-aus-
Alpakawolle-hergestellt“-
Einkaufszentrum gestöbert
(Touri-Faktor) und lecker zu
Mittag gegessen (Genießer-
Faktor).
Am vergangenen Wochenende haben wir –
meine Freundin und Kollegin aus der Cuna Olivia,
ihre Schwester Aurora, eine Freundin, Carina, ich
– einen Tagesausflug ins Reserva Nacional de
Lachay gemacht. (Foto rechts: mit Olivia + Carina)
Das liegt 105 km nördlich von Lima UND IST DER
WAHNSINN! Es ging schon auf der zweistündigen
Anfahrt mit dem Reisebus gut los: Aus dem
Fenster hatte man einen genialen Blick auf die
Küste. (Foto unten: aus dem Bus fotografiert)
Bis zu dem Tag kannte ich nur die Großstadt, es
war richtig cool mal raus zu kommen
und in der Natur zu sein. Im sattesten
grün erstrecken sich die Ausläufer der
Anden, verwandeln sich dann zu
sandigen Hügeln und verschwinden im
Ozean (Foto ganz unten). Es hat gut
getan, eine Abwechslung von Abgasen,
Großstadtlärm & -verkehrschaos zu
haben und an einem Ort mit viel Grün,
Vogelgezwitscher und nur wenigen
Menschen zu sein. (Aufgewachsen im
doch recht ländlichen Wiedenbrück
muss ich zugeben, mich an das Großstadtleben noch ein wenig gewöhnen zu müssen.)
Ich war wirklich überwältigt angesichts der Schönheit
der Schöpfung!
Naja, und abends war ich ähnlich überwältigt
angesichts der gewanderten 17 Kilometer. :D
Grußformel.
So. Ihr Lieben!
An dieser Stelle möchte ich auch noch fix auf meinen Blog aufmerksam machen, auf dem in
unregelmäßigen Abständen
Lebenszeichen/Erfahrungsberichte/Fotos/Gedanken/Neuigkeiten erscheinen:
www.10741kilometer.tumblr.com
Soweit der Stand der Dinge. Ich würde sagen, ihr seid vorläufig bestens informiert! Und
damit es auch fair bleibt freue ich mich im Gegenzug jederzeit über kurze bis lange
Nachrichten aus der Heimat oder von dort, wo ihr gerade seid.
Anbei nun drei Verabschiedungen, da sollte für jeden was dabei sein.
Küsschen!
Fühl dich umarmt!
Liebe Grüße!
Eva