Neuausrichtung der Heilverfahren der Gesetzlichen ... · BG ETEM Berufsgenossenschaft der Energie,...
Transcript of Neuausrichtung der Heilverfahren der Gesetzlichen ... · BG ETEM Berufsgenossenschaft der Energie,...
EinleitungDie Gesetzliche Unfallversicherung bildet eine der fünfklassischen Säulen der Sozialversicherung (▶Tab. 1).Die Rechtsgrundlagen für die Gesetzliche Unfallversi-cherung wurden im siebten Buch des Sozialgesetzbu-ches (SGB VII) geregelt, deren Träger in der Übersichtaufgelistet sind.
In den letzten Jahren kam es zu Fusionen und Umstruk-turierungen der Trägerorganisationen und zur Neuord-nung der Heilverfahren.
Die Unfallversicherungsträger (▶Tab. 2) sind in denSpitzenverbänden im Rahmen ihrer Zuständigkeitsbe-reiche organisiert:▪ Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V.
(DGUV) – www.dguv.de,▪ Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und
Gartenbau (SVLFG) – www.svlfg.de.
Versicherte Personen in derGesetzlichen UnfallversicherungDie versicherten Personenkreise sind in den §§ 2, 3 und6 SGB VII aufgeführt. Versichert sind insbesondere Ar-beitnehmer und Auszubildende im Rahmen einer sozi-alversicherungspflichtigen Beschäftigung. Für Beamtegelten besondere Vorschriften. Darüber hinaus sindunter anderem folgende Personengruppen versichert:▪ Personen, die im Interesse der Allgemeinheit tätig
sind (z. B. Mitarbeiter in Hilfsorganisationen, Le-bensretter, Blutspender),
▪ bestimmte ehrenamtlich tätige Personen (z. B. eh-renamtliche Mitarbeiter der Freiwilligen Feuerwehr),
▪ Arbeitslose, wenn sie auf Aufforderung der Arbeits-agentur die Agentur oder eine andere Stelle aufsu-chen,
▪ Personen in der Rehabilitation (z. B. während einesKrankenhausaufenthalts),
▪ Kinder, die in Kindertageseinrichtungen oder durchgeeignete Tagespflegepersonen betreut werden,Schüler und Studierende in Schulen und Hoch-schulen sowie Personen in der beruflichen Aus-und Fortbildung,
CME-Fortbildung
Neuausrichtung der Heilverfahrender Gesetzlichen Unfallversicherung1
Reorientation of Medical ProceduresCovered by Statutory Accident Insurance
Autoren
T. C. Auhuber1, 2, C. Reimertz3, W.-D. Müller4, R. Hoffmann3
Institute
1 BG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin gGmbH
2 Hochschule der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung
(HGU)
3 BG Unfallklinik Frankfurt am Main gGmbH
4 m& i-Fachklinik Bad Liebenstein
ÜBERSICHT
Träger der Unfallversicherung▪ gewerbliche Berufsgenossenschaften▪ landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften▪ Unfallkassen
1 Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht in Orthopädie und Un-fallchirurgie up2date 2015; 10: 51–69
▶Tab. 1 Die fünf Säulen der Sozialversicherung.
5 Säulen der Sozialversicherung Jahr der Einführung
Krankenversicherung 1883
Rentenversicherung 1889
Unfallversicherung 1884
Arbeitslosenversicherung 1927
Pflegeversicherung 1995
Jedes Jahr ereignen sich in Deutschland ungefähr 1,4 Millionen Arbeits- und We-geunfälle. Hinzu kommen rund 18000 Fälle von anerkannten Berufskrankheitenund rund 1,5 Millionen Schulunfälle. Die Unfallzahlen sind im Lauf der Jahre rück-läufig. Zuständig für diese Unfälle ist die Gesetzliche Unfallversicherung.
Auhuber TC et al. Neuausrichtung der Heilverfahren… Rehabilitation 2017; 56: 55–72 55
Die
ses
Dok
umen
t wur
de z
um p
ersö
nlic
hen
Geb
rauc
h he
runt
erge
lade
n. V
ervi
elfä
ltigu
ng n
ur m
it Z
ustim
mun
g de
s V
erla
ges.
▪ Personen, die selbstständig, als mitarbeitendeFamilienangehörige oder als abhängig Beschäftigtein der Landwirtschaft arbeiten,
▪ häusliche Pflegepersonen.
MerkeDer Versicherungsschutz besteht unabhängig vonReligion, Alter, Einkommen oder Staatsangehörig-keit.
Leistungen der GesetzlichenUnfallversicherung
Die Gesetzliche Unfallversicherung hat die Aufgabe,▪ Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sowie arbeits-
bedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten (Prä-vention),
▪ bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten die Ge-sundheit und die Leistungsfähigkeit wiederherzu-stellen (medizinische Heilbehandlung sowie me-dizinische, berufliche und soziale Rehabilitation)und
▪ den Versicherten (Lohnersatz- und Rentenleistun-gen) oder ihren Hinterbliebenen (z. B. Witwen-/Wit-wer- und Waisenrenten) eine Entschädigung zu ge-währen.
Die gesetzlichen Regelungen formulieren zunächsteinen Präventionsauftrag. Dieser sieht vor, Arbeitsun-fälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesund-heitsgefahren zu verhüten. Die Beratung von Unter-nehmen und Versicherten in allen Fragen der Sicher-heit und Gesundheit steht im Mittelpunkt. Dazu gehörtes, umfassende Handlungshilfen und sonstige Informa-tionsmedien für Arbeitgeber und Versicherte zum The-ma Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit zur Verfügungzu stellen.
Ein weiteres vorrangiges Ziel der Unfallversicherungs-träger stellt die Wiederherstellung von Gesundheitund Arbeitsfähigkeit des Versicherten dar:
MerkePrävention und Rehabilitation mit allen geeignetenMitteln.
Renten an Versicherte werden dann gezahlt, wenn dieErwerbsfähigkeit nicht vollständig wiederhergestelltwerden kann und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit
ABKÜRZUNGEN
ABMR Arbeitsplatzspezifische MuskuloskelettaleRehabilitation
BG BerufsgenossenschaftBG Bau Berufsgenossenschaft der BauwirtschaftBG ETEM Berufsgenossenschaft der Energie, Textil-,
Elektro-, MedienerzeugnisseBG RCI Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische
IndustrieBG Verkehr Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-
Logistik TelekommunikationBGHM Berufsgenossenschaft für Holz und MetallBGHW Berufsgenossenschaft für Handel und Waren-
distributionBGN Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und
GastgewerbeBGSW Berufsgenossenschaftliche Stationäre Weiter-
behandlungBGW Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst
und WohlfahrtspflegeDALE-UV Datenaustausch mit Leistungserbringern in der
Gesetzlichen UnfallversicherungD-Arzt DurchgangsarztDAV DurchgangsarztverfahrenDGU Deutsche Gesellschaft für UnfallchirurgieDGUV Deutsche Gesetzliche UnfallversicherungDKG Deutsche KrankenhausgesellschaftEAP Erweiterte Ambulante PhysiotherapieEFL Evaluation der funktionellen LeistungsfähigkeitFCE Functional Capacity EvaluationGKV Gesetzliche KrankenversicherungGUV Gesetzliche UnfallversicherungH-Arzt an der Besonderen Heilbehandlung beteiligter
ArztICF International Classification of Functioning,
Disability and HealthKSR Komplexe Stationäre RehabilitationMdE Minderung der ErwerbsfähigkeitSAV SchwerstverletzungsartenverfahrenSGB SozialgesetzbuchSVLFG Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten
und GartenbauUVB Unfallversicherung Bund und BahnVAV VerletzungsartenverfahrenVBG Verwaltungsberufsgenossenschaft
ÜBERSICHT
Leistungen der Gesetzlichen Unfallversiche-rung im Überblick▪ umfassende Heilbehandlung▪ Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben▪ Leistungen zur Teilhabe am Leben in der
Gemeinschaft und ergänzende Leistungen▪ Geldleistungen an Versicherte und Hinter-
bliebene (Renten)
CME-Fortbildung
56 Auhuber TC et al. Neuausrichtung der Heilverfahren… Rehabilitation 2017; 56: 55–72
Die
ses
Dok
umen
t wur
de z
um p
ersö
nlic
hen
Geb
rauc
h he
runt
erge
lade
n. V
ervi
elfä
ltigu
ng n
ur m
it Z
ustim
mun
g de
s V
erla
ges.
(MdE) von mindestens 20% vorliegt. Die Leistungen zurHeilbehandlung und zur Rehabilitation haben Vorrangvor Rentenleistungen:
MerkeReha vor Rente.
Versicherte haben nach Maßgabe der gesetzlichen Vor-schriften und unter Beachtung des Sozialgesetzbuchs9. Buch (SGB IX – Rehabilitation und Teilhabe behinder-ter Menschen) auch Anspruch auf Leistungen zur medi-zinischen Rehabilitation, auf Leistungen zur Teilhabeam Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft.Die Versicherten sollen einen ihren Neigungen und Fä-higkeiten entsprechenden Platz im Arbeitsleben erhal-ten. Hilfen zur Bewältigung der Anforderungen destäglichen Lebens, zur Teilhabe am Leben in der Ge-meinschaft sowie zur Führung eines möglichst selbst-ständigen Lebens unter Berücksichtigung von Pflege-bedürftigkeit, Art und Schwere des Gesundheitsscha-dens sollen gewährt werden.
Die Qualität und die Wirksamkeit der Leistungen zurHeilbehandlung sowie zur Teilhabe haben dem allge-mein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnis-se zu entsprechen und müssen den medizinischen Fort-schritt berücksichtigen (§ 26 SGB VII).
Die Aufgaben der Unfallversicherung fasst die Infobox„Prinzipien“ zusammen.
Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) definierteinen anderen Leistungsbegriff. Danach müssen dieLeistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlichsein. Die Leistungen dürfen das Maß des Notwendigennicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendigoder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nichtbeanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht er-bringen und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12SGB V – Gesetzliche Krankenversicherung).
In der GUV bedeutet „mit allen geeigneten Mitteln“ je-doch nicht, dass Leistungen unbeschränkt gewährtwerden: Der Unfallversicherungsträger hat ebenfallssicherzustellen, dass die ihm obliegenden Aufgabenunter Berücksichtigung der Grundsätze der Wirtschaft-lichkeit und Sparsamkeit erfüllt werden (§ 69 SGB IV –Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung).
Finanzierung der GesetzlichenUnfallversicherung
Bei der Gesetzlichen Unfallversicherung handelt es sichum eine Pflichtversicherung für den Arbeitgeber. ImGegensatz zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeits-losenversicherung ist die Gesetzliche Unfallversiche-rung für die Versicherten beitragsfrei; die Kosten fürden umfassenden Versicherungsschutz tragen die Ar-beitgeber. Im Bereich der öffentlichen Hand tragender Bund, die Länder und Gemeinden die Kosten. Die
▶Tab. 2 Übersicht der Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaftenund Unfallkassen).
Unfallversicherungsträger Abkürzung
GewerblicheBerufsgenossen-schaften
Berufsgenossenschaft der Bauwirt-schaft
BG Bau
Berufsgenossenschaft der Energie,Textil-, Elektro-, Medienerzeugnisse
BG ETEM
Berufsgenossenschaft für Gesund-heitsdienst und Wohlfahrtspflege
BGW
Berufsgenossenschaft für Handelund Warendistribution
BGHW
Berufsgenossenschaft für Holz undMetall
BGHM
Berufsgenossenschaft Nahrungsmit-tel und Gastgewerbe
BGN
Berufsgenossenschaft Rohstoffe undchemische Industrie
BG RCI
Berufsgenossenschaft Verkehrs-wirtschaft Post-Logistik Telekom-munikation
BG Verkehr
Verwaltungsberufsgenossenschaft VBG
Landwirtschaftli-che Berufsgenos-senschaft
Unfallkassen Unfallversicherung Bund und Bahn UVB
Unfallkassen der Länder
Gemeindeunfallversicherungsver-bände und Unfallkassen der Ge-meinden
Feuerwehr-Unfallkassen
PRINZIPIEN
§ 1 SGB VII Prävention, Rehabilitation,EntschädigungAufgabe der Unfallversicherung ist es,1. mit allen geeigneten Mitteln Arbeitsunfälle
und Berufskrankheiten sowie arbeitsbedingteGesundheitsgefahren zu verhüten,
2. nach Eintritt von Arbeitsunfällen oder Berufs-krankheiten die Gesundheit und die Leistungs-fähigkeit der Versicherten mit allen geeignetenMitteln wiederherzustellen und sie oder ihreHinterbliebenen durch Geldleistungen zu ent-schädigen.
Auhuber TC et al. Neuausrichtung der Heilverfahren… Rehabilitation 2017; 56: 55–72 57
Die
ses
Dok
umen
t wur
de z
um p
ersö
nlic
hen
Geb
rauc
h he
runt
erge
lade
n. V
ervi
elfä
ltigu
ng n
ur m
it Z
ustim
mun
g de
s V
erla
ges.
Beitragshöhe wird im Umlageverfahren ermittelt, in-dem nachträglich nach Ablauf eines Geschäftsjahresder Aufwand für die Deckung des Bedarfs ermitteltwird. Der Finanzbedarf ermittelt sich aus:▪ den Arbeitsentgelten der Versicherten und▪ den Gefahrenklassen der unterschiedlichen
Branchen.
In der landwirtschaftlichen Unfallversicherung geltenbesondere Beitragsmaßstäbe, die sich überwiegendnach den Flächen- und Ertragswerten der landwirt-schaftlichen Unternehmen richten.
Bei den Gemeindeunfallversicherungsverbänden undUnfallkassen richten sich die Beiträge nach der Einwoh-nerzahl, der Zahl der Versicherten oder den Arbeitsent-gelten.
Die öffentlichen Unfallversicherungsträger finanzierenihre Ausgaben regelmäßig aus Haushaltsmitteln (Steu-ern).
Arbeitsunfall – Wegeunfall –BerufskrankheitVersicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufs-krankheiten.
Arbeitsunfall
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolgeeiner den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit(versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 SGB VIIzeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwir-kende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschadenoder zum Tod führen.
Wegeunfall
Versicherte Tätigkeiten sind auch das Zurücklegen desmit der versicherten Tätigkeit zusammenhängendenunmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätig-keit.
Berufskrankheit
Berufskrankheiten sind Krankheiten, welche die Bun-desregierung durch Rechtsverordnung mit Zustim-mung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeich-net und die Versicherte infolge einer den Versiche-rungsschutz nach begründenden Tätigkeit erleiden.Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechts-verordnung solche Krankheiten als Berufskrankheitenzu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizi-nischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungenverursacht sind, denen bestimmte Personengruppendurch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höheremGrade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind.
Feststellung der LeistungspflichtBei der Feststellung der Leistungspflicht gilt der Grund-satz der sog. doppelten Kausalität:1. Der Gesundheitsschaden muss ursächlich auf das
äußere Ereignis zurückgeführt werden können, dasäußere Ereignis muss eine wesentliche Bedingungund nicht nur eine Gelegenheitsursache für denKörperschaden bei vorbestehender Schädigung sein(haftungsausfüllende Kausalität).
2. Die versicherte Tätigkeit muss unter bestimmtenrichterrechtlich entwickelten Kriterien für den Ein-tritt des Unfalls kausal gewesen sein. Es muss eininnerer Zusammenhang zwischen der versichertenTätigkeit und dem Unfall vorliegen (haftungsbe-gründende Kausalität).
MerkeVerbotswidriges Handeln schließt den Versiche-rungsschutz nicht zwingend aus, solange der Ver-sicherte im Interesse der Erledigung betrieblicherBelange tätig ist.
Die Feststellung der Anerkennung von Versicherungs-fällen nach dem SGB VII obliegt dem Unfallversiche-rungsträger.
MerkeDie Überprüfung der Kausalität ist ein nicht immereinfaches Rechtsfeld, das häufig Gegenstand vonrechtlichen Auseinandersetzungen ist.
Ziele und Struktur der HeilverfahrenDie Behandlung unfallversicherter Personen findet inForm strukturierter Heilverfahren der Gesetzlichen Un-fallversicherung statt.
Ziele
Ziel dieser Verfahren ist es, die gesamte Behandlungvon versicherten Personen nach Arbeitsunfällen undBerufskrankheiten „aus einer Hand“ vom Unfall bis zurberuflichen und sozialen Wiedereingliederung anzu-bieten.
Organisationsstruktur
Die Struktur bzw. Organisation der Heilverfahren zeigt
▶Abb. 1. Die Träger der GUV beteiligen an dem Verfah-ren ausgewählte und besonders qualifizierte Ärzte,Therapeuten, Krankenhäuser, Rehabilitationseinrich-tungen und andere Leistungsanbieter im Gesundheits-wesen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Ein-haltung hoher Qualitätsstandards. Sie bestimmen imEinzelfall Art, Umfang und Durchführung der Heilbe-handlung. Dies geschieht in enger Abstimmung mitden Leistungserbringern.
CME-Fortbildung
58 Auhuber TC et al. Neuausrichtung der Heilverfahren… Rehabilitation 2017; 56: 55–72
Die
ses
Dok
umen
t wur
de z
um p
ersö
nlic
hen
Geb
rauc
h he
runt
erge
lade
n. V
ervi
elfä
ltigu
ng n
ur m
it Z
ustim
mun
g de
s V
erla
ges.
Die Unfallversicherungsträger können nach Art undSchwere des Gesundheitsschadens oder für bestimmteVersichertengruppen besondere Verfahren für die Heil-behandlung vorsehen (Heilverfahren der Gesetzli-chen Unfallversicherung).
Die Versorgung von Schwer- und Schwerstverletztensoll danach auf besonders qualifizierte und erfahreneKliniken konzentriert werden. Zudem sollen eine Stär-kung der sektorenübergreifenden Versorgung im Sinneder Gesetzlichen Unfallversicherung sowie eine Profi-lierung und Aktualisierung der Qualitätsanforderungenerfolgen. Eine besondere Rolle für die Erreichung derZiele des Heilverfahrens spielen▪ die Rettung und die Akutversorgung von Verletzten,▪ die Rehabilitation,▪ das Rehabilitationsmanagement.
Als Vorbild bei der Umsetzung der Weiterentwicklungdes unfallversicherungsrechtlichen Heilverfahrens die-nen die klar definierten Strukturen des Traumanetz-werks DGU (Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie).Die Grundlage bildet das Weißbuch Schwerverletzten-versorgung der DGU. Im Vordergrund steht dabei dieIdee, Traumanetzwerke zur Versorgung von Unfallver-letzten zu bilden.
Darüber hinaus werden Phasenmodelle entwickelt, dieden Ablauf des Heilverfahrens definieren. Diese Model-
le berücksichtigen abhängig von der Verletzungs-schwere▪ die geeignete Versorgungsstufe,▪ die Eingangskriterien,▪ die personellen Qualifikationen und die materielle
Ausstattung der beteiligten Einrichtungen sowie▪ das Überleitungsmanagement.
Um Synergieeffekte mit der neu entstandenen unfall-medizinischen Landkarte in Deutschland zu nutzen,wurde für das SGB-VII-Traumanetzwerk das dreigliedri-ge Versorgungsnetz – bestehend aus lokalem, regiona-lem und überregionalem Traumazentrum – aus demWeißbuch übernommen. Da sich die formalen Bedin-gungen unterscheiden, wurde ein eigenes Zertifizie-rungs- und Auditierungsverfahren durch die DGUV-Landesverbände entwickelt. Die Zulassung im Trauma-netzwerk DGU ist dabei keine notwendige Vorausset-zung.
Neben der unfallchirurgischen Versorgung auf hohemNiveau steht insbesondere auch die berufliche und so-ziale Rehabilitation im Mittelpunkt der Behandlung. DieBedeutung der biopsychosozialen Kontextfaktoren ineiner modernen Gesellschaft unter Beachtung der ICF(International Classification of Functioning, Disabilityand Health) hat an Bedeutung gewonnen und mussbei der Behandlung unfallverletzter Patienten berück-sichtigt werden. Daraus resultiert, dass in der Zukunft
Verlegungspflichtbei Verletzungen nach dem Verletzungsartenverfahrenbei Revisions- oder komplexer Folgechirurgie
Arbeitsunfall
D-Arzt
Einleitungbesonderer
Heilbehandlung
nein
Hausarzt
Hausarzt
Einleitungallgemeiner
Heilbehandlung
ja
Nachschau
DAV-Krankenhaus
StationäresDurchgangsarzt-
verfahren
VAV-Krankenhaus
VerletzungsartenverfahrenD-Arzt (ambulant) (Praxis oder Krankenhaus)
liegt eine VAV-Verletzung vor?
SAV-Krankenhaus
▶Abb. 1 Struktur der Verletzungsartenverfahren bei Arbeitsunfällen (nach Rybak et al. 2008).
Auhuber TC et al. Neuausrichtung der Heilverfahren… Rehabilitation 2017; 56: 55–72 59
Die
ses
Dok
umen
t wur
de z
um p
ersö
nlic
hen
Geb
rauc
h he
runt
erge
lade
n. V
ervi
elfä
ltigu
ng n
ur m
it Z
ustim
mun
g de
s V
erla
ges.
die Etablierung von SGB-VII-Trauma-Rehazentren sinn-voll ist.
Wesentliche Bestandteile der Novellierung des Heilver-fahrens des DGUV sind in der Übersicht dargestellt.
Die curricularen Veränderungen in der ärztlichen Aus-und Weiterbildung mussten ebenfalls berücksichtigtwerden. Seit 2004 ist der Schwerpunkt Unfallchirurgieaus dem Gebiet Chirurgie mit dem Fachgebiet Ortho-pädie zu dem neuen Fachgebiet Orthopädie und Unfall-chirurgie unter dem Gebiet Chirurgie zusammenge-führt. Zudem ist die Schwerpunktbezeichnung „Unfall-chirurgie“ in die Zusatzweiterbildung „Spezielle Unfall-chirurgie“ überführt worden. Daraus entwickelte sichein verändertes Qualifikationsprofil für die neue Fach-arztausbildung mit Auswirkungen auf die Anforderun-gen zur Teilnahme am Heilverfahren der DGUV auf al-len Ebenen.
Die Neuordnung des ambulanten und akutstationärenHeilverfahrens der DGUV gilt seit dem 01. 01. 2014 (s.Infobox Übersicht).
Verletzungsartenverzeichnis
Grundlage zur Steuerung der unfallverletzten Patien-ten in die geeignete Versorgungsstruktur ist ein Verlet-zungsartenverzeichnis (▶Abb. 2). Liegt beim Patienteneine Verletzung nach dem Verletzungsartenverzeichnisvor, ist dies im D-Arzt-Bericht anzugeben.
Das aktuelle Verletzungsartenverzeichnis gilt seit dem01.01.2013 und wurde zum 01. 07. 2014 aktualisiert.Es regelt die Zuständigkeiten der jeweiligen Versor-gungsstufen für die Behandlung Arbeitsunfallverletzternach Art und Schwere der Verletzung, woraus Vorga-ben für eine differenzierte Zuweisung in die entspre-chend qualifizierten Kliniken resultieren. Auf der Basisdes VAV-Kataloges von 2005 mit seinen 10 Kategorienist eine Neugliederung erfolgt. Diese bezieht nun auchgängige medizinische Klassifikationen (z. B. AO-Klassi-fikation) in die Erläuterungen mit ein (▶Abb. 3). ImVerzeichnis sind Konstellationen bzw. Verletzungen,die im Fettdruck erscheinen sowie mit Klammerzusatz(S) versehen sind, für Krankenhäuser mit Zulassungenzum Schwerverletzungsartenverfahren (SAV) vorbehal-ten. Definiert wurden ebenso Voraussetzungen für einekindertraumatologische Kompetenz der SAV-Häuser.
Die Neuregelungen im Verletzungsartenverzeichnisbeinhalten die Wiedereinführung einer Mindestfall-zahl von jährlich durchschnittlich 75 Arbeitsunfällenim Verletzungsartenverfahren im 5-Jahres-Zeitraumfür Krankenhäuser mit Zulassung zum Verletzungsar-tenverfahren. Diese Mindestfallzahl soll Garant sein für▪ hohe Versorgungsqualität,▪ hohe fachärztliche und operative Routine,
ÜBERSICHT
Wesentliche Bestandteile der Novellierung desHeilverfahrens des DGUV▪ Konzentration Schwerstverletzter auf beson-
ders qualifizierte Kliniken im Akut- wie auch imRehabereich
▪ stärkere Differenzierung der Heilverfahren nachArt und Schwere der Verletzung („der richtigeFall in die richtige Klinik“)
▪ Ergänzung des Heilverfahrens um die BereicheKomplikations- und Rekonstruktionsbehand-lung sowie Rehabilitation
▪ Schaffung von Voraussetzungen für Messungenzur Prozess- und Ergebnisqualität als Effektivi-tätsnachweis
ÜBERSICHT
Neuordnung des ambulanten und akutstatio-nären Heilverfahrens der DGUV (gültig seit01.01.2014)▪ Ambulantes Durchgangsarztverfahren (DAV) –
besondere Heilbehandlung/Überwachung derallgemeinen Heilbehandlung
▪ Stationäres Durchgangsarztverfahren (DAV) –für „leichte“ Verletzungen (einfache Fälle nied-rigerer Schwierigkeitsstufe)
▪ Verletzungsartenverfahren (VAV) – für „schwe-re“ Verletzungen (Fälle höherer Schwierigkeits-stufe)
▪ Schwerstverletzungsartenverfahren (SAV) – für„schwerste“ Verletzungen (komplexe, kompli-kationsträchtige Fälle höchster Schwierigkeits-stufe)
▪ Rehabilitationsverfahren je nach Umfang undSchwere der Verletzungen█ Erweiterte Ambulante Physiotherapie (EAP)█ Berufsgenossenschaftliche Stationäre Wei-
terbehandlung (BGSW)█ Komplexe Stationäre Rehabilitation (KSR)█ Arbeitsplatzspezifische Muskuloskelettale
Rehabilitation (ABMR)
Weitere spezielle Heilverfahren:▪ handchirurgisches Verfahren▪ Hautarztverfahren▪ Psychotherapeutenverfahren
Weiterführende Informationen zu den Verlet-zungsartenverfahren (Handlungsanleitungen/Anforderungen zur Beteiligung) im Internet un-ter: http://www.dguv.de/landesverbaende/de/med_reha/index.jsp
CME-Fortbildung
60 Auhuber TC et al. Neuausrichtung der Heilverfahren… Rehabilitation 2017; 56: 55–72
Die
ses
Dok
umen
t wur
de z
um p
ersö
nlic
hen
Geb
rauc
h he
runt
erge
lade
n. V
ervi
elfä
ltigu
ng n
ur m
it Z
ustim
mun
g de
s V
erla
ges.
▪ einen hohen Pflegestandard sowie▪ eine große Erfahrung im Umgang mit den unfallver-
sicherungsrechtlichen Sachverhalten und Besonder-heiten dieser Heilverfahren.
Durchgangsarztverfahren (DAV) –H-Arzt-VerfahrenVoraussetzungen
Für den niedergelassenen Durchgangsarzt (D-Arzt)wird gefordert:▪ der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie
und▪ 1 weiteres qualifizierendes Jahr in einem mindestens
zum VAV-Verfahren zugelassenen Haus;▪ zusätzlich Kurse zu den relevanten Inhalten der
Heilverfahrenssteuerung unfallversicherter Patien-ten.
Zu den o. g. Kursen, die der niedergelassene D-Arzt zuabsolvieren hat, gehören neben dem Einführungssemi-nar zum Durchgangsarztverfahren lebenslange regel-mäßige und erfolgreiche Besuche zertifizierter Kursezur Gutachtenerstellung, zu Organisationsformen desHeilverfahrens sowie zu den Bereichen Rehabilitations-medizin und Rehabilitationsmanagement. Diese Fort-bildungsmaßnahmen sind in den bestehenden Fortbil-dungsnachweis der Landesärztekammern für Fachärztevon 250 Fortbildungspunkten in 5 Jahren integriert.Zudem müssen in diesem Zeitraum 2 unfallmedizini-sche Tagungen der Landesverbände besucht werden.
Aufgaben des D-Arztes
Dem niedergelassenen D-Arzt kommt eine Lotsenfunk-tion im Heilverfahren zu, ohne spezielle operative Ver-fahren persönlich durchführen zu dürfen. Der D-Arztmuss die fachlichen Aspekte und Besonderheiten desgesamten Heilverfahrens der DGUV im Blick haben.
Durchführung des D-Arzt-Verfahrens
Das hohe Niveau des Zulassungsverfahrens soll gesi-chert werden durch▪ Einführung von Mindestfallzahlen (250 D-Arzt-Fälle
pro Jahr) sowie▪ Qualitätssicherung (Überprüfung alle 5 Jahre).
Grundsätzlich darf jeder an der vertragsärztlichen Ver-sorgung teilnehmende Arzt Unfallverletzte behandeln.Dabei ist zu beachten, dass Unfallverletzte einemDurchgangsarzt vorzustellen sind, wenn▪ die Unfallverletzung über den Unfalltag hinaus zur
Arbeitsunfähigkeit führt oder▪ die notwendige ärztliche Behandlung voraussicht-
lich über eine Woche andauert oder▪ Heil- und Hilfsmittel zu verordnen sind oder▪ es sich um eine Wiedererkrankung aufgrund von
Unfallfolgen handelt.
Verletzungsartenverzeichnis mit Erläuterungenunter Einschluss des Schwerstverletzungsartenverfahrensin der Fassung vom 1. Januar 2013; Stand zum 1. Juli 2014
ausgedehnte oder tiefgehende Verletzungen der Haut und desWeichteilmantels, Amputationsverletzungen, Muskelkompressions-syndrome, thermische und chemische Schädigungen
schwere Verletzungen großer Gelenke, insbesondere beiRekonstruktionsbedürftigkeit; im Kindesalter zusätzlich operations-bedürftige Frakturen mit Beteiligung der Wachstumsfuge undoperationsbedürftige gelenknahe Frakturen
Verletzungen der großen Nervenbahnen einschließlichWirbelsäulenverletzungen mit neurologischer Symptomatik
Brüche des Gesichtsschädels und des Rumpfskeletts mitOperationsbedürftigkeit bei Verschiebung und Instabilität
Brustkorb- und Bauch-Verletzungen mit operationsbedürftigerOrganbeteiligung einschließlich Nieren und Harnwege
Verletzungen der großen Gefäße
schwere Verletzungen der Hand
offene oder gedeckte mittelschwere und schwereSchädel-Hirn-Verletzungen (ab SHT Grad II)
Mehrfachverletzungen mit schwerer Ausprägung;besondere Verletzungskonstellationen bei Kindern
komplexe Brüche der großen Röhrenknochen,insbesondere mehrfache, offene und verschobene Frakturen
1
7
3
9
5
2
8
4
10
6
▶Abb. 2 Verletzungsartenverzeichnis (S. 1).
9.1 (V) Geschlossene und offene Brüche des Hirn- undGesichtsschädels bei gegebener oder abzuklärenderOperationsbedürftigkeit.
9.4 (V) Brüche oder Verrenkungsverletzungen des Hüftgelenkes.
9.2 (V) Wirbelbrüche mit Fehlstellung oder Instabilität beigegebener oder abzuklärender Operationsbedürftigkeit(AO-Typen A2.3, A3, B und C).
9.3 (V) Beckenringbrüche mit Fehlstellung oder Instabilität(entsprechend AO-Typen B und C) bei gegebener oderabzuklärender Operationsbedürftigkeit.
9.1 (S) Vorgenannte geschlossene und offene Brüche desHirn- und Gesichtsschädels bei starker Verschiebung,hoher Komplexität oder schwerem Weichteilschaden.
9.4 (S) Vorgenannte Brüche und Verrenkungsverletzungen des Hüft-gelenkes bei Ein- oder Zweipfeilerverletzungen der Hüftpfanne.
9.2 (S) Vorgenannte Wirbelbrüche bei begleitenden neurologischenAusfällen und Notwendigkeit der Rekonstruktion der vorderenSäule an BWS/LWS. Verletzungen der oberen Halswirbelsäule(Segmente C0–C2/C3) mit Fehlstellung oder Instabilität beigegebener oder abzuklärender Operationsbedürftigkeit.
9.3 (S) Vorgenannte Beckenringbrüche bei starker Verschiebung undRekonstruktionsnotwendigkeit des hinteren Beckenringes.
▶Abb. 3 Beispiel aus dem Verletzungsartenverzeichnis, Ziffer 9, mit derDifferenzierung nach Verletzungsartenverfahren (VAV [V]) undSchwerstverletzungsartenverfahren (SAV [S]) und Berücksichtigung derAO-Klassifikation.
Auhuber TC et al. Neuausrichtung der Heilverfahren… Rehabilitation 2017; 56: 55–72 61
Die
ses
Dok
umen
t wur
de z
um p
ersö
nlic
hen
Geb
rauc
h he
runt
erge
lade
n. V
ervi
elfä
ltigu
ng n
ur m
it Z
ustim
mun
g de
s V
erla
ges.
Der Durchgangsarzt entscheidet, ob eine allgemeineHeilbehandlung beim Hausarzt durchgeführt wirdoder wegen Art oder Schwere der Verletzung eine be-sondere Heilbehandlung erforderlich ist, die er dannregelmäßig selbst durchführt (s. Infoboxen „Defini-tion“).
In Fällen der allgemeinen (hausärztlichen) Behandlungüberwacht er den Heilverlauf.
Vielfach wird der Unfallverletzte nach der ergänzendendurchgangsärztlichen Untersuchung dem vorstellen-den Arzt zur weiteren Behandlung zurücküberwiesen.Sofern erforderlich, begleitet der Durchgangsarzt denHeilverlauf an bestimmten Terminen (Nachschau).Werden Heil- und Hilfsmittel erforderlich, kann derDurchgangsarzt diese bei der Nachschau verordnen.
MerkeUnfallverletzte mit isolierten Augenverletzungenoder Hals-, Nasen-, Ohrenverletzungen sind direkteinem entsprechenden Facharzt vorzustellen.
H-Arzt-Verfahren
Neben dem Durchgangsarztverfahren beteiligten dieLandesverbände bis zum 31.12.2010 Ärzte, die überbesondere unfallmedizinische Kenntnisse verfügen, ander besonderen Heilbehandlung. Dieses sog. H-Arzt-Verfahren läuft nach einer Übergangsfrist zum31.12.2015 aus. H-Ärzte, deren Zulassung ausläuft, ha-ben die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzun-gen die D-Arzt-Zulassung zu erlangen.
Stationäres Durchgangsarztverfahren (DAV)
Das stationäre Durchgangsarztverfahren ist an einepersonalisierte Zulassung zum D-Arzt-Verfahren undparallel an eine vertragliche Zulassung des Kranken-hauses gebunden. Betroffen sind in der Regel Klinikender Grund- und Regelversorgung mit den Vorausset-zungen zur Zertifizierung als lokales Traumazentrumoder ambulante unfallchirurgische Zentren, ggf. auchmit beleg- oder konsiliarärztlicher Tätigkeit. Hierfürmuss neben den Basisanforderungen an den D-Arzteine erfolgreiche 3-jährige spezielle unfallchirurgischeWeiterbildung (Schwerpunkt „Unfallchirurgie“ oder Zu-satzbezeichnung „Spezielle Unfallchirurgie“) nachge-wiesen werden.
Für die Behandlung gilt ein modifizierter (reduzierter)VAV-Katalog. Eine Ausgliederung einer ganzen Reiheleichterer Verletzungen, z. B. einfache Radius- undSprunggelenkfrakturen, soll dabei die Versorgung derPatienten in der Fläche regional sicherstellen und wer-tet die Versorgungsform des stationären Durchgangs-arztverfahrens inhaltlich auf. Für diese Verletzungenbesteht keine Vorstellungspflicht in VAV-Häusern.
Verletzungsartenverfahren (VAV)
Als Voraussetzung zur Beteiligung am Verletzungsar-tenverfahren ist für den operativ tätigen Durchgangs-arzt zusätzlich eine mindestens 3-jährige Tätigkeit aneinem zum VAV-Verfahren zugelassenen Haus notwendig.Zudem werden besondere Strukturen in zugelassenenKrankenhäusern hinsichtlich der Verfügbarkeit ärztli-cher und nichtärztlicher Mitarbeiter, der Ausbildungder verantwortlichen Schockraumleiter, der Ausstat-tung von Schockraum, Operationsabteilung und Not-aufnahme gefordert.
Überdies sind auch kindertraumatologische Kompe-tenz sowie besondere personelle und organisatorischeRegelungen im Bereich der Hygiene bedeutsam.
Schwerstverletzungsartenverfahren (SAV)
Bei schwersten Verletzungen und zu erwartendem auf-wendigem Heilverlauf werden die Patienten in Klinikenmit besonderer Kompetenz konzentriert. Innerhalb derNetzwerkstruktur sollen dort regelhaft diejenigen Fällevorgestellt werden, welche bezüglich des absehbarenHeilverfahrensaufwandes von hoher sozioökonomi-
DEFINITION
Allgemeine Heilbehandlungnach § 10 (2) ÄrztevertragDie Allgemeine Heilbehandlung ist die ärztlicheVersorgung einer Unfallverletzung, die nach Artoder Schwere weder eines besonderen personel-len, apparativ-technischen Aufwandes nocheiner spezifischen unfallmedizinischen Qualifika-tion des Arztes bedarf.
DEFINITION
Besondere Heilbehandlungnach § 11 (3) ÄrztevertragDie Besondere Heilbehandlung ist die fachärztli-che Behandlung einer Unfallverletzung, die we-gen Art oder Schwere besondere unfallmedizini-sche Qualifikation verlangt. Dazu gehören auchdie Erfassung der Zusammenhänge zwischen Ar-beitstätigkeit und Unfallereignis, die tätigkeits-bezogene Funktionsdiagnostik, ggf. unter Be-rücksichtigung von Vorschäden, sowie die prog-nostische Einschätzung der Unfallverletzung un-ter dem Gesichtspunkt typischer Komplikationensowie frühzeitig einzuleitender medizinischerund schulischer/beruflicher Rehabilitationsmaß-nahmen mit umfassender Dokumentation allerDaten, die zur Rekonstruktion von Ursache, Aus-maß und Verlauf der Heilbehandlung relevantsind.
CME-Fortbildung
62 Auhuber TC et al. Neuausrichtung der Heilverfahren… Rehabilitation 2017; 56: 55–72
Die
ses
Dok
umen
t wur
de z
um p
ersö
nlic
hen
Geb
rauc
h he
runt
erge
lade
n. V
ervi
elfä
ltigu
ng n
ur m
it Z
ustim
mun
g de
s V
erla
ges.
scher Bedeutung sind. Die entsprechenden Verletzun-gen sind in der Checkliste zusammengefasst.
Zusätzlich wird eine besondere unfallversicherungs-rechtliche Rehakompetenz gefordert. Diese soll einefrühzeitige multiprofessionelle Rehabilitation sowieein von Beginn an enges Rehabilitationsmanagementgemeinsam mit den verantwortlichen Unfallversiche-rungsträgern beinhalten. Hierzu gehören die in einerweiteren Checkliste dargestellten Behandlungsoptio-nen.
Die Integration arbeitsplatzspezifischer Rehabilita-tions- und Testverfahren – z. B. ABMR (Arbeitsplatzspe-zifische Muskuloskelettale Rehabilitation), FCE(Functional Capacity Evaluation)-Verfahren wie EFL(Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit) – so-wie die Anwendung von Assessment-Verfahren zur Ver-laufs- und Ergebniskontrolle bzw. zur Qualitätsmes-sung des Heilverfahrens sind weitere Anforderungenan Kliniken mit Zulassung zum SAV-Verfahren.
MerkeSofern bestimmte Kompetenzen nicht am Kranken-haus selbst vertreten sind, ist die Verfügbarkeit durchverbindliche Kooperationen sicherzustellen.
BG Kliniken
Die BG Kliniken sollen in besonderer Form die Koopera-tion mit den Unfallversicherungsträgern im Rehabilita-tionsmanagement als „Schrittmacher“ im SAV voran-treiben. Sie sollen in Zukunft noch mehr als bisher spe-zielle Dienstleistungen im Heilverfahren erbringen(▶Abb. 4). Hierzu gehören:▪ besondere Sprechstunden zur Vorstellung proble-
matischer Heilverläufe,▪ Beratungsangebote für Ärzte und Kliniken,▪ Fortbildungen,▪ Qualitätszirkel,▪ Forschung und Weiterentwicklung medizinischer
Behandlung Unfallverletzter.
Die BG Kliniken und BG Ambulanzen sind in einemKlinikverbund (BG Kliniken – Klinikverbund der gesetz-lichen Unfallversicherung gGmbH) zusammenge-schlossen (www.bg-kliniken.de).
Ausblick
Im Hinblick auf den notwendigen Versorgungsbedarfinsbesondere in der Fläche werden weitere Häuser derMaximal- und Schwerpunktversorgung zugelassen.
Entsprechend der Erkenntnis, dass schwerverletzte Pa-tienten, insbesondere mit schweren Schädel-Hirn-Trau-mata, dann einen Überlebensvorteil haben, wenn siemit einem Rettungshubschrauber transportiert und ineinem überregionalen Traumazentrum behandelt wer-den, sind für alle SAV-Häuser Hubschrauberlandeplätzezu fordern, die die europäischen Richtlinien erfüllen.
Eine Weiterentwicklung der Traumanetzwerke mitEtablierung von SGB-VII-Reha-Netzwerken wird zu-künftig zur Steuerung rehabilitations- und kosteninten-siver Patienten notwendig.
Verlegungspflichten
Wenn Versicherte der Träger der Gesetzlichen Unfall-versicherung in ein Krankenhaus eingeliefert werden,das nicht zum stationären Durchgangsarztverfahren
CHECKLISTE
Verletzungen, die dem Schwerstverletzungs-artenverfahren (SAV) zuzuordnen sind▪ schwere Weichteilverletzungen und Amputa-
tionen▪ schwere Brandverletzungen▪ Wirbelsäulenverletzung mit Querschnittläh-
mungen▪ schwere Schädel-Hirn-Traumata▪ komplexe Frakturen mit Gefäß-Nerven-Verlet-
zungen oder Indikation zum primären Gelenk-ersatz
▪ komplexe Handverletzungen▪ schwere Fußverletzungen▪ Fälle mit Erfordernis spezieller septischer Chi-
rurgie▪ Notwendigkeit aufwendiger Rekonstruktionen
und Folgeoperationen▪ Erfordernis eines komplexen Rehamanage-
ments
CHECKLISTE
Behandlungsoptionen der Rehabilitation imSchwerstverletzungsartenverfahren▪ Sofort- und (Früh)Rehabilitation▪ Komplexe Stationäre Rehabilitation (KSR)▪ Berufsgenossenschaftliche Stationäre Weiter-
behandlung (BGSW)▪ Erweiterte Ambulante Physiotherapie (EAP)▪ Arbeitsplatzspezifische Muskuloskelettale Re-
habilitation (ABMR)▪ Komplexbehandlung bei Rückenmarkverletzten
mit Querschnittlähmungen▪ Komplexbehandlung bei Schwerbrandverletz-
ten▪ Prothesenversorgung▪ Handrehabilitation▪ Schmerzrehabilitation▪ psychotraumatologische Diagnostik und
Therapie
Auhuber TC et al. Neuausrichtung der Heilverfahren… Rehabilitation 2017; 56: 55–72 63
Die
ses
Dok
umen
t wur
de z
um p
ersö
nlic
hen
Geb
rauc
h he
runt
erge
lade
n. V
ervi
elfä
ltigu
ng n
ur m
it Z
ustim
mun
g de
s V
erla
ges.
zugelassen ist, greift die Rahmenvereinbarung derDeutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) mit derDGUV bzw. der Vertrag zwischen Ärzten und Unfallver-sicherungsträgern („Vertrag Ärzte/Unfallversiche-rungsträger“). Nach diesem Übereinkommen bestehteine Verlegungspflicht bei Arbeitsunfällen.
Grundsätzlich sind unfallverletzte Patienten an einKrankenhaus mit D-Arzt, bzw. bei Vorliegen einer Ver-letzung nach dem Verletzungsartenverzeichnis an einVAV-Haus, zu verlegen. Die Pflicht zur Verlegung in einam Schwerstverletzungsartenverfahren (SAV) beteilig-tes Krankenhaus bei entsprechender Verletzung giltseit dem 01.01.2014.
MerkeDie akute Notfallversorgung von Verletzungen mitvitaler Bedrohung hat zunächst Vorrang vor der Ver-legungspflicht.
Handchirurgisches Verfahren
Ergänzt wird das Verletzungsartenverfahren durch dassog. handchirurgische Verfahren. Von den Landesver-bänden beteiligte Handchirurgen sind bei schwerenVerletzungen der Hand (Ziffer 8 des Verletzungsarten-verzeichnisses) von der Vorstellung der Unfallverletz-ten im Verletzungsartenverfahren ausgenommen, so-weit es sich nicht um eine Verletzung des Schwerstver-letzungsartenverfahrens handelt. Das Schwerstverlet-zungsartenverfahren Hand (SAV Hand) mit speziellenAnforderungen zur Beteiligung geeigneter Klinikenund Abteilungen ist gesondert geregelt.
Psychotherapeutenverfahren
Das Psychotherapeutenverfahren dient der zügigenpsychologisch-therapeutischen Intervention nach Ar-beitsunfällen. Damit soll einer Entstehung und Chroni-fizierung von psychischen Gesundheitsschäden früh-zeitig entgegengewirkt werden. Nur ärztliche und psy-chologische Psychotherapeuten, die über speziellefachliche Befähigungen verfügen und zur Übernahmebestimmter Pflichten bereit sind, können am Psycho-
Akutbehandlung stationär
Akutbehandlung ambulant
BG-KlinikenBehandlung und Reha von Schwerbrand-, Rückenmarkverletzten, Schwer-Schädel-Hirn-Verletzten, schweren Hand- undFußverletzungen, schwere PolytraumenRevisions- und komplexe FolgechirurgieReha-Komplett-Angebot mit KSR, BGSW, EAP, ABMR, Schmerztherapie, klinischer Psychologie, Hilfsmittelversorgung,prothetischer Versorgung, Schuhversorgung, Reha-Sport, neurologischer Reha der Phasen A–F
Rehabilitation
Rehabilitation
Zeit
SAVSchwerstverletzungs-
artenverfahren
VAVVerletzungsarten-
verfahren
DAVStationäres Durchgangs-
arztverfahren
Durchgangs-arztverfahren
BGSWBerufsgenossen-
schaftliche StationäreWeiterbehandlung
BGSWBerufsgenossenschaftliche
Stationäre Weiterbehandlung
Physiotherapie
Erweiterte Ambulante PhysiotherapieEAP
Physiotherapie
Erweiterte Ambulante PhysiotherapieEAP
ABMRArbeitsplatzbezogene
MuskuloskelettaleRehabilitation
ABMRArbeitsplatzbezogene
MuskuloskelettaleRehabilitation
Nachsorge
Pflege
Nachsorge
Pflege
Nachsorge
Pflege
Nachsorge
Pflege
KSRKomplexe Stationäre
Rehabilitation
erewhcS
▶Abb. 4 Übersicht über die Heilverfahren der DGUV.
CME-Fortbildung
64 Auhuber TC et al. Neuausrichtung der Heilverfahren… Rehabilitation 2017; 56: 55–72
Die
ses
Dok
umen
t wur
de z
um p
ersö
nlic
hen
Geb
rauc
h he
runt
erge
lade
n. V
ervi
elfä
ltigu
ng n
ur m
it Z
ustim
mun
g de
s V
erla
ges.
therapeutenverfahren beteiligt werden. Diese Therapiewird vom Unfallversicherungsträger, D-Arzt oder H-Arzt eingeleitet.
Hautarztverfahren
Das Hautarztverfahren wird eingeleitet, wenn beikrankhaften Hautveränderungen die Möglichkeit be-steht, dass durch eine berufliche Tätigkeit eine Hauter-krankung entsteht, wiederauflebt oder sich verschlim-mert. Nicht unter das Hautarztverfahren fallen: Haut-krebs, infektiöse Hauterkrankungen und Erkrankungender Atemwege einschließlich der Rhinitis.
Das Hautarztverfahren wird durch Hautärzte, Arbeits-mediziner oder Ärzte mit der Zusatzbezeichnung „Be-triebsmedizin“ eingeleitet.
Pflichten zur Mitwirkung bei derHeilbehandlung – Berichterstattung
Für die berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren be-stehen für die Beteiligten am Verfahren umfangreichePflichten zur Mitwirkung (allgemeine und besondereRegelungen für die Heilbehandlung bei Arbeitsunfäl-len). Insbesondere die ausdifferenzierte Berichterstat-tung an die Unfallversicherungsträger mithilfe vonFormtexten (z. B. F1000 Durchgangsarztbericht) istvon großer Wichtigkeit. Die zeitnahe Übermittlung vie-ler Informationen erfolgt mit dem elektronischen Be-richts- und Abrechnungssystem DALE-UV (Datenaus-tausch mit Leistungserbringern in der Gesetzlichen Un-fallversicherung).
RehabilitationDie medizinische Rehabilitation beginnt bereits imRahmen der Akutbehandlung und wird in Abhängigkeitvom individuellen Rehabedarf des Unfallverletzten beigegebener Rehabilitationsfähigkeit und vorhandenemRehabilitationspotenzial bis zum Erreichen der jeweilsim Rehabilitationsplan festgelegten Rehabilitationszieleweitergeführt.
Zentrale Zielsetzung ist dabei die wiedererlangte, mög-lichst vollständige Teilhabe der Unfallverletzten amArbeitsleben (Rehabilitation vor Rente) und am Leben inder Gemeinschaft.
Im praktischen Rehamanagement spielt die Einschät-zung der Rehabilitationsfähigkeit von Unfallverletzteneine wesentliche Rolle, da hiervon beispielsweise derVerlegungszeitpunkt von der Akut- in die Rehaklinikabhängig gemacht wird. Anders als bei der DeutschenRentenversicherung, die u. a. fordert, dass der Rehabili-tand frühmobilisiert ist, sich auf Stationsebene selbst-ständig bewegen und die Aktivitäten des täglichen Le-bens selbst ausführen kann, hängt bei der DGUV derZeitpunkt der Verlegung des Unfallverletzten von derVerletzungsart, der stattgehabten operativen Behand-lung, von fallbezogenen internen und externen Kon-textfaktoren sowie vom avisierten Teilhabeziel ab. DieRehaeinrichtung muss hinsichtlich ihrer personellen,räumlichen sowie technisch-apparativen Ausstattungin der Lage sein, für den Rehabilitanden situationsge-recht eine optimale rehabilitative Behandlung leistenzu können.
Der Rehabilitationsprozess kann in verschiedene Pha-sen untergliedert werden, welche von den Rehabilitan-ÜBERBLICK
Weiterführende Hinweise im Internet▪ Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger –
http://www.dguv.de/medien/inhalt/rehabilitation/verguetung/documents/aerzte.pdf
▪ Arbeitshinweise der Unfallversicherungsträgerzur Bearbeitung von Arztrechnungen – http://www.dguv.de/medien/inhalt/rehabilitation/verguetung/documents/arb_hinweise.pdf
▪ Rahmenvereinbarung mit der Deutschen Kran-kenhausgesellschaft e. V. (DKG) über die Be-handlung von Versicherten der Träger der Ge-setzlichen Unfallversicherung – http://www.dguv.de/medien/landesverbaende/de/rundschreiben/lv8_suedwest/pdf_archiv_d13/lv8_d03_13.pdf
▪ Formtexte für Ärzte – http://www.dguv.de/formtexte/%C3%84rzte/index.jsp
ÜBERBLICK
Phasen der Rehabilitation▪ Akutbehandlung (Sofortrehabilitation in Akut-
klinik)▪ Frührehabilitation (in Akutklinik oder speziali-
sierterReha-/BGSW-Einrichtung oder BG Klinik)▪ postprimäre Rehabilitation (in spezialisierter
Reha-/BGSW-Einrichtung oder BG Klinik)▪ Anschlussrehabilitation (in BGSW-Klinik oder
EAP-Einrichtung oder in ambulanter Therapie-einrichtung oder BG Klinik)
▪ Rehabilitation zur Teilhabe (in ABMR-Einrich-tung oder Berufsförderungswerk oder bei ent-sprechendem Bildungsträger oder als Belas-tungserprobung am Arbeitsplatz)
▪ Verweilzustand/Nachsorge/Pflege (in D-Arzt-Praxis oder bei Erfordernis in entsprechenderPflegeeinrichtung)
Auhuber TC et al. Neuausrichtung der Heilverfahren… Rehabilitation 2017; 56: 55–72 65
Die
ses
Dok
umen
t wur
de z
um p
ersö
nlic
hen
Geb
rauc
h he
runt
erge
lade
n. V
ervi
elfä
ltigu
ng n
ur m
it Z
ustim
mun
g de
s V
erla
ges.
den je nach Verletzungsart und -schwere vollständigoder partiell durchlaufen werden (siehe Infobox „Über-blick“).
Für die jeweiligen Rehabilitationsphasen wurden imHeilverfahren der DGUV geeignete Rehabilitations-maßnahmen (BGSW, KSR, EAP, ABMR; s. u.) als komple-xe Prozesse entwickelt und durch Handlungsanleitun-gen und Anforderungskataloge der DGUV definiert.Für die Phasen der Frührehabilitation und der postpri-mären Rehabilitation existieren jedoch bislang keinespezifischen Rehabilitationsverfahren der DGUV. Des-halb sollten beispielsweise Unfallverletzte mit abge-schlossener Akutbehandlung im SAV/VAV-Haus, wel-che die BGSW-Fähigkeit noch nicht erreicht haben, beiggf. zusätzlich bestehenden ungünstigen Kontextfak-toren zur Absicherung eines lückenlosen Rehabilita-tionsprozesses im Rahmen des individuellen Rehabilita-tionsmanagements des jeweils zuständigen UV-Trägersin entsprechend qualifizierte und von der DGUV zuge-lassene Rehabilitationseinrichtungen überwiesen wer-den. Eine Weiterentwicklung des Heilverfahrens derDGUV, z. B. in Anlehnung an das Phasenmodell Neuro-logische Rehabilitation (VDR/BAR, 1995), wäre zur Ver-einfachung der täglichen Praxis im Umgang mit derar-tigen Fällen wünschenswert.
Die Aufgabe der berufsgenossenschaftlichen Heil-verfahrenssteuerung ist es, die geeigneten Bausteineaus diesem Leistungskorb zu geeigneten Zeitpunktenund in einem definierten funktionellen Zustand des Un-fallverletzten zu nutzen.
Bei Schwer- und Schwerstunfallverletzten erfolgt dieerste Phase der Rehabilitation nach erfolgreicher chi-rurgischer Versorgung in der Regel unter stationärenBedingungen in einer geeigneten und von der DGUVzugelassenen Klinik. Im BG-Heilverfahren kommen jenach Bedarf zudem verschiedene Anschlussrehabilita-tionsmethoden infrage. An die Akutversorgungschließt sich im Regelfall die Berufsgenossenschaftli-che Stationäre Weiterbehandlung (BGSW) an. Bei kom-plizierten Verläufen, Mehrfachverletzungen sowieschweren Brand- und Handverletzungen sowie bei me-dizinischen und psychosozialen Komplikationen imVerlauf des Heilverfahrens wird eine Komplexe Statio-
näre Rehabilitation (KSR) mit erweiterter Diagnostikund psychologischen Konsultationen eingeleitet.
Nach der Entlassung aus der stationären Rehabilitationoder, in leichten Fällen direkt nach der Akutphase, kanneine ambulante Rehabilitation, z. B. in Form einer Er-weiterten Ambulanten Physiotherapie (EAP) oder alsPhysio- bzw. Ergotherapieverordnung durchgeführtwerden. D-ärztliche Verordnungen ambulanter Physio-oder Ergotherapie sind solange indiziert, wie ein er-kennbarer und messbarer Funktions- und Funktionali-tätsgewinn bei den Rehabilitanden erreicht werdenkann oder eine kurzfristige Zustandsverschlechterungvermieden wird. Der langfristige Funktions- und Funk-tionalitätserhalt rechtfertigt in der Regel jedoch keineärztlich verordnete Dauertherapie. Hier kommt dieEigenverantwortlichkeit und Mitwirkungspflicht derRehabilitanden zum Tragen, indem sie dazu angehaltenwerden, selbstinitiiertes Eigentraining durchzuführenoder sich entsprechenden Rehabilitationssportgrup-pen anzuschließen.
Nachdem die körperliche Grundbelastbarkeit erreichtwurde, kann bei Versicherten mit zu erwartenden be-ruflichen Problemlagen (aus Verletzungsfolgen resul-tierenden kritischen Arbeitsplatzanforderungen) einarbeitsplatzbezogenes Rehabilitationsmodul, die Ar-beitsplatzbezogene Muskuloskelettale Rehabilitation(ABMR) zur Anwendung kommen.
Die Rehabilitation von Querschnittgelähmten, Schwer-brandverletzten und Patienten mit schweren Handver-letzungen erfolgt in speziellen Zentren, in welchen so-wohl die Akut- als auch die Rehabilitationsbehandlungvollständig sichergestellt wird.
Berufsgenossenschaftliche StationäreWeiterbehandlung (BGSW)
Die Berufsgenossenschaftliche Stationäre Weiterbe-handlung (BGSW) umfasst die nach Abschluss derAkutbehandlung in zeitlichem Zusammenhang stehen-den medizinisch indizierten stationären Leistungen zurmedizinischen Rehabilitation, insbesondere die intensi-ve Übungsbehandlung (ggf. unter Einschluss arbeitsbe-zogener Abklärung). Sie findet unter ärztlicher Leitungund stationären Bedingungen in solchen Kliniken statt,die hierfür von den Landesverbänden der DeutschenGesetzlichen Unfallversicherung beteiligt sind. Sie um-fasst den Zeitraum, in dem bei schweren Verletzungendes Stütz- und Bewegungsapparates und des zentralenund peripheren Nervensystems zur Optimierung desRehabilitationserfolges ambulante Leistungen zur me-dizinischen Rehabilitation nicht ausreichen oder nichtmöglich bzw. nicht durchführbar sind.
Während des BGSW-Verfahrens müssen die aktiventherapeutischen Einzelleistungen mindestens 3 Stun-
ÜBERBLICK
Rehabilitation Handlungsanleitungen▪ Handlungsanleitung BGSW, EAP, KSR – http://
www.dguv.de/medien/landesverbaende/de/med_reha/documents/hand.pdf
▪ Handlungsanleitung ABMR – http://www.dguv.de/medien/landesverbaende/de/med_reha/documents/abmr2.pdf
CME-Fortbildung
66 Auhuber TC et al. Neuausrichtung der Heilverfahren… Rehabilitation 2017; 56: 55–72
Die
ses
Dok
umen
t wur
de z
um p
ersö
nlic
hen
Geb
rauc
h he
runt
erge
lade
n. V
ervi
elfä
ltigu
ng n
ur m
it Z
ustim
mun
g de
s V
erla
ges.
den pro Tag betragen. Abweichungen nach unten sindauf Aufforderung zu begründen. Eine Gesamtnettothe-rapiezeit (einschließlich Gruppenbehandlung) von 4Stunden sollte nicht unterschritten werden.
Die BGSW-Einrichtung bietet in der Regel auch dieMöglichkeit der Prüfung arbeitsbezogener Maßnah-men. Eine BGSW-Einrichtung für Verletzungen des zen-tralen und peripheren Nervensystems sollte in jedemBereich, in dem alltags- und berufsrelevante Funktions-und Aktivitätsstörungen bestehen (Sensomotorik, Ko-ordination, Sprache/Sprechen, Kognition, Psyche), täg-liche Einzeltherapie durchführen bzw. erbringen.
Die BGSW-Klinik nimmt den Unfallversicherten nachRücksprache mit dem verordnenden D-Arzt auf undstellt die Behandlung entsprechend dem ärztlichen Be-handlungsplan und im durch die Handlungsanleitungvorgesehenen Umfang sicher. Nach der Beendigungder Maßnahme erstellt die Klinik einen Abschlussbe-richt an den zuständigen Unfallversicherungsträgerund überweist den Unfallverletzten an den behandeln-den D-Arzt zurück.
Für die Auswahl und Zulassung der geeigneten BGSW-Kliniken sind Organe der Deutschen Gesetzlichen Un-fallversicherung (DGUV) zuständig. Diese koordinierenauch die Qualitätssicherungsprogramme.
Komplexe Stationäre Rehabilitation (KSR)
Die KSR ist eine komplexe stationäre Rehabilitations-maßnahme, die bei erhöhtem diagnostischem Auf-wand, kombiniert mit hohem therapeutischem oderpflegerischen Behandlungsbedarf, zur Anwendungkommt. Diese Maßnahme wird entweder in der Früh-phase des Heilverfahrens, direkt nach der Akutversor-gung oder nach der Frührehabilitation bzw. beim Auf-treten besonderer Hindernisse in einem nicht optimalverlaufenden Heilverfahren eingeleitet.
So bildet die KSR einerseits ein Bindeglied zwischen derAkutbehandlung und der BGSW in besonders kompli-zierten Fällen und ist andererseits bei unvorhergesehe-nen Schwierigkeiten und Komplikationen im Zuge desHeilverfahrens indiziert, sofern keine Akutbehandlungerforderlich ist.
Die Durchführung der KSR ist aufgrund der besonderendiagnostischen und therapeutischen Erfordernisse so-wie wegen der erhöhten Anforderungen an das Reha-management und der Notwendigkeit einer besondersengen Kooperation mit den zuständigen UV-Trägernderzeit BG Kliniken vorbehalten. Die Beantragungs-und Genehmigungsmodalitäten entsprechen deneneiner BGSW.
Erweiterte Ambulante Physiotherapie (EAP)
Die EAP kann verordnet werden, wenn im Zuge desHeilverfahrens erkennbar wird, dass die isolierten phy-siotherapeutischen Maßnahmen wie Krankengymnas-tik, Massage, Elektro- oder Hydrotherapie nach Inhaltund/oder Intensität nicht ausreichend sind. Bei derEAP werden diese in der Standardtherapie vorwiegendisoliert zur Anwendung kommenden Behandlungs-maßnahmen um die Medizinische Trainingstherapieund ggf. die Ergotherapie, psychologische Betreuung,Diätberatung, Sozialberatung und Patientenschulungergänzt, zusammengeführt und, auf den Einzelfall ab-gestellt, in der jeweils in Betracht kommenden Kombi-nation angewandt.
Die kombinierten Behandlungsmaßnahmen sind ge-mäß Verordnung des Arztes und je nach Indikationenund/oder Leistungszustand des Versicherten in mög-lichst engen Zeitabständen grundsätzlich täglich, ggf.auch mehrfach und an Samstagen, durchzuführen. Siesollen 120 Minuten pro Tag nicht unterschreiten.
Die entsprechende Verordnung wird durch den D-Arzt,den H-Arzt oder durch den Handchirurgen ausgestellt.
Die Therapie soll unverzüglich, spätestens eine Wochenach Ausstellung der Verordnung beginnen. Die Ver-ordnung gilt für 14 Tage und kann, solange ein erkenn-barer und messbarer Funktionsgewinn zur völligenoder weitestgehenden Wiederherstellung zu verzeich-nen ist oder einer drohenden Verschlimmerung vorge-beugt werden kann, nach einer Kontrolluntersuchungum jeweils weitere 14 Tage verlängert werden.
Arbeitsplatzbezogene MuskuloskelettaleRehabilitation (ABMR)
Um ABMR handelt es sich, wenn während der medizini-schen Rehabilitation nicht nur Funktions- und Struk-turstörungen zu beseitigen oder zu kompensieren sind,sondern wenn vielmehr auch konkret benötigte ar-beitsrelevante Aktivitäten in die Therapie zu integrie-ren sind. Dies geschieht mithilfe einer spezifischen Ar-beitsorientierung, um eine ausreichende funktionelleBelastbarkeit für die möglichst unmittelbar anschlie-ßende Arbeitsfähigkeit im Sinne einer vollschichtigenRückkehr an den (bisherigen) Arbeitsplatz zu erreichen.
Wichtigste Voraussetzung zur Teilnahme an einerABMR ist die vorhandene medizinische Grundbelast-barkeit des Rehabilitanden für Tests und Therapie, d. h.die struktur-, funktions- und aktivitätsbezogene Re-habilitation sollte weitgehend abgeschlossen sein.Weiterhin muss zu Beginn einer ABMR-Maßnahmedie Prognose des Erreichens der Arbeitsfähigkeit in-nerhalb der nächsten 4 Wochen grundsätzlich gege-ben sein (eine Arbeits- und Belastungserprobungsfä-
Auhuber TC et al. Neuausrichtung der Heilverfahren… Rehabilitation 2017; 56: 55–72 67
Die
ses
Dok
umen
t wur
de z
um p
ersö
nlic
hen
Geb
rauc
h he
runt
erge
lade
n. V
ervi
elfä
ltigu
ng n
ur m
it Z
ustim
mun
g de
s V
erla
ges.
higkeit ist nicht ausreichend). Sobald eine medizini-sche Grundbelastbarkeit vorliegt, die eine arbeits-platzbezogene Therapie für mindestens 3 Stundenpro Tag zulässt, kann eine ABMR als stationäreoder ambulante Leistung beantragt werden.
Rehabilitationsmanagementfälle, bei denen bereits inder Rehaplanung eine mögliche ABMR absehbar ist,sollten für vorgeschaltete Rehabilitationsbehandlun-gen (EAP/BGSW) bereits in zur ABMR zugelassene Re-habilitationseinrichtungen gesteuert werden.
MerkeEine unabdingbare Voraussetzung zur Durchführungeiner ABMR ist die Bereitstellung aktueller Befundbe-richte und des beruflichen Anforderungs- bzw. Tätig-keitsprofils durch den Unfallversicherungsträger.
Die therapeutischen Maßnahmen sind gemäß Vorgabedes leitenden Arztes und je nach Indikationen und/oderLeistungszustand des Versicherten mindestens an 5 Ta-gen pro Woche durchzuführen. Der genehmigte ABMR-Zeitraum beträgt zunächst grundsätzlich 2 Wochen,kann aber bei Erfordernis auf 4 Wochen und in Ausnah-mefällen auf 6 Wochen verlängert werden.
Im Verlauf der Behandlung erfolgen ein Aufnahme- undein Abschlusstest zum Abgleich zwischen dem Arbeits-platzanforderungs- und dem jeweils aktuellen Fähig-keitsprofil des Patienten. Das Rehaergebnis ist ein-schließlich einer Einschätzung zur Arbeitsfähigkeit ineinem Abschlussbericht zu dokumentieren.
Die Grundvoraussetzung zur Beteiligung an der ABMRist▪ im ambulanten Bereich die EAP-Zulassung und▪ im stationären Bereich die BGSW-Zulassung.
Darüber hinaus stellen die UV-Träger an die ABMRdurchführenden Einrichtungen besondere Anforderun-
gen. Diese betreffen die Anzahl und Qualifikation derTherapeuten sowie die zusätzliche apparative undräumliche Ausstattung, insbesondere bezüglich dergeforderten FCE-Systeme.
Rehabilitationsmanagement
Das Rehamanagement orientiert sich an dem biopsy-chosozialen Modell der Internationalen Klassifikationder Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit(ICF; s. Infobox „Hintergrund“).
Ziel
Ziel des Rehamanagements ist es, bei schwierigen Fall-konstellationen durch Koordination und Vernetzung al-ler notwendigen Maßnahmen die Gesundheitsschäden,die Versicherte durch einen Arbeits- oder Wegeunfallerlitten haben, zu beseitigen oder zu bessern, eine Ver-schlimmerung zu verhüten oder deren Folgen zu mil-dern und eine zeitnahe und dauerhafte berufliche und
Gesundheitsproblem(Gesundheitsstörung oder Krankheit)
Körperfunktionenund -strukturen Aktivitäten Partizipation
(Teilhabe)
Umwelt-faktoren
personbezogeneFaktoren
▶Abb. 5 Strukturen der International Classification of Functioning, Dis-ability and Health (ICF) (Quelle: DIMDI 2005).
DEFINITION
RehabilitationsmanagementRehamanagement ist die umfassende Planung,Koordinierung und zielgerichtete, aktivierendeBegleitung der medizinischen Rehabilitation undaller Leistungen zur Teilhabe am Arbeitslebenund am Leben in der Gemeinschaft auf derGrundlage eines individuellen Rehaplans unterpartnerschaftlicher Einbindung aller am Verfah-ren Beteiligten.
HINTERGRUND
International Classification of Functioning,Disability and Health (ICF)Die internationale Klassifikation der Funktionsfä-higkeit, Behinderung und Gesundheit ist eine vonder WHO erstellte biopsychosoziale Klassifikationzur Beschreibung des funktionalen Gesundheits-zustandes, der Behinderung, der sozialen Beein-trächtigung sowie der relevanten Umweltfakto-ren von Menschen. So klassifiziert sie „Kompo-nenten von Gesundheit“: Körperfunktionen,Körperstrukturen, Aktivitäten und Partizipation(Teilhabe) sowie Kontextfaktoren (umwelt- undpersonenbezogen; ▶Abb. 5). Die ICF kann daheruniversell auf alle Menschen bezogen werden,nicht nur auf Menschen mit Behinderungen.Zusammen mit der ICD (International Classifica-tion of Disease) beschreibt die ICF ein umfassen-des Bild von der Gesundheit eines Menschen undist eine Entscheidungsgrundlage über individuel-le Rehabilitationsmaßnahmen oder über ge-sundheitspolitische Maßnahmen.
CME-Fortbildung
68 Auhuber TC et al. Neuausrichtung der Heilverfahren… Rehabilitation 2017; 56: 55–72
Die
ses
Dok
umen
t wur
de z
um p
ersö
nlic
hen
Geb
rauc
h he
runt
erge
lade
n. V
ervi
elfä
ltigu
ng n
ur m
it Z
ustim
mun
g de
s V
erla
ges.
soziale Wiedereingliederung sowie eine selbstbe-stimmte Lebensführung zu erreichen.
Indikation
Rehamanagement ist bei schwierigen Fallkonstellatio-nen besonders indiziert. Diese können oft aus der Artder Verletzung und der Tätigkeit abgeleitet werden.Diese Fälle lassen sich anhand der Arbeitsunfähigkeits-prognose als formales Eingangskriterium für das Reha-management identifizieren. Liegt die Arbeitsunfähig-keitsprognose zu einer Diagnose infolge eines Arbeits-unfalls bei 112 Tagen (16 Wochen) oder darüber, istdies ein Indikator dafür, dass die berufliche und sozialeIntegration gefährdet sein kann. Unabhängig von derPrognose der Dauer der Arbeitsunfähigkeit kann sichin jeder Phase der Rehabilitation oder bei einer Wieder-erkrankung das Erfordernis für ein Rehamanagementergeben. Hinweise hierfür geben auch weitere Krite-rien. Diese können▪ medizinischer Natur sein, wie das Vorliegen eines
SAV-Falls oder gravierende Komplikationen im Heil-verfahren,
▪ psychologisch geprägt sein, wie Schwierigkeiten inder Traumaverarbeitung, oder auch
▪ durch soziale Probleme bzw. die Gefährdung desArbeitsplatzes charakterisiert sein.
Durchführung
Entscheidend ist, dass im Bedarfsfall Unfallverletzte abdem frühestmöglichen Zeitpunkt im Rehamanagementbetreut werden. Das Rehamanagement wird in engerKooperation mit den behandelnden Ärzten und Thera-peuten durch die besonders geschulten Rehamanagerder UV-Träger realisiert.
Ein besonderes Instrument des Rehamanagements istein Rehaplan. Der Rehaplan ist eine gemeinsame, dy-namische, jederzeit den geänderten Verhältnissen an-zupassende Vereinbarung über den Ablauf der Rehabi-litation einschließlich aller durchzuführenden Maßnah-men bis zum Erreichen des angestrebten Ziels. Er wirdin einem Teamgespräch zwischen dem Versicherten,dem Arzt und dem Rehamanager sowie bei Bedarf wei-teren Beteiligten aufgestellt. Soweit besondere Um-stände des Einzelfalles dem nicht entgegenstehen, istder Rehaplan innerhalb eines Monats nach dem Unfallzu erstellen.
Die Fortschreibung oder Modifizierung des Rehaplanserfolgt im Dialog zwischen dem behandelnden D-Arztoder dem Arzt, der die Heilverfahrenskontrolle durch-führt, und dem Rehamanager des zuständigen UV-Trä-gers. Daher streben die UV-Träger an, die Heilverfah-renskontrolle in besonders qualifizierten Zentren, inder Regel BG Kliniken, zu konzentrieren und spezielleRehaplan-Sprechstunden (Regelbesuchsdienst durch
einen Rehamanager des zuständigen Unfallversiche-rungsträgers) einzurichten.
BegutachtungIdealerweise soll durch das Heilverfahren der Zustand,in dem sich der Versicherte vor dem Unfall befand, wie-derhergestellt werden. Dies beinhaltet insbesondereseine Fähigkeit, die versicherte und zuletzt ausgeübteTätigkeit im vollen Umfang wieder aufzunehmen. Ge-lingt dies nicht, ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit(MdE) festzustellen und durch den zuständigen UV-Trä-ger zu entschädigen. Zu diesem Zweck werden Ren-tengutachten angefertigt:▪ zur erstmaligen MdE-Feststellung zwecks vorläufi-
ger Entschädigung (sog. Erstes Rentengutachten),▪ zur dauerhaften MdE-Feststellung zwecks Festset-
zung der Rente auf unbestimmte Zeit (sog. ZweitesRentengutachten).
Die Festsetzung der Rente auf unbestimmte Zeit sollspätestens 3 Jahre nach dem Versicherungsfall erfol-gen. Die Versicherungsrente wird gewährt, wenn dieMdE mindestens 20% beträgt.
Eine andere Gruppe von Gutachten hat die Aufgabe, dieZuständigkeit der GUV für das Unfallereignis und seineFolgen festzustellen. Es soll dabei die Frage beantwor-tet werden, ob die beklagten Symptome und die fest-gestellten Gesundheitsstörungen mit dem Unfallereig-nis als wesentliche Ursache und mit gewisser Wahr-scheinlichkeit kausal zusammenhängt (Zusammen-hangsgutachten).
Die Begutachtung erfolgt in einem besonderen Verfah-ren durch entsprechend qualifizierte Ärzte. Der beauf-
ÜBERBLICK
Das Rehamanagement der Deutschen Gesetz-lichen UnfallversicherungHandlungsleitfaden – http://www.dguv.de/medien/inhalt/rehabilitation/documents/handlungsleitfaden.pdf
ÜBERBLICK
Datenbanken der Deutschen GesetzlichenUnfallversicherungDurchgangsarzt, Gutachter für Berufskrankhei-ten, Gutachter für Arbeitsunfälle, BGSW-Klinik,EAP-Einrichtung, Psychotherapeuten – http://www.dguv.de/landesverbaende/de/datenbanken/index.jsp
Auhuber TC et al. Neuausrichtung der Heilverfahren… Rehabilitation 2017; 56: 55–72 69
Die
ses
Dok
umen
t wur
de z
um p
ersö
nlic
hen
Geb
rauc
h he
runt
erge
lade
n. V
ervi
elfä
ltigu
ng n
ur m
it Z
ustim
mun
g de
s V
erla
ges.
tragte Arzt wird als medizinischer Sachverständiger tä-tig. Die Führung des Verfahrens obliegt allein den UV-Trägern als Organe der Verwaltung und den Gerichten.
ZusammenfassungDie Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV)hat zum 01.01.2014 die stationären Heilverfahren neugeordnet. Eine Übersicht über die Strukturen zeigt
▶Abb. 4. Das zentrale Element der Neuausrichtung istdie Umgestaltung des Verletzungsartenkatalogs undder stationären Verletzungsartenverfahren in 3 Versor-gungsstufen. Die Neuausrichtung beinhaltet darüberhinaus die Konzentration auf Krankenhäuser mit höch-ster Leistungsfähigkeit und bester Qualifikation sowiedie Fokussierung auf schwere und schwerste Verletzun-gen.
Diese Neuausrichtung orientiert sich auch am Weiß-buch der DGU, insbesondere am TraumanetzwerkDGU. Umgesetzt werden die Neuregelungen durch dieLandesverbände der DGUV.
Die Hierarchie der Versorgung richtet sich nach festge-legten Zulassungskriterien und nach der Verletzungs-schwere. Diese Strukturierung bezieht auch die beson-dere Kompetenz im Bereich der Rehabilitation mit einund wird zur Stärkung des multidisziplinären Rehama-nagements und der arbeitsplatzbezogenen Moduledes Heilverfahrens führen. Insgesamt werden die UV-Träger an ihre Netzwerkpartner erhöhte Anforderun-gen stellen.
Interessenkonflikt
Die Autoren bestätigen, dass kein Interessenkonfliktvorliegt.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. med. Thomas C. AuhuberBG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin gGmbHWarener Str. 712683 BerlinE-Mail: [email protected]://www.ukb.de
Quellenangabe
[1] DIMDI, Hrsg. ICF – Internationale Klassifikation der Funk-tionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit. Genf: WHO;2005: 23
[2] Auhuber T. Neuausrichtung der stationären Heilverfahrender DGUV 3.0.Deutsche Gesetzliche Unfallversicherunge. V. (DGUV). 20 Jahre Hochschule der Gesetzlichen Unfall-versicherung. Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis.Baden-Baden: Nomos; 2014: 19–33
[3] Bonnaire F. Voraussetzungen der D-Arzt-Anerkennung inden neuen Heilverfahren. Trauma Berufskrankh 2012; 14:(Suppl): 243–246
[4] Bühren V. Heilverfahren der DGUV. Trauma Berufskrankh2010; 12 (Suppl): 153–156
[5] Bühren V. Zukünftige Entwicklung der Heilverfahren.Trauma Berufskrankh 2011; 13 (Suppl): 48–49
[6] Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie. WeißbuchSchwerverletztenversorgung. Orthop Unfallchir Mitteilun-gen und Nachrichten; 2. Aufl. 2012; 6, Supplement.
[7] Kohler H. Rehabilitationsverfahren der gesetzlichen Unfall-versicherung (DGUV). Trauma Berufskrankh 2013; 15(Suppl): 144–148
[8] Kranig A. Zukünftiges stationäres Heilverfahren. TraumaBerufskrankh 2012; 14 (Suppl): 263–267
[9] Oberscheven M. Neuausrichtung der Heilverfahren. TraumaBerufskrankh 2011; 13 (Suppl): 45–47
[10] Oberscheven M. Neuausrichtung der stationären Heilver-fahren. Trauma Berufskrankh 2012; 14 (Suppl): 61–63
[11] Oberscheven M. Neuausrichtung der stationären Heilver-fahren. Trauma Berufskrankh 2013; 15 (Suppl): 25–28
[12] Oberscheven M, Kranig A. Neuausrichtung der stationärenHeilverfahren. Trauma Berufskrankh 2014; 16 (Suppl): 5–8
[13] Rybak C, Lenz O, Ehlers APF. Das BerufsgenossenschaftlicheHeilverfahren. Orthop Unfallchir up2date 2008; 3: 345–366
[14] Schweigkofler U, Reimertz C, Lefering R et al. Bedeutungder Luftrettung für die Schwerverletztenversorgung. Un-fallchirurg 2014; DOI: 12.1007/s00113-014-2566-7
[15] Simmel S, Bühren V. Rehabilitation in der Deutschen Ge-setzlichen Unfallversicherung. Leitfaden durch die neuenambulanten und stationären Strukturen. Unfallchirurg2015; DOI: 10.1007/s00113-014-2615-2
[16] Vestring J. Neueste Entwicklungen in der gesetzlichen Un-fallversicherung. Trauma Berufskrankh 2014; 16 (Suppl):183–186
[17] Weiler FM. Heilverfahren in der Gesetzlichen Unfallversi-cherung. Trauma Berufskrankh 2010; 12 (Suppl): 142–145
Bibliografie
DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0043-100124Rehabilitation 2017; 56: 55–72Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New YorkISSN 0034-3536
CME-Fortbildung
70 Auhuber TC et al. Neuausrichtung der Heilverfahren… Rehabilitation 2017; 56: 55–72
Die
ses
Dok
umen
t wur
de z
um p
ersö
nlic
hen
Geb
rauc
h he
runt
erge
lade
n. V
ervi
elfä
ltigu
ng n
ur m
it Z
ustim
mun
g de
s V
erla
ges.
Punkte sammeln auf CME.thieme.de
Diese Fortbildungseinheit ist 12 Monate online für die Teilnahme verfügbar.Sollten Sie Fragen zur Online-Teilnahme haben, finden Sie unter cme.thieme.de/hilfeeine ausführliche Anleitung. Wir wünschen viel Erfolg beim Beantwortender Fragen!
Unter eref.thieme.de/ZZX8JTP oder über den QR-Code kommen Sie direktzum Artikel zur Eingabe der Antworten.
VNR 2760512017152373447
Frage 1
Welche der folgenden Aussagen ist nicht richtig?A Als Unfall gilt ein zeitlich begrenztes, von außen auf den
Körper einwirkendes Ereignis.B Berufskrankheiten werden als solche von der Bundesregie-
rung durch Rechtsverordnung bezeichnet.C Die Kosten für die Gesetzliche Unfallversicherung werden
von den Arbeitgebern und den Versicherten zu gleichenTeilen getragen.
D Bei der Feststellung der Leistungspflicht in der Gesetzli-chen Unfallversicherung gilt der Grundsatz der sog. dop-pelten Kausalität.
E Das Verletzungsartenverzeichnis regelt die Behandlung Ar-beitsunfallverletzter nach Art und Schwere der Verletzung.
Frage 2
Welche der folgenden Versicherungen ist nicht Bestandteil der5 Säulen der Sozialversicherung?A KrankenversicherungB PflegeversicherungC HaftpflichtversicherungD UnfallversicherungE Arbeitslosenversicherung
Frage 3
Welche der folgenden Personenkreise gehört nicht zu den ver-sicherten Personen in der Gesetzlichen Unfallversicherung?A Arbeitslose, wenn sie auf Aufforderung der Arbeitsagentur
die Agentur oder eine andere Stelle aufsuchenB Personen, die als abhängig Beschäftigte in der Landwirt-
schaft arbeitenC Personen in der Rehabilitation (z. B. während eines Kran-
kenhausaufenthalts)D Mitarbeiter in Hilfsorganisationen, aber nur, wenn sie das
65. Lebensjahr noch nicht vollendet habenE häusliche Pflegepersonen
Frage 4
Welche der folgenden Organisationen sind Träger der Gesetzli-chen Unfallversicherung?A die Landesverbände der Deutschen Gesetzlichen Unfall-
versicherungB die gewerblichen Berufsgenossenschaften und die Unfall-
kassenC die ArbeitgeberD die gesetzlichen und privaten KrankenkassenE der Klinikverbund der Gesetzlichen Unfallversicherung
Frage 5
Welche der folgenden Aussagen ist richtig? Wodurch sind Heil-verfahren der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung(DGUV) gekennzeichnet?A Heilverfahren der DGUV enden immer durch Wiedererlan-
gung der Arbeitsfähigkeit.B Ein Heilverfahren der DGUV soll mit allen geeigneten Mit-
teln die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versi-cherten wiederherstellen.
C Heilverfahren der DGUV werden nach Maßgabe der AO-Klassifikation durchgeführt.
D Ein Heilverfahren der DGUV ist durch die monistische Fi-nanzierung nicht an die Gebote der Wirtschaftlichkeit ge-bunden.
E Ein Heilverfahren der DGUV wird nur mit notwendigen undwirtschaftlich gebotenen Mitteln durchgeführt.
Auhuber TC et al. Neuausrichtung der Heilverfahren… Rehabilitation 2017; 56: 55–72 71
Die
ses
Dok
umen
t wur
de z
um p
ersö
nlic
hen
Geb
rauc
h he
runt
erge
lade
n. V
ervi
elfä
ltigu
ng n
ur m
it Z
ustim
mun
g de
s V
erla
ges.
CME-Fragen bei CME.thieme.de
Fortsetzung ...
Frage 6
Welche der folgenden Aussagen ist richtig?A Der niedergelassene D-Arzt hat eine Lotsenfunktion im
Heilverfahren. Er kann bereits spezielle operative Verfah-ren persönlich durchführen.
B Das D-Arzt-Verfahren schließt eine Qualitätssicherung inForm einer Überprüfung alle 2 Jahre ein.
C Mit dem Ende des am 31.12.2015 ausgelaufenen H-Arzt-Verfahrens haben alle H-Ärzte automatisch die D-Arzt-Zu-lassung erhalten.
D Grundsätzlich dürfen an der vertragsärztlichen Versor-gung teilnehmende Ärzte Unfallverletzte nur behandeln,wenn der Patient von einem D-Arzt erstbehandelt wurde.
E Die Besondere Heilbehandlung ist die fachärztliche Be-handlung einer Unfallverletzung, die wegen Art oderSchwere besondere unfallmedizinische Qualifikation ver-langt.
Frage 7
Welches der folgenden Verfahren ist nicht in der Neuregelungdes Heilverfahrens der DGUV enthalten?A das stationäre Durchgangsarztverfahren (DAV)B das Verletzungsartenverfahren (VAV)C das ambulante Durchgangsarztverfahren (DAV)D das Schwerstverletzungsartenverfahren (SAV)E das Schwerverbranntenartenverfahren (SVV)
Frage 8
Welche der folgenden Aussagen ist nicht richtig?A Die Neuregelung des Heilverfahrens sieht Verlegungs-
pflichten für bestimmte Verletzungsarten vorB Die Versorgung vitaler Bedrohungen hat Vorrang vor der
Verlegung eines Patienten im Verletzungsartenverfahren.C Der niedergelassene D-Arzt muss für die Zulassung min-
destens 3 Jahre an einer VAV‑Klinik gearbeitet haben.D Das neue Verletzungsartenverzeichnis beinhaltet auch
gängige unfallchirurgische Klassifikationen.E SAV-Kliniken müssen eine hohe Rehakompetenz vorweisen.
Frage 9
Welche der folgenden Leistungen gehört nicht zu den Aufgabender Gesetzlichen Unfallversicherung?A Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Ge-
sundheitsgefahren verhütenB Leistungen zur Teilhabe am ArbeitslebenC Renten (wenn die Erwerbsfähigkeit nicht vollständig wie-
derhergestellt werden kann und eine MdE von mindestens30% vorliegt)
D Leistungen zur Teilhabe am Leben in der GemeinschaftE umfassende Heilbehandlung
Frage 10
Welche der folgenden Verletzungen ist nicht dem Schwerstver-letzungsartenverfahren (SAV) zuzuordnen?A jede Form von Schädel-Hirn-TraumataB schwere Weichteilverletzungen und AmputationenC komplexe HandverletzungenD Wirbelsäulenverletzung mit QuerschnittlähmungenE schwere Brandverletzungen
CME-Fortbildung
72 Auhuber TC et al. Neuausrichtung der Heilverfahren… Rehabilitation 2017; 56: 55–72
Die
ses
Dok
umen
t wur
de z
um p
ersö
nlic
hen
Geb
rauc
h he
runt
erge
lade
n. V
ervi
elfä
ltigu
ng n
ur m
it Z
ustim
mun
g de
s V
erla
ges.