Nathan Der Weise UE

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Nathan der Weise Nathan der Weise Lessing Zusammenfassung: Das Stück beginnt im Jahr  1192, als der Jerusalemer Jude Nathan von einer längeren Handelsreise in seine von Sultan Saladin beherrschte Heimatstadt zurückkehrt. Kaum angekommen, erfährt er von seiner christlichen Hausangestellten Daja, dass sein Haus während seiner Abwesenheit nicht nur brannte, sondern dass darin beinahe seine 18 - jährige Tochter Recha umgekomme n wäre. Nur das beherzte Eingreifen eines ebenso plötzlich aufgetauchten wie wieder verschwun denen Tempelritters hat die Katastrophe verhindern können. Der junge Schwabe hatte zuvor zusammen mit anderen Glaubensgenossen versucht, eine Festung zu erstürmen, war dabei gefangen genommen worden und sollte eben enthauptet werden, als ihn Saladin erblickte und überraschend begnadigte . Es heisst, der Ritter habe ihn an seinen verschollenen Bruder erinnert. Nach vollbrachter Rettung verschwand der Mann, ohne Dank zu akzeptieren, und verwahrte sich auch in der Folge dagegen, so dass Recha, durch Daja bestärkt, zu glauben begann, ein Engel habe sie aus den Flammen getragen. Der zurückgekehrte Nathan demaskiert eine solche Auffassung als Form des Stolzes und der Unvernunft, da ein Engel für mehr gelte als ein Mensch, dieser aber grösseren Nutzen von menschlichem Dank hätte als ein Engel. Er will sich nun dem Ritter erkenntlich zeigen. Bevor es aber zu einer ersten Unterhaltung kommen kann, versucht der Jerusalemer Patriarch den Tempelherrn für seine Zwecke als Spion und Attentäter gegen Saladin zu gewinnen, aber Ritter Curd hat für einen glaubensbed ingten Verrat wenig übrig. Gänzlich aus der Fassung bringt ihn dann Nathan, der aus Curds schnippischen Äusserungen immer dessen guten Charakter herausliest und ihn so in eine Reihe mit allen guten Menschen dieser Erde stellt. In diesem Zusammenh ang entdecken die beiden, dass ihnen der Kampf um das Vorrecht, die beste aller Religionen zu haben, zuwider ist und werden gerade Freunde, als Nathan zum Sultan gerufen wird. Dessen Güte und der daraus resultierende Geldmangel sind weitum bekannt, so dass sich Nathan, der sich dem Sultan durch die Bewahrung des späteren Retters seiner Tochter verbunden fühlt, mit dem Gedanken anfreundet, Saladin finanziell zur Seite zu stehen, obwohl er erst vor kurzem seinem Freund und jetzigen Schatzmeister Al-Hafi diesbezüglich eine klare Absage erteilt hat. Mittlerweile weiss nun auch Saladin um seine finanzielle Misere, die durch das Ausbleiben der ägyptischen Tribute und seine horrende Freigebigkeit so katastrophale Ausmasse angenommen hatte, dass seine Schwester Sittah heimlich alle Ausgaben selbs t bestritten hat. Der reiche Nathan soll nun in die Lücke springen. Sittah heckt einen Plan aus, um den Juden zu überlisten. Wider Erwarten hat dann das Begehren des Sultans nichts mit Geld zu tun. Er will erfahren, welcher Glaube Nathan der liebste sein. Nicht recht wissend, woran er ist, antwortet Nathan mit einem Märchen, in dem ein Ring, der die Gabe besitzt, seinem jeweiligen Träger die Liebe und Achtung der Menschen zu verschaffen , solange vom Vater auf seinen liebsten Sohn überging, bis ein Vater sich nicht zwischen seinen drei Söhnen entscheiden kann und täuschend echte Duplikate fertigen lässt. So kommt es, das sich nach seinem Tode jeder Bruder im Besitz des magischen Ringes wähnt und die anderen beiden des Betrugs bezichtigt. Der Richter, der die Frage klären soll, setzt schliesslich auf die Kraft des Rings und gibt den Rat, den zum rechtmässigen Nachfolger zu erklären, der von den dreien insgesamt am beliebtesten sei. Doch jeder liebt nur sich selbst, so bleibt das Problem vorerst ungelöst. Ergriffen ob Nathans Weisheit, bittet Saladin Nathan, der ihm ungefragt seine Gelder zur Verfügung stellt, sein Freund zu werden. Nach Hause zurückgekehrt, findet Nathan einen in Liebe zu Recha entbrannten Tempelritter vor. Er reagiert distanziert, interessiert sich besonders für Curds Familienverhältnisse und stösst dadurch auf Unverständnis, das schon schier in Wahn umschlägt, als Daja Curd eröffnet, Recha sei in Wahrheit ein getauftes Christenmädchen. Der sucht in seiner Enttäuschung ob Nathans vermeintlich selbstsüch tigem Verhalten Rat beim Patriarchen, der die hypothetisch gestellte Frage nach dem Schicksal eines Juden, der eine Christin zur Apostasie verführt hätte, in der Realität ohne Berücksichtigung der Motive mit dem Tod auf dem Scheiterhaufen beantworten will. Durch solch blinden Eifer abgeschrec kt, findet Curd zu 1/11 Maria E. Ohrfandl www.visualmia.net.ms  

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  • Nathan der Weise

    Nathan der Weise Lessing Zusammenfassung:Das Stck beginnt im Jahr 1192, als der Jerusalemer Jude Nathan von einer lngeren Handelsreise in seinevon Sultan Saladin beherrschte Heimatstadt zurckkehrt. Kaum angekommen, erfhrt er von seinerchristlichen Hausangestellten Daja, dass sein Haus whrend seiner Abwesenheit nicht nur brannte, sonderndass darin beinahe seine 18 - jhrige Tochter Recha umgekommen wre. Nur das beherzte Eingreifen einesebenso pltzlich aufgetauchten wie wieder verschwundenen Tempelritters hat die Katastrophe verhindernknnen. Der junge Schwabe hatte zuvor zusammen mit anderen Glaubensgenossen versucht, eine Festungzu erstrmen, war dabei gefangen genommen worden und sollte eben enthauptet werden, als ihn Saladinerblickte und berraschend begnadigte. Es heisst, der Ritter habe ihn an seinen verschollenen Brudererinnert. Nach vollbrachter Rettung verschwand der Mann, ohne Dank zu akzeptieren, und verwahrte sichauch in der Folge dagegen, so dass Recha, durch Daja bestrkt, zu glauben begann, ein Engel habe sie ausden Flammen getragen.Der zurckgekehrte Nathan demaskiert eine solche Auffassung als Form des Stolzes und der Unvernunft, daein Engel fr mehr gelte als ein Mensch, dieser aber grsseren Nutzen von menschlichem Dank htte als einEngel. Er will sich nun dem Ritter erkenntlich zeigen. Bevor es aber zu einer ersten Unterhaltung kommenkann, versucht der Jerusalemer Patriarch den Tempelherrn fr seine Zwecke als Spion und Attentter gegenSaladin zu gewinnen, aber Ritter Curd hat fr einen glaubensbedingten Verrat wenig brig.Gnzlich aus der Fassung bringt ihn dann Nathan, der aus Curds schnippischen usserungen immer dessenguten Charakter herausliest und ihn so in eine Reihe mit allen guten Menschen dieser Erde stellt. In diesemZusammenhang entdecken die beiden, dass ihnen der Kampf um das Vorrecht, die beste aller Religionen zuhaben, zuwider ist und werden gerade Freunde, als Nathan zum Sultan gerufen wird.Dessen Gte und der daraus resultierende Geldmangel sind weitum bekannt, so dass sich Nathan, der sichdem Sultan durch die Bewahrung des spteren Retters seiner Tochter verbunden fhlt, mit dem Gedankenanfreundet, Saladin finanziell zur Seite zu stehen, obwohl er erst vor kurzem seinem Freund und jetzigenSchatzmeister Al-Hafi diesbezglich eine klare Absage erteilt hat.Mittlerweile weiss nun auch Saladin um seine finanzielle Misere, die durch das Ausbleiben der gyptischenTribute und seine horrende Freigebigkeit so katastrophale Ausmasse angenommen hatte, dass seineSchwester Sittah heimlich alle Ausgaben selbst bestritten hat. Der reiche Nathan soll nun in die Lckespringen. Sittah heckt einen Plan aus, um den Juden zu berlisten.Wider Erwarten hat dann das Begehren des Sultans nichts mit Geld zu tun.Er will erfahren, welcher Glaube Nathan der liebste sein. Nicht recht wissend, woran er ist, antwortet Nathanmit einem Mrchen, in dem ein Ring, der die Gabe besitzt, seinem jeweiligen Trger die Liebe und Achtungder Menschen zu verschaffen, solange vom Vater auf seinen liebsten Sohn berging, bis ein Vater sich nichtzwischen seinen drei Shnen entscheiden kann und tuschend echte Duplikate fertigen lsst. So kommt es,das sich nach seinem Tode jeder Bruder im Besitz des magischen Ringes whnt und die anderen beiden desBetrugs bezichtigt. Der Richter, der die Frage klren soll, setzt schliesslich auf die Kraft des Rings und gibtden Rat, den zum rechtmssigen Nachfolger zu erklren, der von den dreien insgesamt am beliebtesten sei.Doch jeder liebt nur sich selbst, so bleibt das Problem vorerst ungelst.Ergriffen ob Nathans Weisheit, bittet Saladin Nathan, der ihm ungefragt seine Gelder zur Verfgung stellt, seinFreund zu werden. Nach Hause zurckgekehrt, findet Nathan einen in Liebe zu Recha entbranntenTempelritter vor. Er reagiert distanziert, interessiert sich besonders fr Curds Familienverhltnisse und stsstdadurch auf Unverstndnis, das schon schier in Wahn umschlgt, als Daja Curd erffnet, Recha sei inWahrheit ein getauftes Christenmdchen. Der sucht in seiner Enttuschung ob Nathans vermeintlichselbstschtigem Verhalten Rat beim Patriarchen, der die hypothetisch gestellte Frage nach dem Schicksaleines Juden, der eine Christin zur Apostasie verfhrt htte, in der Realitt ohne Bercksichtigung der Motivemit dem Tod auf dem Scheiterhaufen beantworten will. Durch solch blinden Eifer abgeschreckt, findet Curd zu

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    sich selbst zurck und zu Saladin, der ihn zur Besinnung bringt und sich um die Sache kmmern will. Der glcklicherweise rechtschaffene,vom Patriarch gesandte Spionage-Bruder, der Nathan einst, damals nochals Reitknecht, das Tchterchen seines Herrn, Nathans Freund von Filnek, bergab, kann Nathan Aufschlussber die Familienverhltnisse seiner Pflegetochter geben und warnt ihn gleichzeitig vor der Anzeige einesTempelritters, der bald darauf recht zerknirscht eintrifft, und anbietet, Recha vor den Folgen seinerUnbesonnenheit zu retten, indem er sie eheliche. Gross ist seine Enttuschung, als er von Nathan vernimmt,dass nun Verwandte, vornehmlich ein Bruder, gefunden worden seien. Am liebsten mchte er mit Recha aufund davon, selbst wenn er darber Muslim werden msste, aber zwischenzeitlich wurde die Angebetete aufGeheiss des Sultans zu dessen Schwester bestellt.Daja frchtet, Recha soll mit einem Muslim verheiratet werden. Deshalb weiht sie sie in das Geheimnis ihrerHerkunft ein, was bei dem armen Mdchen, das sich pltzlich seines Vaters beraubt sieht, zu einemOhnmachtsanfalll fhrt. Saladin und Sittah anerbieten sich, die Eltern zu ersetzen, und wollen Recha und Curdmiteinander verheiraten. Doch der eben mit letzterem erschienene Nathan vereitelt das. Mit Hilfe der ihm vomKlosterbruder zugestellten Unterlagen weist er nach, dass Recha und Curd nicht nur Geschwister sind, Kindervon Nathans verstorbenem Freund, sondern dass jener Freund auch der verschollene Bruder Saladins war, sodass zum Schluss Angehrige dreier Religionen durch geistige und erbliche Bande vereint sind.

    Selbstachtung gegen VorurteileGesprchsanalyse der 5. Szene des 2. Aktes von "Nathan der Weise"

    Personen: Nathan und der TempelritterZu Beginn der Szene nhert sich Nathan einem psychisch und emotional stark belasteten Mann. Innertkrzester Zeit erlebte dieser den Abstieg vom Retter der Christenheit zum Gefangenen und Todeskandidaten,wurde in letzter Sekunde als einziger begnadigt und ohne Regelung seines Status in eine Welt hinausgestossen, mit der er bereits abgeschlossen hatte. Dieser junge Mann, dessen Selbstvertrauen undWertvorstellungen durch die vorangegangenen Ereignisse schwer gelitten haben drften, wird nun mit einemAngehrigen eines in der Christenheit schwer diskreditierten Volkes konfrontiert, der sich ihm in vollendeterHflichkeit aufdrngt. Auf einen Menschen, der sich von vornherein schuldig bekennt, die Ruhe seinesGesprchspartners zu stren, kann ein gut erzogener Mann wie Curd kaum mit konsequenter Ablehnungreagieren. Zudem wird ihm das Gefhl vermittelt, der Strkere zu sein, was ihn an seine ritterlich -ideologische Pflicht erinnert, sich den Schwachen gegenber stets grossmtig und edel zu zeigen.

    Nathan stellt sich nun in einer Form vor, die den anderen zwingt, sich mit ihm geistig auseinanderzusetzen,indem er seine Identitt solange zum Rtsel macht, bis der Funke gesprungen ist, und der Ritter nicht mehrvorgeben kann, den Grund des Gesprches nicht zu kennen. Er versucht es auch gar nicht, sondernkonzentriert sich darauf, Nathans Dank abzuwehren. Ist er dazu in der Lage, zeugt das von einigemSelbstvertrauen und einer gewissen Macht, von Dingen also, die Curd momentan nicht sein Eigen nennenkann. Er will ihre Wiederherstellung keinem Juden verdanken, zu tief wurzeln erlernte Vorurteile und der Trieb,wenigstens jemandem berlegen zu sein.

    Nathan reagiert auf das zur Schau gestellte Pflichtbewusstsein, dass im Wesentlichen Verlegenheitberspielen soll, und die Geringschtzung seinem Volk gegenber mit Verstndnis. Er lsst keinen Konfliktaufbrechen, zeigt kaum eine direkte Reaktion, fhrt fort, den Ritter als im Grunde gut zu charakterisieren, undschafft so eine Basis, auf Grund deren fortgesetzte Gesprche mglich sein werden.

    Der Tempelherr dankts ihm nicht. Er bleibt schroff und knapp und stellt Nathan, den reichen Juden, der ihm

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    helfen mchte, als potentiellen Schmiergeldverteiler dar. Nathan wahrt seine Wrde und ndert seine Taktik.Statt direkt mit dem Ritter, spricht er mit dessen Mantel und nimmt ihm so die Mglichkeit, die unter einemVorwurf verborgenen Komplimente auszuschlagen.

    Nathans Trne, Ausdruck aufgewhlter Gefhle und des Schmerzes, der Recha gegenwrtig zuteil wird,entblsst das knstliche Gehabe des Ritters so sehr, dass er, verwirrt und erschreckt ber den unerwartetenGefhlsausbruch, hflicher wird. Nathan lsst ihm keine Zeit, Herr der Verwirrung zu werden, er kommtendlich zum eigentlichen Problem. Er erniedrigt sich in den Augen Curds weiter, indem ersagt, dass erinzwischen schon mit einem Mantel zufrieden wre, um dem aufgestauten Dank ein Ventil zu bieten. Dadurchwird Curd klar, dass es nicht allein damit getan ist, jemanden zu retten, sondern dass man dadurch denGeretteten gleichsam in Vormundschaft nimmt und das Gleichgewicht nur wieder herstellen kann, wenn manihm gestattet, die Schuld durch Dank abzutragen. Nathan hat dem Ritter seine eigene Situation vor Augengefhrt. Curd findet keine Worte, schmt sich wohl, aber Nathan will ihn weder mehr als ntig verunsichern noch seinSelbstwertgefhl weiter schwchen. Er will eine knftige Beziehung auf Gleichberechtigung aufbauen.Deshalb ldt er, der Starke, Curds Versagen auf die Schultern seiner eigenen Familie. Dadurch wird der Ritterfhig zur Selbstkritik, gesteht dem Juden gewisse Achtung und seinem Orden Fehler zu. Nathan aber interessiert sich nur fr dieses spezielle Exemplar von Tempelritter und betrachtet es als Menschund nicht als Mitglied einer Gruppe. Er individualisiert die ganze Diskussion. Er stellt alle guten und mittelgutenMenschen auf je eine Stufe. Davon ausgehend, plaziert er Anspielungen auf gegenseitige fehlende Toleranz,die dem Ritter sauer aufstossen. Alte Ressentiments gegen Juden brechen wieder auf, aber es erscheinenauch echte berlegungen, die die reale politische Situation (Kreuzzge, Suche nach der besten Religion)hinterfragen. Bei solchen Anstzen hakt der aufgeklrte Nathan natrlich sofort ein. Noch einmal lst er dasIndividuum von seiner Herkunft und appelliert allein an den vernunftbegabten Menschen.Das legt nun endgltig den Grundstein zu einer von Nathan erkmpften Freundschaft. Durch seine Wrde, dieer jeder Erniedrigung entgegengestellt hat, hat er dem in einem ideellen Vakuum steckenden Jngling einpositives Vorbild gegeben, das dieser nach einer lngeren Phase der Situationsbewltigung ( Unhflichkeit )adaptierte.

    Curd ist nun so stark, dass er zugeben kann, dass ihm Recha doch einiges bedeutet.

    Nathan der Weise ist der Titel und die Hauptfigur eines fnfaktigen Ideendramas von Gotthold EphraimLessing, das 1779 verffentlicht und am 14. April 1783 in Berlin uraufgefhrt worden ist. Es ist im Blankversverfasst, welcher der Klassik als Vorbild dient. Das Werk hat als Themenschwerpunkt Religionstoleranz.Besonders wichtig dabei ist die Ringparabel im dritten Aufzug des Dramas, die sich bereits bei GiovanniBoccaccio in dessen Geschichtensammlung Decamerone findet.Die Parabel reicht aber tatschlich bis etwa um 1100 zur Iberischen Halbinsel zurck, wo sie vonsephardischen Juden erfunden wurde.Nathan der Weise ist Lessings letztes Werk. Sein Hintergrund ist eine Auseinandersetzung mit demHamburger Hauptpastor Johann Melchior Goeze, die soweit reichte, dass ein Teilpublikationsverbot erhobenworden ist. Infolgedessen implizierte Lessing seine Idee des Deismus in dieses Drama. Seine Beschftigungmit dem Stoff reicht jedoch nachweislich bis ca. 1750 zurck.In der Figur Nathans des Weisen setzte Lessing seinem Freund Moses Mendelssohn ein literarischesDenkmal.Von historischem Interesse fr die Entstehung des Stckes ist auch die Auseinandersetzung mit HermannSamuel Reimarus im Fragmentenstreit.

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    INHALTDie Handlung spielt zur Zeit des Dritten Kreuzzugs whrend des Waffenstillstandes in Jerusalem. Als der JudeNathan von einer Geschftsreise zurckkommt, erfhrt er, dass seine Pflegetochter Recha von einemchristlichen Tempelherrn aus dem Feuer gerettet worden ist. Der Ordensritter verdankt sein Leben derBegnadigung durch den muslimischen Herrscher, Sultan Saladin. Dieser hat ihn als einzigen von zwanzigGefangenen begnadigt, weil er Saladins verstorbenen Bruder Assad hnlich sehe. Durch geschickte Redeberzeugt Nathan den Tempelherrn zu einem Besuch, um den Dank seiner Tochter entgegenzunehmen.Derweilen hat Saladin Geldsorgen, weswegen er Nathan zu sich bringen lsst. Er gibt dazu vor, Nathansbekannte Weisheit zu testen und fragt nach der wahren Religion. Nathan antwortet mit der Ringparabel.Saladin erkennt schnell die Aussage der Gleichberechtigung unter den drei monotheistischen Religionen.Davon tief beeindruckt bittet er daraufhin, Nathans Freund sein zu drfen. Noch erfreuter zeigt er sich, als ervon Nathan ein Darlehensangebot erhlt, ohne danach gefragt zu haben. Der Tempelherr hat sichunterdessen in Recha verliebt und mchte sie heiraten. Als er durch Information von Nathans HaushlterinDaja, einer Christin, herausfindet, dass Recha adoptiert ist und ihre leiblichen Eltern Christen waren, wendeter sich an den Patriarchen von Jerusalem, auch weil Nathan gegenber der Idee einer Heirat eine sehrzurckhaltende Haltung zeigt. Der Templer erzhlt den Vorfall hypothetisch, doch das KirchenoberhauptJerusalems mchte sofort "diesen Juden" suchen lassen, um ihn auf den Scheiterhaufen zu bringen. Durchein Verzeichnis eines Klosterbruders stellt sich schlielich heraus, dass die von einem Juden erzogene Rechaund der christliche Tempelherr Geschwister und zugleich die Kinder von Assad sind, der wiederum SaladinsBruder und reformierter Christ war. Somit sind sie auch noch Nichte und Neffe des Muslims Saladin, womit dieenge Verwandtschaft der Religionen nochmals verdeutlicht wird. Nathan wird als Vater im Sinne derSeelenverwandtschaft und Adoption anerkannt.

    RINGPARABELIn der Schlsselszene lsst Saladin Nathan zu sich rufen und legt ihm die Frage vor, welche der dreimonotheistischen Religionen er denn fr die Wahre halte. Nathan sieht sich vor den Konflikt, weder seineReligion zu sehr zu betonen, noch die anderen beiden. Deshalb antwortet er mit einem Gleichnis. Darin besitztein Mann ein wertvolles Familienerbstck: einen Ring, der ber die magische Eigenschaft verfgt, seinenTrger vor Gott und den Menschen angenehm zu machen. Dieser Ring wurde ber viele Generationenhinweg vom Vater an jenen Sohn vererbt, den der Vater am meisten liebte. Doch nun tritt der Fall ein, dassder Vater von seinen drei Shnen keinen bevorzugen kann und mchte, sodass er von einem Goldschmiedzwei Duplikate des Ringes herstellen lsst. Er hinterlsst jedem Sohn einen Ring, wobei er jedem versichert,sein Ring sei der echte. Nach dem Tode des Vaters ziehen die Shne vor Gericht, um klren zu lassen,welcher von den drei Ringen der echte sei. Der Richter aber ist auerstande, dies zu ermitteln. So erinnert erdie drei Mnner daran, dass der echte Ring die Eigenschaft habe, den Trger bei allen anderen Menschenbeliebt zu machen; wenn aber dieser Effekt bei keinem der drei eingetreten sei, dann knne das wohl nurheien, dass der echte Ring verloren gegangen sein msse. Jedenfalls solle ein jeder von ihnen trachten, dieLiebe aller seiner Mitmenschen zu verdienen; wenn dies einem von ihnen gelinge, so sei er der Trger desechten Ringes.

    Wirkung und Diskussion der RingparabelDie Ringparabel gilt als ein Schlsseltext der Aufklrung und als pointierte Formulierung der Toleranzidee.Dem zugrunde liegt die Analogie, dass der Vater fr Gott, die drei Shne fr die drei monotheistischenReligionen (Judentum, Christentum und Islam) und der Richter fr Nathan selbst steht. Die Aussage derParabel wre demnach, dass Gott die drei Religionen gleichermaen liebe.Eine weitere Interpretation ist, dass Gott die Religion am meisten liebe, die von allen Menschenangenommen und respektiert wird und die alle Menschen eint.

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    Eine dritte Interpretation ist, dass der echte Ring im Laufe der Zeit an seiner Wirkungerkannt werden kann. Gleiches glte dann fr die wahre Religion.Eine weitere Interpretationsmglichkeit besteht darin, dass der Vater der drei Shne fr dieursprnglich als Ideale betrachtete einzige Religion steht, die sich in die drei Religionen (dreiShne) Islam, Judentum und Christentum unterteilte. Der Richter in der Ringparabel steht fr Gott,der vor allen Religionen gleich ist. Die Idee des Dramas (Ideendrama) besteht folglich darin, diedrei Religionen erneut zu einer starken Einheit zu verbinden.

    Gleichermaen lsst sich auch auerhalb der Aufklrung die Bedeutung finden, dass dieWahrheit, also die wahre Gottesschau (in diesem Fall hinter dem christlichen Charisma- undLiebessymbol versteckt) tatschlich verloren gegangen ist (so sie denn jemals in expliziter Formvorlag und nicht nur als implizite Offenbarung). Die Religionen als Gruppierungen, welche diesemIdeal zustreben, seien ihm hnlich nah, aber gleichzeitig auch hnlich fern. Die Tradition, immerdem liebsten Sohn die Wahrheit zu vererben, lsst sich deuten als Verweis auf dasProphetenwesen, weshalb die hnlichkeit der abrahamitischen Religionen untereinander und desgesamten Monotheismus zu Recht postuliert wird. Mit der Parabel jedoch wird auch unterstellt,man msse das Wirken Gottes an seinen Resultaten in der Welt erkennen knnen, um ihnen Seinzuzuweisen.

    Zur Vorgeschichte der Ringparabel siehe die Erzhlung von Saladins Tisch bei Jans dem Enikel(13. Jahrhundert) und die Erzhlung "Vom dreifachen Lauf der Welt" in den Gesta Romanorum.

    Charakterisierung der Hauptpersonen

    Nathan Nathan ist die Hauptfigur, bei der die Handlungsstrnge zusammenlaufen und der alle Fden zueinem Ganzen verknpft. Zuerst wird Nathan als reicher Kaufmann aus Jerusalem vorgestellt (I, 6.),der von seinen Geschftsreisen immer viel Geld und Luxusgter mitbringt. Das Volk hat sichbereits vor geraumer Zeit ein Bild von diesem reichen Juden gemacht. Nathan ist nicht geizig,mchte aber nicht die leeren Staatskassen Saladins fllen, obwohl er dadurch seinen Reichtumvermehren knnte; nicht zuletzt deshalb lehnt er aber ab, weil sein Freund Al-Hafi ihn darum bittet.Durch dieses Verhalten entkrftet Nathan das Vorurteil, dass Juden nur nach Reichtum streben. Aufdie Bitte des Sultans, ihm Geld zu leihen, reagiert er aber entgegenkommend. Nathan wird vomVolk und von allen Menschen vor allem wegen seiner Gte und seines Gromuts gelobt. In NathansPerson bilden brgerliche Tchtigkeit und Tugend eine in sich geschlossene Einheit.

    Saladin und der Tempelherr sehen in Nathan allerdings zuerst den Juden, dem man aus demWeg gehen sollte.Recha ist zwar nur Nathans Adoptivtochter, doch er nennt sie ganz selbstverstndlich meineRecha und mein liebes Kind. Nathan ist fr Recha der perfekte Vater, obgleich er nicht ihrleiblicher ist. (Das Blut allein macht noch nicht den Vater aus.) Auerdem ist er Beschtzer undAnwalt Rechas zugleich.

    Nathan hat sich vom orthodoxen Judentum gelst und ist anderen Religionen gegenber toleranteingestellt (Vers 1070 Jud' und Christ Und Muselmann und Parsi, alles ist Ihm eins). Fr ihnist die Religion nur eine Hlle. Bei ihm finden Glaube und Vernunft Einklang. SeineWeltanschauung lebt er vorbildhaft und macht sie auch zur Grundlage von Rechas Erziehung.Durch diese Weltanschauung wird er als weise bezeichnet.

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    Saladin Sultan Saladins Palast ist der Mittelpunkt der politischen Macht in Jerusalem und Schauplatz derletzten Szene. Whrend eines Angriffes auf Tebnin nehmen Saladins Mnner einige Tempelritterals Gefangene. Nur einen dieser Tempelritter lsst Saladin am Leben, weil er seinem verschollenenBruder Assad hnlich sieht. Er ist von Grund auf ein guter Mensch, der anderen Gutes mchte undihnen jederzeit, soweit es mglich ist, Geschenke und Gaben berreicht. Er sieht dabei auch vonseinem eigenen Wohl ab, was ihn schlussendlich in den wirtschaftlichen Ruin treibt. Mit seinerSchwester Sittah spielt Saladin oft Schach, was von Intellektualitt zeugt. Die Begegnung mitNathan und der Ringparabel wird zum Schlsselerlebnis fr Saladin, welche seine Einstellungvollkommen verndert. (4. Aufzug, 4. Auftritt: Ich wollte nie, dass Bumen eine Rinde wchst.)Saladin gilt als Verbesserer der Welt: Er hilft den Bettlern und begnadigt einen Tempelherren,welchem er anfangs sogar gute Kleidung beschafft, um ihm Ansehen zu verleihen. Mit derFreundschaft zu Nathan bildet er eine Glaubensgemeinschaft, welche alle Grenzen der Religionberwindet.

    Der Junge Tempelherr Der Tempelherr (Leu von Filnek) ist Christ und Mitglied des Templerordens. Und als Christ hat erauch die damals blichen Vorurteile gegenber Juden. Durch sein beherztes Eingreifen rettet erRecha aus den Flammen des brennenden Hauses. Fr diese Tat mchte er aber keinen Dank undkeine Anerkennung, weil es fr ihn selbstverstndlich ist, zu helfen. Ferner schtzt der Tempelherrzu Beginn des Dramas das Leben Rechas als weniger wert ein, da sie nur eine Jdin ist. Erst nacheiniger Zeit, in der er Daja, Recha und Nathan aus dem Weg geht, merkt er, dass er sich in einJudenmdchen verliebt hat. Zu Nathan kann der Tempelherr eine Freundschaft aufbauen und seingesamtes Bewusstsein verndern. In der Schlussszene stellt sich heraus, dass der Tempelherrund Recha Geschwister sind.

    Literatur Erstausgabe: G. E. Lessing : Nathan der Weise. Ein dramatisches Gedicht, in fnf Aufzgen. 1779 [keine

    Verlagsangabe], 276 S.(inkl. Anmerkungen) Hans-Ulrich Lindken: Erluterungen zu Gotthold Ephraim Lessing, Nathan der Weise. 5. Auflage. Bange

    1987, ISBN 3-8044-0225-9 Hans Ritscher: Gotthold Ephraim Lessing: Nathan der Weise. 9. Auflage. Diesterweg 1979, ISBN 3-425-

    06380-4 Timotheus Will: Lessings dramatisches Gedicht Nathan der Weise und die Philosophie der

    Aufklrungszeit, Schningh 1999. ISBN 3-506-75069-0

    Weblinks Text der Ringparabel Lessings 'Nathan' im Spielplan deutschsprachiger Bhnen Inhaltszusammenfassung, Figurenkonstellation und Verbindung zum Decameron Musteraufsatz Inwieweit wird die Forderung der Aufklrung nach religiser Toleranz in Lessings

    'Nathan der Weise' aufgezeigt? Die Ringparabel bei Boccaccio, gelesen als Niederschlag von Renaissanceideen Stoffsammlung zu Lessings Ringparabel Lessing, der Islam und die Toleranz Szenarium/Szenenbersicht Kerngedanken und Aktzusammenfassung

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    Figurkonstellation:

  • Nathan der Weise

    Opale (ethische Universalien) desErsten Ringes

    (Judentum)Zweiten Ringes

    (Christentum)Dritten Ringes

    (Islam

    Rabbi Hillel sprach: "Was dir verhasst ist,das tu auch deinem Nchsten nicht. Das istdie ganze Tora, alles andere ist ihreAuslegung. Geh hin und lerne! (Talmud,Schabbat 31a)

    Was du nicht willst, dass man dir tu, dasfg' auch keinem andern zu. (Tobias 4.16[apokryph])

    Du sollst deinen Bruder nicht hassen in deinemHerzen, sondern du sollst deinen Nchsten zu-rechtweisen, auf dass du nicht seinethalbenSchuld tragen mssest. Du sollst nicht rachgierigsein noch Zorn halten gegen die Kinder deinesVolks. Du sollst deinen Nchsten lieben wie dichselbst; denn ich bin der Herr. (3. Buch Mose19.17-18)

    Hlt sich ein Fremder in eurem Land auf,sollt ihr ihn nicht bedrngen. Er soll wie einEinheimischer aus eurer eigenen Mittegelten, und du sollst ihn lieben wie dichselbst. (3. Buch Mose 19.33-34)

    Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren,auf dass du lange lebest in dem Lande, das dirder Herr, dein Gott, gibt. Du sollst nicht tten. Dusollst nicht ehebrechen. Du sollst nicht stehlen.Du sollst kein falsch Zeugnis reden wider deinenNchsten. (2. Buch Mose 20.12-16)

    Ihr sollt keine Witwen und Waisenbedrngen. (2. Buch Mose 22.22)

    Wenn du Geld leihst einem aus meinemVolk, der arm ist bei dir, sollst du ihn nichtzu Schaden bringen und keinen Wucher anihm treiben. (2. Buch Mose 22.25) Du sollst kein falsches Gercht verbreiten. Bietedem, der eine ungerechte Sache vertritt, nichtdie Hand, um als falscher Zeuge fr ihn aufzutre-ten. Richte bei einem Rechtsstreit deineAussage nicht nach der groen Menge, um dasRecht nicht zu beugen. Begnstige denVornehmen nicht in deinem Rechtshandel.Beuge in einem Rechtshandel nicht das Rechteines Armen deines Volks. Halte dich fern vonfalscher Anklage und trage nicht dazu bei, einenUnschuldigen, der im Recht ist, umzubringen.Nimm keine Bestechungsgelder an; dennGeschenke machen die Sehenden blind undverdrehen die Sache der Unschuldigen.Bedrcke keinen Fremden! Ihr wisst, wie einemFremden zumute ist; im Land gypten seid ihrselbst Fremde gewesen. (2. Buch Mose 23.1-9]

    Alles nun, was ihr wollt, dass euch dieLeute tun sollen, das tut ihr ihnen auch;das ist das Gesetz und die Propheten.(Matthus 7.12)

    Es kam einer zu Jesus und fragte ihn:Meister, was muss ich tun, um ewigesLeben zu erlangen? Er antwortete: Wasfragst du mich Ober das Gute? Nureiner ist der Gute. Willst du jedoch insLeben eingehen, dann halte die Gebote.Welche? fragte er. Jesus antwortete:Diese: Du sollst nicht tten, nichtehebrechen, kein falsches Zeugnisablegen, ehre deinen Vater und deineMutter, du sollst deinen Nchsten liebenwie dich selbst. (Matthus 19.16-19) Die Phariser hrten, dass er dieSadduzer zum Schweigen gebrachthatte. Sie gingen zu ihm, und einer vonihnen, ein Gesetzeskundiger, versuchteihn mit der Frage: Welches ist dasHauptgebot im Gesetz? Er antwortete:Du sollst den Herrn, deinen Gott, liebenmit deinem ganzen Herzen, mit deinerganzen Seele und mit deinem ganzenDenken. Das ist das Hauptgebot, dasoberste. Doch ist ihm ein zweites gleich:Du sollst deinen Nchsten lieben wiedich selbst. Auf diesen beiden Gebotenstehen das ganze Gesetz und diePropheten. (Matthus 22.34-40) Wer den andern liebt, hat das Gesetzerfllt. Denn das Gebot: Du sollst nichtehebrechen, nicht tten, nicht stehlen,dich nicht gelsten und jedes andereGebot ist in diesem Wortzusammengefasst: Du sollst deinenNchsten lieben wie dich selbst. DieLiebe fgt dem Nchsten nichts Bseszu. Darum ist Liebe die Erfllung desGesetzes. (Brief an die Rmer 13.9-10) Wenn es mglich ist, lebt mit allenMenschen in Frieden, so weit es aneuch liegt. Rcht euch nicht selbst. Lassdich nicht vom Bsen besiegen,sondern berwinde das Bse mit demGuten. (Brief an die Rmer 12.18, 21) Hier gibt es keinen Unterschiedzwischen Juden und Griechen. Sie allehaben einen und denselben Herrn.(Brief an die Rmer 10.12)

    Anas berichtete, dass der Heilige Prophetsagte: "Niemand von euch ist ein wahrerGlubiger, solange er nicht das fr anderewnscht, was er fr sich selbst wnscht." (Ausder Sunna)

    Und bestimmt hat dein Herr, dass ihr ihmallein dient und dass ihr gegen eure Elterngtig seid, sei es, dass der eine von ihnenoder beide bei dir ins Alter kommen. Drumsprich nicht zu ihnen: "Pfui! und schilt sienicht, sondern fhre zu ihnen ehrfrchtigeRede. Lass zu ihnen den Fittich derUnterwrfigkeit hngen aus Barmherzigkeitund sprich: "Mein Herr, erbarme dich beider,so wie sie mich aufzogen, da ich klein war."Ttet nicht eure Kinder aus Furcht vorVerarmung; wir wollen sie und euch ver-sorgen. Siehe, ihr Tten ist eine groeSnde. Und bleibt fern der Hurerei; siehe, esist eine Schndlichkeit und ein bler Weg.Und ttet keinen Menschen, den euch Gottverwehrt hat, es sei denn um derGerechtigkeit willen. Ist aber jemandungerechterweise gettet, so geben wirseinen nchsten Anverwandten Gewalt.Doch sei er nicht malos im Tten; dennsiehe, er findet Hilfe [im Gesetz]. Und bleibtfern dem Gut der Waise, auer zu ihremBesten, bis sie das Alter der Reife erlangthat. Und haltet den Vertrag. Siehe, berVertrge werdet ihr zur Rechenschaft ge-zogen. (Koran 17.24-25, 32-36) Diejenigen, die nicht falsch Zeugnis ablegen- jene werden belohnt werden mit demObergemach (des Paradieses) fr ihreStandhaftigkeit und sollen darinnen emp-fangen werden mit Gru und Frieden.(Koran 25.72 und 25.76) Es sei kein Zwang im Glauben. (Koran2.257) Weder ist ein Araber einem Nichtaraberberlegen, noch ein Nichtaraber einemAraber; weder ist ein Schwarzer einemWeien berlegen, noch ein Weier einemSchwarzen - auer durch Frmmigkeit. (Ausder Sunna) So Gott es wollte, wahrlich, er machte euchzu einer einzigen Gemeinde; doch will ereuch prfen in dem, was er euch gegeben.Wetteifert darum im Guten. Zu Gott ist eureHeimkehr allemal, und er wird euchaufklren, worber ihr uneins seid. (Koran5.53)

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    Die Ringparabel Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781)

    Vor grauen Jahren lebt' ein Mann in Osten,Der einen Ring von unschtzbarem WertAus lieber Hand besa. Der Stein war einOpal, der hundert schne Farben spielte,

    Und hatte die geheime Kraft, vor GottUnd Menschen angenehm zu machen, werIn dieser Zuversicht ihn trug. Was Wunder,

    Dass ihn der Mann in Osten darum nieVom Finger lie; und die Verfgung traf,

    Auf ewig ihn bei seinem Hause zu erhalten?Nmlich so. Er lie den Ring

    Von seinen Shnen dem geliebtesten; Und setzte fest, dass dieser wiederum

    Den Ring von seinen Shnen dem vermache,Der ihm der liebste sei; und stets der liebste,

    Ohn' Ansehn der Geburt, in Kraft alleinDes Rings, das Haupt, der Frst des Hauses werde.

    So kam nun dieser Ring, von Sohn zu Sohn,Auf einen Vater endlich von drei Shnen;Die alle drei ihm gleich gehorsam waren,Die alle drei er folglich gleich zu lieben

    Sich nicht entbrechen konnte.- Was zu tun?Er sendet in geheim zu einem Knstler,

    Bei dem er, nach dem Muster seines Ringes,Zwei andere bestellt, und weder Kosten

    Noch Mhe sparen heit, sie jenem gleich,Vollkommen gleich zu machen. Das gelingt.

    Dem Knstler. Da er ihm die Ringe bringt,kann selbst der Vater seinen Musterring

    Nicht unterscheiden. Froh und freudig ruftEr seine Shne, jeden insbesondere;

    Gibt jedem insbesondere seinen Segen, -Und seinen Ring, - und stirbt.

    Kaum war der Vater tot, so kmmt ein jederMit seinem Ring, und jeder will der Frst

    Des Hauses sein. Man untersucht, man zankt,Man klagt. Umsonst; der rechte Ring war nicht

    Erweislich; - Wie gesagt: die ShneVerklagten sich; und jeder schwur dem Richter,

    Unmittelbar aus seines Vaters HandDen Ring zu haben. - Wie auch wahr! -

    Der Richter sprach: Ich hre ja, der rechte RingBesitzt die Wunderkraft beliebt zu machen;

    Vor Gott und Menschen angenehm. Das mussEntscheiden! Denn die falschen Ringe werden

    Doch das nicht knnenUnd also, fuhr der Richter fort: Wohlan!

    Es eifre jeder seiner unbestochnenVon Vorurteilen freien Liebe nach!

    Es strebe von euch jeder um die Wette,Die Kraft des Steins in seinem Ring an TagZu legen! komme dieser Kraft mit Sanftmut,Mit herzlicher Vertrglichkeit, mit Wohltun,

    Mit innigster Ergebenheit in GottZu Hilf!

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    Gotthold Ephraim Lessing

    Gotthold Ephraim Lessing (* 22. Januar 1729 in Kamenz (Sachsen); 15. Februar 1781 in Braunschweig) war derwichtigste deutsche Dichter der Aufklrung. Mit seinen Dramen und seinen theoretischen Schriften hat er die weitereEntwicklung der deutschen Literatur wesentlich beeinflusst.

    LebenLessing wuchs als ltester Junge von zwlf Kindern des Pastors und Verfassers theologischer Werke Johann GottliebLessing (1693-1770) und der Justine Salome Feller (1703-1777) in der ostschsischen Kleinstadt Kamenz auf. Nach demBesuch der stdtischen Lateinschule in Kamenz seit 1737 und dem Wechsel an die Frstenschule St. Afra in Meien am 22.Juni 1741, fr die er ein Stipendium bekommen hatte, studierte er ab dem 20. September 1746 in Leipzig Theologie undMedizin. 1748 brach er sein Studium ab. Im November zog er nach Berlin und begegnete dort 1750 Voltaire.Von 1751 arbeitete er fr die Berlinische Privilegierten Zeitung, die sptere Vossische Zeitung, als Rezensent undRedakteur. Am 29. April 1752 erlangte er in Wittenberg die Magisterwrde.Als er im November 1752 nach Berlin zurckkehrte, machte er Bekanntschaft mit Karl Wilhelm Ramler, Friedrich Nicolai,Ewald Christian von Kleist, Johann Georg Sulzer und schloss Freundschaft mit Moses Mendelssohn. Im Oktober 1755kehrte er nach Leipzig zurck. Im folgenden Jahr begann er eine auf mehrere Jahre angelegte Bildungsreise durch dieNiederlande, England und Frankreich als Begleiter von Johann Gottfried Winkler, die er jedoch wegen des SiebenjhrigenKrieges bereits in Amsterdam abbrechen musste. Im selben Jahr begegnete er Johann Wilhelm Gleim, Friedrich GottliebKlopstock und Conrad Ekhof.1758 zog er erneut nach Berlin, wo er mit Friedrich Nicolai und Moses Mendelssohn zusammen die Briefe, die neusteLiteratur betreffend verffentlichte.Von 1760 bis 1765 war er in Breslau als Sekretr beim General Tauentzien beschftigt. 1765 kehrte er zurck nach Berlin,um dann 1767 fr drei Jahre als Dramaturg und Berater an das Hamburger Nationaltheater zu gehen, welches aber bereits1769 aus finanziellen Grnden wieder geschlossen wurde. In dem Theater wurde Lessings Stck Minna von Barnhelmaufgefhrt. Whrend seiner Ttigkeit am Hamburger Theater machte er unter anderem Bekanntschaft mit Friedrich LudwigSchrder, Philipp Emanuel Bach, Johann Melchior Goeze und den Familien Reimarus und Knig. Dabei lernte er seinesptere Frau Eva Knig kennen, deren Mann Engelbert Knig zu diesem Zeitpunkt noch lebte. Im selben Jahr wurde er zumauswrtigen Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften gewhlt.In Wolfenbttel wurde er am 7. Mai 1770 Bibliothekar in der Herzog August Bibliothek. Dort entdeckte er dashochmittelalterliche Werk Schedula diversarum artium des Theophilus Presbyter, das er 1774 unter dem Titel Vom Alterder lmalerey aus dem Theophilus Presbyter herausgab.1771 verlobte er sich mit der 1768 verwitweten Eva Knig. 1775 wurde seine Arbeit in der Bibliothek unterbrochen durchmehrere Reisen zu Eva Knigs jeweiligen Aufenthaltsort, nach Wien ber Leipzig, Berlin, Dresden und Prag und einerAudienz bei Kaiser Joseph II. Als Begleiter des Braunschweiger Prinzen Leopold reiste er nach Italien mit Aufenthalten inMailand, Venedig, Florenz, Genua, Turin, Rom, Neapel und auf Korsika.Am 8. Oktober 1776 heirateten er und Eva Knig in Jork (bei Hamburg). Am Weihnachtsabend 1777 bekam sie einen Sohn, deraber am folgenden Tag starb. Am 10. Januar 1778 starb auch Eva Lessing an Kindbettfieber.

    1779 verschlechterte sich Lessings Gesundheitszustand. Am 15. Februar 1781 starb Lessing an einem Hirnschlag bei einemBesuch in Braunschweig im Hause des Weinhndlers Angott nach vierzehntgiger Krankheit. Er wurde auf dem BraunschweigerMagnifriedhof beigesetzt. Sein Grab wurde 1833 von dem Braunschweiger Privatgelehrten Carl Schiller wiederaufgefunden.

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  • Nathan der Weise

    WirkenLessing war ein vielseitig interessierter Dichter, Denker und Kritiker. Als fhrender Vertreter der deutschen Aufklrungwurde er zum Vordenker fr das neue Selbstbewusstsein des Brgertums. Seine theoretischen und kritischen Schriftenzeichnen sich aus durch einen oft witzig-ironischen Stil und treffsichere Polemik. Das Stilmittel des Dialogs kam dabeiseiner Intention entgegen, eine Sache stets von mehreren Seiten zu betrachten und auch in den Argumenten seinesGegenbers nach Spuren der Wahrheit zu suchen. Diese erschien ihm dabei nie als etwas Festes, das man besitzenkonnte, sondern stets als ein Prozess des sich Annherns.Schon frh interessierte er sich fr das Theater. In seinen theoretischen und kritischen Schriften zu diesem Thema, wie auch inseinen eigenen Arbeiten als Autor, versuchte er beizutragen zur Entwicklung eines neuen brgerlichen Theaters in Deutschland. Erwandte sich dabei gegen die herrschende Literaturtheorie Gottscheds und seiner Schler. Insbesondere kritisierte er die bloeNachahmung des franzsischen Vorbilds und pldierte fr eine Rckbesinnung auf die klassischen Grundstze von Aristoteles,insbesondere mit der Einfhrung der Katharsis in seinen Tragdien (siehe auch: Poetik); sowie fr die Anlehnung an die WerkeShakespeares. Lessing war es, der die Shakespeare-Rezeption in Deutschland berhaupt begrndete. Er arbeitete mit mehrerenTheatergruppen zusammen (z.B. mit Friederike Caroline Neuber).

    Seine eigenen Arbeiten erscheinen uns heute wie die Prototypen fr das sich spter entwickelnde brgerliche deutsche Drama.Miss Sara Sampson und Emilia Galotti gelten als erste brgerliche Trauerspiele, Minna von Barnhelm als Vorbild fr viele klassischedeutsche Lustspiele, Nathan der Weise als erstes weltanschauliches Ideendrama. Seine theoretischen Schriften Laokoon undHamburgische Dramaturgie setzten Mastbe fr die Diskussion sthetischer und literaturtheoretischer Grundstze.

    In seinen religionsphilosophischen Schriften verteidigte er die Gedankenfreiheit des glubigen Christen. Er argumentierte gegen dieOffenbarungsglubigkeit und das Festhalten am Buchstaben der Bibel durch die herrschende orthodoxe Lehrmeinung. Demgegenber vertraute er als Kind der Aufklrung auf ein Christentum der Vernunft, das sich am Geist der Religion orientierte. Erglaubte, dass die menschliche Vernunft (angestoen durch Kritik und Widerspruch) sich auch ohne die Hilfe einer gttlichenOffenbarung entwickeln wrde. Um eine ffentliche Diskussion gegen die orthodoxe Buchstabenhrigkeit anzuregen,verffentlichte er 1774-1778 sieben Fragmente eines Ungenannten, was zum so genannten Fragmentenstreit fhrte. SeinHauptgegner in diesem Streit war der Hamburger Hauptpastor Johann Melchior Goeze, gegen den Lessing unter anderem als Anti-Goeze benannte Schriften von Hermann Samuel Reimarus herausgab.

    Auerdem trat er in den zahlreichen Auseinandersetzungen mit den Vertretern der herrschenden Lehrmeinung, (z.B. in den Anti-Goeze), fr Toleranz gegenber den anderen Weltreligionen ein. Diese Haltung setzte er auch dramatisch um (im Nathan), als ihmweitere theoretische Verffentlichungen verboten wurden. In der Schrift Die Erziehung des Menschengeschlechts legte er seinePosition zusammenhngend dar.Der Gedanke der Freiheit (fr das Theater gegenber der Dominanz des franzsischen Vorbilds;fr die Religion vom Dogma der Kirche) zieht sich wie ein roter Faden durch sein ganzes Leben. Folgerichtig setzte er sich auch freine Befreiung des aufstrebenden Brgertums von der Bevormundung durch den Adel ein. In seiner eigenen schriftstellerischenExistenz bemhte er sich ebenfalls stets um Unabhngigkeit. Sein Ideal von der Mglichkeit eines Lebens als freier Schriftsteller liesich jedoch nur schwer gegen die konomischen Zwnge durchsetzen. So scheiterte in Hamburg das Projekt einer Buchhandlungder Gelehrten, das er 1768 mit Johann Christoph Bode durchzufhren versuchte.Werke

    Gedichte Lieder [Ausgabe 1771] Oden [Ausgabe 1771] Sinngedichte [Ausgabe 1771] Sinngedichte [Nachlese] Fabeln Fabeln und Erzhlungen [Ausgabe 1771] Fabeln. Drei Bcher [Ausgabe 1759] Fabeln [Nachlese] Dramen Damon, oder die wahre Freundschaft Der junge Gelehrte Die alte Jungfer Der Misogyn Der Hund Der Freigeist Die Juden Der Schatz Mi Sara Sampson Philotas Minna von Barnhelm Emilia Galotti Nathan der Weise Dramenfragmente Samuel Henzi D. Faust sthetische Schriften Rezensionen Briefe Vorreden Des Herrn von Voltaire Kleinere historische Schriften G. E. LessingsSchriften. Erster Teil G. E. Lessings Schriften. Dritter Teil Gotth. Ephr. Lessings Theatralische Bibliothek Vermischte Schriftendes Hrn. Christlob Mylius Gleim, Preuische Kriegslieder Friedrichs von Logau Sinngedichte Das Theater des Herrn DiderotAbhandlungen von dem weinerlichen oder rhrenden Lustspiele Betrachtungen ber das weinerlich Komische Des Hrn. Prof.Gellerts Abhandlung fr das rhrende Lustspiel ber das Lustspiel Die Juden Ein Vade mecum fr den Hrn. Sam Gotthl.Lange. Pastor in Laublingen Rettungen des Horaz Briefwechsel ber das Trauerspiel Abhandlungen [ber die Fabel] Briefe, dieneueste Literatur betreffend Laokoon Hamburgische Dramaturgie Der Rezensent braucht nicht besser machen zu knnen ...Wie die Alten den Tod gebildet Leben und leben lassen Selbstbetrachtungen und Einflle Theologiekritische undphilosophische Schriften Gedanken ber die Herrnhuter Das Christentum der Vernunft Pope ein Metaphysiker! ber dieEntstehung der geoffenbarten Religion ber die Wirklichkeit der Dinge auer Gott Durch Spinoza ist Leibniz nur ... EineParabel Anti-Goeze Literatur Franz Mehring: Die Lessing Legende, 1893, ISBN 3-320-00468-9 P. Rilla: Lessing und sein Zeitalter, 1968 Jrgen Schrder:Gotthold Ephraim Lessing. Sprache und Drama, Mnchen: Wilhelm Fink Verlag, 1972. D. Hildebrandt: Lessing. Biographie einer Emanzipation,1982, ISBN 3-423-34049-5 M. Fick: Lessing-Handbuch, 2000 Ludwig Brne: Theaterkritik: Emilia Galotti, 1820, Smtliche Schriften. Band I,Dsseldorf 1964. Ingrid Strohschneider-Kohrs, M. Niemeyer: Vernunft als Weisheit. Studien zum spten Lessing. Ingrid Strohschneider-Kohrszu Ehren am 26. August 1997 von Eva J. Engel (Herausgeber), Claus Ritterhoff (Herausgeber), M. Niemeyer: Neues zur Lessing-ForschungAlberto Jori, Herausgeber: G.E. Lessing, Die Juden, Mailand 2002 ISBN 8845292134 (dt.-ital., mit einem Vorwort von Jutta Limbach) FriedrichNiewhner: Veritas sive Varietas. Lessings Toleranzparabel und das Buch von den drei Betrgern, 1988 Link: kostenlose Hrbibliothek mit einem Auszug von Lessing: http://www.riolomedia.de/kostenlos.php

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