Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März ... · Arbeitsgruppe, die die Sache...

24
Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März 2012 I/2012 Die EEG-Novelle – (k)ein Stein der Weisen Erneuerbare Energien spielen für die Energiewende eine entscheidende Rolle. Eine positive Rolle, weil sie grundsätzlich eine Alternative zu herkömmlichen Energieträgern darstellen, uns unabhängiger von Energieimporten aus dem Ausland machen und positiv für die Klimabilanz sind. Aber auch eine proble- matische Rolle für den Wirtschaftsstandort Deutschland und für den Geldbeutel der Verbraucher, denn das EEG ist teuer: 3,5 ct/kWh EEG-Umlage müssen wir heute berappen. Mehr, so ist der politische Wille, soll es nicht werden. Ausgerechnet die Photovoltaik ist Kostentreiber, und das, obwohl sie nur drei Prozent zur Stromerzeugung beisteuert. Durch die aktuelle EEG-Novelle sollen die EEG-Solarstrom-Vergütung abgespeckt und damit der massive Zubau von Modulen begrenzt werden. Aber ist damit das Problem auch tatsächlich „abgeräumt“? Fakt ist: Die Preise für Solarmodule sinken viel stärker als die EEG-Umlage. Unsere Solarindustrie ist inzwischen nicht nur preislich, sondern auch technologisch der Konkurrenz aus Fernost unterlegen. Wir fördern durch das EEG unterm Strich die ausländischen Wettbewerber. Trotz mehrfacher Kor- rekturen ist die EEG-Solarstromvergütung noch immer so komfortabel ausges- taltet, dass sie zu Mitnahmeeffekten verführt. Allein im Dezember 2011 – im Vorfeld der gesetzlich vorgesehenen Absenkung von 15 Prozent zum 1. Januar 2012 – wurden 3.000 MW Solaranlagen installiert, im Gesamtjahr 2011 ins- gesamt 7.500 MW. Nun soll es also zum 1. April eine Einmalabsenkung der PV-Vergütungssätze von bis zu 27 Prozent richten. Da die geplante Übergangs- regelung nur auf „kaufmännisch installierte“ Anlagen abstellt, können wir uns bis dahin noch auf mehrere 1.000 MW zusätzliche Solarstromanlagen gefasst machen: Kein Pappenstiel, da pro 1.000 MW installierte Leistung nach gelten- dem EEG rund drei Milliarden Euro EEG-Umlage über die nächsten 20 Jahre anfallen. Ab dem 1. Mai soll dann eine monatliche Degression von 0,15 ct/kWh greifen, weniger, als das geltende EEG ab 2013 vorsehen würde (bislang bis zu 24 Prozent jährlich, je nach Zubaumenge). So richtig zufrieden sein können wir mit dem Kompromiss also nicht. Ob es in der Bund-Länder- Arbeitsgruppe, die die Sache umsetzen und verhandeln soll, noch besser wird, das steht zu hoffen. Ein Milliardenmarkt bleibt die Photovoltaik jedenfalls noch lange. Nägel mit Köpfen, bitte! Da hatte das Kabinett am 14. Dezember 2011 „Eck- punkte zur weiteren Entlas- tung der Wirtschaft von Bürokratiekosten“ be- schlossen. Darunter explizit auch die Aufbewahrungsfristen im Steuer-, Han- dels- und Sozialversicherungsrecht, die auf fünf Jahre vereinheitlicht werden sollen, ein einfacheres Reisekosten- recht und, und, und … Fast drei Monate sind seither ins Land gegangen. Und leider hat sich in die- ser Zeit der Elan in puncto Aufbewah- rungsfristen offenbar wieder in den Gängen der Bundesministerien ver- flüchtigt. Statt über das „Wie“ der Um- setzung wird dort jetzt augenscheinlich wieder über das „Ob“ diskutiert. Nicht zu akzeptieren, so meine ich. Natürlich müssen auch die Länder mit ins Boot, und natürlich wollen wir kein „Steuerhinterziehungsvereinfachungs- gesetz“. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Ein Weg, den die Unterneh- men uns sehr danken werden. Vertrauensschutz für die Zeitarbeit PKM-Initiative trägt erste Früchte Energiewende im Praxistest Wie gelingt der Umbau? Existenzgründer in Deutschland Licht und Schatten im NUI-Ranking

Transcript of Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März ... · Arbeitsgruppe, die die Sache...

Page 1: Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März ... · Arbeitsgruppe, die die Sache umsetzen und verhandeln soll, noch besser wird, das steht zu hoffen. Ein Milliardenmarkt

Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März 2012 I/2012

Die EEG-Novelle – (k)ein Stein der Weisen

Erneuerbare Energien spielen für die Energiewende eine entscheidende Rolle.

Eine positive Rolle, weil sie grundsätzlich eine Alternative zu herkömmlichen

Energieträgern darstellen, uns unabhängiger von Energieimporten aus dem

Ausland machen und positiv für die Klimabilanz sind. Aber auch eine proble-

matische Rolle für den Wirtschaftsstandort Deutschland und für den Geldbeutel

der Verbraucher, denn das EEG ist teuer: 3,5 ct/kWh EEG-Umlage müssen wir

heute berappen. Mehr, so ist der politische Wille, soll es nicht werden.

Ausgerechnet die Photovoltaik ist Kostentreiber, und das, obwohl sie nur drei

Prozent zur Stromerzeugung beisteuert. Durch die aktuelle EEG-Novelle sollen

die EEG-Solarstrom-Vergütung abgespeckt und damit der massive Zubau von

Modulen begrenzt werden. Aber ist damit das Problem auch tatsächlich

„abgeräumt“? Fakt ist: Die Preise für Solarmodule sinken viel stärker als die

EEG-Umlage. Unsere Solarindustrie ist inzwischen nicht nur preislich, sondern

auch technologisch der Konkurrenz aus Fernost unterlegen. Wir fördern durch

das EEG unterm Strich die ausländischen Wettbewerber. Trotz mehrfacher Kor-

rekturen ist die EEG-Solarstromvergütung noch immer so komfortabel ausges-

taltet, dass sie zu Mitnahmeeffekten verführt. Allein im Dezember 2011 – im

Vorfeld der gesetzlich vorgesehenen Absenkung von 15 Prozent zum 1. Januar

2012 – wurden 3.000 MW Solaranlagen installiert, im Gesamtjahr 2011 ins-

gesamt 7.500 MW. Nun soll es also zum 1. April eine Einmalabsenkung der

PV-Vergütungssätze von bis zu 27 Prozent richten. Da die geplante Übergangs-

regelung nur auf „kaufmännisch installierte“ Anlagen abstellt, können wir uns

bis dahin noch auf mehrere 1.000 MW zusätzliche Solarstromanlagen gefasst

machen: Kein Pappenstiel, da pro 1.000 MW installierte Leistung nach gelten-

dem EEG rund drei Milliarden Euro EEG-Umlage über die nächsten 20 Jahre

anfallen. Ab dem 1. Mai soll dann eine monatliche Degression von

0,15 ct/kWh greifen, weniger, als das geltende EEG ab 2013 vorsehen würde

(bislang bis zu 24 Prozent jährlich, je nach Zubaumenge). So richtig zufrieden

sein können wir mit dem Kompromiss also nicht. Ob es in der Bund-Länder-

Arbeitsgruppe, die die Sache umsetzen und verhandeln soll, noch besser wird,

das steht zu hoffen. Ein Milliardenmarkt bleibt die Photovoltaik jedenfalls

noch lange.

Nägel mit Köpfen, bitte!

Da hatte das Kabinett am

14. Dezember 2011 „Eck-

punkte zur weiteren Entlas-

tung der Wirtschaft von

Bürokratiekosten“ be-

schlossen. Darunter explizit auch die

Aufbewahrungsfristen im Steuer-, Han-

dels- und Sozialversicherungsrecht, die

auf fünf Jahre vereinheitlicht werden

sollen, ein einfacheres Reisekosten-

recht und, und, und …

Fast drei Monate sind seither ins Land

gegangen. Und leider hat sich in die-

ser Zeit der Elan in puncto Aufbewah-

rungsfristen offenbar wieder in den

Gängen der Bundesministerien ver-

flüchtigt. Statt über das „Wie“ der Um-

setzung wird dort jetzt augenscheinlich

wieder über das „Ob“ diskutiert.

Nicht zu akzeptieren, so meine ich.

Natürlich müssen auch die Länder mit

ins Boot, und natürlich wollen wir kein

„Steuerhinterziehungsvereinfachungs-

gesetz“. Aber wo ein Wille ist, ist auch

ein Weg. Ein Weg, den die Unterneh-

men uns sehr danken werden.

Vertrauensschutz für

die Zeitarbeit

PKM-Initiative trägt erste Früchte

Energiewende im

Praxistest

Wie gelingt der Umbau?

Existenzgründer in

Deutschland

Licht und Schatten im NUI-Ranking

Page 2: Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März ... · Arbeitsgruppe, die die Sache umsetzen und verhandeln soll, noch besser wird, das steht zu hoffen. Ein Milliardenmarkt

INHALTSeite 2

PKM JOURNAL

Neue Koalitionsarbeitsgruppe

„Ländliche Räume, regionale Vielfalt“

Die Koalitionsfraktionen haben eine neue Arbeitsgruppe gebildet, die sich

mit der Zukunft der ländlichen Räume beschäftigen wird. Ziel ist die Erar-

beitung eines Programms für den ländlichen Raum mit konkreten Vorschlä-

gen gegen das Entstehen bzw. Anwachsen eines Stadt-Land-Gefälles. Etwa

jeder zweite Deutsche wohnt in ländlichen Regionen – eben nicht in der

Großstadt. Der demografische Wandel und das Streben der jungen Leute in

die Städte führt jedoch zu einem spürbaren Bevölkerungsrückgang im länd-

lichen Raum. Deswegen sollen Lösungsansätze erarbeitet werden, die die

Entwicklung des ländlichen Raumes fördern und das Lebensumfeld für die

Menschen und auch die Wirtschaft attraktiver gestalten. Es muss zum Beispiel für eine Verbesserung der Infrastruktur ge-

sorgt sein, damit die vielen kleinen und mittleren Betriebe und z.B. die Handwerksunternehmen vor Ort bleiben und Ar-

beits- und Ausbildungsplätze in der Region schaffen. Gleichzeitig muss die Fachkräfteversorgung der Betriebe sichergestellt

sein.

Der PKM ist mit Ingbert Liebing als Vorsitzendem sowie mit Peter Götz, Eckhardt Rehberg, Lena Strothmann, Karl Holmeier,

Daniela Ludwig, Stephan Mayer und Marlene Mortler vertreten.

INTERN

4 Kongress „Wachstumsmarke Freie Berufe“

MEINUNG

5 CGZP-Urteil – eine Lösung rückt näher

von Gitta Connemann MdB

6 Vertrauensschutz ist das A und O

von Dr. Joachim Pfeiffer MdB

7 Was die Energiewende zum Gelingen

braucht?

von Thomas Bareiß MdB

9 Landwirtschaft zwischen Intensität und

Nachhaltigkeit

von Franz-Josef Holzenkamp MdB

GESPRÄCH

11 Freie Berufe gestalten Megatrends

von Dr. Rolf Koschorrek MdB

INFORMATION

14 Nicht immer reicht die Mehrheit

15 Volkskrankheiten im Visier der Forschung

16 Werben für Deutschland

17 Deutsches Trinkwasser erhält

Testnote „sehr gut“

18 Kleine Firmen tun sich schwer

19 Gute Aussichten für Bachelor und Master

20 Rohstoffmangel – mehr und mehr einStandort(gegen)argument

21 Egal wo, egal wann –flexible Arbeitszeitmodelle

22 NUI Regionenranking 2010 – Gründungsneigunghat sich vielerorts abgeschwächt

Foto: © CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Page 3: Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März ... · Arbeitsgruppe, die die Sache umsetzen und verhandeln soll, noch besser wird, das steht zu hoffen. Ein Milliardenmarkt

Neujahrsempfang des PKM

Viel Prominenz erschien beim PKM-Neujahrsempfang am

19. Januar 2012 im Haus der Commerzbank. Hausherr

Klaus-Peter Müller, Aufsichtsratsvorsitzender der Commerz-

bank, betonte die unverzichtbare Rolle des PKM als Binde-

glied zwischen Wirtschaft und Politik und gab eine Einschät-

zung zur Lage und zu den Perspektiven für die Commerz-

bank im laufenden Jahr. Der PKM-Vorsitzende Christian

Frhr. von Stetten ging insbesondere auf die politischen

Schwerpunktaufgaben 2012 ein, darunter zuvorderst eine

spürbare Steuervereinfachung, beherzten Bürokratieabbau

und die Umsetzung der Energiewende zu vertretbaren Kos-

ten.

Fraktionsvorsitzender Volker Kauder erklärte, der PKM sei

und bleibe als Fürsprecher der Wirtschaft Impulsgeber und

unverzichtbares Korrektiv für die politische Arbeit der Uni-

onsfraktion.

Mit großem Interesse und Spannung wurde die Rede von

Bundesbankpräsident Jens Weidmann erwartet. Weidmann

zeigte sich zuversichtlich bezüglich der Wachstumsperspekti-

ven Deutschlands. Gerade der Arbeitsmarkt erweise sich

trotz der wiederaufflammenden Staatsschuldenkrise in Euro-

pa als überaus robust. Die Bundesbank verfolge die jüngs-

ten Entwicklungen mit größter Wachsamkeit. Geldpolitik

einerseits und Fiskalpolitik andererseits, so mahnte er, seien

aber unabhängig. Die Arbeit der Bundesbank sei auf Geld-

wertstabilität ausgerichtet. Das sei der beste Beitrag, den

Geldpolitik für das wirtschaftliche Wohlergehen im gesam-

ten Währungsraum leisten könne. Es bestünden alle Chan-

cen dafür, dass der Euro als eine stabile und vertrauenswür-

dige Währung aus der aktuellen Zuspitzung der Krise her-

vorgehe.

Die Worte des Bundespräsidenten gaben den Zuhörern

reichlich Anregungen für intensive Gespräche bis spät in

den Abend hinein; doch sicher tauschte man sich auch über

so manch anderes aktuelle politische Thema an den Tischen

aus.

Meinungsaustausch mit

Dr. Ulrich Schröder

Die verschärften Eigenkapitalhinterlegungs-

pflichten der Kreditwirtschaft nach Basel III, die

Auswirkungen einer Finanztransaktionssteuer

und die Staatsschuldenkrise der Euro-Länder

einschließlich des Einflusses von Rating-

agenturen standen im Mittelpunkt eines Tref-

fens des PKM-Vorstandes mit dem KfW-Vorstandsvorsitzen-

den Dr. Ulrich Schröder.

Insgesamt, so war man sich einig, werde die deutsche

Volkswirtschaft durch die aktuellen Turbulenzen nicht im

Kern beeinträchtigt. Die bisherigen, teilweise auch schmerz-

haften Strukturreformen hätten sich als richtig erwiesen. An-

dere Mitgliedstaaten, die ihre Wettbewerbsfähigkeit verbes-

sern müssten, hätten diesen Weg noch vor sich.

Seite 3INTERN

PKM JOURNAL

Foto: © CDU/CSU-Bundestagsfraktion Foto: © CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Page 4: Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März ... · Arbeitsgruppe, die die Sache umsetzen und verhandeln soll, noch besser wird, das steht zu hoffen. Ein Milliardenmarkt

Kongress

„Wachstumsmarke Freie Berufe“

am 29. Februar 2012

Die freien Berufe sind für Wirtschaft und Gesellschaft, für

Wachstum und Wohlstand in Deutschland unverzichtbar.

Der europäische Binnenmarkt eröffnet ihnen Chancen, birgt

aber auch Anpassungsdruck, dem sie sich offensiv stellen

müssen. Das war Fazit des Kongresses „Wachstumsmarke

Freie Berufe“, zu dem weit über hundert Gäste kamen.

Fraktionsvorsitzender Kauder ging auf die tiefe Verwurzelung

der freien Berufe in der sozialen Marktwirtschaft ein. Für

Freiberufler sei reine Gewinnmaximierung von nachrangiger

Bedeutung. Entscheidend seien der Wille zu Leistung auf

hohem Niveau und die Bereitschaft zu individuellen Lösun-

gen. Für den Industrie-, Dienstleistungs- und Kulturstandort

Deutschland seien die freien Berufe unverzichtbar, ihr Enga-

gement in der dualen Ausbildung nicht hoch genug zu

schätzen. Der PKM-Vorsitzende von Stetten kündigte weitere

Erleichterungen im Sinne der freien Berufe an, darunter die

Reduzierung der Aufbewahrungsfristen von Dokumenten für

die Steuererklärung oder die Sozialversicherung und die

Reform des Reisekostenrechts. Handlungsbedarf gebe es

auch bei der 2005 eingeführten Vorfälligkeit von Sozialver-

sicherungsbeiträgen. BFB-Präsident und PKM-Vorstandsmit-

glied Koschorrek stellte die Verdienste der freien Berufe für

die Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft in den Mittel-

punkt seiner Rede. Die Politik müsse die richtigen Rahmen-

bedingungen für fairen und transparenten Qualitätswettbe-

werb für freiberufliche Leistungen setzen. Mit ihrer funktio-

nierenden Selbstverwaltung, ihrer wirtschaftlichen Leistungs-

fähigkeit und hohem ethischen Anspruch seien die freien

Berufe ein „Exportmodell“ für Europa. Angelika Niebler

MdEP erklärte die unterschiedlichen Perspektiven für Freibe-

rufler in der Europäischen Union mit den unterschiedlichen

Wirtschafts- und Verwaltungsstrukturen in den 27 Mitglied-

staaten. Längst nicht überall gebe es eine funktionierende

Selbstverwaltung der freien Berufe. Sie halte zwar Liberalisie-

rung für vertretbar, wenn sie verantwortungsvoll gestaltet sei

und auf den Erhalt von Bewährtem setze. Initiativen, die mit

der Gefährdung der Kernmerkmale des Freiberuflertums

verbunden seien und der Nivellierung von Qualitätsstan-

dards Vorschub leisteten, seien aber abzulehnen.

In der anschließenden Podiumsdiskussion unter der Leitung

von Henning Krumrey diskutierten Angelika Niebler und Rolf

Koschorrek mit Martin Abraham, Professor an der Friedrich-

Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg, Jens Karstedt,

Präsident der Bundesingenieurkammer, Rudolf Henke MdB

und Ulrich Schellenberg, Vizepräsident des Bundesverban-

des der Freien Berufe, über die Bedeutung der freien Berufe

für Deutschland und ihre Perspektiven im europäischen Bin-

nenmarkt. Freiberufler könnten selbstbewusst ihren Mitges-

taltungswillen artikulieren. Wichtig sei auch, aktiv für die

Besonderheiten des Berufsstandes zu werben. Stephan May-

er, Leiter des PKM-Gesprächskreis Freie Berufe, warb für

den engen Kontakt zwischen dem PKM und den freien Beru-

fen. Die freien Berufe hätten im Übrigen allen Grund, zuver-

sichtlich in die Zukunft zu blicken. Der Strukturwandel biete

ihnen beste Gelegenheit, ihr Können unter Beweis zu stellen.

Gespräch mit dem

Bundesarbeitgeberverband

der Personaldienstleister

Die Zeitarbeit muss als wichtiger Motor für die deutsche

Wirtschaft erhalten bleiben. Darin waren sich der PKM-

Vorstand und die Führung des Bundesarbeitgeberverbandes

der Personaldienstleister (BAP) einig. Der Umgang mit dem

BAG-Urteil vom 14. Dezember 2010 zur Tariffähigkeit der

CGZP-Gewerkschaft sei von entscheidender Bedeutung für

die gesamte Branche. Auf erhebliche Bedenken treffe insbe-

sondere die Auffassung, aus dem Urteil eine rückwirkende

Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen herzuleiten.

Ausführlich tauschte man sich des Weiteren zur „Equal Pay-

Thematik“ und zu möglichen Lösungsansätzen aus.

INTERNSeite 4

PKM JOURNAL

Foto: © CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Foto: © CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Page 5: Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März ... · Arbeitsgruppe, die die Sache umsetzen und verhandeln soll, noch besser wird, das steht zu hoffen. Ein Milliardenmarkt

Über einem Teil der Zeitarbeitsbranche

hängt ein Damoklesschwert. Unternehmen,

die das Tarifwerk der Tarifgemeinschaft

Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit

und Personalserviceagenturen (CGZP) an-

wandten, droht die Nachforderung von Löh-

nen und Sozialversicherungsbeiträgen in Millionenhöhe.

Diese hatten sich auf Tarifverträge verlassen, die jetzt wohl

nicht mehr gelten. Denn das Bundesarbeitsgericht hatte am

14. Dezember 2010 die Tariffähigkeit der CGZP verneint –

übrigens wegen eines Satzungsfehlers. Damit gilt der

Grundsatz „Equal Pay“. So sagt es das Arbeitnehmerüber-

lassungsgesetz. Davon kann nur per Tarifvertrag abgewi-

chen werden – aber eben nicht mit dem CGZP. Die Folge:

Lag der Tariflohn unter dem der Stammbelegschaft im Ent-

leihunternehmen, muss nachgezahlt werden.

Es ist einsichtig, dass diese Pflicht zur Nachzahlung ab dem

Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts be-

steht. Aber die Sozialversicherungsträger leiteten unmittelbar

nach dem Urteil Betriebsprüfverfahren ein. Sie fordern rück-

wirkend Sozialversicherungsbeiträge und zwar bis zu vier

Jahren vor der Urteilsverkündung. Betroffen sind gut 3.200

Arbeitgeber. Bislang sind mehr als 700 Prüfverfahren abge-

schlossen worden. Klageverfahren laufen. Nachvollziehbar-

erweise.

Denn die Rechtslage ist ungeklärt. Das Bundesarbeitsgericht

traf seinerzeit keine Aussage zur Rückwirkung seiner Ent-

scheidung. Zwischenzeitlich hat das Landesarbeitsgericht

Berlin-Brandenburg zwar eine solche angenommen. Aber es

stellte auch fest, dass damit keine Entscheidung über Ver-

trauensschutz im Einzelfall verbunden sei. Die Revision läuft.

Erste Urteile von Arbeitsgerichten liegen vor, die rückwirken-

de Lohnnachforderungen wegen Vertrauensschutz abweisen.

Die Sozialgerichte, die über Anträge auf Aussetzung der

Vollziehung im Eilverfahren entscheiden müssen, entschei-

den mehrheitlich für die Zeitarbeitsunternehmen unter Hin-

weis auf Vertrauensschutz.

Und damit kommen wir zu des Pudels Kern: dem Vertrau-

ensschutz. Auch der Sachverständigenrat reklamiert diesen

im aktuellen Jahresgutachten für die Zeitarbeitsbranche.

Denn das BAG habe eine neue Rechtsprechung eingeleitet.

Die betroffenen Unternehmen hätten nicht vorhersehen kön-

nen, dass die CGZP-Tarifverträge aufgrund einer Änderung

der Rechtsprechung unwirksam seien.

Das alles focht die Sozialversicherungsträger nicht an. Es

wurde vollzogen. Denn ein Widerspruch entfaltet keine auf-

schiebende Wirkung. Und die Anträge auf Aussetzung der

sofortigen Vollziehung wurden durchweg abgelehnt. Auch

ein Stundungskonzept der GKV half den betroffenen Betrie-

ben nicht. Bilanzrechtlich drohte so manchem Betrieb zudem

die Insolvenz und damit seinen Vertragspartnern, den Ein-

satzbetrieben, die Ersatzinanspruchnahme. Denn bis dato

haftet ein Entleiher im Sozialrecht unbedingt, wenn das Zeit-

arbeitsunternehmen zahlungsunfähig wird. Und dies alles,

weil Unternehmen das getan hatten, was die Politik landauf,

landab von der Wirtschaft fordert, nämlich Tarifverträge

anzuwenden.

Der Parlamentskreis Mittelstand handelte. Gemeinsam mit

der Arbeitsgruppe Wirtschaft und Technologie der CDU/

CSU-Bundestagsfraktion wurde ein Antrag entworfen. Ziel ist

es, unbillige Härten durch die Nachzahlung von Sozialversi-

cherungsbeiträgen zu vermeiden. Deshalb wird die Bundes-

regierung aufgefordert, Vorschläge vorzulegen mit dem Ziel,

Vertrauensschutz für die betroffenen Unternehmen wieder-

herzustellen und die Haftung der Entleihunternehmen zu

begrenzen. Von einer Einbringung wird derzeit noch abge-

sehen. Denn die Initiative des Wirtschaftsflügels zeitigt erste

Erfolge.

In Gesprächen mit dem Bundesministerium für Arbeit und

Soziales, der Deutschen Rentenversicherung und der GKV

konnte Klarheit über das Ob und Wie der Betriebsprüfungen

hergestellt werden. Endlich gibt es belastbare Zahlen. Und

diese geben unserem Einsatz recht. Eine durchschnittliche

Beitragsnachforderung von derzeit 55.000 Euro stellt für

viele Betriebe eine erhebliche Belastung dar. Wir konnten

auch eine Transparenz in Sachen Vollzug herstellen. Wenn

jetzt ein Unternehmen einen Antrag auf Aussetzung der so-

fortigen Vollziehung stellt, wird sein Antrag nicht mehr pau-

schal abgelehnt.

Die Gespräche dauern fort. Jetzt stehen die Begrenzung der

Entleiherhaftung und eine Regelung zur Tariffähigkeit im

Mittelpunkt. Zukünftig sollte gesetzgeberisch geregelt wer-

den, unter welchen Voraussetzungen die Tariffähigkeit vor-

liegt bzw. wie diese in einem zeitlich überschaubaren Ver-

fahren anerkannt werden kann – damit sich Fälle wie der

der CGZP nicht mehr wiederholen.

Seite 5MEINUNG

PKM JOURNAL

CGZP-Urteil – eine Lösung rückt näher

Von Gitta Connemann MdBJustiziarin des Parlamentskreis MittelstandVorsitzende der PKM-Kommission „Modernes Arbeits- und Sozialrecht“

Direkt gewählt im Wahlkreis Unterems, Niedersachsen.Mitglied des Deutschen Bundestages seit der 15. Wahlperiode.

Page 6: Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März ... · Arbeitsgruppe, die die Sache umsetzen und verhandeln soll, noch besser wird, das steht zu hoffen. Ein Milliardenmarkt

Wettbewerbsfähigkeit, robustes Wirtschafts-

wachstum und Rekordbeschäftigung sind keine

Selbstläufer. Das ist eine Gemeinschaftsleistung

von Unternehmern und Arbeitnehmern sowie

der Politik, die die notwendigen Rahmenbedin-

gungen gesetzt hat. Die überaus positiven Ar-

beitsmarktzahlen sind vor allem auch der verbesserten Flexi-

bilität der letzten Jahre zu verdanken. Hier hat die Zeitar-

beitsbranche einen entscheidenden und wichtigen Beitrag

geleistet und viele sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze

geschaffen. Eine Studie des IW Köln belegt, dass Zeitarbeit-

nehmer rechnerisch 15 Prozent des deutschen Wirtschafts-

wachstums im Jahr 2010 erwirtschaftet haben –und das,

obwohl sie lediglich rund zwei Prozent der Erwerbstätigen

stellen. Der Zeitarbeit ist es zu verdanken, dass seit einigen

Jahren breite Bevölkerungsteile wieder in sozialversiche-

rungspflichtige Tätigkeiten kommen, die vorher systematisch

vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen waren (z.B. wegen gerin-

ger Qualifikation). Die Solidargemeinschaft muss diese nun

nicht mehr finanzieren. Daraus ergeben sich für den Arbeits-

markt eindeutig positive Effekte: Für 66 Prozent der in Zeit-

arbeitsfirmen Beschäftigten ist die Zeitarbeit eine Chance,

überhaupt oder wieder am Erwerbsleben teilzunehmen. Es

gilt daher, diesen wichtigen Job- und Wachstumsmotor zu

schützen und zu unterstützen.

Das Bundesarbeitsgericht hatte im Dezember 2010 ent-

schieden, dass die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerk-

schaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen

(CGZP) nicht tariffähig sei. Die aufgrund dieser Entschei-

dung unwirksamen Tarifverträge der CGZP fanden vor al-

lem in der Zeitarbeitsbranche Anwendung. Das Urteil des

Bundesarbeitsgerichts gilt unstrittig ab dem Zeitpunkt der

Entscheidung. Die Sozialversicherungsträger fordern nun

von den Zeitarbeitsfirmen jedoch auch Sozialversicherungs-

beiträge für die Zeit vor der Urteilsverkündung. Trotz der

noch ungeklärten Rechtslage werden bereits Beitragsbe-

scheide an die Zeitarbeitsfirmen versandt. Dieses Vorgehen

ist unbillig und gefährdet viele Unternehmen in ihrer Exis-

tenz. Im schlimmsten Fall ist mit Beitragsnachforderungen in

Milliardenhöhe zu rechnen, die über 3.200 Zeitarbeitsfir-

men und mehrere 100.000 Arbeitnehmer betreffen. Gerade

für kleine und mittlere Unternehmen bedeuten diese rückwir-

kenden Nachforderungen eine erhebliche Zusatzbelastung.

Deshalb muss es Vertrauensschutz geben. Die betroffenen

Unternehmen konnten nicht vorhersehen, dass die mit der

CGZP abgeschlossenen Tarifverträge aufgrund einer Ände-

rung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung für unwirk-

sam erklärt werden. Noch absurder wäre es, wenn die Sozi-

alversicherungsträger mit ihren Nachforderungen gegebe-

nenfalls auch auf die Einsatzunternehmen zurückgreifen

könnten, sollten die Zeitarbeitsunternehmen ausfallen.

Hier ist schnelles Handeln der Politik gefordert, um die Flur-

schäden möglichst gering zu halten. Die Arbeitsgruppe Wirt-

schaft und Technologie der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

hat die Bundesregierung aufgefordert, Vorschläge vorzule-

gen, wie der Vertrauensschutz der Zeitarbeitsunternehmen

wieder herzustellen und unbillige Härten durch Nachzah-

lung von Sozialversicherungsbeiträgen zu vermeiden sind.

Zudem gilt es, die Durchgriffshaftung der Entleihunterneh-

men zu begrenzen. Um das zu erreichen, sind alle Optionen

zu prüfen, von gesetzlichen Verankerungen, dass gerichtli-

che Entscheidungen zur Tariffähigkeit, insbesondere im Falle

einer Änderung der Rechtsprechung, nicht rückwirkend gel-

ten, bis hin zu klarstellenden Änderungen im Sozialrecht

oder Stichtagsregelungen. Zumindest sollte die sofortige

Vollziehung von Nachzahlungen ausgesetzt werden, bis die

Sozialgerichte zur Frage des Vertrauensschutzes rechtskräftig

entschieden haben. Die Einsatzbetriebe müssen ebenfalls

auf die Wirksamkeit bestehender Tarifverträge vertrauen

dürfen. Wie im Lohnsteuerrecht könnte ihre Haftung zum

Beispiel auf Fälle beschränkt werden, in denen bei Vertrags-

abschluss keine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis vorge-

legen hat.

Die Zeitarbeit trug erheblich dazu bei, dass die Arbeitslosig-

keit die Drei-Millionen-Marke unterschritten hat. Anders als

oft in der Öffentlichkeit dargestellt, war und ist der wichtigs-

te Grund für den Einsatz von Zeitarbeit die höhere personal-

politische Flexibilität der Unternehmen. Kostengründe spie-

len hingegen nur eine untergeordnete Rolle. Für Unterneh-

men ist Zeitarbeit oft die einzige Möglichkeit, flexibel auf

schwankende Auftragslagen zu reagieren. Sie hat damit eine

wichtige Pufferfunktion. Das hat sich besonders in den Kri-

senjahren 2008/2009 bewahrheitet. Bei der Frage des Ver-

trauensschutzes geht es nicht um „Geschenke“ für die Ar-

beitgeberseite. Es geht vielmehr um die Zukunft eines wichti-

gen Job- und Wachstumsmotors. Der Vertrauensschutz liegt

damit gerade im Interesse der Arbeitnehmer und der Soli-

dargemeinschaft.

MEINUNGSeite 6

PKM JOURNAL

Vertrauensschutz ist das A und O

Von Dr. Joachim Pfeiffer MdBVorsitzender der Arbeitsgruppe Wirtschaft und TechnologieMitglied des Vorstandes des Parlamentskreis Mittelstand

Direkt gewählt im Wahlkreis Waiblingen, Baden-Württemberg.Mitglied des Deutschen Bundestages seit der 15. Wahlperiode.

Page 7: Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März ... · Arbeitsgruppe, die die Sache umsetzen und verhandeln soll, noch besser wird, das steht zu hoffen. Ein Milliardenmarkt

„Das große Solar-Missverständnis“ (Financial

Times Deutschland), „Energiewende im Hei-

zungskeller abgesagt“ (Die Welt), „Welches

Marktdesign braucht die Energiewende“ (FAZ)

– tagtäglich gibt es neue Berichte rund um die

Energiewende. Die Energiepolitik ist seit den

Beschlüssen zur beschleunigten Energiewende im Sommer

letzten Jahres nicht nur zum politischen, sondern auch zum

öffentlichen Dauerthema geworden. Auch mit dem Ausstieg

aus der Kernenergie hat die Energiepolitik nicht an Emotio-

nalität verloren. Es gibt ein Ringen darüber, wie die ambitio-

nierten energiepolitischen Ziele erreicht werden können.

Meiner Ansicht nach braucht es folgende Erfordernisse, da-

mit die erfolgreiche Energiewende gelingt:

1. Die Energiewende braucht Glaubwürdigkeit

Um die Energiewende zu schaffen, brauchen wir eine glaub-

würdige Energiepolitik, die zukünftige Herausforderungen

nicht ausblendet. Das bedeutet, dass die Politik erklären

muss, dass die Energiewende Geld kostet, dass wir mehr

Netze brauchen und dass die Netzstabilität evtl. gefährdet

ist. Es muss auch deutlich gesagt werden, dass die neue

Energiewelt nicht von heute auf morgen entstehen wird, son-

dern wir mindestens in den kommenden zwei Dekaden auch

weiter mehr konventionelle Energien brauchen werden.

2. Die Energiewende braucht Markt und Wettbewerb

Für eine erfolgreiche Energiewende brauchen wir vor allem

einen Markt mit einem starken Wettbewerb. Das heutige

EEG ist kein Zukunftsmodell. Das EEG hat sich als gutes

Markteinführungsinstrument erwiesen, denn so erreichten

die erneuerbaren Energien zügig einen Anteil von 20 Pro-

zent am Strommix. Um den weiteren Ausbau der erneuerba-

ren Energien voranzutreiben, brauchen wir mittelfristig mehr

Markt und Systemverantwortung der erneuerbaren Energien.

Um die Kosteneffizienz zu wahren, muss der Schwerpunkt

der Förderung dort liegen, wo die höchsten Potentiale sind.

Wir erleben gerade am Zubau der Photovoltaik (PV), dass

das EEG nicht das geeignete Instrument für eine Steuerung

des erneuerbaren Zubaus ist. So sehen Szenarien zum Ener-

giekonzept 2010 bis 2020 eine Gesamtkapazität von 33,3

Gigawatt (GW) installierter Photovoltaikleistung vor. Ende

2011 waren bereits 25,8 GW installiert. Zur Erreichung des

Ausbauziels können demnach bis 2020 max. noch 7,5 GW

PV-Module neu installiert werden. Daraus ergibt sich ein

maximal jährlicher Zubau von rund 800 MW. Es ist aber

davon auszugehen, dass dieses Ziel weit überschritten wird.

Und das, obwohl die Photovoltaik nach wie vor die teuerste

und ineffizienteste Form ist, erneuerbaren Strom zu erzeu-

gen. So nahm die Photovoltaik 2010 rund 40 Prozent des

EEG Vergütungsvolumens, hatte aber lediglich einen Anteil

von rund drei Prozent am Strommix. In 2012 werden von

voraussichtlich rund 14,1 Milliarden Euro EEG-Umlage

rund 7,4 Milliarden Euro für die Photovoltaik ausgegeben.

Der zügellose Ausbau der Photovoltaik muss zukünftig wirk-

sam begrenzt werden.

3. Energiewende braucht Netze und Speicher

Die erneuerbaren Energien – gerade Wind und Sonne –

sind oft zur falschen Zeit am falschen Ort. Waren es noch

vor Jahren durchschnittlich 40 km zwischen Verbraucher

und Erzeuger, müssen zukünftig hunderte Kilometer über-

brückt werden. Die Windenergie aus dem Norden muss in

den verbrauchsstarken Süden transportiert werden. Somit

werden die Stromnetze auf allen Spannungsebenen zur

Achillesferse für den Umbau der Energieversorgung.

Die zunehmende Einspeisung volatilen erneuerbaren

Stroms, verbunden mit dem Wegfall von rund zehn Prozent

gesicherter Erzeugungsleistung durch die vorzeitige Außer-

betriebnahme von acht Kernkraftwerken, gefährdet zuneh-

mend die Netzstabilität. Unsere Nachbarländer sind immer

weniger bereit, überschüssigen EE-Strom aus Deutschland

aufzunehmen und richten entsprechende technische Barrie-

ren an den Grenzen ein. Entscheidendes Problem bleibt

jedoch, dass der Netzausbau in Deutschland mit der Ge-

schwindigkeit des Zubaus von EE-Erzeugungsanlagen nicht

annähernd Schritt hält. Beispiel dafür ist Schleswig-Holstein.

So wird der Zubau der Windenergie (onshore) von heute ca.

3.800 Megawatt (MW) sich bis 2015 auf 9.000 MW erhö-

hen. Hinzu kommen 3.200 MW (offshore). Dies bedeutet,

dass im Jahr 2015 rund 12.200 MW (onshore+offshore)

Windenergie installiert sein werden. In Schleswig-Holstein

wird aber bis 2015 nur eine Kapazität von 1.000 MW

(Schwachlast) bis 3.000 MW (Starklast) benötigt. Der Rest

Seite 7MEINUNG

PKM JOURNAL

Was die Energiewende zum Gelingen braucht?

Von Thomas Bareiß MdBKoordinator für Energiepolitik der CDU/CSU-BundestagsfraktionMitglied des Vorstandes des Parlamentskreis Mittelstand

Direkt gewählt im Wahlkreis Zollernalb – Sigmaringen, Baden-Württemberg.Mitglied des Deutschen Bundestages seit der 16. Wahlperiode.

Page 8: Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März ... · Arbeitsgruppe, die die Sache umsetzen und verhandeln soll, noch besser wird, das steht zu hoffen. Ein Milliardenmarkt

muss folglich abtransportiert werden. Es braucht also drin-

gend den Ausbau der Netze, insbesondere der Stromauto-

bahnen von Nord nach Süd. Das im Sommer 2011 be-

schlossene Netz-Paket (NABEG, BundesbedarfsplanG etc.)

geht in die richtige Richtung. Dies geht nur mit mehr Akzep-

tanz in der Bevölkerung und wenn Bund, Länder und Kom-

munen an einem Strang ziehen. Auch eine Synchronisation

von erneuerbaren Energien, Zubau und Netzausbau sollte

vorangetrieben werden. Denn derzeit wird EEG-Strom über-

wiegend nicht in den Markt integriert. Grund dafür ist das

EEG, das die erneuerbaren Energien mit einer bedarfsunab-

hängigen Einspeisevergütung fördert. Dadurch entstehen

massive Fehlanreize, die eine bedarfsabhängige Einspei-

sung unattraktiv machen und das System weiter verteuern.

Grundlegende Veränderungen in der Förderstruktur sind

also erforderlich.

Neben einem schnellen Netzausbau brauchen wir mittelfris-

tig aber auch den Ausbau von Energiespeichern. Deshalb

muss schon frühzeitig die Forschung und Entwicklung von

Speichern gefördert werden. Wo Speicher marktreif sind,

müssen regulatorische Hemmnisse abgebaut werden.

4. Energiewende braucht Energieeffizienz

Ein zentraler Baustein beim Umbau der Energieversorgung

ist die deutliche Erhöhung der Energieeffizienz. Bis 2020

wollen wir den Primärenergieverbrauch gegenüber 2008

um 20 Prozent, bis 2050 um 50 Prozent senken. Der

Schlüssel zu mehr Energieeffizienz ist die Gebäudesanie-

rung. 40 Prozent des Energiebedarfs entfallen auf Gebäude.

Fortschritte erreichen wir nicht durch Zwang, sondern durch

Anreize. Deshalb ist der Dreiklang aus CO2-Gebäudesanie-

rungsprogramm, Mietrechtsänderungsgesetz und steuerli-

cher Förderung von enormer Bedeutung für mehr Energieef-

fizienz.

Dies betrifft insbesondere das im Sommer letzten Jahres im

Bundestag verabschiedete Gesetz zur steuerlichen Förde-

rung von energetischen Sanierungsmaßnahmen. Die Bun-

desländer sind besonders in der Pflicht, endlich auch Ver-

antwortung für die Energiewende zu übernehmen und dem

Gesetz im Bundesrat zuzustimmen. Neben Handwerk und

Industrie, Mieter und Wohneigentümer profitieren auch die

Länder und Kommunen von den energetischen Sanierungs-

maßnahmen. Die Länder sollten erkennen, dass eine steuer-

liche Förderung auch zu einer Gewinnsituation für die öf-

fentlichen Haushalte führt: Die durch die steuerlichen Anrei-

ze ausgelösten privaten Investitionen bringen Rückflüsse aus

Einnahmen aus der Mehrwertsteuer; hinzu kommen Be-

schäftigungseffekte und positive Effekte aus Gewerbesteuer,

Körperschaftssteuer und Einkommenssteuer.

5. Energiewende braucht eine Energiepolitik aus einer Hand

Die vor uns liegenden Aufgaben müssen gebündelt werden.

Nur so kann eine beschleunigte Energiewende mit den Prä-

missen Zukunftsfähigkeit, Sicherheit und Bezahlbarkeit zum

Erfolg geführt werden. Deshalb brauchen wir eine bessere

Koordinierung der Energiepolitik auf Regierungsebene. Es

darf nicht sein, dass die Energiepolitik zwischen sechs ver-

schiedenen Ministerien und unterschiedlichen Zuständig-

keitsbereichen zerrieben wird. Auch mit der zunehmenden

Bedeutung der europäischen Ebene für die nationale Ener-

giepolitik ist es notwendig, dass wir massiver als bisher un-

sere energiepolitischen Interessen in Brüssel vertreten. Auch

dort gilt, dass eine einheitliche deutsche Stimme am meisten

Wirkung haben wird.

Das von der Regierung eingeleitete Energiemonitoring ist

ein richtiger Schritt in diese Richtung. Es darf aber nicht als

Papiertiger enden.

6. Energiewende braucht Europa

Die Energiewende gelingt nicht im nationalen Alleingang,

sondern nur mit mehr Europa. Das bedeutet, wir müssen

den Energiebinnenmarkt stärker ausbauen. Denn zur Siche-

rung unseres Strombedarfs wird Europa immer wichtiger

werden. Nicht nur weil es im europäischen Ausland wesent-

lich bessere Voraussetzungen für erneuerbare Energien gibt

und wir damit von einer wesentlich günstigeren Erzeugung

in unseren Nachbarländern profitieren können, sondern

auch weil grundlastfähige Kraftwerke unserer Nachbarn

auch in wind- und sonnenschwachen Stunden unseren

Strombedarf sichern. Darüber hinaus gibt es in Skandina-

vien, aber auch in den Alpenländern Pumpspeicherkapazitä-

ten, die wir stärker nutzen können. Um den grenzüberschrei-

tenden EU-Energiebinnenmarkt zu ermöglichen, brauchen

wir auch hier den Ausbau der Stromnetze. Wo dies nicht

wirtschaftlich möglich ist, werden auch die Mitgliedsstaaten

mit Anreizen den Netz-Ausbau beschleunigen müssen. Auch

eine bessere europäische Abstimmung der nationalen För-

dersysteme für die erneuerbaren Energien muss zwangsläu-

fig vorangetrieben werden.

Der Umbau der Energieversorgung ist ein großes Gemein-

schaftswerk, zu dem jeder seinen Beitrag leisten muss: In-

dustrie, Handel und Gewerbe, die Energieversorgungsunter-

nehmen, der Staat, aber auch jeder einzelne Bürger. Jeder

Einzelne muss die Herausforderungen mit anpacken, damit

die Energiewende gelingt.

MEINUNGSeite 8

PKM JOURNAL

Page 9: Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März ... · Arbeitsgruppe, die die Sache umsetzen und verhandeln soll, noch besser wird, das steht zu hoffen. Ein Milliardenmarkt

Quo vadis? Diese Frage muss sich die deut-

sche Landwirtschaft wieder einmal stellen.

Denn mehr denn je steht sie heute in einem

Spannungsfeld zwischen hohen gesellschaftli-

chen Erwartungen in den Bereichen Tier-, Na-

tur-, Umweltschutz und den Herausforderun-

gen, zur Bewältigung des weltweiten Hungers sowie der Pro-

duktion von Bioenergie beizutragen.

Ein Beispiel vorweg: Ein junger Landwirt, der mit seiner Fa-

milie einen Betrieb in einer Größenordnung von knapp un-

ter 250 Hektar mit etwa 100 Milchkühen bewirtschaftet,

möchte diesen modernisieren und weiter entwickeln. Nach

Bewertung verschiedener betriebswirtschaftlicher Konzepte

entschließt er sich zum Bau einer modernen Hähnchenmast-

anlage. Die notwendigen Prüfunterlagen wurden bei den

Behörden eingereicht und letztlich ohne wesentliche Bean-

standungen genehmigt. Mit der Kommune wurde intensiv

zusammengearbeitet, die Öffentlichkeit in einem transpa-

renten Verfahren eingebunden.

Alles gut, könnte man meinen. Mitnichten. Denn es bildete

sich schnell eine Bürgerinitiative, die gegen die Hähnchen-

mastanlage opponierte – trotz strenger behördlicher Zulas-

sungsverfahren. Begründung: Man sei wegen der Ruhe und

Erholung auf’s Land gezogen. Kein Verständnis herrschte

dagegen für den Landwirt, der seinen Familienbetrieb (!)

weiter entwickeln wollte.

Solche und ähnlich gelagerte Fälle gehören heute zum

„täglich Brot“ derjenigen Landwirte, die ihren Betrieb erwei-

tern möchten. In der Kritik stehen aber nicht nur der Bau

von Stallanlagen. Scharfer Gegnerschaft sieht sich die mo-

derne Agrarwirtschaft immer stärker über die gesamte Pro-

duktionskette ausgesetzt. Wobei bestimmte gesellschaftliche

Gruppen nicht selten im Zusammenspiel mit den Medien

das Bild einer Landwirtschaft von vorgestern zu idealisieren

versuchen.

Die Gründe hierfür liegen im Erfolg unserer Agrarwirtschaft:

Niemand muss im Deutschland des 21. Jahrhunderts hun-

gern. Lebensmittel sind qualitativ hochwertig und günstig

wie nie. Mussten die Deutschen 1925 noch die Hälfte des

Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben, sind es heute

lediglich noch zwölf Prozent. Erreicht wurde diese beträchtli-

che Wohlstandmehrung unserer Gesellschaft durch eine

beachtliche Effizienzsteigerung über die gesamte land- und

ernährungswirtschaftliche Wertschöpfungskette.

Zwar arbeiten heute in der Zukunftsbranche Agribusiness –

das ist die gesamte Wertschöpfungskette der Landwirtschaft

mit den vor- und nachgelagerten Bereichen – etwa fünf Mil-

lionen Menschen. Die Landwirtschaft selbst hat allerdings

über die letzten Jahrzehnte durch die Effizienzsteigerungen

in der Produktion einen starken Strukturwandel durchlaufen.

Heute arbeiten lediglich noch ca. 650.000 Menschen in

300.000 Betrieben. 1949 waren es fast fünf Millionen Er-

werbstätige in 1,6 Millionen Betrieben. Die Folge: Über die

Jahre ist das selbstverständliche Wissen über die landwirt-

schaftliche Produktion aus dem kollektiven Erfahrungshori-

zont unserer Gesellschaft verschwunden. Und wo Wissen

verschwindet, verschwindet zunehmend die Akzeptanz.

Die Landwirte müssen sich dem stellen. Wichtig sind hierbei

Transparenz in der Produktion und die permanente Weiter-

entwicklung von Standards in den Bereichen Tier-, Natur-

und Umweltschutz. Wer allerdings glaubt, einer extensiven

Museumslandwirtschaft das Wort reden zu können, befindet

sich auf dem Holzweg. Dafür sind die Herausforderungen,

denen sich die Landwirtschaft in Deutschland, Europa und

in der Welt stellen muss zu groß.

Mittlerweile ist es ja schon eine Binsenweisheit, dass die

Landwirtschaft die Herkulesaufgabe schultern muss, 2050

etwa neun Milliarden Menschen zu ernähren, gleichzeitig

aber in zunehmendem Maße Agrarrohstoffe für Bioenergie

zu produzieren. Beides ist gewollt. Beides ist möglich, sagen

Experten. Über die Ausweitung der Produktionsflächen ist

das aber nicht zu bewerkstelligen. Denn die landwirtschaftli-

che Nutzfläche ist weltweit kaum noch zu steigern – und

wenn, wie in vielen Entwicklungsländern leider geschehen,

mit erheblichen negativen Auswirkungen auf die Umwelt

und die Menschen vor Ort. Das kann niemand wollen. Des-

wegen gilt für die Landwirtschaft das FAO-Credo der nach-

haltigen Produktionssteigerung. Sie muss laut FAO weltweit

die Nahrungsmittelproduktion bis 2050 um 70 Prozent er-

höhen.

Steigerung der Produktion bei relativ gleich bleibenden

landwirtschaftlichen Nutzflächen heißt aber nichts anderes

Seite 9MEINUNG

PKM JOURNAL

Landwirtschaft zwischen Intensität und Nachhaltigkeit

Von Franz-Josef Holzenkamp MdBVorsitzender der Arbeitsgruppe Ernährung, Landwirtschaft und VerbraucherschutzMitglied des Parlamentskreis Mittelstand

Direkt gewählt im Wahlkreis Cloppenburg – Vechta, Niedersachsen.Mitglied des Deutschen Bundestages seit der 16. Wahlperiode.

Page 10: Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März ... · Arbeitsgruppe, die die Sache umsetzen und verhandeln soll, noch besser wird, das steht zu hoffen. Ein Milliardenmarkt

als Steigerung des Ertragspotentials. Hierzu können viele

Faktoren einen Beitrag leisten. Ein Punkt ist beispielsweise

die Weiterentwicklung der Pflanzengenetik. Geforscht wer-

den muss dabei in alle Richtungen. Denkverbote darf es

nicht geben. So sollte auch die grüne Gentechnik in

Deutschland zumindest eine Option für die Landwirte blei-

ben. Dass sich hierzulande Unternehmen wie Bayer oder die

BASF entscheiden, ihre Forschungsaktivitäten in diesem Be-

reich ins Ausland zu verlagern, wirft ein erschreckendes Bild

auf den Innovationsstandort Deutschland.

Das Thema der knappen Agrarflächen ist auch in Deutsch-

land virulent. Seit Jahren gehen wertvolle, produktive Agrar-

flächen durch Versiegelung oder Naturschutz-Ausgleichs-

flächen verloren. Zwischen 1992 und 2010 büßte die deut-

sche Landwirtschaft so über 800.000 Hektar ein. Das sind

90 Hektar pro Tag – also etwa 130 Fußballfelder. Ziel der

nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ist die Reduktion des

Flächenverbrauchs bis 2020 auf 30 Prozent. Davon sind wir

heute noch weit entfernt.

Dieser Flächenfraß muss schnellstens erheblich reduziert

werden. Denn jeder verlorene Hektar Agrarfläche ist eine

verlorene Fläche im Kampf gegen Hunger und auch verlo-

ren für die Umsetzung der Energiewende. Insbesondere für

Maßnahmen im Rahmen der Energiewende sollte deshalb

auf naturschutz-kompensatorischen Flächenausgleich ver-

zichtet werden.

Die Frage des Flächenverlustes ist aktuell auch eines der

großen Streitthemen bei der Neugestaltung der Gemeinsa-

men europäischen Agrarpolitik (GAP) für den Zeitraum nach

2013. So hat die Kommission vorgeschlagen, sieben Pro-

zent der agrarischen Flächen aus Umweltgründen aus der

Produktion zu nehmen. Das ist vor dem Hintergrund der

geschilderten Herausforderungen der falsche Weg. Denn

damit würden etwa 600.000 Hektar landwirtschaftlicher

Fläche aus der Produktion genommen. Das entspricht fast

einem Viertel der gesamten Anbaufläche für nachwachsen-

de Rohstoffe in Deutschland.

Unsere Landwirtschaft steht vor großen Aufgaben, die sie als

Chance verstehen sollte. Gleichzeitig muss sie den hohen

Erwartungen unserer Gesellschaft an die landwirtschaftliche

Produktion gerecht werden. Dass aus dieser Gleichung kei-

ne Ungleichung wird, ist die eigentliche Herausforderung an

die moderne Landwirtschaft in Deutschland.

MEINUNGSeite 10

PKM JOURNAL

Page 11: Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März ... · Arbeitsgruppe, die die Sache umsetzen und verhandeln soll, noch besser wird, das steht zu hoffen. Ein Milliardenmarkt

Freie Berufe gestalten

Megatrends

Von Dr. Rolf Koschorrek MdBPräsidentBundesverband derFreien Berufe (BFB)

Jeder zehnte Euro wird in Deutschland von den rund eine

Million Selbstständigen in den Freien Berufen und ihren

mehr als drei Millionen Mitarbeitern erwirtschaftet. Die Frei-

en Berufe finanzieren als Arbeitgeber nicht nur die öffentli-

chen und sozialen Kassen mit. Sie bieten auch jungen Men-

schen Perspektiven. Mehr als 128.000 Jugendliche haben

die Freien Berufe derzeit unter Lehrvertrag.

Die Freien Berufe sind nicht nur ein wirtschaftliches, sondern

auch ein gesellschaftliches Schwergewicht. Sie verkörpern

den Strukturwandel hin zur Dienstleistungs- und Wissensge-

sellschaft. Leistungsträger des Fortschritts werden mit stei-

gender Tendenz die hochqualifizierten und kreativen Köpfe

aus freiberuflichen Feldern sein. Sie gestalten Megatrends

wie Umweltschutz und technische Innovationen mit und un-

terstützen die Bürger in einer immer komplexeren Lebens-

und Arbeitswelt. Soll unsere Volkswirtschaft auch angesichts

der demografischen Entwicklung weiter wachsen, ideen-

reich, erfinderisch und effektiv sein, sind die Freien Berufe

besonders gefragt. Wegen ihrer Leistungsbereitschaft und

als Qualitätsgaranten sind die deutschen Freien Berufe

wichtige Schrittmacher für den europäischen Binnenmarkt.

Um Wachstumspotenziale ausreizen zu können, müssen die

richtigen Weichen gestellt werden. Grundsätzlich müssen

die Freien Berufe anerkannt und gestärkt werden. Dies be-

zieht ausdrücklich Kernwerte wie Gemeinwohlorientierung

oder persönliche Leistungserbringung, aber auch Organisa-

tionsprinzipien wie die transparente Selbstverwaltung mit

ein. So wird hohe Qualität und Unabhängigkeit gesichert,

was Vertrauen schafft und die Verbraucher schützt.

Im Sinne eines allgemeinen Bekenntnisses ist es unerlässlich,

den Begriff des Freien Berufs auf europäischer Ebene ein-

heitlich anzuwenden. Dies ist Voraussetzung dafür, dass

Charakteristika in europäischen Initiativen noch besser be-

rücksichtigt werden können. Bei den marktrelevanten EU-

Regulierungs- und Deregulierungsprojekten ist auch von der

nationalen Politik Obacht und rechtzeitige Auseinanderset-

zung gefordert. Im Zuge der Überarbeitung der EU-

Berufsqualifikationsrichtlinie, die die gegenseitige Anerken-

nung von Abschlüssen regelt, ist ein hohes Qualitätsniveau

zu fördern. Für die jungen Berufsträger wäre dies ein wichti-

ges Signal, weil ihre Ausbildung so wertgeschätzt würde.

Einem „race to the bottom“ mit abgesenkten Leistungsstan-

dards ist auch beim EU-Normungspaket vorzubeugen. Die

Dienstleistung eines Freiberuflers ist nicht beschreibbar,

denn sie ist eine kreative, maßgeschneiderte Individuallö-

sung für den jeweiligen Patienten, Mandanten, Klienten und

Kunden.

Ob Berufeanerkennung, Normung oder aber die weiteren

Schritte beim Europäischen Qualifizierungsrahmen, mit dem

Bildungsabschlüsse vergleichbarer gemacht werden können,

diese drei Pakete sind sauber voneinander zu trennen. Kei-

nesfalls darf etwa die Novellierung der Berufsanerkennungs-

richtlinie durch andere Projekte unterlaufen werden. Schließ-

lich darf der hohe Gütegrad nicht gesenkt werden. Sonst

würde die Basis für das besondere Vertrauensverhältnis, in

dem die freiberufliche Leistung hierzulande erbracht wird,

empfindlich gestört und ein effektiver Verbraucherschutz

ausgehebelt.

Die Wechselbeziehung zwischen Freiberufler und seinem

Kunden ist von Vertrauen geprägt. Dies muss auch vom

nationalen Gesetzgeber respektiert werden. Insofern muss

sauber austariert und darf der Schutz der Privatsphäre nicht

einfach der Terrorabwehr untergeordnet werden. Zudem

muss das Vertrauensverhältnis insbesondere zu zeugnisver-

weigerungsberechtigten Berufsgeheimnisträgern vorbehalt-

los vor staatlicher Überwachung geschützt werden.

Die Freien Berufe sind Leistungsträger. Insofern ist der Büro-

kratieabbau voranzutreiben und das Steuersystem zu verein-

fachen, um die Zielmarke einer leistungsfördernden Besteu-

erung anzuvisieren. Im Zuge von Basel III darf es zudem bei

der Kreditvergabe nicht zu zusätzlichen Belastungen für die

Freien Berufe kommen.

Ein eindeutiger Wachstumshemmer ist wie in anderen Sekto-

ren auch der Fachkräftemangel. Hier müssen weitere Anrei-

ze geschaffen werden. Denn, um neue Felder und Dienst-

leistungen zu erschließen, brauchen die Freien Berufe nicht

nur ausreichend viele, sondern auch hinreichend qualifizier-

te Mitarbeiter.

Der gemeinsame Aufgabenkatalog ist dick und reicht von

der Gestaltung der Energiewende über die Entwicklung ei-

ner umfassenden Gesundheitsstrategie und der Gewährleis-

tung ausreichender Planungs- und Rechtssicherheit bis hin

zu den Herausforderungen, die sich etwa durch die Digitali-

sierung in der Kultur- und Kreativwirtschaft ergeben. Hierbei

werden die Freien Berufe, wird der BFB seine Expertise ein-

bringen, mitgehen, mitgestalten und mitverantworten.

Seite 11GESPRÄCH

PKM JOURNAL

Page 12: Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März ... · Arbeitsgruppe, die die Sache umsetzen und verhandeln soll, noch besser wird, das steht zu hoffen. Ein Milliardenmarkt

POLITIKSeite 12

PKM JOURNAL

++++

Der Bundestag hat in 2./3. Lesung das Gesetz zum bes-seren Schutz der Verbraucher vor Kostenfallen im elekt-ronischen Geschäftsverkehr verabschiedet (BT-Drs.17/7745; BT-Drs. 17/8805). Rechtssicherheit und Verbrau-cherschutz im Internet werden dadurch gestärkt. Sosollen Verbraucher im Internet besser vor so genanntenKosten- und Abofallen geschützt werden. Der Rechts-verkehr verläuft nach klaren Regeln: unter anderem sollein Vertrag zwischen einem Unternehmen und einemVerbraucher im Internet nur zustande kommen, wenndie Schaltfläche für die Bestel lung mit„zahlungspflichtig bestellen“ oder einer ähnlich unmiss-verständlichen Formulierung beschriftet ist (so genann-te Schaltflächen-Lösung). Informationen über die we-sentlichen Merkmale des Produkts, den Gesamtpreis,die Liefer- und Versandkosten sowie eine etwaige Min-destlaufzeit müssen unmittelbar oberhalb des Bestell-buttons klar und in hervorgehobener Weise abgebildetwerden. Durch das Gesetz werden entsprechende Re-gelungen aus der EU-Verbraucherrecht-Richtlinie um-gesetzt, die am 12. Dezember 2011 in Kraft getreten ist.

++++

Die „Stoiber-Gruppe“ hat einen Bericht zur Verringe-rung der Verwaltungslasten in der Europäischen Unionvorgelegt. Er enthält u.a. Vorschläge für eine möglichstbürokratiearme Umsetzung von EU-Regelungen. Emp-fohlen wird unter anderem der regelmäßige Austauschzwischen den Mitgliedstaaten zu bewährten Maßnah-men; zudem gibt der Bericht inhaltliche Anregungen fürdie Programme zur besseren Rechtsetzung auf Ebeneder Europäischen Union und der Mitgliedstaaten undwirbt für e-government-Lösungen. Deutschland schnei-det im EU-weiten „Best-Practice-Vergleich“ gut ab. An-lässlich der Vorstellung des Berichts gab Kommissions-präsident Barroso die Verlängerung des Mandats derStoiber-Gruppe bis Ende 2014 bekannt. Der Bericht„Was Europa besser machen kann“ ist abrufbar unter :http://ec.europa.eu/dgs/secretariat_general/admin_burden/best_practice_report/docs/bp_report_signature_de.pdf

++++

Die christlich-liberale Regierung will Suchmaschinen-betreiber und andere gewerbliche Anbieter im Netzkünftig dazu verpflichten, für die Verbreitung von Zei-tungsartikeln etc. im Internet ein Entgelt an die Verlagezu zahlen. Auf dieses neue Leistungsschutzrecht für Pres-severlage hat sich der Koalitionsausschuss in seinerjüngsten Sitzung verständigt. Die Presseverlage sollenan den Gewinnen gewerblicher Internet-Dienste betei-ligt werden, die Urheber eine angemessene finanzielleBeteiligung an der Verwertung erhalten. Für die ge-werbliche Wirtschaft bleiben das Lesen am Bildschirm,das Speichern und der Ausdruck von Presseerzeugnis-sen kostenfrei.

++++

Die AG Wirtschaft der CDU/CSU-Fraktion im DeutschenBundestag setzt sich dafür ein, dass Unternehmen dieSozialversicherungsbeiträge für bezahlte Löhne künftigwieder erst nachträglich - bis zum 15. des Folgemonats- entrichten müssen. Nach heutiger Rechtslage, gültigseit 2006, müssen die Sozialversicherungsbeiträge be-reits am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Mo-nats entrichtet werden. Diese Regelung hatte sich inder Praxis jedoch als wenig praktikabel erwiesen, dadie Unternehmen die betreffenden Angaben im Folge-monat vielfach auf die tatsächlich ausbezahlten Ent-gelte hin regelmäßig nachkorrigieren mussten. Für denFall, dass die vollständige Rückkehr zum Status Quo vor2006 nicht möglich sein sollte, soll die BundesregierungAlternativen aufzeigen, wie die Beitragszahlung wiederauf den abgelaufenen Monat bezogen werden kann,ohne den Unternehmen die im Jahr 2006 entzogeneLiquidität zurückzuerstatten.

++++

Am 5. März 2012 hat eine Anhörung des Ausschusses fürWirtschaft und Technologie stattgefunden, bei der dasThema Energieeffizienz und insbesondere der aktuelleVorschlag der Europäischen Kommission für eine Ener-gieeffizienzrichtlinie (KOM(2011)370 endg.) diskutiertwurde. Der Entwurf sah unter anderem vor, dass dieMitgliedstaaten Systeme installieren, mit denen derEnergieverbrauch durch die Energielieferanten jährlichum 1,5 Prozent gesenkt werden soll. Damit will EU-KOMsicherstellen, dass das Ziel einer Steigerung der Energie-effizienz in der Europäischen Union bis zum Jahr 2020um 20 Prozent erreicht wird. Die Wirtschaft macht vorallem geltend, dass gerade in der energieintensivenIndustrie Effizienzpotenziale bereits weitgehend ausge-schöpft sind, dass zu ambitionierte und starre Einspar-vorgaben den vielfältigen Gegebenheiten der unter-schiedlichen Wirtschaftsbranchen auf Dauer nicht ge-recht werden und für die Unternehmen häufig nicht zuschultern seien. Gleichzeitig werden gerade seitens derGerätehersteller und Energiedienstleister auch dieChancen weitere Energieeffizienzmaßnahmen betont.BMWi und BMU hatten sich Ende Februar auf verbindli-che nationale Zielvorgaben für die Energieeffizienz ver-ständigt und wollen diese in den Verhandlungen inBrüssel mit der Forderung nach Flexibilität in der Umset-zung verknüpfen.

++++

Die Bundesregierung will bereits im April einen Gesetz-entwurf für ein Begleitgesetz zum neuen EuropäischenSEPA-Verfahren beschließen. Die neue 22-stellige SEPA-Nummer soll an die Stelle der bisherigen Kontonummerund Bankleitzahl treten und den Zahlungsverkehr in Eu-ropa erleichtern. Für die besonders wichtige Aufklärungder Verbraucher sei der „SEPA-Rat“ eingerichtet wor-den, dem Bundesregierung, Deutsche Bundesbank, dieKreditwirtschaft und Verbrauchschutzverbände ange-hören würden.

Page 13: Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März ... · Arbeitsgruppe, die die Sache umsetzen und verhandeln soll, noch besser wird, das steht zu hoffen. Ein Milliardenmarkt

Seite 13POLITIK

PKM JOURNAL

++++

Neuer Schwung für die Finanzierungsbedingungen fürjunge, innovative Unternehmen in Deutschland: BeimInnovationsdialog der Bundeskanzlerin mit Vertreternvon Wirtschaft und Wissenschaft am 27. Februar 2012wurde unter anderem vereinbart zu prüfen, wie nochin dieser Legislaturperiode die steuerlichen Rahmenbe-dingungen für Wagniskapital attraktiver ausgestaltetwerden können. Geklärt werden soll beispielsweise,inwiefern Regelungen zur Umsatzsteuerfreiheit von Ma-nagementvergütungen anderer Mitgliedstaaten indeutsches Recht übertragen werden können. Zudemsoll auch ein Vorschlag für eine beihilferechtlich tragfä-hige Sanierungsklausel zur Verlustbehandlung im deut-schen Steuerrecht entwickelt sowie eine gesetzlicheKlarstellung für die steuerliche Transparenz von Beteili-gungskapitalfonds geprüft werden. Um mehr Investitio-nen von Business Angels zu stimulieren, wird zudem biszum Sommer 2012 eine entsprechende Investitionszula-ge neu vorgestellt. Der PKM, der seit langem für attrak-tive und international wettbewerbsfähige Rahmenbe-dingungen für Wagniskapital und Business Angels wirbt,begrüßt die Vereinbarungen nachdrücklich als Schrittin die richtige Richtung.

++++

Steuereinnahmen haben 2011 das Loch im deutschenStaatshaushalt deutlich schrumpfen lassen. Die Neu-verschuldung von Bund, Ländern, Kommunen und Sozi-alversicherung fiel um 80 Milliarden auf 25,8 MilliardenEuro. Die Summe entspricht 1,0 Prozent des Bruttoin-landsproduktes, teilte das Statistische Bundesamt mit.Damit wurde die im EU-Stabilitätspakt festgesetzteSchuldengrenze von drei Prozent wieder eingehalten.2010 betrug das Defizit noch 4,3 Prozent, 2009 waren es3,2 Prozent. Nach Prognose der Bundesbank wird dieNeuverschuldung in diesem Jahr bei etwa einem Pro-zent verharren. Der fast anderthalb Jahre währendeSteuerboom hat im Januar ein vorläufiges Ende gefun-den. Wegen der schwächeren Konjunktur gingen dieEinnahmen von Bund und Ländern im Januar um 0,4Prozent zurück - zum ersten Mal seit Sommer 2010. „DerTrend monatlich steigender Einnahmen ist zunächstgebrochen“, schrieb das Bundesfinanzministerium.Steuerschätzer sehen sich in ihrer Warnung bestätigt,dass der Staat nicht mehr automatisch mit konjunktur-bedingten Mehreinnahmen rechnen kann und des-halb sparen muss.

++++

Das Bundeswirtschaftsministerium wird die Energiebe-ratung im Mittelstand weiter fördern. Am 1. März 2012ist die neue Richtlinie für das Förderprogramm„Energieberatung Mittelstand“ in Kraft getreten.

++++

Der Bundestag hat in Erster Lesung über den Gesetz-entwurf zur Änderung des Kraft-Wärme-Kopplungs-gesetzes (BT-Drs. 17/8801) beraten. Ziel des Gesetzent-wurfs ist es, die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung(KWK) zu verbessern, um für diese Technologie einenAnteil von 25 % an der Stromerzeugung bis zum Jahr2020 zu erreichen. Die KWK-Technik bietet im Ver-gleich zur ungekoppelten Erzeugung eine wesentlichhöhere Effizienz bei der Nutzung der eingesetzten Pri-märenergie. Mit der Novelle sollen die Zuschläge fürKWK-Anlagen, die ab 2013 den Betrieb aufnehmen,erhöht werden. Nachrüstungen und Modernisierun-gen von Anlagen werden erleichtert. Außerdem solles eine Förderung von Wärmespeichern geben. Sehrkleine KWK-Anlagen sollen in Zukunft unbürokratischpauschalierte Zuschlagszahlungen erhalten. KWK-Anlagen werden durch Zuschläge auf den Strompreisgefördert. Die Förderung ist seit 2009 auf 750 MillionenEuro im Jahr begrenzt. Laut Bundesregierung beliefensich die Kosten der Förderung zwischen 2003 und 2006auf etwa 800 Millionen Euro. Durch das Auslaufen derFörderung bestimmter Anlagekategorien ist die Förde-rung 2008 auf 521 Millionen Euro und 2009 auf 386 Mil-lionen Euro gesunken. Bei unveränderter Förderungwürde die Kraft-Wärme-Kopplung im Jahr 2020 einenAnteil von 20 Prozent an der Nettostromerzeugungerreichen und das Ziel eines Anteils von 25 Prozentverfehlen. Der Bundesrat hat bereits eine Reihe vonÄnderungsvorschlägen unterbreitet. Die 2./3. Lesungim Bundestag ist für den 27. April, der abschließendeBundesratsdurchgang für den 15. Juni 2012 geplant.

++++

Das Bundeskabinett hat am 29. Februar 2012 den Ge-setzentwurf zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteili-gung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsver-fahren beschlossen. Ziel ist es, die Öffentlichkeit beiGroßvorhaben stärker zu beteiligen. Er soll das Planfest-stellungsverfahren insgesamt vereinfachen und be-schleunigen. Bei großen Infrastrukturvorhaben soll dieBevölkerung künftig frühzeitig unterrichtet werden über

die allgemeinen Ziele des Vorhabens,

die Mittel der Verwirklichung unddie voraussichtlichen Auswirkungen.

Die Bürger erhalten die Gelegenheit, sich gegenüberdem Vorhabenträger zu äußern und das Projekt zuerörtern. Die Ergebnisse werden dann denjenigenBehörden mitgeteilt, die für die Planfeststellung oderGenehmigung zuständig sind. Die so genannte „früheÖffentlichkeitsbeteiligung“ soll nun bereits vor demeigentlichen Verwaltungsverfahren, also in der Regeldem Planfeststellungs- oder Genehmigungsverfahren,stattfinden. Bislang wurde die Öffentlichkeit oft erst imförmlichen Verwaltungsverfahren beteiligt. Die Einbin-dung erfolgte also erst dann, wenn die Planung schonabgeschlossen war. Anerkannte Umweltschutzver-bände werden im Verfahren den Betroffenen gleich-gestellt.

Page 14: Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März ... · Arbeitsgruppe, die die Sache umsetzen und verhandeln soll, noch besser wird, das steht zu hoffen. Ein Milliardenmarkt

Wenn die Fachminister der EU-Länder

Entscheidungen treffen, genügt in der

Regel die so genannte qualifizierte Mehr-

heit. In besonders sensiblen Politikberei-

chen halten die Mitgliedstaaten aller-

dings am Prinzip der Einstimmigkeit fest.

Im Oktober 2011 hielt die kleine Slowa-

kei die anderen 16 Euroländer in Atem:

Ohne die Zustimmung der Slowaken

hätte der Euro-Rettungsschirm zunächst

nicht erweitert werden können. Denn

dem entsprechenden Vertrag mussten

alle Mitgliedsländer der Währungsunion

zustimmen. Ansonsten ist Einstimmigkeit

bei EU-Beschlüssen eher selten geboten.

Der Ministerrat etwa trifft Entscheidungen

meist mit so genannter qualifizierter

Mehrheit – beispielsweise in den Berei-

chen Binnenmarkt, Verkehr oder in der

Wettbewerbspolitik. Nach geltender Re-

gelung zur Berechnung der qualifizierten

Mehrheit haben die großen Mitgliedstaa-

ten mehr Stimmen als die kleinen Länder.

Die Unterschiede sind jedoch längst nicht

so groß wie bei den Einwohnerzahlen

(Grafik):

Deutschland beispielsweise hat etwa vier-

zigmal so viele Einwohner wie Slowenien,

aber nur gut siebenmal so viele Stimmen

im EU-Ministerrat.

Für eine qualifizierte Mehrheit sind min-

destens 255 von insgesamt 345 Stimmen

erforderlich – ein Quorum von 73,9 Pro-

zent.

Dem 2007 unterzeichneten Vertrag von

Lissabon zufolge ändert sich dieses Ver-

fahren in knapp drei Jahren. Die Stim-

mengewichtung fällt dann weg.

Ab 1. November 2014 kommt eine qua-

lifizierte Mehrheit zustande, wenn 55

Prozent der Mitgliedstaaten, die außer-

dem 65 Prozent der Bevölkerung reprä-

sentieren, einem Beschluss oder Gesetz

zustimmen.

Die drei größten EU-Länder allein können

dabei keine Entscheidung blockieren. Zwar

leben in Deutschland, Frankreich und

Großbritannien zusammen mehr als 40

Prozent der Unionsbürger, doch für eine

Sperrminorität müssen mindestens vier

Staaten gegen einen Vorschlag votieren.

Von dieser Neuregelung gibt es allerdings

Ausnahmen: Erstens darf ein Mitgliedsland

noch bis März 2017 eine Abstimmung

nach dem heute geltenden Verfahren ver-

langen. Zweitens kann eine Gruppe von

Staaten, die der Sperrminorität nahe

kommt, eine Entscheidung zunächst verhin-

dern. Der Ministerrat muss dann innerhalb

einer festgelegten Frist eine „zufriedenstel-

lende“ Lösung erarbeiten.

Zudem müssen auch künftig in bestimmten

Fällen alle EU-Mitglieder „Ja“ sagen – et-

wa bei Entscheidungen in der Außen- und

Sicherheitspolitik, im Bereich der Steuer-

harmonisierung und der EU-Finanzierung

sowie teilweise in der Sozialpolitik.

Doch selbst da, wo eine Mehrheit im Mi-

nisterrat genügt, hat meist noch eine ande-

re Instanz das Wort: Wird über einen

Rechtsakt im so genannten ordentlichen

Gesetzgebungsverfahren entschieden,

muss auch das Europäische Parlament

zustimmen – in der Regel mit der Mehrheit

der abgegebenen Stimmen.

INFORMATIONSeite 14

PKM JOURNAL

Nicht immer reicht die Mehrheit

Page 15: Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März ... · Arbeitsgruppe, die die Sache umsetzen und verhandeln soll, noch besser wird, das steht zu hoffen. Ein Milliardenmarkt

Dass der gesellschaftliche Stellenwert der Gesundheit größer

wird, hat viele Ursachen. Ein Grund ist der demografische

Wandel: Hochrechnungen zufolge wird 2050 jeder dritte

Einwohner 65 Jahre oder älter sein. Ein Mädchen, das in

diesem Jahr geboren wird, hat beste Chancen 100 Jahre alt

zu werden. Gleichzeitig stellt uns die alternde Gesellschaft

vor Probleme: Mit der Lebenserwartung steigt die Erwartung

an die Lebensqualität. Je älter der Mensch wird, umso an-

fälliger wird er aber für Krankheiten.

200.000 Menschen erkranken jährlich an Demenz,

450.000 an Krebs. Sogar 1.800 Kinder sind jährlich darun-

ter. Todesursache Nummer eins sind Herz-Kreislauf-Erkran-

kungen. Entscheidende Erkenntnisse hat die Forschung zwar

gewonnen. Vieles ist jedoch noch nicht gelöst.

Bundesregierung schafft optimale

Forschungsbedingungen

Deshalb bündelt das Bundesministerium für Bildung und

Forschung wichtige nationale Kompetenzen in sechs Deut-

schen Zentren für Gesundheitsforschung. Sie schaffen opti-

male Forschungsbedingungen für den Kampf gegen die

wichtigsten Volkskrankheiten Diabetes, Krebs, neurodegene-

rative Erkrankungen, Herz-Kreislauf-, Infektions- und Lun-

generkrankungen.

„Hier bringen wir Forscherinnen und Forscher zusammen,

unabhängig davon, in welcher Einrichtung sie arbeiten und

ob sie Grundlagenforschung oder klinische Untersuchungen

betreiben“, sagt Bundesforschungsministerin Schavan. „Der

Dreh- und Angelpunkt ist die enge Zusammenarbeit zwi-

schen den Akteuren.“

Schneller zur Anwendung

Forschungsergebnisse sollen durch die Gesundheitszentren

schneller in den klinischen Alltag gelangen. Ziel ist die best-

mögliche, am neusten Stand der Wissenschaft orientierte

Behandlung der Patienten.

Das Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen widmet

sich der Frage, wie Parkinson- oder Demenzerkrankungen

entstehen. Tragen Umweltbedingungen und genetische Fak-

toren dazu bei, dass Nervenzellen absterben? Spielen Alko-

hol- und Nikotin eine Rolle? Gibt es Wechselwirkungen mit

anderen Krankheiten, zum Beispiel Diabetes? Ein weiteres

Zentrum widmet sich speziell der Diabetesforschung.

Hinzu kommen sollen noch vier neue Deutsche Zentren der

Gesundheitsforschung in den Bereichen Infektionskrankhei-

ten, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Lungenkrankheiten und

Krebs.

Damit stellt das Bundesforschungsministerium das Wohl der

Menschen und hier speziell die wichtigsten Volkskrankheiten

in den Mittelpunkt seines Gesundheitsforschungspro-

gramms. „Es ist unser Ziel, neue Erkenntnisse so rasch wie

möglich in die ärztliche Praxis einfließen zu lassen“, sagte

Schavan. Aus Forschungsergebnissen sollten schneller echte

Hilfen für die Menschen werden.

Prävention erhöht Lebensqualität

und senkt Kosten

Neben der Erforschung der Volkskrankheiten sieht das Pro-

gramm weitere fünf Aktionsfelder vor. Dabei geht es darum,

die Medizin stärker auf das Individuum auszurichten, um

Vorsorge, Ernährung sowie um Fragen der Wirtschaftlichkeit

und internationalen Zusammenarbeit.

Die Ergebnisse der Gesundheitsforschung erhöhen nicht nur

die Lebensqualität und Lebenserwartung der erkrankten

Menschen in Deutschland. Vielmehr entlasten sie öffentliche

Haushalte, aber auch Arbeitgeber. Um welche Größenord-

nung es sich handelt, illustriert eine Untersuchung der Uni-

versität Köln. Sie zeigt, dass durch Diabetes mellitus in

Deutschland pro Jahr Kosten in Höhe von rund 60 Milliar-

den Euro entstehen.

Der Druck, schnellstmöglich neue Wege für Prävention und

Behandlung zu finden, ist aus medizinischen und ökonomi-

schen Gründen groß. „Je mehr wir an medizinischen The-

men forschen, desto besser können wir nicht nur Krankhei-

ten behandeln, sondern sie möglichst sogar verhindern. Das

entlastet auch das Gesundheitssystem“, sagte Bundesfor-

schungsministerin Schavan.

Für die Zentren zur Erforschung der wichtigsten Volkskrank-

heiten stellt das Bundesforschungsministerium bis 2014 ins-

gesamt 500 Millionen Euro bereit. Zusätzlich fließen 1,5

Milliarden Euro in die Projektförderung dieser Einrichtungen.

Für die Gesundheitsforschung stellt das Bundesministerium

für Bildung und Forschung von 2011 bis 2014 insgesamt

5,5 Milliarden Euro bereit. Hinzu kommen weitere erhebli-

che Ausgaben anderer Ressorts für Projektförderung, institu-

tionelle Förderung und Ressortforschung.

Seite 15INFORMATION

PKM JOURNAL

Volkskrankheiten im Visier der Forschung

Page 16: Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März ... · Arbeitsgruppe, die die Sache umsetzen und verhandeln soll, noch besser wird, das steht zu hoffen. Ein Milliardenmarkt

Der Bericht der Bundesregierung

zur auswärtigen Kultur- und Bil-

dungspolitik (BT-Drs. 17/8326)

liegt vor. Er zeigt die Vielfalt der

auswärtigen Kultur- und Bil-

dungspolitik. Die wichtigsten Zie-

le sind Sprache und Wissen-

schaft, der kulturelle Austausch

und das Anliegen, ein modernes,

sympathisches Bild von Deutsch-

land in die Welt zu tragen. Deut-

sche Sprache soll weiter im Aus-

land gefördert werden. Auch der

wissenschaftliche Austausch wird

unterstützt; der Wissenschaftsstandort Deutschland soll ge-

stärkt werden. Kunst und Kultur sollen im Ausland Beach-

tung und Anerkennung finden. Insgesamt will Deutschland

weiter um Sympathie werben.

Deutsch öffnet Türen

Der Slogan „Deutsch – Sprache der Ideen“ soll vor allem

junge Menschen für die deutsche Sprache interessieren.

Deutschkenntnisse können Türen zur deutschen Wissen-

schaft, zu Wirtschaft und Kultur öffnen. Die Goethe-Institute,

Lektoren, aber auch die deutschen Auslandsschulen und

Partnerschulen in vielen Ländern vermitteln Deutsch – und

ein modernes Bild von Deutschland.

Präsenz in einer globalisierten Welt

In einer zunehmend globalisierten Welt werden Internet und

moderne Kommunikation zum Schlüsselthema. Das zeigt

sich nicht zuletzt an den Reformen in der arabischen Welt. In

Ländern des demokratischen Wandels fördert die Bundesre-

gierung die Medien: mit Fortbildungen für Journalisten, Me-

diendialogen und Blogger-Reisen.

Die Bundesregierung verfolgt eine neue Strategie:

„Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik im Zeitalter der Glo-

balisierung – Partner gewinnen, Werte vermitteln, Interessen

vertreten“. So soll deutsche Kulturarbeit den neuen internati-

onalen Anforderungen gerecht werden. Im Zentrum stehen

Dialog, Netzwerke und langfristige Partnerschaften.

Daneben werden neue Schwerpunkte gebildet. Sie bilden

die unerlässliche Basis für stabile internationale Beziehun-

gen.

Fakten zur Kultur- und Bildungsarbeit :

137 Goethe-Institute und 10 Verbindungsbüros in

91 Ländern

1.530 Partnerschulen, davon 140 Deutsche Auslands-

schulen und 870 DSD-Schulen (Deutsches Sprachdip-

lom), 530 vom Goethe-Institut betreute Schulen, 58 ent-

sandte Fachberater der Zentralstelle für das Auslands-

schulwesen sowie 63 Experten für den Unterricht des

Goethe-Instituts

14 Außenstellen des Deutschen Akademischen Aus-

tauschdienstes (DAAD), 50 DAAD-Informationszentren

im Ausland, 479 DAAD-Lektorate

170 von Deutschland staatlich geförderte binationale

Kulturgesellschaften

10 deutsche geisteswissenschaftliche Institute im Aus-

land, 20 Abteilungen, Außenstellen und Forschungsstel-

len des Deutschen Archäologischen Instituts

Mit der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik wirbt die

Bundesregierung auch für Deutschland als Wirtschafts- und

Wissenschaftsstandort. In diesem Zusammenhang habe das

Format der Deutschlandjahre zunehmend an Bedeutung

gewonnen. Ziel der gemeinschaftlichen Projekte des Aus-

wärtigen Amts, des Goethe-Instituts und der deutschen Wirt-

schaft in Form öffentlich-privater Partnerschaften sei eine

„umfassende und facettenreiche“ Darstellung Deutschlands

in ausgewählten Partnerländern. Aus dem Bericht geht wei-

ter hervor, dass die Vorbereitungen für ein Deutschlandjahr

in Brasilien 2013/14 bereits begonnen haben.

INFORMATIONSeite 16

PKM JOURNAL

Werben für Deutschland

„Wer sucht, der findet“ ...

– das soll im Internet bei der Suche nach den zuständi-

gen Behörden und Ämtern künftig einfacher werden: Seit

Anfang Februar vernetzt der „Behördenfinder Deutsch-

land“ (www.behoerdenfinder.de) die Verwaltungsportale

von Bund, Ländern und Kommunen in Deutschland.

Foto: Henning Hraban Ramm/pixelio.de

Page 17: Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März ... · Arbeitsgruppe, die die Sache umsetzen und verhandeln soll, noch besser wird, das steht zu hoffen. Ein Milliardenmarkt

Als Lebensmittel Nummer eins

muss Trinkwasser hohen Anforde-

rungen genügen. Die Trinkwasser-

verordnung (TrinkwV) gibt diese

verbindlich vor. Es darf keine

Krankheitserreger und Stoffe in

gesundheitsschädigenden Kon-

zentrationen enthalten und muss

„rein und genusstauglich“ sein.

Bei ein bis drei Prozent der hier erfassten Überwachungs-

messungen in den Jahren 2008 bis 2010 kam es zu Grenz-

wertüberschreitungen. Hierbei handelt es sich um Ausnah-

men. Sie gehen auf einzelne Wirkstoffe von Pflanzenschutz-

mitteln zurück oder betreffen coliforme Bakterien. In beiden

Fällen stammen die Proben aber nicht aus dem Wasser-

hahn, sondern von Wasserwerken und direkt aus dem Rohr-

netz. 99 Prozent aller Trinkwasserproben aus dem Wasser-

hahn waren in diesen Fällen nicht zu beanstanden. Für Nit-

rat bestätigen die neuen Daten den bereits in den Jahren

davor beobachteten rückläufigen Trend. Während die

Grenzwertüberschreitung von Nitrat im Jahr 1999 bei

1,1 Prozent lag, sank sie 2010 auf nahezu null Prozent.

Dass auch der Nitratgehalt im Grundwasser oder in Gewäs-

sern mit gleicher Tendenz abgenommen hat, lässt sich aus

diesem Trend jedoch nicht schließen. Reduziert werden

konnte der Nitratgehalt im Trinkwasser vor allem durch wei-

terreichende Aufbereitungsmaßnahmen sowie durch die

Mischung mit weniger belastetem Wasser. Grenzwertüber-

schreitungen bei Blei kommen dagegen nicht aus dem Was-

serwerk, sondern aus bleihaltigen Leitungen und Armaturen,

die die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht

erfüllen. Das ist auch meist die Ursache, wenn Überschrei-

tungen bei Kupfer, Nickel und Cadmium auftreten.

Kommen Grenzwertüberschreitungen vor, bedeuten sie nicht

in jedem Falle eine Gefährdung der Gesundheit. Dies hängt

vom jeweiligen Qualitätskriterium ab sowie von der Höhe

und Dauer der Überschreitung. So sind zum Beispiel viele

coliforme Bakterien für den Menschen nicht infektiös, aber

ihr Auftreten im Trinkwasser zeigt eine allgemeine Ver-

schlechterung der Wasserqualität an und damit die Notwen-

digkeit weiterer Untersuchungen, um die Ursache zu klären

und gegebenenfalls vorbeugende Maßnahme zum Schutz

der Gesundheit der Bevölkerung einzuleiten.

Weitere Informationen und Links:

Die EG-Trinkwasserrichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten

dazu, alle drei Jahre einen Trinkwasserbericht vorzulegen. In

Deutschland basiert der Bericht auf den Meldungen der

Bundesländer an das BMG und UBA. Berichtspflichtig sind

die ca. 2.360 Wasserversorgungen (einschließlich des dazu-

gehörigen Leitungsnetzes und der häuslichen Trinkwasser-

Installation). Die Wasserversorgungen geben durchschnitt-

lich jeweils mehr als 1.000 Kubikmeter Wasser am Tag ab

oder beliefern mehr als 5.000 Personen. Zusammen vertei-

len sie etwa vier Milliarden Kubikmeter Trinkwasser an ca.

90 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung.

Seite 17INFORMATION

PKM JOURNAL

Deutsches Trinkwasser erhält Testnote „sehr gut“

Foto: Dieter Schütz/pixelio.de

Insolvenzen deutlich rückläufig

Im Jahr 2011 sind 30.099 Unternehmen und damit nach

Angaben des Statistischen Bundesamtes 5,9 Prozent weni-

ger als im Jahr 2010 in die Insolvenz gegangen. Das ist

fast ein Viertel weniger als im Jahr 2003, dem Jahr mit

dem bisherigen Negativrekord an Insolvenzen.

Ebenfalls zurück gingen die Verbraucherinsolvenzen, die

gegenüber 2010 um 5,1 Prozent auf 103.289 Fälle san-

ken.

Die Insolvenzen von Personen, die früher einer selbststän-

digen Tätigkeit nachgegangen sind, lagen mit

21.558 Fällen um 6,5 Prozent unter dem Vorjahresni-

veau. Bei den ehemals selbstständig Tätigen geht oftmals

eine Insolvenz ihres Unternehmens voraus. Für sie gilt,

wie für Verbraucher, die Möglichkeit der Restschuldbefrei-

ung und der Stundung der Verfahrenskosten.

Die Gesamtzahl aller Insolvenzen einschließlich der

2.873 Nachlassinsolvenzen und der 1.599 Insolvenzen

von natürlichen Personen, die als Gesellschafter größerer

Unternehmen von einer Insolvenz betroffen waren, belief

sich im Jahr 2011 auf 159.418 Fälle (– 5,4 Prozent ge-

genüber 2010).

Die Gerichte bezifferten die voraussichtlichen Forderun-

gen der Gläubiger im Jahr 2011 auf rund

31,5 Milliarden Euro. Im Jahr 2010 waren es

39,0 Milliarden Euro.

Nähere Informationen auf: www.destatis.de

Page 18: Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März ... · Arbeitsgruppe, die die Sache umsetzen und verhandeln soll, noch besser wird, das steht zu hoffen. Ein Milliardenmarkt

Kleine Firmen tun sich schwer

Beschäftigte in kleinen und mittleren Betrieben bilden sich

seltener weiter als Mitarbeiter in Großunternehmen. Der

Staat möchte die Fortbildung im Mittelstand daher stärker

fördern – und nimmt dabei auch Mitnahmeeffekte in Kauf.

Bisher hat die Bundesagentur für Arbeit Weiterbildungskos-

ten nur für jene Mitarbeiter übernommen, die älter als

45 Jahre waren. Künftig sollen, das hat der Bundestag be-

schlossen, auch jüngere Beschäftige in den Genuss dieser

Förderung kommen – sofern der Arbeitgeber mitspielt und

zumindest die Hälfte der Lehrgangskosten übernimmt.

Der Grund für die staatliche Bildungsoffensive: Mitarbeiter

in kleinen und mittleren Betrieben nehmen vergleichsweise

selten an Weiterbildungen teil (Grafik).

Während in großen Unternehmen 2010 mehr als jeder

Zweite an Weiterbildung teilnahm, war es in Kleinstbetrie-

ben nur gut jeder Fünfte.

Ob ein Unternehmen seine Beschäftigten auf Fortbildung

schickt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Als Erstes ist

zu klären, ob sich die Mitarbeiter überhaupt weiterbilden

wollen. Denn nach Einschätzung der Unternehmen zeigen

Beschäftigte häufig ein zu geringes Interesse. Das nächste

Problem besteht darin, dass viele ältere Mitarbeiter erst wie-

der lernen müssen zu lernen. Zudem muss das Unterneh-

men klären, wie die Arbeit der Teilnehmer an der Weiterbil-

dung in dieser Zeit erledigt werden kann. Nicht zuletzt spie-

len auch die Kosten eine Rolle.

Kleine und mittlere Unternehmen sehen sich darüber hinaus

noch mit besonderen Hürden konfrontiert. Sie haben meist

keine Personalexperten, die den Qualifikations- und Weiter-

bildungsbedarf analysieren und Schulungen organisieren

könnten. Also müssen die Mittelständler externe Anbieter

beauftragen, deren Qualität sie jedoch nur schwer einschät-

zen können. Auch das informelle Lernen am Arbeitsplatz

mithilfe von Kollegen ist in kleinen Unternehmen schwieri-

ger, weil weniger Spezialisten da sind, die ihr Fachwissen

weitergeben können.

Schließlich arbeiten in kleinen und mittleren Betrieben in der

Regel weniger Akademiker als in Großunternehmen. Doch

erfahrungsgemäß sind es gerade die Hochschulabsolventen,

die sich am häufigsten weiterbilden (Grafik).

Nur 19 Prozent der Personen ohne Berufsabschluss bilden

sich beruflich weiter, von den hochqualifizierten Beschäftig-

ten ist deutlich mehr als die Hälfte in dieser Hinsicht aktiv.

Der Ansatz, alle Beschäftigten in kleinen und mittelgroßen

Unternehmen zu fördern, greift daher zu kurz. Denn er un-

terstützt nicht gezielt die Weiterbildung von besonderen Ziel-

gruppen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen. Gleichzeitig

könnte die beschlossene Regelung zu Mitnahmeeffekten

führen: Kleine und mittlere Betriebe, die auch ohne die För-

derpolitik Weiterbildung betrieben hätten, kommen nun in

den Genuss staatlicher Zuschüsse. Sinnvoller wäre es des-

halb, spezifische Gruppen, die derzeit kaum Weiterbildungs-

angebote nutzen, unabhängig von der Unternehmensgröße

stärker zu fördern.

INFORMATIONSeite 18

PKM JOURNAL

Was ist der Fiskalpakt?

Der Fiskalpakt zielt auf mehr finanz- und wirtschaftspoliti-

sche Koordinierung der Mitgliedstaaten:

Die Mitgliedstaaten verpflichten sich zur Einführung

strikter nationaler Schuldenregeln („Schuldenbremse“).

Die Umsetzung der Schuldenbremse in nationales

Recht kann vor dem EuGH eingeklagt werden.

Wer ESM-Hilfen will, muss den Fiskalvertrag ratifizieren

und die Schuldenbremse einführen.

Gegen Mitgliedstaaten mit einer zu hohen Neuver-

schuldung können künftig stärker automatisiert Defizit-

verfahren eingeleitet und Sanktionen verhängt werden.

Der europäische Fiskalpakt wurde beim Europäischen Rat

von 25 der 27 Mitglieder der EU am 2. März 2012 unter-

zeichnet. Er soll Anfang 2013 in Kraft treten, wenn zwölf

der 17 Eurostaaten den Vertrag ratifiziert haben.

Nähere Informationen unter:

http://european-council.europa.eu/media/639244/04_-

_tscg.de.12.pdf

Page 19: Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März ... · Arbeitsgruppe, die die Sache umsetzen und verhandeln soll, noch besser wird, das steht zu hoffen. Ein Milliardenmarkt

Gute Aussichten für Bachelor und Master

Immer beliebter: Auslandsaufenthalte erweitern den Hori-

zont und die Kenntnisse der Studierenden. Die verbesserte

Studienfinanzierung sorgt zudem für mehr Bildungsgerech-

tigkeit und einen Studienanfängerrekord.

Einen Bachelor-Abschluss in Köln und den Master an einer

Universität in London: Immer mehr deutsche Studenten

wechseln für den Master-Abschluss in ein anderes Land.

Auslandsaufenthalte vermitteln zusätzliche Kompetenzen.

Sprache, Politik, die andere Kultur vermitteln neue Eindrücke

und fördern die Persönlichkeitsentwicklung. Internationale

Erfahrungen werden im Arbeitsleben immer wichtiger.

Zwischen 2000 und 2008 hat sich die Zahl deutscher Stu-

dierender im Ausland verdoppelt. Von 2008 auf 2009 stieg

deren Anzahl um mehr als acht Prozent. Etwa jedem dritten

Hochschulabschluss ist ein studienbezogener Auslandsauf-

enthalt vorangegangen, bei mehr als einem Viertel dauerte

dieser Aufenthalt mehr als drei Monate. Das geht aus dem

Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung des Bolog-

na-Prozesses in Deutschland hervor.

Die Auslandsmobilität der Bachelorstudierenden hat zwar

zugenommen, ist im Vergleich zu den alten Studiengängen

aber immer noch zu gering. Damit das nicht so bleibt, hat

das Bundesministerium für Bildung und Forschung seine

Mittel zur Mobilitätsförderung um rund 90 Millionen Euro

bis zum Jahr 2015 aufgestockt.

Ziel des 1999 in Bologna angestoßenen Reformprozesses ist

es, international akzeptierte Abschlüsse zu schaffen, die

Qualität von Studienangeboten zu verbessern und mehr

Beschäftigungsfähigkeit zu vermitteln. Im Zuge der Reform

hat sich in Deutschland auch die Zahl der Studierenden

erheblich ausgeweitet. Die Mobilität deutscher Studierender

ins Ausland und die Attraktivität deutscher Hochschulen für

ausländische Studierende und Nachwuchswissenschaftler

sind deutlich angestiegen.

Die Studienfinanzierung hat sich verbessert, insbesondere

durch die Erhöhung der Bafög-Fördersätze und Freibeträge,

aber auch durch die Einführung des Deutschlandstipendi-

ums. Dass Studium keine Frage der sozialen Herkunft mehr

ist, zeigt die Rekordzahl von 515.800 Studienanfängern im

Jahr 2011.

Insgesamt kommen die Studienreformen in Deutschland gut

voran. Im Wintersemester 2011/2012 waren 85 Prozent der

über 15.000 Studiengänge auf Master und Bachelor umge-

stellt. Vor drei Jahren lag der Anteil noch bei 75 Prozent.

Rund 1,3 Millionen Studierende waren in Bachelor- und

Masterstudiengängen eingeschrieben (60 Prozent aller Stu-

dierenden). Im WS 2008/2009 waren es erst 43 Prozent.

Rund ein Viertel aller Bachelorabsolventen wollen ein Mas-

terstudium anschließen. Neun von zehn Studierenden erhal-

ten dabei einen Studienplatz an ihrer Wunschhochschule.

Der Übergang von Bachelor-Absolventen in den Beruf ge-

lingt mittlerweile gut. Der Bologna-Bericht zitiert Studien,

nach denen Bachelor- und Masterabsolventen gute Chan-

cen auf dem Arbeitsmarkt haben. Eine Befragung der Ba-

chelorjahrgänge 2007 und 2008 ergab, dass nur vier Pro-

zent der Universitäts- und sechs Prozent der Fachhochschul-

absolventen eineinhalb Jahre nach ihrem Abschluss keinen

Arbeitsplatz hatten.

Seite 19INFORMATION

PKM JOURNAL

Ein Notruf für

ganz Europa: 112

Seit Dezember 2008 erhalten die Menschen in ganz Eu-

ropa unter der einheitlichen Notrufnummer 112 Hilfe. In

allen 27 Ländern der Europäischen Union – von Spanien

bis nach Finnland – können aus allen Fest- und Mobil-

funknetzen gebührenfrei Polizei, Feuerwehr oder Ret-

tungsdienste erreicht werden.

Doch immer noch wissen viel zu wenige Europäer von

diesem Angebot. Einer von der EU im Jahr 2009 veröf-

fentlichten Studie zufolge ist nur einem Viertel der EU-

Bürger die europaweit einheitliche Notrufnummer 112

bekannt. Zwar kannten zum Befragungszeitpunkt 75 Pro-

zent der befragten Bürger in Deutschland die nationale

Notrufnummer 112, allerdings wussten nur 18 Prozent,

dass die gleiche Notrufnummer auch in allen anderen

EU Mitgliedstaaten angerufen werden kann. Eine Unter-

suchung aus dem Jahr 2010 bestätigte im Wesentlichen

die Ergebnisse der Studie.

Um den Bekanntheitsgrad der europaweiten 112 Notruf-

nummer zu erhöhen, wurde der 11. Februar zum Euro-

päischen Tag des Notrufs erklärt. Er fand in diesem Jahr

zum vierten Mal statt. An diesem Tag wurden europaweit

verschiedene Sensibilisierungs- und Networking-Aktivi-

täten zur Steigerung der Nutzung der Notrufnummer

organisiert.

Page 20: Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März ... · Arbeitsgruppe, die die Sache umsetzen und verhandeln soll, noch besser wird, das steht zu hoffen. Ein Milliardenmarkt

Rohstoffmangel –

mehr und mehr ein

Standort(gegen)argument

Der Rohstoffmangel wird zu einem veritablen Problem für

den Wirtschaftsstandort Deutschland. Das zeigt eine Umfra-

ge des Deutschen Industrie- und Handelskammertages

(DIHK). Danach verlagert bereits jeder fünfte Industriebe-

trieb aus Furcht vor Versorgungsengpässen Aktivitäten ins

Ausland oder plant zumindest einen solchen Schritt. Von

den mehr als 1.500 Unternehmern, die sich an der Erhe-

bung beteiligten, betrachten 86 Prozent die steigenden

Energiepreise als Top-Risiko für den Wirtschaftsstandort

Deutschland; 76 Prozent der Befragten sehen das auch für

die Kostenexplosion bei den Rohstoffen. Zudem befürchten

58 Prozent der Betriebe, dass Stromausfälle bzw. Span-

nungsschwankungen zunehmen.

Auch die generelle Verfügbarkeit von Rohstoffen wird von

50 Prozent der Befragten nicht mehr als selbstverständlich

eingeschätzt. Es sei alarmierend, dass die Unternehmen jetzt

die Verfügbarkeit von Rohstoffen und die Energieversorgung

als entscheidende Wettbewerbsfaktoren offensichtlich an

manchen Standorten außerhalb Deutschlands günstiger

bewerten, so der DIHK.

In dieser Situation dürfe die Politik keinen Sonderweg be-

schreiten, der Erfolg der Energiewende stehe und falle mit

der europäischen Einbindung, fordert der DIHK. Ohnehin

sei der Zeitplan bis zum Abschluss der Energiewende sehr

ambitioniert.

Industrie gründet Rohstoffallianz

Als Prophylaxe gegen den Rohstoffmangel hat sich aus der

Industrie heraus zwischenzeitlich eine „Allianz zur Rohstoffsi-

cherung“ gegründet.

Von einer international tätigen Rohstoffgesellschaft und dem

Aufbau von Beteiligungen an Rohstoffprojekten erwartet

man eine bessere Versorgung der Industrie mit Rohstoffen.

Hierzu geplant ist eine möglichst frühzeitige Exploration aus-

sichtsreicher Vorkommen, um so Bezugs- und Beteiligungs-

optionen für deutsche Unternehmen zu schaffen. An der

Allianz beteiligen sich vorerst 12 Gründungsmitglieder, sie

steht jedoch weiteren Unternehmen offen.

Deutschland zählt zu den größten Rohstoffkonsumenten der

Welt. Allein im Jahr 2010 hat Deutschland für fast 110 Mil-

liarden Euro Rohstoffe importiert. Die Konkurrenz wird aber

größer: Die Volksrepublik China beispielsweise hat sich in

etlichen Entwicklungsländern einen fast exklusiven Zugang

zu Rohstoffen gesichert. Steigende Rohstoffpreise und Ange-

botsengpässe sind aber eine Wachstumsbremse und gefähr-

den perspektivisch das Wohlstandsniveau in Deutschland.

Im Fokus der Politik

Die Rohstoffstrategie der Bundesregierung (BT-Drs.

17/3399) verfolgt die folgenden Ziele:

Abbau von Handelshemmnissen und Wettbewerbsverzer-

rungen,

Unterstützung der deutschen Wirtschaft bei der Diversifi-

zierung ihrer Rohstoffbezugsquellen,

Unterstützung der Wirtschaft bei der Erschließung von

Synergien durch nachhaltiges Wirtschaften und Steige-

rung der Materialeffizienz,

Weiterentwicklung von Technologien und Instrumenten

zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für das Re-

cycling,

Aufbau bilateraler Rohstoffpartnerschaften mit ausge-

wählten Ländern,

Eröffnung neuer Optionen durch Substitutions- und Ma-

terialforschung,

Fokussierung rohstoffbezogener Forschungsprogramme,

Herstellung von Transparenz und Good Governance bei

der Rohstoffgewinnung,

Verzahnung nationaler Maßnahmen mit der europäi-

schen Rohstoffpolitik.

Am 29. Februar 2012 hat das Bundeskabinett zudem das

Deutsche Ressourceneffizienzprogramm beschlossen, in dem

entlang der gesamten Wertschöpfungskette Handlungsbe-

darf identifiziert und Handlungsansätze und Maßnahmen zur

Steigerung der Ressourceneffizienz – darunter Informations-

verbreiterung, Forschung und Entwicklung sowie auf Freiwil-

ligkeit setzende Anreize – dargestellt werden. Ziel ist es, die

Beeinträchtigung der Umwelt durch Rohstoffgewinnung und

-verarbeitung zu minimieren und die Ressourcennutzung in

Deutschland weiter zu optimieren (vgl. auch den Antrag der

Regierungsfraktionen, BT-Drs. 17/8875 vom

6. März 2012 sowie den Kongress der Unionsfraktion

„Rohstoffhandel – Brauchen wir mehr Regulierung?“ am

5. März 2012).

Während der weltweite Ressourcenverbrauch in den letzten

zehn Jahren um ein Drittel gestiegen ist, hat Deutschland

den Ressourcenverbrauch um elf Prozent reduziert. Die Roh-

stoffproduktivität in Deutschland ist in den letzten 20 Jahren

um die Hälfte gestiegen.

INFORMATIONSeite 20

PKM JOURNAL

Page 21: Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März ... · Arbeitsgruppe, die die Sache umsetzen und verhandeln soll, noch besser wird, das steht zu hoffen. Ein Milliardenmarkt

Egal wo, egal wann

Während der Chef aus dem Home-Office eine E-Mail ins

Büro schickt, planen dort in der Kaffeeküche drei Kollegen

den nächsten „Tag der offenen Tür“. Andere Angestellte

wiederum sind – ausgerüstet mit Smartphone und Laptop –

auf dem Weg zu Kunden.

Was die „Anywhere Working Week“ ab dem 27. Februar in

Großbritannien propagierte, ist am neuen Siemens-Standort

in Düsseldorf längst Arbeitsalltag: Alle Beschäftigten wählen

ihren Arbeitsort frei aus – das heißt, am Firmenstandort tei-

len sich die Mitarbeiter die Büros, ansonsten arbeiten sie

von Zuhause aus oder von unterwegs. Denn dank Handy,

Blackberry und PC ist es meist egal, wo jemand seinen Job

erledigt. Und es geht noch besser:

Mitarbeiter, die ihren Arbeitsort frei wählen können, sind

nicht nur produktiver, zufriedener und gesünder, sondern

sparen darüber hinaus auch noch Zeit und Kosten und sen-

ken den CO2-Ausstoß.

In Deutschland spielen allerdings andere Motive eine wichti-

ge Rolle für flexible Arbeitszeiten, wie die Studie eines Büro-

dienstleisters ergab, der 17.000 Unternehmen in 80 Län-

dern nach ihren Erwartungen und Erfahrungen mit Telear-

beit und variablen Arbeitszeitmodellen befragt hat (Grafik):

Fast 90 Prozent der deutschen Unternehmen finden, dass

flexible Arbeitszeitmodelle der besseren Vereinbarkeit von

Familie und Beruf dienen.

Aspekte wie die Attraktivität als Arbeitgeber sind deutschen

Betrieben hingegen nicht so wichtig – jedenfalls im internati-

onalen Vergleich. In den USA und Kanada glauben mit et-

wa 30 Prozent immerhin doppelt so viele Unternehmen wie

in Deutschland, sie könnten sich mithilfe flexibler Jobmoda-

litäten einen größeren externen Talentpool eröffnen.

Obwohl weltweit fast alle Betriebe die Vorteile von mobilen

Arbeitsplätzen anerkennen, ist die Akzeptanz dafür noch

recht unterschiedlich ausgeprägt.

Vor allem in asiatischen Ländern werden flexible Arbeitszeit-

modelle noch ziemlich zurückhaltend gehandhabt.

Zwei Drittel der chinesischen Unternehmen sind zum Bei-

spiel der Meinung, flexibles Arbeiten sollte nur Mitarbeitern

mit entsprechend langer Betriebszugehörigkeit ermöglicht

werden. In den USA und in Europa überwiegt dagegen die

Vorstellung, dass jeder Beschäftigte – unabhängig vom Alter

oder der Dauer der Beschäftigung – von den modernen

Arbeitsbedingungen profitieren sollte.

So oder so – die Zukunft der Arbeit wird immer flexibler. Die

Arbeitsexperten haben dazu eine Vision: Wir werden im

Jahr 2030 mehr als die Hälfte unserer Arbeitszeit zu Hause

verbringen, allerdings virtuell immer mit unserer Arbeitswelt

verbunden bleiben. Das Büro wird zu einer Art Knotenpunkt,

an dem sich Mitarbeiter treffen, austauschen und planen.

Das hat auch Folgen für die Vorgesetzten: Sie müssen ler-

nen, Menschen zu führen, die sie monatelang nicht sehen.

Seite 21INFORMATION

PKM JOURNAL

Über fünf Millionen Menschen

im Handwerk beschäftigt

Zusammen erwirtschafteten sie 2010 einen Umsatz

von 464,5 Milliarden Euro. Damit ist das Handwerk

ein bedeutender Wirtschaftsmotor für Deutschland.

Und auch für die Ausbildung junger Menschen setzt

sich das Handwerk in besonderer Weise ein: Fast 29

Prozent der Ausbildungsverträge in Deutschland wur-

den 2010 im Handwerk geschlossen. Um den Men-

schen in Deutschland die Bedeutung des Handwerks

noch deutlicher vor Augen zu führen, wurde eine bun-

desweite Imagekampagne für das Handwerk ins Le-

ben gerufen, die in diesen Tagen ihren zweiten Ge-

burtstag feiert.

Page 22: Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März ... · Arbeitsgruppe, die die Sache umsetzen und verhandeln soll, noch besser wird, das steht zu hoffen. Ein Milliardenmarkt

Trotz eines starken Wirtschaftswachstums im Jahr 2010 hat

sich das Gründungsgeschehen nicht durchweg positiv entwi-

ckelt: Die Zahl der Gewerbeanmeldungen (862.986) stag-

nierte 2010. Der NUI-Indikator, mit dem die allgemeine

Gründungsneigung in den Regionen gemessen wird, macht

deutlich, dass in der Mehrzahl der 412 Kreise und kreisfrei-

en Städte in Deutschland weniger Erwerbsfähige zur Grün-

dung bereit waren. 165 Kreise und kreisfreie Städte ver-

zeichneten hingegen eine positive Entwicklung. Das NUI

Regionenranking 2010 deutet auf eine zunehmende Zwei-

teilung des Gründungsgeschehens hin.

Was ist das NUI Regionenranking?

Kern des Rankingverfahrens ist der so genannte NUI-

Indikator, der die Zahl der Gewerbeanmeldungen in einer

Region ins Verhältnis zur erwerbsfähigen Wohnbevölkerung

dieser Region setzt. Erst durch die Relativierung an einer

regionsspezifischen Maßzahl werden die Gründungsaktivitä-

ten zwischen den Regionen vergleichbar. Die Wohnbevölke-

rung ist ein gebräuchliches Maß zur Charakterisierung der

Größe und des Potenzials einer Region. Der NUI-Indikator

bildet folglich das regionale Gründungsgeschehen in Ab-

hängigkeit des vorhandenen Gründungspotenzials ab. Die

Abkürzung NUI steht für neue unternehmerische Initiative.

Seit dem Jahr 1998 berechnet das Institut für Mittelstands-

forschung Bonn das NUI Regionenranking.

Existenzgründung verliert an Bedeutung

Neue unternehmerische Initiative umfasst die gewerblichen

Gründungsaktivitäten, die Erweiterung vorhandener Kapazi-

täten durch die Errichtung neuer Betriebe und die regionale

Umverteilung der Kapazitäten durch Zuzüge von Gewerbe-

betrieben in eine Region. Existenzgründungen prägen die

Gründungsaktivitäten neuerdings nicht mehr in dem Maße,

wie dies noch vor zehn und mehr Jahren der Fall war. Nur

noch knapp die Hälfte der Gewerbeanmeldungen war 2010

als Existenzgründung einzustufen. Stark zugenommen haben

die Anmeldungen für einen gewerblichen Nebenerwerb. Auf

Nebenerwerbsgründungen entfielen zuletzt gut 30 Prozent

der Gewerbeanmeldungen. U. a. ist die Energiewende ein

Treiber dieser Entwicklung. Im Markt für erneuerbare Ener-

gie stellen seit Kurzem private Investoren in Photovoltaik-,

Windenergie- oder andere dezentrale Anlagen zur Stromer-

zeugung eine bedeutsame Anbietergruppe dar. Ihr Markt-

eintritt erfolgte zu 80 Prozent als Nebenerwerbsgründung.

Solche Entwicklungen werden im NUI-Indikator mit abgebil-

det. Das regionale Auftreten dieser Einzelkomponenten des

NUI-Indikators lässt sich aber aufgrund fehlender statisti-

scher Informationen nicht isolieren. Daraus folgt, dass die

Interpretation des NUI Regionenranking keinesfalls auf das

Existenzgründungsgeschehen eingeengt werden darf.

Regionale Disparitäten der

Gründungsaktivitäten nehmen zu

Der NUI-Indikator 2010 lag im Durchschnitt der 412 Kreise

und kreisfreien Städte Deutschlands bei 158,9, d. h. dass

159 Gewerbebetriebe pro 10.000 Einwohner im erwerbsfä-

higen Alter neu angemeldet wurden. Den Spitzenplatz als

gründungsaktivste Stadt belegt wie in den Jahren zuvor das

hessische Offenbach. Die Differenz zwischen dem höchsten

(510,1) und dem niedrigsten (79,7 im thüringischen Kreis

Hildburghausen) Wert des NUI-Indikators hat sich weiter

vergrößert. Dabei ist die Gründungsneigung in den Regio-

nen, die bereits zur Spitzengruppe des NUI Regionenran-

kings gehörten, besonders stark gestiegen. Die höchste

Gründungsneigung war in den Ballungsräumen um Frank-

furt oder München zu beobachten. Gegen den Trend starke

Zuwächse verzeichneten die Stadtstaaten Hamburg und

Berlin und in den Ländern Hessen und Schleswig-Holstein

hat die Gründungsneigung moderat zugenommen. Über-

durchschnittlich eingebrochen ist die regionale Gründungs-

neigung in den Bundesländern Saarland, Brandenburg,

Thüringen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und in

Bremen.

Das NUI Regionenranking 2010 macht deutlich, dass das

Gründungsgeschehen zweigeteilt ist. In prosperierenden

Regionen mit bereits hoher Gründungsneigung konzentriert

es sich auf Chancen orientierte Gründungen. Dort ist das

Gründungsgeschehen langfristig stabil. In Regionen mit

Wachstumsschwäche und geringeren Investitionschancen

sind Gründungen häufiger aus der Not geboren. Gründun-

gen, die nicht durch Marktchancen motiviert sind sondern

vordringlich auf die eigene Beschäftigungsgelegenheit ab-

zielen, verlieren in konjunkturellen Aufschwungphasen auf

Grund der steigenden Arbeitsnachfrage aber an Bedeu-

tung. In solchen Regionen ist die Gründungsneigung volati-

ler.

Wie Ihre Region im NUI Regionenranking 2010 abgeschnit-

ten hat, erfahren Sie unter:

http://www.ifm-bonn.org/index.php?id=1044.

INFORMATIONSeite 22

PKM JOURNAL

NUI Regionenranking 2010 -

Gründungsneigung hat sich vielerorts abgeschwächt

Page 23: Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März ... · Arbeitsgruppe, die die Sache umsetzen und verhandeln soll, noch besser wird, das steht zu hoffen. Ein Milliardenmarkt

Seite 23INFORMATION

PKM JOURNAL

Institut für Mittelstandsforschung BonnAutorin: Dipl.-Volkswirt Eva May-StroblWissenschaftliche Projektleiterinhttp://www.ifm-bonn.org

Page 24: Nachrichten und Kommentare zur Mittelstandspolitik 9. März ... · Arbeitsgruppe, die die Sache umsetzen und verhandeln soll, noch besser wird, das steht zu hoffen. Ein Milliardenmarkt

58 Prozent der Internetnutzer

gehen online ins Amt

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) suchten im vergange-

nen Jahr 33,6 Millionen Menschen den Online-Kontakt zu Behörden.

Webseiten von Behörden oder öffentlichen Einrichtungen sind für die Informa-

tionssuche heiß begehrt. Ein Drittel der Internetnutzer hat letztes Jahr amtliche

Formulare von den Webseiten herunter geladen. Die umgekehrte Richtung ist

demgegenüber eher unbeliebt: nur 17 Prozent haben ihre ausgefüllten Formu-

lare dem betreffenden Amt elektronisch zurück übermittelt. Das dürfte vor al-

lem auch daran liegen, dass die Nutzer ihre Daten ungern dem Netz anver-

trauen. Unzureichende Fertigkeiten am PC oder technische Probleme wurden

ebenfalls als Gründe benannt.

Laut der europäischen Statistikbehörde Eurostat wird e-Government in

Deutschland zwar stärker als im EU-Durchschnitt genutzt; bis zu den skandina-

vischen Ländern – darunter Spitzenreiter Dänemark mit 89 Prozent Online-

Kontakten – ist der Abstand jedoch nach wie vor groß.

Eine Waschmaschine so

groß wie ein Smartphone

Ein Designer aus Bratislava hat ein

Konzept für eine Waschmaschine im

Hosentaschenformat entwickelt.

Die aus zwei Komponenten bestehende

Minireinigung sieht aus wie ein längs

geteiltes Smartphone. Das verschmutz-

te Kleidungsstück wird zwischen die

beiden Elemente gehalten, dann wählt

man das Waschprogramm. Statt

Schonwaschgang, Schleudern und

Spülen stehen bei dem Gerät Ionen–

und Dampfreinigung zur Wahl. Eine

Batterie soll die Maschine antreiben.

Der Designer siegte mit diesem Kon-

zept bei einem Ideenwettbewerb eines

großen Haushaltsherstellers. Bis auf

Weiteres müssen wir uns aber noch mit

Seife und Wasser begnügen, denn

nach Unternehmensangaben wird eini-

ge Zeit vergehen, bis das Gerät in Se-

rie geht.

ZUGUTERLETZT

Herausgeber: Christian Frhr. von Stetten MdBVorsitzender des PKM

Redaktion: Dr. Stephanie BauerMarion Glaser

Telefon: (030) 227- 55900Telefax: (030) 227- 56203

Parlamentskreis Mittelstand (PKM)der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen BundestagPlatz der Republik 1 · 11011 Berlin

Diese Veröffentlichung der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag dientausschließlich der Information. Sie darfwährend eines Wahlkampfes nicht zumZweck der Wahlwerbung verwendetwerden.

Impressum

Foto: Thorben Wengert/pixelio.de