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NATIONALER IMPFPLAN Impfwesen in Deutschland – Bestandsaufnahme und Handlungsbedarf

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NATIONALER IMPFPLAN

Impfwesen in Deutschland – Bestandsaufnahme und Handlungsbedarf

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Stand 1.Januar 2012    2

Vorwort Für das Impfen gibt es in Deutschland sehr gute Rahmenbedingungen, die unter anderem im Infektionsschutzgesetz und dem Sozialgesetzbuch V verankert sind. Der Staat bekennt sich zum Impfen und kommt seiner Verantwortung in vielerlei Hinsicht nach. Von der Überwachung der Entwicklung, Herstellung und Marktzulassung von Impfstoffen über die Informations- und Aufklärungspflicht der Bevölkerung bis hin zur Erfassung von eventuellen Impfnebenwirkungen gibt es vielfältige gesetzliche Vorgaben und Rahmenbedingungen.

Die Kostenerstattung für Schutzimpfungen wurde durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz neu geregelt (Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenkassen). Eine öffentlich bestellte Expertenrunde, die Ständige Impfkommission beim Robert Koch-Institut, ist für die Empfehlung von Impfungen zuständig. Damit ist das deutsche Impfwesen sicherlich auch im internationalen Vergleich in weiten Teilen als vorbildlich zu bezeichnen.

Allerdings mangelt es bisher noch an der Koordination der vielfältigen Akteure und Aktionen.

Das Infektionsschutzgesetz weist den obersten Landesgesundheitsbehörden die verantwortliche Rolle beim Thema Impfaufklärung und -förderung zu. Um in der Bevölkerung, aber auch bei allen Akteuren zum Thema Impfen die Bedeutung dieses Themas zu unterstreichen, hat die Gesundheitsministerkonferenz auf Vorschlag der rheinland-pfälzischen Gesundheitsministerin im Juli 2007 die Durchführung periodischer Nationaler Impfkonferenzen beschlossen. Ziel ist der regelmäßige Austausch von Informationen und Konzepten innerhalb aller Fach- und Interessengruppen, um nachhaltige und erfolgreiche Impfkonzepte für Deutschland zu entwickeln und umzusetzen.

Auf der 1. Nationalen Impfkonferenz in Mainz kamen im März 2009 erstmalig Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Gesundheitspolitik, Forschung, Ärzteschaft, öffentlichem Gesundheitsdienst, der Kostenträger und auch Vertreter kritischer Stimmen zu einem konstruktiven Dialog zusammen. Auf der Konferenz wurden Ziele entsprechend der deutlich gewordenen Prioritäten formuliert, die den Impfschutz der Bevölkerung fördern und die Koordination der vielfältigen Akteure und Aktionen zum Thema Impfen verbessern sollen.

Zur Umsetzung dieser Ziele haben die Länder im Juni 2009 beschlossen, mit Unterstützung der Fachbehörden auf Bundesebene einen Nationalen Impfplan zu entwickeln.

• Der Nationale Impfplan soll über die komplexe Organisation des deutschen Impfwesens informieren und Transparenz für die Fachwelt und für die interessierte Öffentlichkeit schaffen.

• Bund und Länder sollen gemeinsame Ziele für das Impfwesen in Deutschland und zu einzelnen impfpräventablen Erkrankungen formulieren.

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• Die Ziele sollen mit den anderen für das Impfen zuständigen Partnern abgestimmt, in den Nationalen Impfplan aufgenommen und evaluiert werden.

Die Entwicklung und Fortschreibung des Nationalen Impfplanes wird von den politischen Entscheidungsträgern gefördert und begleitet. Zwischenergebnisse werden auf den alle zwei Jahre stattfindenden Nationalen Impfkonferenzen vorgestellt und diskutiert. Hier werden auch weitere gemeinsame Ziele vereinbart.

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Inhaltsverzeichnis Einleitung ............................................................................................................................................... 8 

Teil A Nationale Ziele zum Impfwesen und Maßnahmen zur Umsetzung ................................... 9 

Thema I „Entwicklung und Zulassung von Impfstoffen“ ................................................................ 10 

Thema II „Impfempfehlungen und Impfziele“.................................................................................. 11 

Thema III „Umsetzung von Impfstrategien“ .................................................................................... 12 

Thema IV „Information und Aufklärung“ .......................................................................................... 13 

Thema V „Unerwünschte Arzneimittelwirkungen“ ......................................................................... 14 

Thema VI: “Krankheits-Surveillance und Impfquoten-Erhebung” ............................................... 15 

Teil B Impfwesen in Deutschland 2011 Analysen und Fazit ...................................................... 16 

1  Entwicklung und Zulassung von Impfstoffen ................................................................................ 17 

1.1  Entscheidungskriterien, rechtlichen Vorgaben und aktuelle Verfahren bei der Impfstoffentwicklung, Zulassung und Vermarktung ......................................................................... 18 

1.1.1  Allgemeine Anforderung an die Impfstoffentwicklung ................................................... 18 

1.1.2  Anlass für neue Impfstoffentwicklungen ......................................................................... 20 

1.1.3  Zulassung und klinische Prüfung neuer Impfstoffe ......................................................... 20 

1.1.4  Studienregister: Öffentlich zugängliche Informationen und Ergebnisse von Impfstoffstudien ............................................................................................................................ 31 

1.1.5  Impfstoffkosten ............................................................................................................... 33 

1.2  Problemfelder aus medizinischer und ökonomischer Sicht................................................. 37 

1.3  Fazit ...................................................................................................................................... 38 

2  Impfempfehlungen und Impfziele ................................................................................................. 41 

2.1  Aufgaben der Ständige Impfkommission (STIKO) ................................................................ 41 

2.1.1  Rechtlicher Hintergrund und Geltungsbereich ................................................................ 41 

2.1.2  Struktur ............................................................................................................................ 42 

2.1.3  Arbeitsweise der STIKO ................................................................................................... 44 

2.1.4  Publikation der Empfehlungen ........................................................................................ 46 

2.2  Aufgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (G‐BA) ................................................... 47 

2.3  „Öffentliche Impfempfehlungen“ der Länder ...................................................................... 49 

2.3.1  „Impfpflicht“ versus „Impfempfehlung“ ......................................................................... 50 

2.4  Arbeitsmedizinisch indizierte Impfungen ............................................................................ 54 

2.4.1  Impfungen im Arbeitsleben ............................................................................................. 54 

2.5  Reiseimpfungen ................................................................................................................... 55 

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2.5.1  Gesundheitliche Risiken im Ausland ................................................................................ 56 

2.5.2  Reiseimpfung ................................................................................................................... 56 

2.5.3  Grundzüge der reisemedizinischen Impfberatung .......................................................... 57 

2.6  Die Bedeutung von Impfzielen ............................................................................................. 57 

2.6.1  Impfsituation in Deutschland .......................................................................................... 59 

2.6.2  Masern‐ und Rötelnelimination bis 2015 ........................................................................ 61 

2.6.3  Angestrebte Impfquoten ................................................................................................. 63 

2.7  Fazit ...................................................................................................................................... 64 

3  Umsetzung von Impfstrategien ..................................................................................................... 68 

3.1  Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ..................................................... 68 

3.1.1  Vereinbarungen der Krankenkassen mit der Ärzteschaft ............................................... 69 

3.2  Die Aufgaben des Öffentliche Gesundheitsdienstes ........................................................... 69 

3.2.1  Rechtliche Rahmenbedingungen ‐ gesetzliche Kranken‐kassen und ÖGD ...................... 71 

3.3  Impfförderung durch Bund und Länder ............................................................................... 73 

3.3.1  Verbesserung des Informationsangebotes ...................................................................... 74 

3.3.2  Verbesserung der Datenlage ........................................................................................... 76 

3.3.3  Verbesserung der Teilnahme an Impfungen ................................................................... 76 

3.4  Landesarbeitsgemeinschaften ............................................................................................. 77 

3.5  Ausbruchsbekämpfung ........................................................................................................ 78 

3.6  Fazit ...................................................................................................................................... 80 

4  Information und Aufklärung .......................................................................................................... 82 

4.1  Kommunikationsstrategien .................................................................................................. 82 

4.1.1  Einfluss auf die Impfentscheidung ................................................................................... 82 

4.1.2  Kommunikationsstrategie ............................................................................................... 83 

4.2  Botschaften und Ziele .......................................................................................................... 85 

4.2.1  Zielgruppenansprache ..................................................................................................... 86 

4.2.2  Qualitätssicherung und Evaluation der Impfaufklärung .................................................. 88 

4.3  Aus‐ und Fortbildung der Ärzteschaft und des medizinischen Assistenzpersonals ............. 89 

4.4  Öffentlichkeitsarbeit der pharmazeutischen Industrie ........................................................ 90 

4.5  Rolle des Internets als Forum für Impfkritik ........................................................................ 91 

4.6  Fazit ...................................................................................................................................... 93 

5  Unerwünschte Arzneimittelwirkungen ......................................................................................... 98 

5.1. Surveillance von Nebenwirkungen ............................................................................................. 98 

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5.1.1  Verdachtsfälle von Nebenwirkungen in klinischen Prüfungen von Impfstoffen vor der Zulassung ....................................................................................................................................... 98 

5.1.2  Risiko‐Management‐Plan ................................................................................................ 99 

5.1.3  Passive Surveillance (Synonym: Spontanerfassungssystem) ......................................... 100 

5.1.4  Meldeverpflichtung ....................................................................................................... 102 

5.1.5  Definitionen ................................................................................................................... 104 

5.2  Kommunikation von unerwünschten Arzneimittelwirkungen ........................................... 106 

5.2.1  Information der Behörden ............................................................................................. 106 

5.2.2  Information durch den Inhaber der Zulassung .............................................................. 107 

5.3  Haftungs‐ und Entschädigungsfragen im Bereich Impfen ................................................. 108 

5.3.1  Haftung des pharmazeutischen Unternehmers ............................................................ 108 

5.3.2  Haftung des Arztes ........................................................................................................ 108 

5.3.3  Rechtsnormen bei Durchführung der Impfung ............................................................. 111 

5.3.4  Pflichten und Handlungsmöglichkeiten des Staates ..................................................... 114 

5.3.5  Entschädigungsansprüche des Impflings ....................................................................... 114 

5.3.6  Zusammenfassung Haftungsfragen ............................................................................... 117 

5.4  Versorgung in Folge eines Impfschadens .......................................................................... 117 

5.4.1  Verfahrensablauf ........................................................................................................... 118 

5.5  Häufigkeit von Anträgen auf Anerkennung von Impfschäden und anerkannte Impfschäden in Deutschland 2005 ‐ 2009 ............................................................................................................. 119 

5.6  Fazit .................................................................................................................................... 124 

6  Krankheits‐Surveillance und Impfquoten‐Erhebung ................................................................... 127 

6.1  Einführung/Datenquellen .................................................................................................. 127 

6.2  Erfassung von Impfquoten ................................................................................................. 129 

6.2.1  Erfassung von Impfdaten bei Schuleingangsuntersuchungen und anderen flächendeckenden Impfstatuserhebungen ................................................................................. 129 

6.2.2  Weitere Erhebungen zum Impfstatus in Gemeinschaftseinrichtungen ........................ 130 

6.2.3  Erfassung von Impfdaten im Rahmen von Surveys und Sentinels ................................ 131 

6.2.4  Speicherung von Impfdaten auf der elektronischen Gesundheitskarte ....................... 132 

6.2.5  Impfregister ................................................................................................................... 132 

6.2.6  Verwendung der einheitlichen Dokumentationsziffern zur Abrechnung von ärztlichen Impfleistungen für wissenschaftliche Auswertungen ................................................................. 133 

6.3  Surveillance impfpräventabler Krankheiten ...................................................................... 137 

6.3.1  Surveillance impfpräventiver Krankheiten im Rahmen der Meldepflicht ..................... 137 

6.3.2  Surveillance impfpräventabler Krankheiten im Rahmen von Sentinel‐Erhebungen ..... 139 

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6.4  Laborgestützte Surveillance ............................................................................................... 140 

6.4.1  Laborgestützte Surveillance im Rahmen von Gesundheitssurveys ............................... 140 

6.4.2  Laborgestützte Surveillance der Nationalen Referenzzentren (NRZ) und Konsiliarlaboratorien ................................................................................................................... 140 

6.5  Fazit .................................................................................................................................... 144 

Abkürzungsverzeichnis und Links zu Webseiten ................................................................................. 150 

IMPRESSUM ......................................................................................................................................... 153 

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Einleitung Teil A enthält die von Bund und Ländern beschlossenen nationalen Ziele zum Impfwesen und Maßnahmen zu deren Umsetzung.

Sie sind sechs Themen zugeordnet, die in Teil B näher erläutert werden:

I Entwicklung und Zulassung von Impfstoffen

II Impfempfehlungen und Impfziele

III Umsetzung von Impfstrategien

IV Information und Aufklärung

V Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

VI Krankheits-Surveillance und Impfquoten-Erhebung

Zunächst ist jeweils das generelle Ziel formuliert.

In der darunter stehenden Tabelle sind Teilziele, Maßnahmen und die entsprechenden Zuständigkeiten genannt.

In den Nationalen Impfplan sollen neben dem bereits abgestimmten Ziel der Masern- und Rötelnelimination weitere spezifische Ziele für einzelne impfpräventable Erkrankungen aufgenommen werden, sobald sie zwischen Bund und Ländern und den am Impfen beteiligten Akteuren abgestimmt sind.

In Teil B des Nationalen Impfplanes „Impfwesen in Deutschland 2011“ ist in sechs Kapiteln die aktuelle Situation in Deutschland dargestellt. Es werden die Hintergründe erläutert, die zur Formulierung der einzelnen Ziele zum Impfwesen geführt haben. Die wesentlichen Punkte sind am Ende der Kapitel als „Fazit“ zusammen gefasst.

Dieser Teil stellt gleichzeitig die Umsetzung eines zentralen Anliegens von Bund und Ländern dar, umfassende Informationen zur Schaffung von Transparenz im Impfwesen für Fachleute und die interessierte Öffentlichkeit bereitzustellen.

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Nationaler Impfplan

Teil A Nationale Ziele zum Impfwesen und Maßnahmen zur

Umsetzung

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Thema I „Entwicklung und Zulassung von Impfstoffen“

Ziel: Bund und Länder halten es für notwendig, dass zur Impfung der Bevölkerung effektive, sichere und kostengünstige Impfstoffe entwickelt und hergestellt werden, die zur Sicherung der Gesundheit der Bevölkerung, zur Senkung der Krankheitslast und der finanziellen Belastung des Gesundheitswesens beitragen.

Neben den bereits ergriffenen Maßnahmen, besonders im Bereich der rechtlichen Vorgaben zum Entwicklungs- und Zulassungsprozess sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene, fördern Bund und Länder Entwicklungen, die mehr Transparenz und Unabhängigkeit von industriellen Interessen sicher stellen.

 

Teilziele Maßnahmen Zuständig/AnmerkungenI.1 Organisatorische Voraussetzungen schaffen

Gremium für alle Koordinations- und Abstimmungsaufgaben im Zusammenhang mit dem Nationalen Impfplan bestimmen. Initiierung und Koordination eines formalisierten Dialogs zwischen Herstellern, Zulassungs- und Überwachungsbehörden, Institutionen für die Impfempfehlung sowie Kostenträgern.

Bund und Länder

I.2 Verbesserungen bezüglich Finanzierbarkeit von Impfstoffen

I.2 a) Rechtliche Rahmenbedingungen zur Begrenzung der Kosten von Impfstoffen weiterentwickeln.

Bund und Länder, Hersteller /

I.3 Möglichkeit der fachlichen Einflussnahme auf Produktangebot des Impfstoffmarktes prüfen

I.3 a) Dialog mit Herstellern I.3 b) Anreize schaffen für die Impfstoffentwicklung

Bund und Länder, Hersteller

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Thema II „Impfempfehlungen und Impfziele“

Ziel: Die Länder empfehlen dem Bund alle Maßnahmen zu ergreifen, die die Effizienz der Arbeit der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) fördern und das Vertrauen der Bevölkerung und der Fachleute in die Empfehlungen der STIKO stärken.

Bund und Länder vereinbaren auf der Basis evidenzbasierter Empfehlungen der STIKO verbindliche nationale Ziele für einzelne impfpräventable Erkrankungen, die den Handlungsbedarf, Umsetzungsstrategien und Verantwortliche benennen.

Teilziele Maßnahmen Zuständig/Anmerkungen II.1 Hohe Transparenz und Evidenz der Impfempfehlungen der STIKO gewährleisten

Arbeitsweise kontinuierlich prüfen und ggf. an den Bedarf anpassen

Bund

II.2 Durchführung von Kosten-Nutzen-Analysen

Frühzeitige Einbindung des G-BA bei der Entwicklung von STIKO-Empfehlungen Bereitstellung finanzieller Ressourcen für Gutachten sichern

Bund und Länder in Abstimmung mit G-BA; Bund und Länder unter Beteiligung der Kostenträger/G-BA

II.3 Stellenwert der „Öffentlichen Impfempfehlungen der Länder“ verdeutlichen

(Namentliche) Abgrenzung „fachlicher“ Impfempfehlungen von der Entschädigungsgarantie für Impfschäden, die in den „Öffentlichen Impfempfehlungen“ der Länder im Vordergrund stehen

Länder

II.4 Formulierung und Verabschiedung von nationalen Impfzielen zu einzelnen impfpräventablen Erkrankungen

II.4 a) Entwicklung und Fortschreibung spezifischer Impfziele II 4b) Priorisierung der Impfziele II.4 c) Koordinierung der Evaluierung

Bund und Länder mit allen Akteuren unter Koordination des unter I.1 genannten Gremiums

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Thema III „Umsetzung von Impfstrategien“

Ziel:

Das Verantwortungsbewusstsein der für die Durchführung von Impfungen zuständigen Akteure für die erfolgreiche Umsetzung von Impfstrategien soll geschärft werden.

Die Rolle des Öffentlichen Gesundheitsdienstes soll vor dem Hintergrund der Erfahrungen in der Pandemie analysiert und gestärkt werden.

Erfahrungen aus Impfkampagnen besonders zur

• Förderung der Impfakzeptanz

• Etablierung von Erinnerungssystemen und

• Verbesserung der Datenlage werden in Handbüchern (Good-Practise-Manuals1) und Broschüren zusammen gestellt und so für eine breite Nutzung zugänglich gemacht.

Teilziele Maßnahmen Zuständig/Anmerkungen III.1 Länderübergreifende Impfstrategien abstimmen und etablieren

Impfstrategien für die einzelnen impfpräventablen Erkrankungen entwickeln, umsetzen und evaluieren, unter Nutzung der Erfahrungen erfolgreicher Kampagnen und den „Good-Practise-Manuals“

Bund, STIKO und Länder mit allen Akteuren unter Koordination des unter I.1 genannten Gremiums

III.2 Förderung der Bereitschaft der Ärzteschaft zu impfen

Kampagne entwickeln, umsetzen und evaluieren Gute Infrastruktur für die Durchführung von Impfungen sicherstellen

Bund (RKI, PEI und BZgA), Länder, BÄK, Fachgesellschaften, KBV, Krankenkassen G-BA

III.3 Förderung der Impfbereitschaft beim medizinischen Personal

Kampagne entwickeln, umsetzen und evaluieren

Bund (RKI und BZgA), Länder, BÄK, Fachgesellschaften,

III.4 Stärkung der Rolle des öffentlichen Gesundheitsdienstes, damit dieser subsidiär impfen kann

Bestandsaufnahme der Situation in den Ländern Förderung von Good-Practise-Modellen durch die Länder

Länder, RKI, BZgA, Kommunen, Krankenkassen

                                                            1 Das 1. Good‐Practise‐Manual wurde 2009 zum Thema „Masernelimination zusammen gestellt und ist online (zum Beispiel auf der Homepage des RKI und den Seiten der Landesgesundheitsbehörden) abrufbar. 

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Thema IV „Information und Aufklärung“

Ziel:

Zur Förderung der Impfbereitschaft wird eine einheitliche, umfassende und transparente Strategie zur Kommunikation entwickelt, umgesetzt und evaluiert.

Der Bevölkerung wird zur Impfentscheidung ein von der Industrie unabhängiges, umfassendes Informationsangebot zur Verfügung gestellt.

Teilziele Maßnahmen Zuständig/Anmerkungen IV.1 Sicherstellung hochwertiger Informationen

Informationsbedarf eruieren Informationsangebote schaffen, besonders unter Nutzung moderner Medien (z.B. Internet)

Bund, Länder und alle Akteure Veröffentlichung des Nationalen Impfplans „Impfwesen in Deutschland 2011 – Analysen und Fazit“

IV. 2 Einheitliche Kommunikationsstrategien für die Kampagnen weiterentwickeln Abstimmung der Kommunikation zwischen allen Akteuren

Kampagnen für die Fachkommunikation Kampagnen für die Information der allgemeinen Bevölkerung; abgestimmte Kommunikationsstrategie

Alle Akteure, Federführung RKI Alle Akteure, Federführung BZgA

IV. 3 Verbesserung der Aus- und Fortbildung für Ärztinnen und Ärzte und med. Assistenzpersonal

Integration eines Impfkurses in die Ärzteausbildung (Approbationsordnung) Finanzierung von produktneutraler Fortbildung ausbauen

BMG Länder BÄK; LÄK

IV. 4 Förderung des Dialogs mit Impfskeptikern

Auseinandersetzung mit impfskeptischen Positionen Erstellung von Konzepten Weiterentwicklung und Ausgabe von Informationsmaterialien (für Fachkreise und Laien) zu Impfkritik und damit zusammenhängenden typischen Fragen

Alle Akteure

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Thema V „Unerwünschte Arzneimittelwirkungen“

Ziel

Fragen rund um vermutete Impfschäden müssen offen, einheitlich und verständlich kommuniziert und bewertet werden. Bund und Länder halten eine konsequente, aktive Erfassung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen in Anwendungsstudien für erforderlich.

Teilziele Maßnahmen Zuständig/Anmerkungen V.1 Verbesserung der Aufklärung über unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) in der Ärzteschaft und der Bevölkerung

Vermittlung des Unterschieds zwischen Impfreaktionen, -komplikationen und Impfschäden Weiterführung der Datenbank des PEI unter Berücksichtigung der Bedürfnisse von Ärzteschaft und Bevölkerung und der Berichterstattung zu UAW und anerkannten Impfschäden

Länder, Bund (PEI)

V.2 Verbesserung der Meldungen von UAW

Information der Ärzteschaft Ärztekammern, Fachgesellschaften, ÖGD, PEI, Arzneimittelkommission

V.3 Informationen zu Haftungs- und Entschädigungsfragen bereitstellen

Erledigt durch Veröffentlichung des Nationalen Impfplans

Länder in Zusammenarbeit mit Bundesbehörden

V.4 Bundeseinheitliche Bewertung von UAW und Anerkennung von Impfschäden

Vereinheitlichung der Begutachtungskriterien

Bund und Länder unter Mitwirkung der BÄK

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Thema VI: “Krankheits-Surveillance und Impfquoten-Erhebung”

Ziel

Bund und Länder halten repräsentative, valide und aktuelle Daten zur Erarbeitung von Impfempfehlungen und Impfstrategien und für deren Evaluation für unabdingbar und werden die Möglichkeiten der Nutzung vorhandener Daten und die Erschließung neuer Datenquellen fördern.

Teilziele Maßnahmen Zuständig/AnmerkungenVI.1 Verbesserung der Krankheits-Surveillance und Impfquoten-Erhebung

Prüfung der Erfassungsmöglichkeiten (Meldepflicht/Sentinels) für alle impfpräventablen Erkrankungen Prüfung von Finanzierungsmöglichkeiten kontinuierlicher Erhebungen außerhalb der Meldepflicht Ausweitung der Erfassung des Impfstatus von 2-Jährigen Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und Risikogruppen.

Bund und Länder KBV, RKI, KVen, Krankenkassen

VI.2 Förderung industrieunabhängiger Begleitforschung

Prüfung wie Langzeit- und Anwendungsstudien finanziert werden können Prüfung der Einrichtung eines Pools/Fonds

Bund/Länder/ Wissenschaft Bund und Länder

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Nationaler Impfplan

Teil B

Impfwesen in Deutschland 2011

Analysen und Fazit

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1 Entwicklung und Zulassung von Impfstoffen

Schutzimpfungen zählen zu den wichtigsten und effektivsten medizinischen Vorsorgemaßnahmen. Eine Impfung schützt zunächst den Einzelnen vor übertragbaren Erkrankungen. Hohe Impfquoten können bei Erkrankungen, die vorwiegend von Mensch zu Mensch übertragen werden, zur sogenannten Herdenimmunität führen, wodurch auch einzelne ungeimpfte Personen geschützt werden. Das hat besonders für die Menschen eine große Bedeutung, die aus gesundheitlichen Gründen (z.B. Immunschwäche) oder aufgrund ihres Alters (z.B. Säuglinge) nicht erfolgreich geimpft werden können. In Bevölkerungsgruppen mit hohen Impfquoten können sich die Krankheitserreger nicht mehr ausbreiten und können dadurch schließlich regional oder sogar weltweit ausgerottet werden. Somit dienen Impfungen nicht nur dem individuellen Wohl, sondern haben auch einen gesellschaftlichen Nutzen zum Ziel. Dennoch erfahren Impfungen aus Teilen der Bevölkerung und Fachkreisen bis heute Kritik.

Schutzimpfungen und ihr Einsatz unterscheiden sich damit ganz erheblich von anderen Arzneimitteln.

Impfungen werden in der Regel gesunden Menschen verabreicht. Deshalb werden an die Sicherheit und Verträglichkeit von Impfstoffen besonders hohe Anforderungen gestellt. Dem wird durch einen besonders aufwändigen und sorgfältigen Entwicklungs- und Produktionsprozess, in Verbindung mit. einem komplexen rechtlichen Regelwerk (Arzneimittelgesetz – AMG) Rechnung getragen. Dieses wird im Folgenden übersichtlich dargestellt.

Impfstoffe sind biologische Arzneimittel, deren Grundlage Mikroorganismen oder deren Bestandteile sind. Dadurch müssen an Impfstoffe – was den Studienumfang vor Zulassung und die pharmazeutische Qualität betrifft – weit höhere Anforderungen gestellt werden, als an klassische Arzneimittel. Die Entwicklung von Impfstoffen ist deshalb komplexer, kostenintensiver und aufwändiger als die eines üblichen Arzneimittels.

Nur wenige Hersteller weltweit können die hohen Sicherheitsvorgaben für die Impfstoffentwicklung und Produktion erfüllen. Im Wesentlichen sind es daher diese wenigen Hersteller, die über die Verfügbarkeit und Neuentwicklung von Impfstoffen entscheiden. Diese Monopolstellung ruft vielerorts Skepsis hervor.

Die Verfügbarkeit von Daten, sowohl für die Entscheidung bezüglich der Notwendigkeit einer Impfstoff-Neuentwicklung als auch der Langzeitbeobachtung von Impfwirkungen, ist nicht ausreichend. Das lässt Raum für Spekulationen.

Im folgenden Kapitel werden die Anforderungen an die Impfstoffentwicklung und die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen für die Impfstoffentwicklung und -produktion dargestellt, sowie die daraus resultierenden Konsequenzen für die Impfstoffkosten aufgezeigt. Es wird auf die fachlichen, gesellschaftlichen und

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ökonomischen Ziele eingegangen, an denen sich die Neuentwicklung von Impfstoffen orientiert bzw. orientieren sollte. Die Problemfelder werden aus verschiedenen Blickwinkeln kritisch beleuchtet, und es werden Lösungsansätze für häufig vorgetragene Kritikpunkte entwickelt.

1.1 Entscheidungskriterien, rechtlichen Vorgaben und aktuelle Verfahren bei der Impfstoffentwicklung, Zulassung und Vermarktung

1.1.1 Allgemeine Anforderung an die Impfstoffentwicklung

Die Entwicklung neuer Impfstoffe war und ist in der Regel von vielen Herausforderungen begleitet und es bedarf eines sehr großen technischen und wissenschaftlichen Aufwandes, um auf diesem Gebiet tätig zu sein. In vielen Fällen waren innovative Vorbereitungsarbeiten zur Überbrückung technologischer Lücken notwendig, bevor theoretische Konzepte erfolgreich in die Praxis umgesetzt werden konnten. Bis zum 19. Jahrhundert konnten daher nur gegen wenige Erkrankungen Impfstoffe entwickelt werden.

Der eigentliche Durchbruch in der Impfstoffentwicklung kam nach dem 2. Weltkrieg mit der Entwicklung von mehreren Dutzend neuer Impfstoffe, die zu der breiten Palette der heute verfügbaren Impfstoffe führte. Vor allem die Entwicklung neuer Kulturmedien zur Vermehrung der benötigten Bakterien- oder Virusstämme, die Verbesserung der Zellkulturtechniken und die rasant fortschreitende Technisierung der industriellen Herstellungsstätten ermöglichten die Produktion immer komplexer werdender Einzel- und Kombinationsimpfstoffe.

Entscheidender Faktor für die Entwicklung neuer Impfstoffe heute und in Zukunft ist der ständig wachsende Zugewinn an Erkenntnissen aus der Grundlagenforschung über Erkrankungen und Erreger. In Kombination mit dem Einsatz moderner Technologien gelingt es den Impfstoff-Forschern heute, neue Impfstoffe gezielt zu entwickeln. Dabei spielen die Methoden der Genanalyse und Gentechnik mittlerweile auch bei den ersten Entwicklungsschritten eines neuen Impfstoffs eine zentrale Rolle. In der Vergangenheit waren die Forscher darauf angewiesen, Impf-Antigene einzusetzen, die aus einem abgeschwächten Erreger oder den relevanten Oberflächenmolekülen eines Erregers bestehen, denn nur diese konnte man in ausreichender Menge gewinnen. Der Einsatz moderner Technologien erlaubt es den Spezialisten heute, im gesamten Erbgut eines Erregers gezielt Gene herauszusuchen, deren Produkte sowohl eine besonders gute und gezielte Immunisierungswirkung haben als auch besonders gut verträglich sind. Ein solches Gen kann für die Impfstoffherstellung direkt vom Erreger in Produktionszellen überführt werden. Dieses als „Reverse Vaccinology“ bezeichnete Vorgehen kam

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unter anderem bei der Entwicklung eines Impfstoffs gegen Meningokokken der Gruppe B zum Einsatz, der zur Zeit in klinischen Studien untersucht wird.

Die heute in Impfstoffen enthaltenen Impf-Antigene werden durch diese neuen Methoden immer spezifischer. Dies trägt zum einen dazu bei, dass Impfstoffe immer sicherer und zielgerichteter werden, führt zum anderen aber auch dazu, dass mehr Antigen benötigt wird, um eine hinreichende Immunantwort zu induzieren. Als wichtiger Ansatz zur Überwindung dieses Problems hat sich der Einsatz neuer Konjugat- und Adjuvantierungstechnologien erwiesen. Dabei wird durch gezielten Einsatz von Hilfsstoffen versucht, die Immunantwort in bestimmte Richtungen zu lenken und zu verstärken.

Beide Technologien dürften künftig wirksame Schutzimpfungen auch in den Fällen oder für die Personen ermöglichen, wo ältere Impfstoff-Kandidaten nicht ausreichend wirksam waren oder wirkungslos blieben. Zudem sollen diese Entwicklungen bewirken, dass der Impfschutz länger anhält und auch bei Patienten mit schwachem Immunsystem verlässlich aufgebaut werden kann. So gelingt es, für bestimmte Impfantigene maßgeschneiderte Adjuvantien zur Verfügung zu stellen. Unter anderem ist es durch diese Verfahren gelungen, einen verbesserten Grippeimpfstoff und einen erfolgversprechenden Kandidaten für einen Malariaimpfstoff zu entwickeln, der derzeit klinisch (Phase III) geprüft wird.

Mit Einführung der „Guten Herstellungspraxis“ (GMP, Good Manufacturing Practice) in Zusammenhang mit technologischen Entwicklungen (sterile Abfülltechnologie, Reinraumtechnologie) wurde die Impfstoffherstellung so verbessert, dass es inzwischen möglich ist, Impfstoffe ohne Konservierungsmittel herzustellen.

Die Tatsache, dass Impfstoffe an gesunden Menschen – vielfach an Kindern - angewendet werden, hat zu stetig steigenden Anforderungen an die Zulassung eines Impfstoffs und damit an den Nachweis der Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit geführt. Die gleiche Entwicklung zieht auch die fortschreitende Verwendung neuer Technologien nach sich. Das hat unter anderem auch dazu geführt, dass z. B. vor 30 Jahren ein Impfstoff häufig noch auf einer klinischen Datenbasis von 600 Probanden zugelassen wurde und heutige Impfstoffstudien teilweise mehr als 60.000 Teilnehmer für ein Zulassungsverfahren einschließen müssen.

Auch nach der Zulassung und während der routinemäßigen Herstellung müssen die Herstellungsverfahren und -technologien in den Produktionsanlagen ständig dem neuesten Stand der Technik angepasst werden. Dieser hohe Aufwand, die prinzipielle Komplexität der Impfstoffherstellung und die damit verbundenen Risiken bei der Entwicklung und Produktion von Impfstoffen sind der Grund dafür, dass es bei Impfstoffen keine generischen Produkte gibt und sich nur eine überschaubare Anzahl von Herstellern dieser Herausforderung stellt.

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1.1.2 Anlass für neue Impfstoffentwicklungen

Für die Entwicklung eines neuen Impfstoffs sollte grundsätzlich die medizinische Notwendigkeit ausschlaggebend sein, die vor allem an der Schwere und Häufigkeit der Erkrankung festzumachen ist. Dabei ist auch die Krankheitslast2 zu berücksichtigen und die regionale und weltweite Anzahl betroffener Menschen. Eine medizinische Notwendigkeit kann sich auch aus der Tatsache ergeben, dass es für die Erkrankung keine oder nur limitierte Therapiemöglichkeiten gibt, wie für die meisten Viruserkrankungen oder dass das epidemische Auftreten einer Infektionskrankheit die Kapazitäten für effektive Therapien überschreitet. Auch sind selbst bei früh nach der Infektion initiierter Therapie - im Gegensatz zur frühzeitigen wirksamen Prävention durch Impfung - Folgeschäden nicht immer vermeidbar.

Wenn wirksame Therapien zur Verfügung stehen, kann neben der Schwere der Erkrankung auch der mögliche volkswirtschaftliche Schaden eine wichtige Überlegung sein. Ein weiterer Grund für die Entwicklung eines Impfstoffs kann deshalb die Tatsache sein, dass die Kosten der Gesellschaft oder der Kostenträger für die erfolgreiche Behandlung einer Erkrankung höher sind als die der Impfung.

Ein weiterer Anlass für neue Impfstoffentwicklungen sind gewünschte Kombinationen bestehender Impfstoffe in einer Spritze, um den Aufwand zu reduzieren und damit die Akzeptanz für Impfungen zu erhöhen. Moderne Kombinationsimpfstoffe enthalten Impfungen gegen bis zu sechs verschiedene Erkrankungen. Auf diese Weise konnte die Anzahl der notwendigen Einzelimpfungen bei Kindern in den ersten zwei Lebensjahren in den letzten Jahren bereits von fünfzehn auf elf reduziert werden – und das obwohl die Kinder heute gegen drei weitere Erkrankungen geschützt werden.

Zudem führt der Einsatz von Kombinationsimpfstoffen in der Gesamtbetrachtung zu einer signifikanten Kostenreduktion für das Gesundheitswesen.

Nicht zuletzt ermöglichen neue Technologien und ständig wachsende Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung neue Impfstoffentwicklungen.

1.1.3 Zulassung und klinische Prüfung neuer Impfstoffe

Die Zulassung von Impfstoffen zur Anwendung am Menschen ist ein in Deutschland und auch in Europa äußerst streng regulierter Prozess, der auf der Basis klarer gesetzlicher und wissenschaftlicher Vorgaben erfolgt. Erklärtes und vordringliches Ziel ist die Sicherstellung der bestmöglichen Qualität, Wirksamkeit und Verträglichkeit. Impfstoffe spielen in den etablierten Zulassungsverfahren eine besondere Rolle, weil sie eine Gruppe besonders komplexer biologischer

                                                            2 Gemäß Definition der WHO kann die „Krankheitslast“ einer Erkrankung mit Hilfe der „disability‐adjusted life year (DALY)Methode bestimmt werden. In die Bewertung fließen dabei sowohl die durch Tod als auch die durch krankheitsbedingte Beeinträchtigungen verlorenen Lebensjahre. 

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Arzneimittel repräsentieren und deshalb besonderen Zulassungs- und Überwachungskriterien unterliegen, und weil sie in der weit überwiegenden Zahl der Fälle gesunden Personen aller Altersgruppen zu prophylaktischen Zwecken verabreicht werden. Der Anspruch an Humanimpfstoffe ist deshalb sehr hoch anzusetzen. Selbst bei größtmöglichem Nutzen kann nur ein Minimum an Nebenwirkungen toleriert werden.

a. Zulassungsverfahren und zugrundeliegende gesetzliche Bestimmungen:

Ein in Deutschland zur Anwendung am Menschen zugelassener Impfstoff ist aus einem der folgenden Verfahren hervorgegangen:

• Nationales Zulassungsverfahren nach dem deutschen Arzneimittelgesetz,

• Verfahren der gegenseitigen Anerkennung (MRP: mutual recognition procedure),

• dezentralisiertes Verfahren (DCP: decentralised procedure),

• zentralisiertes europäisches Verfahren.

Die wesentlichen rechtlichen Regelungen für das nationale Verfahren sind im Arzneimittelgesetz (AMG) hinterlegt. Danach reicht der pharmazeutische Unternehmer den Zulassungsantrag für einen neu in Deutschland zuzulassenden Impfstoff beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI) als zuständiger Behörde (§ 77 AMG) ein. § 22 AMG definiert Art und Umfang der erforderlichen Zulassungsunterlagen, den inhaltlichen und zeitlichen Ablauf des weiteren Verfahrens sowie die Grundlagen für die abschließende Entscheidungsfindung (§ 25). Die Entscheidung über die Zulassungsfähigkeit eines Impfstoffs ergeht dabei immer auf der Basis der Bewertung der vom pharmazeutischen Unternehmer eingereichten Daten

• zur Qualität des Impfstoffs bezogen auf den Herstellungsprozess und die damit verbundenen Qualitätssicherungs- und Kontrollmaßnahmen,

• zur präklinischen Erprobung in relevanten Tiermodellen

sowie

• zum in klinischen Prüfungen erhobenen Wirksamkeits- und Nebenwirkungsprofil (zu Inhalt und Struktur der Zulassungsunterlagen siehe unter b) in diesem Kapitel).

Die Bewertung durch die Behörde muss dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse Rechnung tragen (AMG § 26). Eine Entscheidung des Paul-Ehrlich-Institutes hat innerhalb einer Frist von sieben Monaten nach Antragstellung zu erfolgen (AMG § 27). Es besteht auch die Möglichkeit, Auflagen an die Zulassung zu knüpfen (AMG § 28).

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Ist ein Impfstoff bereits in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) zugelassen, so kann diese Zulassung im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung (MRP) nach entsprechender Beantragung durch das zuständige pharmazeutische Unternehmen auch für Deutschland Gültigkeit erlangen (AMG § 25 b, basierend auf Artikel 27 ff. der Europäischen Richtlinie 2001/83/EG). Grundlage dafür ist die Anerkennung des Beurteilungsberichtes der Zulassungsbehörde des EU-Mitgliedstaates (RMS: „Reference member state“) durch das Paul-Ehrlich-Institut.

Der Ablauf des gesamten Verfahrens ist in den „Notice to applicants“ der EU-Rechtsvorschriften (Eudralex, Band 2, Kapitel 2) genau abgebildet.

Die deutsche Zulassung darf nur dann versagt werden, wenn eine schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt bestünde. In einem solchen Falle können zunächst weitere Informationen bei der zuständigen Behörde des Referenzmitgliedstaates und dem Antragsteller eingeholt werden.

Kann auf diesem Wege keine Einigung über die Zulassungsfähigkeit erzielt werden, wird versucht innerhalb einer eigens für diese Verfahren etablierten Koordinierungsgruppe (CMDh: Coordination group for mutual recognition und decentralised procedures – human) einen Konsens herbeizuführen (Art. 29 Abs.3 der Richtlinie), 2001/83/EG).

Scheitert auch dies, so wird der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP: Committee for human medicinal products) der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA: European Medicines Agency) mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt (Art. 29 Abs. 4) und Art. 32 der Richtlinie 2001/83/EG), auf Basis dessen die letztendliche Entscheidung über die Zulassung durch die Europäische Kommission erfolgt (Art. 33 2001/83/EG).

Dieser Weg musste bei der Impfstoff-Zulassung bisher noch nicht beschritten werden, da auf der Ebene der Mitgliedstaaten die Bewertung wichtiger Aspekte nach vereinheitlichten Beurteilungskriterien erfolgt. Vielmehr wird die Diskussion in der europäischen Koordinierungsgruppe bei Impfstoffen in der Regel dazu genutzt, um nach der Zulassung die Harmonisierung bestimmter Aspekte über Ländergrenzen hinweg voranzutreiben. Das kann zum Beispiel die Inhalte der Fach- und Gebrauchsinformation oder die Impfschemata betreffen.

Das dezentralisierte Verfahren fußt prinzipiell auf denselben ebenfalls im AMG verankerten europäischen Regelungen und daraus resultierenden Abläufen. Abweichend vom Verfahren der gegenseitigen Anerkennung handelt es sich dabei aber um ein Verfahren zur gleichzeitigen Zulassung eines Impfstoffs in mehreren EU-Staaten, für den in der Europäischen Union bisher noch keine Genehmigung erteilt wurde. Es wird ein Referenzmitgliedstaat bestimmt, der das Verfahren federführend betreut und die Inhalte der Zulassungsunterlagen kritisch bewertet und einen Beurteilungsbericht erstellt, der den anderen interessierten Mitgliedstaaten (CMS:

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concerned member states) als Grundlage für eine allgemein akzeptierte Zulassung unterbreitet wird.

Zentralisierte Zulassungsverfahren werden von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) koordiniert. Mittlerweile werden fast alle neuen Impfstoffe über das zentrale Verfahren zur Zulassung eingereicht. Gesetzliche Grundlage ist die europäische Verordnung (EG) Nr. 726/2004. Sie definiert auch Arzneimittel, die zwingend ein zentrales Verfahren durchlaufen müssen und nicht mittels einer der oben beschriebenen Verfahren zugelassen werden können. Dies sind unter anderem mittels rekombinanter DNA-Technologie hergestellte Produkte und solche mit neuen Wirkstoffen für bestimmte Indikationen, die bei Inkrafttreten der Verordnung in Europa noch nicht genehmigt waren (Art. 3 der VO (EG) Nr. 726/2004/EC). Hierunter fallen somit auch bestimmte Impfstoffe. Die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt, dass aufgrund der Komplexität neuer Impfstoffe und deren Herstellungsmethoden nahezu immer das zentrale Verfahren beschritten wird – auch wenn dies nicht zwingend vorgeschrieben ist.

Federführend für die wissenschaftliche Bewertung zentral eingereichter Zulassungsanträge sind ein Rapporteur und ein Co-Rapporteur, die beide vom europäischen Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) aus den Reihen der EU-Mitgliedstaaten aufgrund ihrer fachlichen Expertise benannt werden. Ihnen obliegt die Erstellung der Bewertungsberichte sowie, unterstützt von Mitarbeitern der EMA, die Koordinierung des Verfahrens unter Befolgung eines fest vorgegebenen Zeitplans. Die Mitgliedstaaten (CMS) erhalten in bestimmten Verfahrensstufen die Möglichkeit, ihre Bewertung und Schlussfolgerungen umfassend einzubringen. Darüber hinaus können vom Antragsteller Zusatzinformationen und die ausführliche Beantwortung von Fragen der Rapporteure und der Mitgliedstaaten (CMS) eingefordert werden.

Maßgebliches wissenschaftliches Gremium für die Erarbeitung der Entscheidung über den Zulassungsantrag ist der CHMP, der sich aus Experten der Mitgliedstaaten zusammensetzt und zu allen Fragen, die mit zentral zuzulassenden und bereits zugelassenen Arzneimitteln in Zusammenhang stehen, Stellung nimmt. Diese werden von Expertengruppen der Europäischen Arzneimittelbehörde („Working Parties“, „Scientific Advisory Groups“) wissenschaftlich unterstützt. Kommt der CHMP am Ende des wissenschaftlichen Bewertungsverfahrens zu einem positiven Urteil, so wird dieses an die Europäische Kommission weiter geleitet, der die offizielle Erteilung der Zulassung für alle EU-Mitgliedstaaten obliegt.

b. Inhaltliche und formale Anforderungen an die Zulassungsunterlagen

Mindestens so wichtig wie die oben beschriebenen prozeduralen Aspekte sind die inhaltlichen Anforderungen an die vom Antragsteller im Rahmen des Zulassungsantrages einzureichenden Daten. Unabhängig von der Verfahrensart

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müssen Zulassungsanträge für Arzneimittel seit einigen Jahren im Format des von der EU, Japan und den USA gleichermaßen anerkannten „Common Technical Document-Format“ (CTD-Format) abgefasst sein, das fünf spezifische Module umfasst:

Modul 1: „Administrative Vorgaben“

Administrative Angaben, Vorschläge des pharmazeutischen Unternehmers für die Fach- und Gebrauchsinformation, Pharmakovigilanz- und Risikominimierungspläne

Modul 2: „Zusammenfassung“

Zusammenfassungen und Übersichten zu den sehr umfangreichen Modulen 3 bis 5

Modul 3: „Qualität“

Dieses Modul enthält sehr ausführliche Beschreibungen des gesamten Herstellungsprozesses mit allen Zwischenstufen und vollständige Angaben zu sämtlichen verwendeten Ausgangsmaterialien. Ebenso müssen hier alle Kontrollprozesse und -methoden, die zur Sicherstellung der konsistenten Qualität des Impfstoffs implementiert wurden, mitsamt den jeweiligen Spezifikationen offengelegt werden. Dieses Modul bildet somit die Grundlage zur Sicherung der stetig gleichbleibenden und einwandfreien Qualität des in verschiedenen Produktionskampagnen hergestellten Impfstoffs. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu betonen, dass biologische Arzneimittel hoch komplexe Produkte sind, die nicht - wie chemisch definierte Arzneimittel - ausschließlich anhand physiko-chemischer Methoden hinreichend charakterisiert werden können. Dies geschieht stattdessen über eine Vielzahl von prozess- und produktspezifischen Kontrollen, deren Messparameter sich innerhalb möglichst enger Spezifikationen bewegen sollten. Wesentliche Elemente dieses Moduls sind somit die Beschreibung der verwendeten Kultivierungssysteme, Maßnahmen zum Ausschluss mikrobieller Kontaminationen, die Sicherstellung des Wirkstoffgehaltes und der homogenen Formulierung des Endproduktes, die Beschreibung sämtlicher Inhaltsstoffe und die detaillierte Darstellung des gesamten Test- und Kontrollprogramms, das zur Charakterisierung und Qualitätssicherung etabliert wurde.

Die allgemeinen und spezifischen Monografien des Europäischen Arzneibuchs, zahlreiche einschlägige Leitfäden der Europäischen Arzneimittelbehörde, der „International Conference on Harmonization“ (ICH) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) regeln, was zu tun ist, damit die zur Impfstoff-Herstellung entwickelten Prozesse zu einem Produkt der geforderten Qualität führen.

Modul 4: „Präklinik“

Hier sind die Ergebnisse der präklinischen Studien, die im Verlauf der Impfstoffentwicklung durchgeführt wurden, beschrieben. Die jahrzehntelange Anwendungserfahrung mit dieser Substanzklasse belegt, dass Impfantigene, insbesondere wenn sie inaktiviert und hoch gereinigt sind, im Gegensatz zu vielen chemisch charakterisierten Wirkstoffen, kaum toxische Wirkungen aufweisen. Da

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auch die Verträglichkeit der meisten Zusatzstoffe seit langer Zeit ausführlich erforscht und bekannt ist, bleibt der Umfang der für Impfstoffe vorgeschriebenen tierexperimentellen Untersuchungen überschaubar, was sich auch anhand der wenigen Leitfäden ableiten lässt, die die Anforderungen an das präklinische Testprogramm skizzieren:

- CPMP/SWP/465/95: Pre-clinical pharmacological and toxicological testing of vaccines;

- WHO Technical Report Series, No. 927, 2005 Annex 1 WHO Guidelines on nonclinical evaluation of vaccines.

Im Mittelpunkt der tierexperimentellen Untersuchungen stehen primäre pharmakologische Studien, aus denen sich eine Dosis-Wirkungsbeziehung („Pharmakodynamik“) und ein möglicherweise auch für den Menschen geeignetes Impfschema ableiten lassen. Umfangreiche sekundäre pharmakologische Studien zur systemischen Verträglichkeit und Organstudien zur Ermittlung der Antigenverteilung bzw. -anreicherung (Pharmakokinetik) werden für Impfstoffe im Allgemeinen nicht verlangt, da sie keine Erkenntnisse für die richtige Dosierung liefern. Darüber hinaus ist die mit wenigen Dosen verabreichte Substanzmenge sehr gering, so dass Anreichungseffekte nicht zu erwarten sind. Bei lebend attenuierten Impfstämmen ist allerdings die Kenntniss des Ausscheidungsprofils nach der Verabreichung wichtig. Von vordringlichem Interesse sind allerdings Studien zur lokalen und systemischen Toxizität nach einer und mehreren Impfungen. Da einige Impfstoffe auch an Schwangere verabreicht werden können, müssen für diese Studien zur embryofötalen und perinatalen Toxizität durchgeführt werden. Mutagenitäts- und Karzinogenitätsstudien sind dagegen für die meisten Impfstoffe entbehrlich, da von keinem der Bestandteile von Impfstoffen mutagene oder karzinogene Wirkungen bekannt sind und die applizierte Substanzmenge niedrig ist. Werden bei der Impfstoffformulierung jedoch neue Substanzen, wie Adjuvanzien oder Trägersubstanzen verwendet, oder neuartige Verabreichungswege (z. B. intranasale oder intradermale Applikation) untersucht, so ist der Antragsteller verpflichtet, ein deutlich aufwändigeres präklinisches Untersuchungsprogramm zu absolvieren, das den potenziellen Gefahren dieser innovativen Technologien angemessen Rechnung trägt und damit auch solche Untersuchungen einschließen muss, die für konventionelle Impfstoffe nicht gefordert werden.

Modul 5: Klinik

Dieses Modul ist in der Regel das bei weitem umfangreichste, da es den gesamten Ablauf und die Ergebnisse der klinischen Erprobung des Impfstoffs schildert. Die klinischen Studienziele müssen so gewählt sein, dass die Studienergebnissen dazu geeignet sind, die Wirksamkeit und Verträglichkeit des Impfstoffs eindeutig zu bestätigen. Das klinische Studienprogramm gliedert sich im Allgemeinen in folgende Phasen:

Vor der Zulassung:

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Phase I-Studien: vorsichtiges Abschätzen der Immunogenität und Verträglichkeit an einer kleinen Studienpopulation von weniger als 100 gesunden Probanden.

Phase II-Studien: Studien zur Dosisfindung und Verträglichkeit an größerer Anzahl von Probanden (mehrere Hundert)

Phase III-Studien: Studien zur Bestätigung der Konsistenz des industriellen Herstellungsverfahrens. Bestätigung der Immunogenität. Nachweis der Wirksamkeit und Sicherheit an größerer Anzahl von Probanden (mehrere Tausend bis mehrere Zehntausend - je nach Impfstoff)

Nach der Zulassung:

Phase IV-Studien: Wirksamkeit und Verträglichkeit nach erfolgter Vermarktung, z.B. Untersuchung der gleichzeitigen Gabe (Ko-Administration) mit anderen Impfstoffen

Nicht-interventionelle Studien nach der Zulassung

Z.B. epidemiologische Studien oder Beobachtungsstudien.

Die ersten beiden Phasen (I und frühe Phase II) dienen somit in erster Linie dazu, den prinzipiellen Nachweis einer Wirkung („Proof of concept“), der Verträglichkeit , die adäquate Wirkstoff-Dosierung und die Anzahl der erforderlichen Teildosen zu ermitteln.

In späteren klinischen Versuchsphasen (späte Phase IIb und III) wird ein Nachweis der Wirksamkeit und der Sicherheit des neuen Impfstoffs über groß angelegte Studien („safety studies“) geführt. . Die Fallzahl zur Beurteilung des Sicherheitsprofils ist stets eine Fall-zu–Fall-Entscheidung. Der EMA-Leitfaden „Clinical evaluation of new vaccines“ fordert eine Mindestzahl von 3000 Impflingen vor der Zulassung. Bei neuartigen Impfstoffen werden diese Fallzahlen meist deutlich überschritten. Es werden nicht nur schwerwiegende, sondern auch nicht-schwerwiegende unerwünschte Ereignisse in klinischen Prüfungen erfasst und beurteilt, da auch die Kenntnis, dass im Einzelfall hohes Fieber oder verstärkte Irritationen an der Einstichstelle auftreten können, wichtig ist, um Verträglichkeit eines Impfstoffs hinreichend gut beschreiben zu können. Bei gänzlich neuartigen Impfstoffen dienen Phase III-Studien auch dem Zweck, angemessene Surrogatparameter zur Wirksamkeitsbestimmung zu definieren. Dies ist immer dann erforderlich, wenn noch kein allgemein anerkannter serologischer Ersatzparameter (Surrogatparameter) existiert, der als experimentell zugänglicher Indikator der Schutzwirkung des Impfstoffs (Schutzkorrelat) herangezogen werden kann. Bei solchen Schutzkorrelaten handelt es sich in aller Regel um Antikörpertiter. Die Erfahrung der letzten Jahre lehrt jedoch, dass im Besonderen für neuartige Impfansätze und -strategien die Identifizierung brauchbarer Schutzkorrelate ein sehr kompliziertes Unterfangen darstellen kann.

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Phase IV- Studien und nicht interventionelle Studien werden in der Regel nach der Markteinführung geplant und durchgeführt mit dem Ziel, etwaige Nebenwirkungen des Impfstoffs unter den Bedingungen der Praxisanwendung zu erfassen, bestimmte Risikosignale, die sich gegebenenfalls aus den Phase III- Studien ergeben haben, näher zu untersuchen oder auch die gemeinsame Gabe mit gleichzeitig verabreichten anderen Impfstoffen zu beurteilen.

Alle Studienziele müssen a priori in Studienplänen festgelegt sein. Eine Festlegung der Studienziele (z. B. die Erhebung spezifischer Parameter zur Ermittlung der Verträglichkeit oder solcher zur Wirksamkeit) im Nachgang zu schon erhobenen Daten, eine sogenannte post hoc-Analyse, ist nicht zulässig, um eine nachträgliche tendenziöse Interpretation der erhobenen Daten zu unterbinden.

Die gesetzlichen Grundlagen zur Durchführung von klinischen Studien sind in den §§ 40 – 42a des AMG verankert (Näheres zur Durchführung und Genehmigung klinischer Studien siehe auch unter d) in diesem Kapitel). Eine ausführliche Anleitung zur Durchführung (Studiendesign und Prüfplan) und Auswertung von klinischen Studien im Rahmen der Prüfung von neuen Impfstoffen bietet ebenfalls der bereits erwähnte EU-Leitfaden „Clinical Evaluation of New Vaccines: CHMP/VWP/164653/05“.

c. Nutzen-Risiko-Abschätzung („Benefit-Risk Assessment“)

Prinzipiell gilt, dass in jedem Fall der Nutzen eines bestimmten Impfstoffs die mit der Impfung verbundenen Risiken bei weitem überwiegen muss. Damit wird klar, dass es sich bei der Nutzen/Risiko-Abschätzung um einen Impfstoff-spezifischen individuellen Vorgang handelt, der sowohl die Art des Impfstoffs als auch die Verminderung der jeweiligen Krankheitslast mit einschließt. Dabei sollten sowohl die individuelle als auch die indirekte Schutzwirkung in der Bevölkerung („Herdenimmunität“ – soweit entsprechende Daten verfügbar sind) des Impfstoffs berücksichtigt werden. Um zu einem fundierten Urteil zu gelangen, müssen alle mit dem Zulassungsantrag eingereichten Daten einer eingehenden Überprüfung unterzogen werden. Bezüglich der „Qualität“ des Impfstoffs (siehe Modul 3, oben) dürfen keinerlei wesentliche Fragen ungeklärt bleiben.

Es muss sichergestellt sein, dass der Impfstoff mittels eines robusten und in allen Einzelteilen durch experimentelle Prüfung kontrollierten konsistenten Prozesses hergestellt wird. Tauchen im Verlauf der präklinischen Untersuchungen unerwartete Signale auf (siehe Modul 4, oben), so sind diese ausführlich abzuklären und bezüglich ihres Risikowertes einzustufen. Ebenso wird versucht, ein potenzielles Auftreten solcher Signale auch im Rahmen der klinischen Studien zu erfassen und zu bewerten.

Der klinischen Überprüfung neuer Impfstoffe kommt eine elementare und vorrangige Bedeutung zu. Nur in der direkten Anwendung am Menschen lässt sich das genaue Wirkprofil eines neuen Impfstoffs unter authentischen Bedingungen ermitteln. Um

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dabei zu einer robusten und auch statistisch relevanten Nutzen/Risiko-Bewertung zu kommen, sind entsprechend umfangreiche klinische Datensätze vonnöten, die sich nur über ausreichend dimensionierte Verträglichkeitsstudien mit insgesamt 3000 bis 5000 Probanden generieren lassen (siehe oben). Besonders bei Impfstoffen mit neuartigen Bestandteilen oder solchen, für die kein anerkanntes Schutzkorrelat existiert, kann es zur genauen Charakterisierung der unerwünschten Wirkungen nötig sein, noch größere Probandenzahlen für die klinische Erprobung zu rekrutieren. So fußen die kürzlich erteilten Zulassungen für die Impfstoffe zum Schutz vor Gebärmutterhalskrebs (HPV (Humanes Papillomavirus)-Impfstoffe) auf einer Basis von klinischen Studiendaten, die an jeweils mehr als 20.000 Probanden gewonnen wurden.

d. Gesetzliche Grundlagen zur Durchführung, Genehmigung und Veröffentlichung klinischer Studien

In Deutschland liegen Zuständigkeit und Verantwortung zur Durchführung klinischer Prüfungen im Wesentlichen beim Produktverantwortlichen, also letztlich in der Regel beim antragstellenden pharmazeutischen Unternehmer. Er ist verpflichtet, klinische Studien entsprechend den gesetzlichen Grundlagen und den daraus resultierenden formalen und inhaltlichen Anforderungen durchzuführen. Mit der fachgerechten Umsetzung dieser Aufgaben können darauf spezialisierte Organisationen (Medizinische Auftragsinstitute; CRO: „Clinical research organisations“) beauftragt werden.

Die klinische Prüfung von neuen Impfstoffen muss von entsprechend qualifizierten Prüfärzten durchgeführt werden. Jeder Prüfarzt und jedes an einer klinischen Studie teilnehmende nicht-ärztliche Personal muss geschult und erfahren sein in den für Studien geltenden Gesetzen, Leitlinien und Vorgaben. Nur mit dem Nachweis dieser Kenntnisse darf ein Arzt überhaupt eine klinische Prüfung vornehmen.

In den letzten Jahren haben sich sogenannte „Studienzentren“ etabliert und bewährt. In diesen Einrichtungen arbeiten Prüfärzte sowie nicht-ärztliches Personal, welches speziell für die Studiendurchführung ausgebildet wurde. Das Studienteam verfügt über detaillierte Kenntnisse wie die international verbindliche „Good Clinical Practice“ (GCP) (Gute Klinische Praxis). Viele Studienzentren haben sich inzwischen spezialisiert auf bestimmte Personengruppen (z. B. pädiatrisches Studienzentrum) oder Substanzen (z. B. Impf-Studienzentrum) Da gerade Impfstudien in den von der STIKO empfohlenen Impfplan eingebettet sein müssen, verfügen die an diesen Zentren tätigen Ärztinnen und Ärzte auch über eine Expertise in Impffragen allgemein.

Jederzeit und unangemeldet kann vom Auftraggeber oder der zuständigen Landesbehörde im Rahmen eines Audits oder einer Inspektion überprüft werden, ob das Studienzentrum die klinischen Prüfungen gemäß den gültigen Vorgaben durchführt. Die zuständige Bundesoberbehörde kann ebenfalls im Rahmen des

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Genehmigungs- bzw. Zulassungsverfahrens Inspektionen an den Studienzentren und beim Auftraggeber vornehmen.

War vor dem 01.05.2004 die Genehmigung klinischer Prüfungen der EU ein sehr heterogener Prozess, der nach den jeweiligen nationalen Vorgaben und Regulationen gehandhabt wurde, so wurde mit der Implementierung der europäischen Richtlinie 2001/20/EG („Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Studien mit Humanarzneimitteln“) in das nationale Recht der Mitgliedstaaten ab diesem Zeitpunkt eine weitgehende Harmonisierung der Verfahrensweise erreicht. Durch diese Maßnahmen sollen EU-weit die Rechte, die Sicherheit und das Wohlergehen aller Teilnehmer an klinischen Prüfungen sichergestellt und die Berücksichtigung international anerkannter Qualitätsanforderungen an die Planung, Durchführung und Aufzeichnung von klinischen Studien gewährleistet werden.

Diese Anforderungen sind für Deutschland in den §§ 40 - 42 AMG implementiert worden. Dort ist vorgeschrieben, dass der Sponsor, der Prüfer und alle weiteren an der klinischen Studie beteiligten Personen bei der Durchführung der klinischen Prüfung eines Arzneimittels am Menschen unter anderem die Anforderungen der guten klinischen Praxis nach Maßgabe des Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2001/20/EG zu erfüllen haben.

Als „Sponsor“ identifiziert das AMG „eine natürliche oder juristische Person, die die Verantwortung für die Veranlassung, Organisation und Finanzierung einer klinischen Prüfung bei Menschen übernimmt“. Die Anforderungen der guten klinischen Praxis sind in einem EU-Leitfaden spezifiziert (CPMP/ICH/135/95). Der genannte Artikel des AMG regelt weiterhin, dass die klinische Prüfung nur begonnen werden darf, wenn sowohl eine Genehmigung der zuständigen Bundesoberbehörde (Verfahren nach § 42 Abs. 2 AMG) als auch eine zustimmende Bewertung der zuständigen Ethik-Kommission (Verfahren nach § 42 Abs. 1 AMG) vorliegt.

Danach muss die klinische Prüfung noch vor Beginn der zuständigen Landesbehörde (Liste ist unter ZLG/Arzneimittel/Behörden/Klinische Prüfungen abrufbar) angezeigt werden, die die in § 15 GCP-Verordnung geforderten Inspektionen nach § 64 AMG (1) durchführt. Die Regelüberwachung der zuständigen Landesbehörde umfasst Inspektionen bei den Sponsoren und bei den Prüfzentren. Die Liste der zuständigen Landesbehörden ist auf der Homepage der Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten abrufbar.

Wie schon für die Impfstoffzulassung, so ist das Paul-Ehrlich-Institut auch die für die Genehmigung klinischer Studien zuständige Bundesoberbehörde. Zur Beantragung einer solchen Genehmigung sind vom „Sponsor“ umfangreiche Antragsunterlagen vorzulegen, die - unter anderem - genaue Angaben zum Impfstoff und seiner Herstellung, zu den durchführenden Personen, der Art und Anzahl der eingeschlossenen Probanden , den Studienzielen und dem Prüfplan enthalten, die

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die Behörde in die Lage versetzen, eine Bewertung der Zulässigkeit der Studie durchführen. Die formalen und inhaltlichen Anforderungen an die Antragsunterlagen sind bis in alle Einzelheiten in der 3. Bekanntmachung zur klinischen Prüfung von Arzneimitteln am Menschen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und Paul-Ehrlich-Institut beschrieben.

Basierend auf § 42 Abs. 3) des AMG wurde eine Rechtsverordnung (GCP-Verordnung vom 09.08.2004) etabliert, die wesentliche Vorgänge im Zusammenhang mit der sachgerechten Durchführung klinischer Studien regelt. Die Behörde ist über unerwartete Ereignisse und natürlich auch über die Ergebnisse nach Beendigung der Studie zu unterrichten. Die erhobenen Ergebnisse sind als vertrauliche Daten im Besitz des „Sponsors“ anzusehen, die nur mit dessen Genehmigung veröffentlicht werden dürfen. Die Daten werden zum Zwecke der Zulassung eines neuen Impfstoffs vom Antragsteller in das Modul 5 des Zulassungsantrages integriert und der zuständigen Behörde unterbreitet. Nach erfolgter Zulassung werden wesentliche Studienergebnisse zur Wirksamkeit und Verträglichkeit des Impfstoffs in Absprache mit dem Zulassungsinhaber sowohl im öffentlichen deutschen Bewertungsbericht und dem EPAR („European public assessment report“ der EMA) als auch in der deutschen Fachinformation und der SPC („Summary of product characteristics“) veröffentlicht.

Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) sieht vor, dass eine Pflicht zur Veröffentlichung der klinischen Studiendaten im Arzneimittelgesetz besteht (§ 42 b AMG). Ergebnisse klinischer Prüfungen Phase II-IV werden nun in der EU gemäß Verordnung (EG) Nr. 726/2004 im EU-Register klinischer Prüfungen veröffentlicht (bei Kindern auch Phase I und abgelehnte klinische Prüfungen).

Ab 01.01.2011 müssen nach § 42 b AMG auch in Deutschland die Ergebnisse der klinischen Prüfungen innerhalb von 6 Monaten nach Zulassung des Arzneimittels der zuständigen Bundesoberbehörde zum Einbringen in eine Datenbank beim Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) zugänglich gemacht werden. Es ist geplant, die Ergebnisse über das PharmNet.Bund-Portal im Modul Klinische Prüfungen zu veröffentlichen (s. Kap. 1.1.4).

e. Staatliche Chargenprüfung

Die staatliche Chargenprüfung nach § 32 AMG, für die ebenfalls das Paul-Ehrlich-Institut zuständig ist, ist eine weitere Voraussetzung, um Impfstoffe nach der Marktzulassung in den Verkehr zu bringen. Biologische Arzneimittel, die keine chemische definierte Zusammensetzung haben und deren Verabreichung ein relativ großes Risiko beinhalten könnten wie Allergene, aus Blutplasma hergestellte Produkte, Immunglobulinpräparate, Seren und Impfstoffe, werden einer experimentellen Prüfung durch ein staatlich anerkanntes Untersuchungsinstitut

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unterzogen. Die experimentelle Prüfung von Impfstoffen zum Zwecke der Chargenfreigabe erfolgt am Paul-Ehrlich-Institut.

1.1.4 Studienregister: Öffentlich zugängliche Informationen und Ergebnisse von Impfstoffstudien

Impfstoffentwicklung findet auf internationaler Ebene statt, d. h., in den meisten Studien wirken medizinische Einrichtungen in vielen Ländern mit. Dies bedeutet, dass die Ergebnisse einer Studie auch für andere als die beteiligten Länder relevant sind. Internationale Studienregister sollen die Zugänglichkeit vollständiger Information über Studien und Studienergebnisse gewährleisten.

Impfstoffentwickler nehmen die Registrierung ihrer Studien dementsprechend auch auf freiwilliger Basis in internationalen Studienregistern vor, fast immer im Studienregister www.clincialtrials.gov. Alle übrigen Registrierungen sind über das (in deutscher Sprache arbeitende) Suchportal www.ifpma.org/clinicaltrials zugänglich, das alle Register und Studiendatenbanken weltweit durchsucht.

In den Registereinträgen sind die wesentlichen Rahmendaten des Studienvorhabens beschrieben, wer für die Studie verantwortlich zeichnet und in welchen Ländern medizinische Einrichtungen mitwirken.

Das Studienregister clinicaltrials.gov verlinkt die Registereinträge von inzwischen abgeschlossenen Studien seit einiger Zeit auch mit den publizierten Ergebnissen. Darüber hinaus veröffentlichen Impfstoffhersteller ihre Studienergebnisse bei www.clinicalstudyresults.org, einige publizieren diese zusätzlich in eigenen Registern.

Damit die Übersicht der Studienergebnisse künftig noch einfacher wird und die Öffentlichkeit über die gleiche Datengrundlage wie die Zulassungsbehörden verfügt, wurde die europäische behördeninterne Datenbank EudraCT der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Seit dem 28.2.2011 sind Kerndaten klinischer Prüfungen in EudraCT öffentlich zugänglich. Es ist gesetzlich geregelt, dass jede in der EU genehmigte klinische Prüfung in EudraCT eingetragen wird, weshalb dieses Studienregister das einzige nahezu lückenlose ist. Im nächsten Schritt werden dann auch Studienergebnisse veröffentlicht. Die Umsetzung dieses Vorhabens basiert auf der EU-Gesetzgebung von 2005.

Die EPARs: öffentliche Bewertungsberichte

Bereits seit 1995 bietet die Europäische Arzneimittelbehörde EMA für die EU-weit zugelassenen Arzneimittel die Möglichkeit, Studienergebnisse in zusammengefasster Form einzusehen – in den laufend aktualisierten „European Public Assessment Reports“ (EPARs).

Informationen zum Studienprotokoll und Studienzentren vor Studienbeginn:

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GlaxoSmithKline http://www.clinicaltrials.gov/

http://www.gsk-clinicalstudyregister.com/

Merck & Co. Inc. http://www.clinicaltrials.gov/

Novartis http://www.clinicaltrials.gov/

Pfizer http://www.clinicaltrials.gov/

Sanofi-Pasteur MSD http://www.clinicaltrials.gov/

Wyeth (jetzt Pfizer) http://www.clinicaltrials.gov/

Veröffentlichungen von Studienergebnissen:

GlaxoSmithKline http://www.clinicalstudyresults.org/

http://www.gsk-clinicalstudyregister.com/

Merck & Co. Inc. http://www.clinicalstudyresults.org/

Novartis http://www.novctrd.com

http://www.clinicalstudyresults.org/

Pfizer http://www.clinicalstudyresults.org/

Sanofi-Pasteur MSD http://www.clinicalstudyresults.org/

Wyeth (jetzt Pfizer) http://www.clinicalstudyresults.org/

Bewertungsberichte und Studienzusammenfassungen der Europäischen Zulassungsbehörde EMA: http://www.ema.europa.eu/ema/index.jsp

Suchportal in deutscher Sprache: www.ifpma.org/clinicaltrials

Auch das vom BMFT finanzierte „Deutschen Register Klinische Studien (DRKS)“ bietet Recherchemöglichkeiten. Dort sind vor allem Forschungsstudien der Universitäten („Investigator initiated studies“ IITs) zu finden; das Register enthält neben Klinischen Prüfungen an Arzneimitteln auch solche über Medizinprodukte und über medizinische Verfahren.

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1.1.5 Impfstoffkosten

Die in Kapitel 1.1.2 geschilderten umfassenden Anforderungen an die Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität der Impfstoffentwicklung machen deutlich, dass auch finanzielle Konsequenzen für das Preisniveau von Impfstoffen zu erwarten sind.

Für eine erfolgreiche Entwicklung, Produktion und Bereitstellung von Impfstoffen reicht es nicht aus, ein geeignetes Antigen zu identifizieren und dieses in Studien zu prüfen. Wichtigste Voraussetzung für den Beginn einer groß angelegten klinischen Studie (PhaseIII-Studie) ist, dass bis zu diesem Zeitpunkt bereits ein endgültiger Herstellungsprozess etabliert wurde.

Für einen Impfstoff, der breit eingesetzt werden soll, ist die Herstellung von mehr als zehn Millionen Dosen pro Jahr notwendig, die den strengen regulatorischen Anforderungen an Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit genügen müssen. Dazu muss ein Produktionsprozess etabliert werden, der die Überführung einer Produktion im Labormaßstab in eine großtechnische Größenordnung erlaubt und dabei jederzeit reproduzierbare Ergebnisse hinsichtlich Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit jeder einzelnen Impfstoffcharge gewährleistet.

Die Anforderungen der Zulassungsbehörden an die Herstellung von Impfstoffen sind wesentlich höher als die für klassische Arzneimittel, wie in Kap. 1.1.3 ausführlich dargestellt. Für die Herstellung eines Impfstoffs sind daher aufwändige Technologien und Produktionsanlagen erforderlich, deren Aufbau, Validierung und behördliche Genehmigung bis zu fünf Jahre oder länger dauern kann. Bis zur endgültigen Zulassung, gerade bei zentralen Zulassungsverfahren, kann es ebenfalls noch einmal mehr als zehn Jahre dauern.

Die Preise für einen neuen Impfstoff weisen europa- und weltweit teilweise erhebliche Unterschiede auf. Selbstverständlich arbeiten die international tätigen Unternehmen gewinnorientiert. Auch die gestiegenen Kosten für Forschung und sichere Produktion sowie zugehörige Studien bestimmen das Preisniveau für Impfstoffe. Darüber hinaus spielt nach unternehmerischen Angaben aber auch die Situation des Marktes bei der Preisgestaltung eine Rolle. So sind beispielsweise in Europa die Preise für Impfstoffe deutlich höher als in Entwicklungsländern, um auch dort Impfstoffe zu erschwinglichen Preisen anbieten zu können. Nicht zuletzt bestimmen auch die unterschiedlichen zu erwartenden Absatzmöglichkeiten im europäischen Raum den Preis für die Länder.

Die stetig wachsenden Kosten im Gesundheitswesen stellen das deutsche Gesundheitssystem vor zunehmende Probleme. Neben der geforderten Qualität muss daher auch die Wirtschaftlichkeit eines neuen Impfstoffs eine Rolle spielen, wenn das Solidarsystem die Kosten tragen soll.

Obwohl Impfstoffe nach dem Arzneimittelgesetz unter die Arzneimittel fallen, unterscheidet sich der Impfstoffmarkt vom Markt mit anderen Arzneimitteln und die

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Anzahl an Herstellern bzw. Anbietern ist im Vergleich zu anderen Arzneimitteln relativ gering.

In Deutschland werden zurzeit etwa 40 verschiedene Impfstoffe von zwölf Original-Anbietern und 15 Anbietern von Import-Arzneimitteln eingesetzt.3

2008 wurden fast 45 Mio. Impfdosen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgerechnet, davon entfielen fast 40 Mio. (knapp 90%) auf 14 verschiedene Impfstoffe. Bezogen auf die Menge werden Impfstoffe gegen Influenza mit knapp 40% und Impfstoffe gegen FSME mit knapp 20% am häufigsten abgerechnet. Die Sechsfach-Kombination gegen Diphterie, Pertussis, Tetanus, Haemophilus influenzae B, Poliomyelitis und Hepatitis B folgt mit einem Verbrauchsanteil von etwa 5% erst an dritter Stelle.

Bezugswege

Impfstoffe unterliegen der Apothekenpflicht und können als Sprechstundenbedarf (SSB) oder im Rahmen von Individualverordnungen bezogen werden. Niedergelassene Ärzte sind meist durch die Schutzimpfungs-Vereinbarungen zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen gehalten, preisgünstige Impfstoffe, Kombinationsimpfstoffe, günstige Großpackungen und günstige Bezugsmöglichkeiten auszuwählen.

Impfstoffe für empfohlene Impfungen, die im Rahmen des Sprechstundenbedarfs von den Apotheken direkt an Ärzte abgegeben werden, sind von den Apothekenzuschlägen nach § 1 Abs. 3 Nr. 3a der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) ausgenommen. Stattdessen sind die Abrechungspreise im SSB in den Arznei-Lieferverträgen zwischen Apothekerverbänden und Krankenkassen geregelt. In den Vereinbarungen über die vertragsärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf (Sprechstundenbedarfsvereinbarungen) zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen und Landesverbänden der Krankenkassen ist u.a. festgelegt, welche Impfstoffe im SSB bezogen werden können. Die Arznei-Lieferverträge sehen je nach Bundesland zur Vergütung der Apotheken einen prozentualen – teilweise mengengestaffelten – und/oder fixen Zuschlag vor, sodass sich für Impfstoffe im SSB regional unterschiedliche Preise ergeben.

Die Abrechnung des Sprechstundenbedarfs zwischen Apotheken und Krankenkassen erfolgt in der Mehrzahl der Länder über eine Krankenkasse, die die Kosten den einzelnen Kassen zuordnet (nicht versichertenbezogen, sondern nach Fallzahlen in der ambulanten Behandlung, Versichertenzahl oder Impfleistungen).

Für Versicherte der GKV wurden im Jahr 2008 im SSB über 4,4 Mio. Impfstoff-Verordnungen für 43,5 Mio. Impfstoffdosen ausgestellt. Dies ergibt Kosten zu Lasten

                                                            3   7‐stellige ATC‐Codes, Stand 2008, alle Angaben im folgenden Abschnitt: IGES nach NVI (INSIGHT Health) 

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der GKV in Höhe von 1,3 Mrd. Euro. In diesem Betrag enthalten sind ca. 55 Mio. Euro für die Vergütung der Apothekenleistung4 (1). Der größte Anteil an Impfstoffen im SSB entfiel mit knapp 17 Mio. Einzeldosen und über 300 Mio. Euro auf Impfstoffe gegen Influenza. Auch FSME-Impfstoffe und Kombinationsimpfstoffe für Impfungen im Kindesalter werden überwiegend über SSB bezogen.

Bei Individualverordnungen von Impfstoffen gilt die AMPreisV. Dabei werden die Impfstoffe vom Arzt verordnet und von den Apotheken an den Impfling abgegeben; die Verabreichung erfolgt in der Arztpraxis. 2008 wurden Impfstoffe im Wert von ca. 132 Mio. Euro individual verordnet. Die größten Anteile dieser individualverordneten Impfstoffe hatten Papillomvirus-, Hepatitis- und Encephalitis-Impfstoffe.

Insgesamt entstanden den Krankenkassen im Jahr 2008 Kosten in Höhe von etwa 1,5 Mrd. Euro für knapp 45 Mio. abgegebene Impfstoffdosen. Über 95% aller Impfstoffe werden über SSB bezogen, wobei der Anteil an den Ausgaben für Impfstoffe nur knapp 90% entspricht. Der Ausgabenanteil für Impfstoffe insgesamt entspricht weniger als einem Prozent an den Leistungsausgaben der GKV bzw. 21 Euro pro Versicherten5 (2, 3, 4). Für die private Krankenversicherung liegen keine Daten vor.

Preisbildung und Preisniveau

Wie Preise für andere Arzneimittel setzen sich Impfstoffpreise aus dem Herstellerabgabepreis, dem Großhandelszuschlag, dem Apothekenzuschlag und der Umsatzsteuer zusammen. Reduziert werden sie wiederum durch Rabatte (s.u.). Die Herstellerabgabepreise werden von den Anbietern festgelegt. Dabei spielen die Preispolitik des Anbieters, die Zahl und Kapazität der Konkurrenzanbieter sowie die Entwicklungs- und Produktionskosten eine Rolle. Die Großhandelszuschläge hängen vom Herstellerabgabepreis ab und sind durch § 2 AMPreisV nach oben begrenzt. Der gesetzlich geregelte Apothekenzuschlag (§ 3 AMPreisV) in Höhe von 3% auf den Herstellerabgabepreis (ohne Umsatzsteuer) zuzüglich des gesetzlichen Großhandelszuschlags plus eine fixe Pauschale von 8,10 Euro gilt nur für Impfstoffe, die über Individualverordnungen bezogen werden. Für Impfstoffe im SSB gelten für die Zuschläge der Apotheken die Arznei-Lieferverträge. Der Abgabepreis erhöht sich schließlich um die Umsatzsteuer in Höhe von 19%. Für erstattungsfähige Impfstoffe fallen in der Regel keine Zuzahlungen für Patienten an.

Die Impfstoffpreise werden für die Anwendung bei GKV-Versicherten wiederum reduziert durch die gesetzlichen Hersteller- und Apothekenrabatte sowie durch

                                                            4 Die ausgewiesenen Umsätze unterliegen Annahmen und sind daher als Schätzung anzusehen. Siehe dazu IGES Institut, Lehrstuhl für Medizinmanagement an der Universität Duisburg‐Essen, Office of Health Economics, Institute of Public Health, Medical Decision Making and HTA ‐ University for Health Sciences, Medical Informatics and Technology, 5 Eigene Berechnungen nach NVI (INSIGHT Health) und den Statistiken KJ1 und KM6 des Bundesministeriums für Gesundheit 2008 

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Individualrabatte. Der Herstellerrabatt beträgt auch für Impfstoffe je nach Patentsituation bis zu 16% des Herstellerabgabepreises pro Packung (§ 130a Abs. 1a SGB V). Der Apothekenrabatt (§ 130 Abs. 1 SGB V) beträgt 2,05 Euro je abgegebenen Impfstoff (bisher: 2,30 Euro). Individualrabatte nach § 130a Abs. 8 SGB V werden zwischen den Krankenkassen (und ihren Verbänden) und den Anbietern verhandelt bzw. von den Krankenkassen ausgeschrieben. Impfstoffe, für die ein Rabattvertrag zwischen Hersteller und der Krankenkasse des Versicherten bestehen, müssten bei Individualverordnungen vom Apotheker bevorzugt abgegeben werden (§ 129 Abs. 1 SGB V). Für Impfstoffe, die im Rahmen von SSB abgegeben werden, gilt diese Regelung nicht, da sie nicht unmittelbar an den Versicherten abgegeben werden.

Im Jahr 2009 wurde weniger als 1% aller Impfstoffdosen zu Lasten der GKV individualrabattiert abgegeben. Ursache für die begrenzte Wirkung von Rabattverträgen auf Impfstoffpreise sind die fehlende Austauschbarkeit über die Aut-idem-Regelung, die fehlende Anwendbarkeit im SSB und die mitunter limitierte Verfügbarkeit einiger Impfstoffe (z. B. Influenza, FSME). Seit dem 1.1.2011 wurden Individualrabatte für Impfstoffe insofern gestärkt, dass Versicherte einer Krankenkasse ausschließlich mit dem rabattierten Impfstoff versorgt werden sollen (§ 132e Ab. 2 SGB V).

Insgesamt liegen in Deutschland die Impfstoffpreise auf allen Ebenen – Herstellerabgabepreis, Großhandelspreis, Apothekenverkaufspreis – höher als in anderen Ländern, deren Wirtschaftskraft vergleichbar ist6 (1). Daher wurden mit dem Arzneimittelmarkneuordnungsgesetz (AMNOG) zum 1.1.2011 zusätzlich zu den bestehenden Hersteller-, Apotheken- und Individualrabatten speziell Rabatte auf Impfstoffe eingeführt (§ 130a Abs. 2 SGB V). Die Höhe der Rabatte auf den Herstellerabgabepreis ohne Mehrwertsteuer wird ermittelt aus der Differenz zum Durchschnitt der tatsächlich geltenden Abgabepreise der Anbieter in vier Referenzländern. Als Referenzländer werden Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit einem ähnlichen Bruttonationaleinkommen verwendet (gewichtet nach Umsätzen und Kaufkraftparitäten). Dieses Referenzpreisprinzip soll für die GKV sowohl für individual verordnete als auch über SSB abgegebene Impfstoffe und auch für die private Krankenversicherung gelten.

Öffentlicher Gesundheitsdienst

Der Öffentliche Gesundheitsdienst kann Impfstoffe, die dazu bestimmt sind, bei einer unentgeltlich auf Grund des § 20 Abs. 5 IfSG durchgeführten Schutzimpfung angewendet zu werden, direkt von pharmazeutischen Unternehmen, Großhändlern (§ 47 Abs. 1 Nr. 3 AMG) oder bei Apotheken beziehen. Auch Gesundheitsämter sind

                                                            6 Angaben von 2008, IGES Institut 

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von den Preisspannen und Preisen der Apotheken ausgenommen (§ 1 Abs. 3, Nr. 3a der AMPreisV).

Die Preisbildung bei Impfstoffen ist innerhalb des Öffentlichen Gesundheitsdienstes – teilweise auch innerhalb eines Bundeslandes – sehr unter-schiedlich: Es kommen regionale oder zentrale Ausschreibungen, Preis- bzw. Rabattverhandlungen mit Herstellern, Großhändlern oder Apotheken („ÖGD-“ oder Mengenrabatt) sowie der Einkauf zu Apothekenverkaufspreisen vor.

Mit den Krankenkassen bestehen in einigen Ländern Rahmenvereinbarungen nach § 20 Abs. 3 SGB V zur Erstattung der Sachkosten. Seit dem 1.1.2011 (AMNOG) sind diese Rahmenvereinbarungen schiedsfähig § 132e Abs. 1 SGB V).

1.2 Problemfelder aus medizinischer und ökonomischer Sicht

Das Spannungsfeld, in dem sich die Impfstoffherstellung und die damit verknüpfte Diskussion bewegt, ist groß und von unterschiedlichen Sichtweisen und Forderungen geprägt.

Positiv sind die hohe Produktsicherheit und zunehmende Transparenz des Herstellungsprozesses und der einer Zulassung zugrunde gelegten Daten. Die Ausführungen unter 1.1 machen deutlich, dass heute die gesetzlichen Vorgaben zur Impfstoffentwicklung und -produktion, sowohl national als auch international, sehr komplex sind und ein hohes Maß an Sicherheit bezüglich der Produktqualität mit sich bringen. Die Hersteller sind gegenüber den Genehmigungsbehörden verpflichtet, die Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit eines Impfstoffs nachzuweisen und dies in entsprechenden präklinischen und klinischen Studien zu belegen, für die es definierte Regeln gibt. Die ab 1. Januar 2010 geltende Pflicht zur Veröffentlichung der klinischen Studiendaten wird eine zusätzliche Transparenz mit sich bringen.

Es gibt daneben jedoch eine Reihe von Kritikpunkten, die einer Verbesserung bedürfen.

Welche Impfstoffe überhaupt hergestellt werden bzw. für welche Impfstoffe die Produktion eventuell wieder eingestellt wird, liegt allein in der Entscheidung des pharmazeutischen Unternehmers. Aus unternehmerischer Sicht wenig rentable Impfstoffe werden daher nicht oder nicht mehr produziert, obwohl der medizinische Bedarf dafür gegeben wäre. Die Konzentration auf wenige weltweit agierende Impfstoffhersteller verschärft die Problematik, weil nationale Interessen es schwer haben, sich gegen internationale Unternehmensziele durchzusetzen.

Auch die Zuständigkeit und Verantwortung zur Durchführung klinischer Studien liegt im Wesentlichen beim pharmazeutischen Unternehmer. Das trifft zumindest zum Teil auch für die erforderlichen Postmarketingstudien zu, die Hinweise auf sehr seltene Nebenwirkungen und Aufschlüsse über mögliche unerwünschte Langzeitwirkungen erbringen sollen. Daneben führt auch das PEI in begrenztem Maße Postmarketing-

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Studien zur Sicherheit von Impfstoffen durch. Eine Ausweitung solcher behördlicher Studien würde sicherlich zur Vertrauensbildung beitragen.

Um den individual- und/oder bevölkerungsspezifischen „Nutzen“ neuer Impfstoffe oder ihre „medizinische Notwendigkeit“ zu bewerten, muss zunächst eine nähere Definition dieser Begriffe erfolgen. Dabei müssen in der heutigen Zeit neben medizinischen Kriterien wie „Krankheitslast“ oder „Anzahl der betroffenen Bevölkerung“ auch pharmakoökonomische Gesichtspunkte und Kosten-Nutzen-Analysen mehr Berücksichtigung finden.

In Deutschland liegt die Zuständigkeit im Zusammenhang mit der Entwicklung und Markteinführung neuer Impfstoffe in sehr vielen Händen:

• Prüfung der Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit des Impfstoffes während der Entwicklung und Zulassung (Paul-Ehrlich-Institut),

• Empfehlung zum Einsatz des Impfstoffs (STIKO)

• „Öffentliche Impfempfehlungen“ (Länder) und

• Formulierung von Impfzielen (Bund und Länder),

• Durchführung von Kosten-Nutzenanalysen (HTA-Report7),

• Bewertung der Kosten-Nutzenanalyse (G-BA) und

• Vereinbarung mit den Herstellern zur Kostentragung von Impfstoffen durch die gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband).

Die einzelnen Verfahrensschritte sind geregelt bzw. in unterschiedlichen Gesetzen vorgeschrieben. Bisher sind sie jedoch nicht ausreichend harmonisiert und in der zeitlichen Abfolge verbesserungsbedürftig.

1.3 Fazit

Um neue Wege einzuschlagen, müssen zunächst nationale Impfziele entwickelt und ein für die Erarbeitung zuständiges Gremium eingesetzt werden. Ihm sollte auch die Koordination eines formalisierten Dialoges zwischen Herstellern, Überwachungsbehörden, Zulassungsbehörde, Institutionen für die Impfempfehlungen und Kosten-Nutzen Bewertungsinstitution(en) sowie den

                                                            7 Auf Weisung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) hat das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information [DIMDI] ein Informationssystem "Gesundheitsökonomische Evaluation medizinischer Verfahren und Technologien" errichtet. Die sogenannten HTA-Reports erscheinen gedruckt in der Schriftenreihe "Health Technology Assessment" des DIMDI, sind aber auch frei der Öffentlichkeit zugänglich über die Internetseiten des DIMDI.

 

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Kostenträgern übertragen werden und die sonstigen im Nationalen Impfplan aufgeführten Koordinations- und Abstimmungsaufgaben.

Es wäre wünschenswert, wenn der Dialog vor Zulassung eines neuen Impfstoffs spätestens zu Beginn der klinischen Studienphase aufgenommen werden könnte. Zu diesem Zeitpunkt sollten auch die relevanten pharmakoökonomischen Fragestellungen abgestimmt und geprüft werden. Das ist im derzeitigen Verfahren durch die Prüfinstanzen erst nach Zulassung vorgesehen. Ist ein Impfstoff nach jahrelangem Weg erst einmal zugelassen, wird aus unternehmerischer Sicht das Ziel überwiegen, das fertige Produkt möglichst schnell und gewinnbringend zu vermarkten. Das kann zu Konflikten führen, wie sie nach der Zulassung des HPV-Impfstoffs aufgetreten sind.

Auch wenn die Wirksamkeit eines Impfstoffes vor der Zulassung in klinischen Studien geprüft wird, kann sie in der breiten Anwendung durch zahlreiche, nicht völlig standardisierbare Faktoren wie Handhabung, Verabreichung, Impfschemata sowie Kombinationen beeinflusst werden. Die Wirksamkeit wird daher in der breiten Anwendung für einen langen Zeitraum weiter beobachtet.

Naturgemäß klaffen die Interessen der Hersteller und des Staates gerade bei Fragen von Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit auseinander. Derzeit tragen die Hersteller das komplette finanzielle Risiko des gesamten aufwendigen Entwicklungsprozesses. Grundsätzlich ist das ein richtiger Ansatz, denn sie sind es ja auch, die von den Gewinnen profitieren. Ihnen obliegt derzeit aber auch die pharmakoökonomische Bewertung und klinische Studienplanung und -durchführung, und der Großteil dieser Studien wird von ihnen finanziert. Diese Konstellation birgt die Gefahr von Interessenkonflikten und ist ein häufiges Argument von Impfkritikern.

Der Staat hat ein großes Interesse an neuen, effektiven Impfstoffen und hohen Impfquoten, wenn sie zur Sicherung der Gesundheit der Bevölkerung, zur Verminderung der Krankheitslast und der finanziellen Belastung des Gesundheitswesens beitragen.

Es ist zu prüfen, ob hier die Bildung eines aus Hersteller- und staatlichen Mitteln gespeisten „neutralen Pools“ ein Lösungsansatz sein kann, der von einer unabhängigen Institution zu verwalten wäre. Aus einem solchen Pool könnten beispielsweise unabhängige Kosten-Nutzen-Analysen und auch die nötigen Langzeitstudien finanziert werden.

Es wäre in diesem Zusammenhang auch zu prüfen, ob mit Hilfe eines solchen Pools finanzielle staatliche Anreize gesetzt werden können, um die Durchsetzung fachlicher Interessen bei der Impfstoffproduktion zu stärken.

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Literaturverzeichnis und Linksammlung (Stand: 13.12.2011) 1. Klein S, Thiede M, Scholz C, Höer A, Albrecht M, Häussler B, Schmidt H, Jahn R, Staudt S, Farrenkopf N, Lux G, Weegen L et al.; Gutachten zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit von Impfstoffen in Deutschland. Berlin: Bundesministerium für Gesundheit (BMG); 2010.

2. Nationale Verordnungsinformation (NVI); INSIGHT Health

http://www.insight-health.de/de

3. KJ 1 Statistik des BMG 2008 (gesetzliche Krankenversicherung: endgültige Rechnungsergebnisse) http://www.gbe-bund.de/

4. KM 6-Statistik (gesetzliche Krankenversicherung: Versicherte) http://www.gbe-bund.de/

5. http://www2.bfarm.de/bekanntmachungen/3bk_kp.pdf

 Institute: 

Europäische Arzneimittelbehörde (European Medicines Agency, EMA): 

http://www.ema.europa.eu  

Paul‐Ehrlich‐Institut (PEI): 

http://www.pei.de  

Gesetzliche Grundlagen, Richtlinien: 

Eudralex 

http://ec.europa.eu/health/documents/eudralex/index_en.htm  

Verordnung (EG) 726/2004  

http://eur‐lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:2004R0726:20090706:DE:PDF  

Deutsches Arzneimittelgesetz (AMG) 

http://www.gesetze‐im‐internet.de/bundesrecht/amg_1976/gesamt.pdf  

Richtlinie 2011/83/EG: Gemeinschaftskodex für Arzneimittel 

http://ec.europa.eu/health/files/eudralex/vol‐

1/dir_2001_83_cons2009/2001_83_cons2009_de.pdf  

Richtlinie zur Guten Herstellungspraxis (GMP) 

http://ec.europa.eu/health/files/eudralex/vol‐1/dir_2003_94/dir_2003_94_de.pdf  

Richtlinie zur Guten Klinischen Praxis (GCP) 

http://eur‐lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:2001L0020:20070126:DE:PDF  

3. Bekanntmachung zur klinischen Prüfung von Arzneimitteln am Menschen. 

http://www2.bfarm.de/bekanntmachungen/3bk_kp.pdf  

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2 Impfempfehlungen und Impfziele

2.1 Aufgaben der Ständige Impfkommission (STIKO)

2.1.1 Rechtlicher Hintergrund und Geltungsbereich

Die Ständige Impfkommission (STIKO) besteht seit 1972 und hat den Sitz ihrer Geschäftsstelle am Robert Koch-Institut (RKI). Die rechtlichen Grundlagen für die Impfempfehlungen der STIKO sind seit dem 1.1.2001 im Infektionsschutzgesetz (IfSG) zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen verankert (1). Nach dem IfSG gibt sich die STIKO eine Geschäftsordnung, die der Zustimmung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) bedarf (§ 20 (2) IfSG). Diese Geschäftsordnung enthält nähere Bestimmungen unter anderem zu Aufgaben und Verfahrensweisen der Kommission (2, 3).

Die STIKO gibt Empfehlungen zur Durchführung von Schutzimpfungen und zur Durchführung anderer Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe übertragbarer Krankheiten. Sie entwickelt Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung. Die Kommission gibt die Empfehlungen nach dem Stand der Wissenschaft entsprechend der zur Verfügung stehenden, kontinuierlich bewerteten wissenschaftlichen Evidenz. Die Empfehlungen gelten nach einem Urteil des BGH vom 15.02.2000 (NJW 2000, 1784-1788) als medizinischer Standard.

Die Kommission erstellt Empfehlungen zur Durchführung von Schutzimpfungen, insbesondere für Impfungen, für die neben einem individuellen Schutz ein positiver Einfluss auf der Bevölkerungsebene zum Beispiel durch den Aufbau einer Herdenimmunität erwartet werden kann. Dazu recherchiert und bewertet sie kontinuierlich Daten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit der Impfstoffe und zur Epidemiologie und Krankheitslast impfpräventabler Erkrankungen sowie zu anderen Möglichkeiten der Prävention. Auf Grundlage dieser Daten nimmt sie eine medizinisch-epidemiologische Nutzen-Risiko-Analyse vor und berücksichtigt dabei auch Belange der praktischen Durchführung (§ 1 der Geschäftsordnung). Ihr methodisches Vorgehen und den Aufbau ihrer Begründungen legt die STIKO in einem Beschluss fest.

Die Kommission erteilt Empfehlungen grundsätzlich nur dann, wenn in Deutschland für die entsprechende Indikation ein Impfstoff zugelassen ist. Befindet sich ein Impfstoff im Zulassungsverfahren, kann sich die STIKO mit der entsprechenden Indikation befassen, wenn der Antragsteller die nach Arzneimittelrecht zuständige Bundesoberbehörde von der Geheimhaltungspflicht entbindet. So können STIKO und RKI aus dem Zulassungsverfahren Informationen zu Wirksamkeit und Verträglichkeit des Impfstoffs erhalten. Bereits empfohlene Impfstrategien werden

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von der STIKO auf ihre langfristige Wirksamkeit überwacht und bei Bedarf weiterentwickelt. Dabei empfiehlt die STIKO nicht einzelne Impfstoffe, sondern Schutzimpfungen gegen bestimmte Infektionserreger.

Die Empfehlungen der STIKO haben keine unmittelbare rechtliche Verbindlichkeit. Die von der Kommission erstellten Empfehlungen dienen den obersten Landesgesundheitsbehörden als Grundlage für deren „öffentliche Empfehlungen“ für Schutzimpfungen (§ 20 (3) und § 60 (1) Nr. 1IfSG). Die Empfehlungen sind ferner gemäß § 20d (1) des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) Diskus-sionsgrundlage für die Schutzimpfungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundes-ausschusses (G-BA), der Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang von Schutzimpfungen als Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenversicherung bestimmt.

2.1.2 Struktur

Die STIKO hat 12 bis 18 Mitglieder, die vom BMG im Einvernehmen mit den obersten Landesgesundheitsbehörden grundsätzlich alle drei Jahre neu berufen werden. Die Mitglieder sind Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Disziplinen der Wissenschaft und Forschung, aus dem Bereich des öffentlichen Gesundheitsdienstes und der niedergelassenen Ärzteschaft. Die Zusammensetzung der STIKO gewährleistet eine umfassende Expertise in verschiedenen Bereichen, wie beispielsweise Immunologie, Epidemiologie und klinischen Fachbereichen sowie in den Methoden der evidenzbasierten Medizin und der Entwicklung von Leitlinien. Die Mitgliedschaft in der STIKO ist ein persönliches Ehrenamt.

Die Mitglieder wählen in geheimer Wahl mit der Mehrheit der Stimmen der berufenen Mitglieder eine/n Vorsitzende/n und seine/n Stellvertreter/in. Neben den berufenen Mitgliedern nehmen zusätzlich Vertreter des BMG, des RKI, der obersten Landesbehörden, der Bundeswehr, des Auswärtigen Amtes und ein Vertreter der Geschäftsstelle des Gemeinsamen Bundesausschuss sowie der BZgA und des Paul Ehrlich-Institutes mit beratender Stimme, aber ohne Stimmrecht an den Sitzungen der STIKO teil. Darüber hinaus können Sachverständige zu einzelnen Sitzungen hinzugezogen werden, sofern dies für spezifische Fragestellungen notwendig wird.

Berücksichtigung möglicher Interessenskonflikte der STIKO-Mitglieder

Die Mitglieder sind bei ihrer Tätigkeit nur ihrem Gewissen verantwortlich und zu unparteiischer Erfüllung ihrer Aufgaben verpflichtet. Die wissenschaftliche Arbeit von Expertinnen und Experten auf dem Gebiet des Impfwesens bringt auch Kontakte mit impfstoffherstellenden bzw. -vertreibenden Unternehmen mit sich. So werden Forschungsvorhaben an Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen mitunter auch durch Drittmittel von privater Seite finanziert. Es ist nicht sachgerecht, auf den besonderen Sachverstand dieser Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler grundsätzlich zu verzichten. Vielmehr ist im Einzelfall zu bewerten, ob die entsprechenden Tätigkeiten mit den Pflichten eines STIKO-Mitglieds vereinbar sind.

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Vor ihrer Berufung haben die STIKO-Mitglieder daher gegenüber dem BMG Umstände offenzulegen, die einen möglichen Interessenkonflikt oder die Besorgnis der Befangenheit im Aufgabenbereich der STIKO begründen könnten. Das BMG prüft, ob Umstände vorliegen, die eine Berufung entgegenstehen. Die Mitglieder sind ferner verpflichtet, ihre vor der Berufung gemachten Angaben regelmäßig zu aktualisieren und vor jeder Sitzung mitzuteilen, ob zu einzelnen Tagesordnungspunkten Umstände vorliegen, die zu einem Ausschluss von der Beratung und Beschlussfassung führen könnten. Das RKI prüft, ob derartige Umstände vorliegen. Wenn dies bei einem Mitglied der Fall ist, darf das Mitglied an der Beratung und Beschlussfassung zu einzelnen Tagesordnungspunkten oder an der Sitzung insgesamt nicht mitwirken.

Die STIKO-Mitglieder haben vor allem zu folgenden Umständen Angaben zu machen:

• Inhaberschaft von Patenten, Lizenzen o.ä. an Impfstoffen, Aktienbesitz oder sonstige finanzielle Beteiligungen an impfstoffherstellenden oder -vertreibenden Unternehmen außer Kleinaktionärs- oder Fondsanteile

• Berufliche Tätigkeiten bei einem impfstoffherstellenden oder -vertreibenden Unternehmen (z. B. als Beschäftigter oder Mitglied geschäftsleitender Gremien wie z. B. Vorstand oder Aufsichtsrat), Erstellung von Gutachten auf dem Gebiet des Impfwesens für ein impfstoffherstellendes oder -vertreibendes Unternehmen

• Durchführung von bzw. Mitwirkung an Studien auf dem Gebiet des Impfwesens im Auftrag oder Interesse eines impfstoffherstellenden oder -vertreibenden Unternehmens (z. B. Studien im Zusammenhang mit der Impfstoffentwicklung oder -zulassung, Risikostudien, epidemiologische Studien)

• Tätigkeiten in Beratungsgremien, Beiräten oder Ausschüssen eines impfstoffherstellenden oder -vertreibenden Unternehmens

• Vorträge auf Fortbildungs- oder sonstigen Veranstaltungen auf Einladung eines impfstoffherstellenden oder -vertreibenden Unternehmens, Teilnahme an Fachtagungen auf Einladung eines impfstoffherstellenden oder -vertreibenden Unternehmens (Übernahme von Reisekosten und Tagungsgebühren durch das Unternehmen)

• Sonstige Tätigkeiten, die von impfstoffherstellenden oder -vertreibenden Unternehmen durchgeführt oder finanziell unterstützt werden (z. B. Impfaufklärung im Internet).

Die Mitglieder haben aktuelle und vergangene Tätigkeiten anzugeben. Im Interesse eines transparenten Entscheidungsprozesses und zur Stärkung des Vertrauens in eine von sachfremden Interessen unbeeinflusste Tätigkeit der STIKO werden die von

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den STIKO-Mitgliedern offengelegten Umstände auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht (siehe www.rki.de/stiko).

2.1.3 Arbeitsweise der STIKO

Durchführung der Sitzungen

Die Kommission tritt in der Regel zweimal im Jahr zu nicht-öffentlichen Sitzungen zusammen. Die Sitzungen werden von der oder dem Vorsitzenden oder von der oder dem Stellvertreter geleitet. Zur Vorbereitung von Beratungsgegenständen kann die STIKO Arbeitsgruppen bilden. Zur weiteren Vertiefung des Themas können Sachverständige hinzugezogen werden, sofern dies für bestimmte Einzelfragen erforderlich ist.

Priorisierung von Themen

Entsprechend der Zielsetzung des IfSG sind insbesondere solche Schutzimpfungen relevant, die von allgemeiner Bedeutung für die Gesundheit der Bevölkerung und somit von besonderem öffentlichem Interesse sind. Dies ist z. B. der Fall, wenn es sich um Schutzimpfungen gegen Erreger mit hoher Krankheitslast oder gefährliche Erreger mit erheblichem Wert für die Gesundheit der Bevölkerung handelt, wenn die Impfstoffe gut verträglich und finanzierbar sind, so dass diese Krankheiten so weit wie möglich zurückgedrängt werden können oder wenn ein gezielter Schutz besonders gefährdeter Bevölkerungsgruppen erreicht werden kann (4).

Ein „Öffentliches Interesse“ kann aus Sicht der STIKO insbesondere dann gegeben sein wenn:

• das Impfziel nur mit dem Aufbau einer Herdenimmunität erreicht werden kann und somit

-zum Schutz von Menschen beiträgt, die nicht geimpft werden können

-zur Elimination oder Eradikation von Krankheitserregern beiträgt;

• durch die Impfung Todesfälle, schwere Krankheitsverläufe und Folgeschäden vermieden werden können (Individualschutz);

• durch die Impfung Epidemien vermieden oder relevant eingeschränkt werden können, die das öffentliche Leben in relevantem Maß beeinträchtigen können.

Beteiligung relevanter Kreise

Bevor die STIKO eine neue Impfempfehlung oder grundlegende Änderung einer bestehenden Empfehlung beschließt, wird der Entwurf der Empfehlung betroffenen Fachkreisen, den obersten Landesgesundheitsbehörden und dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zur Stellungnahme übersandt. Die eingegangenen

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Stellungnahmen werden auf der nächsten Sitzung der Kommission vorgelegt. Erst nach Diskussion dieser Stellungnahmen und gegebenenfalls Überarbeitung der Empfehlungen werden diese verabschiedet.

Bewertungsmethodik der STIKO

Bei der Beurteilung eines Impfstoffs und Erarbeitung einer neuen Impfempfehlung werden viele unterschiedliche Fragestellungen im Rahmen einer Risiko-Nutzen-Analyse bearbeitet, deren Antworten zusammengenommen der Kommission eine Empfehlung sinnvoll oder nicht erscheinen lassen. Die Entwicklung und Implementierung einer Impfempfehlung beinhaltet die Bewertung der verfügbaren Evidenz zur Wirksamkeit und Sicherheit der Impfstoffe in den Prä- aber auch Postmarketingphasen (5). Die Qualität der Evidenz ist ein Gradmesser für die Zuversicht, dass ein in wissenschaftlichen Studien ermittelter Effekt tatsächlich richtig ist und erneut eintreten wird. Hierbei werden neben dem individuellen Nutzen auch der Vorteil von Impfungen für ganze Bevölkerungsgruppen sowie auch andere, möglicherweise negative, Populationseffekte berücksichtigt.

Kriterien für die Bewertung einer Impfung hat die STIKO in einem umfassenden Fragenkatalog (zuletzt 2009 überarbeitet) festgelegt. Der Fragenkatalog umfasst die folgenden Themenschwerpunkte in sechs Kategorien:

A) Erreger: mikrobiologische Charakteristika des Erregers, Pathogenität, Infektiosität, Epidemiologie (ggf. verschiedener Serotypen), Reproduktionsrate (R0)

B) Zielkrankheit: z. B. Krankheitslast, Inzidenz, Komplikationen, Letalität, Risikogruppen, Therapiemöglichkeiten

C) Verfügbare Impfstoffe: Anwendungsgebiete, Kontraindikationen, Immunogenität, Wirksamkeit, Sicherheit (individuell wie bevölkerungsbezogen), Schutzdauer

D) Impfstrategie: Impfziel, Number-needed-to-vaccinate bezogen auf verschiedene Endpunkte, positive oder negative auch indirekte Effekte auf Bevölkerungsniveau, mögliche Replacementphänomene oder Altersverschiebungen

E) Implementierung: Umsetzbarkeit, nötige Impfquoten, Integration in Impfplan, grobe Kostenabschätzung, alternative Möglichkeiten der Prävention, notwendige Surveillance-Systeme für die Erfassung von Impfquoten und Impferfolg, Daten, die für eine endgültige Entscheidung fehlen

F) Abschließende Bewertung: Vorliegen eines öffentlichen Interesses, Gesamtbewertung der epidemiologischen Nutzen-Risiko-Analyse

Zur Beantwortung dieser Fragen wird eine umfassende Literaturrecherche zu bestimmten Fragestellungen oder Zielkriterien durchgeführt und darüber hinaus Daten aus der epidemiologischen Surveillance von impfpräventablen Erregern in verschiedenen Ländern hinzugezogen. Die Qualität der ermittelten Studien bzw. Daten wird nach standardisierten Kriterien beurteilt (6).

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Die Empfehlung einer Impfung wird ausgesprochen, wenn aus Sicht der STIKO die erforderliche Evidenz vorliegt und somit abgeschätzt werden kann, dass bei der Umsetzung der Impfempfehlung erwünschte Effekte resultieren, die insgesamt die bekannten, unerwünschten Auswirkungen überwiegen. In der Begründung der Empfehlung werden in der Regel Angaben zu den folgenden Punkten gemacht:

• Relative individuelle und bevölkerungsbezogene Bedeutung des Erregers und der Zielkrankheit

• Individuelles Grundrisiko oder bevölkerungsbezogene Risiken durch die Zielkrankheit

• Daten zur Wirksamkeit und zum Profil unerwünschter Wirkungen der Impfstoffe

• Auswirkungen einer Impfstrategie und mögliche Faktoren, die einem Erfolg entgegenstehen

• Relevanz fehlender Daten.

Die Arbeitsgruppen und die Geschäftsstelle der STIKO verfolgen mit Unterstützung des Fachbereiches Impfprävention und der Bibliothek des RKI kontinuierlich die relevanten aktuellen Publikationen. Sollten neue Ergebnisse ggf. eine Neubewertung einer bestehenden Impfempfehlung erforderlich machen, wird die jeweilige Fragestellung erneut auf die Agenda der STIKO gesetzt.

Impfkommissionen stehen vor der großen Herausforderung, einer enormen Dynamik im Bereich des Impfens gerecht werden zu müssen. So wurden bereits eine Vielzahl von in ihrer Zusammensetzung und Wirkungsweise immer komplexer werdenden Impfstoffen zugelassen oder befinden sich in der Entwicklung. Diese machen zunehmend eine Differenzierung unterschiedlicher Zielgruppen notwendig, die durch dadurch entstehende komplizierte Impfschemata hohe Anforderungen an die Konzeption eines nationalen Impfkalenders stellt.

Die Methodik der STIKO wird kontinuierlich im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit den wissenschaftlichen Anforderungen angepasst. Dies betrifft zurzeit besonders die im internationalen Konsens zu entwickelnden systematischen Methoden zur evidenzbasierten Entwicklung von Impfempfehlungen, die bestimmte spezifische Faktoren zu berücksichtigen haben (7).

2.1.4 Publikation der Empfehlungen

Die jeweils aktuellen Empfehlungen der STIKO werden in der Regel einmal jährlich im Epidemiologischen Bulletin des RKI (in der Regel in der Ausgabe 30) und auf den Internetseiten des RKI unter www.rki.de/impfen veröffentlicht. Dies soll der raschen Information dienen.

Für neue oder geänderte Empfehlungen werden die wissenschaftlichen Begründungen in einer gesonderten, oft der folgenden Ausgabe des

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Epidemiologischen Bulletins und auf der Homepage des RKI unter den Rubriken „Begründungen“ und „Weitere Mitteilungen“ publiziert. Zudem greift die STIKO in speziellen Stellungnahmen aktuelle Impfthemen auf, die im Epidemiologischen Bulletin und auf der Homepage des Robert Koch-Institutes publiziert werden.

Unter "FAQ" (Antworten auf häufig gestellte Fragen) stellt das RKI Informationen zu allgemeinen Impfthemen sowie zu häufig gestellten Fragen aus der Bevölkerung und der Fachöffentlichkeit zu einzelnen Impfungen zur Verfügung. Die Veröffentlichung der Antworten auf der Homepage des RKI soll dazu dienen, eine breite Information über die verschiedenen Aspekte von Impfungen für Bürger und Fachöffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Es handelt sich dabei oft um Hinweise zur praktischen Umsetzung der STIKO-Empfehlungen.

2.2 Aufgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA)

Mit der Neufassung des § 20d Abs. 1 Sozialgesetzbuch Nr. V (SGB V) durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz sind Schutzimpfungen, die bis dahin als freiwillige Satzungsleistungen in § 23 Abs. 9 SGB V geregelt waren, in den Pflichtleistungskatalog der GKV aufgenommen worden. Ausgenommen von diesem Anspruch sind Schutzimpfungen, die wegen eines durch einen nicht beruflichen Auslandsaufenthalt erhöhten Gesundheitsrisikos indiziert sind (so genannte Reiseimpfungen). Damit werden bestimmte private Risiken von den durch die Solidargemeinschaft zu finanzierenden Pflichtleistungen ausgenommen. Ausnahmen sind dann möglich, wenn der Einschleppung einer übertragbaren Krankheit nach Deutschland vorgebeugt werden soll.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bestimmt nach § 92 SGB V und § 20d Abs. 1 SGB V auf Grundlage der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und legt sie in einer Schutzimpfungs-Richtlinie (SI-RL) fest. Dabei soll besonders die Bedeutung von Schutzimpfungen für die öffentliche Gesundheit berücksichtigt werden. Abweichungen von den Empfehlungen der STIKO müssen besonders begründet werden. Der G-BA hat eine Entscheidung innerhalb von drei Monaten nach Veröffentlichung der Empfehlungen der STIKO zu treffen. Mit der Schutzimpfungsrichtlinie des G-BA besteht in der GKV nun ein bundesweit einheitliches, an den Impfempfehlungen der STIKO orientiertes Leistungsrecht. Dadurch werden die Ärztinnen und Ärzte in die Lage versetzt, Impfungen mit der Gewissheit einer Kostenübernahme durchführen zu können. Die Richtlinie gilt seit 01.07.2007 und ist incl. der Anlagen für Ärzte, Krankenkassen und Versicherte verbindlich (7).

Neben allgemeinen Abschnitten im Richtlinientext sind die Einzelheiten zu Art und Umfang der Leistungen in Anlage 1 der SI-RL festgelegt. Diese führt in einer einheitlichen Tabelle die einzelnen Impfungen, deren Indikation bzw. Einsatz bei

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bestimmten Risikogruppen und weitere Anmerkungen zum wirtschaftlichen Einsatz auf. Weiterhin enthält Anlage 1 Hinweise auf die Kostentragung durch den Arbeitgeber. Dies ist immer dann der Fall, wenn z. B. eine Tätigkeit im Sinne der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) ausgeübt wird und dabei Beschäftigte durch einen impfpräventablen biologischen Arbeitsstoff erhöht infektionsgefährdet sind. Anlage 2 der Schutzimpfungs-Richtlinie enthält einen verbindlich zu verwendenden einheitlichen Dokumentationsschlüssel für Impfungen.

Der Leistungsanspruch für Versicherte im Rahmen der SI-RL bezieht sich auf Schutzimpfungen im Sinne des § 2 Nr. 9 Infektionsschutzgesetz (Gabe eines Impfstoffs mit dem Ziel, vor einer übertragbaren Krankheit zu schützen). Die Gabe einer postexpositionellen Prophylaxe ist nicht Gegenstand der Schutzimpfungsricht-linie. Ist die postexpositionelle Gabe von Impfstoffen jedoch im Einzelfall notwendig, um eine absehbare Krankheit zu verhüten, so ist nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 31 SGB V die Leistungspflicht der gesetzlichen Kranken-versicherung gegeben.

Für den Fall, dass eine Entscheidung durch den G-BA nicht termin- oder fristgemäß zustande kommt, dürfen die von der STIKO empfohlenen Schutzimpfungen (mit Ausnahme von Reiseimpfungen) zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, bis die Richtlinie aktualisiert worden ist.

Nach der Verfahrensordnung des G-BA ist vor jedem neuen Richtlinienbeschluss ein Anhörungsverfahren mit den betroffenen Kreisen – hier der Bundesärztekammer – durchzuführen. Die Stellungnahmen sind auszuwerten. Dabei ist nachvollziehbar darzulegen, wie die vorgetragenen Anmerkungen berücksichtigt und in den Beschluss eingegangen sind.

Der Beschluss ist nach § 94 Abs. 1 SGB V dem Bundesministerium für Gesundheit zur aufsichtsrechtlichen Prüfung vorzulegen. Der Beschluss einschließlich der tragenden Gründe, der Stellungnahmen und deren Auswertung wird nach erfolgter Nichtbeanstandung auf der Website des G-BA veröffentlicht.

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2.3 „Öffentliche Impfempfehlungen“ der Länder

Nach dem Infektionsschutzgesetz (§ 20 Abs. 3 IfSG) sollen die obersten Landesgesundheitsbehörden öffentliche Empfehlungen für Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe auf der Grundlage der jeweiligen Empfehlungen der STIKO aussprechen. Tritt ein Schaden durch eine „öffentlich empfohlene Impfung“ ein, wird eine staatliche Entschädigung (§ 60 Abs. 1 Nr. 1 IfSG) gewährt. (siehe auch Kapitel 5.3)

Die Durchführung von Impfungen ist in staatlichem Interesse, da sie sowohl dem Individualschutz als auch dem Schutz der Allgemeinheit dienen. Durch die Empfehlung der Länder soll die Bedeutung der Impfung als Gesundheitsvor-sorgeleistung von Seiten des Staates herausgestrichen und die Durchführung von Impfungen gefördert werden (8). Sie dient der Aufklärung und der Klarstellung, welche Impfung im Einzelnen im eigenen Interesse und im Interesse der Allgemeinheit durchgeführt werden sollte. In einigen Ländern gehen die öffentlichen Impfempfehlungen teilweise über die STIKO-Empfehlungen hinaus.

Mit Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes im Jahr 2001 wurde die STIKO gesetzlich verankert (§ 20 Abs. 2 IfSG) und bezüglich der „öffentlichen Impf-empfehlung“ gleichzeitig der Zusatz „auf der Grundlage der jeweiligen Empfehlung der Ständigen Impfkommission“ aufgenommen.

Bereits vor 2001 waren die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission wesentliche Grundlage für die Impfempfehlungen der Länder. Durch die gesetzliche Verankerung änderte sich jedoch der Stellenwert der Impfempfehlung der Länder im Hinblick auf eine „fachliche“ Empfehlung. Die fachliche Empfehlung wird nun in erster Linie durch die STIKO-Empfehlung abgebildet, während die öffentliche Impfempfehlung nun vorwiegend die Grundlage für eine mögliche Entschädigung durch die öffentliche Hand bei auftretendem Impfschaden nach § 60 IfSG darstellt (9). Lediglich in Sachsen findet durch die Sächsische Impfkommission eine zusätzliche eigenständige fachliche Bewertung der Empfehlungen statt.

Die zugesicherten Entschädigungsleistungen nach § 60 IfSG sollen die Akzeptanz der Schutzimpfung erhöhen. Die Leistungen richten sich nach dem Bundesversorgungsgesetz. Dieser Entschädigung liegt der „Aufopferungsgedanke“ zu Grunde und wurde erstmals 1961 in Zusammenhang mit der Impfpflicht gegen Pocken gesetzlich geregelt. Die Pockenimpfung ging mit einer nicht geringen Zahl von schweren und nicht selten bleibenden Gesundheitsschäden einher. Die Ausrottung der Pocken konnte zum damaligen Zeitpunkt nur um den Preis von Impfschäden erreicht werden. Der durch die Pockenimpfung Geschädigte hatte sich für die Gesundheit der Allgemeinheit aufgeopfert und konnte mit Recht eine Versorgung durch die Allgemeinheit wegen des Impfschadens erwarten.

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Nachfolgend wurde der Entschädigungsgedanke auch auf solche Impfungen ausgedehnt, die lediglich dem Individualschutz dienen wie z. B. Tetanus, um der Bedeutung der Impfung als Maßnahme des Infektionsschutzes Rechnung zu tragen.

Moderne, derzeit zugelassene Impfstoffe sind hinsichtlich ihres Nebenwirkungsprofils nicht mit solchen Impfstoffen zu vergleichen, die zu einem Großteil der Entschädigungsleistungen geführt haben (Pocken, BCG, OPV, Ganzkeim-Pertussis-Impfstoff) (10).

Dennoch sind im Falle von Impfungen zwei Aspekte zu beachten, nach denen der Entschädigungsgedanke nach wie vor seine Berechtigung hat: Erstens werden Impfungen an gesunden Personen vorgenommen. Für diese Person steht das Risiko einer Ansteckungsgefahr und einem damit verbundenen ernsthaften Verlauf nicht fest. Zweitens schützt der Geimpfte in den meisten Fällen auch die Allgemeinheit. Ein Beispiel einer solchen Solidarimpfung ist die Impfung von Jungen gegen Röteln. Sie wird in erster Linie wegen des bevölkerungsmedizinischen Anliegens, die Krankheit zu eliminieren und konnatale (angeborene) Rötelninfektionen zu vermeiden, empfohlen.

Auf Grund des Begriffs „Empfehlung“ kann dieser Aspekt „öffentliche Empfehlung – Grundlage für Entschädigung“ „STIKO-Empfehlung – medizinischer Standard und Stand von Wissenschaft und Technik“ in der Öffentlichkeit nur schwer voneinander getrennt werden. Wird der Entschädigungsgedanke im Hinblick auf öffentliche Empfehlungen in den Vordergrund gestellt, so könnten alle Impfungen „empfohlen“ werden, die diesen Infektionsschutzaspekt erfüllen, unabhängig davon, ob es sich um eine durch die STIKO aus fachlichen Gründen empfohlene Impfung handelt oder nicht. Eine solche „öffentliche Impfempfehlung“ wäre dann als Ergänzung der fachlichen Empfehlung der STIKO zu verstehen und würde die haftungsrechtlichen Aspekte klären.

Die öffentliche Impfempfehlung (oder auch die STIKO-Empfehlung) ist nicht bindend. Eine Person kann nach entsprechender ärztlicher Aufklärung und Einwilligung auch ohne eine solche Empfehlung geimpft werden, wenn unter Beachtung der Indikation ordnungsgemäß mit einem zugelassenen Impfstoff geimpft wird. Allerdings sollte die Ärztin oder der Arzt im Aufklärungsgespräch dahingehend aufklären, dass im Falle einer Schädigung durch die Impfung kein Versorgungsanspruch auf der Grundlage des IfSG gegeben wäre, da dies die Einwilligung beeinflussen kann.

Neben den Regelungen des IfSG bleiben zivilrechtliche Ansprüche wie z. B. aus Vertragsverletzung und unerlaubter Handlung ebenso unberührt wie Ansprüche aus der Gefährdungshaftung gegenüber dem Hersteller nach dem Arzneimittelgesetz. (Siehe auch Kapitel 5.3)

2.3.1 „Impfpflicht“ versus „Impfempfehlung“

Bund und Länder bekennen sich seit Jahren zum Prinzip der Aufklärung und freiwilligen Impfung (Informed consent). Die Bevölkerung soll sich vom Nutzen und

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der Sicherheit moderner Impfstoffe überzeugen können. Das Vertrauen in die empfehlungsgebenden Instanzen und die Verfügbarkeit aussagekräftiger und verständlicher Informationsmaterialien auch für die Fachöffentlichkeit sind für die freiwillige Impfentscheidung von herausragender Bedeutung.

Da jedoch nicht auszuschließen ist, dass zukünftig eine außerordentliche Bedrohung der Bevölkerung durch eine gefährliche übertragbare Erkrankung eintreten kann, enthält das Infektionsschutzgesetz, wie zuvor das Bundesseuchengesetz, die Möglichkeit Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe gesetzlich anzuordnen (§ 20 Abs. 6 und 7 IfSG).

Bislang wurde in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Gesetz über die Pockenschutzimpfung vom 18.05.1976 lediglich einmal eine Impfpflicht erlassen, die 1982 wieder außer Kraft gesetzt werden konnte.

Da eine Impfpflicht in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit eingreift, enthält das Gesetz für eine die Bevölkerung oder Teile der Bevölkerung erfassende Maßnahme strenge Vorgaben. Die Anordnung einer Impfpflicht ist nach § 20 IfSG nur im Wege einer Rechtsverordnung des Bundes (Abs. 6) (im Regelfall mit Zustimmung des Bundesrats) oder eines Landes (Abs. 7) möglich. Der Erlass einer Rechtsverordnung setzt das Vorliegen einer übertragbaren Krankheit mit klinisch schwerem Verlauf sowie der Gefahr einer epidemischen Verbreitung voraus.

Auch bei Vorliegen dieser Voraussetzungen muss eine entsprechende Verordnung dem Maßstab der Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen. Darüber hinaus ist vorzusehen, dass die Impfpflicht im Einzelfall zurücktritt, wenn nach ärztlichem Zeugnis durch die Impfung eine Gefahr für Leben oder Gesundheit besteht. Dieser strenge Maßstab ist generell zu beachten.

Durch eine Impfung wird die körperliche Unversehrtheit verletzt und bedarf der Einwilligung des Impflings oder der Sorgeberechtigten. Eine gesetzliche Impfpflicht greift stark in die Selbstbestimmung ein und bedarf daher einer besonderen Begründung. Immer ist zuvor zu prüfen, ob die Abwendung der gesundheitlichen Bedrohung der Bevölkerung nicht auch durch andere Maßnahmen erreicht werden kann.

Es gibt aber durchaus auch Stimmen, die Pflichtimpfungen befürworten oder gar fordern. In der Argumentation für eine Impfpflicht wird in erster Linie angeführt, dass das Ziel der Eradikation oder Eliminierung von Erregern nur durch eine hohe Impfquote erreicht werden kann. Dahinter sei das Interesse des Einzelnen zurückzustellen. Hier wird auf den Erfolg der Impfpflicht für die oben genannte Eradikation der Pocken verwiesen.

Dem ist entgegenzuhalten, dass es inzwischen in vielen Teilen der Welt und auch in Deutschland gelungen ist, die Poliomyelitis zurückzudrängen. Dieses 2002 erreichte Ziel gelang auf der Grundlage von Aufklärung und Empfehlungen. Nach wie vor liegt in Deutschland die Impfquote der Einschulungskinder gegen Poliomyelitis (wie auch gegen Tetanus und Diphtherie) um 95 %.

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Gerade im Zusammenhang mit der Masernelimination wurde wiederholt die Einführung einer Impfpflicht gefordert. So beschloss der 109. Deutsche Ärztetag im Jahr 2006 auf Grund des Masernausbruchs in Nordrhein-Westfalen: „Der Deutsche Ärztetag fordert die Bundesregierung auf, umgehend die Masernimpfung in Deutschland nach § 20 Abs. 6 Infektionsschutzgesetz (IfSG) als eine Pflichtimpfung vorzusehen.“

Diese Forderung wurde weder durch den Bund noch durch die Länder, die nach § 20 Abs. 7 ebenfalls berechtigt wären, eine Impfpflicht einzuführen, umgesetzt. Die Einführung der Impfpflicht wäre nur gerechtfertigt, wenn sie zur Abwendung von erheblichem Schaden für Dritte erforderlich wäre und das Ziel der erforderlichen Impfquote nicht durch andere Maßnahmen auf freiwilliger Basis erreicht werden kann.

Die Masernelimination steht vor der besonderen Herausforderung, dass aufgrund der hohen Ansteckungsfähigkeit eine entsprechend hohe Immunitätslage der Bevölkerung notwendig ist, um Infektketten zu unterbrechen und letzten Endes die Elimination zu erreichen. Dies kann mit einer einmaligen Impfung nicht erreicht werden, da 2 % bis 5 % der Kinder nach der 1. Impfung aus unterschiedlichen Gründen keine Antikörper bilden. Erst nach einer 2. Impfung wird laut den vorliegenden Studien bei ca. 99 % der Geimpften ein Impfschutz erreicht. Die Impfquote für die 2. Impfung im Einschulungsalter ist erst in den letzten Jahren deutlich angestiegen und liegt inzwischen bei 90% (Einschuljahrgang 2009) mit ansteigender Tendenz. Dies mag auch mit der Änderung der Impfempfehlung der STIKO im Jahr 2001 in Verbindung stehen, nach der die zweite Impfung vom 6. auf das 2. Lebensjahr verlegt wurde und damit im Zusammenhang mit den gut besuchten U-Untersuchungen im Kindesalter verabreicht wird. In jedem Fall macht dieses Beispiel deutlich, dass im Jahr 2009 noch nicht alle Maßnahmen ausgeschöpft waren, eine hohe Impfquote auch für die 2. Impfung auf freiwilliger Basis zu erreichen.

Neben der Impfpflicht auf der Grundlage des IfSG wird auch regelmäßig gefordert, Impfungen mit dem Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen zu verbinden. So wurde ebenfalls auf dem 109. Ärztetag beschlossen: „Der Deutsche Ärztetag fordert die zuständigen Länderministerien auf, die notwendigen Rechtsbestimmungen zu erlassen, dass in Gemeinschaftseinrichtungen, wie Kindergärten und Schulen, nur Kinder aufgenommen werden dürfen, die einen vollständigen Impfstatus ent-sprechend den von den obersten Landesgesundheitsbehörden „öffentlich empfoh-lenen Schutzimpfungen“ vorweisen können; es sei denn nach ärztlichem bzw. amtsärztlichem Urteil ist eine Impfung bei dem Kind oder Jugendlichen kontra-indiziert.“

Derartige verpflichtende Regelungen wurden bislang in keinem Bundesland umgesetzt. Diese Forderung kommt einer indirekten Impfpflicht gleich, da durch die Schulpflicht praktisch jedes Kind zur Impfung verpflichtet wäre. Die Umsetzung muss der gleichen Überprüfung stand halten, wie die oben genannte. Beurteilungsmaßstab

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ist, ob das Ziel einer hohen Impfquote in der Gemeinschaftseinrichtung rechtfertigt, in die Entscheidungsfreiheit und die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen durch Zwang einzugreifen.

Gerade im Rahmen der Einschuluntersuchung, bei der die Gesundheitsämter gemäß IfSG den Impfstatus erfassen, können die Sorgeberechtigten und Kinder gut erreicht und auf die Impflücken hingewiesen werden. Die hohen Impfquoten im Einschulungsalter für eine Vielzahl von Impfungen belegen, dass es auch ohne Impfpflicht gelingen kann, einen ausreichenden Bevölkerungsschutz zu gewährleisten. Für Impfungen, für die dies noch nicht gelungen ist, muss eine Analyse vorgenommen werden, welche Gründe hierfür vorliegen und durch welche Maßnahmen zum Beispiel auch im Zusammenhang mit den Einschuluntersuchungen, eine Verbesserung erreicht werden kann.

Neben der Diskussion um eine materielle Impfpflicht, steht auch die Frage einer sittlichen bzw. ethischen Verpflichtung für einige Impfungen im Raum. Durch eine hohe Impfquote in der Bevölkerung wird die Ausbreitung eines Krankheitserregers verhindert und dadurch kann ein kollektiver Gesundheitsschutz für die Bevölkerung erreicht werden. Von dieser „Herdenimmunität“ profitieren nicht nur die Geimpften, sondern auch Personen, bei denen eine Impfung aus medizinischen Gründen nicht indiziert oder nicht möglich ist. Insoweit resultiert aus Impfungen ein öffentliches Gut.

Öffentliche Güter setzen oft die Kooperation vieler Individuen voraus. Die Herdenimmunität und die damit verbundenen positiven Effekte können nur erreicht werden, wenn sich ein sehr großer Anteil der Bevölkerung impfen lässt. Anderenfalls bleiben die Impfquoten zu niedrig, um einen optimalen Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten. Unter bestimmten Voraussetzungen kann bei ausreichend hoher Durchimpfung der Bevölkerung sogar die Elimination oder Eradikation eines Erregers erreicht werden.

Es stellt sich nun die Frage, ob daher der Einzelne verpflichtet ist, an Impfungen teilzunehmen, und sei es nur aus moralisch ethischer Sicht. In diesem Zusammenhang werden in der Fachliteratur zwei ethisch einschlägige Prinzipien genannt (11):

• Die Verpflichtung, anderen Menschen keinen Schaden zuzufügen (Prinzip des Nichtschadens) und

• die Verpflichtung, das Wohlergehen anderer Menschen zu fördern (Prinzip des Wohltuns).

Einschränkungen des Selbstbestimmungsrechtes z. B. im Sinne einer Impfpflicht von Seiten des Staates oder auch von angeordneten Quarantänemaßnahmen, lassen sich letzten Endes nur über das Prinzip des Nichtschadens rechtfertigen, wenn nur auf diese Weise die Übertragung des Erregers und der akute Ausbruch einer Epidemie mit schweren Krankheitsverläufen verhindert werden kann.

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Wenn bereits hohe Impfquoten erreicht sind, wird auch die Gefahr einer Übertragung bei fehlender Impfung Einzelner geringer. In diesem Fall ließe sich die Verpflichtung zur Impfung nur aus dem Prinzip des Wohltuns ableiten, da sich lediglich das Wohlergehen anderer Menschen durch das Erreichen einer Herdimmunität befördern lässt. Damit ergibt sich zwar eine grundsätzliche ethische Verpflichtung, sich impfen zu lassen, jedoch besitzt die Nichtschadensverpflichtung ein größeres ethisches Gewicht als die Wohltunsverpflichtung.

Inwiefern diese Verpflichtung letzten Endes für die Durchführung der Impfung ausschlaggebend sein kann sei dahingestellt. Ziel und Anliegen muss es sein, individuell ein höchst mögliches Nutzen-Risiko-Verhältnis zu erreichen. Vor diesem Hintergrund sind die Nebenwirkungen so gering wie möglich zu halten, wie dies für die Zulassung moderner Impfstoffe gefordert wird (s. Kapitel 1).

Von der generellen Einführung einer Impfpflicht ist das Management im Rahmen eines Ausbruchsgeschehens zu trennen (siehe Kapitel 3.6). Dieses schließt auch die Überprüfung des Impfstatus der Personen in einer Gemeinschaftseinrichtung mit ein. Während eines Ausbruchs kann die Überprüfung des Einzelfalls dazu führen, dass vorübergehend ein Besuchsverbot ausgesprochen wird, wenn keine Impfung nachgewiesen wird. Im Gegensatz zur geforderten grundsätzlichen verpflichtenden Impfung mit Besuch einer Gemeinschaftseinrichtung geht es in diesem Fall darum, die konkrete Gefahr der Ausbreitung zu unterbinden. Es liegt in dieser Situation das Prinzip des Nichtschadens vor. Es handelt sich dabei um eine befristete Maßnahme, in der Personen auch die Alternative haben, die Gemeinschaftseinrichtung im möglichen Übertragungszeitraum nicht zu besuchen, wie dies auch bei Auftreten der Erkrankung der Fall wäre.

2.4 Arbeitsmedizinisch indizierte Impfungen

2.4.1 Impfungen im Arbeitsleben

Impfungen sind wichtige Präventivmaßnahmen im arbeitsmedizinischen Bereich. Das gilt besonders für die im Gesundheitswesen Beschäftigten, denn 9 von 10 der gesetzlichen Unfallversicherung angezeigten Infektionen stammen aus dem Bereich des Gesundheitsdienstes.

Impfaktionen in der betriebsärztlichen Praxis dienen nicht nur dem Infektionsschutz gegenüber einer bestimmten Krankheit (z. B. Hepatitis B, Masern), sondern sie stellen gleichzeitig für den Arbeitsmediziner eine Möglichkeit dar, die Impfausweise „seiner“ Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Augenschein zu nehmen, um auf evtl. fällige weitere Immunisierungen hinzuweisen. Im Rahmen eines solchen Gesprächs kann auch die nächste anstehende Urlaubsreise samt den im jeweiligen Land zu treffenden Maßnahmen diskutiert werden. Schließlich darf nicht vergessen werden, dass Impf- und Infektionsschutz nicht nur für die Beschäftigten eine wichtige

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Präventivmaßnahme darstellen, sondern auch für die Allgemeinbevölkerung – sei sie nun krank (Übertragung eines Infektionserregers – beispielsweise Hepatitis B-Virus – vom Beschäftigten im Gesundheitsdienst auf den Patienten) oder gesund (Übertragung von Infektionserregern – beispielsweise Hepatitis A-Virus – durch Beschäftige im Lebensmittelbereich).

Der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz wird durch verschiedene Regelwerke bestimmt, in denen auch Impfungen Berücksichtigung finden. Nach der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbmedVV) hat der Arbeitgeber bei zu erwartendem Kontakt mit impfpräventablen biologischen Arbeitsstoffen im Rahmen der Pflichtuntersuchung für die Beschäftigten ein Impfangebot sicherzustellen. Die Ablehnung des Impfangebotes ist allerdings kein Grund, gesundheitliche Bedenken gegen die Ausübung einer Tätigkeit auszusprechen.

Die Verordnung zur Umsetzung von EG-Richtlinien über den Schutz der Beschäftigten gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit (Biostoffverordnung, BioStoffV) regelt berufsbedingte Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen. Nach § 5 der Biostoffverordnung hat der Arbeitgeber Informationen über mögliche gesundheitliche Gefährdungen der Beschäftigten zu beschaffen und eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Hierbei müssen die zu erwartenden biologischen Arbeitsstoffe, die Art und Dauer von Tätigkeiten und die mögliche Exposition von Beschäftigten berücksichtigt werden. Anhand der Gefährdungsbeurteilung werden die erforderlichen Schutzmaßnahmen festgelegt. Dazu kann u. a. ein Impfangebot gehören.

Die vom Ausschuss für biologische Arbeitsstoffe (ABAS) aufgestellten Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA) 250 (Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege) sehen vor, dass der Arbeitgeber den Beschäftigten Impfungen anzubieten hat, wenn

• Tätigkeiten ausgeführt werden, bei denen es regelmäßig und in größerem Umfang zum Kontakt mit infektiösem oder potenziell infektiösem Material, wie Körperflüssigkeiten, -ausscheidungen oder -gewebe, kommen kann

• tätigkeitsspezifisch impfpräventable biologische Arbeitsstoffe auftreten oder

• fortwährend mit der Möglichkeit des Auftretens gerechnet werden muss und

• das Risiko einer Infektion des Beschäftigten durch diese biologischen Arbeitsstoffe gegenüber der Allgemeinbevölkerung erhöht ist.

2.5 Reiseimpfungen

Jedes Jahr reisen deutlich über 40 Mio. Bundesbürger ins Ausland, davon über die Hälfte in Regionen mit einem im Vergleich zu Deutschland erhöhten gesundheitlichen Risiko. Nach dem Tourismus, organisiert oder „auf eigene Faust“,

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führt vor allem die oft internationale Ausrichtung deutscher Unternehmen zu verstärkter Reisetätigkeit oder zu längeren Aufenthalten in Gebieten mit erhöhtem gesundheitlichen Risiko. Zunehmend interessieren sich junge Menschen für einen sozialen Dienst in Ländern der Dritten Welt. Nicht selten handelt es sich hierbei um Langzeitaufenthalte. Weitere Anlässe für Aufenthalte in Risikogebieten sind Hilfseinsätze, die im Allgemeinen sehr kurzfristig und unvorhergesehen erfolgen und für die eigene medizinische Vorsorge nur einen geringen zeitlichen Vorlauf gestatten. Reisen in Länder mit erhöhtem Gesundheitsrisiko ergeben sich auch in der Erfüllung religiöser Pflichten, bspw. bei Hajj und Umrah.

Eine besondere Herausforderung für die ärztliche Beratung stellen die vielen reisewilligen Senioren dar. Zu den länderspezifischen Risiken treten hier oft noch eingeschränkte Adaptationsmöglichkeiten und Vorerkrankungen hinzu.

2.5.1 Gesundheitliche Risiken im Ausland

In vielen Ländern außerhalb von Europa, Nordamerika, Australien, Japan und Südafrika ist die medizinische Versorgung vor Ort und dann vor allem in entlegenen Gebieten deutlich schlechter als in Deutschland. Dies betrifft vor allem Regionen Zentralafrikas, Südostasiens und das nördliche Südamerika. In weiten Teilen Zentralafrikas sind beispielsweise Tollwutimpfstoff und Tollwut-Immunglobulin nur eingeschränkt verfügbar. Ähnliches gilt für China, Indien und die Russische Föderation. Hieraus ergeben sich erhebliche Auswirkungen auf die Indikationsbreite zur Impfung, da auch bei insgesamt niedrigem Infektionsrisiko eine zeitnahe postexpositionelle Immunisierung vor Ort nicht gewährleistet ist. Weitere schwere Infektionskrankheiten wie Cholera und Typhus sind wegen oft fehlender Möglichkeit der Rehydrierung bzw. Antibiose nur mit deutlich schlechterer Prognose zu behandeln. Auch diese Umstände müssen bei der sonst eher zurückhaltenden Entscheidung für entsprechende Schutzimpfungen mitberücksichtigt werden.

2.5.2 Reiseimpfung

Grundlage jeder Reiseimpfberatung und der sich anschließenden Impfempfehlungen ist die individuelle Risikoeinschätzung, die unter anderem von Reisedauer, Reiseziel (auch innerhalb eines Landes), Reisezeitpunkt, Reisestil, geplante Tätigkeiten vor Ort, Vorerkrankungen und individuellen Präferenzen abhängt. Außerdem können sich Infektionsrisiken in bestimmten Ländern bzw. Landesteilen sehr kurzfristig ändern (z.B. vorübergehende Ausbreitung von Gelbfieber von ländlichen in städtische Gebiete in Brasilien). Zu Reiseimpfungen kann die STIKO aus diesen Gründen nur allgemein gehaltene Empfehlungen abgeben.

Die Indikation zu Reiseimpfungen sollte von entsprechend fortgebildeten Ärzten und Ärztinnen auf Grundlage aktueller länder- und reisespezifischen Empfehlungen von Fachgesellschaften gestellt werden, beispielsweise der Deutschen Fachgesellschaft Reisemedizin e.V., (DFR, bisher Deutscher Fachverband Reisemedizin), Deutschen

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Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit e. V. (DTG), der Deutschen Gesellschaft für Reise- und Touristik-Medizin e.V. sowie der Tropenmedizinischen Institute. Berücksichtigung bei der ärztlichen Beratung zu Reiseimpfungen finden außerdem die ‚Guidelines for International Travel and Health’ der WHO, Hinweise der Centers for Disease Control, CDC, des Europäischen ECDC, und der Internationalen Gesellschaft für Reisemedizin, ISTM. Die Hinweise und Empfehlungen des Auswärtigen Amtes sind grundsätzlich zu beachten.

2.5.3 Grundzüge der reisemedizinischen Impfberatung

Für die Impfberatung, die immer im Zusammenhang mit einer umfassenden reisemedizinischen Beratung erfolgen muss, kann unterschieden werden nach:

Impfvorschriften (nach den Vorgaben der Internationalen Gesundheitsvorschriften, IGV)

Die meisten Länder, die sich den Regularien der IGV unterworfen haben, schreiben bei Einreise keine Impfungen vor. Falls sie das tun, dient die Vorschrift primär dem Schutz der einheimischen Bevölkerung vor Einschleppung oder Weiterverbreitung; Beispiele sind Cholera, Gelbfieber, Influenza, Meningokokken-Meningitis.

Reise-Impfempfehlungen

Bei allen Reisenden sollte die Überprüfung der Standardimpfungen nach STIKO und ggf. die altersentsprechende Aktualisierung am Beginn einer reisemedizinischen Beratung stehen. Der Arztkontakt vor Reisen in Länder mit erhöhtem Gesundheitsrisiko ist vor allem bei gesunden Erwachsenen ein guter Anlass zur Überprüfung des Impfstatus. Fast regelhaft zeigen sich bei der Beratung älterer Personen Defizite beim Impfstatus, gerade auch bei Standardimpfungen wie Tetanus, Diphtherie, Influenza oder Pneumokokken.

Besondere Risiken, die sich aus Krankheitsausbrüchen, Trekking, Exposition oder Hygienemängeln ergeben, machen weitere Impfungen empfehlenswert. Hierbei handelt es sich um Indikationsimpfungen, die eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung voraussetzen. Detaillierte Kenntnisse über länderspezifische Gesundheitsrisiken und die Versorgung vor Ort sind ebenso unerlässlich wie Daten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit der Impfungen sowie deren Kosten. Reisemedizinische Impfungen sind nur in Ausnahmefällen Bestandteil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung.

2.6 Die Bedeutung von Impfzielen

Ein wesentliches Element für wissenschaftlich fundierte Handlungsweisen im Gesundheitswesen ist die Definition von Gesundheitszielen. Dazu gehören auch Impfziele. Für die Planung und Umsetzung von Impfprogrammen sind Impfziele die

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Grundlage und Voraussetzung um Indikatoren der Effektivität und Zielerreichung zu bilden sowie eine qualitätsgesicherte Evaluation zu ermöglichen.

Mögliche Impfziele sind:

• Reduktion von Morbidität

• Reduktion von krankheitsassoziierten Komplikationen

• Elimination oder Eradikation eines Erregers

• Schutz von Personen, die nicht geimpft werden können

• Reduktion von Kosten für das Gesundheitssystem und die Gesellschaft.

Oft werden angestrebte „Impfquoten“ mit „Impfzielen“ gleichgesetzt. Hohe Impfquoten sind aber nur das Werkzeug zur Erreichung der definierten Ziele. Die Erfassung von Impfquoten ist unerlässlich für die Kontrolle von Impfzielen. Der Effekt von Impfquoten auf die Impfziele hängt aber auch von der Effektivität der Impfung und gewissen Charakteristika der Erreger, gegen die der Impfstoff gerichtet ist, ab. Je zügiger und vollständiger die angestrebte Impfquote für die Herdenimmunität erreicht wird, umso geringer ist die Gefahr des Auftretens unerwünschter Effekte. Solange die angestrebte Impfquote nicht erreicht ist und der Krankheitserreger weiterhin in der Bevölkerung zirkuliert, kann es zu einer Altersverschiebung der Infektion in höhere Altersgruppen und damit zu einer erhöhten Gefahr von Krankheitskomplikationen bei Ungeimpften kommen.

Bei manchen Impfempfehlungen können mehrere Ziele angestrebt oder erreicht werden.

Die STIKO veröffentlicht seit 2004 in ihren ausführlichen Begründungen der Impfempfehlungen auch die Impfziele, die erreicht werden sollen. So hat sie beispielsweise in ihrer Begründung zur allgemeinen Impfung gegen Varizellen 2004 folgende Impfziele benannt:

• Reduktion der Morbidität von Varizellen in Deutschland

• Reduktion von Varizellen-assoziierten Komplikationen und Hospitalisierungen

• Abnahme von Erkrankungsfällen bei Säuglingen, Schwangeren und Patienten aus klinisch relevanten Risikogruppen infolge einer Herdenimmunität (12).

Die Empfehlungen der STIKO können als fachliche Impfziele ohne höhere Verbindlichkeit verstanden werden. An bundesweiten, von Bund und Ländern gemeinsam getragenen Impfzielen gibt es bisher das Masern und Röteln-Eliminationsprogramm und ein allgemeines Ziel zur Impfförderung im Rahmen des Nationalen Gesundheitsziels ‚Gesund aufwachsen’ (13). Die Bundesrepublik hat sich jedoch auch den Gesundheitszielen der WHO und EU verpflichtet (Masern- und Rötelnelimination, Elimination des konnatalen Rötelnsyndroms, Polioeradikation,

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Erhöhung der Influenza Impfquoten)8. Einzelne Bundesländer haben zudem landesspezifische Impfziele definiert (14). Insgesamt fehlt jedoch ein zielorientiertes, wissenschaftlich fundiertes, gesundheitspolitisch breit unterstütztes Gesamtkonzept.

2.6.1 Impfsituation in Deutschland

In Deutschland stellt sich die epidemiologische Situation einiger impfpräventabler Krankheiten abhängig von der Umsetzung der STIKO-Empfehlungen folgendermaßen dar:

• Eliminierung der Poliomyelitis in Deutschland (Die letzte endemische Erkrankung trat 1990 auf. Die WHO hat die europäische Region im Jahr 2002 als poliofrei zertifiziert. 2010 gab es erstmals wieder einen Polioausbruch in Tadschikistan)

• Keine Erkrankungen an Diphtherie bei Kindern und nur seltene Einzelfälle bei Erwachsenen

• Keine Erkrankungen an Tetanus bei Säuglingen, Kindern und Jugendlichen

• Erheblicher Rückgang der Morbidität bei Masern, Mumps und Röteln

• Deutlicher Rückgang der Hepatitis B-Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen

• Rückgang der invasiven Hib-Erkrankungen um 90% seit Einführung der Impfung im Jahr 1991.

Einige WHO-Ziele wurden bereits erreicht (Hib, Diphtherie), zum Teil besteht noch Handlungsbedarf (z. B. Masern), und für eine dritte Gruppe lässt sich die Umsetzung wegen fehlender Daten für Deutschland nur schwer verifizieren (Mumps, Röteln, Pertussis).

Die Impfquoten und die Immunität im Kindesalter sind damit besser als gelegentlich unterstellt wird. Auch der häufig verwendete Terminus ‚Impfmüdigkeit’ trifft zumindest auf die Kinder nicht zu.

Daten aus den Schuleingangsuntersuchungen einzelner Länder liegen dem RKI seit 1998 vor, seit 2005 aus allen Bundesländern. Die auf der Basis der vorgelegten Impfausweise berechneten Impfquoten stellen wahrscheinlich eine leichte Überschätzung der erzielten Impfquoten dar, da bundesweite Daten zum Impfstatus von Kindern ohne Impfausweis nicht vorliegen (vgl. Kap. 6.2.1). Vergleicht man den bei den Schuleingangsuntersuchungen 1999, 2004 und 2009 ermittelten Impfstatus bei Kindern mit vorgelegtem Impfausweis, so zeigt sich, dass die Impfquoten für alle

                                                            8 weitere der WHO verabschiedeten Gesundheitsziele sind z.B. die Senkung der Inzidenz von Diphtherie, Masern und Röteln auf unter 1 Erkrankung pro 1 Mio Einwohner sowie von Erkrankungen durch invasive Haemophilus influenzae Typ b Infektion, Mumps und Pertussis auf <1 Erkrankung pro 100.000 Einwohner vgl. 

 http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0009/109287/wa540ga199heger.pdf 

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Impfungen seit 1999 kontinuierlich gestiegen bzw. auf hohem Niveau konstant geblieben sind. Besonders deutlich fiel der Anstieg bei den Pertussis-, Hib-, Hepatitis B und den zweiten Masernimpfungen aus. Zum Schuleingang 1999 lag die Durchimpfung gegen Pertussis bundesweit bei 73,1%, 2004 bei 90,1% und 2009 dagegen bei 94,4%. Die Hib-Impfungen stiegen von 80% (1999) auf 92,1% (2004) und erreichten 2009 93,8%. Für Hepatitis B lag die Durchimpfung zum Schuleingang 1999 bei 31,5%, von 2004 bis 2009 konnte die Impfquote von 83,6% auf 90,2% gesteigert werden. Auch bei den Masernimpfungen haben sich die Impfquoten in den letzten 10 Jahren deutlich erhöht: 1999 waren 90% einmal gegen Masern geimpft, 2004 waren es 93,3% und 2006 bereits 96,1%.

Zumindest für die 1. Masernimpfung hat Deutschland das WHO-Ziel einer 95%igen Impfquote inzwischen erreicht. Auch bei der 2. Impfung gegen Masern zeigt sich ein Anstieg: 1999 waren nur 15% der einzuschulenden Kinder zweimal gegen Masern geimpft, 2004 waren es 65,7% und 2009 bereits 90,2%. Der zum Schuleingang 2009 ermittelte bundesweite Impfschutz von 678.192 Kindern mit Impfausweis gegen Diphtherie (95,9%), Tetanus (96,4%) und Poliomyelitis (95,3%) ist weiterhin als sehr gut einzustufen. Defizite bestehen in dieser Altersgruppe noch bei der Durchimpfung gegen Pertussis, Hepatitis B sowie der 2. MMR-Impfung (15).

Die einzuschulenden Kinder in den neuen Ländern verfügen über einen deutlich besseren Impfschutz gegen Pertussis, Hepatitis B, Masern, Mumps, Röteln, Varizellen und Meningokokken C als Kinder in den alten Ländern. So liegt die Quote für die Hepatitis-B-Impfung 2009 in den neuen Ländern mit 94,4% um 4,8% höher als in den alten Ländern. Bei der 2. Masernimpfung werden in den neuen Ländern 93% erreicht, in den alten Ländern 89,9%. Auch für die anderen empfohlenen Impfungen ist der erreichte Impfschutz in den neuen Ländern besser.

Zwischen den einzelnen Ländern bestehen ebenfalls große Unterschiede, vor allem bei den Impfungen gegen Hib, Hepatitis B, Masern, Varizellen und Meningokokken C.

Die repräsentativen Daten aus dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) weisen allerdings darauf hin, dass Impfungen nicht zeitgerecht, das heißt nicht zu den von der STIKO empfohlenen Zeitpunkten durchgeführt werden und insbesondere bei den älteren Kindern und Jugendlichen noch große Impflücken bestehen (16). So haben zum Beispiel nur 36,1% bei den 14- bis 17-Jährigen eine vollständige Grundimmunisierung gegen Pertussis erhalten (17).

Aus den KiGGS-Daten geht auch hervor, dass die empfohlenen Auffrischimpfungen gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis und Polio im Kindes- und Jugendalter nur unzureichend wahrgenommen werden. Deskriptive und multivariate Auswertungen zeigen, dass besonders bei Kindern mit mehr als drei Geschwistern, von jugendlichen Migranten, Kindern aus den alten Ländern und Kindern, deren Eltern Vorbehalte gegen Impfungen äußern und das Durchmachen von Erkrankungen für besser halten als die Impfung, der Anteil von ungeimpften Kindern (und Kindern, denen die zweite Impfung fehlt) groß ist. Von den Kindern im Alter von 2-17 Jahren,

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deren Eltern die genannten Vorbehalte gegen Impfungen haben, sind 54% nicht gegen Masern geimpft. Regionale Studien bestätigen die Ergebnisse von KiGGS.

Vor allem bei der zweimaligen Masernimpfung müssen bundesweit noch verstärkte Anstrengungen zur Erhöhung der Impfakzeptanz und für ein effektives Fallmanagement beim Auftreten von Masernfällen unternommen werden. Regionale Ausbrüche von Maserninfektionen, 2006 in Nordrhein-Westfalen und Niederbayern, 2007/2008 in der Schweiz mit Ausbreitung nach Baden-Württemberg sowie die Masernausbrüche 2008, 2009 und 2010 zeigen die bislang noch unbefriedigende Situation beim Stand der Masernelimination in Deutschland. Besonders der Masernausbruch in Nordrhein-Westfalen 2006 mit 1749 Fällen, von denen 15% hospitalisiert werden mussten und zwei verstarben, verdeutlicht die Notwendigkeit von gezielten Impfprogrammen und der Impflückenschließung v.a. im Jugendalter. Die meisten Masernfälle waren dort in der Altersgruppe der 10-14-Jährigen aufgetreten (18). Es gibt nur wenige Bundesländer, in denen der ÖGD den Impfstatus in dieser Altersgruppe regelmäßig und flächendeckend überprüft. Kontinuierliche Impfstatusüberprüfungen und Impflückenschließungen sind für diese Altersgruppe dringend notwendig inklusive die Erfassung von durchgeführten HPV-Impfungen.

Die 2008 publizierte Strategie der Bundesregierung zur Förderung der Kindergesundheit, deren Ausgangspunkt die Ergebnisse des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys sind, zielt auf eine Steigerung der Impfquoten bei Masern, Röteln, Keuchhusten und Hepatitis B auf 95% durch Impfkampagnen und zielgruppenspezifische Öffentlichkeitsarbeit. Ziel ist es zudem, die bereits erreichten Impfquoten von über 95% bei Poliomyelitis, Diphtherie und Tetanus aufrechtzuerhalten (19).

Die größten Impflücken bestehen bei den Erwachsenen, die nur unzureichend die empfohlenen Auffrischimpfungen gegen Tetanus und Diphtherie erhalten. Zum Impfstatus von Erwachsenen liegen nur wenige aktuelle Daten vor. In einer repräsentativen Telefonbefragung des RKI (GEDA 2009) gaben 73% der Befragten an, in den letzten 10 Jahren gegen Tetanus geimpft worden zu sein. Mit zunehmendem Alter wurde ein schlechterer Impfstatus beobachtet (20). Obwohl die Influenza zu den häufigsten Infektionskrankheiten in Deutschland gehört und jährlich vor allem bei älteren Personen und chronisch Kranken Ursache einer hohen Übersterblichkeit ist, besteht selbst in den Risikogruppen kein ausreichender Impfschutz. Die Impfquote in der Allgemeinbevölkerung liegt in den letzten Jahren bei 22% - 27%, in der älteren Bevölkerung bei 50% und bei Personen mit chronischen Erkrankungen bei ca. 30% (21).

2.6.2 Masern- und Rötelnelimination bis 2015

Bereits 1999 hatten Bund und Länder ein nationales Programm zur Eliminierung der Masern in der Bundesrepublik Deutschland, das „Interventionsprogramm Masern,

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Mumps, Röteln (MMR)“, beschlossen. Dieses Programm ist in die internationalen Bemühungen der WHO eingebunden. Vor dem Hintergrund ausgedehnter Masernausbrüche hat das Regionalkomitee für Europa der WHO im September 2010 beschlossen, das Eliminierungsziel von 2010 auf 2015 zu korrigieren und die Mitgliedstaaten ersucht, ihr Engagement zu erneuern und Maßnahmen zur Eliminierung von Masern und Röteln und zur Prävention der Rötelnembryopathie zu forcieren.

Leitziele des deutschen Interventionsprogrammes sind:

• eine Senkung der Maserninzidenz auf unter 1/1 Million Einwohner und damit verbunden

o eine Verhinderung von Maserntodesfällen,

o eine Reduzierung der Komplikationsraten,

o eine Reduzierung der Masernerkrankungen bei Jugendlichen und Erwachsenen

o und eine Reduzierung der volkswirtschaftlichen Belastungen.

Diesen Zielen ist Deutschland deutlich näher gekommen. Allerdings konnte die Maserninzidenz nicht dauerhaft gesenkt werden, wie der unten stehenden Auswertung des RKI zu entnehmen ist.

Jahr Inzidenz

2001 7,32

2002 5,64

2003 0,94

2004 0,15

2005 0,95

2006 2,80

2007 0,69

2008 1,12

2009 0,70

2010 0,95

2011 (nur 1. Halbjahr) 1,66

Übermittelte Masern-Fälle pro 100.000 Einwohner nach Jahr, Deutschland, Fälle entsprechend der Referenzdefinition des RKI; Datenstand: 24.08.2011 Robert Koch-Institut: SurvStat, http://www3.rki.de/SurvStat,

Für eine dauerhafte Senkung der Maserninzidenz muss eine Immunität bei mindestens 95% der Bevölkerung bestehen. Von diesem Anteil kann in Deutschland nur bei Erwachsenen ausgegangen werden, die vor 1970 (vor Einführung der Masernimpfung) geboren sind und Immunität durch eine Maserninfektion erworben haben. Für jüngere Personen ist Immunität durch Impfung zu erreichen. Dafür sollen

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Erwachsene, die nach 1970 geboren sind und bisher gar nicht oder nur einmal in der Kindheit gegen Masern geimpft wurden, nach STIKO-Empfehlung eine Impfung gegen Masern erhalten. Außerdem müssen 95% aller Kinder zweimal gegen Masern geimpft sein. Der von der WHO vorgegebene Indikator für die Masernelimination liegt neben der Kinderimpfquote von 95% bei unter 1/1 Million Einwohner. Beides konnte bisher in Deutschland nicht erreicht werden.

Das deutsche Interventionsprogramm soll daher 2012 unter Berücksichtigung der bisherigen Erfolge und der noch nicht erreichten Ziele aktualisiert werden.

2.6.3 Angestrebte Impfquoten

Impfziele sollten vor allem für Impfungen definiert werden, die im öffentlichen Interesse im Sinne der STIKO liegen. Bei den Standardimpfungen wird ein Impfschutz für die gesamte Population oder zumindest für Kinder und Jugendliche angestrebt und bei den Indikationsimpfungen ein Impfschutz für die definierten Risikogruppen. Ein wichtiges Impfziel ist die Erreichung eines vollständigen Impfschutzes für alle Altersgruppen.

Zur Herstellung eines sicheren Kollektivschutzes variiert für jede Infektionskrankheit der erforderliche Anteil der geimpften Personen in der Bevölkerung. Für Diphtherie liegt er z. B. bei mindestens 85 %, für Masern bei mindestens 92 % - 95 %. Bei Krankheiten, bei denen das Ziel einer regionalen Eliminierung oder einer weltweiten Eradikation angestrebt wird, müssen die dafür notwendigen sehr hohen Immunitätsraten (90 % oder sogar 95 %) flächendeckend erreicht werden, und zwar nicht nur in jedem Bundesland, sondern auch in jedem Kreis und jeder Stadt. Nur dann können bei hoch kontagiösen Krankheiten (z. B. Masern, Pertussis, Varizellen) auch regionale und lokale Ausbrüche verhindert werden. Die für die Eliminierung notwendige Impfquote ist bei den einzelnen Krankheiten unterschiedlich ist von einer Reihe epidemiologischer Kenngrößen – vor allem der Übertragungswahr-scheinlichkeit des Erregers und der Effektivität des Impfstoffs – abhängig.

Bei Krankheiten ohne Eliminationsziel ist zwar ebenfalls eine möglichst hohe Impfquote (> 95 %) anzustreben, aber bei diesen steht vor allem der Schutz für den einzelnen Geimpften im Vordergrund, obwohl Aspekte des Drittschutzes (z. B. Influenza, Pertussis) oder des Nestschutzes (Tetanus, Influenza) ggf. auch eine Rolle spielen.

Bei vielen Krankheiten spielt nicht nur die Höhe der erreichten Impfquoten eine große Rolle, sondern auch der Zeitpunkt, zu dem der Impfschutz erreicht wird. So kommen invasive Erkrankungen durch Hib und Pneumokokken z. B. vor allem in den ersten beiden Lebensjahren vor und Erkrankungen an Pertussis verlaufen bei Säuglingen besonders schwer. Die zeitgerechte Erreichung des Impfschutzes bei Säuglingen und Kleinkindern ist daher ebenfalls ein wesentliches Impfziel.

Neben der weiteren Erhöhung der Impfquoten gegen MMR zur Erreichung der national und international definierten Ziele zur Eliminierung der Masern und Röteln

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sowie zur Verhinderung der Röteln-Embryopathie sollten die Steigerungen der Impfquoten gegen Hepatitis B und der Auffrischimpfungen gegen Pertussis als die gegenwärtig wichtigsten Impfziele für Kinder und Jugendliche erkannt und umgesetzt werden.

Für Deutschland sollten bis 2015 die Impfquoten in Anlehnung an die WHO-Ziele und vor dem Hintergrund der epidemiologischen Situation wie folgt gesteigert werden:

• Steigerung der Impfquote für die 1. und 2. MMR Impfung bei Kindern und Jugendlichen in allen Regionen der Bundesrepublik auf 95% (WHO-Ziel).

• Alle weiblichen Jugendlichen sowie Frauen im gebärfähigen Alter sollten 2-mal gegen MMR (mindestens aber Röteln) geimpft worden sein (WHO-Ziel, STIKO-Empfehlung).

• Über 95% der Kleinkinder sollten im 2. Lebensjahres die 4. Dosis der Pertussisimpfung erhalten haben (STIKO-Empfehlung).

• Die Inanspruchnahme von Auffrischungsimpfungen gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis und Polio bei Schulkindern oder Jugendlichen sollte auf ≥ 90% erhöht werden (unzureichende Impfquoten).

• Die Durchimpfung gegen Hepatitis B bei Kindern und Jugendlichen sollte auf ≥ 95% gesteigert werden (unzureichende Impfquoten).

• Die Influenza-Impfquoten sollten bei Senioren und Risikogruppen auf über 75 % gesteigert werden (EU-Ziel).

Für die Evaluation der Impfziele muss die Surveillance der impfpräventablen Erkrankungen, des Impf- und Immunstatus und der Impfkomplikationen noch deutlich verbessert werden (vgl. Kap.6).

2.7 Fazit

Die Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission sind eine wesentliche Grundlage für das Impfgeschehen in Deutschland. Sie gelten als medizinischer Standard. Sie bilden die Grundlage für die öffentlichen Impfempfehlungen der Länder und die Kostenübernahme der Gesetzlichen Krankenversicherung. Vor dem Hintergrund immer komplexer werdender Fragestellungen in Bezug auf Zusammensetzung und Wirkungsweise von Impfstoffen dienen sie der Entscheidungsfindung für oder gegen eine Impfung. Sowohl für die zu impfende Person als auch für die Ärztin oder den Arzt bedeuten derartige Empfehlungen, dass das allgemeine Verhältnis zwischen Nutzen und Schadensrisiko, das mit der Impfung verbunden ist, bereits abgewogen wurde. Dieses ist bei der individuellen Impfberatung und -entscheidung, die spezifische Konstellationen aufweisen kann, zu berücksichtigen. Die Transparenz der Entscheidungsfindung der STIKO wurde in den

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letzten Jahren durch unterschiedliche Maßnahmen gefördert und hat zur Vertrauensbildung auch in Zukunft einen hohen Stellenwert.

Öffentliche Impfempfehlungen sind bedeutsam für die Frage der Entschädigung im Falle eines Impfschadens. Sie sollten daher nicht mehr als „Empfehlung“ benannt werden, um sie klarer von den fachlichen Impfempfehlungen der STIKO abzugrenzen. In diesem Zusammenhang sollte von den Ländern erörtert werden, ob vor dem Hintergrund der oben genannten komplexen Entwicklung bei Impfstoffen und zunehmend schwierigen Bewertungslage zukünftig überhaupt noch abweichende fachliche Empfehlungen durch Ländergremien abgegeben werden können. Besonders, da voneinander abweichende fachliche Empfehlungen zu einer Verunsicherung bei der Entscheidungsfindung für eine Impfung führen können. (vergl. Kapitel 4)

Wie dargestellt spielt für die STIKO-Empfehlung das „öffentliche Interesse“ eine wesentliche Rolle. Die Impfempfehlung der STIKO ist jedoch auch die Grundlage für die Kostenübernahme der GKV nach dem SGB V. Hierfür beschließt der G-BA die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten. Für die Abstimmung des Beschlusses über die Schutzimpfungs-Richtlinie steht dem G-BA mit nur 3 Monaten ein sehr kleines Zeitfenster zur Verfügung. Wenn zukünftig vermehrt gesundheitsökonomische Aspekte zu berücksichtigen sind, wäre zu prüfen, ob der G-BA frühzeitiger bei der Entwicklung der STIKO-Empfehlungen eingebunden werden könnte.

Bund und Länder werden gemeinsam mit allen am Impfen beteiligten Akteuren auf der Basis evidenzbasierter Empfehlungen der STIKO verbindliche nationale Ziele für einzelne impfpräventable Erkrankungen vereinbaren, die den Handlungsbedarf, Umsetzungsstrategien und Verantwortliche benennen.

Das für die Koordinierungsaufgaben zu bestimmende Gremium soll nationale Impfziele gemeinsam mit den relevanten Akteuren erarbeiten und abstimmen.

Nachdem das WHO-Ziel der Maserneradikation, dem sich Deutschland bereits 1998 verpflichtet hat, vom Jahr 2010 auf das Jahr 2015 verschoben werden musste, bietet es sich an, dieses Ziel erneut aufzugreifen und anhand der hier beschriebenen Analysen und Planungen eine länderübergreifende Strategie zu entwickeln.

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Literaturverzeichnis

1. Infektionsschutzgesetz: http://bundesrecht.juris.de/ifsg/index.html 2. Geschäftsordnung der STIKO:

http://www.rki.de/cln_160/nn_1007512/DE/Content/Infekt/Impfen/STIKO/Geschaeftsordnung/geschaeftsordnung__node.html?__nnn=true

3. Bales S, Baumann HG, Schnitzler N: Infektionsschutzgesetz. Kommentar und Vorschriftensammlung. Kohlhammer Stuttgart, 2. Auflage, 2003.

4. Nalin DR: Evidence based vaccinology. Vaccine. 2002; 20 (11-12):1624‐30. 5. Kunz R, Ollenschläger G, Raspe H, Jonitz G, Donner-Banzhoff N (Hrsg.):

Lehrbuch Evidenz-basierte Medizin in Klinik und Praxis. Deutscher Ärzte-Verlag 2007, Köln.

6. Jacobson RM, Targonski PV, Poland GA: Why is evidence-based medicine so harsh on vaccines? An exploration of the method and its natural biases. Vaccine. 2007 Apr 20; 25(16): 3165‐9.

7. Schaade L, Widders U, Stange G, Höhl N: Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut, Rechtliche Grundlagen und rechtliche Bedeutung. Bundesgesundheitsbl. – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 2009; (52): 1006-1010.

8. Schumacher W, Meyn E: Bundes-Seuchengesetz mit TrinkwasserV 1986 u. ausführl. Erl. für d. Praxis, 3. Aufl. 1986

9. Bales S, Baumann H G, Schnitzler N: Infektionsschutzgesetz - Kommentar und Vorschriftensammlung; 2. Aufl. 2003

10. Meyer C et. al.; Anerkannte Impfschäden in der Bundesrepublik Deutschland 1990–1999, Bundesgesundheitsbl. - Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 2002, 45: S. 364–370]]

11. Marckmann G: Bundesgesundheitsbl.- Gesundheitsforsch. – Gesundheitsschutz 2008, 51; 175-183]

12. Epidemiologisches Bulletin 32/2009, S. 328 13. Bundesministerium für Gesundheit (Hrsg.) (2010): Nationales

Gesundheitsziel: Gesund aufwachsen: Lebenskompetenz, Bewegung, Ernährung.http://www.gesundheitsziele.de//cms/medium/433/NationalesGesundheitsziel-Gesund-aufwachsen.pdf

14. Übersicht unter: http://www.gesundheitsziele.de/cgi-bin/render.cgi?__cms_page=gz_in_den_bundeslaendern

15. Robert Koch-Institut (2010): Impfquoten bei den Schuleingangsuntersuchungen in Deutschland 2008. Epid. Bull 16/2010

16. Poethko-Müller C, Kuhnert R, Schlaud M (2007): Durchimpfung und Determinanten des Impfstatus in Deutschland. Ergebnisse des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS). Bundesgesundheitsblatt- Gesundheitsforschung- Gesundheitsschutz; 50: 851-862

17. Reiter S, Poethko-Müller C, 2009. Aktuelle Entwicklung von Impfquoten und Impflücken bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Bundesgesundheitsblatt- Gesundheitsforschung- Gesundheitsschutz 52:1037-1044.

18. Wichmann O, Siedler A, Sagebiehl D et al. (2009) Further efforts needed to achieve measles elimination in Germany: results of an outbreak investigation. Bull World Organ 87:108-115

19. Bundesministerium für Gesundheit (2008) Strategie der Bundesregierung zur Förderung der Kindergesundheit. Berlin

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Stand 1.Januar 2012    67

http://www.bmg.bund.de/cln_153/SharedDocs/Publikationen/DE/Praevention/Strategie-Kindergesundheit,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Strategie-Kindergesundheit.pdf

20. RKI (2010): Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes: Daten und Fakten: Ergebnisse der Studie »Gesundheit in Deutschland aktuell 2009, S. 111-113

21. Wortberg S, Walter D, V.d. Knesebeck M; Reiter S (2009). Niedergelassene Ärzte als Multiplikatoren der Influenzaimpfung bei älteren Menschen, chronisch Kranken und medizinischem Personal. Bundesgesundheitsblatt- Gesundheitsforschung- Gesundheitsschutz 52: 945-952

22. Hofmann F: Merkblätter Biologische Arbeitsstoffe. Ecomed Verlag-Loseblattsammlung 2000 – 2010

23. NN: DGUV-Grundsätze für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen G 35/G 42. Stuttgart: Gentner 2008

24. NN: Masernausbruch an einer Waldorfschule in Essen, Epidem Bull 23/10 2010: 222

25. NN: Neuerungen in den aktuellen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am RKI vom Juli 2010, Epid Bull 33/10 2010; 331-335

26. NN: Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV), BGBl. I 2008, 2771–2775

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Stand 1.Januar 2012    68

3 Umsetzung von Impfstrategien

Mehr als 90 Prozent aller Impfungen werden heute in Deutschland von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten durchgeführt. Daher haben sie und ihr medizinisches Assistenzpersonal die größte Einflussmöglichkeit bezüglich Akzeptanz und Durchführung von Impfungen. Daneben spielt der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) nach wie vor eine entscheidende Rolle, wenn es um die Erfassung von Impflücken, die Koordination von Impfprogrammen und die Schließung von Impflücken geht. Das gilt gerade auch für das Management von Krankheitsausbrüchen durch impfpräventable Erreger, sowohl auf regionaler Ebene als auch bei großen überregionalen, pandemischen Geschehen, was die H1N1 Influenza Pandemie 2009 eindrucksvoll belegt hat.

3.1 Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)

Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz schreibt einen Anspruch der Versicherten auf Leistungen für Schutzimpfungen durch die gesetzliche Krankenversicherung fest.

Die Krankenkassen sind damit eng in die Verantwortung für Prävention durch Impfungen eingebunden. Ihre grundsätzliche Zuständigkeit ist im Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) festgeschrieben. In § 1 SGB V heißt es: Die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft hat die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern. Die Versicherten sind u. a. durch eine gesundheitsbewusste Lebensführung und eine Beteiligung an gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen für ihre Gesundheit mit verantwortlich.

Eine zentrale Bedeutung für die betriebliche Gesundheitsförderung und Prävention nimmt § 20 SGB V ein. Diese Rechtsvorschrift verpflichtet die Krankenkassen, in ihren Satzungen Leistungen zur primären Prävention vorzusehen. § 20 d SGB V beinhaltet unter der Überschrift „Primäre Prävention durch Schutzimpfungen“ den Anspruch der Versicherten auf Leistungen für Schutzimpfungen im Sinne des § 2 Nr. 9 des Infektionsschutzgesetzes.

Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistungen legt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in Richtlinien nach § 92 auf der Grundlage der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut gemäß § 20 Abs. 2 des Infektionsschutzgesetzes unter besonderer Berücksichtigung der Bedeutung der Schutzimpfungen für die öffentliche Gesundheit fest. Zu Änderungen der STIKO-Empfehlungen hat der G-BA innerhalb von 3 Monaten nach ihrer Veröffentlichung zu entscheiden. Abweichungen von der STIKO Empfehlung müssen dabei besonders begründet werden.

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3.1.1 Vereinbarungen der Krankenkassen mit der Ärzteschaft

In § 132e Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB V ist der Abschluss von Verträgen zwischen den Krankenkassen oder ihren Verbänden mit Kassenärztlichen Vereinigungen, geeigneten Ärzten, deren Gemeinschaften, Einrichtungen mit geeignetem ärztlichen Personal oder dem öffentlichen Gesundheitsdienst zur Versorgung der Bevölkerung mit Schutzimpfungen geregelt. Vorrangig sollen hierbei die Ärztinnen und Ärzte der vertragsärztlichen Versorgung berücksichtigt werden. Seit 1. Januar 2011 legt für den Fall der Nichteinigung der Vertragsparteien innerhalb von 3 Monaten (z. B. nach Beschlussfassung bzw. einer Anpassung der Schutzimpfungsrichtlinie durch den G-BA) eine von den Vertragsparteien zu bestimmende Schiedsperson den Vertragsinhalt fest. Dabei ist gem. § 20d Abs. 1 Satz 8 SGB V zu berücksichtigen, dass Impfleistungen bis zur endgültigen Entscheidung durch den G-BA erbracht werden dürfen, wenn die Schutzimpfungsrichtlinie nicht innerhalb von 3 Monaten an geänderte STIKO-Empfehlungen angepasst werden konnte.

3.2 Die Aufgaben des Öffentliche Gesundheitsdienstes

Das Gesundheitsamt als untere Gesundheitsbehörde ist nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) für die Verhütung und Bekämpfung übertragbarer und damit auch impfpräventabler Erkrankungen zuständig.

Das Infektionsschutzgesetz schreibt dem ÖGD in vielfältiger Form Aufgaben zu, die das Thema „Impfen“ betreffen.

So sind die obere Bundesbehörde, die obersten Landesgesundheitsbehörden und die von ihnen beauftragten Stellen sowie die Gesundheitsämter zuständig für die Information der Bevölkerung über die Bedeutung von Schutzimpfungen (§ 20 Abs. 1 IfSG).

Die obersten Landesbehörden sollen öffentliche Impfempfehlungen aussprechen (§ 20 Abs. 3 IfSG) und sie können anordnen, dass die Gesundheitsämter unentgeltlich Schutzimpfungen gegen bestimmte übertragbare Erkrankungen durchführen. (§ 20 Abs. 5 IfSG). Unter bestimmten Bedingungen können sie auch die Teilnahme an Schutzimpfungen anordnen (Abs. 7).

Im Rahmen der Schuleingangsuntersuchung haben die Gesundheitsämter den Impfstatus zu erheben und die Daten über die obersten Landesgesundheitsbehörden an das Robert Koch-Institut zu übermitteln (§ 34 Abs. 11 IfSG).

Gemeinsam mit den Gemeinschaftseinrichtungen zur Betreuung von Kindern und Jugendlichen haben die Gesundheitsämter die Betreuten und deren Eltern über die Bedeutung eines vollständigen, altersgemäßen, nach den Empfehlungen der STIKO ausreichenden Impfschutzes aufzuklären (§ 34 Abs. 10 IfSG).

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Die Gesundheitsämter nehmen die Meldungen von über das übliche Maß hinaus gehenden Impfreaktionen entgegen, leiten sie unverzüglich an die zuständige Stellen auf Landes- und Bundesebene weiter und stellen die erforderlichen Ermittlungen an (§ Abs.1 Nr. 3 i.V.m. § 11 Abs. 2 IfSG).

Sie nehmen auch die Meldungen gem. §§ 6 und 7 des IfSG zum Auftreten von Fällen übertragbarer Erkrankungen bzw. zum Nachweis von Krankheitserregern entgegen und stellen die erforderlichen Ermittlungen an. Dabei sollte bei impfpräventablen Erkrankungen auch erfasst werden, ob bereits eine Impfung gegen die gemeldete Erkrankung durchgeführt worden ist. Diese Daten werden ebenfalls über die zuständigen Landesbehörden weitergeleitet und vom Robert Koch-Institut gesammelt und ausgewertet. Auf diese Weise werden zusätzliche Hinweise gewonnen, ob die Wirksamkeit der Impfung tatsächlich ausreichend war oder ob Impfempfehlungen eventuell angepasst werden müssen.

Auch wenn das Thema Impfen als Maßnahme des Infektionsschutzes nach wie vor zu den klassischen Aufgaben des ÖGD gehört, wird dieses Aufgabengebiet in unterschiedlicher Weise, mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Strategien/Ansätzen bearbeitet. Entsprechend unterschiedlich ist dieser Bereich in den ÖGD-Ländergesetzen in Ergänzung bzw. in Umsetzung des IfSG geregelt.

Im Wesentlichen finden sich hierzu in den ÖGD-Ländergesetzen folgende Vorgaben:

Der ÖGD bzw. die Gesundheitsämter wirken auf einen ausreichenden Impfschutz der Bevölkerung hin.

Der ÖGD bzw. die Gesundheitsämter fördern die Durchführung öffentlich empfohlener Impfungen.

Die Impfungen können von den Gesundheitsämtern selbst durchgeführt werden oder in Zusammenarbeit mit anderen Leistungserbringern erfolgen. Der ÖGD soll mit anderen Leistungs- und Kostenträgern Vereinbarungen über Organisation und Finanzierung der Impfungen abschließen.

Nur einzelne Länder sehen in ihren ÖGD-Gesetzen noch die Verpflichtung für den ÖGD vor, subsidiär selbst Impfungen durchzuführen („Die Gesundheitsämter führen Impfungen selbst durch, um auf das Schließen von Impflücken hinzuwirken sowie in den Fällen, in denen es aus Gründen des Bevölkerungsschutzes geboten ist.“ „Ihnen, d.h. den Gesundheitsämtern; obliegt das Schließen von Impflücken durch ein aktives Impfangebot.“)

In manchen ÖGD-Ländergesetzen finden sich weitere individuelle Schwerpunkte und/oder Aufgabenzuweisungen für die Gesundheitsämter:

Der ÖGD bzw. die Gesundheitsämter

beobachten und bewerten die Impfsituation in der Bevölkerung,

sollen Impflücken und die Impfquoten ermitteln,

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können im Rahmen ihrer gesetzlich geregelten Aufgaben zur Feststellung von individuellen Impflücken Einblick in die Impfausweise von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen verlangen,

stellen notwendige Impfangebote für Kinder und Jugendliche und eine ausreichende Impfberatung sicher,

haben die Impfberatung sicherzustellen oder sie selbst anzubieten.

Bei der Ausgestaltung der Aufgabenbereiche finden sich unterschiedliche Lösungsansätze und Strategien (vergl. Kap. 3.3).

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach der zukünftigen Ausrichtung des ÖGD und seiner Aufgabenwahrnehmung beim Thema Impfen, z.B. als denkbare Option die Schärfung des Profils bzw. Neubestimmung der Aufgaben des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (bspw. Beratung in schwierigen Fällen, Qualifizierung zur Zweit-Meinung, Initiativen zur Bildung von Qualitätszirkeln, etc.)

Ebenso hat der ÖGD bei der Bewältigung von besonderen Seuchenlagen am Beispiel der zurückliegenden Pandemie mit dem pandemischen Influenzavirus A(H1N1) 2009 seine große Bedeutung bei der Sicherstellung des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung unter Beweis gestellt.

Seine zentrale Rolle bewies er in der Umsetzung länderspezifischer Impfkonzepte. Über die Etablierung von Impfstellen wurden vielerorts die Voraussetzungen für ein flächendeckendes Impfangebot geschaffen, welches darauf ausgelegt war, eine große Anzahl von Impfungen in einem kurzen Zeitrahmen durchführen zu können. In einigen Ländern musste darüber hinaus die Beschaffung, Lagerung und die Distribution von Impfstoff seitens des ÖGD organisiert werden.

Insgesamt koordinierte der ÖGD das Zusammenspiel der verschiedenen Akteurinnen und Akteure. Er trug im Rahmen seiner Aufgabenwahrnehmung wesentlich zu einem glimpflichen Verlauf der Pandemie bei.

3.2.1 Rechtliche Rahmenbedingungen - gesetzliche Kranken-kassen und ÖGD

Die Beobachtung der Impfquoten und der Immunitätslage der Bevölkerung ist eine der klassischen Aufgaben des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Hieraus folgt die Verpflichtung, auf einen ausreichenden Impfschutz der Bevölkerung hinzuweisen und die Durchführung öffentlich empfohlener Schutzimpfungen zu fördern.

Absatz 3 des § 20 d SGB V enthält für die Krankenkassen unbeschadet der Aufgaben anderer die Verpflichtung, mit den Landesbehörden, die für die Durchführung von Schutzimpfungen nach dem Infektionsschutzgesetz zuständig sind, zusammenzuwirken, gemeinsam und einheitlich Schutzimpfungen ihrer Versicherten zu fördern und sich durch Erstattung der Sachkosten an den Kosten der Impfungen zu beteiligen. Zur Durchführung der Maßnahmen und zur Erstattung der

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Sachkosten sind die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gehalten, gemeinsam Rahmenvereinbarungen mit den in den Ländern dafür zuständigen Stellen abzuschließen.

Im März 2011 erfolgte eine Abfrage unter den Ländern, inwieweit dort seit Inkrafttreten der Regelungen 2007 entsprechende Rahmenvereinbarungen abgeschlossen wurden.

Im Rahmen der Eruierung wurden der Bestand, die Modalitäten der Sachkostenerstattung, der Umfang des Impfangebotes sowie der Personenkreis, an den sich Impfangebote des ÖGD richten, innerhalb der bestehenden Regelwerke abgefragt.

Das Ergebnis der Abfrage in den Ländern ist nachstehend im Text zusammenfassend dargestellt.

In neun Ländern bestehen gültige Rahmenvereinbarungen mit den Kassen bzw. mit deren Verbänden. Dort, wo keine gültigen Abschlüsse von Rahmenvereinbarungen vorliegen, wird exemplarisch berichtet, dass ein Entwurf für einen Vertrag abschlussbereit erarbeitet wurde oder die Verhandlungen nach Kündigung einer Vereinbarung erneut aufgenommen werden sollen. In einer Variante bestehender Vereinbarungen sind lediglich die Modalitäten der Abrechnung Gegenstand der Festlegungen.

Der in den Rahmenvereinbarungen festgelegte Leistungsumfang an Impfungen, die durch den ÖGD angeboten werden, umfasst in der Regel die Impfungen, die auf Basis der STIKO-Empfehlung in der Schutzimpfungsrichtlinie des G-BA als Leistungspflicht der GKV festgelegt wurde. Der Leistungsumfang kann dabei auch auf Basis öffentlich empfohlener Impfungen oder Erlass durch ein Land festgelegt sein.

Besonderheiten in den Vereinbarungen finden sich beispielsweise dann, wenn Kosten lediglich für wenige einzelne Impfungen von den Kassen übernommen werden (z. B. nur MMR) oder Maßnahmen zur Diagnostik über das Regelwerk (z. B. Tuberkulin-Testungen) sowie andere prophylaktische Maßnahmen (z. B. Chemoprophylaxe nach Exposition) finanziert werden. Ebenso wird im Einzelfall auch auf die Möglichkeit verwiesen, dass nach Festlegung von besonderen örtlichen oder regionalen Gefährdungssituationen im Einvernehmen mit den Kassen auch weitere Impfstoffkosten von ihnen übernommen werden können. Auch können sich Kassen anteilig an den Sachkosten für Impfungen beteiligen, die auf ländereigenen Impfempfehlungen beruhen.

Die getroffenen Rahmenvereinbarungen nach § 20d SGB V zielen grundsätzlich auf den Schutz derjenigen ab, die über die GKV gesetzlich versichert sind. Im Großen und Ganzen richtet sich das Impfangebot des ÖGD auf Säuglinge, Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs. Es kann aber auch der Personenkreis aller in der GKV gesetzlich versicherten Personen in den Geltungsbereich der Vereinbarung eingeschlossen sein. In einem Fall ist die

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Erstattung der Sachkosten durch die Krankenkasse an aufsuchende Impfaktionen in Schulen gebunden und auf Schülerinnen und Schüler ab der vierten Jahrgangsstufe gerichtet. In diesem Rahmen erfolgt auch die Vergütung der HPV-Impfung durch die Kassen.

In der Regel erfolgt die Erstattung der Sachkosten anhand der Aufstellung verbrauchter Mengen gegenüber den Leistungsträgern. Die Möglichkeit von Vorschusszahlungen der Kassen mit nachfolgender Verrechnung nach Ablauf festgelegter Fristen besteht im Einzelfall.

Die auf dieser Grundlage getroffenen Rahmenvereinbarungen unterstreichen die Verantwortung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes für einen hohen Grad der Immunisierung der Bevölkerung und tragen dem Gedanken Rechnung, dass Impfungen sowohl im Interesse der Allgemeinheit liegen als auch dem Individualschutz dienen.

3.3 Impfförderung durch Bund und Länder

In Deutschland gibt es eine große Anzahl von Aktivitäten, die die Impfakzeptanz fördern, die Datenerhebung verbessern oder auch dem Schließen von Impflücken dienen. Der Bund und fast alle Länder haben in den letzten Jahren zum Teil erhebliche Anstrengungen unternommen, um das Thema „Impfen“ ins Bewusstsein der Allgemeinbevölkerung, aber auch der Fachöffentlichkeit zu rufen. Dabei gibt es Länder, die bereits über einen längeren Zeitraum Strukturen aufgebaut und den Rahmen ihrer Aktivitäten weit gespannt haben. Andere haben dieses Schwerpunktthema erst seit kürzerer Zeit wieder für sich entdeckt.

Auf der 1. und der 2. Nationalen Impfkonferenz wurden solche Initiativen aus den Ländern und von sonstigen mit dem Thema befassten Akteurinnen und Akteuren zusammen getragen und in Form von Posterpräsentationen vorgestellt.

Zum Thema Masernelimination sind dort eine Vielzahl von sehr guten Anregungen gegeben worden, die zwischenzeitlich in einem Themenkatalog (Masern Manual) zusammengefasst und auf den Homepages des RKI und vieler Länder veröffentlicht wurden. Sie sollen den Beteiligten vor Ort als Ideenbörse für das Ziel der Masern-Elimination dienen. Neben einer kurzen Beschreibung der Projekte oder Initiativen sind Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für Interessierte genannt, die bei einer Übernahme des Projektes bzw. der Initiative behilflich sein können.

Entsprechende Themenkataloge von „good practise“-Modellen bieten sich auch für die unter 3.3.1 bis 3.3.3 kurz dargestellten Themenbereiche an. Auf den im Zweijahresrhythmus stattfindenden Nationalen Impfkonferenzen sollen auch zukünftig immer wieder erfolgreiche Strategien vorgestellt werden.

Im Rahmen der Erarbeitung des Nationalen Impfplans wurde eine Länderumfrage zu den dort laufenden Impfaktivitäten durchgeführt. Die von den Ländern genannten

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vielfältigen Maßnahmen lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen. Das reicht von öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen zum Thema Impfen allgemein über das Bereitstellen von unterschiedlichen Informationsmaterialien (Printmedien, Filme etc.) für unterschiedliche Zielgruppen, Impfkampagnen des ÖGD, die häufig gemeinsam mit anderen Partnern durchgeführt werden und teilweise Vor-Ort-Impfangebote beinhalten bis zur Einrichtung von Gremien, in denen Konzepte und Maßnahmen zur Verbesserung des Impfschutzes der Bevölkerung erarbeitet werden.

Angesicht der unüberschaubaren Vielzahl von Angeboten, Medien und Maßnahmen gehört es zu den vorrangigen Zielen, den Markt transparent zu machen und einen bundesweiten Überblick zu schaffen. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat daher eine bundesweite Projektdatenbank der Medien zur Impfaufklärung in Deutschland im Rahmen ihres Internetportals www.impfen-info.de erstellt (siehe http://www.impfen-info.de/service). Ziel der Übersicht ist ein Pool guter Ideen wichtiger Akteure im Impfwesen, auf den bundesweit jeder zugreifen kann, der Impfungen nicht-kommerziell fördern möchte, z.B. Kindergärten mit einem Windpocken-Ausbruch. Neben Flyern, Unterrichtsmaterial und Internetauftritten handelt es sich auch um Plakate, Filme, Hörfunkbeiträge und andere Medien. Je nach Urheber unterscheiden sich die Bezugsbedingungen oder die Möglichkeiten, das Material in eigener Regie neu drucken zu lassen.

Die internetbasierte Datenbank soll kontinuierlich vervollständigt und aktualisiert werden. Kontakt: [email protected]

3.3.1 Verbesserung des Informationsangebotes

Unzureichende Kenntnisse über Infektionskrankheiten und den Nutzen von Impfungen sind wesentliche Gründe für die Skepsis gegenüber Impfungen.

Aufklärungsaktionen durch den öffentlichen Gesundheitsdienst finden in der Regel eine breite Akzeptanz. Die von den Ländern am häufigsten genannten Maßnahmen dienen daher dem Informationsbedürfnis sowohl der Allgemeinbevölkerung als auch der Fachöffentlichkeit. Häufig wird von den Betroffenen ein Informationsdefizit beklagt und neutrale, nicht von den Impfstoffherstellern zur Verfügung gestellte Informationen werden eingefordert.9.

Die Impfstoffhersteller bieten zwar eine Fülle von Informationsmaterial an; vor allem Eltern bevorzugen aber Informationen von Stellen, die kein kommerzielles Interesse an der Durchführung von Impfungen haben. Dem kommen viele Länder oder Kommunen sowie die BZgA nach, indem sie ihre eigenen Broschüren und Flyer erstellen, die nicht nur unterschiedliche Zielgruppen ansprechen (junge Eltern, Jugendliche, Senioren, etc.) sondern die zum Teil auch den jahreszeitlichen

                                                            9 Rückmeldungen aus Gesundheitsämtern; Hinweise in Vorträgen und Diskussionsbeiträgen während des Workshops "Zielgerichtete Kommunikation" auf der 2. Nationalen Impfkonferenz. 

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(Influenza) oder regionalen Bedürfnissen (FSME) angepasst sind. Häufig gibt es diese Informationen auch in fremdsprachlichen Versionen.

Die BZgA und viele Gesundheitsämter haben sich den modernen Kommunikationsanforderungen angepasst und auf ihrer Homepage einen eigenen Bereich bzw. ein eigenes Portal für das Impfen eingerichtet (z.B. www.impfen-info.de). Hier können Informationen zeitnah zur Verfügung gestellt werden, die sich schnell an aktuelle Erfordernisse anpassen lassen; Flyer und Broschüren können kostengünstig zum Download bereitgestellt werden. In einem geschützten, nur bestimmten Nutzerinnen und Nutzern zugänglichen Bereich werden häufig weiterreichende Informationen vorgehalten zum Beispiel für die regionale Ärzteschaft.

Durch die Masernausbrüche in den letzten Jahren ist verstärkt der Impfstatus der Jugendlichen in den Fokus der Aufmerksamkeit gelangt. In vielen Ländern gibt es daher Bestrebungen, Jugendliche für das Impfen und ihren eigenen Impfstatus zu interessieren. Besonders gut eignet sich dafür die Schule als eine Umgebung, in der man fast alle Jugendlichen erreichen kann. Für die Kommunen gibt es inzwischen zahlreiche Unterstützungsmöglichkeiten, wie Vortragsfolien, Broschüren, Poster und interaktive Lernspiele, die teilweise evaluiert sind. Einige sind von den Kommunen selbst entworfen und im Projekt erprobt worden, andere wurden mit Unterstützung zum Beispiel der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) oder dem Deutschen Grünen Kreuz (DGK) entwickelt. Vor allem „Mitmach-Spiele“ in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden lassen sich flexibel den lokalen Gegebenheiten anpassen und sorgen durch aktive Beteiligung der Schülerinnen und Schüler dafür, dass das Gelernte nicht gleich wieder vergessen wird.

Immer häufiger wird auch die Möglichkeit genutzt, auf lokalen Impftagen der niedergelassenen Ärzteschaft, dem medizinischen Fachpersonal und auch der Bevölkerung neuere Erkenntnisse zu Impfungen und Impfstoffen nahezubringen. Einige Länder weiten diese Möglichkeiten noch aus, indem eine ganze Woche dem Thema „Impfen“ gewidmet wird, gerne im Rahmen der „Europäischen Impfwoche“, die jährlich vom Europa-Büro der WHO initiiert wird. Dies gibt den eigenen Veranstaltungen noch mehr Gewicht.

Informationsstände anlässlich von lokalen Gesundheitstagen oder im Rahmen von internationalen Absprachen (Weltgesundheitstag, Europäische Impfwoche) erreichen bei guter Pressearbeit mehr als nur die Besucherinnen und Besucher eines Standes und können somit einen größeren Teil der Bevölkerung erreichen. Ähnlich verhält es sich mit Maßnahmen wie Plakataktionen, Anzeigen in Medien oder Kinospotschaltungen, die jedoch relativ kostenintensiv sind. Spots in Rundfunk bzw. Fernsehen sind gemäß § 7 Abs. 9 des Rundfunkstaatsvertrags (RStV) nur unentgeltlich (“pro bono”) möglich und lassen sich daher nicht gezielt schalten bzw. steuern.

Als weitere öffentlichkeitswirksame Maßnahmen wurden jährliche oder monatliche Pressekonferenzen genannt, in denen bestimmte Aspekte des Impfens oder Fragen

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zu neuen Impfungen thematisiert werden. Vor allen Dingen regelmäßige Presseberichte können das Interesse der Bevölkerung wach halten.

Von regionalen oder überregionalen Impfkampagnen verspricht man sich eine besondere Wirksamkeit, weil man damit zielgenau bestimmte Gruppen der Bevölkerung ansprechen kann. Zusätzlich können sie mit einem Impfangebot versehen sein und somit können auf direktem Weg Impflücken geschlossen werden. In vielen Kommunen impft der ÖGD allerdings nicht mehr selber, so dass in der Mehrzahl der Fälle Impfpasskontrollen mit Impfempfehlungen durchgeführt werden. Die Impfempfehlungen sollen dann von der niedergelassenen Ärzteschaft umgesetzt werden. Zur Evaluation sollte der Erfolg der Impfkampagne zum Beispiel durch Nachkontrolle der Impfbücher oder Rückmeldungen aus den Arztpraxen überprüft werden. Damit langfristig ein messbarer Nutzen entsteht und ein Wiedererkennungseffekt erreicht wird, sollten Impfkampagnen langfristig angelegt und kontinuierlich durchgeführt werden. Dies wird in einigen Ländern auch so gehandhabt.

Die am häufigsten genannten Zielgruppen sind Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Altersgruppen und Schulformen, schwer erreichbare Bevölkerungs-gruppen, medizinisches Fachpersonal, aber auch die Allgemeinbevölkerung. Die am häufigsten genannte impfpräventable Erkrankung, auf die sich die Kampagnen beziehen, ist Masern.

3.3.2 Verbesserung der Datenlage

Zur Verbesserung des Impfschutzes sind systematische und zielgeleitete Erhebungen und Auswertungen von Daten und die entsprechenden Bewertungen wichtige Voraussetzungen (Vgl. Kap. 6). Neben der Erfassung der Impfdaten in der Schuleingangsuntersuchung (SEU) kann es sinnvoll sein, Daten anderer Jahrgänge regional zu erheben und auszuwerten, um spezifische Handlungsempfehlungen und Umsetzungsstrategien entwickeln zu können. Ein wichtiges Ziel in diesem Zusammenhang ist es, die Zahl der bei den Schuleingangsuntersuchungen vorgelegten Impfausweise deutlich zu erhöhen.

Darüber hinaus ist die Erfassung von Wissen, Einstellung und Verhalten bezüglich Impfungen eine wichtige Aufgabe. Die BZgA-Befragung von Eltern mit Kindern im Alter von 0-13 Jahren, die Ende 2010 durchgeführt wurde, liefert hierzu einen wichtigen Beitrag.

3.3.3 Verbesserung der Teilnahme an Impfungen

Da als wichtige Ursache für Impflücken das Vergessen gilt, ist die Einführung eines Recall-Systems durch das Gesundheitsamt oder die niedergelassene Ärzteschaft eine wirkungsvolle Ergänzung zu praktizierten Aufklärungskampagnen. Die Erinnerung wird –nur mit Einwilligung der Betroffenen oder deren Sorgeberechtigten

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– entweder vom Gesundheitsamt durchgeführt, zum Beispiel wenn die bei der Schuleingangsuntersuchung empfohlenen Impfungen von Haus- oder Kinderärztinnen oder -ärzten nicht rückgemeldet werden oder durch die Arztpraxis. Hierzu werden verschiedene Impfsoftwares angeboten.

Die Verabschiedung der Kinderschutzgesetze in allen Ländern, die eine verbindliche Erinnerung an die Früherkennungsuntersuchungen beinhalten, hat ähnliche Effekte, da Impflücken bei den U-Untersuchungen geschlossen werden sollen. Wenn das Einladungssystem auch die J1-Untersuchung umfasst, kann dies ein Weg sein, diese besonders schwer zu erreichende Zielgruppe anzusprechen.

3.4 Landesarbeitsgemeinschaften

Mehrere Länder haben bereits Foren wie z.B. Landesarbeitsgemeinschaften gebildet, in denen Strategien erarbeitet und verabredet werden, die den Impfschutz der Bevölkerung verbessern sollen. Je nach Bevölkerungsgruppe, Altersstufe und Impfungen kann es lokal deutliche Impflücken geben. Die Arbeitsgemeinschaften haben zum Ziel, die STIKO-Empfehlungen effektiv umzusetzen und die verschiedenen Akteurinnen und Akteure im Bereich der Impfprävention einzubinden. So werden Schwerpunkte und langfristige Ziele gesetzt und die Zuständigkeiten dafür verteilt.

In einem solchen Foren sollten sich Vertreterinnen und Vertreter der gesetzlichen und privaten Krankenkassen, der Landesapotheker- und Landesärztekammer, der Universitätskliniken, der betroffenen Berufsverbände der Ärzteschaft auf Landesebene, der Landeszentralen für Gesundheitsförderung, des Landessportbundes, der kommunalen Spitzenverbände bzw. der unteren Gesundheitsbehörden gemeinsam mit denen der zuständigen obersten und oberen Landesbehörden engagieren.

Mögliche Ziele dieser Foren:

• Die Koordinierung von allgemeinen Maßnahmen zur Erhöhung der Durchimpfungsrate der Allgemeinbevölkerung

• Erstellung gemeinsamer Aufklärungsmaterialien (Flyer, Plakate, Homepage)

• Durchführung gezielter Einzelaktionen

o für Erwachsene (zum Beispiel im Bezug zu Freizeitsport, oder am Arbeitsplatz)

o für Kinder und Jugendliche.

Die Arbeitsgemeinschaften sollten in der Regel ein bis zwei Mal jährlich tagen, um Fragen rund um das Thema Impfschutz und Impfstrategien zu diskutieren und gemeinsame Impfaktionen für die Bevölkerung vorzubereiten und durchzuführen.

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Diese Arbeitsgemeinschaften sollen aber nicht der zusätzlichen Formulierung von Impfempfehlungen dienen.

Die Projektarbeit kann dabei in Unterarbeitsgruppen erfolgen.

Die Arbeit solcher Landesarbeitsgemeinschaften hat vorwiegend folgende Vorteile:

• Kurze und schnelle Informationswege zwischen den auf Landesebene am Impfen beteiligten Kreisen schaffen.

• Bündelung von personellen Kapazitäten und finanziellen Ressourcen.

• Koordiniertes Vorgehen und Aufbau einer gemeinsamen Impfstrategie für das Land.

• Erreichen einer hohen Akzeptanz von Impfförderungsaktionen in den verschiedenen für das Impfen zuständigen Organisationen.

3.5 Ausbruchsbekämpfung

In mehreren Ländern wurden Leitfäden zum Fall- und Ausbruchsmanagement für das Auftreten impfpräventabler Erkrankungen etabliert. Das trifft vor allem auf die Masernbekämpfung zu. Bei einem Masernausbruch kann nur das rasche und konsequente Eingreifen des ÖGD eine größere Weiterverbreitung verhindern. Damit ist die Ausbruchsbekämpfung ein wichtiger Baustein zum Erreichen der Masernelimination.

Seit einigen Jahren praktiziert der ÖGD in vielen Ländern ein konsequentes Management bei Auftreten von Masern (1). Dieses schließt auch die Überprüfung des Impfstatus der Personen in einer Gemeinschaftseinrichtung mit ein.

Dies geschieht zum einen, um sicher zu stellen, dass die Vorschriften des IfSG eingehalten werden. So dürfen nach § 34 Abs. 3 IfSG Personen, die in der selben Wohngemeinschaft wie eine an Masern erkrankte (oder erkrankungsverdächtige) Person leben, also z. B. die Geschwister, Gemeinschaftseinrichtungen nicht besuchen. Der Ausschluss aus den Gemeinschaftseinrichtungen gilt solange, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Masern durch die betroffenen Personen nicht mehr zu befürchten ist. Das ärztliche Urteil sollte sich in erster Linie auf die Impfanamnese stützen oder auf eine sicher nachgewiesene durchgemachte Infektion. Das IfSG greift hier unmittelbar, ohne dass es einer Anordnung der Behörde bedarf.

Kontaktpersonen außerhalb der Wohngemeinschaft sind von § 34 IfSG nicht erfasst. Die Rechtsgrundlage für notwendige Schutzmaßnahmen bietet § 28 IfSG. Hierbei sieht § 28 ausdrücklich über § 34 hinaus vor, in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon zu schließen. Bei Prüfung der Verhältnismäßigkeit wird der Immunstatus der Ansteckungsverdächtigen (=

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Kontaktpersonen) zu Grunde gelegt werden. Hiervon wird im Einzelfall abhängig gemacht, wer die Gemeinschaftseinrichtung besuchen darf und wer nicht. Wenn bereits durch diese Maßnahmen die Weiterverbreitung verhindert wird, kann von einer Schließung der Gemeinschaftseinrichtung Abstand genommen werden. Eine Weiterverbreitung der Masern durch eine Kontaktperson ist nicht zu befürchten, wenn bei ihr eine vollständige Impfung gemäß STIKO-Empfehlungen, d.h. zwei Impfungen (entweder zwei dokumentierte frühere Impfungen oder eine frühere und eine aktuelle, postexpositionelle Impfung), oder eine gesichert durchgemachte Masernerkrankung nachgewiesen werden kann.

Während eines Ausbruchs kann die Überprüfung des Einzelfalls daher dazu führen, dass vorübergehend ein Besuchsverbot ausgesprochen wird, wenn keine Impfung nachgewiesen wird. Im Gegensatz zu einer grundsätzlichen verpflichtenden Impfung für den Besuch einer Gemeinschaftseinrichtung geht es in diesem Fall darum, die konkrete Gefahr der Ausbreitung zu unterbinden (vergl. Kapitel 2.3.1). Es handelt sich dabei um eine befristete Maßnahme auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes.

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat mit Urteil vom 03.02.2011 (AZ. 13 LC 198/08) (noch nicht rechtskräftig) dieses Vorgehen entgegen anders lautender Urteile der Verwaltungsgerichte Berlin (Beschluss vom 18.2.2010 VG 3 L 35.10) und Hamburg (Beschluss vom 18.2.2009, 2 E 345/09) in Zweifel gezogen10.

Nach Ansicht des Gerichts würde durch ein derartiges Vorgehen ein faktisch-indirekter Impfzwang entstehen, obwohl sich der Gesetzgeber auch bei stark infektiösen Krankheiten - wie z. B. Masern - gerade gegen einen allgemeinen Impfzwang entschieden hat. Diese Zusammenhänge sprächen dafür, dass die von der zuständigen Behörde letztlich vorgenommene faktische Gleichstellung von Ansteckungsverdacht und Nichtimpfung Sache des Gesetzgebers und nicht der Epidemiologie sei.

Seitens der beklagten Behörde wurde die Revision in Anspruch genommen. Unabhängig von der Entscheidung des Einzelfalls ist insbesondere von übergeordnetem Interesse, ob auch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzliche Bedenken gegen die Praxis hat und gegebenenfalls gesetzgeberischen

                                                            10 Zur Begründung wurde insbesondere auf § 34 Abs. 3 IfSG Bezug genommen: „Damit (Anm.: Wortlaut § 34 Abs. 3 IfSG) wird der Sache nach der Personenkreis der "vermutlich Infizierten" vom Gesetz selbst bestimmt bzw. der Kreis der Ansteckungsverdächtigen für das Eingreifen des gesetzlichen Betretungsverbots begrenzt, freilich ohne dass in dieser Regelung der Begriff des Ansteckungsverdachts ausdrücklich verwendet wird (vgl. Bales/Baumann/Schnitzler, IfSG, 2. Aufl. 2001, § 34 Rdnr. 11). Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang auch zutreffend darauf hingewiesen, dass eine inhaltlich vergleichbare Regelung zu § 34 Abs. 3 IfSG bereits in dem Vorgängergesetz zum Infektionsschutzgesetz, dem Bundesseuchengesetz, enthalten war und dies dem Gesetzgeber bei den Gesetzesberatungen des Infektionsschutzgesetz bekannt war, ohne dass es für notwendig gehalten wurde, das gesetzliche Tätigkeits‐ und Betretungsverbot des § 34 Abs. 3 IfSG für (weitere) Kontaktpersonen über den Kreis der Mitglieder der Wohngemeinschaft, in der eine Erkrankung oder ein Krankheitsverdacht aufgetreten ist, hinaus auszudehnen.“ 

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Handlungsbedarf sieht. Für eine Klarstellung wäre eine Konkretisierung in § 28 IfSG zu erwägen. Ein entsprechender Antrag wurde in den Bundesrat eingebracht.

3.6 Fazit

Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz schreibt einen Anspruch der Versicherten auf Leistungen für Schutzimpfungen durch die gesetzliche Krankenversicherung fest. Damit kommt den Vertragsärztinnen und Vertragsärzten die wichtigste Rolle für die Information der Bevölkerung und das Erreichen guter Impfquoten zu.

Daneben spielt der Öffentliche Gesundheitsdienst, der seine Aufgaben nach dem Subsidiaritätsprinzip wahrzunehmen hat, eine bedeutsame Rolle, vor allem, wenn es um das gezielte Schließen von Impflücken geht.

Die Rolle des ÖGD, insbesondere der Gesundheitsämter, gestaltet sich in Bezug auf das Impfen durch die einzelnen ÖGD-Gesetze der Länder mit den darin enthaltenen Gewichtungen und Regelungen der Aufgabenbereiche föderal unterschiedlich. Angespannte Personalsituationen führten zudem vor Ort oft zu Auf-gabenverlagerungen und veränderten Schwerpunkten. Diese Rahmenbedingungen des ÖGD werden auch für seine zukünftige Ausrichtung im Hinblick auf das Impfen von Bedeutung sein. Das Erreichen von Impfzielen setzt einen aktiven Öffentlichen Gesundheitsdienst voraus, der vor Ort eng mit der Ärzteschaft zusammen arbeitet.

Ein gutes Zusammenwirken des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und der Krankenversicherungsträger ist ein weiterer wichtiger Faktor für die Impfförderung. Hier gibt es noch deutliche Verbesserungsmöglichkeiten.

Insgesamt hat der ÖGD nach wie vor eine wichtige Rolle bei der Sicherstellung eines hohen Niveaus des Gesundheitsschutzes. Beispiele dafür bieten das Management lokaler Ausbrüche, das Aufspüren und Schließen von bestehenden Impflücken zum Beispiel im Rahmen der Schuleingangsuntersuchungen und der Aufgabenwahrnehmung des Kinder- und Jugenddienstes oder auch die Ansprache von Zielgruppen mit sprachlichen und kulturellen Barrieren.

Der ÖGD hat bei der Bewältigung von besonderen Seuchenlagen, zuletzt am Beispiel der zurückliegenden Influenzapandemie A(H1N1) 2009, seine große Bedeutung bei der Sicherstellung des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung unter Beweis gestellt.

Dabei kam dem ÖGD eine wichtige koordinierende Rolle im Zusammenspiel der verschiedenen Akteurinnen und Akteure zu, in einigen Ländern unterstützte er darüber hinaus die Ärzteschaft auch aktiv beim Impfen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach der zukünftigen Ausrichtung des ÖGD und seiner Aufgabenwahrnehmung beim Thema Impfen. Die 2. Nationale Impfkonferenz hat diese Frage aufgegriffen und die unterschiedlichen Erwartungen

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und Möglichkeiten diskutiert. Die Ergebnisse dieser Diskussionen machen deutlich, dass zum Erreichen von Impfzielen ein starker ÖGD als Partner der Ärzteschaft und zur Koordination der Impfaktivitäten vor Ort gebraucht wird. Zum Bewältigen von Krisen muss darüber hinaus geprüft werden, ob und wie der ÖGD bundesweit auch zukünftig seine Impf-Kompetenz erhalten kann, um aktiv subsidiär impfen zu können.

Zahlreiche Aktivitäten auf Bundes- und Landesebene fördern bereits durch verschiedene Aufklärungsangebote die Impfakzeptanz, verbessern mittels Erhebungen die Datenlage oder dienen dem Schließen von Impflücken bzw. der Ausbruchsbekämpfung. Diese Wege sollen auch zukünftig weiterverfolgt werden.

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4 Information und Aufklärung

4.1 Kommunikationsstrategien

4.1.1 Einfluss auf die Impfentscheidung

Die Ablehnung oder Akzeptanz von Impfungen ist durch einen multifaktoriellen und komplexen Prozess bedingt. Dieser ist von einer Reihe von strukturellen und organisatorischen Faktoren im Gesundheitswesen, aber auch von sozialen, historischen, kulturellen, ideologischen, psychologischen und anderen Faktoren abhängig. Menschen fällen dabei nicht nur Impfentscheidungen, die sie selbst betreffen, sondern übernehmen mit ihren Entscheidungen direkte Verantwortung z. B. für ihre Kinder oder indirekt für ihr Umfeld, wie z. B. ihre Arbeitskollegen oder die Kindergartengruppe ihres Kindes.

Soziale Faktoren wie Schichtzugehörigkeit, Einkommen, Bildungsabschluss, Nationalität und familiäre Merkmale (z. B. alleinerziehende Eltern, Kinderzahl, Geschwisterrang und Alter der Eltern) haben darüber hinaus einen Einfluss auf die Höhe der Impfbeteiligung (1).

Impfentscheidungen fallen dabei in einem zunehmend komplexeren Informationsumfeld. Unterschiedliche Informationsbedürfnisse können kaum mehr durch eine einkanalige Kommunikationsstrategie abgedeckt werden..

Vor allem Beratung und Information durch die betreuenden Ärztinnen und Ärzte spielen eine zentrale Rolle bei der Impfentscheidung. Von sehr großer Bedeutung für die Impfbeteiligung ist daher die Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen mit direktem Arztkontakt; Kinder mit unvollständigen Vorsorgeuntersuchungen sind häufiger unzureichend geimpft.

Die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und die Bewertung der Maßnahme durch öffentliche Meinungsbildner, insbesondere auch Ärzte und Hebammen, spielen bei der Akzeptanz von Impfungen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Ein Einbinden der relevanten Akteurinnen und Akteure in der Impfprävention und eine breite Konsensfindung über die Bedeutung der jeweiligen impfpräventablen Maßnahmen muss daher jeweils aufs Neue mit den Meinungsbildnern ausgehandelt bzw. bestärkt werden.

Von jungen Eltern werden zudem nahe Familienangehörige oder soziale Kontakte als wichtige Informationsquellen zu Impffragen genannt (2).

Grundlage einer erfolgreichen Kommunikationsstrategie zum Impfen ist das Vertrauen in die Impfung, aber auch in die Institutionen, die für die Impfung stehen. Das Vertrauen kann dabei jedoch Argumente nicht ersetzen, weshalb die Grundlage einer jeden Kommunikation überzeugende, auch die emotionale Ebene

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ansprechende Botschaften auf Basis gründlich und evidenzbasiert erarbeiteter Impfempfehlungen sein müssen.

Bei hohen Erkrankungsraten besteht in der Bevölkerung eine hohe Bereitschaft zur Impfung. Erfolgreiche Impfprävention führt dazu, dass Infektionskrankheiten aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verschwinden, in dem sie – gerade aufgrund der Wirkung von Impfungen – seltener auftreten. Durch Rückgang der Erkrankungszahlen werden impfpräventable Infektionskrankheiten daher in der Bevölkerung nicht mehr als bedrohlich wahrgenommen, mögliche seltene Nebenwirkungen von Impfungen jedoch überbewertet. Das führt dazu, dass die Wahrnehmung des Impf-Nutzens in den Hintergrund gedrängt und die Risikowahrnehmung für unerwünschte Wirkungen geschärft wird. Das ist eine der Ursachen, weshalb die Nebenwirkungen präventiver und therapeutischer Interventionen heute eine höhere Aufmerksamkeit genießen als deren Nutzen und zunehmend weniger toleriert werden. Das trifft in besonderem Maße auf Impfungen zu, zumal diese in der Regel Gesunden verabreicht werden.

Mit fallenden Erkrankungsraten und vermehrt wahrgenommenen Nebenwirkungen von Impfungen sinkt das Vertrauen in Impfungen. Ein weiterer Anstieg der Impfquoten bei bereits erreichter hoher Durchimpfung erfordert dann vermehrte Anstrengungen und mehr Ressourcen als die Einführung eines wirksamen Impfstoffs in epidemischen Zeiten. Wenn impfpräventable Erkrankungen durch Impfungen selten geworden oder regional eliminiert sind, wird es zunehmend schwieriger, das Ausmaß und die Bedrohlichkeit der Erkrankung zu belegen. Impfkritische Einstellungen in Zeiten niedriger Erkrankungsraten erfordern deshalb ein vermehrtes Maß an Aufklärung und Kommunikation über das geringe Risiko und den hohen Nutzen sowie die fortbestehende Notwendigkeit von Impfungen. Kommunikation und Aufklärung sowie evidenzbasierte Begründungen für Impfempfehlungen und eine transparente Information über seltene, aber vorhandene Nebenwirkungen von Impfungen sind deshalb ein wichtiger Faktor für die Umsetzung der Impfprävention im 21. Jahrhundert (3).

4.1.2 Kommunikationsstrategie

Die klassische Gesundheitserziehung in Form von Belehrung oder reiner Informationsvermittlung hat sich als weitgehend wirkungslos erwiesen und ist nicht mehr zeitgemäß. Voraussetzung für die Akzeptanz primärpräventiver Maßnahmen ist ein zielgruppenspezifischer Ansatz, der die individuellen Wissens- und Einstellungsfaktoren, die Ursachen für mögliche Verhaltenshemmnisse und die Bewältigungsressourcen berücksichtigt. Zur Beschreibung der Entwicklung und der Stabilisierung von Gesundheitsverhalten existieren zahlreiche psychologische und soziologische Erklärungsmodelle sowie Ansätze aus der Markt- und Kommunikationsforschung (4).

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Beispielsweise kann das aus den fünfziger Jahren stammende und immer wieder modifizierte ‘Health-Belief-Modell’ nach Rosenstock - das auch am häufigsten auf die Anwendbarkeit bei der Impfprävention empirisch überprüft worden ist (5) – als Erklärungsansatz für Verhaltensänderungen herangezogen werden. Nach diesem Modell wird die Entscheidung zu präventivem Verhalten durch ‘Health Beliefs’, d. h. persönliche Bewertungen beeinflusst, die im Wesentlichen durch die Risikoeinschätzung, eine wahrgenommene persönliche Gefährdung, die Bewertung der Vorteile einer Verhaltensänderung sowie durch die Höhe der dafür zu überwindenden Hindernisse und durch soziale und externe Einflüsse bestimmt werden.

Beim Impfen ist ‚persönliche Betroffenheit‘ ein wesentliches Entscheidungskriterium. Entsprechend kann Impfen umso selbstverständlicher zu einer präventiven Verhaltensmaßnahme werden:

• je größer das Wissen über Impfungen sowie die Gefährlichkeit und die Eintretenswahrscheinlichkeit von Infektionskrankheiten ist

• je höher eine persönliche Infektionsgefahr gesehen wird

• je höher der Nutzen von Impfungen bewertet wird

• je geringer die zu überwindenden Barrieren empfunden werden (z. B. Angst vor Impfkomplikationen und Impfschäden; notwendiger Arztbesuch; Furcht vor Injektionen)

• je häufiger negative Erlebnisse und Erfahrungen mit Infektionskrankheiten durch unterlassene Impfungen gemacht wurden

• je intensiver positive Erfahrungen mit Impfungen überwiegen und

• je mehr soziale Bezugspersonen Impfen als Präventionsmaßnahme positiv bewerten.

Bei der Konzeption von personalkommunikativen Informationsstrategien sollten die Erkenntnisse des Health-Belief-Modells mit berücksichtigt werden. Geeignete Kommunikationsstrategien für vermehrte Impfungen setzen das Wissen über mögliche Ursachen und Hindernisse mangelnder Impfakzeptanz sowie über Einflussfaktoren für eine positive Impfentscheidung voraus. Angewandt auf die bevölkerungsbezogene Impfprävention müsste vor der Einleitung von Maßnahmen erst eine exakte soziale und epidemiologische Analyse der Situation erfolgen, Multiplikatoren müssten identifiziert, der Handlungsbedarf und Impfziele formuliert und nach Implementierung des Programms wäre der Erfolg der Interventionen kontinuierlich zu evaluieren.

Eine allgemeine Information über Massenmedien und Aktionstage kann das Interesse am Thema Impfungen wecken und individuelle Betroffenheit erzeugen, z. B. können aufmerksamkeitsstarke Plakataktionen mit starken und überzeugenden Botschaften das Bewusstsein für impfpräventive Maßnahmen fördern. Um eine hohe

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Effektivität zu erzielen, müssen diese von weiteren Maßnahmen begleitet sein, damit es zu einer tatsächlichen Steigerung der Durchimpfung kommt. Für Verhaltensänderungen sind zielgerichtete, personalkommunikative Strategien über persönliche Ansprache oder Anschreiben besonders zielführend. Auch umfassende Interventionsansätze können dabei nur erfolgreich sein, wenn sie wissenschaftlich gesichert und ausgewogen informieren. Informationen zu Impfungen müssen dabei zielgruppenspezifisch und somit verständlich vermittelt werden. Eine gestaffelte Informationsvermittlung sollte dabei nicht nur den wenig interessierten Laien, sondern auch den gut informierten Experten an seinem jeweiligen Wissensstandort abholen.

Auf nationaler Ebene verfolgt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) als Fachbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit u. a. die Aufgabe, eine bundesweite Aufklärungskampagne zur Information, Motivation und Kompetenzförderung der Bevölkerung im Themenbereich Infektionsschutz durch Impf- und Hygieneaufklärung durchzuführen. Darüber hinaus werden verschiedene Kommunikationsaktivitäten von Ländern, Gemeinden, Kassenverbänden und Ärzteschaft realisiert. Ziel ist die Schaffung einer einheitlichen, bundesweiten Aufklärungsstrategie. Hierfür ist im föderalen, subsidiären und pluralistischen System Deutschland ein hohes Maß an Koordination und Kooperation in der Impfprävention erforderlich. Nur eine Partizipation aller Akteure macht Synergieeffekte möglich und kann gewährleisten, dass verlässliche und gesprächsbereite Multiplikatoren zur Verfügung stehen. Eine erfolgreiche Kommunikation in der Impfprävention sollte sich nicht an einem schnellen Erfolg, sondern an der nachhaltigen Steigerung der Durchimpfung und dem Erhalt hoher Impfquoten in den Zielgruppen orientieren.

4.2 Botschaften und Ziele

Eine erfolgversprechende Information zum Impfen sollte – gestützt auf entsprechende Daten – die folgenden Inhalte vermitteln:

• Impfungen schützen vor schwerwiegenden Infektionskrankheiten und beugen der Ausbreitung dieser Krankheiten vor.

• Schwere Nebenwirkungen durch Impfungen sind sehr selten. Im Vergleich zu den Risiken einer Erkrankung ist das Risiko einer Impfung deutlich geringer.

• Eine vollständige und zeitgerechte Durchimpfung und Auffrischung ist für den wirksamen individuellen Infektionsschutz entscheidend.

• Viele Impfungen schützen nicht nur den Einzelnen (Individualschutz), sondern auch das Umfeld (Kollektivschutz), insbesondere vulnerable Gruppen, die nicht geimpft werden können.

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Ziel der Information sollte es sein, die Aufmerksamkeit für das Thema Impfen zu erhöhen und das Vertrauen in das Impfwesen zu stärken. Dabei ist es wichtig, Grundwissen zum Impfen sowie Verständnis und Orientierung über wichtige Impfungen zum Individual- und Kollektivschutz zu vermitteln. Dazu sind Gesprächsleitfäden für (Kinder-und Jugend-) Ärzte gerade auch im Umgang mit häufig gestellten Fragen (impfskeptischer) Eltern hilfreich.

Zur Frage, wie eine sinnvolle Aufklärung aussehen könnte, gibt es unterschiedliche Ansichten. Ist eine „sanfte, positive Informationsstrategie“, die über den Nutzen von Impfungen aufklärt, erfolgversprechender oder erreicht man durch drastische Darstellungen der Gefährlichkeit von Krankheiten die Bevölkerung nachhaltiger?

Die Erfahrung zeigt, dass eine sachliche und ausgewogene Argumentation das Ziel wohl am besten erreicht, Die geschätzten 3 % bis 5 % echter Impfgegner lassen sich wohl mit keiner Strategie überzeugen.

Der Impfkalender der STIKO mit seinen einzelnen Empfehlungen zur Grundimmunisierung und Auffrischimpfung ist in den Massenmedien nur eingeschränkt kommunizierbar, auch weil die Empfehlungen sich immer wieder leicht ändern können. Besonders bei Familien mit mehreren Kindern erfordert jede Impfung eine individuelle Aufklärung und Beratung durch die Ärztin oder den Arzt.

Eine Impfkampagne sollte daher zunächst gezielt impfende Ärztinnen und Ärzte ansprechen. Wenn die Ärzteschaft vorbereitet, informiert und motiviert ist, fördert das die anschließende Ansprache der Allgemeinbevölkerung bzw. der verschiedenen Teilzielgruppen. Sie sollte außerdem nicht impfende oder impfkritische Ärztinnen und Ärzte einbeziehen.

4.2.1 Zielgruppenansprache

Multiplikatorenansatz

Als weitere Multiplikatoren können zum Beispiel Hebammen, Familienbetreuer, Pflegekräfte, Betreuungspersonen in Kindertagesstätten, die Lehrerschaft und Freizeitleiterinnen und -leiter und auch Apotheker/innen oder Reiseveranstalter gesehen werden.

Es sollte im hohen Interesse bestimmter Einrichtungen, z. B. denen der medizinischen Versorgung oder pflegerischen Betreuung liegen, dass sowohl die betreuten Personen als auch ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausreichend geimpft und damit geschützt sind. So stellt eine Influenzaimpfung nicht nur für die Pflegekraft, sondern auch für die betreuten Personen eine wichtige präventive Maßnahme dar. Das gilt ebenso für Gemeinschaftseinrichtungen, in denen überwiegend Säuglinge, Kinder oder Jugendliche betreut werden. Ihnen schreibt das Infektionsschutzgesetz ganz konkret die Aufgabe zu, die betreuten Personen und deren Sorgeberechtigte über die Bedeutung eines vollständigen, altersgemäßen,

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nach den Empfehlungen der STIKO ausreichenden Impfschutzes aufzuklären (§ 34 Abs. 10 IfSG).

Sorgeberechtigte

Eltern bzw. Sorgeberechtigte sind die zentrale Zielgruppe bei der Kommunikation zu den Impfungen im Kindes- und frühen Jugendalter. Die Maßnahmen zur Impfaufklärung müssen sich daher in erster Linie an die Eltern wenden, die bereits bei Geburt ihres Kindes über den Nutzen von Schutzimpfungen aufgeklärt werden sollten. Hierfür sollten Eltern möglichst in sämtlichen Medien zur Kindergesundheit von Bund, Ländern, Kommunen oder Krankenkassen die gleichen Informationen erhalten. Die BZgA hält zum Beispiel eine solches produktneutrales Informationsangebot für Eltern unter www.kindergesundheit-info.de vor. Insbesondere Eltern mit hohem Sozialstatus sollen künftig verstärkt angesprochen werden, weil sie meist ein großes Informationsbedürfnis haben, das häufig aus einer impfkritischen Einstellung mit entsprechenden Vorbehalten resultiert.

Jugendliche

Um Jugendliche direkt anzusprechen, ist die Entwicklung einer speziell auf 12- bis 17-Jährige abzielende Kommunikationsstrategie notwendig. Als Anlass für die Durchführung von Auffrischimpfungen bzw. Schließung von Impflücken bietet sich hier die Jugendgesundheitsuntersuchung J1 an, die bundesweit verstärkt beworben wird (6).

Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund

Eine besondere Zielgruppe stellen Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund dar, die selbst im Ausland geboren wurden und deren Familien nach Deutschland eingewandert sind. Sie weisen häufiger Impflücken auf und sind mit Präventionsangeboten teils schwerer zu erreichen, wenn sie aufgrund von sprachlichen, kulturellen und sozialen Barrieren einen schlechteren Zugang zu Gesundheitsinformationen und –angeboten haben. Um diese Zielgruppe zu erreichen sind daher Zugänge über Wohlfahrtsverbände, (Sozial-) Ämter, Kindergärten und Schulen vor Ort oder die Kooperation mit muttersprachlichen Meinungsbildner notwendig. Auch eine Steigerung der Inanspruchnahme von Kinder-Früherkennungsuntersuchungen durch Migrantenfamilien kann die Impfquoten in dieser Zielgruppe steigern helfen, indem sie zum Anlass genommen werden, auf Impfungen hinzuweisen und ggf. Impflücken zu schließen. Die Einführung des verbindlichen Einladungswesens zur Teilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen für Kinder durch die Bundesländer leistet hierzu einen wichtigen Beitrag.

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Erwachsene

Für empfohlene Impfungen im Erwachsenenalter sollte angestrebt werden, dass reguläre Arztkontakte – neben Früherkennungsuntersuchungen im Erwachsenenalter oder den Gesundheits-Check-ups - regelmäßig zur Prüfung des Impfstatus sowie zur Beratung und Information über Schutzimpfungen genutzt werden, um Impflücken zu schließen. Auch die betriebsärztlichen Untersuchungen, zum Beispiel anlässlich einer Einstellung sollte regelmäßig zur Beratung und Information über Schutzimpfungen genutzt werden.

4.2.2 Qualitätssicherung und Evaluation der Impfaufklärung

Qualitätssicherung bedeutet die Sicherstellung eines angestrebten und durch den Einsatz geeigneter Mittel herstellbaren Qualitätsniveaus von Produkten, Prozessen oder Dienstleistungen.

Ein Rahmenmodell zur Abbildung der kontinuierlichen Verbesserung von Interventionsqualität im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention ist die Spirale der Qualitätsverbesserung (s. Abb.), aufbauend auf dem Public Health Action Cycle.

Abb. 1: Public Health Action Cycle

Voraussetzung für den Erfolg einer nationalen Impfkampagne ist ein hohes Maß an Planungsqualität der Kampagne. Als Datenbasis für die Situationsanalyse sowie für ein kontinuierliches Monitoring bieten sich Repräsentativerhebungen zu Wissen, Einstellung und Verhalten zum Impfen an, wie es die BZgA beispielsweise mit der Elternbefragung in 2010 begonnen hat (7).

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Um die gewünschten Effekte der einzelnen Kampagnenmaßnahmen sicher zu stellen, können die Kommunikationsangebote im Verlauf der Entwicklung durch Medienevaluationen empirisch geprüft werden. Die Messung und Bewertung von

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Ergebnissen der Maßnahmen ermöglicht eine Entscheidung über eine ggf. notwendige Anpassung der Strategie bzw. der Maßnahmen, sodass der Zyklus auf einem gesteigerten Qualitätsniveau mit höherem Wirkungsgrad von Neuem beginnt.

4.3 Aus- und Fortbildung der Ärzteschaft und des medizinischen Assistenzpersonals

Die Ärzteschaft und das medizinischen Assistenzpersonals haben für die Akzeptanz und Durchführung von Impfungen die größte Bedeutung. Deshalb ist es ganz besonders wichtig, dass sie sehr gut informiert sind. Dazu ist eine fundierte Ausbildung zum Thema erforderlich und ein regelmäßiges Fortbildungsangebot zur Entwicklung von Impfstoffen und zu aktuellen Impfempfehlungen.

Ausbildungsinhalte für Ärztinnen und Ärzte werden vom Bundesministerium für Gesundheit in der Approbationsordnung (ÄAppO 2002) festgelegt. Die Facharztweiterbildung wiederum obliegt den Landesärztekammern, wofür die Bundesärztekammer in 2010 eine Musterweiterbildungsordnung beschlossen hat, an der sich die Weiterbildungsordnungen der Länder orientieren sollen.

Die Landesärztekammern gehen davon aus, dass es sich bei der Impfleistung um eine Tätigkeit handelt, die im Rahmen der ärztlichen Ausbildung erlernt wird. Sie sei keine fachärztliche Tätigkeit, die erst im Rahmen der ärztlichen Weiterbildung erlernt wird. Damit sind alle approbierten Ärztinnen und Ärzten grundsätzlich berechtigt, Impfungen durchzuführen.

Vor diesem Hintergrund haben Umfang und Qualität der universitären Ausbildung zum Thema Impfen eine große Bedeutung. Bisher hat der Verordnungsgeber einen ‚Impfkurs’ nicht ausdrücklich in die ÄAppO aufgenommen. Die Bundesärztekammer sah hier im Jahr 2008 einen Regelungsbedarf: „Dennoch will die Bundesärztekammer erneut an das Bundesgesundheitsministerium herantreten mit der Bitte, die Approbationsordnung zu ändern. Aufgenommen werden soll ein obligater Impfkurs, um die Qualität der Ausbildung in diesem Bereich zu verbessern und Ärztinnen und Ärzten die Bedeutung des Impfens bereits während des Studiums zu verdeutlichen“. Auch viele Landesärztekammern setzen sich für eine entsprechende Novelle der Approbationsordnung ein, um allen angehenden Ärztinnen und Ärzten die Möglichkeit zu geben, Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten im Impfen zu erwerben.

Nach dem Einstieg ins Berufsleben bleibt die Fortbildung ein immanenter Bestandteil der ärztlichen Berufsausübung. Sowohl in der Berufsordnung11 als auch im SGB V ist die Fortbildungspflicht festgeschrieben. Ärztinnen und Ärzte müssen den regelmäßigen Besuch von durch die Kammern zertifizierten und mit Punkten

                                                            11 (Muster‐) Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte (Stand 2006) 

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bewerteten Fortbildungen nachweisen. Innerhalb eines gesetzlich vorgesehenen Zeitraumes von 5 Jahren müssen sie eine bestimmte Punktzahl für Fortbildungen erreichen. Damit sollen der Erhalt und die dauerhafte Aktualisierung der fachlichen Kompetenz gewährleistet werden. Die Landesärztekammern bieten daher auch regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen zum Impfen an, die produktneutral gestaltet sein sollen. Wünschenswert ist die Entwicklung darüber hinausgehender Informationsangebote, die eine zeitnahe, unkomplizierte und wenig zeitintensive Weitergabe von Informationen zum Beispiel zu neuen Empfehlungen der STIKO und neuen pharmazeutischen Entwicklungen erfolgen kann (z. B. email-Abonnement).

In einigen Ländern bestehen Sonderregelungen. Dort ist die Teilnahme an zertifizierten Fortbildungsveranstaltungen verpflichtend, um Impfleistungen abrechnen zu können. Vorausgesetzt werden Grundkurse und regelmäßige Auffrischungskurse (z. B. Mecklenburg-Vorpommern).

Von großer Bedeutung ist daneben die Rolle des medizinischen Assistenzpersonals, da dieses in der Regel häufiger und auch länger im Kontakt zu Patientinnen und Patienten steht als Ärztinnen und Ärzte. Diese Zeit kann zur Erinnerung an den Impfpass und zur ersten Kontrolle vorhandener Impfungen genutzt werden. Deshalb sind dementsprechende Inhalte in der Ausbildungsordnung für Pflegeberufe, aber auch in der Ausbildung von medizinischen Fachangestellten zu fordern. Darüber hinaus sollte ein regelmäßiges Fortbildungsangebot auch für diesen Personenkreis etabliert werden, um die Sensibilität für das Thema Impfen zu erhalten und die Aktualität des Wissens zu sichern.

4.4 Öffentlichkeitsarbeit der pharmazeutischen Industrie

Der Beitrag der Impfstoffhersteller bei der Kommunikation zum Thema Schutzimpfungen wird kontrovers diskutiert. Sie bieten umfangreiche Fachinformationen an, spielen eine wichtige Rolle im Rahmen ärztlicher Fortbildungsveranstaltungen und unterstützen mit Material und Kampagnen die Aufklärung der Bevölkerung. Grundsätzlich wird das Ziel verfolgt, mögliche Hürden und Informationsdefizite auf dem Gebiet der Schutzimpfungen abzubauen.

Die Impfstoffhersteller geben an, dass es ihr Ziel ist, die Aufmerksamkeit und das Bewusstsein für Schutzimpfungen in der Bevölkerung zu verbessern und sie sich selbst zu ausgewogener, objektiver und vollständiger Information verpflichtet fühlen.12

Gleichzeitig stellt jedes Engagement der Impfstoffhersteller auch eine Art von Produktwerbung dar. Der daraus erwachsende Interessenkonflikt führt zu Skepsis in der Bevölkerung und Fachöffentlichkeit.                                                             12 Die Firmen GlaxoSmithKline, Novartis, Pfizer und Sanofi Pasteur MSD haben sich als Mitglieder des vfa im Rahmen der freiwilligen Selbstkontrolle für Arzneimittelindustrie (FSA Kodex) bereits seit 2004 öffentlich zu ausgewogener, objektiver und vollständiger Information verpflichtet. 

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Zu prüfen wäre inwieweit finanzielle Mittel der Impfstoffhersteller z. B. über einen neutral verwalteten Fonds zur Finanzierung unabhängiger Informationsmaterialien genutzt werden könnten.

4.5 Rolle des Internets als Forum für Impfkritik

Impfkritische Informationen werden im Internet sowohl von Impfskeptikern als auch von Impfgegnern eingestellt.

Echte Impfgegner sind häufig aus religiösen und ideologischen, aber auch aus esoterischen oder alternativ-medizinischen Gründen gegen Impfungen eingestellt. Impfskeptiker lehnen Impfungen nicht prinzipiell ab, sondern vertreten spezielle Ansichten über den Zeitpunkt, die Impfstrategie, ihre Wirksamkeit, Sicherheit und ihre Nebenwirkungen. Sie sind häufig alternativ-medizinisch orientiert (8).

Impfgegner kann man argumentativ in der Regel nicht überzeugen. Der Dialog mit Impfskeptikern ist ein wichtiger Schritt, um sich mit deren Zweifeln und Thesen auseinanderzusetzen. Denn ihre Argumente tragen auf deren Internetforen zu einer spürbaren Verunsicherung insbesondere in intellektuellen Kreisen bei.

Das Internet als Plattform für Gesundheitsinformationen - Spezifika

Etwa jeder dritte Bundesbürger nutzt mindestens einmal im Monat das Internet, um sich über Gesundheitsfragen zu informieren, Tendenz steigend (9). Die Qualität des Inhalts variiert dramatisch, so konnten beispielsweise nur auf 51 % britischer Internetseiten korrekte Informationen über den fehlenden Zusammenhang zwischen der Masern-, Mumps- und Röteln-Impfung und Autismus gefunden werden (10). Dieses Problem verschärft sich, seit technische Entwicklungen es praktisch jedem Benutzer erlauben, eigene Beiträge zu verfassen und so an (Gesundheits-) Diskussionen, die auch häufig in Empfehlungen münden, aktiv teilzunehmen. Durch die Entwicklung des sogenannten „E-health-Bereichs“ gibt es eine Tendenz weg von statistischen Informationen hin zu mehr personalisierten Informationen und Blogs.

Häufigkeit und Inhalt impfkritischer Internetseiten

Eltern möchten nur das Beste für ihre Kinder und sind in ihrer Sorge um deren Gesundheit besonders sensibel. Wenn sie nicht völlig überzeugt vom Impfen sind, suchen sie nach Argumenten, um eine eigene Nutzen-Risiko-Bewertung vornehmen zu können. Sie suchen besonders häufig Informationen im Internet, und zwar unter Verwendung relativ einfacher Suchworte (z. B. „impfen“ statt „Sechsfachimpfung“). Die Eingabe einfacherer Suchworte erhöht die Wahrscheinlichkeit, impfkritische Internetseiten zu finden (11). Wenn Eltern das Suchwort „impfen“ googeln, sind unter den ersten 30 Treffern zwar insbesondere neutral-informierende Informationen zum

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Thema zu finden13 (12); nur 10 % der Seiten weisen einen impfkritischen Inhalt auf. Diese augenscheinlich geringe Menge an Seiten täuscht, denn impfkritische Information ist bereits unter den ersten 3 bis 5 Treffern vorhanden, was ihre Selektionswahrscheinlichkeit erhöht. Außerdem sind die Seiten sehr gut untereinander vernetzt, 100 % weisen Links zu anderen impfkritischen Webseiten auf (13). Was den Inhalt betrifft, so zeigen Analysen impfkritischer Internetseiten, dass ebenfalls 100 % der Seiten eine kausale Verbindung zwischen Impfungen und verschiedenen Krankheiten aufmachen (z. B. Multipler Sklerose, Autismus, Asthma, plötzlichem Kindstod). Immer wiederkehrende typische Argumente werden erläutert (z. B. Impfungen verursachen die Krankheiten, gegen die sie schützen sollen, sie enthalten zu viele krankmachende Inhalts- und Konservierungsstoffe, überlasten v. a. in Kombination mit anderen Impfstoffen das kindliche Immunsystem, etc.). Ein wesentliches gestalterisches Merkmal ist die Verwendung von Einzelfallschilderungen auf den analysierten Seiten, sei es in Form von Bildern (auf 55% der Seiten) oder Geschichten (88% der Seiten) von Kindern, die einen gesundheitlichen Schaden erlitten haben, der einer Impfung angelastet wird. (13).

Der Erfolg solcher impfkritischer Internetseiten wird durch die Tatsache gefördert, dass Eltern bei der Informationssuche zu gesundheitlichen Themen offensichtlich eine Vorliebe für persönliche Informationen haben - „von Eltern für Eltern“: Schon werdende Eltern suchen v. a. Internetforen auf, bei denen sie Beiträge veröffentlichen können, auf die andere Eltern antworten. So entsteht eine Art Kommunikationsbaum, der alle veröffentlichten Beiträge mit Antworten dokumentiert. Die Informationen, die dort zu finden sind, sind nur zu etwa 20 % Sachinformationen (14), bei rund Zweidrittel der Informationen handelt es sich um persönliche und emotionale Schilderungen. Alles in allem führt also zum einen eine Google-Suche schnell auf impfkritische Seiten, auf denen Einzelfallberichte und kritische Argumente zuhauf zu finden sind, zum anderen führt die Beteiligung an Internetforen zu einer hohen Menge an persönlichen und emotionalen Informationen, v. a. auf der Basis von Einzelfallschilderungen. Der folgende Abschnitt zeigt, wie diese Informationen sich auf die Risikowahrnehmung und Impfintentionen auswirken.

Wirkung impfkritischer Internetseiten

Bereits eine kurze Suche (5 bis 10 Minuten) auf impfkritischen Seiten im Internet kann zu einer erheblichen Veränderung in der Risikowahrnehmung führen: Impfrisiken werden als höher, das Risiko einer unterlassenen Impfung als geringer eingeschätzt (15). In der Folge sinkt die Impfintention. Eine Analyse der Internetseiten ergab, dass die wahrgenommene Bedrohlichkeit der Seite die Risikoeinschätzung beeinflusst. Die Bedrohlichkeit wurde insbesondere auf der impfkritischen Seite als hoch eingeschätzt, und wurde vor allem durch die Veröffentlichung von Einzelfallberichten beeinflusst, also von persönlichen                                                             13 Stand Frühjahr 2010 

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Schilderungen von erlebten, angeblichen Impfschäden. In weiteren Studien zeigte sich, dass trotz gleichzeitig vorliegender (anderslautender) statistischer Information die Risikourteile hauptsächlich auf die Einzelfallberichte zurückzuführen waren; das heißt je mehr Einzelfallberichte über Impfschäden gelesen wurden, um so höher wurde das Impfrisiko eingeschätzt (16).

Eine erhöhte Wahrnehmung von Impfrisiken hat auch spürbare langfristige Effekte (15). Die Risikowahrnehmung, die aus einer Informationssuche im Internet resultierte, wurde in Beziehung zu fünf Monate später erfassten Variablen gesetzt. Die Ergebnisse zeigen, dass Impfkomplikationen oder Impfschäden auch nach fünf Monaten als wahrscheinlicher und schwerwiegender eingeschätzt werden, wenn die Risikowahrnehmung hoch war; Informationen wurden aktiv aufgesucht, die die Idee bekräftigen, dass Impfen schadet (z. B. durch kritische Diskussionen mit dem Kinderarzt, durch weitere Internetrecherchen mit Fokus auf persönliche Berichte und Statistiken). Personen, die nach der Informationssuche das Impfrisiko als besonders hoch einschätzten, ließen ihre Kinder weniger impfen. Wenn Eltern hingegen durch die Informationssuche den Eindruck gewonnen hatten, dass Nichtimpfen zu erheblichen Risiken führt, wiesen deren Kinder in einer Studie nach fünf Monaten einen besseren Impfschutz auf. Außerdem zeigte sich, dass jede Form der aktiven Informationssuche mit erhöhter Unsicherheit bei der Impfentscheidung verbunden war (15).

Impfkritische Internetseiten scheinen eine eher indirekte Wirkung auf das Impfverhalten zu haben; sie erhöhen zwar langfristig nicht unbedingt die Risikowahrnehmung, ein kurzfristig als erhöht wahrgenommenes Risiko führt jedoch zu verändertem Suchverhalten und langfristig zu einer veränderten Wahrnehmung des Impfens und des Impfverhaltens. Da das subjektive empfundene Impfrisiko einen vergleichsweise starken Einfluss auf die Intention hat, sollte es zunehmend Beachtung finden.

4.6 Fazit

Von zentraler Bedeutung für die Impfakzeptanz ist eine einheitliche, umfassende, transparente und glaubwürdige Kommunikation, die auch die Basis für die Vermittlung von Impfzielen darstellt.

In Kapitel vier wird verdeutlicht, wie wichtig eine gemeinsame Strategie aller Akteurinnen und Akteure von Bund, Ländern, Gemeinden, Kassenverbänden und Ärzteschaft sowie eine bundesweit abgestimmte Aufklärungs- und Informationsarbeit sind, um gemeinsame Impfziele erreichen zu können. Zur Abstimmung aller Beteiligten sollten die Nationalen Impfkonferenzen genutzt werden.

Im föderalen und pluralistischen System Deutschlands ist dabei ein hohes Maß an Koordination und Kooperation mit allen Akteuren in der Impfprävention erforderlich,

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um widerspruchsfreie Botschaften vermitteln zu können. Nur die Teilnahme vieler Organisationen und Einrichtungen macht Synergieeffekte möglich und kann gewährleisten, dass verlässliche und gesprächsbereite Multiplikatoren zur Verfügung stehen. Eine erfolgreiche Kommunikation in der Impfprävention sollte sich nicht an einem schnellen Erfolg, sondern an der nachhaltigen Steigerung der Durchimpfung und dem Erhalt hoher Impfquoten in den Zielgruppen orientieren. Die zunehmende Bedeutung der Rolle des Internets als Informationsplattform ist dabei besonders zu berücksichtigen.

Ein weiteres vordringliches Thema ist die Gestaltung der Aus- und Fortbildung – sowohl des ärztlichen Personals als auch des medizinischen Assistenzpersonals. Von impfenden Ärztinnen und Ärzten ist einerseits eine hohe fachliche Kompetenz zu fordern, andererseits sollten keine zusätzlichen Hürden für die Durchführungen von Impfungen aufgebaut werden. Um eine klare Regelung zu erreichen, sollte das Impfen als Ausbildungsinhalt in der Approbationsordnung für Ärzte verankert und dafür ein entsprechender Appell der Länder an das BMG gerichtet werden. Damit wirklich jeder Arztkontakt zur Kontrolle von Impfausweisen genutzt werden kann, sollte auch das medizinische Assistenzpersonal entsprechend geschult sein, denn es spielt in der Patientenbetreuung eine wichtige Rolle und soll unterstützend tätig werden – hierfür sind entsprechende Fortbildungsangebote erforderlich.

Fortbildung und Aufklärung kosten Geld. Es sollte geprüft werden, in welcher Form auch Mittel von Impfstoffherstellern für die Produktion produktneutraler, kreativ aufbereiteter Informationen für Bevölkerung und medizinisches Personal genutzt werden können.

Der Dialog mit Menschen, die Impfungen kritisch oder skeptisch gegenüberstehen, bleibt eine aktuelle Herausforderung. Auch wenn es sich insgesamt um eine eher kleine Gruppe handelt, wie die Impfquoten der Kinder aus den Schuleingangs-untersuchungen belegen, verschaffen sie sich gerade mit Hilfe neuer Kommuni-kationsmedien wie Internetforen eine große Plattform. Die Wirkungen darauf werden hier beschrieben. Dieser Dialog muss weiterhin geführt und passende Antworten müssen gefunden werden.

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Literaturverzeichnis

(1) Poethko-Müller C, Kuhnert R, Schlaud M (2007): Durchimpfung und Determinanten des Impfstatus in Deutschland. Ergebnisse des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS). Bundesgesundheitsblatt- Gesundheitsforschung- Gesundheitsschutz; 50: 851-862.

(2) Meyer C, Reiter S (2004): Impfgegner und Impfskeptiker. Bundesgesundheitsblatt- Gesundheitsforschung- Gesundheitsschutz; 47: 1182-1188.

(3) Dittmann S (2002) Risiko des Impfens und das noch größere Risiko, nicht geimpft zu sein. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung- Gesundheitsschutz 45:316 – 322.

(4) Barth, J.; Bengel, J. (1998): Prävention durch Angst? Stand der Furchtappellforschung. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.). Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung Bd. 4, Köln.

(5) Painter J et al. (2010): Development, Theoretical Framework, and Lessons Learned From Implementation of a School-Based Influenza Vaccination Intervention. Health Promot Pract 11: 42.

(6) RKI, BZgA (2008). Erkennen – Bewerten – Handeln: Zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. RKI, Berlin.

(7) BZgA (2011). Wissen, Einstellung und Verhalten von Eltern zum Thema Impfen im Kindesalter. Köln 2011. (www.bzga.de/forschung)

(8) Meyer C, Reiter S (2004): Impfgegner und Impfskeptiker. Bundesgesundheitsblatt- Gesundheitsforschung- Gesundheitsschutz 47: 1182-1188.

(9) Lausen, B., Potapov, S. & Prokosch, H.-U. (2008). Gesundheitsbezogene Internetnutzung in Deutschland 2007. GMS Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, 4, 1-12.

(10) Scullard, P., Peacock, C. & Davies, P. (2010). Googling children's health: Reliability of medical advice on the internet. Archives of Disease in Childhood, 95, 576-577.

(11) Downs, J.S., Bruine de Bruin, W. & Fischhoff, B. (2008). Parents’ vaccination comprehension and decisions. Vaccine, 26, 1595—1607.

(12) Betsch, C. (2010). Das Internet und seine Auswirkung auf die Wahrnehmung von Impfrisiken. Kinderärztliche Praxis, 5, 282-286.

(13) Kata, A. (2010). A postmodern Pandora's box: Anti-vaccination misinformation on the Internet Vaccine, 28, 1709-171.

(14) Zillien N, Aulitzky D, Billen A, Fröhlich, G (2008). Informationssuche in anderen Umständen. Eine empirische Untersuchung der gesundheitlichen

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Internetnutzung von werdenden und jungen Eltern. Projektbericht, Universität Trier.

(15) Betsch, C., Renkewitz, F., Betsch, T., & Ulshöfer, C. (2010). The influence of vaccine-critical Internet pages on perception of vaccination risks. Journal of Health Psychology, 15, 446-455.

(16) Betsch, C. & Sachse, K. (submitted SEP 2010). There is No Risk – Risk Negations Can Increase Perceived Health Risks.

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Linksammlung:

Informationen der BZgA zum Thema Impfen, produktneutral und fachlich fundiert http://www.impfen-info.de

Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V.: http://www.kinderaerzte-im-netz.de

Schutzimpfungen – 20 Einwände und Antworten des Robert Koch-Instituts und des Paul-Ehrlich Instituts: http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Bedeutung/Schutzimpfungen__20__Einwaende.html

Paul-Ehrlich-Institut: Antworten auf kritische Fragen zum Thema Impfungen und Impfstoffe http://www.pei.de/antworten-impfen

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5 Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

In vielen Staaten, unter anderem auch in Deutschland, ist eine wachsende Sorge hinsichtlich realer und vermeintlicher Risiken von Impfungen zu beobachten. So gelangen immer wieder sehr seltene oder auch unerwünschte Ereignisse, für die ein rein hypothetischer Zusammenhang mit der Impfung gesehen wird, in den Blick der Öffentlichkeit.

Die Erfassung und Bewertung gemeldeter Nebenwirkungen nach Impfungen sowie die Kommunikation darüber ist daher eine wichtige Aufgabe im Rahmen der Impfprävention.

5.1. Surveillance von Nebenwirkungen

5.1.1 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen in klinischen Prüfungen von Impfstoffen vor der Zulassung

Impfstoffe sind, wie alle anderen wirksamen Arzneimittel auch, nicht völlig frei von Nebenwirkungen. In äußerst seltenen Fällen können sie zu Gesundheitsstörungen und Erkrankungen führen. An die Sicherheit von Impfstoffen werden sehr hohe Anforderungen gestellt, denn Schutzimpfungen werden zumeist bei gesunden Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern zur Prophylaxe eingesetzt. (siehe auch Kapitel 1)

Zum Zeitpunkt der Zulassung eines Impfstoffs ist die klinische Erfahrung auf die Studiengröße begrenzt. Zumeist liegen Daten zu einigen tausend bis zehntausend Impflingen vor. In der Regel können somit unerwünschte Ereignisse mit einer Häufigkeit von minimal 1:1000, selten bis 1:10.000 festgestellt werden (Tabelle 1). Um gegebenenfalls eine Kausalität bzw. Assoziation zwischen Impfung und selteneren Ereignissen feststellen zu können, sind höhere Fallzahlen notwendig. Um z. B. eine Verdopplung des relativen Risikos einer Erkrankung, die in der Population mit einer Häufigkeit von 1:10.000 Personen verkommt, mit einer ausreichenden Aussagekraft untersuchen zu können, würden ca. 235.000 Versuchspersonen (Annahme einer 1:1 Verteilung zwischen exponierten und nicht exponierten Personen) benötigt.

Aus ethischen Gründen soll jedoch die Zulassung und Anwendung von neuen innovativen Arzneimitteln erfolgen, sobald die geforderte Sicherheit in den klinischen Studien belegt ist. Die Beobachtungen der Verträglichkeit müssen selbstverständlich auch nach Zulassung fortgesetzt werden, um gegebenenfalls auftretende sehr seltene Nebenwirkungen oder Langzeiteffekte erkennen zu können.

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Tabelle 1: Anzahl der zu untersuchenden Patienten, um einen Fall einer unerwünschten Reaktion mit gegebener Häufigkeit zu detektieren

UAW Häufigkeit Wahrscheinlichkeit

95 % 90 % 80 %

1:100 300 231 161

1:500 1500 1152 805

1:1000 3000 2303 1610

1:5000 15000 11513 8048

1:10000 30000 23026 16095

1:50000 150000 115130 80472

5.1.2 Risiko-Management-Plan

Bereits beim Antrag auf Zulassung für einen neuen Impfstoff muss der Antragsteller einen sogenannten "Risiko-Management-Plan" (RMP) vorlegen. In diesem werden Maßnahmen festgelegt, um mögliche Sicherheitsrisiken durch den neuen Impfstoff pro-aktiv zu untersuchen und so rasch wie möglich risikominimierende Maßnahmen einzuleiten. Welche Maßnahmen das im Einzelnen sind, wird mit der Zulassung für jeden Impfstoff gesondert vorgegeben. Im Risiko-Management-Plan wird unter anderem aufgeführt, ob und welche Populationen noch weiter untersucht werden müssen (z. B. immundefiziente Impflinge, Schwangere etc.), zu welchen Fragestellungen noch weitere Studiendaten erhoben werden müssen, wie lange der Impfschutz anhält und ob Wiederimpfungen (Booster) notwendig sind. Die Einhaltung des RMP seitens der Hersteller von Arzneimitteln wird von den zuständigen Behörden genau überwacht.

Der Risiko-Management-Plan ist ein sich veränderndes Dokument. Werden neue Risikosignale erkannt, wird im Risiko-Management-Plan festgelegt, wie und in welcher Zeit diese Signale untersucht werden sollen. Genauere Angaben zum Konzept des Risiko- Management -Plans finden sich in „Volume 9A of The Rules Governing Medicinal Products in the European Union” http://ec.europa.eu/health/files/eudralex/vol-9/pdf/vol9a_09-2008_en.pdf.

Dort sind auch die von den zuständigen Überwachungsbehörden zu erhebenden Sanktionsmaßnahmen im Falle von Sicherheitsmängeln oder Nichtbefolgen der Maßgaben des RMP durch den Hersteller beschrieben.

Bei zentral zugelassenen Impfstoffen werden Zusammenfassungen der Risiko-Management-Pläne zum Zeitpunkt der Zulassung von der EMA im sogenannten

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European Public Assessment Report veröffentlicht. Eine ähnliche Offenlegung der RMP ist zukünftig auch für nicht-zentral zugelassene Impfstoffe angestrebt.

5.1.3 Passive Surveillance (Synonym: Spontanerfassungssystem)

Um auch nach der Zulassung den Kenntnisstand über die Arzneimittelwirkung kontrollieren zu können, ist es besonders wichtig Ereignisse, bei denen der Verdacht einer „Impfkomplikation“ besteht, zu melden und zu erfassen. Gemäß Arzneimittelgesetz sind die zuständigen Bundesbehörden, im Fall von Impfstoffen das Paul-Ehrlich-Institut, zur Erfassung und Auswertung möglicher Risiken, sowie zur Koordination der notwendigen Maßnahmen verpflichtet. Meldepflichtig sind alle Angehörigen der Gesundheitsberufe.

Bei dieser Art der Spontanmeldung werden sowohl tatsächliche unerwünschte Impfreaktionen als auch nicht ursächlich mit einer Impfung zusammenhängende Ereignisse erfasst. Das Spontanerfassungssystem zu Verdachtsfällen von unerwünschten Arzneimittelwirkungen ist eine Methode der passiven Surveillance. Es stellt das wichtigste Instrument zum zeitnahen Erkennen von Risikosignalen dar. Erkenntnisse aus der passiven Überwachung sind allerdings nicht für statistische Auswertungen, z. B. hinsichtlich der Häufigkeit einer unerwünschten Wirkung geeignet, denn nicht alle Meldungen sind auf unerwünschte Impfwirkungen zurück zu führen, bzw. nicht alle auftretenden unerwünschten Wirkungen werden auch tatsächlich gemeldet. Sie dienen aber der Arzneimittelsicherheit, indem sie die Möglichkeit bieten, Risikosignale sehr früh zu erkennen und darauf zu reagieren.

a. Vor- und Nachteile der passiven Überwachung (Surveillance)

Die Vorteile der Erfassung von Meldungen zu Verdachtsfällen von unerwünschten Impfreaktionen im Rahmen der passiven Surveillance liegen in der gleichzeitigen Überwachung aller Bevölkerungsteile und aller eingesetzten Impfstoffe, so dass auch sehr seltene Reaktionen erfasst werden können. Auch existiert keine zeitliche Begrenzung, denn Berichterstattung, Erfassung und medizinische Bewertung sind permanente Vorgänge, solange ein Impfstoff zugelassen ist und angewendet wird.

Es werden auch Personengruppen erfasst, die in den klinischen Prüfungen vor der Zulassung unter Umständen nicht oder nur in kleinerer Zahl vertreten waren, z. B. Patienten mit seltenen Grunderkrankungen.

Ein Nachteil der Erfassung von Verdachtsmeldungen zu Impfkomplikationen bzw. Nebenwirkungen ist es, dass Aussagen zur tatsächlichen Häufigkeit von Nebenwirkungen nicht möglich sind.

Neben den bereits oben genannten Gründen liegt das daran, dass die Zahl der tatsächlich verimpften Dosen und damit die Anzahl der exponierten Impflinge nicht exakt zu bestimmen ist. Lediglich näherungsweise können aus den vom Paul-Ehrlich-Institut im Rahmen der Chargenprüfung freigegeben Impfstoffdosen und/oder

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aus der Anzahl der vom Zulassungsinhaber bzw. pharmazeutischen Unternehmer auf den Markt gebrachten Impfstoffdosen entsprechende Daten ermittelt werden.

Manchmal wird in Veröffentlichungen eine sogenannte "Melderate" angegeben, als Maß für die Häufigkeit von Meldungen von Verdachtsfällen von unerwünschten Wirkungen. Auch hier ergeben sich durch die Meldung nicht mit der Impfung im Zusammenhang stehender Gesundheitsstörungen und die Ungenauigkeit der Gesamtzahl der durchgeführten Impfungen Unschärfen.

Ganz besonders schwierig ist die Bewertung, ob ein unerwünschtes Ereignis mit einer Impfung in ursächlichem Zusammenhang steht. Ein bei einer solchen Bewertung in Betracht zu ziehender Faktor ist die Häufigkeit des Auftretens desselben Ereignisses bei nicht geimpften Personen. Jedoch können im Rahmen der Spontanerfassung keine Vergleichsdaten über das spontane Auftreten einer Erkrankung bei nicht geimpften Personen erhoben werden. Sofern also aus anderen Untersuchungen keine entsprechenden Daten vorliegen, steht dieser Vergleich nicht zur Verfügung.

Insgesamt stellt das Meldesystem von Verdachtsfällen von Impfkomplikationen bzw. Nebenwirkungen jedoch trotz der dargestellten Begrenztheit eines der wichtigsten Frühwarnsysteme im Bereich der Arzneimittelsicherheit dar, um frühe Hinweise auf sehr seltene, bislang unbekannte Nebenwirkungen, oder auf Änderungen der Häufigkeit, Art und Schwere von bekannten Nebenwirkungen. Diese Signale sind dann in der Regel mit anderen Methoden, z. B. kontrollierten klinischen Studien, Sicherheitsstudien nach der Zulassung und/oder epidemiologischen Studien (Fall-Kontroll-Studien und Kohortenstudien) zu überprüfen. Auf dieser Grundlage ergreift und koordiniert das Paul-Ehrlich-Institut die gebotenen Maßnahmen zur Risikovorsorge.

b. Bewertung eines Verdachtsfalls unerwünschter Wirkungen eines Impfstoffs (Impfkomplikation)

Das Paul-Ehrlich-Institut registriert jede eingehende Meldung eines Verdachtsfalls einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung (Impfkomplikation) bzw. einer Nebenwirkung in einer Datenbank. Jede einzelne Meldung wird von einem Arzt/einer Ärztin im Paul-Ehrlich-Institut medizinisch bewertet.

Um eine medizinisch fundierte Bewertung vorzunehmen, klärt das Paul-Ehrlich-Institut folgende Fragen und holt bei Meldungen fehlende Informationen zu ihrer Beantwortung ein:

• Sind die mit der Meldung eines Verdachtsfalls übermittelten Informationen ausreichend, um eine Bewertung vornehmen zu können? (Wenn nicht, sind weitere Informationen zur suffizienten Beurteilung zu erfragen).

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• Sind die Symptome als Nebenwirkung oder Impfkomplikation in der medizinischen Wissenschaft bereits bekannt?

• Gibt es epidemiologische Studien, die eine Assoziation zwischen Impfung und unerwünschtem Ereignis gezeigt haben?

• Gibt es andere Impfstoffe, bei deren Anwendung geimpfte Personen eine ähnliche Reaktion gezeigt haben (Analogie)?

• Ist/sind die unerwünschte(n) Impfreaktion(en) wissenschaftlich erklärbar und gibt es einen immunologischen Mechanismus, der die Reaktion erklärt (biologische Plausibilität)?

• Ist das Intervall zwischen Impfung und beginnender Symptomatik schlüssig (zeitliche Plausibilität)?

• Trat die gleiche Reaktion zu einem späteren Zeitpunkt (bei Wiederimpfung oder ohne Wiederimpfung) erneut auf?

• Gibt es andere, plausible Ursachen für die Erkrankung bzw. Gesundheitsstörung (Vorerkrankungen des Patienten, Begleitmedikation, Auslandsaufenthalte usw.)?

• Gibt es Hinweise für eine Chargen-bezogene Häufung von Verdachtsfällen von unerwünschten Wirkungen eines bestimmten Impfstoffs?

5.1.4 Meldeverpflichtung

Für den Verdacht einer über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch Impfstoffe besteht in Deutschland neben der Meldeverpflichtung des Zulassungsinhabers und/oder Inhabers der Zulassung/pharmazeutischen Unternehmers nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) eine standesrechtliche und eine gesetzliche Melde-Verpflichtung für Angehörige der Gesundheitsberufe (Abb. 1).

§ 63 b AMG

AKdÄ  Arzt  Gesundheitsamt

Apotheker

AKdA

§§ 6, 8 IfSG 

§ 11 IfSG 

Zulassungsinhaber/pharmazeutischer Unternehmer

Paul‐ Ehrlich‐ Institut

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Abbildung 1 Meldeverpflichtungen von Verdachtsfällen von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen; Rot: Gesetzliche Meldeverpflichtungen

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a. Meldungen nach Infektionsschutzgesetz (IfSG)

Eine namentliche Meldeverpflichtung für Ärztinnen und Ärzte und Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker an das örtliche Gesundheitsamt besteht nach § 6 Abs.1 Nr. 3 IfSG bereits dann, wenn der Verdacht besteht, dass nach einer Impfung auftretende Krankheitserscheinungen in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung stehen könnten und die gesundheitliche Schädigung das übliche Ausmaß einer Impfreaktion überschreitet. Die Gesundheitsämter sind nach § 11 Abs.2 IfSG verpflichtet, die gemeldeten Verdachtsfälle unverzüglich der zuständigen Landesbehörde und der zuständigen Bundesoberbehörde, dem Paul-Ehrlich-Institut, im Einklang mit den Bestimmungen des Datenschutzes in pseudonymisierter Form (personenbezogene Angaben sind unkenntlich zu machen) zu melden. Das Paul-Ehrlich-Institut unterrichtet das Robert Koch-Institut, das eine infektions-epidemiologische Auswertung (§ 11 Abs. 2 IfSG) durchführt. Das Paul-Ehrlich-Institut wertet die Meldungen nach Registrierung in einer Datenbank dahingehend aus, ob sich auf Grund dieser Meldungen die Bewertung des Nutzen/Risiko-Verhältnisses des betreffenden Impfstoffs ändert und deswegen gegebenenfalls Maßnahmen, z. B. nach dem Arzneimittelgesetz, zu ergreifen sind.

Die Verpflichtung, den Verdacht einer "über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung" zu melden, wurde auch deshalb in das Infektionsschutzgesetz aufgenommen, um gegebenenfalls die zur Klärung des Falles notwendigen Untersuchungen durch das Gesundheitsamt unverzüglich einzuleiten.

Die Meldeverpflichtungen nach dem IfSG scheinen noch nicht allen Betroffenen bekannt. So wurden im Jahr 2010 (bis einschließlich 30.11.2010) dem PEI insgesamt 2413 Meldungen zu Verdachtsfällen von unerwünschten Impfwirkungen berichtet, davon waren lediglich 368 Meldungen von Gesundheitsämtern.

b. Meldungen von Verdachtsfällen einer Nebenwirkung nach Standesrecht

Nach § 6 der Berufsordnung für Ärzte ist die Ärztin/der Arzt verpflichtet, die ihr bzw. ihm aus der ärztlichen Behandlungstätigkeit bekannt werdenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AKdÄ) mitzuteilen. Nach der Berufsordnung für Apotheker sind Apotheker/Apothekerinnen nach § 4 ebenfalls verpflichtet, die ihnen bekannt gewordenen Verdachtsfälle zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen der Arzneimittelkommission der deutschen Apotheker (AKdA) zu melden. Beide Arzneimittelkommissionen tauschen mit dem PEI Daten aus.

c. Meldungen nach dem Arzneimittelgesetz (AMG)

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Zusätzlich hat der pharmazeutische Unternehmer bzw. Inhaber der Zulassung umfangreiche gesetzlich geregelte Meldeverpflichtungen bezüglich Verdachtsfällen von Nebenwirkungen nach Impfungen gegenüber dem PEI zu erfüllen.

5.1.5 Definitionen

Nebenwirkung (Unerwünschte Arzneimittelwirkung)

Der Begriff der Nebenwirkung (Synonym: Unerwünschte Arzneimittelwirkung) wird im Arzneimittelgesetz definiert als eine schädliche, unbeabsichtigte Reaktion, die beim bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Arzneimittels auftritt. In der europäischen Richtlinie 2001/83/EG wird definiert: "Nebenwirkung" ist eine Reaktion auf das Arzneimittel, die schädlich und unbeabsichtigt ist und bei Dosierungen auftritt, wie sie normalerweise beim Menschen zur Prophylaxe, Diagnose oder Therapie von Krankheiten oder für die Wiederherstellung, Korrektur oder Änderung einer physiologischen Funktion verwendet werden.

Eine Nebenwirkung ist also ein unerwünschtes Ereignis, bei dem ein Zusammenhang zwischen der aufgetretenen Nebenwirkung und einem oder mehreren angewendeten Arzneimittel/n von einem Angehörigen eines Gesundheitsberufes vermutet wird bzw. Anhaltspunkte, Hinweise oder Argumente vorliegen, die eine Beteiligung des/der Arzneimittel für das Auftreten der Nebenwirkung plausibel erscheinen lassen oder zumindest eine Beteiligung der/des angewendeten Arzneimittel/s daran angenommen wird.

Nachgewiesenermaßen andere - innere oder äußere - Ursachen nach Gabe eines bestimmten Medikamentes, erfüllen nicht die Definition einer Nebenwirkung dieses Arzneimittels. Dazu gehören z. B. Symptome, die eindeutig Ausdruck der Grund- oder Begleiterkrankung des Patienten einschließlich deren Fortschreitens sind.

Schwerwiegende Nebenwirkung

Die Schwere einer Nebenwirkung wird weitgehend durch die daraus entstehenden Krankheitsfolgen bestimmt. Eine Nebenwirkung ist als "schwerwiegend" einzustufen, wenn sie tödlich oder lebensbedrohend ist, eine stationäre Behandlung oder Verlängerung einer stationären Behandlung erforderlich macht, zu bleibender oder schwerwiegender Behinderung oder Invalidität führt oder eine kongenitale Anomalie bzw. einen Geburtsfehler darstellt.

Der Begriff "lebensbedrohlich" bezieht sich auf eine Nebenwirkung, die für den Patienten zum Zeitpunkt der Reaktion ein tödliches Risiko ausmacht. Er bezieht sich nicht auf eine Reaktion, die hypothetisch zum Tode führen könnte, wenn sie sich zu einem höheren Schweregrad fortentwickelt und u. U. zu Komplikationen geführt hätte.

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Impfreaktion

Impfreaktionen als Nebenwirkung einer Impfung sind im Allgemeinen harmlose, vorübergehende Beschwerden im Rahmen der Immunantwort einer Impfung. Sie können sich als Lokalreaktion (z. B. Brennen, Schmerzen und Rötung an der Einstichstelle) oder als Allgemeinreaktion (z. B. leichtes Fieber, Abgeschlagenheit, grippeartige Beschwerden) äußern. Bei Lebendimpfstoffen kann auch eine mild und komplikationslos verlaufende "Imitation" der Krankheit selbst auftreten, die als Impfkrankheit bezeichnet wird (Beispiel: Impfmasern).

Impfkomplikation (eine über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehende gesundheitliche Schädigung)

Impfkomplikation ist jede nach einer Impfung aufgetretene Krankheitserscheinung, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer Impfung stehen könnte und die über das übliche Ausmaß einer „Impfreaktion“ hinausgeht. Krankheitserscheinungen, denen offensichtlich eine andere Ursache als die Impfung zugrunde liegt, sind keine Impfkomplikationen.

Impfschaden und Anerkennung von Impfschäden im Sinne des IfSG

"Impfschaden" ist ein Begriff aus dem Infektionsschutzgesetz (IfSG), der wie folgt definiert wird: Ein Impfschaden ist die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung; ein Impfschaden liegt auch vor, wenn mit vermehrungsfähigen Erregern geimpft wurde und eine andere als die geimpfte Person geschädigt wurde. Als Impfschaden gilt ferner eine gesundheitliche Schädigung, die herbeigeführt worden ist durch einen sogenannten Wegeunfall (§ 60 Abs.5 IfSG).

Nach § 61 IfSG genügt für die Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Impfung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn diese Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit über die Ursache des festgestellten Leidens besteht, kann mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde Versorgung in gleicher Weise wie für einen Impfschaden gewährt werden. Einzelheiten zum Verfahren der Impfschadenanerkennung und -versorgung siehe Kap. 5.3.5

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5.2 Kommunikation von unerwünschten Arzneimittelwirkungen

Die Kommunikation von Impfrisiken erfolgt in Deutschland über verschiedene Wege.

5.2.1 Information der Behörden

Verwaltungsvorschrift „Stufenplan“

Das Stufenplanverfahren, das in einer Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums für Gesundheit geregelt ist, nimmt Bezug auf § 63 AMG. Diese allgemeine Verwaltungsvorschrift regelt die Zusammenarbeit der zuständigen Bundesbehörde und anderen beteiligten Behörden (wie z. B. den zuständigen Landesbehörden) und Stellen (z. B. die Arzneimittelkommissionen) bei Arzneimittelrisiken, die Einschaltung der pharmazeutischen Unternehmer und das genaue Vorgehen nach Gefahrenstufen. Die Informationswege werden dort detailliert beschrieben. Genauere Informationen zum Verfahren finden sich unter (http://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/bsvwvbund_09022005_111436241.htm).

Homepage des Paul-Ehrlich-Institutes

Aktuelle Bewertungen und Publikationen zu tatsächlichen und potentiellen Risiken von Impfstoffen finden sich auf der Homepage des Paul-Ehrlich-Institutes (www.pei.de/antworten-impfen). Das PEI verlinkt dabei auch auf relevante Mitteilungen der Europäischen Arzneimittelagentur (www.ema.europa.eu.int) und des Global Advisory Committee for Vaccine Safety (GACVS) sowie der Weltgesundheitsorganisation (www.who.org). Bezüglich wichtiger Informationen zu Impfstoffen, die in Deutschland zugelassen sind, steht das PEI in engem Austausch mit dem Robert Koch-Institut.

Pharmakovigilanz Bulletin

Das vierteljährlich erscheinende Bulletin zur Arzneimittelsicherheit informiert aus beiden Bundesoberbehörden (PEI und BfArM) zu aktuellen Aspekten der Risikobewertung von Arzneimitteln. Ziel ist es, die Kommunikation möglicher Risiken von Arzneimitteln zu verbessern und die Bedeutung der Überwachung vor und nach der Zulassung (Pharmakovigilanz) in den Blickpunkt zu rücken. Bereits mehrfach wurde über die Sicherheit von Impfstoffen berichtet (http://www.pei.de/bulletin-sicherheit). Das Bulletin kann nicht nur auf der Homepage des PEI und des BfArM eingesehen werden, sondern auch kostenfrei in elektronischer Form oder als Printausgabe über das BfArM ([email protected]) abonniert werden.

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Stand 1.Januar 2012    107

Öffentlich zugängige Pharmakovigilanzdatenbank

Seit 2007 sind die dem PEI gemeldeten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen bzw. Impfkomplikationen in einer öffentlich zugänglichen Datenbank auf der Homepage des PEI einsehbar:

(http://www.pei.de/db-uaw). Es ist zu betonen, dass dort alle eingegangenen Verdachtsmeldungen aufgeführt werden, auch wenn sich kein Nachweis für einen Zusammenhang mit der Impfung ergeben hat.

5.2.2 Information durch den Inhaber der Zulassung

Rote-Hand-Brief

Der Rote-Hand-Brief ist eines von mehreren Kommunikationsmitteln, mit denen die Fachkreise durch den pharmazeutischen Unternehmer oder Zulassungsinhaber über neu erkannte, erhebliche Arzneimittelrisiken mit unmittelbarem Handlungsbedarf und Maßnahmen zu ihrer Minderung informiert werden. Das gilt für alle Arzneimittel einschließlich der Impfstoffe. Der Rote-Hand-Brief weist das Symbol einer roten Hand mit der Aufschrift „Wichtige Informationen über ein Arzneimittel“ auf. Dieses einheitliche und geschützte Symbol soll sicherstellen, dass diese besonders wichtigen Informationen tatsächlich wahrgenommen werden. Der Rote-Hand-Brief darf weder als Ganzes noch in Teilen den Charakter von Werbesendungen haben oder werbliche Aussagen enthalten. Die Erstellung und der Versand eines Rote-Hand-Briefes ist in der Regel eine freiwillige Maßnahme eines betroffenen Unternehmens. Ein Rote-Hand-Brief kann aber auch durch die zuständige Bundesoberbehörde angeordnet werden. In der europäischen Union entspricht dem ‚Rote-Hand-Brief‘ in der Regel die sogenannte „Dear Healthcare Professional Communication (DHPC)“. Der Bundesverband der deutschen Industrie (BPI) hat hierzu entsprechende „Standard Operating Procedures“ (SOP) veröffentlicht:

(http://www.bpi.de/fileadmin/media/bpi/Downloads/Teamsites/AG_SOP/SOP_Arzneimittelsicherheit/2009-12-21_SOP_Rote_Hand_Brief_Stand_final.pdf).

Alle Rote-Hand-Briefe finden sich auf der Homepage der beiden Bundesoberbehörden und der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft.

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Stand 1.Januar 2012    108

5.3 Haftungs- und Entschädigungsfragen im Bereich Impfen

5.3.1 Haftung des pharmazeutischen Unternehmers

Zweck des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln - Arzneimittelgesetz (AMG) ist, im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung von Mensch und Tier für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln, insbesondere für die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel zu sorgen. Zur Erreichung dieser Zweckbestimmung enthält das AMG eine Reihe von Ge- und Verboten (unter anderem Erlaubniserteilungen, Genehmigungen, Anforderungen an Strukturen, Prozesse und Produkte) im Zusammenhang vor allem mit dem Herstellen, der Zulassung, dem Inverkehrbringen und der Abgabe von Arzneimitteln sowie Regelungen zur Haftung.

Gefährdungshaftung

Nach § 84 des Arzneimittelgesetzes (AMG) haftet der pharmazeutische Unternehmer, der das Arzneimittel im Geltungsbereich dieses Gesetzes in den Verkehr gebracht hat, wenn infolge der Anwendung eines zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen nicht unerheblich verletzt wird, für den daraus entstandenen Schaden dem Verletzten gegenüber. Das angewandte Arzneimittel muss dabei im Geltungsbereich dieses Gesetzes an den Verbraucher abgegeben worden sein und der Pflicht zur Zulassung unterliegen oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung befreit worden sein. Voraussetzung für eine Ersatzpflicht ist ferner, dass das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen oder der Schaden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation eingetreten ist.

5.3.2 Haftung des Arztes

Mit der Durchführung der Impfung sind für den Arzt Pflichten verbunden, die ein sorgfältiges und am Stand der medizinischen Wissenschaft orientiertes Vorgehen erfordern. In verschiedenen Normen sind dabei die Rechtsbeziehungen zwischen Arzt und Patient bzw. den Sorgeberechtigten definiert.

Die Durchführung der Impfung umfasst die Indikationsstellung, die Impfanamnese und körperliche Untersuchung, die Aufklärung über die Impfung, die Durchführung der Impfung und die Dokumentation.

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Stand 1.Januar 2012    109

Indikationsstellung

Die Indikationsstellung zur Impfung ist eine ärztliche Aufgabe. Dabei sind die STIKO-Empfehlungen sowohl für die Standardimpfungen als auch für die Indikationsimpfungen fachlicher Standard (1).

Die meisten Bundesländer beziehen sich in ihrer öffentlichen Empfehlung zu Schutzimpfungen auf die Empfehlungen der STIKO (2,3). Bei einzelnen Impfungen gehen sie über die STIKO-Empfehlungen hinaus, selten empfehlen sie auch weitere Impfungen. Darüber hinaus legen sie fest, dass die Impfung mit einem in Deutschland zugelassenen Impfstoff durchgeführt werden soll.

Im Einzelfall kann es notwendig und sinnvoll sein, auch bei einer Indikation zu impfen, für die der Impfstoff zugelassen ist, für die es aber keine fachliche Empfehlung der STIKO oder eine öffentliche Impfempfehlung gibt. In diesem Falle liegt das haftungsrechtliche Risiko beim Arzt, der Nutzen und Risiko sorgfältig abzuwägen hat. Gleiches gilt bei der Anwendung des Impfstoffs außerhalb der in der Gebrauchsinformation angegebenen Indikation bzw. Altersgruppe. Besondere Anforderungen sind dann an Aufklärung und Dokumentation zu stellen. Vom Arzt oder der Ärztin sollte auf die fehlende öffentliche Impfempfehlung hingewiesen werden.

Wird ein Impfstoff außerhalb der in der Gebrauchsinformation angegebenen Indikation bzw. Altersgruppe verabreicht, sind weitergehende Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Arztes zu stellen. Im Einzelfall kann es auch erforderlich sein, auf einen in Deutschland nicht zugelassenen Impfstoff zurückzugreifen, sofern dieser Impfstoff ordnungsgemäß im Verkehr ist. In beiden Fällen hat die Ärztin oder der Arzt den Impfling umfassend über diese Umstände aufzuklären, sein Einverständnis einzuholen und dies zu dokumentieren. Auch in diesen Fällen greift in der Regel die öffentliche Impfempfehlung nicht, es sei denn, dass für eine spezifische Impfung oder Indikation eine Ausnahmeregelung in der öffentlichen Impfempfehlung im jeweiligen Land besteht.

Impfanamnese und ärztliche Untersuchung

Vor Durchführung der Impfung hat sich der Arzt zu überzeugen, dass der Gesundheitszustand des Patienten eine Impfung zulässt. Dazu gehören auch eine Impfanamneseerhebung und eine orientierende körperliche Untersuchung. Beide Leistungen sind nicht delegierbar.

Aufklärung über die Impfung

Über die Impfung ist wie über jeden ärztlichen Eingriff aufzuklären.

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Stand 1.Januar 2012    110

Der Bundesgerichtshof hat in einem wegweisenden Urteil vom 15. Februar 2000 (4) die Anforderungen an die Aufklärung beim Impfen definiert.

Die Impfung stellt einen ärztlichen Heileingriff dar, zu dessen Rechtfertigung es der Einwilligung des Betroffenen oder seines gesetzlichen Vertreters bedarf. Die erteilte Einwilligung in die Impfung ist nur wirksam, wenn der Einwilligende zuvor über die damit verbundenen Risiken aufgeklärt worden ist.

Bei der Risikoaufklärung ist grundsätzlich auch über äußerst seltene Risiken aufzuklären. Das gilt auch für öffentlich empfohlene Impfungen, bei denen die Grundimmunisierung der Gesamtbevölkerung zur Verhinderung einer epidemischen Verbreitung der Krankheit im öffentlichen Interesse liegt. In Fällen öffentlicher Impfempfehlung hat zwar durch die Gesundheitsbehörden eine Abwägung zwischen dem allgemeinen Nutzen und den Risiken der Impfung für den Einzelnen und seine Umgebung auf der einen und den der Allgemeinheit und dem Einzelnen drohenden Gefahren im Falle der Nichtimpfung auf der anderen Seite bereits stattgefunden. Das ändert aber nichts daran, dass in der ärztliche Beratung die individuelle Patientensituation zu berücksichtigen ist, die Impfung gleichwohl freiwillig ist und sich der einzelne Impfling daher auch dagegen entscheiden kann. Dieser muss sich daher nicht nur über die Freiwilligkeit der Impfung im Klaren sein. Er muss auch eine Entscheidung darüber treffen, ob er die mit der Impfung verbundenen Gefahren auf sich nehmen soll oder nicht.

Die Aufklärung muss Informationen über Vorbeugungs- und Behandlungsalternativen und über die Risiken, (insbesondere spezifische Risiken unabhängig von ihrer Risikodichte), Informationen über die vorherrschende Lehrmeinung sowie über Gefahr der Nichtbehandlung (auch abstrakt) umfassen. Gleichzeitig muss auf Vorgehen bei unerwünschten Nebenwirkungen hingewiesen werden. Bei Verwendung eines Merkblatts muss die Möglichkeit zum persönlichen Gespräch gegeben sein.

Die ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut veröffentlicht in unregelmäßigen Abständen dazu weitere Ausführungen im Epidemiologischen Bulletin, insbesondere hinsichtlich des spezifischen Aufklärungsbedarfes bei den einzelnen Impfungen (5,6). Sie sind auf der Homepage des Robert Koch-Institutes unter www.rki.de/stiko abrufbar.

Durchführung der Impfung

Die Durchführung hat nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu erfolgen Bei Durchführung der Impfung sind die Standards bezüglich Hygiene und Injektionstechnik sowie die jeweiligen Empfehlungen des Herstellers zu möglichen akuten Reaktionen zu beachten und der Zeitraum der Nachbeobachtung einzuhalten.

Nach den für die ambulante ärztliche Berufsausübung geltenden Bestimmungen (u.a. § 613 S. 1 des BGB, § 19 Abs. 1 der (Muster-) Berufsordnung (MBO), § 32 Abs. 1

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der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV), § 15 Abs. 1 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä)) ist es nicht in jedem Einzelfall erforderlich, dass der Arzt sämtliche Leistungen in vollem Umfang höchstpersönlich erbringt. Subkutane und intramuskuläre Injektionen können an entsprechend qualifizierte nichtärztliche Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter unter bestimmten Bedingungen delegiert werden. Zu diesen Injektionen gehören auch Impfungen (7).

Dokumentation

Das Aufklärungsgespräch und die Einwilligung zur Impfung sind sorgfältig zu dokumentieren, insbesondere dann, wenn der Impfwillige auf eine schriftliche Einwilligung verzichtet hatte. Gleichfalls sollte eine Ablehnung der Impfung dokumentiert und gegebenenfalls vom potentiellen Impfling gegengezeichnet werden.

Das Infektionsschutzgesetz verpflichtet nach § 22 zur unverzüglichen Dokumentation der Impfung in einem Ausweis oder bei Fehlen eines Impfausweises in Form einer Impfbescheinigung. Zu dokumentieren sind: Datum der Schutzimpfung, Chargenbezeichnung und Bezeichnung des Impfstoffs, Name der Krankheit, gegen die geimpft wird, sowie Stempel und Unterschrift des Impfarztes oder Bestätigung der Eintragung des Gesundheitsamtes.

5.3.3 Rechtsnormen bei Durchführung der Impfung

Für die Ärztin und den Arzt gilt bei Durchführung einer Impfung eine Reihe von Rechtsnormen.

Die Rechtsbeziehungen zwischen Arzt und Patienten beziehungsweise dessen Sorgeberechtigten betreffen das Vertragswesen, Deliktsrecht, Standesrecht und Strafrecht (8).

Vertragsrecht

Zwischen Patient und Arzt besteht ein zivilrechtlicher Behandlungsvertrag. Bei gesetzlich Krankenversicherten ist dieser durch den Sozialversicherungsträger zwischen allen Patienten und allen medizinisch Verpflichteten geschlossen, bei privat Versicherten durch individuellen Behandlungsvertrag.

Bei dem Behandlungsvertrag handelt es sich in der Regel um einen Dienstvertrag im Sinne des § 611 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Dieser ist dadurch gekenn-zeichnet, dass der Arzt dem Patienten als vertragliche Hauptpflicht zwar eine – sorgfaltsgerechte – Behandlung, nicht jedoch deren (Heilungs-)Erfolg schuldet oder für das Ausbleiben von Komplikationen garantieren kann. Die diagnostischen und therapeutischen Bemühungen müssen allerdings dem Stand der medizinischen Wissenschaft und den Regeln der ärztlichen Kunst, also der medizinischen lege artis

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entsprechen, anderenfalls haftet der Arzt seinem Patienten für etwaige Schäden nach Maßgabe von § 280 BGB. Zu dieser Hauptpflicht treten diverse vertragliche Nebenpflichten des Arztes, deren Verletzung ebenfalls eine Haftung gemäß § 280 BGB begründen können (z. B. Organisationspflichten, Pflicht zur Eingriffsaufklärung) oder zu Beweiserleichterungen zugunsten der an sich beweisbelasteten Partei führen (z. B. Dokumentationspflichten). Die Pflichten treffen nicht nur die eigentlichen Vertragspartner, sondern auch die zur Vertragsdurchführung eingeschalteten Personen, die als „Erfüllungsgehilfen“ über § 278 BGB ohne Exkulpationsmöglichkeit in die Vertragshaftung einbezogen sind.

Deliktsrecht

§ 823 BGB Abs.1 nennt unter anderen Leben, Körper und Gesundheit geschützte Güter. Daraus ergibt sich, dass sich der Arzt im Falle einer Rechtsgutverletzung schadensersatzpflichtig macht, unabhängig davon, ob ein Vertrag geschlossen wurde. Den Arzt trifft nach den beruflichen Voraussetzungen die Pflicht, Patienten bzw. Sorgeberechtigte auf die Möglichkeit der Impfung zur Verhinderung einer Ansteckung hinzuweisen, unabhängig davon, ob er selbst die Impfung befürwortet oder nicht. Das Urteil des BGH vom 15.02.2000 (4) begründet sich auf das Deliktsrecht. Tritt z. B. wegen Nichtimpfens eine Infektion ein, kann den Arzt unter Umständen eine Schadensersatzpflicht treffen, wenn alle Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB erfüllt sind. Auch wenn durch fehlende Hinweise auf eine Impfmöglichkeit oder durch Übertragung von Erregern bei Lebendimpfstoffen Dritte infiziert und damit geschädigt werden, kann den Arzt eine Schadensersatzpflicht treffen.

Standesrecht

Die Landesärztekammern legen in ihren Berufsordnungen Aufgaben und Pflichten der Ärzteschaft fest, orientiert an der Musterberufsordnung14. Darin werden die Prinzipien einer Behandlung zum Wohle des Patienten festgehalten. Sie schließen Aufklärungspflicht, Schweigepflicht und Dokumentationspflicht mit ein. Ärztinnen und Ärzte werden auch verpflichtet, sich hinreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit zu versichern.

Strafrecht

Körper und Gesundheit sind strafrechtlich geschützt. Damit ist der Arzt verpflichtet, den Patienten nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu behandeln. Dies gilt auch für die Impfungen.

                                                            14 (Muster‐) Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte (Stand 2006) 

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Zivilrechtliche Schadensersatzansprüche aus Vertrag

Nach dem Vertragsrecht ist der Arzt für von ihm oder von seinen Erfüllungsgehilfen begangene Pflichtverletzungen schadensersatzpflichtig. Eine Schadensersatzpflicht tritt dann ein, wenn der Arzt eine Pflichtverletzung aus dem Schuldverhältnis begangen und diese zu vertreten hat. Der Geschädigte kann Ersatz für den hieraus entstandenen Schaden geltend machen.

Dies kann bereits bei vermutetem Verschulden der Fall sein, z. B. bei fehlendem Hinweis auf eine mögliche Impfung oder die Notwendigkeit einer Impfung sowie bei fehlendem Hinweis auf Gefahren der Impfung und des Nichtimpfens.

Im Fall des Impfens gilt der Anscheinsbeweis: da regelmäßig eine Immunisierung eintritt, erfolgt keine Ansteckung.

Die vorsätzliche Pflichtverletzung kann nach dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG) den Verlust des Versicherungsschutzes zur Folge haben. Ein Verschulden ist dann gegeben, wenn der Schuldner mit Vorsatz oder aus Fahrlässigkeit gehandelt hat. Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wird. Zu den ärztlichen Sorgfaltspflichten gehört unter anderem die Aufklärung über Impfungen und die gebotene Sorgfalt bei der Durchführung. Wenn der Arzt seine Verpflichtung zur Information kennt und sich darüber hinweg setzt und die Folgen billigend in Kauf nimmt, handelt er vorsätzlich. Nach § 280 BGB kann dann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen.

Strafrechtliche Haftungsfolgen

Im Strafrecht müssen stets alle erforderlichen Voraussetzungen für das Delikt positiv nachgewiesen werden können. Eine Beweislastumkehr oder Verschuldensvermutung gibt es hier nicht. Bei einer fehlenden Aufklärung kann sich der Arzt wegen fahrlässiger oder sogar vorsätzlicher Körperverletzung strafbar machen. Denn bei mangelnder Aufklärung liegt keine die Körperverletzung rechtfertigende wirksame Einwilligung vor. Somit kann dem Arzt in diesem Falle eine rechtswidrige Körperverletzung vorgeworfen werden, allein durch Vornahme der Impfung.

Bei fehlerhafter Impfung setzt die Annahme einer daraus resultierenden Körperverletzung voraus, dass der Arzt nachweisbar rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat.

Das kann beispielsweise gegeben sein bei:

• falscher Indikationsstellung

• fehlender Beachtung bekannter Kontraindikationen

• unzureichender Hygiene oder

• falscher Impftechnik bei Durchführung der Impfung und

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• Delegation der Aufgabe an nicht kompetentes Praxispersonal.

Berufsgerichtliche Maßnahmen

Bei Verstoß gegen ärztliche Berufspflichten sind Maßnahmen in Form einer Rüge durch die Berufsvertretung oder in Form eines Verweises oder einer Geldbuße durch das Berufsgericht möglich. Bei grob fahrlässigem Verhalten oder Vorsatz wird zudem in der Regel die zuständige Behörde informiert, um den Widerruf der Approbation zu prüfen.

5.3.4 Pflichten und Handlungsmöglichkeiten des Staates

Die besondere Pflicht des Staates, die Bevölkerung vor Infektionskrankheiten zu schützen, spiegelt sich im Infektionsschutzgesetz in den §§ 1, 3, 16 sowie in § 20 „Schutzimpfungen und andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe“ wider. In § 20 Abs.3 IfSG werden die Länder aufgerufen, öffentliche Empfehlungen für Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe auf der Grundlage der jeweiligen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission auszusprechen. Darüber hinaus ermächtigt das IfSG in § 20 Abs. 6 das Bundesministerium für Gesundheit, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates anzuordnen, dass bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen oder anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe teilzunehmen haben, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist. Da Bund und Länder seit Jahren konsequent und erfolgreich auf Aufklärung und Freiwilligkeit beim Impfen setzen, ist eine solche Anordnung allenfalls besonderen Ausnahmesituationen mit erheblicher Bedrohung der Gesundheit oder des Lebens der Bevölkerung vorbehalten. (vgl. Kap. 2.3.1)

Mit den genannten Regelungen in § 20 IfSG dokumentiert der Staat sein besonderes Interesse an der Durchführung von Impfungen, um sowohl den einzelnen durch Impfung vor Infektionskrankheiten zu schützen als auch die Weiterverbreitung zu verhindern.

5.3.5 Entschädigungsansprüche des Impflings

In den §§ 60 – 63 IfSG gibt es hierzu konkrete Regelungen:

Wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen, gesetzlich vorgeschrieben oder auf Grund eines Gesetzes angeordnet war und in ihrem Bereich vorgenommen wurde, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag

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Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungs-gesetzes, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt (§ 60 Abs. 1 IfSG).

In den weiteren Absätzen wird u. a. die Versorgung für Impfschäden geregelt, die durch Impfungen verursacht wurden, die im Geltungsbereich vorgeschrieben waren, aber außerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs durchgeführt wurden sowie Ansprüche Hinterbliebener. Das hohe Interesse des Staates an den genannten Impfungen und Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe wird besonders dadurch verdeutlicht, dass § 61 IfSG eine Beweiserleichterung zugunsten des Geschädigten bei der Feststellung eines Impfschadens enthält. Zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn diese Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde der Gesundheitsschaden als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 anerkannt werden. Die Zustimmung kann allgemein erteilt werden, § 60 S. 2 IfSG In § 62 wird der Umfang der Heilbehandlung beschrieben; sie umfasst bei gegebener Notwendigkeit auch heilpädagogische Behandlung, heilgymnastische und bewegungstherapeutische Behandlung.

Verhältnis der Arzthaftung und Amtshaftung zu den Entschädigungs-ansprüchen nach IfSG

Für den Arzt, der in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes eine Impfung durchführt, gelten die Grundsätze der Staatshaftung für hoheitliches Handeln (Art. 34 GG, § 839 BGB). Der Arzt muss nicht Beamter im staatsrechtlichen Sinne sein, wenn dieser etwa von dem beklagten Landkreis als Vertragsarzt mit der Durchführung der Impfungen im Gesundheitsamt betraut worden war und bei der Impfung in Ausübung der ihm insoweit übertragenen hoheitlichen Aufgaben handelt. Ärzte, die die Schutzimpfung durchführen, sind in diesem Falle Beamte im haftungsrechtlichen Sinn.

Jeder andere Arzt haftet nach den bereits oben dargestellten Grundsätzen bei fehlerhafter Ausführung einer öffentlich empfohlenen oder angeordneten Impfung. Der in § 60 IfSG normierte Anspruch auf Versorgung bei Impfschäden stellt einen gesetzlich normierten allgemeinen „Aufopferungsanspruch“15 öffentlich-rechtlicher

                                                            15 Dem staatlichen Versorgungsanspruch gem. § 60 IfSG liegt historisch der sogenannte „Aufopferungsgedanke“ zugrunde, der vor allem bei alten Impfstoffen mit höheren Nebenwirkungsraten, die, wie im Fall der Pockenimpfung zur Ausrottung eines Erregers gegebenenfalls sogar gesetzlich vorgeschrieben waren, zum Tragen kam. Wer demnach individuell Schaden durch eine ansonsten der Gesellschaft allgemein nützliche Maßnahme erleidet, soll hierfür auch von der Gesellschaft entschädigt werden. Zwar sind die modernen Impfstoffe sehr sicher und nebenwirkungsarm und manche Impfungen dienen nur dem individuellen Schutz, aber dennoch ist diese staatlich Garantie weiter erhalten geblieben, nicht zuletzt, um die Bedeutung von hohen Impfquoten zu betonen und die Impfakzeptanz zu fördern. 

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Natur dar. Etwaige zivilrechtliche Haftungsansprüche gegen den Arzt nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der Arzthaftung bestehen ungeachtet dessen fort. Ansprüche aus dem allgemeinen Aufopferungsgedanken sind gegenüber Schadensersatzansprüchen grundsätzlich sogar subsidiär (BGH, NJW aaO.). Der Arzt wird - etwa bei einem im Rahmen der Vornahme einer öffentlich empfohlenen Schutzimpfung unterlaufenen Kunstfehler - nicht durch die §§ 60 ff. IfSG von seiner Haftung befreit.

Zwar kann aufgrund von § 63 Abs. 4 IfSG der Geschädigte nicht zusätzlich zivilrechtliche Ansprüche gegen Dritte geltend machen, diese gehen jedoch nach Maßgabe dieser Vorschrift auf das nach den Vorschriften des IfSG zum Ersatz verpflichtete Land über.

Auch schließt die Anerkennung eines Impfschadens nach § 60 IfSG Amtshaftungsansprüche des Impfgeschädigten nicht aus. § 63 Abs. 2 IfSG lässt den Amtshaftungsanspruch des Geschädigten nach § 839 BGB bei fahrlässiger Amtspflichtverletzung neben dem Versorgungsanspruch des § 60 IfSG bestehen (BGH NJW, aaO.).

Art. 34 GG und § 839 BGB16 regeln nur das Außenverhältnis zwischen Staat/Beamten einerseits und Bürger andererseits. Im Innenverhältnis kann der Staat an den für den Impfschaden verantwortlichen Arzt nach Art. 34 Satz 2 GG Regressansprüche bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit stellen. Eine Regresspflicht für leichte Fahrlässigkeit besteht nicht, so dass diese Fälle nicht zum Nachteil des impfenden Arztes oder des Personals ausgelegt werden können.

Der Anspruch nach § 60 IfSG auf Entschädigung besteht neben den oben dargestellten Ansprüchen aus Zivilrecht. Die Tatsache, dass ein Arzt eine öffentlich empfohlene Schutzimpfung durchführt, führt für sich genommen zu keiner Haftungserleichterung für den Arzt.

                                                            16 *Art.34 GG: Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden. 

**§ 839 BGB: Haftung bei Amtspflichtverletzung:  

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. 

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung. 

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. 

 

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Bei Impfungen in Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben kommt die Staatshaftung unabhängig davon, ob es sich um öffentlich empfohlene Impfungen handelt, auch für andere Impfungen in Betracht. Auch hier sind allerdings Regressansprüche im Innenverhältnis zu beachten (§ 839 Abs.2 BGB).

5.3.6 Zusammenfassung Haftungsfragen

Haftungsrechtliche Regelungen sind in verschiedenen Rechtsakten normiert und durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geprägt und präzisiert:

Für die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel haftet der pharmazeutische Hersteller nach dem Arzneimittelgesetz (AMG).

Beim Arzt, der die Impfung durchführt, sind vertrags- und deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche zu prüfen. Zudem kommen berufs- und strafrechtrechtliche Verstöße in Betracht.

Da der Staat nach dem Infektionsschutzgesetz zur Verhütung und Weiterverbreitung von Infektionskrankheiten verpflichtet ist, gewährt er dem Geschädigten bei öffentlich empfohlenen Impfungen auf Grundlage des allgemeinen Aufopferungsgedankens Entschädigungsleistungen.

Der Staat gewährt eine Entschädigung bereits bei der Wahrscheinlichkeit eines durch eine öffentlich empfohlene Impfung aufgetretenen gesundheitlichen Schadens nach den Vorgaben des Bundesversorgungsgesetzes.

Zivil- und strafrechtliche Haftungsansprüche des Impflings gegenüber dem Arzt sind unabhängig von der Staatshaftung möglich.

Gleiches gilt für Haftungsansprüche gegenüber dem pharmazeutischen Hersteller.

5.4 Versorgung in Folge eines Impfschadens

Da Impfungen neben dem individuellen Gesundheitsschutz auch im Interesse der gesamten Bevölkerung stehen, sieht das deutsche Infektionsschutzrecht vor, aufgetretene Komplikationen im Rahmen staatlicher Versorgungsleistungen zu entschädigen. Der Anspruch auf Versorgung infolge eines Impfschadens leitet sich aus § 60 IfSG ab. Danach erhält derjenige, der durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die

• von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde

• auf Grund des IfSG angeordnet wurde

• gesetzlich vorgeschrieben war oder

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• auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist,

eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen des Impfschadens auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, soweit das IfSG nichts Abweichendes bestimmt. Für die zu gewährende Versorgung sind je nach Land unterschiedliche Stellen der Versorgungsverwaltung zuständig. Zur Anerkennung eines Impfschadens genügt in Deutschland nach § 61 IfSG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Nach Bales/Baumann/Schnitzler „Infektionsschutzgesetz - Kommentar und Vorschriftensammlung“ zu § 61 IfSG ist die Kausalität dann wahrscheinlich, wenn mehr für als gegen sie spricht, also die für den Zusammenhang sprechenden Umstände mindestens deutlich überwiegen. Dagegen ist für jedes Glied der Kausalkette „Impfung - gesundheitliche Schädigung - Gesundheitsschaden“ der Vollbeweis notwendig.

5.4.1 Verfahrensablauf

Der Verfahrensablauf stellt sich in der Regel wie folgt dar: Nach Eingang des Antrages auf Anerkennung eines Impfschadens wird der Sachverhalt durch die jeweilige zuständige Stelle von Amts wegen ermittelt. Die Aufklärung des Sachverhaltes muss besonders sorgfältig und umfassend durchgeführt werden, da sich der Nachweis eines Impfschadens in vielen Fällen sehr schwierig gestaltet. Es werden alle in Betracht kommenden medizinischen Unterlagen (von Ärzten, Krankenhäusern, Krankenkassen, Schwerbehindertenakte falls vorhanden, Vorsorgeuntersuchungsheft, Protokoll zum Gesundheitsverlauf bei Impfung im Kindesalter) beigezogen, der Impfpass angefordert und beim zuständigen Gesundheitsamt angefragt, ob dort bereits eine Impfschadensmeldung vorliegt und ob die erforderlichen Ermittlungen durchgeführt werden.

Bei geltend gemachten Impfschäden im Kindesalter kommt den Angaben der Eltern eine besondere Bedeutung zu. In diesen Fällen werden die Eltern im Vorfeld der Begutachtung im Beisein eines Arztes nochmals zu Auffälligkeiten nach der Impfung sowie zu den ersten Krankheitsanzeichen eingehend befragt. Dieser persönliche Kontakt soll es den Eltern auch ermöglichen, sich zu den bisherigen Ermittlungen zu äußern und gegebenenfalls die Beiziehung weiterer Unterlagen anzuregen.

Nach Abschluss der Ermittlungen werden die Akten dem Ärztlichen Dienst zur ärztlichen Begutachtung zugeleitet. Je nach Lage des Einzelfalles erfolgt die versorgungsärztliche Begutachtung durch einen eigenen Arzt der zuständigen Behörde oder durch einen Außengutachter. Die Gutachten werden dann nochmals von einer Prüfärztin oder einem Prüfarzt durchgesehen, bevor die Akte zur Bescheiderteilung an das zuständige Sachgebiet zurückgegeben wird.

Gelangt der ärztliche Gutachter zu dem Ergebnis, dass zwischen der geltend gemachten Erkrankung und der angeschuldigten Impfung kein kausaler

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Zusammenhang besteht, wird der Vorgang zur abschließenden Überprüfung der zuständigen Stelle vorgelegt. Sofern auch hier der Ärztliche Dienst das Vorliegen eines Impfschadens verneint, ist dem Antragsteller vor Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides (nochmals) die Gelegenheit zu einem persönlichen Gespräch anzubieten, in welchem ihm die Gründe der ablehnenden Entscheidung persönlich erläutert werden können. Dadurch soll es dem Antragsteller ermöglicht werden, die zumeist schwierige Materie zu erfassen und nachvollziehen zu können.

5.5 Häufigkeit von Anträgen auf Anerkennung von Impfschäden und anerkannte Impfschäden in Deutschland 2005 - 2009

Einen Überblick darüber, wie häufig in den Jahren 2005 - 2009 in Deutschland Anträge auf Anerkennung von Impfschäden gestellt wurden und wie viele Impfschäden anerkannt wurden, gibt Tabelle 5-1. Da die Anerkennung von Impfschäden häufig nicht im gleichen Jahr wie die Antragstellung erfolgt, sind die entsprechenden Zahlen unabhängig voneinander zu betrachten und somit handelt es sich vielfach auch um Anträge, die vor 2005 gestellt worden sind. Von 2005 - 2009 wurden insgesamt 1036 Anträge auf Anerkennung von Impfschäden gestellt. Gleichzeitig wurden 169 Anträge in diesem Zeitraum mit der Anerkennung eines Impfschadens abgeschlossen. Die formale Anerkennung eines Impfschadens lässt zunächst keinen Rückschluss auf die Schwere der Schädigung zu, auch nicht, ob es sich um einen vorübergehenden Impfschaden, oder eine Impfkomplikation mit einer bleibenden Beeinträchtigung handelt.

Die Anzahl der in Deutschland gestellten Anträge liegt im Mittel jährlich bei 207, die der Anerkennungen von Impfschäden bei 34. Sowohl Antragsstellungen als auch Anerkennungen haben dabei in diesem Zeitraum tendenziell eher zugenommen.

Die Zahlen müssen vor dem Hintergrund gesehen werden, dass beispielsweise 2008 fast 45 Mio. Impfdosen allein zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgerechnet und verimpft wurden.

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Tabelle 5‐1:  Anträgen auf Anerkennung von Impfschäden und anerkannte Impfschäden in Deutschland 2005 ‐ 2009 (Stand Dezember 2010) 

 

Anzahl der Anträge auf Anerkennung 2005-2009

Anzahl der anerkannten Impfschäden 2005-2009

2005 2006 2007 2008 2009 2005 2006 2007 2008 2009

Baden-Württemberg

23 32 31 40 41 4 3 4 2 7

Bayern 40 32 47 54 42 11 13 4 21 13

Berlin 14 4 10 12 10 0 4 3 1 5

Brandenburg 10 2 5 2 2 1 0 0 0 1

Bremen 1 0 0 0 1 0 0 0 0 0

Hamburg 2 5 2 2 2 0 0 1 0 0

Hessen 7 13 16 10 13 4 0 0 1 0

Mecklenburg-Vorpommern

4 11 6 12 7 0 0 0 0 0

Niedersachsen 11 10 15 16 21 0 1 1 2 0

Nordrhein-Westfalen

32 45 44 33 39 5 6 5 8 5

Rheinland-Pfalz 5 4 6 4 2 2 0 1 2 1

Saarland 3 1 2 4 4 0 0 0 2 0

Sachsen 15 16 8 16 15 2 4 2 2 3

Sachsen-Anhalt 9 4 5 5 6 3 2 0 0 0

Schleswig-Holstein

7 8 4 6 11 0 0 1 1 3

Thüringen 13 5 6 3 6 0 0 1 1 0

Gesamt 196 192 207 219 222 32 33 23 43 38

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In Tabelle 5-2 wurde die Rate anerkannter Impfschadensfälle bezogen auf 100.000 Einwohner errechnet. Sie schwankt zwischen 0,028 und 0,052 pro 100.000 Einwohner und liegt im Mittel bei 0,041 pro 100.000 Einwohner. Auch hier ist zu berücksichtigen, dass es sich zum Teil um Anerkennungen von Impfschäden handelt, die vor 2005 beantragt wurden.

In den 1990-er Jahren wurden pro Jahr im Mittel 0,053 Impfkomplikationen pro 100.000 Einwohner entschädigt, so dass sich der insgesamt rückläufige Trend der Anerkennung von Impfschäden seit Anfang der 1990-er Jahre fortzusetzen scheint (9).

Tabelle 5‐2:  Bevölkerungsstand und anerkannte Impfschadensfälle 2005 ‐ 2009 (Quelle: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden Stand: 07.12.2010) 

Stichtag Bevölkerungsstand anerkannte

Impfschadensfälle Rate pro 100.000 EW

Anzahl Deutschland

31.12.2005 82437995 32 0,039

31.12.2006 82314906 33 0,040

31.12.2007 82217837 23 0,028

31.12.2008 82002356 43 0,052

31.12.2009 81802257 38 0,046

Tabelle 5-3 zeigt beispielhaft die zwischen 2005 und 2009 anerkannten Impfschäden differenziert nach Impfungen bzw. Impfkombinationen (Daten hierzu waren nur in 7 Ländern verfügbar). In diesem Zeitraum sind von den insgesamt 104 Fällen die meisten Schadensfälle bei Impfungen gegen FSME (20 Fälle/18,9 %), Influenza (11 Fälle/10,4 %) und DTaP-Hib-IPV+Hepatitis B (9 Fälle/8,5%) aufgetreten.

In einer Auswertung des Beobachtungszeitraums 1990 bis 1999 (9) haben vor allem Impfungen gegen Pocken (64,7 %), Polio (OPV und IPV 8,1 %) und BCG (6,6 %) zu Impfkomplikationen geführt. Diese Impfungen sind nicht mehr auf dem Markt oder wurden durch verträglichere Impfstoffe ersetzt und werden zum Teil auch von der STIKO seit längerem nicht mehr empfohlen (Pocken, BCG). Somit sind die Anteile der Komplikationen bei Impfungen, welche aktuell durch die STIKO empfohlen werden, im Vergleich zu den 1990-er Jahren deutlich gesunken. Eine Ableitung des Schweregrades der Impfschäden lässt sich hierdurch allerdings nicht vornehmen. Detaillierte Aufstellungen hierüber liegen nicht vor.

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Tabelle 5‐3 Anerkannte Impfschadensfälle aus 7 Ländern (nach Impfstoffen, ‐kombinationen) 

Impfung17

Anzahl anerkannter Fälle % der Gesamtzahl

BCG 3 2,8

Diphtherie 1 0,9

DT 3 2,8

DTaP-Hib-IPV 3 2,8

DTaP-Hib-IPV+Hep.B 9 8,5

DTaP-IPV 3 2,8

DT-IPV 2 1,9

DTP 2 1,9

DTPa, Polio-IPV, Typhus 1 0,9

FSME 20 18,9

FSME, Hep.A+B 1 0,9

Hepatitis A+B 6 5,7

Hepatitis B 1 0,9

Hib 1 0,9

Influenza 11 10,4

Influenza, FSME 1 0,9

Influenza, Hep. A+B, 1 0,9

Masern 1 0,9

Meningokokken 0 0

MMR 4 3,8

MMRV 0 0

Pertussis azellulär (aP) 1 0,9

Pertussis Ganzkeim (wP) 1 0,9

Pneumokokken 1 0,9

Pocken 8 7,5

Polio IPV 5 4,7

Td 1 0,9

Td + Polio oral 1 0,9

Tetanus 5 4,7

Tollwut 1 0,9

Varizellen 0 0

Sonstige Impfungen- -kombinationen 8 7,5

Gesamt: 106 100

                                                            17 *) T: Tetanus, D, d: Diphtherie, aP: Pertussis azellulär, wP: Pertussis Ganzkeimimpfstoff, IPV: Poliomyelitis, Hib: Haemophilus influenzae b, Hep. B: Hepatitis B, Pneumokokken 

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In Tabelle 5-4 wird das Verhältnis der im Beobachtungszeitraum 2005 bis 2009 anerkannten Impfschäden zu den gestellten Anträgen bezogen auf die Länder dargestellt. Sowohl die Anzahl der Anträge als auch die Quote der Anerkennung weist hierbei eine breite Streuung zwischen den Ländern auf (0 % bis 28,8 %). Im Mittel wurde bei 16,3 % der insgesamt 1036 Anträge eine Anerkennung als Impfschaden ausgesprochen. Geht man davon aus, dass sich das Auftreten von Impfschäden insgesamt statistisch gleichmäßig über die Länder verteilt, so spräche die starke Streuung bei der Anerkennungsquote für die Notwendigkeit qualitätssichernder Maßnahmen i. S. einer Vereinheitlichung der Begutachtungskriterien zur Anerkennung von Impfschäden und einer Angleichung der Grundlagen für die Verwaltungsentscheidungen der Länder. Tabelle 5-4: Quotient aus Anzahl der anerkannten Impfschadensfälle zu Anzahl der gestellten Anträge im Zeitraum 2005 - 2009

Anzahl der Anträge auf Anerkennung

2005-2009

Anzahl der anerkannten Impfschäden

2005-2009

Anerkennungs-quote

[%]

Baden-Württemberg 167 20 12,0%

Bayern 215 62 28,8%

Berlin 50 13 26,0%

Brandenburg 21 2 9,5%

Bremen 2 0 0,0%

Hamburg 13 1 7,7%

Hessen 59 5 8,5%

Mecklenburg-Vorpommern 40 0 0,0%

Niedersachsen 73 4 5,5%

Nordrhein-Westfalen 193 29 15,0%

Rheinland-Pfalz 21 6 28,6%

Saarland 14 2 14,3%

Sachsen 70 13 18,6%

Sachsen-Anhalt 29 5 17,2%

Schleswig-Holstein 36 5 13,9%

Thüringen 33 2 6,1%

Gesamt 1036 169 16,3%

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5.6 Fazit

Grundsätzlich sind Impfstoffe sehr sicher und unterliegen während der Entwick-lungs-, Produktions- und Anwendungsphase einer umfassenden Kontrolle durch Hersteller und zuständige Behörden, aber dennoch können unerwünschte Wirkungen, wie bei anderen Arzneimitteln auch, auftreten. In der Regel sind sie leichter und vorübergehender Natur. In seltenen oder sehr seltenen Fällen können auch schwerwiegendere Folgen auftreten. Immer aber sind sie weitaus seltener als im Falle der durch die Impfung verhüteten Erkrankung. Um frühzeitig entsprechende Signale zu erhalten sind Überwachungssysteme installiert. Die Information der Bevölkerung darüber ist weiter zu verbessern.

Das Vorgehen bei vermuteten Impfschäden muss besser kommuniziert werden und ist auch in der Ärzteschaft oft nicht genügend bekannt. So haben Auswertungen des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) zusammen mit einzelnen Landesgesundheitsbehörden ergeben, dass die Meldeverpflichtung einer „über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung“ nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG) offenbar nicht allen Betroffenen bekannt ist. Somit müssen die zur Meldung verpflichteten Personen nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 und 3 IfSG an ihre Meldepflicht erinnert und besser informiert werden. Gleichzeitig ist sicherzustellen, dass diese Verdachtsmeldungen durch die Gesundheitsämter gem. § 11 Abs. 2 IfSG unverzüglich in pseudonymisierter Form an die zuständigen Landesbehörden und die zuständige Bundesoberbehörde, dem PEI, übermittelt werden.

Von Seiten der Gesundheitsbehörden wird angeregt, dass durch das PEI eine Rückmeldung zur wissenschaftlichen Bewertung des übermittelten Verdachtsfalls erfolgt.

Der Rechtscharakter der Empfehlungen der STIKO im Kontext der öffentlichen Empfehlung für Schutzimpfungen ist im Hinblick auf Haftungsregelungen oftmals unklar.

Aufgrund der Verpflichtung der Länder nach § 20 Abs. 3 IfSG, auf Grundlage der STIKO - Empfehlung eigene Empfehlungen herauszugeben, entfalten allein die jeweiligen Empfehlungen der Länder bezüglich der Haftungsfragen Verbindlichkeit, nicht jedoch die STIKO - Empfehlungen per se. Sie können allenfalls in einem gerichtlichen Verfahren als antizipiertes Sachverständigengutachten herangezogen werden.

Für den Arzt sind die Anforderungen bei Durchführung der Impfung im Hinblick auf Aufklärung bei Durchführung nicht öffentlich empfohlener Impfungen nicht ausreichend transparent. Gleiches gilt für den Impfling.

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Aufgrund einer starken Streuung der Anerkennungsquoten von Impfschäden zwischen den Ländern wird die Notwendigkeit qualitätssichernder Maßnahmen i. S. einer Vereinheitlichung der Begutachtungskriterien zur Anerkennung von Impfschäden und einer Angleichung der Grundlagen für die Verwaltungsentscheidungen der Länder gesehen.

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Literaturverzeichnis

1. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut, Stand: Juli 2011. Epidemiologisches Bulletin, 30/2011:275-294

2. Schaade L, Widders U, Stange G, Höhl H, Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut - rechtliche Grundlagen und rechtliche Bedeutung. Bundesgesundheitsbl-Gesundheitsforsch-Gesundheitsschutz 2009 52:1006-1010

3. Dittmann S, Zur Aufklärungspflicht des Arztes vor Impfungen. Bundesgesundheitsbl-Gesundheitsforsch-Gesundheitsschutz 2004 47:1175-1181

4. Entscheidung des BGH vom 15.2.1990, NJW 1990: 2311-2312

5. Hinweise für Ärzte zum Aufklärungsbedarf bei Schutzimpfungen/Stand Januar 2004: Epidemiologisches Bulletin, 5/2006:33-52)

6. Hinweise für Ärzte zum Aufklärungsbedarf über mögliche unerwünschte Wirkungen bei Schutzimpfungen/Stand 2007 (Epidemiologisches Bulletin, 25/2007: 209-232).

7. Persönliche Leistungserbringung - Möglichkeiten und Grenzen der Delegation ärztlicher Leistungen Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung Stand: 29.08.2008 (http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.7.47.3225¸Stand Nov.2010)

8. Deutsch E, Die Pflicht des Arztes, den Patienten auf eine Impfung hinzuweisen, Kinder- und Jugendarzt 35 Jg. (2004), Nr.6: 449-475

9. Meyer C., Rasch G, Keller-Stanislawski,. Schnitzler N, „Anerkannte Impfschäden in der Bundesrepublik Deutschland 1990-1999“, Bundesgesundheitsbl-Gesundheitsforsch-Gesundheitsschutz 2002, 45: 364-370

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Stand 1.Januar 2012    127

6 Krankheits-Surveillance und Impfquoten-Erhebung

6.1 Einführung/Datenquellen

Aktuelle belastbare Daten zum Auftreten impfpräventabler Infektionskrankheiten und zum Immun- und Impfstatus der Bevölkerung sind notwendig, um Impfziele und Impfprogramme formulieren und evaluieren zu können. Sie dienen auch zur fachlichen Beratung der Politik und sind eine wichtige Grundlage für die Information der Bevölkerung.

Daten zum Impfstatus bestimmter Zielpopulationen (z. B. Kinder, Jugendliche, Erwachsene, bestimmte Risikogruppen etc.) sind weiterhin wichtige Voraus-setzungen, um Trends, regionale Unterschiede und soziodemografische Besonder-heiten in der Impfprävention darstellen zu können. Auf der Basis aktueller Impfdaten können dann mit gezielten Interventionen Impflücken geschlossen werden. Informationen über zeitgerechte und vollständige Impfserien sind zudem für die Evaluation und gegebenenfalls Anpassung der jährlichen Impfempfehlungen relevant. Eine kontinuierliche Datenerhebung und -bewertung (inkl. Laborsurveillance) ermöglicht es auch, Aussagen zur Impfeffektivität (Wirksamkeit von Impfungen bei breiter Anwendung), zum Impfversagen, zu Durchbruchs-erkrankungen und unerwünschten Arzneimittelwirkungen treffen zu können.

In Deutschland gibt es kein einheitliches umfassendes System zur Erhebung von Impfquoten. Es müssen diverse Quellen herangezogen werden, um Daten zu verschiedenen Impf-Fragestellungen zu erhalten. Von großer Bedeutung sind Angaben zu Neuerkrankungen und Ausbrüchen von impfpräventablen Erkrankungen, da es hier primär um den Schutz der Gesundheit und menschlichen Lebens geht. Ebenso wichtig sind Daten zum Durchimpfungsgrad der Bevölkerung, die anzeigen, ob gesetzte Impfziele erreicht wurden und die darüber hinaus Anhaltspunkte für Präventionsstrategien liefern. Angaben zum Immunstatus definierter Bevölkerungs-gruppen helfen abzuschätzen, welche Gruppen empfänglich für bestimmte Erkrankungen sind und runden das Bild ab.

Nachfolgende Aufzählung zeigt die Vielzahl vorhandener Datenquellen auf:

Daten zur Inzidenz und zu Ausbrüchen von impfpräventablen Erkrankungen:

• Meldungen über Erkrankungen und Erregernachweise gemäß dem Infektionsschutzgesetz (IfSG)

• Meldungen nach Landesverordnungen (regional)

• Sentinel – Erhebungen

• Versorgungsdaten der Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen

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Daten zur Durchimpfung definierter Bevölkerungsgruppen:

• Erfassung des Impfstatus zum Schuleingang (§34(11) IfSG)

• Impfstatuserhebungen in Gemeinschaftseinrichtungen

• Impfregister

• Sentinel-Erhebungen

• Bevölkerungsbefragungen

• Versorgungsdaten

• Impfstoffverkaufszahlen

• Seroprävalenzstudien (in deren Rahmen Angaben zum Impf- und Immunstatus der eingeschlossenen Personen erfasst werden)

In Deutschland existieren zwar eine Reihe von Datenquellen – sowohl zum Impf- und Immunstatus der Bevölkerung als auch zum Auftreten impfpräventabler Krankheiten, die Daten unterscheiden sich jedoch vielfach hinsichtlich Methodik und Häufigkeit ihrer Erhebung sowie ihrer Repräsentativität und Verfügbarkeit (23).

Nicht alle benötigten Daten stehen in der Bundesrepublik Deutschland bisher in ausreichendem Maße zur Verfügung. Wissenschaftler des RKI beklagen, dass „durchgeführte Impfungen in Deutschland nicht zentral dokumentiert werden, und nur ein Teil der impfpräventablen Infektionskrankheiten meldepflichtig ist.“ Zur Ermittlung des Impf- und Immunstatus der Bevölkerung müssen daher Teilstichproben oder Querschnittsuntersuchungen herangezogen werden, die eine ungefähre Ein-schätzung der Impfsituation ermöglichen (25).

Im Zusammenhang mit der Frage nach der Wirksamkeit einer Impfung müssen, je nachdem, ob die Einführung einer Empfehlung geplant ist (epidemiologische Daten zum potenziellen Nutzen), eine Empfehlung bereits vorhanden ist (Erfolgskontrolle), ein definiertes Impfziel vorhanden ist (geplante Eliminierung, z. B. Masern) oder eine Eliminierung bereits erreicht wurde (z. B. Polio) unterschiedliche Datenquellen genutzt werden.

Um die Qualität von Daten zu impfpräventablen Erkrankungen und Impfquoten zu verbessern, gilt es zu prüfen, ob es Möglichkeiten gibt, Datenquellen besser oder intensiver zu nutzen und ob möglicherweise neue Datenquellen erschlossen werden können.

Nachfolgend werden aktuelle Methoden zur systematischen und kontinuierlichen Erhebung epidemiologischer Daten zum Auftreten impfpräventabler Erkrankungen und zum Durchimpfungsgrad der Zielgruppen vorgestellt.

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6.2 Erfassung von Impfquoten

6.2.1 Erfassung von Impfdaten bei Schuleingangsuntersuchungen und anderen flächendeckenden Impfstatuserhebungen

Die Daten, die im Rahmen der Schuleingangsuntersuchungen kontinuierlich durch die Gesundheitsämter oder von ihnen beauftragte Ärzte nach § 34 Abs. 11 IfSG erhoben werden, werden von den zuständigen Landesbehörden an das RKI übermittelt, und dort zentral erfasst und ausgewertet. Vor in Kraft-Treten des Infektionsschutzgesetzes 2001 wurden die Schuleingangsuntersuchungen nicht systematisch erhoben und verglichen. 1999/2000 wurde vom Robert Koch-Institut und den Bundesländern ein Meldebogen entwickelt, in dem die Definitionen für abgeschlossene bzw. begonnene Impfserien festgelegt sind. Dadurch können die Impfdaten, die in den einzelnen Bundesländern mit unterschiedlicher Methodik erhoben werden, zusammengefasst und die Impfquoten sowohl für die Kinder mit vorliegendem Impfausweis als auch für alle untersuchten Kinder berechnet werden. Der Indikatorensatz der Gesundheitsministerkonferenz für die Gesundheits-berichterstattung orientiert sich ebenfalls an diesem Meldebogen.

Die Impfdaten aus den Schuleingangsuntersuchungen geben - je nach Einschulungsalter in den Bundesländern - Auskunft über den Impfstatus 4- bis 7-jähriger Kinder und sind repräsentativ für Kinder, die einen Impfpass vorlegen. Da das Einschulungsalter der Kinder bzw. der Zeitpunkt der Untersuchungen in den Bundesländern variiert, liefern sie keine Information zur Durchimpfung in Geburtskohorten. Bei den Schuleingangsuntersuchungen werden durchgeführte Impfungen ermittelt, die überwiegend 3 bis 5 Jahre zurückliegen. Dadurch wird eine zeitnahe Reaktion auf bestehende Impflücken erschwert sowie die Umsetzung neu empfohlener Impfungen erst sehr spät erfasst. Die Schuleingangsuntersuchung wird aber in vielen Bundesländern von den Gesundheitsämtern als Interventionszeitpunkt genutzt, um auf bestehende Impflücken hinzuweisen (1).

Bei den Schuleingangsuntersuchungen wird zudem in der Regel nicht dokumentiert, ob die Impfungen zeitgerecht erfolgten. Die Auswertung der Daten des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS) hat jedoch gezeigt, dass Kinder häufig zu spät und nicht zu den von der STIKO empfohlenen Zeitpunkten geimpft werden (20).

Bei bis zu 15% der einzuschulenden Kinder liegt kein Impfausweis vor. Das führt zu einer Verschlechterung der Datenqualität. Die auf der Basis der vorgelegten Impfausweise berechneten Impfquoten stellen vermutlich eine leichte Überschätzung der erzielten Impfquoten dar, da bundesweite Daten zum Impfstatus von Kindern ohne Impfausweis nicht vorliegen. Aus Ausbruchsuntersuchungen und regionalen Untersuchungen ist bekannt, dass die Impfquoten von Kindern ohne Impfausweis in der Regel etwas niedriger sind als bei Kindern mit Impfdokumenten (37). Hier sind

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weitere Anstrengungen zur Vervollständigung der Daten dieses wichtigen Erhebungsinstrumentes erforderlich.

Der vom RKI und den Bundesländern entwickelte Meldebogen, in dem die Definitionen für abgeschlossene bzw. begonnene Impfserien festgelegt sind, wurde 2006 neu abgestimmt.

Der neue Erfassungsbogen sieht die Dokumentation der Varizellen-, Meningokokken C- und Pneumokokkenimpfungen, die von der STIKO seit 2004 bzw. 2006 empfohlen werden sowie die im Alter von 5 bis 6 Jahren empfohlenen Boosterimpfungen gegen Tetanus, Diphtherie und Pertussis vor. Da in den letzten Jahren zunehmend Kombinationsimpfstoffe für die Grundimmunisierung verwendet werden, wurden in dem neuen Meldebogen für Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Haemophilus influenzae Typ b (Hib), Poliomyelitis und Hepatitis B jeweils 4 Impfungen als abgeschlossene Grundimmunisierung definiert bzw. 3 Impfungen bei Verwendung von Impfstoffen ohne Pertussiskomponente. Die bundesweiten Impfdaten aus den Schulein-gangsuntersuchungen werden einmal jährlich im Epidemiologischen Bulletin des RKI veröffentlicht.

In den Gesundheitsämtern in Sachsen-Anhalt werden die Impfdaten einzuschulender Kinder mit taggenauem Impfdatum in eine spezielle Version des Softwaremoduls Jugendärztlicher Dienst eingegeben. Dies erfordert zunächst einen erhöhten Zeitbedarf, ermöglicht jedoch eine sofortige und präzise Ermittlung des altersgerechten Impfstatus auf der Grundlage festgelegter Standards. Außerdem sind Auswertungen als Grundlage für gezielte Maßnahmen des Gesundheitsamtes möglich, wie Ermittlung des Anteils der Kinder mit Impflücken, aufgeschlüsselt nach Geburtsjahr, Schule, Klassenstufe und Wohnort. Darüber hinaus werden die mit einer Reihe von Gesundheits- und Sozialdaten der einzuschulenden Kinder verknüpften anonymisierten Impfdaten per Schnittstelle aus allen Gesundheitsämtern an die zuständige Landesbehörde übermittelt und dort für die Impfberichterstattung ausgewertet.

6.2.2 Weitere Erhebungen zum Impfstatus in Gemeinschafts-einrichtungen

In Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen werden weitere flächendeckende Erhebungen zum Impfstatus in höheren Klassenstufen durchgeführt und auf Landesebene ausgewertet. Regionale Untersuchungen finden in Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen statt.

In Brandenburg, Hessen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Sachsen und Thüringen wird der Impfstatus von Kleinkindern mittels Impfausweis bzw. ärztlicher Bescheinigung überprüft (23). In Schleswig-Holstein und Thüringen muss bei Aufnahme in eine Kindertagesstätte eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt werden, die auch Informationen über den vorhandenen Impfschutz enthält. Während in

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Thüringen das örtliche Gesundheitsamt den Durchschlag der Bescheinigungen erhält, wird in Schleswig-Holstein ein anonymisierter Durchschlag der ärztlichen Bescheinigung an die Arbeitsgemeinschaft der Kinder- und Jugendärztlichen Dienste geschickt (3). In Hamburg, Hessen und Sachsen müssen Erziehungsberechtigte dem Träger einer Tageseinrichtung entweder nachweisen, dass das Kind entsprechend den öffentlichen Impfempfehlungen geimpft ist oder sie müssen erklären, dass sie keine Zustimmung zu bestimmten Schutzimpfungen erteilen. In Hamburg und Hessen und Sachsen-Anhalt werden die Daten auf individueller Ebene erhoben, jedoch nicht an den Öffentlichen Gesundheitsdienst weitergeleitet. In Brandenburg ist keine Untersuchung vor Aufnahme in den Kindergarten vorgeschrieben, der Impfstatus von Kindern in Kindertagesstätten wird jedoch regelmäßig durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst erhoben. In Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen wird der Impfstatus von Kleinkindern regional, nicht aber flächendeckend erhoben (23).

6.2.3 Erfassung von Impfdaten im Rahmen von Surveys und Sentinels

Repräsentative bundesweite Surveys für unterschiedliche Altersgruppen, die am RKI regelmäßig durchgeführt wurden und werden, enthalten auch Fragen zum Impfstatus und untersuchen die Seroprävalenz ausgewählter impfpräventabler Erkrankungen.

So wurden im aktuellen telefonischen Gesundheitssurvey (Gesundheit in Deutschland aktuell - GEDA) 2008/2009 Daten zur Influenza-, Tetanus- und Keuchhusten-Impfung erhoben (30).

Vom Mai 2003 bis Mai 2006 wurde der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) durchgeführt. Im KiGGS wurden über die ärztliche Dokumentation in den Impfausweisen detaillierte Daten zu angewendeten Impfstoffen und dem Impfzeitpunkt erhoben. Diese Daten wurden erfasst und unter Berücksichtigung der nationalen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission am RKI (STIKO) bewertet. Von den 17.641 KiGGS-Probanden konnten für 16.460 der untersuchten Kinder (93,3%) die Impfangaben ausgewertet werden (20).

Eine Stichprobe von Teilnehmern/innen des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys von 2003-2006 wird zukünftig in Form einer Kohortenstudie abwechselnd alle drei Jahre telefonisch nachbefragt werden.

Seit November 2008 wird die Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS) durchgeführt, die den Bundesgesundheitssurvey 1998 fortsetzt. Auch in diesem Survey wird der Impfstatus der Teilnehmer anhand der Impfpässe bzw. bei Fehlen des Impfpasses durch Befragung erhoben. Darüber hinaus werden auf regionaler Ebene Querschnittsstudien, z. B. zu Masern-, Mumps-, Röteln- und FSME-Impfungen durchgeführt (23); (14).

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Diese Surveillanceinstrumente liefern detailliertere Hinweise als die Daten aus den Schuleingangsuntersuchungen. Surveys sind jedoch sehr aufwändig, kostenintensiv und werden nicht kontinuierlich, sondern häufig in großen Zeitabständen durchgeführt.

6.2.4 Speicherung von Impfdaten auf der elektronischen Gesundheitskarte

Die Nutzung einer elektronischen Gesundheitskarte könnte zukünftig die Möglichkeit bieten, Impfdaten zu speichern. Damit würde jede Impfung für den Impfling vollständig erfasst und könnte zur Überprüfung des Impfstatus oder bei Fragen der Auffrischung jederzeit heran gezogen werden.

Darüber hinaus könnten die Daten in pseudonymisierter Form zur Erfassung der Impfquoten in bestimmten Bevölkerungsgruppen verwendet werden oder in bevölkerungsbezogene Impfregister einfließen.

Derzeit wird eine Implementierung von Impfdaten entweder innerhalb des Notfalldatensatzes, hier vor allem der notfallrelevanten Impfungen, bzw. als eigenständige Anwendung auf der elektronischen Gesundheitskarte im Rahmen einer Arbeitsgruppe bei der Bundesärztekammer diskutiert.

6.2.5 Impfregister

Impfregister sind vertrauliche, computergestützte Datenbanken, mit deren Hilfe sowohl individuelle als auch bevölkerungsbezogene Informationen über durchgeführte Schutzimpfungen gesammelt und gespeichert werden können.

Um ausschließlich bevölkerungsbezogene Informationen zu erhalten, wären anonymisierte Impfregister ausreichend. Für eine auch individuelle Nutzung wäre eine namentliche Datenerfassung erforderlich.

Mit Hilfe eines Impfregisters kann das Erreichen bestmöglicher Durchimpfungsraten, insbesondere unter Kindern und Jugendlichen, zielgerichtet gesteuert werden. Das Impfregister kann damit einen wichtigen Beitrag zur Prävention, Kontrolle und Bekämpfung impfpräventabler Krankheiten leisten.

Die drei an einem Impfregister beteiligten Ebenen sind: der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD), die impfende Ärzteschaft sowie die Impflinge bzw. ihre Sorgeberechtigten.

Für den Öffentlichen Gesundheitsdienst bietet ein Impfregister die Möglichkeit, Durchimpfungsraten kommunal, regional und landesweit zu überwachen. Impflücken können altersspezifisch für jede einzelne Impfung ermittelt werden. Das erleichtert allen Akteuren die Planung gezielter Maßnahmen, wie Information und Aufklärung oder Projekte und Aktionen, ganz erheblich.

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Durch ein individuelles Impfregister mit persönlichen Angaben sind darüber hinaus Impferinnerungen zum Beispiel durch den ÖGD oder die niedergelassene Ärzteschaft möglich, wenn dies vom Impfling gewünscht wird.

Der Zugang zu einem elektronischen Impfregister ermöglicht den impfenden Ärztinnen und Ärzten einen Einblick in die Impfhistorie und den aktuellen Impfstatus ihrer Patienten. Dies kann besonders dann von Interesse sein, wenn die Patienten auch von anderen Ärzten geimpft werden und/oder der Impfausweis bei der Arztkonsultation nicht vorliegt.

Der Bevölkerung bietet ein Impfregister eine lückenlose Dokumentation des eigenen Impfstatus.

Weltweit führen die USA, Kanada und Australien Impfregister. Im europäischen Bereich sind die skandinavischen Länder in der Vorreiterrolle. Für die Implementierung eines Impfregisters sind jedoch umfangreiche strukturelle, technische und logistische Voraussetzungen erforderlich und besonders datenschutzrechtliche Bestimmungen zu berücksichtigen. In Deutschland wird die Einführung eines Impfregisters bisher mehrheitlich nicht in Erwägung gezogen. Lediglich in Sachsen-Anhalt gibt es in Verbindung mit einer Impfmeldepflicht für Kinder bis zum 7. Lebensjahr ein solches Impfregister (15).

6.2.6 Verwendung der einheitlichen Dokumentationsziffern zur Abrechnung von ärztlichen Impfleistungen für wissenschaftliche Auswertungen

Leistungs- und Abrechnungsdaten von Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen), die primär zum Zweck der Abrechnung ärztlicher Leistungen erhoben werden, können gemäß § 303 Sozialgesetzbuch V vom 21. Juli 2004 pseudonymisiert für wissenschaftliche Vorhaben genutzt werden (3).

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in § 8 Abs. 2 der Schutzimpfungs-richtlinie aus dem Jahr 2007 in Anlage 2 einen Dokumentationsschlüssel für Impfungen beschlossen, der bundeseinheitlich ab dem 01.07.2008 anzuwenden war und Gesetzescharakter hat (27).

Diese Zahlen-Buchstaben-Kombinationen dienen der Ergänzung der Impfdoku-mentation. Neben der genauen Bezeichnung des Impfstoffs (Chargennummer sowie bei Mehrfachimpfungen den Handelsnamen) muss aus der ärztlichen Dokumentation beispielsweise auch hervorgehen, ob die verabreichte Impfung im Rahmen der Grundimmunisierung, als abschließende Impfung der Grundimmunisierung oder als Auffrischimpfung gegeben wurde und dass der Patient über Nutzen und Nebenwirkungen der Impfung aufgeklärt wurde.

Der Dokumentationsschlüssel ist jedoch keine direkte Abrechnungsverordnung, jede KV kann in Absprache mit den Kassen einen anderen Abrechnungsschlüssel beschließen. Dies erscheint allerdings wenig sinnvoll, da auf diese Weise für jede

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Impfung die Dokumentationsziffer und die Abrechnungsziffer in der Quartalsabrechnung angegeben werden müsste. Die meisten KV-en (15 von 17) haben daher sinnvoller Weise die Dokumentationsziffern des G-BA auch als Abrechnungsziffer eingeführt (23). In einem Fall (KV Berlin) wird dabei aber auf die Angabe des Buchstabens (unvollständige Impfung, abgeschlossene Impfserie, Auffrischung) verzichtet. Die KVen Hamburg und Sachsen-Anhalt haben bisher keine Angleichung von Abrechnungs- und Dokumentationsschlüsseln vorgenommen.

Über die Abrechnungsziffern der Impfleistungen und die ICD-10 codes (Diagnoseklassifikationssystem - International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) werden aus dem Datenbestand der KVen im Rahmen eines gemeinsamen Projektes von KVen und RKI Daten zu allen Impfleistungen und zu den Erkrankungen Mumps, Keuchhusten, Windpocken, Gürtelrose, invasive Meningokokkeninfektionen und Masern abgefragt. Vor der Übermittlung der personenbezogenen Daten an das RKI werden diese pseudonymisiert. Dazu wird ein sogenannter Hashwert generiert. Dabei handelt es sich um einen Code, der aus Vorname, Nachname, Geburtstag und KV-internem Passwort berechnet wird und der einen Patienten innerhalb des jeweiligen KV-Bereichs eindeutig kennzeichnet. Die Pseudonymisierung über den Hashwert gewährleistet, dass die Datensätze einer KV für verschiedene Impfungen oder Diagnosen im Zeitverlauf einer Person zugeordnet werden können. Im RKI liegen dann letztlich neben der ICD-10-Kodierung und dem Abrechnungsquartal auch demographische Angaben der Patienten (Monat und Jahr der Geburt, Geschlecht, Landkreis, 3-stellige Postleitzahl) und Angaben zum Arzt (Fachgebiet, Landkreis der Praxis) vor.

Anhand dieser Daten können z. B. die Anzahl der verschiedenen Impfleistungen nach Kassenärztlicher Vereinigung dargestellt und Impfquoten für definierte Altersgruppen abgeschätzt werden (23).

Die Impfquote lässt sich bestimmen, indem zum Beispiel die Anzahl der geimpften Personen (aus den KV-Daten) bezogen wird auf die Anzahl der gesetzlich krankenversicherten Personen (aus der sog. KM6-Statistik, die Mitgliederstatistik der KVen). Die Inzidenz einer impfpräventablen Erkrankung wird durch die Anzahl der erkrankten Personen (aus den KV-Daten) pro 100 000 gesetzlich krankenversicherte Personen (aus der KM6-Statistik) berechnet (26). Darüber hinaus werden für genauere Schätzungen Impfquoten und Morbiditäten innerhalb von Kohorten gebildet, die über den gesamten Beobachtungszeitraum in einem bestimmten KV-Bezirk gewohnt und medizinische Leistungen in Anspruch genommen haben. Dieser methodische Ansatz wurde entwickelt, da die Pseudonymisierungs-Codes nicht KV-übergreifend sind und Patientendaten sich daher nicht KV-übergreifend auswerten lassen. Außerdem differenziert die KM6-Statistik Kinder von 0 bis 15 Jahren nicht nach Altersjahrgängen.

Bei der Interpretation der KV-Daten für epidemiologische Zwecke sind Vorteile und Limitationen zu berücksichtigen:

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Bei der Nutzung von Abrechnungsdaten der KVen zur Bestimmung von Impfquoten kann von einer hohen Repräsentativität der Daten in Bezug auf die gesetzlich Krankenversicherten ausgegangen werden, da alle GK-Versicherten (ca. 87% der Einwohner Deutschlands) durch das KV-Sentinel erfasst werden. Auch handelt es sich bei den Abrechnungsdaten der KVen um sehr vollständige Daten, die sich für eine Bestimmung des Impfstatus der Bevölkerung gut heranziehen lassen (34).

Dagegen fehlen die Daten zu Impfungen und ambulanten Diagnosen von privat versicherten Patienten und die Diagnosen aus dem stationären Bereich. Dies gilt ebenso für Impfungen, die vom Öffentlichen Gesundheitsdienst durchgeführt werden, Impfungen von Bundeswehrsoldaten und Personen, die bei der freien Heilfürsorge versichert sind (21). Zu beachten ist außerdem, dass nur Impfungen seit dem Jahr 2004 (Beginn des Projektes, jedoch noch nicht mit allen Kven) erhoben wurden und insbesondere Impfungen bei Jugendlichen und Erwachsenen, die vor diesem Zeitpunkt erfolgten, unberücksichtigt bleiben. Die Daten werden dem RKI darüber hinaus erst mit einer deutlichen Verzögerung zur Verfügung gestellt. Daher wären Sie zum Beispiel in einer Pandemie für die Begleitung einer Impfkampagne nicht geeignet.

Die KV-Daten werden quartalsweise routinemäßig von den KVen für Abrechnungszwecke erhoben. Dadurch sind sie kontinuierlich und kostengünstig verfügbar. Sie sind weitgehend frei von Verzerrungseffekten, die beispielsweise bei hoch motivierten Sentinel-Ärzten auftauchen und zu Überschätzungen führen können (26).

Dank des Hashwertes ist eine Zuordnung von mehreren Impfungen im Zeitverlauf zu einer Person innerhalb eines KV-Bezirks möglich und damit auch die Bestimmung des Impfstatus (23).

Zur Bestimmung der Impfquote wird die vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) veröffentlichte Mitgliederstatistik KM6 genutzt. Die KM6-Mitgliederstatistik lässt aber keine Aufgliederung in kleinere Altersgruppen für die unter 15-Jährigen zu. Um dennoch an die benötigte Aufgliederung zu kommen, werden Bevölkerungsdaten des Statistischen Bundesamtes einbezogen und so der altersspezifische Nenner geschätzt (34), (4).

Die Zuordnung von Impfungen zu Personen im Zeitverlauf setzt voraus, dass die Patienten wohnorttreu sind, d.h. ausschließlich diese medizinischen Leistungen von Ärzten derselben KV in Anspruch nehmen und ihren Namen nicht ändern.

Das RKI KV-Sentinel verfolgt daher einen Kohortenansatz, denn besonders Bevölkerungsbewegungen zwischen den KV-Bezirken haben spürbaren Einfluss auf die Berechnung. Durch die Beobachtung einer ortgebundenen Population über eine längere Zeit sollen Aussagen über die Entwicklung des Impfstatus innerhalb der Geburtskohorte ermöglicht werden (23).

Dank der Einführung bundesweiter Dokumentationsziffern (ab 2008) kann genauer bestimmt werden, wie viele Personen eine Impfserie begonnen sowie eine

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abgeschlossene Grundimmunisierung bzw. eine Auffrischungsimpfung erhalten haben (23).

Die Altersangaben des Patienten zum Impfzeitpunkt erlauben generell Rückschlüsse über eine zeitgerechte Impfung, d.h. ob die Impfung in dem von der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch Institut (STIKO) empfohlenen Zeitrahmen erfolgte. Besonders wichtig sind diese Angaben bei sehr jungen Kindern, da eine Vielzahl von Impfungen gerade für die ersten Lebensjahre empfohlen wird.

Da in den Datensätzen nur der Monat und das Jahr, nicht aber der Geburtstag, enthalten sind, wird das berechnete Impfalter um max. einen Monat überschätzt. Unter Umständen kann dies bei der Berechnung von Impfquoten zu einer Unterschätzung führen. Aussagen zur zeitgerechten Impfung sind daher ungenau (6).

Mit Hilfe dieser Daten können Impfquoten repräsentativ für alle GKV-Versicherten abgeschätzt werden, sofern die Daten kontinuierlich geliefert werden. Die Analyse dieser Versorgungsdaten kann epidemiologische und gesundheitspolitische Informationen und Hinweise zur zeitgerechten Impfung verschiedener Altersgruppen in der GKV liefern. Durch die bundesweit einheitlich eingeführten Dokumentationsziffern der Schutzimpfungsrichtlinie, die von fast allen KVen als Abrechnungsziffern übernommen wurden, können zukünftig Angaben zur Zeitgerechtigkeit und Vollständigkeit der Impfungen noch besser im KV-Sentinel des RKI erfasst werden.

Die Pflege einer zentralen Datenbank und eine zentrale Auswertung der Daten werden im Rahmen eines befristeten Projektes durch das RKI gewährleistet.

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6.3 Surveillance impfpräventabler Krankheiten

Die Erfassung impfpräventabler Krankheiten ist für die epidemiologische Bewertung der Erkrankungen von großer Bedeutung. Nur durch eine Erfassung können Änderungen der Häufigkeit oder Altersverschiebungen erkannt werden. Darüber hinaus können die Daten Hinweise auf sogenannte Impfdurchbrüche liefern. Darunter ist das Auftreten einer Infektionskrankheit trotz zuvor durchgeführter Impfung zu verstehen. Die Erkenntnisse aus diesen Erhebungen sind wichtige Grundlagen für die Formulierung oder auch Anpassungen von Impfempfehlungen durch die STIKO.

Die verfügbaren Datenquellen für die Erfassung von impfpräventablen Erkrankungen in Deutschland ergeben sich aus den Meldepflichten nach §§ 6 und 7 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) an die Gesundheitsämter und den erweiterten Meldepflichten einiger Bundesländer sowie selektiven Surveillanceprogrammen.

6.3.1 Surveillance impfpräventiver Krankheiten im Rahmen der Meldepflicht

Das IfSG schreibt in §§ 6 und 7 die Meldepflicht einiger impfpräventabler Krankheiten fest. § 6 des IfSG regelt die namentliche Meldepflicht bei Krankheitsverdacht, Erkrankung sowie Tod an Diphtherie, akuter Virushepatitis, Masern, Meningokokken-Meningitis oder -Sepsis und Poliomyelitis. Darüber hinaus regelt §7 des IfSG die Meldepflicht für den direkten oder indirekten Labornachweis folgender, hier ausgewählter, Krankheitserreger, soweit die Nachweise auf eine akute Infektion hinweisen: z. B. Haemophilus influenzae (direkter Nachweis aus Blut, Liquor), Hepatitis-Viren, Influenzavirus, FSME-Virus.

Eine bundesweite Meldepflicht für impfpräventable Krankheiten wie Pertussis, Mumps, Röteln, invasive Pneumokokken-Erkrankung oder Varizellen sehen bisher weder § 6 noch § 7 des IfSG vor, werden aber im Rahmen der IfSG-Novellierung angestrebt.

IfSG § 15 Abs. 3 legt fest, dass neben der generell vorgesehenen Meldepflicht die Länder per Verordnung eine landesspezifische Meldepflicht einführen können. Es wird den Ländern das Recht eingeräumt, durch Landesverordnung den Katalog der nach dem IfSG meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserreger auszudehnen oder zusätzliche Angaben zu fordern. Von dieser Möglichkeit haben die östlichen Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen Gebrauch gemacht.

Ziel ist die weitere Verfolgung und Beurteilung der epidemiologischen Situation bestimmter Erkrankungen. Impfpräventable Krankheiten stellen dabei einen besonderen Schwerpunkt in den einzelnen landesspezifischen Meldepflichten dar.

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Zu den ausgewählten meldepflichtigen impfpräventablen Krankheiten bzw. deren Erregern zählen Mumps, Röteln, Windpocken, Keuchhusten, Tetanus und Pneumokokken.

Einen Gesamtüberblick zur erweiterten Meldepflicht in Bezug auf impfpräventabler Krankheiten gibt folgende Tabelle.

Erreger Krankheit Arztmeldepflicht (AMP) und Labormeldepflicht (LMP) in

Anmerkungen

Bordetella pertussis

Keuchhusten Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen

Clostridium tetani

Wundstarrkrampf Mecklenburg-Vorpommern Sachsen Thüringen

In beiden Ländern Nichtnamentliche AMP und LMP nur nichtnamentliche AMP

Mumpsvirus Mumps Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen

Rötelnvirus Röteln Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen

Streptococcus pneumoniae

Invasive Pneumokokken-erkrankung

Mecklenburg-Vorpommern Sachsen Sachsen-Anhalt

Nur LMP Nur LMP Nur LMP

Varicella-Zoster-Virus

Windpocken Mecklenburg-Vorpommern Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen Brandenburg

nichtnamentlich AMP für angeborene, LMP für alle Formen AMP und LMP

Tabelle 1: Übersicht zur erweiterten Meldepflicht in den sechs östlichen Bundesländern Vgl. Epi Bull 5/2009

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Durch die erweiterten Meldeverordnungen der östlichen Länder konnte und kann die epidemiologische Situation der angeführten impfpräventablen Krankheiten über Jahre hinweg, auch unter Berücksichtigung aktueller Entwicklungen, kontinuierlich verfolgt und beurteilt werden. Sie geben konkrete Hinweise auf ansteigende Inzidenzen bei impfpräventablen Krankheiten, woraufhin Impfempfehlungen erweitert oder angepasst werden können. So führte der Inzidenz-Anstieg bei Keuchhusten bei Kindern zwischen 5 und 15 Jahren im Jahr 2006 zu einer Änderung der STIKO-Empfehlung, die aufgrund dieser Entwicklung um eine zusätzliche Auffrischimpfungs-impfung für 5- bis 6-jährige Kinder ergänzt wurde.

Es besteht noch Forschungsbedarf zu der Evaluation der Meldepflicht für impfpräventable Erkrankungen, um die Aussagekraft der Meldedaten für die Begründung und Anpassung von Impfempfehlungen genauer zu analysieren und die Ausweitung der Meldepflicht auf andere impfpräventable Krankheiten besser begründen zu können.

6.3.2 Surveillance impfpräventabler Krankheiten im Rahmen von Sentinel-Erhebungen

Für die Surveillance von impfpräventablen Krankheiten werden neben der Meldepflicht auch Daten aus Arztpraxen, Krankenhäusern und Laboren genutzt. Bundesweite Sentinelerhebungen (vom lateinischen Sentinella – der Wachposten) werden derzeit zu Masern, zu Windpocken und deren Komplikationen, zu Herpes zoster, zu Influenza sowie zu invasiven Pneumokokkeninfektionen durchgeführt. Sentinel-Erhebungen eignen sich vor allem für häufige Erkrankungen, bei denen die Erfassung von Einzelfällen das Meldesystem überfrachten könnte. Im Vergleich zu meldepflichtigen Krankheiten können durch Sentinelsysteme detailliertere Daten erhoben werden. Methodische Probleme bestehen jedoch bei der Auswahl von Meldestichproben sowie bei der Definition der Bevölkerung unter Beobachtung, was die Hochrechnung der Ergebnisse auf Maße der Erkrankungshäufigkeit, z. B. die Inzidenz, und eine Vergleichbarkeit mit anderen Systemen einschränkt. Ausbrüche werden in Sentinels meist nicht oder nur zufällig erkannt (23).

Durch die Meldepflicht nach IfSG sowie zusätzliche Sentinels liegen für einen Teil der impfpräventablen Krankheiten bzw. Erreger bundesweite Daten vor. Das Sentinel für die Erfassung von Windpocken und Herpes zoster ist jedoch projektbasiert und damit nicht im Fortbestand gesichert. Bundesweite Daten zur Inzidenz von Pertussis, Mumps und Röteln, Tetanus, invasiven Pneumokokkeninfektionen, Varizellen und Herpes zoster fehlen. Diese Daten werden nur regional in einigen Bundesländern erhoben (siehe 6.3.1).

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6.4 Laborgestützte Surveillance

Eine wichtige Funktion auf dem Weg, messbare Fortschritte in der Impfprävention zu erzielen, bildet die Serosurveillance zur Erfassung der Populationsimmunität. Mit Seroprävalenzstudien kann beurteilt werden, wie hoch der Immunschutz der Bevölkerung gegen bestimmte Erkrankungen ist, nicht aber, ob die Antikörper infolge einer Impfung oder einer natürlichen Infektion aufgebaut wurden. In der Regel werden Seroprävalenzstudien daher ergänzend zu den übrigen Erhebungsmethoden durchgeführt.

Darüber hinaus ist eine Surveillance der zirkulierenden Erreger impfpräventabler Krankheiten notwendig, die durch kontinuierliche Untersuchung mögliche Veränderungen mit Auswirkungen auf die Wirksamkeit der aktuellen Impfstoffe aufdeckt.

6.4.1 Laborgestützte Surveillance im Rahmen von Gesundheits-surveys

Im neuen Erwachsenensurvey DEGS des RKI werden Seroprävalenz-Analysen zu Masern, Mumps, Röteln, Hepatitis A und B sowie Poliomyelitis durchgeführt. Der Erwachsenen-Gesundheitssurvey soll alle sechs Jahre durchgeführt werden. In der geplanten Helmholtz-Kohorte mit über 200.000 Probanden sollen in einer Teilstichprobe auch die Seroprävalenzen von Masern, Pertussis, Tetanus, Diphtherie, Polio, Röteln und FSME untersucht werden. Aus Sicht des RKI ist zudem eine laborgestützte repräsentative Surveillance insbesondere zu HPV und Rotaviren erforderlich.

Daten zur Immunitätslage gegen Poliomyelitis bei 0-17-Jährigen liefert der Kinder- und Jugend-Gesundheitssurvey (KIGGS) (5). Untersuchungen zur Seroprävalenz gegen Masern, Mumps und Röteln wurden ebenfalls durchgeführt. Entsprechende Daten wurden jedoch noch nicht veröffentlicht.

6.4.2 Laborgestützte Surveillance der Nationalen Referenzzentren (NRZ) und Konsiliarlaboratorien

Im Folgenden werden Aussagen hinsichtlich vorhandener Seroprävalenzdaten sowie weiterer Daten aus der laborgestützten Surveillance, die von den Ländern bei den NRZ und Konsiliarlaboratorien im Rahmen der Erstellung des Nationalen Impfplanes abgefragt und aus den Berichten und Publikationen der NRZ erhoben wurden vorgestellt und mögliche Handlungsoptionen daraus abgeleitet. Weitere ausführliche Daten aus den NRZ zur laborgestützten Surveillance bei impfpräventablen Erkrankungen liegen den Fachbehörden für die zukünftige Bearbeitung des Themas vor.

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6.4.2.1 Nationales Referenzzentrum für Influenza

Schwerpunkt der NRZ-Aufgabenstellung ist die Identifizierung und Charakterisierung der zirkulierenden Influenzaviren. Im Rahmen der bundesweiten Influenzaüberwachung durch die Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) wird sowohl eine syndromische als auch, in Zusammenarbeit mit mehreren Landesämtern18, eine virologische Surveillance durchgeführt. Es hat sich gezeigt, dass die durch das AGI-Surveillancesystem erhobenen Parameter zuverlässige Indikatoren für die aktuelle Verbreitung und Aktivität der Influenza sind. Das Beobachtungssystem erlaubt, regionale Influenza-Aktivitäten zu erkennen und so bereits frühzeitig vor dem Beginn der Welle auf Bevölkerungsebene auf eine beginnende Viruszirkulation aufmerksam zu machen.

Influenza kann bezüglich der Populationsimmunität nicht mit anderen Erkrankungen, wie z.B. Masern verglichen werden, die mit einer Grundimmunisierung und Boosterungen präventabel sind. Auch zukünftig sind keine Influenzaimpfstoffe in Aussicht, die eine jährliche Impfung, welche die aktuellen Stämme enthält, ersetzen. Gegen die aktuell zirkulierenden Virusvarianten wird durch die Impfung ein 50-90%iger Schutz für ca. 6 Monate erzielt. Durch eine Infektion erworbene Antikörper sind zwar länger nachweisbar, allerdings auch nur gegen ihnen ähnliche Erregertypen wirksam. Eine Serosurveillance wird keine Prognosen gestatten, was die Impfempfehlung für bestimmte Alters- oder Risikogruppen anbelangt. Für Fragen wie z.B. nach der Impfeffizienz bei bestimmten Risikogruppen oder die Durchseuchung mit einem neuen Influenzavirus wie dem pandemischen Influenzavirus A (H1N1) 2009 kann nach Auffassung des NRZ eine Serosurveillance sinnvoll sein.

6.4.2.2 Nationales Referenzzentrum für Meningokokken

Die Verteilung der verursachenden Serogruppen bei invasiven Meningokokken-Erkrankungen ist in Anbetracht der Verfügbarkeit von Impfstoffen gegen die Serogruppen A, C, W135 und Y, nicht jedoch B, für die Entwicklung von Präventionsstrategien und Impfempfehlungen von besonderer Bedeutung. Dem widmet sich das NRZ vorrangig. Darüber hinaus wird der Frage nach Herdenimmunität und Persistenz von Impftitern im Rahmen von Seroprävalenzstudien eine wichtige Rolle zugestanden. Das NRZ für Meningokokken hat Interesse an Seroprävalenzstudien im Zusammenhang mit der anstehenden Lizensierung neuer Meningokokkenvakzinen, die auch eine breite Wirkung                                                             18 Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Bayern (LGL), Landesamt für Gesundheit und Soziales Mecklenburg‐Vorpommern (LaGuS), Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen‐Anhalt (LAV), Landesuntersuchungsanstalt Sachsen (LUA) 

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gegenüber Meningokokken B haben, sowie an Seroprävalenzstudien zur Beurteilung der Populationsimmunität im Kontext der niedrigen Durchimpfungsrate mit Meningokokken C Konjugatimpfstoff im Vergleich zu England und Wales.

6.4.2.3 Nationales Referenzzentrum für Poliomyelitis und Enteroviren

Das NRZ für Poliomyelitis und Enteroviren führt in regelmäßigen Abständen Studien zur Polio-Populationsimmunität (Poliovirus Typ 1, 2 und 3) durch. Das NRZ hat sich in den letzten Jahren an der vom RKI durchgeführten Studie zur Gesundheit von Kindern- und Jugendlichen in Deutschland (KIGGS 2003-2006) und zuvor am Bundesgesundheitssurvey beteiligt und ist in den neuen Erwachsenensurvey (DEGS) involviert.

Weltweit ist die Kinderlähmung in vielen Regionen durch konsequentes Impfen eliminiert worden. Auch zukünftig muss jedoch nach Auffassung des NRZ die Immunitätslage gegen alle drei Poliovirusserotypen in regelmäßigen Abständen überprüft werden (Bundesgesundheitssurvey, KIGGS), um eine nicht ausreichende Immunität der Bevölkerung frühzeitig zu erkennen und die Ausbreitung eingeschleppter Poliowildviren zu verhindern.

6.4.2.4 Nationales Referenzzentrum für Papillom- und Polyomaviren

Nachfolgende Fragen müssen nach Auffassung des NRZ durch laborgestützte Surveillance geklärt werden: Wie lange hält der aktuelle Impfschutz gegen HPV? Bis zu welchem Alter ist es sinnvoll, den Impfschutz aufrecht zu erhalten? Und: Werden die Virustypen, die jetzt erfolgreich durch die Impfung bekämpft werden können, eventuell durch andere Virustypen ersetzt?

Populations-basierte Studien sind der einzige Weg, um abzuklären, welche Titer für einen Schutz ausreichend sind bzw. bei welchen Titern eventuell Impfdurchbrüche auftreten und die partielle Kreuzimmunität gegen HPV31 und HPV45 verloren geht. Aus diesen Ergebnissen lassen sich dann Empfehlungen ableiten, ob und wann eine Titer-Kontrolle durchgeführt werden sollte und ob ggf. eine Auffrisch-Impfung zu empfehlen ist. Die Durchführung einer geeigneten Serosurveillance-Studie in Deutschland wird nachdrücklich empfohlen.

6.4.2.5 Nationales Referenzzentrum für Masern, Mumps, Röteln

Daten zur Seroprävalenz werden momentan im Rahmen des Kinder- und Jugendsurveys (KIGGS) und des Erwachsenensurveys (DEGS) erarbeitet. Ergebnisse sind noch nicht verfügbar. Weitere bundesweite Arbeiten zur Serosurveillance über KIGGS und DEGS hinaus sind aus Sicht des NRZ allenfalls für spezielle Fragestellungen sinnvoll.

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6.4.2.6 Konsiliarlaboratorium für Haemophilus influenzae

Daten zur Populationsimmunität liegen für Haemophilus influenzae in Deutschland nicht vor. Die Laborsurveillance beschäftigt sich unter anderem mit der Klärung möglicher Impfdurchbrüche und epidemiologischer Fragestellungen der Erregerzirkulation.

Ergänzende Daten zur Laborsurveillance von Haemophilus influenzae werden vom Konsiliarlabor derzeit für 2009 und 2010 in Zusammenarbeit mit dem LGA Baden-Württemberg exemplarisch erstellt, um Trends, aber auch Lücken der Laborsurveillance zu dokumentieren.

6.4.2.7 Konsiliarlaboratorium für Hepatitis-B-Virus und Hepatitis-D-Virus

Seit fast 30 Jahren ist der Hepatitis B-Impfstoff erhältlich. Weltweit sind über 600 Millionen Menschen mit dem gut verträglichen Impfstoff geimpft worden. Trotz des unbestreitbaren Erfolges dieser Impfung zeichnen sich zunehmend auch Lücken in der Schutzwirkung ab. Serologische Studien in Deutschland (11) zeigten, dass 1998 in der Altersgruppe der 18 bis 19-jährigen 9.8% gegen HBV geimpft waren. Eine Schulanfängerstudie aus dem Jahr 1997 in sieben westdeutschen Bundesländern wies bei 10% der Kinder HBV-Antikörper nach.

Die Infektionsmeldungen gemäß IfSG erlauben nur in begrenztem Umfang eine Darstellung der Inzidenz (vorwiegend der symptomatisch verlaufenden Infektionen), aber ermöglichen keine Einschätzung der Prävalenz. Die Prävalenz von Serummarkern, die auf eine durchgemachte Hepatitis B hinweisen, sowie die Prävalenz von chronischen Hepatitis B-Infektionen können nach Aussagen des Konsiliarlaboratoriums nur durch in Abständen durchgeführte Serosurveys bestimmt werden.

6.4.2.8 Konsiliarlaboratorium für Bordetella pertussis

Strukturierte Seroprävalenzdaten sind seit der ESEN-Studie (16) nicht mehr erhoben worden. Bedingt durch die kontinuierliche Zirkulation des Erregers einerseits und die in drei- bis vierjährigen Abständen erfolgenden epidemiologischen Wellen andererseits haben Antikörper gegen Antigene von B. pertussis eine sehr hohe Prävalenz in allen Bevölkerungsgruppen. Im Rahmen der Entwicklung eines Referenzpräparates (38) wurde am Konsiliarlaboratorium für Bordetella pertussis untersucht, inwieweit sich kleine Seroprävalenzstudien eignen, Daten über die Intensität der Zirkulation des Erregers zu erheben.

Die kontinuierliche Überprüfung der Auswirkungen geänderter Impfempfehlungen auf die Seroepidemiologie wird vom Konsiliarlaboratorium als sinnvoll erachtet. Eine Serosurveillance kann gegebenenfalls an kleineren Stichproben erfolgen, Signale über die Änderung der Schutzdauer nach Pertussis-Impfung können unter Nutzung

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von Routinedaten diagnostischer Laboratorien erhoben werden, und die genomischen Veränderungen zirkulierender Isolate sollten wenn möglich weiter beobachtet werden.

6.4.2.9 Konsiliarlaboratorium für Diphtherie

Aktuelle repräsentative bevölkerungsbasierte Seroprävalenzstudien liegen für Deutschland nicht vor. Ergebnisse aus Studien, die vor über 10 Jahren durchgeführt wurden (28; 10; 9; 7; 2) konstatierten einen fehlenden bzw. nicht ausreichenden Impfschutz v. a. bei den höheren Altersgruppen und bei sehr jungen Personen.

Aufgrund der dürftigen Datenlage erscheint nach Auffassung des Konsiliarlaboratoriums eine repräsentative Serosurveillancestudie für Deutschland dringend geboten, um empfängliche Bevölkerungsgruppen besser identifizieren und so zielgruppen-adaptierte Impfempfehlungen geben zu können. Das Konsiliarlaboratorium für Diphtherie wird 2011/2012 im Rahmen des European Laboratory for Diphtheria (EUDIPLab-Net), das das am ECDC angesiedelte European Diphtheria Surveillance Network (EDSN) unterstützt, an einer europaweiten serologischen Evaluationsstudie teilnehmen.

6.5 Fazit

Die beschriebenen vorhandenen Datenquellen bieten kein vollständiges Bild der epidemiologischen Situation und sind sehr heterogen hinsichtlich ihrer Repräsentativität, Aktualität und Validität. Ihre kontinuierliche und prospektive Nutzung ist zum Teil nicht gewährleistet, da sie in der Regel lediglich projektbasiert sind.

Es besteht Verbesserungsbedarf bei einigen der vorhandenen Surveillanceinstrumente vor allem bezüglich

• der Meldepflicht nach IfSG oder anderer geeigneter bevölkerungsbezogener Erhebungen für alle impfpräventablen Krankheiten,

• der bundesweit möglichst einheitlichen elektronischen Erfassung von Impfdaten einzuschulender Kinder mit taggenauem Impfdatum

• der Verwendung einheitlicher Dokumentationsziffern zur Abrechnung von Impfleistungen durch alle Kassenärztlichen Vereinigungen.

Darüber hinaus sollten neue Datenquellen erschlossen werden, um aktuelle bzw. künftige Impfempfehlungen besser evaluieren zu können. So fehlen bundesweit repräsentative, kontinuierlich erhobene Daten zum Impfstatus von 2-jährigen Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und Risikogruppen. In diesem Zusammenhang ist auch die Notwendigkeit von Impfregistern zu prüfen.

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Die Erfassung von impfpräventablen Erkrankungen ist zur epidemiologischen Bewertung, für die Begründung und Evaluation von Impfempfehlungen sowie auch für das Erkennen von Impfdurchbrüchen und damit der Effektivität der Impfung von besonderer Bedeutung. Die Meldepflichten nach IfSG bedürfen daher auch einer impfzielorientierten Anpassung. Aus den Erfahrungen aus den erweiterten Meldeverordnungen der Länder ist ableitbar, dass für bestimmte Erkrankungen eine deutschlandweite Meldepflicht sinnvoll sein kann.

Durch die IfSG-Meldeplicht sowie zusätzliche Sentinels liegen für einen Teil der impfpräventablen Krankheiten bzw. Erreger bundesweite Daten vor. Bundesweite Daten zur Inzidenz von Pertussis, Mumps und Röteln, Tetanus, invasiven Pneumokokkenerkrankungen und Varizellen fehlen noch. Gerade im Hinblick auf die Evaluation von Impfempfehlungen sowie die WHO-Impfziele und deren Umsetzung in Deutschland sind weitere Bemühungen auch der Datenerhebung und Bewertung und deren Finanzierung notwendig.

Die Übersicht über die Datenlage der NRZ und Konsiliarlaboratorien zeigt nur einen kleinen Ausschnitt der Aktivitäten und des Forschungsbedarfs. Hinzu kommen Studien und regionale Datenerfassungen. Aufgrund der insgesamt doch eher geringen Datenlage in Bezug auf z.B. Diphtherie aber auch anderer impfpräventabler Erkrankungen erscheinen repräsentative Serosurveillancestudien für Deutschland weiterhin dringend geboten, um empfängliche Bevölkerungsgruppen besser identifizieren und so zielgruppenadaptierte Impfempfehlungen geben zu können.

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Stand 1.Januar 2012    146

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Abkürzungsverzeichnis und Links zu Webseiten

AMG: Arzneimittelgesetz http://bundesrecht.juris.de/amg_1976/index.html

AMNOG: Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes

AMPreisVO Arzneimittelpreisverordnung

Ärzte-ZV: Zulassungsverordnung für Vertragsärzte

BfArM: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

http://www.bfarm.de/cln_094/DE/Home/home_node.html

BCG: Bacillus-Calmette-Guérin (Impfstoff Tuberkulose)

BDI: Bundesverband der deutschen Industrie

BGB: Bürgerliches Gesetzbuch

BGH: Bundesgerichtshof

BMFT: Bundesministerium für Forschung und Technologie

BMG: Bundesministerium für Gesundheit

BMV-Ä: Bundesmantelvertrag-Ärzte

CHMP : Committee for Human Medicinal Products (Ausschuss für Humanarzneimittel)

CMDh: Coordination Group for Mutual Recognition and Decentralised Procedures – human (Koordinierungsgruppe für DCP und MRP für Humanarzneimittel) http://www.hma.eu/human.html

CMS: Concerned Member State (Betroffener Mitgliedsstaat)

CRO: Clinical Research Organisation

CTD: Common Technical Document (Standardformat der Antragsunterlagen)

DCP: Decentralised Procedure (Dezentrales Verfahren)

DHPC : Dear Health care Professional Communication

DIMDI: Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information

DTPa: Kombinationsimpfung Diphtherie/Wundstarrkrampf/Keuchhusten

EMA: European Medicines Agency (Europäische Arzneimittelagentur)

http://www.ema.europa.eu

EPAR: European Public Assessment Report (Öffentlicher Bewertungsbericht für zentral zugelassene Produkte), zugänglich über EMA-Webseite (siehe oben)

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Eudralex: EU-Rechtsvorschriften http://ec.europa.eu/health/documents/eudralex/index_en.htm

FSME: Frühsommer-Meningoenzephalitis

GACVS: Global Advisory Committee for Vaccine Safety

GAVVS: Global Advisory Committee for Vaccine Safety

GCP: Good Clinical Practice (Gute klinische Praxis)

GG: Grundgesetz

Hib: Haemophilus influenza b

ICH: International Conference on Harmonisation (Projektgruppe zur Harmonisierung der Zulassungsvoraussetzungen von USA, EU und Japan), http://www.ich.org/cache/compo/276-254-1.html

IfSG: Infektionsschutzgesetz

IPV: Kombi-Impfung Diphtherie/Tetanus/Pertussis/Polio

MBO: (Muster)-Berufsordnung

MM: Kombinationsimpfung Masern/Mumps

MMR: Kombinationsimpfung Masern/Mumps/Röteln

MRP: Mutual Recognition Procedure (Verfahren der gegenseitigen Anerkennung)

NJW: Neue Juristische Wochenschrift

NVI: Nationale Verordnungsinformation

PEI: Paul-Ehrlich-Institut www.pei.de/

PU: Pharmazeutischer Unternehmer

RHB: Rote Hand-Brief

RKI: Robert Koch-Institut

RMS: Reference Member State (Federführender Mitgliedstaat)

RMP: Risiko-Management-Plan

SOP: Standard Operating Procedures

SPC: Summary of Product Characteristics (Zusammenfassung der Produktcharakteristika, entspricht Fachinformation)

SSB: Sprechstundenbedarf

STIKO: Ständige Impfkommission

Td: Kombinationsimpfung Tetanus und Diphtherie

UAW: Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

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VVG: Versicherungsvertragsgesetz

WHO: Weltgesundheitsorganisation http://www.who.int/immunization/en/

ZLG: Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten

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IMPRESSUM

Für die Koordination der Texte zeichnen verantwortlich:

Hornig, Angelika, Dr. med. (Gesamtkoordination und Kapitel 1) Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Rheinland-Pfalz, Mainz

Klein, Renate Dr. med. (Kapitel 5) Ministerium für Gesundheit und Verbraucherschutz, Saarbrücken

Marcic, Anne, Dr. med. (Kapitel 2) Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit des Landes Schleswig-Holstein, Kiel

Oppermann, Hanna, Dr. med. (Kapitel 6) Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt, Magdeburg Mitglied der Ständigen Impfkommission am RKI

Rippe, Rita Maria, Dipl.-Biol. (Kapitel 3) Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf

Widders, Ulrich, Dr. med. (Kapitel 4) Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg, Potsdam

Reiter, Sabine, Dr. phil. Fachgebiet Impfprävention, Geschäftsstelle STIKO, Robert Koch-Institut, Berlin

Wagner, Ralf, Dr. rer. physiol. Zulassung und Chargenprüfung von viralen Impfstoffen, Paul-Ehrlich-Institut, Langen

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Folgende Personen haben Beiträge zu den Kapiteln geliefert oder waren beratend tätig Kapitel 1

Hornig, Angelika, Dr. med. Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Rheinland-Pfalz, Mainz

Jahn, Klaus, Dr. med. Hessisches Sozialministerium, Wiesbaden

Jung, Birgit, Dr. pharm. Hessisches Sozialministerium, Wiesbaden

Kieninger, Dorothee M., Dr. med. Oberärztin/Leitung Zentrum für Klinische Studien, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Klein, Silvia Stellvertretende Bereichsleitung Versorgungsforschung; IGES Institut GmbH, Berlin

Merk-Schäfer, Angelika, Dr. pharm. Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Rheinland-Pfalz, Mainz

Schmidt-Troschke, Stefan, Dr. med. Med. Geschäftsführer und Ärztlicher Direktor, Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke gemeinnützige GmbH, Herdecke

Vollmar, Jens, Dr. med. Leiter Med. Fachbereich Impfstoffe, Reise- und Tropenmedizin, GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG, München

Wagner, Ralf, Dr. rer. physiol. Zulassung und Chargenprüfung von viralen Impfstoffen, Paul-Ehrlich-Institut, Langen

Wirtz, Angela, Dr. med. Hessisches Sozialministerium, Wiesbaden

Zepp, Fred, Prof. Dr. med. Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mitglied der Ständigen Impfkommission am RKI

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Kapitel 2 Feil, Fabian, Dr. med. MPH Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration, Hannover

Hofmann, Friedrich, Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Leiter der Abt. Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und Infektionsschutz der Bergischen Universität Wuppertal

Kouros, Bijan, Prof. Dr. med. Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg, Stuttgart

Marcic, Anne, Dr. med. Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit des Landes Schleswig-Holstein, Kiel

Matysiak-Klose, Dorothea, Dr. med. MPH Fachgebiet Impfprävention, Robert Koch-Institut, Berlin

Nahnhauer, Annette, Dr. med. Spitzenverband Bund der Krankenkassen, Abteilung Arznei- und Heilmittel, Berlin

Reiter, Sabine, Dr. phil. Fachgebiet Impfprävention, Geschäftsstelle STIKO, Robert Koch-Institut, Berlin

Windorfer, Adolf, Prof. Dr. med. Niedersächsische Gesellschaft für Impfwesen und Infektionsschutz, Hannover Kapitel 3 Ahlemeyer, Gabriele, Dipl.-Biol. Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf

Kämmerer, Regine, Dr. med. Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf

Ollroge, Frank, Dr. med. MBA Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz Hamburg

Rippe, Rita Maria, Dipl.-Biol. Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf

Scharkus, Sibylle, Dr. med. Bezirksregierung Köln

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Kapitel 4 Betsch, Cornelia, Dr. Diplompsychologin, Scientific Manager am CEREB- Center for Empirical Research in Economics and Behavioral Sciences an der Universität Erfurt

Christelsohn, Matthias Senat für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit, Bremen

Engelbrecht, Justina, Dr. Leiterin des Dezernats Fortbildung und Gesundheitsförderung der Bundesärztekammer, Berlin

Kirschbaum, Birte Referat Kinder und Jugendgesundheit, Präventiv-medizinische Aufgaben der gesundheitlichen Aufklärung, Medizinische Grundsatzfragen, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln

Ley-Köllstadt, Sigrid, Dr. Deutsches Grünes Kreuz

Pfaff, Günter, Dr. med. (P. H.) Regierungspräsidium Stuttgart

Reiter, Sabine, Dr. phil. Fachgebiet Impfprävention, Geschäftsstelle STIKO, Robert Koch-Institut, Berlin

Schollmeier, Bernd, Dr. med. Direktor Market Access & Health Policy Impfstoffe und Hämophilie, Pfizer Pharma GmbH Beitrag für den Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (VFA)

Schumacher, Stefanie, Dr. med. Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin

Suckau, Marlen, Dr. med. Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, Berlin

Widders, Ulrich, Dr. med. Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg, Potsdam

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Kapitel 5 Bolz, Claudia Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen

Fischer, Richela, Dr. med. Bayrisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit, München

Hierl, Wolfgang, Dr. med. Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit, München

Keller-Stanislawski, Brigitte, Dr. med. Abteilungsleiterin „Sicherheit von Arzneimitteln und Medizinprodukten“, Paul-Ehrlich-Institut, Langen

Klein, Renate Dr. med. Ministerium für Gesundheit und Verbraucherschutz, Saarbrücken

Ludwig, Maria-Sabine, Dr. med. Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit

Kapitel 6 Benzler, Justus, Dr. med. Fachgebiet Surveillance, Robert Koch-Institut, Berlin

Berger, Anja, Dr. med. Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Konsiliarlaboratorium für Diphtherie, Erlangen

Beyermann, Heike, Dr. med. Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit, Erfurt

Diedrich, Sabine, Nationales Referenzzentrum für Poliomyelitis und Enteroviren, Robert Koch-Institut, Berlin

Frosch, Matthias, Prof. Dr. Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Universität Würzburg, Nationales Referenzzentrum für Meningokokken, Konsiliarlaboratorium für Haemophilus influenzae

Gerlich, Wolfram, Prof. Dr. phil. nat. Institut für Medizinische Virologie, Justus-Liebig-Universität Gießen, Konsiliarlaboratorium für Hepatitis-B-Virus und Hepatitis-D-Virus

Glebe, Dieter, PD Dr. rer. nat.

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Institut für Medizinische Virologie, Justus-Liebig-Universität Gießen, Konsiliarlaboratorium für Hepatitis-B-Virus und Hepatitis-D-Virus

Helmeke, Carina Dr. med. Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt, Fachbereich Hygiene, Magdeburg

Hesse, Gerrit, Dipl.-Med. Thüringer Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz, Bad Langensalza

Irmscher, Hanns-Martin, Dr. med. Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt, Magdeburg

Keller, Kornelia Kaufmännische Geschäftsführerin, Sächsische Landesärztekammer, Dresden

Kohlstock, Claudia, Dr. med. Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt, Magdeburg

Mankertz, Anette, PD Dr. Nationales Referenzzentrum für Masern, Mumps, Röteln, Robert Koch-Institut, Berlin

Oppermann, Hanna, Dr. med. Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt, Magdeburg Mitglied der Ständigen Impfkommission am RKI

Pitloun, Uta, M.Sc. Ministerium für Arbeit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt, Magdeburg

Pfister, Herbert, Prof. Dr. Dr. h.c. Institut für Virologie, Uniklinik Köln, Nationales Referenzzentrum für Papillom- und Polyomaviren

Reiter, Sabine, Dr. phil. Fachgebiet Impfprävention, Geschäftsstelle STIKO, Robert Koch-Institut, Berlin

Rieck, Thorsten, Dipl. – Biol., MScIH Fachgebiet Surveillance, Robert Koch-Institut, Berlin

Riffelmann, Marion, Dr. Institut für Hygiene und Labormedizin, HELIOS Klinikum Krefeld, Konsiliarlaboratorium für Bordetella pertussis

Schweiger, Brunhilde, Dr. Nationales Referenzzentrum für Influenza Robert Koch-Institut, Berlin

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Stand 1.Januar 2012    159

Sing, Andreas, PD, Dr. Med. Dr. phil. Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Konsiliarlaboratorium für Diphtherie, Erlangen

Sydow, Wiebke Referentin; Sächsisches Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz, Dresden

Vogel, Ulrich, Prof. Dr. med. Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Universität Würzburg, Nationales Referenzzentrum für Meningokokken, Konsiliarlaboratorium für Haemophilus influenzae

Wang, Hong, Dr. Thüringer Landesverwaltungsamt, Weimar

Wieland, Ulrike, Prof. Dr. med. Institut für Virologie, Uniklinik Köln, Nationales Referenzzentrum für Papillom- und Polyomaviren

Wirsing von König, Carl Heinz, Prof. Dr. med. Institut für Hygiene und Labormedizin, HELIOS Klinikum Krefeld, Konsiliarlaboratorium für Bordetella pertussis

Wölk, Maren, Dr. Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit, Erfurt

Willer, Heidemarie, Dr. med. Ministerium für Arbeit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt, Magdeburg

Ein Dank gilt auch allen nicht genannten Kolleginnen und Kollegen aus Bundes- und

Landesbehörden, die sich an der Fertigstellung beteiligt haben.