Neubau Albulatunnel: Den Fels erst vereisen und dann sprengen · Tönt gut, oder? Praktisch für...

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N icht nur Touristen mögen sie. Auch für viele Schweizer ist die Strecke zwischen Thusis und St. Moritz, die sogenannte Albulalinie, die schönste Bahnstrecke des Landes. Auf einer Länge von 62 Kilometern überwinden die roten Züge der Rhätischen Bahn (RhB) insgesamt 144 Brücken, 42 Galerien und Tunnels und mehr als 1100 Höhenmeter. Kein Wunder also gehört dieses Paradestück aus der Zeit der Bahnpioniere zum Unesco-Weltkulturerbe. Denn Bilder vom Landwasserviadukt, dem wohl berühmtesten Bauwerk der Albulalinie, kennt man nicht nur hier- zulande. Doch auch wenn das Landwasserviadukt das berühmteste Bauwerk der Albulalinie ist, das wichtigste ist es nicht. «Ohne den Albulatunnel Neubau Albulatunnel Den Fels erst vereisen und dann sprengen 345 Millionen Franken Kosten, 244 000 Kubikmeter Ausbruchmaterial, 5860 Meter Länge und eine Bauzeit von 6,5 Jahren: Die Baustelle des neuen Albulatunnels gehört zu den spektakulärsten der Schweiz. Denn um Teile des Tunnels überhaupt ausbrechen zu können, muss zuerst der Fels vereist werden. Von Stefan Breitenmoser Nr. 36, Freitag, 9. September 2016 14 baublatt

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N icht nur Touristen mögen sie. Auch für viele Schweizer ist die Strecke zwischen Thusis und St. Moritz, die sogenannte Albulalinie,

die schönste Bahnstrecke des Landes. Auf einer Länge von 62 Kilometern überwinden die roten

Züge der Rhätischen Bahn (RhB) insgesamt 144 Brücken, 42 Galerien und Tunnels und mehr als 1100 Höhenmeter. Kein Wunder also gehört dieses Paradestück aus der Zeit der Bahnpioniere zum Unesco-Weltkulturerbe. Denn Bilder vom

Landwasserviadukt, dem wohl berühmtesten Bauwerk der Albulalinie, kennt man nicht nur hier-zulande. Doch auch wenn das Landwasserviadukt das berühmteste Bauwerk der Albulalinie ist, das wichtigste ist es nicht. «Ohne den Albulatunnel

Neubau Albulatunnel

Den Fels erst vereisen und dann sprengen345 Millionen Franken Kosten, 244 000 Kubikmeter Ausbruchmaterial, 5860 Meter Länge und eine Bauzeit von 6,5 Jahren: Die Baustelle des neuen Albulatunnels gehört zu den spektakulärsten der Schweiz. Denn um Teile des Tunnels überhaupt ausbrechen zu können, muss zuerst der Fels vereist werden. Von Stefan Breitenmoser

Nr. 36, Freitag, 9. September 201614 baublatt

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gibt es keine Erschliessung des Engadins», er-klärt Gilbert Zimmermann, Oberbauleiter im Pro-jektteam «Neubau Albulatunnel» bei der RhB. Man könnte den Albulatunnel, den zweithöchsten Al-pendurchstich einer Vollbahn, also gut und gerne als Lebensschlagader der RhB betiteln, rollen doch jährlich über 15 000 Züge und über eine Million Menschen durch den knapp sechs Kilo-meter langen Tunnel zwischen Preda und Spinas.

Man kann sich also vorstellen, wie die Köpfe zu rauchen begannen, als 2006 im Rahmen der Hauptinspektion festgestellt wurde, dass rund 60 Prozent des jetzigen Tunnels sanierungsbe-dürftig ist. Eine Konzeptstudie wurde in Auftrag gegeben und in der Folge die beiden Varianten «Instandsetzung» und «Neubau» eingehend ge-prüft. 2010 entschied sich die RhB für die Vari-ante Neubau. Die ausschlaggebenden Argumente waren der relativ geringe Kostenunterschied im Vergleich zur Instandsetzung sowie kaum fahr-planrelevante Einschränkungen während der Bau-phase und das wesentlich höhere Sicherheits- niveau einer neuen Röhre. Ende 2012 wurde das Planungsgenehmigungsdossier beim Bundesamt für Verkehr eingereicht. Im Mai 2014 erhielt man die Baubewilligung und bereits einen Monat später feierte man Spatenstich.

Bienenhaus Bahnhof PredaSeither ist in Preda und Spinas viel passiert. Ins-besondere der sonst beschauliche Bahnhof Preda auf über 1800 M. ü. M. gleicht zurzeit einem Bienennest. Diverse, sich überkreuzende Förder-bänder bringen das Ausbruchmaterial direkt in die nahe gelegene und eigens dafür geschaffene Deponie im Gebiet Las Piazzettas, die Raum bie-tet für 250 000 Kubikmeter Material (siehe Bild links). Über 100 Wohn-, Büro-, Sanitär- und Ma-terialcontainer beheimaten rund 80 Arbeiter. Bei der Infoarena informieren sich interessierte Be-sucher über das Grossprojekt. Im eigenen Kies-werk wird der brauchbare Albulagranit zu Beton aufgearbeitet. Und natürlich ist da noch der Bau-stellenbahnhof, für den nicht nur neue Gleise und Weichen verlegt, sondern auch das ehemalige Wächterhaus verschoben werden musste. «Wir haben alles mit der Bahn nach oben gebracht», Beim Bahnhof Preda überkreuzen sich Gleise und die Förderbänder für das Ausbruchmaterial.

In der Kaverne bei Tunnelmeter 1300, dem Herz der Albula-Baustelle laufen die Vereisungsarbeiten auf Hochtouren.

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sagt Oberbauleiter Zimmermann stolz. Insgesamt drei Logistikzüge stehen einzig für den Neubau des Tunnels im Einsatz. «Ein Zug liefert Stückgut auf die Baustelle. Ein Zug ist nur für Kies- und Betonkomponenten. Und ein Zug bringt das Aus-bruchmaterial von Spinas nach Preda», erläutert Zimmermann. Wann allerdings die Logistikzüge durch den Tunnel fahren, will minutiös geplant sein. Denn die «normalen» Streckenzüge dürfen dadurch natürlich nicht aufgehalten werden.

Von den 345 Millionen Franken Projektkosten entfallen rund 55 Millionen Franken auf die bei-den Bahnhöfe Preda und Spinas. Denn die Rück-sichtnahme auf das Unesco-Weltkulturerbe ver-langt nicht nur einen nachhaltigen Umgang mit dem Ausbruchmaterial, sondern schreibt auch das Erscheinungsbild der Bahnhöfe vor. Deshalb wurden in Preda das Wärterhaus und das Schalt-

haus verschoben und in Spinas das WC-Häus-chen schützend eingehaust. Ausserdem sind noch eine Reihe weiterer Modernisierungen wie bei-spielsweise beidseitig neue Entwässerungsan- lagen, eine neue Personenunterführungen in Preda, der Ersatz der Bervinbrücke in Spinas so-wie auf beiden Tunnelseiten neue Dienstgebäude Teil des Projekts.

Schwimmendes GebirgeDas emsige Arbeiten auf den beiden Bahnhöfen gibt indes nur einen Vorgeschmack, denn wirk-lich zur Sache geht es im Inneren des Berges. Von den 100 Arbeitern auf der Albulabaustelle sind rund ein Drittel Mineure, welche zurzeit von beiden Seiten mittels Sprengen den Tunnel in den Berg treiben. In den Lockergesteinsstrecken tun sie dies im Schutze eines Rohrschirmes mit

einer Etappenlänge von zehn Metern, im ansons-ten dominierenden Albulagranit im konventio- nellen Sprengvortrieb. Ende August befand man sich bei Tunnelmeter 530 auf Seite Preda, wäh-rend man auf Seite Spinas bei Tunnelmeter 200 und somit noch im Lockergestein stand.

Die grosse Herausforderung folgt allerdings erst bei Tunnelmeter 1300 und heisst Raibler Rauwacke, besser bekannt als «schwimmendes Gebirge». Diese Stelle kostete beim Bau des ersten Albulatunnels, der in 30 Metern Abstand parallel zum neuen verläuft, 16 Arbeitern das Leben, als plötzlich Wasser einbrach, den Tunnel überflutete und der damaligen Bauunternehmung das Genick brach (siehe «Eine ingenieurtechni-sche Meisterleistung», Seite 20). «Wir haben von damals gelernt», versichert Zimmermann. Trotz-dem muss auch für den neuen Tunnel dieser rund 110 Meter lange Bereich Raibler Rauwacke durchquert werden (siehe Grafik Seite 18). Dabei handelt es sich um eine entfestigte Zone aus schlammgefüllten Hohlräumen, Feinsand mit strö-mendem Wasser und einem Wasserdruck von bis zu 5 bar. Also mussten sich die Experten etwas einfallen lassen. Erste Vorversuche hatten näm-lich gezeigt, dass eine Durchörterung dieser Zone ohne Zusatzmassnahmen unmöglich ist. Man fand ausserdem heraus, dass sich die sensibelste Zone der Rauwacke, welche kaum 20 Meter gross ist, kaum injizieren und somit verfestigen lässt.

Sechs Kilometer GefrierbohrungenAls einzige Variante, welche den Arbeitern bei der Durchörterung des schwimmenden Gebirges Der neue Albulatunnel verläuft in einem Abstand von 30 Metern parallel zum bestehenden.

Direkt vom Zug aus wird das Ausbruchmaterial auf die Förderbänder gekippt, welche es auf die nahe gelegene Deponie befödern.

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Schutz bietet, kam deshalb die Vereisung in Frage. «Das letzte Mal, das in der Schweiz eine Baugrundvereisung im grösseren Stil zum Zug kam, war bei der Limmatunterquerung 1986. Je-doch hat man in der Schweiz noch nie einen Fels eingefroren», so Zimmermann. Im Albulatunnel wird nun aber der Fels mittels Baugrundvereisung derart gesichert und abgedichtet, dass später der Tunnelvortrieb problemlos durch diese Zone getrieben werden kann.

Dazu wurde vorläufig bei Tunnelmeter 1300 über einen Querschlag vom alten Tunnel her eine Ka-verne ausgebrochen, von welcher aus die Bohr-arbeiten für die Injektions- und Vereisungsarbei-ten ausgeführt werden. Insgesamt wurden rund 50 Injektions-, 50 Vereisungs- und 12 Drainage- und Messbohrungen ausgeführt. Die zuerst durchgeführten Injektionsarbeiten stoppen dabei die vorhandenen hohen Wasserströmungen der-art, dass anschliessend der Aufbau eines rund 2,5 Meter dicken Vereisungsrings rund um den Tunnelquerschnitt möglich ist (siehe Bild rechts).

Die Vereisung stellt dabei hohe Anforderungen an die Bohrtechnik. Denn die Bohrlöcher dürfen auf einer Länge von 60 Metern nur eine maxi-male Bohrlochabweichung von 30 Zentimeter ha-

Um den Berg zu vereisen, waren 120 Bohrungen von 60 Metern Tiefe vonnöten. In diesen Bohrlöchern (links im Bild) liegen nun die Gefrierlanzen, welche von der Kaverne aus betrieben werden.

Der grösstenteils vorherrschende Albulagranit ist nicht das Problem, sondern die gelb gefärbte Zone Raibler-Rauwacke.

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Wir haben sechs Kilometer Gefrierbohrungen durchgeführt, um den Fels zu vereisen.

Gilbert Zimmermann, Oberbauleiter

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ben. «Wir haben insgesamt sechs Kilometer Ge-frierbohrungen durchgeführt», sagt Zimmermann. In diesen Löchern liegen nun die Gefrierlanzen, welche über Generatoren von der Kaverne aus betrieben werden. Damit man sich später näm-lich problemlos durch den Berg sprengen kann, sollte das Eis eine Temperatur von bis zu minus 15 Grad Celsius haben. Deshalb haben die Ge-frierlanzen eine Temperatur von bis zu minus 37 Grad Celsius. «Bis Ende September sollte der Berg fertig vereist sein, so dass wir mit dem Vor-trieb von der Kaverne aus beginnen können», so der Oberbauleiter. Die Generatoren bleiben da-nach aber in Betrieb und werden erst abgestellt

(und somit der Fels aufgetaut), sobald die Stör-zone überwunden ist und die Tunnelwände sta-bilisiert und mit Spritzbeton verkleidet sind. «Alleine die Vereisungsmassnahmen kosten rund neun Millionen Franken», so Zimmermann.

Die Kaverne, von welcher aus die Vereisung erfolgt, ist das Herz der Baustelle. Um zu ihr zu gelangen, ist genaues Timing vonnöten, denn rund alle 20 Minuten rollen Züge durch den jetzigen Tunnel. Für den Ausbruch der Kaverne musste vorläufig ein 15 Tonnen schwerer Pneulader mit dem Zug in den Tunnel geschafft werden. Man kann sich vorstellen, wie schwierig alleine dieser Spezialtransport war, denn die Abmessungen des

Pneuladers ragten weit über das ordentliche Tunnelprofil hinaus. Deshalb wurde der Transport zuerst auf einem Computer simuliert. Die am Com-puter berechneten Minimalabstände von zum Teil wenigen Zentimetern trafen dann exakt zu. Seither steht der Pneulader in der Kaverne.

Wenn der See die Farbe wechseltEbenfalls vorläufig zur Vereisung wurden diverse Versuche angestellt, um zu untersuchen, wie sich das Wasser genau durch den Fels bewegt. Des-halb färbten Experten 2009 die Oberflächenge-wässer mit ungiftigen Färbstoffen in minimalen Mengen und überprüften in der Folge rund sechs Wochen lang täglich alle Gewässer, denn ins- besondere der idyllische Palpuognasee sollte durch die Bauarbeiten nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. «Der Palpuognasee ist einer der schönsten Orte der Schweiz, auf den wir be-sondere Rücksicht nehmen. Sowieso geniessen die Umweltauflagen einen hohen Stellenwert. So wurde beispielsweise auch extra ein Schlangen-fänger engagiert, um in Spinas Kreuzottern um-zusiedeln», so Zimmermann.

Die hohen Umweltauflagen waren auch einer der Gründe, wieso man sich für einen Spreng- vortrieb und nicht für eine Tunnelbohrmaschine (TBM) entschieden hat. Denn beim Sprengen fällt rund 20 Prozent weniger Ausbruchsmaterial an als beim Vortrieb mit TBM. Hinzu kommt, dass beim Sprengen der Ausbruchsquerschnitt ent-sprechend den zu durchörternden Gesteinen flexibel und kurzfristig angepasst werden kann. Der Tunnelvortrieb in Preda lag Ende August bereits bei 530 Metern.

Das Timing, um in den Tunnel zu gelangen, will genau geplant sein, denn rund alle 20 Minuten rollen Züge durch den jetzigen Albulatunnel.

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Eine ingenieurtechnische MeisterleistungDer historische Albulatunnel besticht durch ein-drückliche Zahlen: In nur fünf Jahren Bauzeit wurde von 1898 bis 1903 die 5864 Meter lange Röhre durch den Berg getrieben. 1316 Mann arbeiteten am und im Tunnel, unzählige erlitten dabei Verletzungen, 21 verloren gar ihr Leben (16 alleine beim Durchörtern der Rauwacke-Zone). Seinerzeit war der Albulatunnel mit durchschnittlich 1800 m ü. M. der höchste Al-pendurchstich einer Vollbahn. Am 1. Juli 1903 wurde schliesslich die Eröffnung des 7,3 Milli-onen Franken teuren Projektes gefeiert. Die Ab-weichung von wenigen Zentimetern beweist die erstklassige Arbeit der damaligen Ingenieure. Knackpunkt der Bauarbeiten war auch damals die Durchörterung der 100 Meter mächtigen Rauwacke-Gesteinsformation. In der Denkschrift «Albulabahn» von 1908 steht dazu geschrieben: «Anfangs zwar hatte der Zellendolomit den Cha-rakter eines leichten Tuffsteines, der sich ohne Maschinenarbeit leicht gewinnen liess, als der Stollen aber am 29. Juli bei Tunnelmeter 1192 anlangte, brach plötzlich eine gewaltige Wasser- menge in den Tunnel ein, welche so grosse Mas-sen feinsten Dolomitsandes mit sich brachte,

dass das Geleise und die ganze Stollensohle auf 500 Metern Länge damit bedeckt wurde.» Der Tunnelvortrieb kam in der Folge durch die Ein-stellung der Maschinenbohrungen praktisch zum Stillstand und führte schliesslich zur Auf-

gabe der beauftragten Bauunternehmung. Die Überwindung der Störzone unter Leitung der RhB dauerte rund ein Jahr. Am 29. Mai 1902 erfolgte nämlich bereits der Durchschlag der beiden Richtstollen. (bre/eing)

Am ersten Albulatunnel arbeiteten noch 1300 Arbeiter, heute sind es noch 100..

«Eine Tunnelbohrmaschine wäre auch zu teuer geworden, da die Geologie schwierig und das Tunnelprofil ungewöhnlich ist. Es hätte deshalb zuerst eine spezielle Tunnelbohrmaschine für den Albulatunnel gebaut werden müssen», erklärt Zimmermann.

Im SprengvortriebSo wird der knapp sechs Kilometer lange Tunnel nun im Sprengvortrieb erstellt. Insgesamt fallen dabei 244 000 Kubikmeter Ausbruchmaterial an. In den Portalbereichen, den Lockergesteins-strecken und den weiteren geologisch ungüns- tigen Zonen kommt eine zweischalige Bauweise mit Abdichtung und Innenschale, gegebenenfalls auch mit einem Sohlengewölbe, zum Zug. Im Albulagranit hingegen reicht eine einschalige Spritzbeton-Bauweise. Der neue Tunnel wird eine freie Tunnelquerschnittsfläche von 26,88 Quad-ratmeter haben, wofür aber ein maximaler Aus-bruchsquerschnitt von 58,39 Quadratmetern von-nöten ist. Durch zwölf Querverbindungen, welche in der jetzigen Röhre bereits angesprengt sind und fortlaufend mit dem Tunnelvortrieb ganz ausgebrochen werden, gelangt man vom neuen in den alten Tunnel. Der jetzige Tunnel wird nach der Inbetriebnahme des neuen 2021 zum Sicher-heitstunnel umgebaut.

Alter Tunnel zu schmal«Die Sicherheit war der entscheidende Faktor, welcher für einen Neubau sprach. Nur ein Neu-bau kann nämlich die gesetzlichen Sicherheits-anforderungen erfüllen, denn der alte Tunnel war auf einen Dampfbetrieb ausgelegt und ist viel zu schmal», sagt Zimmermann. Die neue Röhre erfüllt mit einer Breite von 5,76 Metern

und einer Höhe von 5,44 Metern die geltenden Sicherheitsanforderungen. Und ausserdem kann so die jetzige Röhre zum Sicherheitstunnel, der unter Druck steht und somit im Brandfall das Einströmen von Rauch verhindert, umgebaut werden. Denn das Sicherheitskonzept im Albula-tunnel basiert auf dem Prinzip der Selbstrettung. Bis Ende 2017 soll der Durchschlag geschafft

Der neue Alublatunnel erfüllt die geltenden Sicherheitsanforderungen, was im alten nicht der Fall war.

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haben uns die Aufzeichnungen über den Bau des ersten Tunnels genau angeschaut», sagt Zimmermann: «Allerdings ist das Profil heute grösser, weshalb wir mit anderen Gewölbesiche-rungen arbeiten.» Da viel Wasser anfällt muss der Tunnel nicht nur an den Seiten entwässert werden, sondern auch der Grund fortlaufend betoniert werden, weil er sonst zu feucht ist. «Wir sind gut im Zeitplan, da wir geologisch keine grossen Abweichungen hatten. Die umfassende Vorbereitung hat sich also ausbezahlt», so Zim-mermann. Ende Juni waren bereits knapp 100 Millionen Franken verbaut und über 500 Aufträge bearbeitet.«Mir bereitet insbesondere die interdisziplinäre Zusammenarbeit grosse Freude. Denn es geht beim Albulatunnel nicht nur um Tunnelbau, sondern auch um Bahnbetrieb, Öffentlichkeits- arbeit und vieles mehr», meint der Oberbauleiter. «Am meisten Freude habe ich aber am alpinen Klima.» Bis 2022 wird Gilbert Zimmermann mindestens einmal wöchentlich auf der Bau- stelle vorbeischauen. Auf dem Weg dorthin kann auch er die wunderschöne Albulastrecke ge- niessen. Denn diese versetzt bekanntlich nicht nur Touristen ins Staunen. ■

sein. Danach folgen 2018 der Abschluss des Tunnelrohrbaus, 2019 der Einbau von Fahrbahn und Fahrleitung, 2020 der Einbau der Bahntech-nik und 2021 die Inbetriebnahme und Eröffnung. Zwischen 2021 und 2022 werden noch Renatu-rierungen und Rückbauten vorgenommen und natürlich muss auch der jetzige Tunnel noch zum Sicherheitstunnel umgebaut werden. Von den 345

Infoarena und BaustellenführungWegen des grossen Interesses hat die Rhäti-sche Bahn (RhB) beim Bahnhof Preda eine In-foarena zum Albulatunnel installiert. Dort ver-mittelt eine 165 Meter lange rote Baustellen-wand (siehe Bild) Wissenswertes zu Geologie, Tunnelbautechnik, Logistik und Weltkulturerbe. Dazu gibt es einen Infopavillon, in welchem man sich vertieft und audiovisuell informieren kann. Ein Besuch lohnt sich auch für Kinder, denn Sprengmeister Kobali erklärt spielerisch an fünf Sprengstationen, wie das mit dem Sprengen genau geht. An allen Schweizer Bahnhöfen sind übrigens ermässigte Rail-Away-Ticket «Bahnerlebnis Albula» erhältlich, welches auch zum Besuch des Bahnmuseums Albula in Bergün berechtigt. Neben dem freien, individuellen Besuch der Infoarena ermöglichen die Baustellenführun-gen einen noch etwas spezielleren Blick in die Arbeiten am Tunnel. Öffentliche Führungen fin-

den zwischen März und September jeweils mittwochs um 10.45 Uhr und sonntags um 13.45 Uhr statt. Möglich sind aber auch Füh-rungen für Gruppen, welche rund 90 Minuten dauern. Eine Anmeldung per Mail oder Telefon ist erforderlich. Weitere Informationen finden sich unter www.rhb.ch/albulatunnel (bre)

Die Infoarena beim Bahnhof Preda

Millionen Franken Projektkosten haben bis Ende 2015 der Bund 85 und der Kanton Graubünden 15 Prozent übernommen. Seit Anfang 2016 trägt der Bund die Kosten nun alleine.

Über 500 Aufträge laufenWaren es beim Bau des ersten Albulatunnels 1300 Arbeiter, sind es heute noch 100. «Wir

LINKTIPPAuf baublatt.ch/albulatunnel findet sich ein Film über den Tunnelbau.

Da wegen des grossen Tunnelprofils viel Wasser anfällt, muss der Grund fortlaufend betoniert werden, da er sonst zu feucht ist.

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