Nero (Der römische Kaiser und seine Zeit) || 63 nach Christus

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63 nach Christus | 203 | 63 nach Christus Ereignisse im Westen 165. Geburt und Tod von Neros Tochter Claudia Augusta Früh im neuen Jahr war Nero außer sich vor Freude, als ihm Poppaea am 21. Januar eine Tochter gebar, der er den Namen Claudia gab und diesem sogleich den Augustatitel hin- zufügte. 1 Diesen hatte zuvor auch Poppaea erhalten. 2 Der Ort der Niederkunſt war die Colonie Antium, wo er selbst einst geboren worden war. Senat und Priesterschaſten hatten bereits Poppaeas Schwangerschaſt dem Schutz der Götter anempfohlen und öffentliche Gelübde getan, die jetzt vervielfacht eingelöst wurden. Auch Dankgebete und Prozessio- nen wurden hinzugefügt und ein Tempel der Fruchtbarkeit sowie Wettspiele von gleicher Heiligkeit wie das Actische gestiſtet. Dieser Agon war einst im Jahre 28 v. Chr. aus An- laß des Sieges über die Flotte von Antonius und Kleopatra durch Augustus eingerichtet worden. Die Spiele waren dem Apollokult verbunden und bestanden aus musischen und gymnischen Konkurrenzen, waren also erneut nach griechischem Vorbild gestaltet. Die goldenen Bildnisse der Glücksgöttinnen (Fortunae), die in Antium ihr Heiligtum besaßen, sollten feierlich herbeigeholt und auf dem ron des Capitolinischen Iuppiter aufgestellt werden. Und wie in Bovillae für das iulische Geschlecht, sollte nun auch in Antium ein Cir- cusspiel zu Ehren des claudischen und domitischen Geschlechts gegeben werden. rasea Paetus soll, als der gesamte Senat sogleich nach der Niederkunſt Poppaeas zur Beglückwün- schung nach Antium eilte, von Nero nicht vorgelassen worden sein. Diese Zurückweisung, die einer Auündigung der amicitia (Gunst, Zulassung zur salutatio) gleichkam, hat er mit vollkommenem Gleichmut hingenommen. Später, so erzählte man, habe Nero dem Seneca gegenüber damit geprahlt, daß er sich mit rasea ausgesöhnt habe und es heißt, Seneca habe den Kaiser dazu beglückwünscht. Es ist sehr anzunehmen, daß der gesamte Vorgang des Entzugs und der erneuten Gewährung der amicitia an rasea von Neros Seite als War- nung gegenüber dem fähigen Senator gedacht war. 3 Vermutlich erhielt Pompei, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Poppaeas Geburtsstadt war, nun den Rang einer römischen Co- lonie. 4 Doch diese ganze Herrlichkeit und Freude zerging in nichts, weil das kleine Kind schon im Verlauf des vierten Monats starb. 5 Neben echte Trauer und Bestürzung traten nun erneut die öffentlichen Schmeicheleien und Rituale. Man beantragte göttliche Ehren, Götterpolster, Heiligtum und Priesterschaſten. Nero selbst zeigte sich wie in der Freude so 1 CIL VI 1, 2043,11; Tac.ann.15.23.1; Suet.Nero 35.3; (Medaillonlegende: diva Claudia Ner. f.) 2 Augustatitel Poppaeas auf Münzen griechischer Städte (Koestermann, Annalen, Bd. 4, S. 204) 3 Ronning, Nero und rasea, Chiron 36 (2006), S. 342, 353 4 Dazu die Darstellung zum Jahre 62, Anm. 32 und 34 5 Smallwood Nr. 148 Münzlegende aus Korinth Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst Library Authenticated Download Date | 10/7/14 3:56 PM

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Ereignisse im Westen

165. Geburt und Tod von Neros Tochter Claudia Augusta

Früh im neuen Jahr war Nero außer sich vor Freude, als ihm Poppaea am 21. Januar eine Tochter gebar, der er den Namen Claudia gab und diesem sogleich den Augustatitel hin-zufügte.1 Diesen hatte zuvor auch Poppaea erhalten.2 Der Ort der Niederkunft war die Colonie Antium, wo er selbst einst geboren worden war. Senat und Priesterschaften hatten bereits Poppaeas Schwangerschaft dem Schutz der Götter anempfohlen und öffentliche Gelübde getan, die jetzt vervielfacht eingelöst wurden. Auch Dankgebete und Prozessio-nen wurden hinzugefügt und ein Tempel der Fruchtbarkeit sowie Wettspiele von gleicher Heiligkeit wie das Actische gestiftet. Dieser Agon war einst im Jahre 28 v. Chr. aus An-laß des Sieges über die Flotte von Antonius und Kleopatra durch Augustus eingerichtet worden. Die Spiele waren dem Apollokult verbunden und bestanden aus musischen und gymnischen Konkurrenzen, waren also erneut nach griechischem Vorbild gestaltet. Die goldenen Bildnisse der Glücksgöttinnen (Fortunae), die in Antium ihr Heiligtum besaßen, sollten feierlich herbeigeholt und auf dem Thron des Capitolinischen Iuppiter aufgestellt werden. Und wie in Bovillae für das iulische Geschlecht, sollte nun auch in Antium ein Cir-cusspiel zu Ehren des claudischen und domitischen Geschlechts gegeben werden. Thrasea Paetus soll, als der gesamte Senat sogleich nach der Niederkunft Poppaeas zur Beglückwün-schung nach Antium eilte, von Nero nicht vorgelassen worden sein. Diese Zurückweisung, die einer Aufkündigung der amicitia (Gunst, Zulassung zur salutatio) gleichkam, hat er mit vollkommenem Gleichmut hingenommen. Später, so erzählte man, habe Nero dem Seneca gegenüber damit geprahlt, daß er sich mit Thrasea ausgesöhnt habe und es heißt, Seneca habe den Kaiser dazu beglückwünscht. Es ist sehr anzunehmen, daß der gesamte Vorgang des Entzugs und der erneuten Gewährung der amicitia an Thrasea von Neros Seite als War-nung gegenüber dem fähigen Senator gedacht war.3 Vermutlich erhielt Pompei, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Poppaeas Geburtsstadt war, nun den Rang einer römischen Co-lonie.4 Doch diese ganze Herrlichkeit und Freude zerging in nichts, weil das kleine Kind schon im Verlauf des vierten Monats starb.5 Neben echte Trauer und Bestürzung traten nun erneut die öffentlichen Schmeicheleien und Rituale. Man beantragte göttliche Ehren, Götterpolster, Heiligtum und Priesterschaften. Nero selbst zeigte sich wie in der Freude so

1 CIL VI 1, 2043,11; Tac.ann.15.23.1; Suet.Nero 35.3; (Medaillonlegende: diva Claudia Ner. f.) 2 Augustatitel Poppaeas auf Münzen griechischer Städte (Koestermann, Annalen, Bd. 4, S. 204)3 Ronning, Nero und Thrasea, Chiron 36 (2006), S. 342, 3534 Dazu die Darstellung zum Jahre 62, Anm. 32 und 345 Smallwood Nr. 148 Münzlegende aus Korinth

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auch in der Trauer maßlos. Keine Quelle meldet es, und dennoch ist es nicht unwahrschein-lich, daß ihn der Verlust seines kleinen Kindes so tief getroffen und beschäftigt hat, daß er infolgedessen aus Verzweiflung und Haltlosigkeit in der Öffentlichkeit gleichgültiger und rücksichtsloser auftrat.

166. Verschiedenes6

Im gleichen Jahr oder etwas später nahm Nero die Völkerschaften der Seealpen (Alpes Ma-ritimae) in die latinische Rechtsgemeinschaft (minderes römisches Bürgerrecht) auf. Um etwa dieselbe Zeit war auch der Fürst Cottius gestorben, der als Client und Freund Roms das kleine Gebiet der Cottischen Alpen (Alpes Cottiae) regierte. Nero wandelte dessen Herrschaftsgebiet in eine römische Provinz um.7

Den römischen Rittern verlieh Nero besondere Sitze im Circus vor denen des Volkes. Bis dahin hatten sie nämlich dort keine bevorrechtigten Sitzplätze, sondern lediglich seit dem Jahre 67 v. Chr. im Theater.8 Seit Claudius (im Jahre 41) saßen nur die Senatoren im Circus auf abgetrennten Sitzreihen.9

Auch in diesem Jahr wurden Gladiatorenspiele abgehalten. Sie waren ebenso prächtig wie die früheren, aber die Zahl der vornehmen Standespersonen (Frauen und Senatoren), die daran teilnahmen, soll größer als zuvor gewesen sein. Schon 59 hatten prominente rö-mische Ritter an Tierkämpfen teilgenommen und Frauen und Männer aus vornehmen Fa-milien hatten anläßlich der Iuvenalien auf der Bühne gestanden.10 Doch galt das Erschei-nen dieser Personen in der Gladiatorenarena damals als entehrend.

Fortsetzung und Ende des Armenienkrieges (63–64)

167. Parthische Gesandtschaft bei Nero

Während dieser Ereignisse setzten sich die Verhandlungen und Vorgänge Armenien betref-fend fort. Zu Beginn des Frühlings überbrachten die parthischen Gesandten des Vologaeses mündliche Aufträge und ein Schreiben des Königs mit gleichlautendem Inhalt: Darin hieß es, er wolle auf die früher und des öfteren erhobenen Ansprüche auf Armenien jetzt nicht näher eingehen. Die Götter hätten ja als die Schiedsrichter selbst der mächtigsten Völker, dieses Land den Parthern nicht ohne Demütigungen für Rom zugesprochen. Tigranes V. habe er mitsamt seinen Truppen eingeschlossen und belagert, und später Paetus besiegt und mit seinen Legionen unversehrt abziehen lassen, obwohl er sie hätte vernichten können. So

6 Zum Folgenden Tac.ann.15.32 7 Ferner Suet.Nero 18; Hist.Aug.Aurel.21.11; Aur.Vict.Caes.5.2; epit.5.4; Eutr.7.14; nach Hieron.

chron. im Jahre 65 8 Ferner Plin.nat.hist.8.21; Calp.ecl.7.25ff. Das Roscische Gesetz vom Jahre 67 v.Chr. galt nur für die

Sitze im Theater (Liv.per.99). 9 Suet.Claud.21.2; Cass.Dio 60.7.410 S. Tac.ann.14.14.f.

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habe er seine Macht hinreichend unter Beweis gestellt und ebenso Zeugnisse seiner Milde gegeben. Sein Bruder Tiridates würde es der Sache nach nicht mehr verweigern, sich durch Nero zum König von Armenien förmlich einsetzen zu lassen und zum Empfang des arme-nischen Diadems – des perlenbesetzten Kopfschmucks – nach Rom zu kommen. Allein, es hindere ihn, wie es hieß, daran sein hohes Priesteramt zu Ehren des Mithras – doch wollte sich Tiridates in Wirklichkeit zu einer demütigenden Inthronisierungszeremonie, die dem Kaiser nur Gelegenheit zur Darstellung seiner Macht und Erhabenheit dienen mußte, nicht verstehen. Daher schlug Vologaeses vor und sagte dies im Namen seines Bruders zu, daß sich Tiridates demütig zu den Fahnen und Bildnissen des Kaisers begeben wolle, um in Gegenwart der Legionen die Königswürde zu übernehmen.11

168. Erneute Übertragung des Oberbefehls an Corbulo

So etwa lautete das Schreiben des Vologaeses. Paetus hatte zwar zuvor ungenau, aber groß-spurig in blendenden Worten von der Unterwerfung Armeniens berichtet, so daß der Hof über den Inhalt des Schreibens erstaunt war. Deswegen befragte Nero den Centurio, der mit den Gesandten gekommen war, wie die Dinge in Armenien stünden. Der antwortete, alle Römer hätten das Land geräumt. Da faßte man es als Hohn auf, daß die Parther um ein Land bäten, das sie Rom entrissen hatten. Und die Nachricht von der schimpflichen Niederlage, die in der Öffentlichkeit auch ihm zugerechnet wurde, machte Nero um sein Ansehen besorgt und ärgerlich. Er beriet sich also mit den führenden Männern des Staa-tes, ob man einen Krieg mit zweifelhaftem Ausgang oder einen schimpflichen Frieden wählen sollte. Längst war durch die wechselvollen Geschehnisse kein Spielraum mehr für Ermessensentscheidungen. So wurde ohne zu zögern beschlossen, den Krieg fortzusetzen. Es sei für das Ansehen, das Selbstgefühl und die Erhabenheit Roms unannehmbar, nach der schmachvollen Niederlage bei Rhandeia sich auf einen von der parthischen Regierung gleichsam gewährten Frieden einzulassen. Paetus wurde seiner Befehlsgewalt enthoben und Corbulo, dem man weiterhin vertraute, abermals zum Oberbefehlshaber ernannt um zu verhindern, daß durch die Unerfahrenheit eines anderen von neuem Fehlschläge einträten. Paetus hatte genug Verdruß erregt. Corbulos Auftrag enthielt auch die Vollmacht zu Ver-handlungen, sofern sie der Wiederherstellung der römischen Ehre dienten.12

Die parthischen Gesandten wurden also zurückgeschickt mit der Mitteilung, daß man den Frieden nicht annehme. Aber man wollte nicht unversöhnlich erscheinen und gab ih-nen insgeheim Geschenke mit, um dadurch die Hoffnung zu wecken, Tiridates werde nicht umsonst bitten, wenn er sein Ersuchen um Einsetzung als König persönlich vortrage und diese aus den Händen des Kaisers empfange.13 Die antiken Berichte stimmen darin über-ein, daß auch in Rom kein Interesse an einem unversöhnlichen Bruch der empfindlichen Beziehungen bestanden hat. Die Politik verfolgte jetzt eine andere Richtung, nachdem sich

11 Tac.ann.15.24; Cass.Dio 62.22.312 Tac.ann.15.25.1f.; Cass.Dio 62.22.413 Nach Cass.Dio 62.22.3 soll Nero Tiridates als König von Armenien bereits anerkannt haben, unter

der Bedingung, daß er nach Rom komme – also die Einsetzung aus den Händen des Kaisers emp-fange; dazu Koestermann, Annalen, Bd. 4, S. 209.

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die militärische Wiederinbesitznahme von Armenien als undurchführbar erwiesen hatte. Dabei mußte nunmehr peinlich darauf geachtet werden, daß jede der beiden Seite ihr Ge-sicht wahren konnte.

Die Verwaltung und Rechtsprechung in Syrien wurden Gaius Cestius Gallus (63–66/67),14 der Befehl über die Truppen Corbulo übertragen und ihm noch die legio XV Apollinaris unter der Führung des Marius Celsus15 aus Pannonien zugeführt. Die Tetrar-chen, Könige, Praefecten, Procuratoren und Praetoren, die die benachbarten Provinzen, etwa Kappadokien, Kilikien, Lykien, Pamphylien, Galatien, Bithynien und Pontos und andere Gebiete verwalteten, wurden angewiesen, Corbulos Befehlen Folge zu leisten. Cor-bulo besaß demzufolge eine umfassende, anderen lokalen Gewalten übergeordnete Voll-macht und Befehlsgewalt (proprätorischer Legat)16 für die Kriegführung und Verhandlun-gen im Osten. Nero soll sogar auf den Gedanken gekommen sein, selbst an die Ostfront zu reisen, stürzte aber beim Opfer und blieb dieses bösen Vorzeichens wegen in der Heimat. Der Aufmarsch für den Krieg nahm wegen der sorgfältigen Vorbereitungen das gesamte Jahr 63 in Anspruch.17

169. Paetus vor Nero in Rom

Inzwischen war auch Paetus nach Rom zurückgekehrt. Er hatte vielleicht trotz seiner Mißerfolge nachvollziehbare Begründungen für seine militärischen Entscheidungen vor-bringen können. So wurde etwa die Lage der Belagerten und die Entsatzanstrengungen Corbulos, ferner die Art und Weise der Waffenstillstandsübereinkunft unterschiedlich in-terpretiert. Paetus wird es, seiner Wesensart entsprechend, kaum unterlassen haben, Corbu-los Vorgehen und Entscheidungen in ein schlechtes Licht zu rücken. Seinen beabsichtigten Bruch des Abkommens mit Vologaeses nach der Vereinigung mit Corbulo, seine verschla-gene Listigkeit und vermeintliche Schläue, von der er selbst begeistert war, hat er zweifel-los gegen Corbulos Verläßlichkeit gestellt, die er als furchtsames Zaudern bezeichnete und dabei sicherlich den beabsichtigten Eindruck nicht verfehlt.18 Ein erfolgloser Heerführer konnte Nero nicht gefährlich sein. Als Paetus Schlimmes befürchtete, begnügte sich Nero

14 Er war möglicherweise der Sohn des Consuls 35. Er selbst war 42 Ersatzconsul (CIL VI 2015 = Inscr.It. 1, S. 150f.). Über seine weitere Laufbahn ist nichts bekannt, bis er frühestens 63 in Syrien zum Legaten einer provincia inermis (Heil, Orientpolitik, S. 209) ernannt wird. Dort wird er 66 in den Jüdischen Krieg hineingezogen; seine Belagerung Jerusalems schlug fehl; 67 ist er gestorben (Ios.bell.Iud.2.233–335; 499–538; Tac.hist.5.10 und die ausführliche Darstellung der Jahre 66 und 67).

15 Er stammte vielleicht aus Gallien. Im Bürgerkrieg (68/69) zeigte er sich als wendiger und fähiger Truppenführer; war von Juli bis September 69 Ersatzconsul (Tac.hist.1.77.2); 72/73 Statthalter von Syrien (ILS 8903).

16 Tacitus gibt 15.25.3 an, sie seien etwa mit den Befugnissen vergleichbar, die man einst Gnaeus Pom-peius für den Seeräuberkrieg (67 v.Chr.) verliehen hatte. Zur rechtlichen Befugnis verdeutlichend jetzt Heil, Orientpolitik, S. 209ff. (s. ferner auch CIL III 6741 = ILS 232 sowie CIL III 6742 und 6742a aus dem Jahre 64; ILS 9108 mit Bemerkungen Heils, ebd., S. 210, Anm. 41 – kein imperium maius).

17 Cass.Dio 62.22.4; Heil, Orientpolitik, S. 120, 22018 Koestermann, Annalen, Bd. 4, S. 190f.

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schlagfertig etwa mit folgenden Scherzworten: Er wolle ihm sofort verzeihen, damit er bei seinem ängstlichen Gemüt nur ja nicht durch eine längere Ungewißheit an seiner Gesund-heit Schaden nehme.19

170. Rüstungen zum Einfall in Armenien – Friedensgesandtschaften im letzten Moment – Abbruch des Krieges um Armenien und die Abmachungen in Rhandeia

Die Nachricht von der Ablehnung des parthischen Friedensgesuchs kam rasch aus Rom in den Osten und beide Seiten begannen erneut mit gewaltigen Rüstungen. Corbulo ver-legte die IV. und XII. Legion, die nach dem Verlust ihrer tapfersten Leute und durch die Einschüchterung der übrigen zum Kampf nicht mehr geeignet erschienen, nach Syrien, wo auch die X. Legion verblieb und führte von dort die VI. und III. Legion, deren Soldaten ungeschwächt und durch zahlreiche glückliche Unternehmungen geübt waren, nach Ar-menien. Hinzu zog er noch die V. Legion. Sie hatte die römische Niederlage des vergan-genen Jahres in Pontos verbracht und war aus unbekannten Gründen nicht herangezogen worden. Dazu kam die XV. Legion aus Pannonien. Außerdem führte man noch auserlesene Veteranenabteilungen aus Illyrien und Ägypten herbei, ferner alle bundesgenössischen Rei-terabteilungen und Cohorten, schließlich auch die Hilfstruppen der verbündeten Könige. Alle Kampfverbände, insgesamt vielleicht 50.000 Mann,20 sammelten sich im Frühjahr 64 bei Melitene. Dort wollte Corbulo den Euphrat überschreiten. Hierauf entsühnt er das Heer (lustrum) in der üblichen Weise, wobei ein Schwein (sus), ein Widder (ovis) und ein Ochse (taurus) um die Versammelten geführt und sodann von den Priestern und ihren Die-nern an den Altären geopfert und aus den Eingeweiden Gunst oder Mißgunst der Götter ermittelt wurden (suovetaurilia).21 Da Reinigung und Opfer günstig sind, ruft Corbulo zur Heeresversammlung und hält eine durch seine mächtige Persönlichkeit wirkende Rede über die Macht des Kaisers und seine eigenen Führungsleistungen. Die Mißerfolge weist er der Unerfahrenheit des Paetus zu.22 Währenddessen hatte er möglicherweise insgeheim einen Centurio zu Vologaeses gesandt, der ihn zum Abzug aus Armenien aufforderte, denn die Bedingungen des Waffenstillstands oder vorläufigen Friedensschlusses waren aufge-hoben. Corbulo legte ihm durch eine persönlich gehaltene Botschaft, die Drohungen unter Hinweis auf die Rüstungen und versöhnliche Worte gleichermaßen enthielt, nahe, seinen Bruder Tiridates doch zu überzeugen, zum Empfang des Herrscherdiadems nach Rom zu kommen.23

Dann folgte er dem Weg, auf den einst Lucius Lucullus im Jahre 69 v.Chr.24 vorgerückt war, nachdem man die Hindernisse beiseite geräumt hatte, die ihn durch die Länge der Zeit unpassierbar gemacht hatten. Nun aber kamen Gesandte von Vologaeses und Tiridates, um

19 Tac.ann.15.25.420 CAH 1st Ed., S. 771 (Anderson)21 Dazu Liv.1.44; 8.10; Cato agr.141; Varro rust.2.1.10; Val.Max.4.1.10; Tac.ann.6.3722 Tac.ann.15.2623 Vielleicht gehört die Angabe Cass.Dio 62.23.1 in diesen Zusammenhang.24 Plut.Lucull.26ff.; App.12.84ff. (Syr)

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Friedensvorschläge zu unterbreiten.25 Corbulo weist sie nicht ab, sondern gibt ihnen im Gegenteil Centurionen mit Aufträgen mit, die nicht unversöhnlich klangen. Beide Kriegs-parteien, besonders aber die Parther, legten keinen großen Eifer an den Tag, in kriegerische Handlungen einzutreten, deren Ausgang ungewiß, unkontrollierbar oder verderblich wer-den konnten. So hieß es von Seiten der römischen Centurionen, es sei ja noch nicht so weit gekommen, daß man den Kampf als äußerstes Mittel nötig habe. Die Römer hätten viele, die Parther einige Erfolge gehabt; das sei für beide genügende Warnung vor Übermut. Auch für Tiridates sei es vorteilhafter, sein, wie man sich den zuwider Tatsachen ausdrückte, von Verheerungen unberührtes Reich Armenien als Geschenk zu empfangen, und auch Volo-gaeses werde durch ein Bündnis mit Rom für das Parthervolk besser sorgen als durch ge-genseitig zugefügten Schaden. Er wisse doch selbst recht gut, wieviel Zwietracht im Innern seines Reiches vorhanden sei und wie wild und ungebändigt sich manche Volksstämme, die er beherrsche, gebärdeten. Der römische Kaiser dagegen, sein Dienstherr, habe überall ungestörten Frieden; dies sei der einzige Krieg, den er führe.

Gleichzeitig mit diesen Ratschlägen und Ermahnungen verbindet Corbulo auch Furcht erregende Maßnahmen. Die Truppen gingen gegen armenische Lokalherren (Megisthanes) vor, die sogleich nach der Niederlage von Rhandeia sich den parthischen Sieg zunutze ge-macht hatten, von der römischen Herrschaft abgefallen waren und Plünderungen an den geschlagenen römischen Truppen begangen hatten.26 Sie wurden vertrieben, ihre Bergbe-hausungen zerstört und diese Gegenden wie auch die Ebenen, die Starken wie die Schwa-chen waren von gleichem Schrecken ergriffen.27

Von Seiten der Parther kam man Corbulo nicht mit Gehässigkeit oder Feindschaft entgegen. Den Rat, welchen er gegeben hatte, nahm man als eine wohlmeinende und auf-richtige Äußerung auf. Vologaeses und dem parthischen Thronrat gelang es, Tiridates von Corbulos Vorschlägen zu überzeugen und Vologaeses gab sich nicht trotzig, sondern bat um Waffenstillstand. Tiridates verlangte Ort und Tag für eine persönliche Unterredung und Vologaeses schlug einen nahen Zeitpunkt und den Ort Rhandeia vor, an dem gut ein Jahr zuvor die Parther über die römischen Legionen einen Erfolg errungen hatten. Daß er seinerzeit dem geschlagenen römischen Heer den Abzug gestattet hatte, rechnete er sich zudem als ein Zeichen für seine wohlwollende Behandlung des Gegners zu.28 Corbulo hatte gegen diese Vorschläge nichts einzuwenden. Er dachte im Gegenteil daran, welche Erhöhung es für ihn wäre, wenn er jetzt im Waffenschmuck an dem Ort erscheine, wo die Schmach zweier Legionen sich ereignet hatte. Auch die Schande des Paetus beunruhigte ihn nicht, da er vielmehr dessen Sohn, einen Tribunen, beauftragte, einige Abteilungen

25 So Dessau, Röm. Kaiserzeit, Bd. 2,1, S. 20326 Tac.ann.15.15.227 Ebd. 15.2728 Dies nur bei Casius Dio, der eine weitere Quelle benutzt haben wird, wohingegen Tacitus vermutlich

sich eng an die Erinnerungen Corbulos gehalten hat, in denen die Überlegungen des Königs gefehlt haben werden, um ein makelloses Bild von sich zu geben (so ansprechend Koestermann, Annalen, Bd. 4, S. 215).

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dorthin zu führen, zuvor das Siegeszeichen der Parther zu beseitigen, die römischen Gefal-lenen zu bestatten und auch sonst alles für die Zusammenkunft vorzubereiten.29

Am verabredeten Tage erschienen Tiberius Iulius Alexander,30 ein vornehmer römi-scher Ritter, der als Kriegskommissar zugeteilt war, und Corbulos Schwiegersohn Annius Vinicianus,31 der noch nicht das senatorische Alter erreicht und deswegen an Stelle ei-nes Legionslegaten die V. Legion befehligt hatte, im Lager des Tiridates. Sie ehrten ihn dadurch, daß sie sich ihm als Geiseln stellten, um ihm die Furcht vor einem Überfall zu nehmen. Bei Rhandeia trafen sodann der armenische König und der römische Feldherr zusammen. Jede Seite hatte 20 Reiter mitgenommen. Als Corbulo in Sicht kam, sprang Tiridates als erster vom Pferd und auch Corbulo zögerte nicht und beide reichten sich stehend die Hände.32

Corbulo lobte darauf zunächst den jungen Tiridates, daß er gefährliches Ansinnen aufgegeben habe und statt dessen Sicheres und Heilbringendes wähle. Tiridates wiede-rum sprach zunächst weitschweifig von der Erhabenheit seines vornehmen Geschlechts, fuhr dann aber zurückhaltender fort: Er wolle sich in der Tat nach Rom begeben und dem Kaiser zu neuem Ruhm und Glanz verhelfen, indem ein Arsakide aus freien Stücken als demütig Bittender vor ihn trete, obgleich die Lage der Parther nicht ungünstig sei. Darauf beschloß man, Tiridates solle bei des Kaisers Bildnis seinen königlichen Schmuck niederle-gen und ihn erst wieder aus Neros Hand zurückerhalten. Die Unterredung endete östlicher Gepflogenheit gemäß33 mit einem Kuß.

Nach Ablauf weniger Tage versammelten sich an derselben Stelle die beiden Heere mit großem Gepränge. Auf der einen Seite stand die parthische Reiterei, in Geschwader geordnet und mit den einheimischen Abzeichen geziert; auf der anderen die Reihen der Legionen mit ihren glänzenden Adlern, Feldzeichen und Götterbildern, die zu einer Art heiligem Bezirk zusammengestellt waren. In der Mitte sah man eine Erhöhung mit einem curulischen Sessel, der Neros Bildnisse aus der Verwahrung der Legionen trug. Nachdem man die üblichen Opfertiere geschlachtet hatte, trat Tiridates gemessenen Schrittes un-ter großer Anteilnahme der Anwesenden heran, nahm sein Diadem vom Haupt und legte

29 Tac.ann.15.28.1f.; ähnlich Cass.Dio 62.23.230 Er war von Geburt ägyptischer Jude, schwor aber 69 dem Judentum ab und erhielt das römische

Bürgerrecht. Etwa 40 war er Epistratege der Thebais in Ägypten (OGIS 663 = IGR I 1165); von 46–48 Procurator in Iudaea unter Claudius. Später 66–70 Praefect von Ägypten (Tac.hist.1.11; 2.74; Ios.bell.Iud.2.15.1; Unterdrückung eines Judenaufstands: Ios.bell.Iud.2.18.7f.; Edicte: P.Oxy.899.28; CIG 4957 = OGIS 669 = IGR I 1263); war einer der ersten Unterstützer Vespasians, dem er seine Truppen zuführte und damit seinen Aufstieg zum Kaiser einleitete (Tac.hist.2.79; Ios.bell.Iud.4.10.6; Suet.Vesp.6.3). War dann maßgeblich als Berater des Titus bei der Eroberung Jerusalems beteiligt, nach der er sich vergeblich für die Erhaltung des Haupttempels aussprach (OGIS 586; Ios.bell.Iud.5.1.6; 12.2; 6.4.3).

31 Er war der Sohn des Teilnehmers an der Verschwörung gegen Caligula (41) und gegen Claudius (42), Lucius Annius Vinicianus. Er wurde nach 38 geboren. Seine weiteren Schicksale fallen in die Regie-rungszeit Neros (s.u.) . Er starb im Jahre 66.

32 Tac.ann.15.28.333 Hdt.1.134; Xen.Kur.1.4.27; Arr.7.11

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es vor dem Bildnis nieder.34 Vielleicht erinnerte sich mancher aus der Überlieferung eines ähnlichen Aktes, den Tigranes I. einst vor Pompeius vollzogen hatte.35 Über die über den symbolischen Akt der Unterwerfung hinaus bestehende staatsrechtliche Natur des Vor-gangs herrscht Unklarheit.36

Bei diesem ruhmvollen Staatsakt zeigte sich Corbulo sehr zufrieden und deswegen freundlich und schloß noch ein Gastmahl zu Ehren des Tiridates an. Am folgenden Tage erbat sich der König eine Frist, um vor dem Antritt einer so großen Reise sich noch von seinen Brüdern und seiner Mutter zu verabschieden. Für die Zwischenzeit übergab Tiri-dates seine Tochter als Geisel und überreichte ein demütiges Schreiben an Nero und auch Monobazos kam zu Corbulo.37

Dann reiste Tiridates ab und traf mit Pakoros in Medien, mit Vologaeses in Ekbatana zusammen. Dieser war nicht ohne Sorge um den Bruder. Durch eigens abgesandte Boten hatte er Corbulo zwischenzeitlich ersucht, keinesfalls Tiridates irgendwelche Anzeichen von Geringschätzung oder Unterworfensein zuzumuten, nicht die Auslieferung seines Schwertes zu verlangen, ihn nicht von der Begrüßung durch die Provinzstatthalter auszu-schließen oder ihn beim Empfang in Vorzimmern warten zu lassen. In Rom sollten ihm die gleichen Ehren wie einem Consul erwiesen werden. Noch lange ist über die Einzelheiten der politischen Reise nach Rom verhandelt worden.38 Schwierige protokollarische Fragen waren zu erörtern. Die verhandelnden Diplomaten mußten die Empfindlichkeiten der je-weils anderen Seite beachten und tief in das Geflecht der Zeremonialwissenschaften ein-dringen. Im Jahre 65 brach schließlich Tiridates mit seinem Gefolge auf.39 Währenddessen verblieb Corbulo weiterhin in seiner obersten Befehlshaberstellung im Osten.40

171. Annahme der Übereinkunft in Rom – Das Ende des Krieges um Armenien – Schließung des Ianustempels

Nachdem die Übereinkunft in Rom bekannt wurde, stimmte der Kaiser nach Beratung im consilium41 ihr zu. Durch diese Abmachung war ein Frieden möglich geworden, bei dem die römische wie auch die parthische Seite ihr Gesicht wahren konnte. Daß der Akt zunächst eine Vorstufe dazu war, zeigt die Tatsache, daß er nicht als Sieg gefeiert wurde und Nero erst im Jahre 66 eine weitere Imperatorakklamation (zum X.mal) annahm.42 Man sah es als

34 Tac.ann.15.29; Cass.Dio 62.20.1; 23.1 und 3. Dio zieht die Unterredung und den Huldigungsakt des Tiridates zusammen. Tacitus wird demgegenüber hier das Richtige treffen. S. ferner Suet.Nero 13.1, der nicht ganz richtig von Versprechungen Neros spricht, mit denen er Tiridates nach Rom gelockt habe (in Wirklichkeit waren es die Abmachungen des Friedensschlusses).

35 Heil, Orientpolitik, S. 124, Anm. 3736 Dazu ebd., S. 124f.37 Tac.ann.15.30; Cass.Dio 62.23.4; daß auch Vologaeses erschien, ist wohl ein Irrtum. Vologaeses hielt

sich in Ekbatana auf.38 Dessau, Röm. Kaiserzeit, Bd. 2,1, S. 20439 Tac.ann.15.31; Cass.Dio 62.23.4. Zur Geiselstellung Heil, Orientpolitik, S. 127f.40 Ebd., S. 128f.41 Über Krieg und Frieden wurde in dieser Zeit durch den Kaiser entschieden (Schiller, Nero, S. 331).42 Heil, Orientpolitik, S. 126f.

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Page 9: Nero (Der römische Kaiser und seine Zeit) || 63 nach Christus

63 nach Christus | 211

genügend und der Erhabenheit des römischen Namens gemäß an, wenn Tiridates gleich-sam als ein Bittsteller die Königswürde Armeniens aus den Händen des Kaisers in Emp-fang nehme. Genau genommen hatte Rom den (durch militärischen Druck unterstützten) diplomatischen Erfolg mit der bevorstehenden Inthronisierungszeremonie errungen. Den greifbaren Erfolg indes besaßen der Partherkönig und sein Bruder.43 Auf beiden Seiten war hohes diplomatisches Feingefühl und Geschick bei der Durchführung erforderlich. Beson-ders Tiridates wurde die Bändigung seines Stolzes abverlangt. Wenigstens für die kurze Zeit in Rom mußte er die Rolle eines unterwürfig Bittenden spielen – allerdings nur vor dem Kaiser. Von der römischen Seite bestand demgegenüber die Verpflichtung, ihn nicht zu brüskieren und mit aller nur möglichen Ehrerbietung zu behandeln. Der Sache nach hatte Rom die Auseinandersetzung verloren, weil das parthische Königshaus der Arsakiden den Herrscher stellte. Nero aber kleidete diese einmalige Einsetzung eines armenischen Königs parthischer Abkunft im Jahre 66 auch in das Gewand eines römischen Triumphs.44

Der Waffenstillstand und spätere Friedensschluß selbst hatte für die Ostgrenze eine lange Zeit der Ruhe zur Folge und ist insofern für sich genommen von großer geschichtlicher Be-deutung. Es erwies sich erneut die Wirkung der seit Augustus‘ Zeit (20 v.Chr.) beiderseits bestehenden Achtung (reverentia) – einer auf gegenseitigem Respekt beruhenden Rivalität der beiden Großreiche. Nicht zuletzt ist der Friedensschluß auch ein Zeichen für die am Ende wirklichkeitsnahe Einschätzung römischer Entscheidungsträger in der Provinzial- und Au-ßenpolitik.45 Die Nachwelt hat die Regelung, freilich Nero zum Nachteil, als einen Verlust für das Reich bezeichnet.46 Das trifft schon deshalb nicht zu, weil auch bereits zuvor Armenien nicht unmittelbar zum Reich gehört hat und nahezu dauerhaft zwischen den beiden Groß-mächten umstritten war. Gemessen an den imperialen Ansprüchen und den dazu gehörenden imperialistischen Gebärden war Armenien als ein integraler Bestandteil des Reiches nicht ge-wonnen; aber was hieß das schon in einer Auseinandersetzung, die nur politisch lösbar war?

In der Folge wurde in Rom der Ianustempel geschlossen.47 Auch von einem Triumphzug wird berichtet aber damit ist wohl die Inthronisierungszeremonie des Jahres 66 gemeint. Ein Triumph hätte insoweit nicht dem Herkommen entsprochen, als der Friede ohne be-waffnete Entscheidung herbeigeführt worden war.48

172. Neuordnungen im Osten: Damaskos, Pontos, das feste Römerlager Ziata (Charput)

Im Zusammenhang mit den Vorgängen in den östlichen Provinzen und mit dem Abkom-men sind dort verschiedene Veränderungen vorgenommen worden. Nachdem das Gebiet von Damaskos unter Caligula (37–41) den Nabataeern angegliedert worden war, wurde es

43 A. Garzetti, From Tiberius to the Antonines, A History of the Roman Empire AD 14 – 192, London 1976 (ital. Erstaufl. 1960), S. 170

44 Dessau, Röm. Kaiserzeit, Bd. 2,1, S. 20445 Koestermann, Annalen, Bd. 4, S. 21746 Eutr.7.14.1 und 4; Oros.7.7.1247 Wann genau ist unbestimmt; Suet.Nero 13.248 Cass.Dio 62.23.4

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212 | Jahre des Übergangs II (62–64)

62/63 wieder ein Teil der Provinz Syrien.49 Durch die Anerkennung des parthischen Herr-schers über Armenien kam der angrenzenden Provinz Kappadokien-Galatien große Be-deutung zu. Ihr wurde 64/65 Pontos angegliedert. Der Clientelkönig Polemon II. trat das Gebiet ohne Widerstand ab und blieb Herrscher über Kilikien. In Pontos standen fortan starke Truppenverbände.50 Möglicherweise hängt die neue Provinzbildung auch mit ver-stärkten römischen Sicherungsmaßnahmen im Schwarzmeergebiet zusammen.51 Auch an der kappadokisch-armenischen Grenze ist zudem zwischen dem 13. Okt. 64 und 12. Okt. 65 die Errichtung des festen römischen Militärlagers der legio III Gallica bei Ziata (heute Charput) nachgewiesen.52

49 Benzinger, RE IV 1901 Sp. 2046 s.v. Damaskos; Grant, Nero, S. 107 den Münzen zufolge.50 Suet.Nero 18; Tac.hist.3.47; Ios.bell.Iud.2.367 (3000 Soldaten, 40 Schiffe); ferner Hist.Aug.Au-

rel.21.11; Aur.Vict.Caes. 5.2; epit.5.4; Eutr.7.14.5; Hieron.Chron. zum Jahr 6551 Dazu Heil, Orientpolitik, S. 144ff.52 CIL III 6741–6742a

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