Nahrungsverweigerung bei Demenz - uniklinikum-dresden.de · Fachliche Fragen Wo beginnt das Risiko...

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Nahrungsverweigerung bei Demenz Dr. med. Susanne Gretzinger M.A. Leitung Palliativmedizin, Ernährungsmedizin St. Joseph-Stift Dresden

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Nahrungsverweigerung

bei Demenz

Dr. med. Susanne Gretzinger M.A.

Leitung Palliativmedizin,

Ernährungsmedizin

St. Joseph-Stift Dresden

Fakten

10 Millionen Patienten mit Diabetes mellitus Typ II

60% der deutschen Männer sind übergewichtig

Jeder 3. Patient hat eine Lebensstil-induzierte

Erkrankung

Im Jahr 2030 sind 1/3 der Deutschen über 65 Jahre

alt

Fachliche Fragen

Wo beginnt das Risiko für Nahrungs- und

Flüssigkeitsmangel?

Gründe für eine geringe Nahrungs- und

Flüssigkeitsaufnahme

Gründe für einen erhöhten Flüssigkeitsbedarf/-verlust

Welchen Nutzen hat die PEG bei dementen Patienten

und welche Alternativen existieren?

Ist die subkutane Infusion die Lösung des Problems?

Welche ethischen Fragestellungen ergeben sich daraus?

Spannungsfeld

Sollen wir ihn/sie (den Pat.)

verhungern/verdursten lassen?

Etwas müssen wir tun

Die Infusion/PEG ist etwas, was wir tun

können

Ernährung ist ein Grundbedürfnis und darf

nicht zur Disposition gestellt werden

Das ist ja aktive Sterbehilfe

Fragen

Für wen ist es wichtig, daß die Ernährung

durchgeführt wird?

Von welchen Patienten reden wir?

Grunderkrankung-Krankheitsstadium

Initiale/ Terminale Krankheitsphase

Alt/jung Lebensqualität

Lebensbasis, Grundbezug, Wünsche des Pat.

Grundbedürfnis

Grundpflege

Therapie

Prävention

Was ist Ernährung

Dann darf

Ernährung nicht zur

Disposition gestellt

werden

Dann muß

Ernährung reflektiert

werden und nicht

zwangsläufig

durchgeführt werden

Eine frühzeitige ernährungsmedizinische

Betreuung hilft den Verlust der Lebensqualität

zu verringern, vermeidet

Krankenhausaufenthalte und Komplikationen

und ermöglicht eine Betreuung zu Hause bzw. in

der Pflegeeinrichtung.

Patienten, die nicht in der Lage sind an einer Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Ernährungstherapie mitzuwirken, weil sie dauerhaft komatös oder somnolent sind, sollten keine Ernährungstherapie erhalten

Patienten in der Terminalphase sollten keine Ernährungstherapie erhalten

Dafür gibt es weder einen medizinischen noch ethischen Grund

Zentraler Grundsatz

Existieren Hinweise auf Symptome wie Hunger

oder Durst muß Ernährungstherapie erfolgen

Dies kann zunächst versuchsweise erfolgen

Schwerkranke Patienten Mc Cann et al. JAMA 272 1994

64% der Pat haben nie Hunger

34% der Pat haben weder Hunger noch Durst

100% der Pat sind symptomfrei mit geringen

Mengen an Flüssigkeit oder Nahrung

Aber

Vorraussetzung ist eine adäquate und optimale

Mundpflege

Pasman et.al. Arch Int Med 2005 165

Sanders et.al. Clin Med 2004 4

Scott et.al. Am J Gastroenterol 2003 100

Casarett et.al. NEJM 2005 353

Ganzini et.al. NEJM 2003

Loss J, Eichhorn C, Nagel E. Ethische Aspekte

der ernährungsmedizinischen Versorgung.

Aktuel Ernaehr Med (2004) 29:329-333

Kolb G. Rechtliche und ethische Aspekte der

Sondenernährung älterer Patienten mit

fortgeschrittener Demenz. Euro J Ger (2001)

3:7-12

Warum trinken/essen demente

Menschen wenig ?

Durst-/ Hungergefühl

Vergesslichkeit

Mobilitat

Vermeidung „unnotiger“ Toilettengange

Unachtsamkeit der pflegenden Umgebung

Big Seven

Medikamenten-NW (PRISCUS-Liste potenziell inada quater

Medikation fu r a ltere Menschen ) Interaktionen

Exsikkose

Infektionen

Dekompensation einer Herzinsuffizienz

Obstipation, Koprostase

Post operationem

Cerebrale Ischämie

Big seven = sieben ha ufige Ursachen fur akute AZ-Verschlechterung im Alter. Nach: Caird FI, Judge

TG. Assessment of the elderly patient. 2nd ed., Pitman Medical.

Gründe für einen erhöhten

Flüssigkeitsbedarf

Fieber

anhaltendes Erbrechen

starke Durchfälle

starkes Schwitzen (Tumor, Sommerhitze etc.)

hohe Kochsalzaufnahme, Diabet. Mell.

hohe Proteinzufuhr

Dekubitus/große offene Wunden

Beurteilung der Flüssigkeitsversorgung

PEMU Screening und Assessmentbogen

klinische Zeichen – z.B. dunkler Urin,

trockene Schleimhäute etc.

Laborparameter zur Beurteilung

Seelische Ursachen

Heimweh

Unangenehme Umgebung

Depression

Aggression

Angst

Wahnvorstellungen

Zusammenfassend Ursachen nach S. Borker

TO PEG......

...... or not to PEG?

Is that the question?

Alternative: SC. Infusion

Wohin?

=> Flanke, Oberschenkel, zwischen

Schulterblattern

Wie rasch?

=> 1 l in 4-6 Stunden (1 Tropfen pro Sekunde)

Was?

=> Ringer-Losung, Ringer/Glucose 5%,

Tutofusin®

Alternative: SC. Infusion

92% der Schwellungen sind nach 16 Stunden

resorbiert

97% beschwerdefrei

96% Zustimmung zu nochmaliger Infusion

ca. 45.000 Infusionen

0,3 % Druckgefuhl

0 % ernste Komplikationen

Stufentherapie bei Mangelernährung

Stufe I Evaluation und konsequente Therapie der

individuellen Ursachen

Stufe II Ernährungsberatung und – modifikation,

intensivierte Betreuung

Stufe III Wunschkost und etablierte Allgemeinmaßnahmen,

Einsatz von Hilfsmitteln ( z.B. Maltodextrin,

Eiweißkonzentrate)

Stufe IV Trink- und Zusatznahrung ( Getränke, Suppen,

Joghurts)

Stufe V Supportive künstliche Ernährung ( z.B. PEG)

Summary of a systematic review on oral

nutritional supplement use in the community

R. Stratton et al Metaanalyse Proc Nutr Soc. 2000;59(3):469-76

Odds ratio

Ernährungsstatus 0,65

Komplikationen 0,40

Mortalität 0,59

PEG

Methode, Technik etablierte Richtlinen

Nachsorge und Pflege und Standards

Zentrale Frage heute:

Medizinische Indikation und ethische Grenzen

Individueller Nutzen

Diagnose und

Klinische Situation

Prognose

Ethik

Angehörigenwunsch

Autonomie und

Patientenwunsch

Komorbidität

Nutzen - Mißbrauch

Nie essen oder PEG

PEG nur zusätzliche Nahrung

Füttern per Hand PEG-Sonde

Menschliche Solidarität Zweckmäßig (Kosten,

Zeit, Personal)

Zuwendung Ausgrenzung

Verlust pflegerischer

Zuwendung

Legen einer PEG bedarf einer klaren

medizinische Indikation entsprechend Leitlinie

(ESPN Clin Nutr 24 (2005))

Die PEG ist KEINE TERMINALE

MASSNAHME bei Patienten mit infauster

Prognose und KEINE SYMBOLISCHE

HANDLUNG

Grenzfall – was tun?

Limitierter Berhandlungsversuch ( z. B. Naso-

gastrale Sonde, s.c. Infusion)

Ethikkommtitee

möglichst frühzeitig mit den

potentiell Betroffenen sprechen

Ältere und fortschreitend demente Patienten profitieren

eher nicht von einer PEG

Ethische Grundüberzeugung

Indikation nur bei Symptomminderung

( Hunger, Durst, Aspiration, Wohlbefinden)

kritisch

individuell

zurückhaltend

mit der Indikation umgehen

Das PEG-Dilemma

Heime wünschen/fordern die PEG

Oft auf Druck von außen

Ärzte veranlassen und legen die PEG

Indikationsstellung und Anlage erfolgen in der Regel durch verschiedene Ärzte (Auftragsarbeit)

Unkenntnis von medizinischer und ethischer Indikation ( differenzierter Einsatz)

Das PEG-Dilemma

Klinisch relevante Studien fehlen zu

kritischen Indikationsgebieten

PEG-Sonden werden zu spät gelegt und

die Ernährung darunter ist oft

ungenügend

Das PEG-Dilemma

Frühzeitig daran denken

Rechtzeitig ansprechen

Medizinisch- ethische Indikation nach

individueller Abwägung