Nahrungsmittelallergien des Gastrointestinaltrakts: von ... · Nahrungsmittelallergien des...
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Nahrungsmittelallergien des Gastrointestinaltrakts:
von EoE zu FPIESPhilip Bufler
Summer School PI Charité23.-24. August 2019
Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Gastroenterologie, Nephrologie und
StoffwechselmedizinCharité Universitätsmedizin Berlin
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Interessenskonflikt
• Vortragshonorar: Nutricia, AbbVie, Roche, MSD• Advisory Board: Promethera Biosciences, GMP Orphan
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Fallbericht
• Knapp 1-jähriger Junge• Seit 3. LMo strikt milch-, soja-, ei- und reisfreie Diät• Als Milchersatz Basic-P Formelnahrung
• Vorgeschichte 39+1 SSW, Sectio, GG 4100 g, voll gestillt für 6 Monate Impfstatus komplett einschl. Rotavirusimpfung Im Alter von 6-7 Lebenswochen 2 Stunden nach Gabe einer Pre-Nahrung schwere Kreislaufreaktion, blass,
kaltschweißig, Vigilanzminderung Im 3. LMo heftiges Erbrechen nach Pre-Nahrung Gezielte Provokation im 5. LMo mit ähnlich heftiger Reaktion
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Fallbericht
• Familienanamnese Mutter: Pollinosis (Spätblüher), Z. n. Rhinokonjunktivitis Vater: allergische Rhinokonjunktivitis (Früh-, Spätblüher)
• Untersuchungsbefund 11 Mo mnl. Sgl. in gutem AZ und EZ Länge/Gewicht 50.-75. PZ Haut rein, Abdomen weich, keine HSM, ansonsten unauffälliger Status
• Labor Blutbild unauffällig, IgE grenzwertig erhöht, keine spezifische Sensibilisierung im RAST
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Fallbericht
• Diagnose V. a. FPIES (food protein-induced enterocolitis syndrome)
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Nahrungsmittelallergie/Food allergyDefinition
„Food allergy is an umbrella term for anyimmunologically mediated adverse reaction that
occurs reproducibly after exposure to a givenfood, including both IgE-mediated and non–IgE-
mediated reactions.“
Boyce JACI 2010
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Nahrungsmittelallergie/Food allergyDefinition
IgE-vermittelt Non-IgE
FPIES
FPIAP
FPE
Zöliakie
Kuhmilch-induzierte Eisenmangelanämie
Kuhmilcheiweißallergie
Allergische Proktocolitis
mit Hautbeteiligung (z. B. atopisches Ekzem)
IgE-vermittelte Anaphylaxie
EoE
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Nahrungsmittelallergie/Food allergyBegriffsdefinition
Non-IgE
Nowak-Wegrzyn JACI 2015
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Food Protein-induced Enterocolitis Syndrome (FPIES)Klinisches Bild
• Akute Symptome durch intermittierende Exposition auslösender Nahrungsmittel 1-3 h nach Nahrungsaufnahme starkes, schwallartiges Erbrechen Nach 5-10 h Durchfälle Blässe, Lethargie, Dehydration mit Blutdruckabfall in 15% der Patienten Bei IgE-Anaphylaxie deutlich kürzere Latenzzeit!
• Symptome bei chronischer Exposition durch dauerhafte Exposition (z. B. Formelnahrung) intermittierendes oder zunehmendes Erbrechen Durchfälle (+/- Blut) Schlechte Gewichtszunahme
Nowak-Wegrzyn JACI 2017
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• Infantile Form 0-6 Monate Kuhmilch, Soja
• Späterer Beginn ab 4.-7. Monat Solide Kost (Reis, Hafer, Weizen, Fisch)
Monti JACI 2011; Tan JACI 2012; Nowak JACI 2017
Stillen ist protektiv! Gestillte Kinder mit FPIES oder FPE sind (auch ohne Diät der Mutter) meist
asymptomatisch
FPIESAuslöser
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• Schlechte Datenlage• In USA Prävalenz 0,28%, entspricht ca. 1 Mio
• Geburtskohortenstudie in Israel 0.34% FPIES gegen Kuhmilcheiweiß
Katz JACI 2011; Nowak JACI 2019
FPIESInzidenz
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• Sorgfältige Anamnese Ernährungs- und Beschwerdeprotokoll Zeitliche Abfolge der Symptome, 1 Major und mind. 2 Minor Kriterien
• Körperliche Untersuchung Gedeihstörung? Hautveränderungen?
Nowak-Wegrzyn JACI 2017
FPIESDiagnostik 1
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• Labor Akut: Hypoalbuminämie Moderate Eisenmangelanämie Metabolische Azidose Ausgeprägte Leukozytose, Neutrophilie Moderate Thrombozytose
• Allergiediagnostik Pricktest oder RAST positiv in 4-30% IgE normal oder leicht erhöht Keine Eosinophilie
• Nicht empfohlen Atopie-Patchtest mit nativen Nahrungsmitteln (unzureichend standardisiert) Spezifisches IgG oder IgG4 gegen Nahrungsmittel
Nowak-Wegrzyn JACI 2015
FPIESDiagnostik 2
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• Diagnostische Eliminationsdiät Akute FPIES: klinische Verbesserung nach wenigen Stunden Chronische FPIES: klinische Verbesserung nach 3-10 Tagen
• Offene Nahrungsmittelbelastung = Goldstandard Nicht indiziert bei FPIES, wenn typische Symptome >2x/6 Monaten Nur im stationären Setting mit intravenösem Zugang und allen Notfallvorbereitungen Positiv, falls 1 major und mind. 2 minor Kriterien:
Nowak-Wegrzyn JACI 2017
FPIESDiagnostik 3
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• Offene Nahrungsmittelbelastung, Leonard, Nowak-Węgrzyn Monitorüberwachung, i.v.-Zugang 0.06 bis 0.6 g/kg Proteinäquivalent in 3 Einzelportionen über 45-60 min 4-6 h Nachbeobachtung, falls keine Symptome Entlassung möglich Normale, altersentsprechende Portion des auslösenden Nahrungsmittels Beobachtung über mehrere Stunden vor Entlassung
⟹ OHC mit Kuhmilcheiweiß nicht vor dem 18. Lmo
• Modifiziertes Protokoll nach Barni et al. Verkürztes Protokoll Eine Gabe von 0,3 g Protein/kg als Einzeldosis, 4 h Beobachtung
Leonard, Nowak-Wegrzyn Clin Ped North Am 2015; Barni Clin Exp Allerg 2019
FPIESDurchführung OFC
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Biopsie (nicht obligatorisch bei FPIES)• Zottenatrophie
Unterschiedlich Ausprägung, „patchy“
• Colitis Rektale Ulzerationen
• Aphtöse Läsionen Vereinzelt
• Eosinophilie Deutliche Ausprägung
• Kryptenabszesse
Nowak-Wegrzyn JACI 2015
FPIESDiagnostik 4
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Berin JACI 2015
PathophysiologieNM-Allergie vs FPIES
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Caubet JACI 2014
FPIESAuslöser
• Viele der FPIES-auslösenden Proteine können auch IgE-vermittelte NM-Allergien auslösen
• Kinder können auf 1, 2 oder mehr NM reagieren• Kuhmilch (44%) > Soja (41%) > Reis (23%)> Hafer
(16%)> Weizen > Fisch > Ei• 9% der Patienten Reaktion gegen 3 und mehr
Nahrungsmittel• Auch: Bananen > Süßkartoffel > grüne Bohnen
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FPIESTherapie
• Eliminationsdiät In 80% Besserung unter hydrolysierter Formelnahrung
• Akute FPIES Klinische Verbesserung nach wenigen Stunden
• Chronische FPIES Klinische Verbesserung nach 3-10 Tagen
• Medikamentöse Therapie Kein Stellenwert im Rahmen der Langzeittherapie 5-HT3 Antagonist Ondansetron (zentral wirksames Antiemetikum): gute Wirkung im Rahmen der Akutreaktion
Khanna Case Reports in Pediatrics 2016Venter Clin Transl Allegy 2013
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Khanna Case Reports in Pediatrics 2016Venter Clin Transl Allegy 2013
FPIESTherapie
• Pragmatisches Vorgehen Aminosäure-basierte Formelnahrung, einige Studien empfehlen extensiv hydrolysierte Formelnahrung Sobald beschwerdefrei, schrittweises Einführen einzelner Nahrungsmittel Bei Säuglingen und Kleinkindern erst nach frühestens 2 Wochen
• Gleichzeitige Unverträglichkeit von Kuhmilch und Soja wird kontrovers diskutiert
• Keine klaren Empfehlungen bzgl. Zufütterung
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FPIESDifferentialdiagnosen
• Akute Präsentation Sepsis akute Gastroenteritis Abdominal-chirurgische Notfälle IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergien
• Chronische FPIES Malabsorptionssyndrome Stoffwechselerkankungen primäre Immundefekte neurologische Erkrankungen Gerinnungsstörungen andere non-IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien
Fiocci Curr Opin Allergy 2014
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FPIESDifferentialdiagnosen
Fiocci Curr Opin Allergy 2014
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FPIESPrognose
• Bei positivem RAST protrahierter Verlauf typisch• Erneute Nahrungsmittelprovokation nach 12-24 Monaten• Toleranz von Kuhmilch in 60% nach 2 (-5) Jahren• Toleranz von Soja in nur 25% nach 2 Jahren• Toleranz von Reis in 50% mit 5 Jahren
Sicherer J Ped 1998
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Fallbericht
• Verlauf mit 1,5 Jahren Gutes Gedeihen (Gewicht 50. PZ, Länge 75.-90. PZ) Unter strikter Diät (milch-, soja-, ei- und reisfrei) klinisch beschwerdefrei Erneute Milchbelastung (tagesstationär): keine Sofortreaktion, nach 3 h starkes, wiederholtes Erbrechen
• Prozedere Erneute Kuhmilchprovokation nach einem weiteren Jahr geplant
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FPIESZusammenfassung
• FPIES gehört mit FPIAP und FPE zur Gruppe der non-IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien• Diagnostik v. a. durch klinische Beobachtung• Minimaldiagnostik hilfreich, auch zur Abschätzung der Prognose (Blutbild, IgE)• Prognose insgesamt gut, aber häufig sehr verzögerte Diagnosestellung!!!
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Fallbericht
• 11,5 jähriger Junge mit seit Jahren bestehenden Schluckbeschwerden• Kann sich seit Monaten nur noch von breiiger oder flüssiger Kost ernähren• Vorerkrankungen: keine• FA: leer• Status
Sehr schlank (Gewicht 6. PZ, Länge 75. PZ) Haut rein Pulmo, Cor, Abdomen unauffällig
• Labor IgE 468 kU/l erhöht, RAST positiv für Ei und Kuhmilch 5% Eosinophile im Diff
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Fallbericht
• ÖGD
• Histologie Schwere herdförmige, erosive Ösophagitis mit ausgeprägter Eosinophilie (>80 Eos/HPF) im gesamten
Ösophagus
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Eosinophile ÖsophagitisKlinisches Bild
• (Klein-) Kinder Fütterungsprobleme Gedeihstörung Erbrechen Bauchschmerzen
• Jugendliche Schluckbeschwerden Steckenbleiber Saures Aufstoßen
WICHTIG: Ausschluss gastroösophagealerReflux
Furuta NEJM 2015
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Eosinophile ÖsophagitisPathogenese
• Zunehmende Inzidenz!• Umweltfaktoren
Frühkindliche Antibiotikatherapie Kaiserschnitt Niedrige Stillrate Mikrobiom
• Nahrungsmittelallergene• Genetische Faktoren
Männliches Geschlecht Assoziationsstudien (immunregulatorische
Moleküle, Th2-prädominante Immunreaktion, Epithelbarriere)
Fibrose
Furuta NEJM 2015
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Eosinophile ÖsophagitisPrävalenz
• Prävalenz 1-5/10.000• Bei Patienten mit Dysphagie Prävalenz von 54%
Furuta NEJM 2015
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Eosinophile ÖsophagitisDiagnostik
• ÖGD mit Histologie >15 Eos/HPF
• Ausschluss GÖRK Therapie mit PPI für 8 Wochen
• Allergiediagnostik Sensibilisierung gegen Milch>Weizen>
Soja>Ei
Papadopoulou JPGN 2014
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Eosinophile ÖsophagitisTherapie
• Elementardiät• 6-Food-Eliminationsdiät• Gezielte Eliminationsdiät• Topische Steroide• Biologika
IL-5 Blockade Kein Effekt von anti-IgE oder TNF-Blockern
• Epikutane Immuntherapie
Papadopoulou JPGN 2014Cavalli J Tran l Med 2019; Spergel Clin Gastro Hepatol 2019
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Fallbericht
• Re-ÖGD nach 4 Wochen systemischer Steroidtherapie, Schluckbeschwerden deutlich gebessert
• Histologie Weitgehend entzündungsfreie Schleimhaut des gesamten Ösophagitis ohne Eosinophilie
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Nahrungsmittelallergien des Gastrointestinaltrakts:Von EoE zu FPIES
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!
Häufigkeit Leitsymptom
FPIES selten Heftiges Erbrechen, vital bedrohlich
EoE häufig Steckenbleiber