Nelson-Atkins Museum of Art · 2018-10-18 · Steven Holl hatte schon immer die Tendenz, sich als...

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Bauwelt 22 | 2007 26 Thema Nelson-Atkins Museum of Art Bauwelt 22 | 2007 27 Nelson-Atkins Museum of Art Erweiterungsbau „Bloch Building“ in Kansas City: Steven Holl Architects Kritik: Paul Goldberger Fotos: Roland Halbe, Andy Ryan Kein Kunstmuseum der Vereinigten Staaten kann mit einem eindrucksvolleren Gelände aufwarten als das Nelson-Atkins in Kansas City. Der strenge Bau von 1933 – Neoklassizismus, Säulenvorhallen und vom Charakter her deutlich mehr Palast denn bürgerliche Architektur des amerikanischen Mittelwes- tens – residiert auf einer Anhöhe über einer riesigen Rasenflä- che, die sich in mehreren großzügigen Stufen hügelab zieht. 1999 wurde eine substantielle Erweiterung beschlossen, dass jedoch die eindrucksvolle Fassade sakrosankt zu sein hätte, verstand sich von selbst. Den an der Rückfront weitläufigen Raum für Anbauten zu nutzen schlugen denn auch die Ent- würfe von fünf der sechs teilnehmenden Architekten vor. Der sechste war Steven Holl, den höfliche Zeitgenossen mit „durch- setzungsfähig“ beschreiben, andere als „Elefant im Porzellan- laden“. Es kam daher nicht überraschend, dass er keine Anstal- ten machte, seine Architektur im Gemüsegarten zu verstecken. Stattdessen präsentierte er einen Entwurf von unregelmäßi- gen „Kisten“ aus opakem Glas, die er Linsen nannte, in einer Kaskade seitlich den Hügel hinunterlaufen ließ und unterir- Fünf unregelmäßig gesetzte „Prismen“ markieren die un- terirdische Erweiterung des Museums. Rechte Seite: der Blick auf den neuen Haupt- eingang. Lageplan im Maßstab 1 : 7500 disch über mehrere Galerien miteinander verband. Das eins- tige Panorama des Museums war damit gründlich dahin. Steven Holl hatte schon immer die Tendenz, sich als von Impulsen geleiteten Gestalter zu präsentieren, anstatt ein In- teresse für smarte Problemlösungen in den Vordergrund zu rücken. Auch seine schriftlichen Statements enthalten zahl- reiche emotive Aussagen wie: „Nur durch eine unbedingte und leidenschaftliche Bejahung unserer Existenz nähern wir uns dem, was Mallarmé die ‚Kraft der Negation‘ nannte.“ Aus- nahmslos stellen seine Bauten eine intellektuelle Provokation dar, doch nicht immer sind sie auch auf die Bedürfnisse der Kunden eingegangen, und auf gängige Vorstellungen von Äs- thetik auch nicht. Manche seiner Entwürfe, etwa das vor kur- zem fertiggestellte bronzefarbene Haus bei New York, dessen 24 Fenster den 24 Kapiteln der homerischen Odyssee entspre- chen sollen, wirken wie weltfremde Konzepte mit recht vager Anbindung an normale Lebensumstände. Des ungeachtet ent- schied sich die Nelson-Atkins-Jury für seinen Entwurf, der mit geringeren Änderungen als bei einem Projekt dieser Größen- 1 Altbau (1933) 2 Plaza mit Bassin 3 Eingangsgebäude 4 Einfahrt Tiefgarage 5 Skulpturengarten Plaza Entry Library Level Museum Store Event Room Connection to Original Building Lobby Garage Entry Contemporary Art Photography and African Art Noguchi Court Sculpture Garden Featured Exhibitions 1 2 3 4 5

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Bauwelt 22 | 200726 Thema Nelson-Atkins Museum of Art Bauwelt 22 | 2007 27

Nelson-Atkins Museum of ArtErweiterungsbau „Bloch Building“ in Kansas City: Steven Holl ArchitectsKritik: Paul Goldberger Fotos: Roland Halbe, Andy Ryan

Kein Kunstmuseum der Vereinigten Staaten kann mit einem eindrucksvolleren Gelände aufwarten als das Nelson-Atkins in Kansas City. Der strenge Bau von 1933 – Neoklassizismus, Säulenvorhallen und vom Charakter her deutlich mehr Palast denn bürgerliche Architektur des amerikanischen Mittelwes-tens – residiert auf einer Anhöhe über einer riesigen Rasenflä-che, die sich in mehreren großzügigen Stufen hügelab zieht. 1999 wurde eine substantielle Erweiterung beschlossen, dass jedoch die eindrucksvolle Fassade sakrosankt zu sein hätte, verstand sich von selbst. Den an der Rückfront weitläufigen Raum für Anbauten zu nutzen schlugen denn auch die Ent-würfe von fünf der sechs teilnehmenden Architekten vor. Der sechste war Steven Holl, den höfliche Zeitgenossen mit „durch-setzungsfähig“ beschreiben, andere als „Elefant im Porzellan-laden“. Es kam daher nicht überraschend, dass er keine Anstal-ten machte, seine Architektur im Gemüsegarten zu verstecken. Stattdessen präsentierte er einen Entwurf von unregelmäßi-gen „Kisten“ aus opakem Glas, die er Linsen nannte, in einer Kaskade seitlich den Hügel hinunterlaufen ließ und unterir-

Fünf unregelmäßig gesetzte „Prismen“ markieren die un-terirdische Erweiterung des Museums. Rechte Seite: der Blick auf den neuen Haupt-eingang.

Lageplan im Maßstab 1:7500

disch über mehrere Galerien miteinander verband. Das eins-tige Panorama des Museums war damit gründlich dahin.

Steven Holl hatte schon immer die Tendenz, sich als von Impulsen geleiteten Gestalter zu präsentieren, anstatt ein In-teresse für smarte Problemlösungen in den Vordergrund zu rücken. Auch seine schriftlichen Statements enthalten zahl-reiche emotive Aussagen wie: „Nur durch eine unbedingte und leidenschaftliche Bejahung unserer Existenz nähern wir uns dem, was Mallarmé die ‚Kraft der Negation‘ nannte.“ Aus-nahmslos stellen seine Bauten eine intellektuelle Provokation dar, doch nicht immer sind sie auch auf die Bedürfnisse der Kunden eingegangen, und auf gängige Vorstellungen von Äs-thetik auch nicht. Manche seiner Entwürfe, etwa das vor kur-zem fertiggestellte bronzefarbene Haus bei New York, dessen 24 Fenster den 24 Kapiteln der homerischen Odyssee entspre-chen sollen, wirken wie weltfremde Konzepte mit recht vager Anbindung an normale Lebensumstände. Des ungeachtet ent-schied sich die Nelson-Atkins-Jury für seinen Entwurf, der mit geringeren Änderungen als bei einem Projekt dieser Größen-

1 Altbau (1933)2 Plaza mit Bassin3 Eingangsgebäude4 Einfahrt Tiefgarage5 Skulpturengarten

Plaza Entry

Library Level

MuseumStore

Event Room

Connection toOriginal Building

Lobby

Garage Entry

Contemporary Art

Photography andAfrican Art

Noguchi Court

Sculpture Garden

Featured Exhibitions

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Bauwelt 22 | 200728 Thema Nelson-Atkins Museum of Art Bauwelt 22 | 2007 29

LOBBY

MAIN ENTRANCE

MODERN AND

CONTEMPORARY

PHOTOGRAPHY

AND AFRICAN ART

SPECIAL EXHIBITIONS

NOGUCHI

COURT

TO SCULPTURE GARDEN

EXISTING COLLECTIONS

ordnung üblich umgesetzt wurde. Erst jüngst erklärte Marc Wilson, der Direktor des Museums: „Steven war der Einzige mit einer echten Idee, wir wussten sofort: Das ist der Richtige für uns.“

Der Bau, der Anfang Juni eröffnet wird, erweist sich nicht nur als Holls bei weitem gelungenste Architektur, sondern auch als einer der überzeugendsten Museumsbauten der jüngsten Generation. Der fast harte affirmative Gestus über-rascht nicht, sondern wartet mit einer lobenswerten Funktio-nalität auf, einer klaren konzeptuellen Struktur, ansprechend und schlüssig gestalteten Sälen und einer Fülle von natürli-chem Licht. Zugleich wirken die fünf verglasten, in den Hü-gel eingelassenen Volumina in Gegenüberstellung mit dem Altbau nicht etwa – wie durchaus zu befürchten war – über-heblich, im Gegenteil: Sie stellen sich einladend auf, fast wie zum Tanz.

Die ursprüngliche Anlage des Nelson-Atkins-Museums hatte einen Anflug unerbittlicher Symmetrie nie ganz verleug-nen können, das Neo-Klassizistische erschien von der gewis-sen Kantigkeit der dreißiger Jahre durchdrungen. Beidseitig verlaufende Kolonnaden führten den Besucher in die zentrale Säulenhalle von enormen Ausmaßen, ein pompöser Raum, der eher für die feierliche Unterzeichnung von Friedensverträ-gen denn für Kunstgenuss passen wollte. Die nun an der Ost-seite hinzugefügten „Prismen“ durchbrechen diese Symmetrie und führen eine neue, in etwa rechtwinklige Achse zum Alt-bau ein, die dem Verlauf der Hügeltopografie folgt. Oben auf der Kuppe bildet das schmalste und zugleich größte Prisma eine Art Seitenflügel des Altbaus, das neue und das alte Ele-ment rahmen einen rechteckigen Hof, von dem aus beide er-schlossen werden. Die Mitte des Hofes nimmt eine spiegelnde quadratische Wasserfläche und eine stille Skulptur von Wal-ter de Maria ein.

Mit seinen vielen unterschiedlichen Ebenen, die in der Topo-grafie ineinander verwoben sind, ist der Neubau – benannt nach Henry W. Bloch, dem Vorsitzenden des Board of Trustees des Museums – ein hochkomplexes Gebilde. Dennoch wirkt er an keiner Stelle verklausuliert, denn Steven Holl hat in enger Zusammenarbeit mit seinem Partner Chris McVoy klare, simple Routen skizziert. Im Kontrast zum üppigen, für wür-diges Verweilen wie geschaffenen Entree des Altbaus fordert das unregelmäßig geformte dreigeschossige Foyer mit seinen kreuz und quer verlaufenden Rampen, Treppen und Balkons geradezu dazu heraus, in Bewegung zu bleiben. Natürliches Licht flutet den schmalen, schlanken Raum mit geschliffenem weißem Gipsfinish. Der Besucher betritt das Foyer entweder auf Straßenniveau, von wo aus eine lang gestreckte, flache Rampe hinab zu den Ausstellungssälen führt, oder aber direkt von einem unterirdischen Parkdeck aus: In diesem Fall trifft man schon auf der Ausstellungsebene auf die von oben kom-mende Rampe. Indem der Architekt das für die Außenfassade entwickelte Gestaltungskonzept der gläsernen Wände auch in das Gebäudeinnere übertrug, wirkt der Aufgang von der Park-garage her genauso attraktiv wie der ebenerdige Zutritt durch den Park. Das Bloch Building ist damit eines der wenigen Mu-seumsbauten überhaupt, die in ihrer Konzeption die – unge-liebte – Tatsache anerkennen, dass das Gros der Besucher eben doch mit dem Auto anreist.

Ausgehend vom Foyer entwickelt sich die Sequenz der neuen Galerien. Der Besucher kann über einige wenige Stufen direkt von dem einen Saal in den nächsten gelangen, oder aber er nutzt die lange Promenade der seitlich an den Sälen entlang verlaufenden Rampe, die als interne Straße angelegt ist. In den meisten Sälen wird natürliches Licht über opake Obergaden hereingelassen und von den gewölbten Deckenpartien umge-lenkt. Steven Holl äußerte einmal, Architektur solle unseren

Die neue Wegeführung ver-deutlicht, dass der Altbau nun mehr zum Appendix ge-worden ist. Unten: die Ram-pe zu den unterirdischen Sä-len; rechte Seite: der Blick aus dem Veranstaltungsraum.

Längsschnitt im Maßstab 1:1500

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Die motorisierten Besucher betreten das Gebäude von der Tiefgarage aus, die an das Foyer-Untergeschoss ange-schlossen ist.

Grundrisse im Maßstab 1:1500

1 Tiefgarage 2 Foyer Untergeschoss 3 Zeitgenössische Kunst 4 Fotografie 5 Afrikanische Kunst 6 Sonderausstellung 7 Noguchi-Saal 8 Auditorium 9 Café10 Foyer Eingangsgeschoss11 Veranstaltungsraum12 Verwaltung13 Mehrzwecksaal

ArchitektenSteven Holl Architects, New York Steven Holl, Chris McVoy

ProjektarchitektenMartin Cox, Richard Tobias

MitarbeiterGabriela Barman-Kraemer, Matthias Blass, Molly Blieden, Elsa Chryssochoides, Robert Edmonds, Simone Giostra, Annette Goderbauer, Mimi Ho ang, Makram el-Kadi, Ed-ward Lalonde, Li Hu, Justin Korhammer, Linda Lee, Fabian Llonch, Stephen O’Dell, Susi Sanchez, Irene Vogt, Urs Vogt, Christian Wassmann

TragwerksplanungGuy Nordenson and Associa-tes, New York

KontaktarchitektenBerkebile Nelson Immen-schuh McDowell Architects, Kansas City

LandschaftsarchitektenGould Evans, Kansas City, mit Olin Partnership, Phila-delphia

BauherrNelson-Atkins Museum of Art, Kansas City

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Das Schema lässt erkennen, wie das Tageslicht durch ver-kleidete T-förmige Stütz-wände in das Untergeschoss umgelenkt wird. Unten: der Übergang zwischen zwei Ka-binetten im dritten Prisma.

Linke Seite: ein Ausstellungs-saal im zweiten Prisma, dar-unter die Halle im Übergangs-bereich zum Altbau.

Schema ohne Maßstab, Schnitte im Maßstab 1:1500

Sinn für Licht, Klang, Schattenwurf, Zeit, Farbe und Bewegung schärfen, wenn nicht herausfordern: Im Bloch Building be-handelt er Licht, als sei es tatsächlich ein Baumaterial. Das über die Oberlichter und die gläsernen Wandpartien einfal-lende Licht strömt ungehindert durch die Räume – gelegent-lich durch diskret in Nischen platzierte künstliche Lichtquel-len raffiniert ergänzt – und bewirkt den Eindruck kühler, gleichmäßiger Helle.

Auch von außen betrachtet schärfen die Prismen den Sinn für das dem Licht innewohnende Schauspiel. Zwar büßen die Formen bei strahlendem Sonnenwetter ein wenig von ih-rer geheimnisvollen Qualität ein, da das milchige Glas dann weniger verheißungsvolle Tiefe entwickelt und eher wie har-tes Plastikmaterial erscheint. An einem diesigen Tag jedoch ist der Effekt magisch. Und nach Einbruch der Dunkelheit wir-ken die von innen heraus leuchtenden Prismen wie eine Schar schwereloser Objekte – eine Komposition immenser Licht-skulp turen.

Bei jüngeren spektakulären Museumsneubauten ent-steht nicht selten der Eindruck, als sei die Beziehung zwischen

NORTH LIGHT

9AM 45.15°

SOUTH EAST LIGHT

12PM

73.

81°

GALLERIES

SERVICE ZONE(HVAC, ELECTRICAL, DATA)

SOUTH LIGHT

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Bauwelt 22 | 200734 Thema Nelson-Atkins Museum of Art Bauwelt 22 | 2007 35

Kunst und Architektur ein Nullsummen-Spiel: Je aufregender und ungewöhnlicher die Architektur, desto stärker lenkte sie von den Bildern ab. Sogar I. M. Peis East Building der Washing-toner National Gallery von 1978, unbestritten einer der Vor-läufer des derzeitigen Trends, wirkt in erster Linie über ein spektakuläres Atrium; überzeugende Räume für die Präsenta-tion von Kunst hat es keine zu bieten, und die dichte Marmor-fassade ist noch steifer als der üppige Historismus direkt ne-benan. Für das Nelson-Atkins, ein Projekt, das in vielerlei Hin sicht mit der National Gallery vergleichbar ist, hat Holl ein ungewöhnliches und charakteristisches Stück Architektur und zugleich einen heiteren und erhebenden Ort für die Kunst erfunden. Der Bau zieht den Besucher magnetisch an, um nach dem Betreten allmählich in den Hintergrund zu rücken. Ist man in den Ausstellungssälen angelangt, hat sich die Archi-tektur der Kunst vollkommen untergeordnet.

So gut wie alles, was das Nelson-Atkins im neuen Bau un-tergebracht hat – so etwa die exzellente Sammlung abstrakter Moderne und die zeitgenössische Kunst –, sieht besser aus als vorher. Als eine Art Nebeneffekt entstanden Skulpturengär-ten auf dem der Hügelkontur angepassten Dach des Bloch Building in den Räumen zwischen den Prismen. Beim Rund-gang durch die Säle hat der Besucher nie den Eindruck, er be-fände sich unter der Erde (tatsächlich liegen Innen und Außen bisweilen auf einem Niveau); aus dem kleineren Kabinett für Sol LeWitt beispielsweise oder dem weitläufigen Saal für die Skulpturen von Isamu Noguchi fällt der Blick ungehindert über die Rasenfläche auf den Altbau gegenüber.

In diesem Rahmen wirkt der grandiose Tempel des Nel-son-Atkins eindrucksvoller denn je. Auf den ersten Blick scheint der Neubau nur wenig mit dem alten Gebäude anfangen zu können, erscheint als das Gegenteil dessen, was das klassische Vokabular bezeichnet. Vor allem jedoch hat Steven Holl es ver-mieden, über getreues Abarbeiten architektonischer Schlüs-selreize einem Vorgängerbau Respekt bezeugen zu wollen – ein Verfahren, das gewiss einen mächtigen Haufen Mauerwerk hervorgebracht und die wunderbare landschaftliche Kompo-sition zu Schanden gebracht hätte. Stattdessen weisen die Leichtigkeit und die Zartheit seiner Gebäude, und nicht zu-letzt auch deren Asymmetrie, dem klassischen Museumsbau eine Art aktueller Ehrwürdigkeit zu, ohne ihm den Ehrenplatz streitig machen zu müssen. Indem er seinen eigenen Weg ver-folgte, hat Holl dem alten Nelson-Atkins eine weitaus gelun-genere Reverenz erwiesen, als es ein „Nachempfinden“ oder ein plumpes Interpretieren seiner ionischen Säulen je hätten leisten können.

Die hinterleuchteten Glaspa-neele der Außenhaut sind mit einer transluzenten Wärme-dämmung kombiniert. Der Er-weiterungsbau erschließt das zum Skulpturengarten aufge-wertete Freigelände.

Aus: The New Yorker vom 30. April 2007 |Abdruck mit freundlicher Genehmigung | Aus dem Amerikanischen von Agnes Kloocke