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Quelle/Publication: Ausgabe/Issue: Seite/Page: Farbe & Lack 10/2003 34 Neue Amine braucht das Land Photolatente Basen öffnen Wege in der Strahlenhärtung, die bisher verschlossen waren. Tunja Jung, Kurt Dietliker und Johannes Benkhoff, Basel/Schweiz. Bisher sind nur wenige photolatente Verbindungen bekannt, die in Abwesenheit von Licht nicht aktiv und stabil sind, bei der Bestrahlung aber effizient einen basischen Katalysator freisetzen können. Die hier vorgestellten photolatenten Basen eröffnen neue Möglichkeiten für die Strahlenhärtung: Nicht nur Lacke mit verbesserten Eigenschaften, sondern die Chance, die ökonomisch und ökologisch attraktivere Strahlenhärtung zur Vernetzung bereits bestehender, bisher konventionell thermisch trocknender Harze einzusetzen. Die photochemische Freisetzung von Aminen aus geschützten Vorläufern ist bekannt und wird als Schutzgruppentechnik in der synthetischen Chemie verwendet [1]. Primäre oder sekundäre Amine lassen sich so effizient aus nicht-basischen Vorstufen herstellen. Die photochemische Freisetzung von Aminen nach den gleichen Reaktionsprinzipien wurde kürzlich auch für technische Anwendungen erfolgreich eingesetzt. Typische photolatente Amine, die für diese Zwecke untersucht wurden, sind ortho-Nitrobenzyloxycarbonylamine [2, 3], Benzoincarbamate [2, 4], α,α -Dimethylbenzoyloxycarbonylamine [5], Formanilid-Derivate [6] oder O-Acyloxime [7] (Tab. 1). Die daraus freigesetzten Amine werden meist in Photoresistmaterialien verwendet [8]. Über einige wenige Anwendungen auf dem Lackgebiet, wie z. B. den Gebrauch von photochemisch freigesetzten Aminen als Vernetzer für Epoxidharze [9] oder Isocyanate [10], wurde auch berichtet. In diesen Lack-Anwendungen kann das photochemisch erzeugte Amin eine, im Falle von primären Aminen eventuell zwei neue Vernetzungen ausbilden. Eine stöchiometrische Menge von Photonen, die der Anzahl von Vernetzungspunkten entspricht, ist daher für diese Vernetzungsprozesse notwendig (Abb. 1). Der für photoinduzierte Polymerisationen typische Verstärkungseffekt des photochemischen Schrittes durch eine nachfolgende thermische Kettenreaktion fällt daher weg. Nachteile bekannter photolatenter Basen Ein solcher Verstärkungsschritt ist jedoch eine Voraussetzung für einen energieeffizienten Prozess, der für industrielle Anwendungen auch vom ökonomischen Standpunkt aus attraktiv ist. Die aus den in Tab. 1 gezeigten Vorläufern entstehenden primären und sekundären Amine sind in den meisten Fällen nicht geeignet, um als Katalysatoren zu wirken. Einerseits ist ihre Basizität für einen effizienten Katalysator nicht genügend hoch, andererseits gehen sie leicht Additionsreaktionen an elektrophilen Gruppen ein und reagieren daher irreversibel. Eine bemerkenswerte Ausnahme zur stöchiometrischen Verwendung von photolatenten Aminen, die auch die Voraussetzung für einen Verstärkungsschritt erfüllt, ist ortho-Nitrobenzyloxycarbonylimidazol. Daraus kann photochemisch Imidazol freigesetzt werden, das die Polymerisation von Epoxiden katalysieren kann (Abb. 2) [3]. Ebenso soll aus einem entsprechenden Benzyloxycarbonyl-Derivat das als Katalysator brauchbare Guanidin freigesetzt werden [11]. Als Katalysatoren besser geeignet sind tertiäre Amine oder starke Aminbasen wie z. B. gewisse Amidine. Die photochemische Erzeugung von derartigen Basen ist daher im Hinblick auf eine Verwendung in einem industriellen Härtungsprozess attraktiv. Die photochemische Freisetzung von tertiären Aminen ist jedoch deutlich schwieriger zu realisieren. Die wenigen in der Literatur beschriebenen Verbindungen umfassen Ammoniumsalze von Phenylglyoxylsäure [12, 13], Benzhydryl-Ammoniumsalze [14], N-(Benzophenon-4-methyl)-ammoniumsalze mit Borat-Gegenionen [15] oder quaternäre Ammoniumdithiocarbamatsalze [16]. Die beschränkte Löslichkeit von Salzen in vielen Formulierungen, eine geringe Lagerstabilität und nicht zuletzt die schwierige synthetische Zugänglichkeit dieser Verbindungen beschränken jedoch den technischen Nutzen dieser Verbindungen. Für den industriellen Durchbruch der basenkatalysierten Photovernetzung besteht daher ein Bedarf nach neuartigen photolatenten Basen, die diese Nachteile nicht aufweisen. Neue photolatente tertiäre Amine und Amidine Eine Auswahl von Aminen, die sich als Katalysatoren eignen, ist in Tab. 2 gezeigt. Die Basizität von tertiären Aminen und ihre mittlere nukleophile Stärke erlauben ihre Verwendung in Formulierungen, in denen die Reaktionspartner zum einen relativ sauer sind, und zum anderen nicht sehr leicht durch ein Nukleophil angegriffen werden. Dies ist beispielsweise für Formulierungen der Fall, bei deren Härtung eine Carboxylatgruppe an ein Epoxid addiert. Amidinbasen sind dagegen deutlich stärker basisch und können daher zur Härtung einer Vielzahl von Harzen eingesetzt werden. α-Aminoketone, wie z. B. 2-Methyl-1-(4-methylthiophenyl)-2-morpholinopropan-1-on, sind bekannte radikalische Photoinitiatoren, welche in pigmentierten Lacken und Resistanwendungen eingesetzt werden. Der photoinduzierte Spaltprozess erzeugt ein Benzoyl- und ein α-Aminoalkyl-Radikal, die beide effiziente Initiatoren für die radikalische Polymerisation sind. Wenn das photochemisch erzeugte α-Aminoalkyl-Radikal nicht an eine Doppelbindung addiert, kann es durch Abstraktion eines Wasserstoffatoms in ein anderes tertiäres Amin überführt werden. Die so erhaltenen Amine sind effiziente Katalysatoren für die ringöffnende Addition von Carbonsäuregruppen an Epoxide. Interessanterweise weist bereits die Struktur des Photoinitiators eine tertiäre Aminogruppe auf, die jedoch nur eine geringe katalytische Wirkung auf den Vernetzungsprozess hat. Der wichtigste Unterschied zwischen den Strukturen der Amine vor und nach der photoinduzierten Spaltung ist die sterische Abschirmung des Aminstickstoffes. Berechnungen legen für den Photoinitiator eine gefaltete Struktur nahe, in der das Stickstoffatom durch den aromatischen Ring stark abgeschirmt ist. Diese Konformation erschwert die Annäherung der Carboxylatgruppe an das basische Zentrum und reduziert damit die katalytische Aktivität des Amines beträchtlich. Ein Beispiel eines nützlichen basenkatalysierten Vernetzungsmechanismus ist die Michaeladdition, welche effizient durch Amidinbasen katalysiert wird, während tertiäre Amine nur wenig effizient sind [17, 18]. Solche Lacke konnten bisher nur als Zweikomponentensysteme realisiert werden, da bei Zugabe des nicht blockierten Katalysators die Vernetzungsreaktion schon bei Raumtemperatur unmittelbar einsetzt. Sterische Abschirmung verringern Nach der photoinduzierten Abspaltung des substituierten Benzoylteils ist dagegen für das dabei entstehende tertiäre Amin eine gestreckte Konformation wahrscheinlich. Die Vincentz Network +++ Schiffgraben 43 +++ D-30175 Hannover +++ Tel.:+49(511)9910-000

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Neue Amine braucht das LandPhotolatente Basen öffnen Wege in der Strahlenhärtung, diebisher verschlossen waren.Tunja Jung, Kurt Dietliker und Johannes Benkhoff,Basel/Schweiz.Bisher sind nur wenige photolatente Verbindungen bekannt,die in Abwesenheit von Licht nicht aktiv und stabil sind, beider Bestrahlung aber effizient einen basischen Katalysatorfreisetzen können. Die hier vorgestellten photolatentenBasen eröffnen neue Möglichkeiten für die Strahlenhärtung:Nicht nur Lacke mit verbesserten Eigenschaften, sonderndie Chance, die ökonomisch und ökologisch attraktivereStrahlenhärtung zur Vernetzung bereits bestehender, bisherkonventionell thermisch trocknender Harze einzusetzen.Die photochemische Freisetzung von Aminen ausgeschützten Vorläufern ist bekannt und wird alsSchutzgruppentechnik in der synthetischen Chemieverwendet [1]. Primäre oder sekundäre Amine lassen sichso effizient aus nicht-basischen Vorstufen herstellen. Diephotochemische Freisetzung von Aminen nach den gleichenReaktionsprinzipien wurde kürzlich auch für technischeAnwendungen erfolgreich eingesetzt. Typische photolatenteAmine, die für diese Zwecke untersucht wurden, sindortho-Nitrobenzyloxycarbonylamine [2, 3],Benzoincarbamate [2, 4], α,α-Dimethylbenzoyloxycarbonylamine [5], Formanilid-Derivate[6] oder O-Acyloxime [7] (Tab. 1).Die daraus freigesetzten Amine werden meist inPhotoresistmaterialien verwendet [8]. Über einige wenigeAnwendungen auf dem Lackgebiet, wie z. B. den Gebrauchvon photochemisch freigesetzten Aminen als Vernetzer fürEpoxidharze [9] oder Isocyanate [10], wurde auch berichtet.In diesen Lack-Anwendungen kann das photochemischerzeugte Amin eine, im Falle von primären Aminen eventuellzwei neue Vernetzungen ausbilden. Eine stöchiometrischeMenge von Photonen, die der Anzahl vonVernetzungspunkten entspricht, ist daher für dieseVernetzungsprozesse notwendig (Abb. 1). Der fürphotoinduzierte Polymerisationen typischeVerstärkungseffekt des photochemischen Schrittes durcheine nachfolgende thermische Kettenreaktion fällt daherweg.

Nachteile bekannter photolatenter BasenEin solcher Verstärkungsschritt ist jedoch eineVoraussetzung für einen energieeffizienten Prozess, der fürindustrielle Anwendungen auch vom ökonomischenStandpunkt aus attraktiv ist. Die aus den in Tab. 1 gezeigtenVorläufern entstehenden primären und sekundären Aminesind in den meisten Fällen nicht geeignet, um alsKatalysatoren zu wirken. Einerseits ist ihre Basizität füreinen effizienten Katalysator nicht genügend hoch,andererseits gehen sie leicht Additionsreaktionen anelektrophilen Gruppen ein und reagieren daher irreversibel.Eine bemerkenswerte Ausnahme zur stöchiometrischenVerwendung von photolatenten Aminen, die auch dieVoraussetzung für einen Verstärkungsschritt erfüllt, istortho-Nitrobenzyloxycarbonylimidazol. Daraus kannphotochemisch Imidazol freigesetzt werden, das diePolymerisation von Epoxiden katalysieren kann (Abb. 2) [3].Ebenso soll aus einem entsprechendenBenzyloxycarbonyl-Derivat das als Katalysator brauchbareGuanidin freigesetzt werden [11].Als Katalysatoren besser geeignet sind tertiäre Amine oderstarke Aminbasen wie z. B. gewisse Amidine. Diephotochemische Erzeugung von derartigen Basen ist daherim Hinblick auf eine Verwendung in einem industriellen

Härtungsprozess attraktiv. Die photochemische Freisetzungvon tertiären Aminen ist jedoch deutlich schwieriger zurealisieren. Die wenigen in der Literatur beschriebenenVerbindungen umfassen Ammoniumsalze vonPhenylglyoxylsäure [12, 13], Benzhydryl-Ammoniumsalze[14], N-(Benzophenon-4-methyl)-ammoniumsalze mitBorat-Gegenionen [15] oder quaternäreAmmoniumdithiocarbamatsalze [16]. Die beschränkteLöslichkeit von Salzen in vielen Formulierungen, einegeringe Lagerstabilität und nicht zuletzt die schwierigesynthetische Zugänglichkeit dieser Verbindungenbeschränken jedoch den technischen Nutzen dieserVerbindungen. Für den industriellen Durchbruch derbasenkatalysierten Photovernetzung besteht daher einBedarf nach neuartigen photolatenten Basen, die dieseNachteile nicht aufweisen.

Neue photolatente tertiäre Amine und AmidineEine Auswahl von Aminen, die sich als Katalysatoreneignen, ist in Tab. 2 gezeigt. Die Basizität von tertiärenAminen und ihre mittlere nukleophile Stärke erlauben ihreVerwendung in Formulierungen, in denen dieReaktionspartner zum einen relativ sauer sind, und zumanderen nicht sehr leicht durch ein Nukleophil angegriffenwerden. Dies ist beispielsweise für Formulierungen der Fall,bei deren Härtung eine Carboxylatgruppe an ein Epoxidaddiert. Amidinbasen sind dagegen deutlich stärker basischund können daher zur Härtung einer Vielzahl von Harzeneingesetzt werden. α-Aminoketone, wie z. B.2-Methyl-1-(4-methylthiophenyl)-2-morpholinopropan-1-on,sind bekannte radikalische Photoinitiatoren, welche inpigmentierten Lacken und Resistanwendungen eingesetztwerden. Der photoinduzierte Spaltprozess erzeugt einBenzoyl- und ein α-Aminoalkyl-Radikal, die beide effizienteInitiatoren für die radikalische Polymerisation sind. Wenndas photochemisch erzeugte α-Aminoalkyl-Radikal nicht aneine Doppelbindung addiert, kann es durch Abstraktioneines Wasserstoffatoms in ein anderes tertiäres Aminüberführt werden. Die so erhaltenen Amine sind effizienteKatalysatoren für die ringöffnende Addition vonCarbonsäuregruppen an Epoxide. Interessanterweise weistbereits die Struktur des Photoinitiators eine tertiäreAminogruppe auf, die jedoch nur eine geringe katalytischeWirkung auf den Vernetzungsprozess hat. Der wichtigsteUnterschied zwischen den Strukturen der Amine vor undnach der photoinduzierten Spaltung ist die sterischeAbschirmung des Aminstickstoffes. Berechnungen legen fürden Photoinitiator eine gefaltete Struktur nahe, in der dasStickstoffatom durch den aromatischen Ring starkabgeschirmt ist. Diese Konformation erschwert dieAnnäherung der Carboxylatgruppe an das basischeZentrum und reduziert damit die katalytische Aktivität desAmines beträchtlich.Ein Beispiel eines nützlichen basenkatalysiertenVernetzungsmechanismus ist die Michaeladdition, welcheeffizient durch Amidinbasen katalysiert wird, währendtertiäre Amine nur wenig effizient sind [17, 18]. SolcheLacke konnten bisher nur als Zweikomponentensystemerealisiert werden, da bei Zugabe des nicht blockiertenKatalysators die Vernetzungsreaktion schon beiRaumtemperatur unmittelbar einsetzt.

Sterische Abschirmung verringernNach der photoinduzierten Abspaltung des substituiertenBenzoylteils ist dagegen für das dabei entstehende tertiäreAmin eine gestreckte Konformation wahrscheinlich. Die

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Reduktion der sterischen Abschirmung erhöht dieZugänglichkeit des Aminstickstoffes beträchtlich und führtdadurch zu einer starken Erhöhung der katalytischenWirksamkeit des Amines. Dies zeigt sich in einer deutlichreduzierten Härtungstemperatur, die für die Vernetzung derCarboxylat-Gruppen mit Epoxidfunktionen notwendig ist. DieVerringerung der sterischen Abschirmung um denAminstickstoff ist daher ein nützliches Prinzip zur Einführungeiner Latenz in Strukturen von tertiären Aminen (Abb. 3).Da diese Photoinitiatoren sowohl initiierende Radikale alsauch einen aktiven Amin-Katalysator erzeugen, sind siebesonders nützlich für den Einsatz in Hybrid-Harzen, welchesowohl radikalisch als auch basenkatalysiert vernetzendeFunktionen enthalten. Diese Initiatoren werden daher inResistmaterialien eingesetzt [19].Ein Weg zur effizienten Erzeugung von speziellen tertiärenAminen wie z. B. Diazabicyclo[2.2.2]oktan (DABCO) ist dieErzeugung aus α-Ammoniumacetophenonderivaten mitgeeigneten Borat-Anionen [20]. Das große Borat-Anionbewirkt eine genügende Löslichkeit des Salzes in denmeisten Formulierungstypen. Es wird angenommen, dasseine photoinduzierte β-Spaltung eintritt, wobei das soentstehende Stickstoffradikalkation durch das Borat-Anionzum entsprechenden Amin reduziert wird. Borat-Anionensind dafür bekannt, dass sie sehr leicht eine Oxidation übereinen Elektronen-Transfer-Mechanismus zumentsprechenden Boranylradikal eingehen. Das letztere istunstabil und geht sehr rasch eine Fragmentierungsreaktionein, die einen Elektronen-Rücktransfer praktisch unmöglichmacht und so die Effizienz der Erzeugung des freien Aminesverbessern.

Photolatente AmidineKürzlich wurde eine neue Klasse von photoaktivenVerbindungen hergestellt, die bei der BestrahlungAmidinbasen wie Diazabicyclo[4.3.0]non-5-en (DBN) oderDiazabicyclo[5.4.0]undec-7-en (DBU) freisetzen können. Imblockierten Zustand liegt die Stickstoffbase in ihrerreduzierten und am Stickstoff substituierten Form vor. Dadie konjugative Wechselwirkung zwischen den beidenStickstoffatomen fehlt, ist das Amin bedeutend wenigerbasisch und als Katalysator nicht effizient. Das bicyclischeAmin ist entweder durch einen Allyl- [21] oder Benzylrest[22] substituiert, die als photoaktive Gruppe wirken. Obwohlder Mechanismus der photochemischen Freisetzung desentsprechenden Amidins bisher nicht im Detail untersuchtwurde, wird angenommen, dass es bei der Bestrahlungzunächst zu einem Bruch der Stickstoff-Kohlenstoffbindungkommt. Abstraktion des Wasserstoffatomes in der α-Stellung zum stickstoffzentrierten Radikals ergibt danachdie Amidinbase (Abb. 4).Das Absorptionsspektrum dieser Verbindungen kann durchdie Einführung geeigneter Substituenten über einen weitenWellenlängenbereich den Anforderungen der jeweiligenEinsatzbedingungen angepasst werden. Ebenso lassen sichEigenschaften wie die Löslichkeit oder die physikalischeForm zwischen flüssig und reaktiv hochschmelzendeinstellen.Aus dieser neuen Klasse von photolatenten Amidinen wurde5-Benzyl-1,5-diazabicyclo[4.3.0]nonan als das für vieleAnwendungen am besten geeignete Derivat identifiziert. EinVorteil dieses photolatenten DBN (PL-DBN) ist, dass es sichdurch Verbindungen wie substituierteBenzophenon-Derivate oder Thioxanthone sensibilisierenlässt, so dass die Absorptionseigenschaften desPhotoinitiatorsystems auf einfache Art den Bedürfnissen derAnwendungen angepasst werden können. Wie imFolgenden gezeigt, wird damit sogar eine effizienteTageslichthärtung möglich, wenn z. B.

2-Isopropylthioxanthon (ITX) als Sensibilisator eingesetztwird.

PL-DBN in einem Polyol-Isocyanat-HarzIn der Lackindustrie werden Polyol/Isocyanat Systemevielfach eingesetzt. Ein solches System kann effektivkatalysiert werden, wobei zwei Katalysatorklassen in Fragekommen. Metallkatalysatoren beschleunigen bevorzugt dieUrethanbildung durch die Aktivierung der Isocyanatgruppen,häufige Verwendung findet Dibuylzinnlaurat (DBTL).Amin-Katalysatoren beschleunigen die Urethan-Reaktion inerster Linie über die Aktivierung der Hydroxylgruppen.Geeignete basische Beschleuniger sind tertiäre Amine wiez. B. 1,4-Diazabicyclo[2.2.2]oktan (DABCO), oder Amidinewie 1,5-Diazabicyclo[3.2.0]non-5-en (DBN) [23].Für die im Folgenden dargestellten Experimente wurde einPolyurethan-System ausgewählt, basierend auf einemPolyacrylat-Polyol, das mit einemHexamehtylendiisocyanat-Typ (HDI) vernetzt wird. DieFormulierung härtet innerhalb eines Tages beiRaumtemperatur oder innerhalb von 30 min bei 60 °C unterder Verwendung von 0.016 % DBTL als Katalysator.Für den Vergleich der Katalysatoren wurde DBTL gegenDBN, einem photolatenten DBN (PL-DBN, Abb. 5) undPL-DBN in Mischung mit ITX, ausgetauscht. Diephotolatenten Verbindungen wurden in einer höherenKonzentration eingesetzt. Dabei wurde ihr höheresMolekulargewicht gegenüber der nicht blockierten Speziesberücksichtigt sowie der Photoeffizienz von PL-DBNRechnung getragen. Dies liegt darin begründet, dasswährend der Belichtung nicht jedes einzelne Molekülgespalten wird und damit nur ein Teil der Moleküle alsaktives DBN zur Katalyse des Lacksystems zur Verfügungstehen.Die Reaktivität der unterschiedlichen Initiatoren wird miteinem Byk-Gardner Trockenzeit-Messgerät festgestellt. DieFormulierung wird mit Hilfe eines Spaltrakels auf 30 cmlange Glasplatten aufgetragen und auf dem Messgerätpositioniert. Nach dem Start der Messung fährt eine Nadelwährend 24 h mit konstanter Geschwindigkeit über dieBeschichtung. Anschließend können drei Härtungsphasenbestimmt werden. Phase 1 bildet das Abdunsten desLösungsmittels ab, Phase 2 stellt die erste Trocknung desSystems dar und Phase 3 spiegelt die Härtungszeit wider.Nach Beendigung von Phase 3 ist der Lackfilm klebfrei. DieReaktivitätsprüfung wird unter künstlichem Tageslichtdurchgeführt. Diese Lichtquelle wurde ausgewählt, umkonstante, natürliche Lichtbedingungen zu simulieren.

"Cure on demand" mit PL-DBNDie Resultate in Abb. 5 zeigen eine um nur eine Stundeverzögerte Härtungsdauer mit der photolatenten BasePL-DBN in Anwesenheit von ITX, verglichen mit derFormulierung, die das nichtblockierte DBN enthält. Unterdauernder Tageslicht-Bestrahlung zeigen alleFormulierungen, die photolatente Verbindungen enthalten,eine vergleichbare Reaktivität wie das Standardsystem, dasmit DBTL katalysiert wurde.Die herausragende Leistung des photolatenten Systemsbesteht jedoch in seiner Eigenschaft, ein "cure on demand"zu ermöglichen. Diese Eigenschaft wird besonders in derenorm verlängerten Verarbeitungszeit deutlich. Dies lässtsich an der Zunahme der Viskosität einer "ready-to-use"Formulierung erkennen, die beide Harzkomponenten undden Katalysator enthält. Das Viskositätsverhalten dergeprüften Formulierungen ist in Abb. 6 dargestellt. Die mitDBTL katalysierte Formulierung verliert ihre Applizierbarkeitbereits nach 60-90 Minuten, während die Formulierungenmit photolatentem Katalysator ein zusätzliches

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Verarbeitungsfenster zeigen, wenn sie im Dunkeln gelagertwerden. Dies ist in der industriellen Anwendung von2K-Systemen ein herausragender Vorteil, der das Handlingerleichtert.

Literatur[1] R. W. Blinkley, T. W. Fletchner, in W. M. Horspool (ed.)Synthetic Organic Photochemistry, Plenum Press (1984), S.407[2] J. F. Cameron, C. G. Willson, J. M. J. Fréchet, J. Am.Chem. Soc. 118, 12925 (1996)[3] T. Nishikubo, A. Kameyama, Polym. J. 29, 450 (1997)[4] J. F. Cameron, C. G. Willson, J. M. J. Fréchet, J. Chem.Soc., Perkin Trans. I (1997) 2429[5] J. F. Cameron, J. M. J. Fréchet, J. Org. Chem. (1990) 55,5919[6] T. Nishikubo, E. Takehara, A. Kameyama, Polym. J. 25,365 (1993)[7] K. Ito, M. Nishimura, M. Sashio, M. Tsunooka, J. Polym.Sci. Part A: Polym. Chem. 32, 2177 (1994)[8] K. Dietliker in G. Bradley (ed.) Photoinitiators for FreeRadical, Cationic & Anionic Photopolymerisation; Band III inder Reihe Chemistry and Technology of UV&EBFormulation for Coatings, Inks & Paints; John Wiley &Sons/SITA Technology Limited (1998), S. 518[9] C. Kutal, G. Willson, J. Electrochem. Soc. 134, 2280(1987)[10] T. Nishikubo, E. Takehara, A. Kameyama, J. Polym.Sci. A: Polym. Chem. 31, 3013 (1993)[11] W. A. D. Stanssens, J. F. G. A. Jansen, PCT Pat. Appl.WO 97/31033 (1996)[12] W. Mayer, H. Rudolph, E. de Cleur, Angew. Makromol.Chem. 93, 83 (1981)[13] A. Noomen, H. Klinkenberg, Eur. Pat. Appl. 448154 A1(1990)[14] J. E. Hanson, K. H. Jensen, N. Gargiulo, D. Motta, D. A.Pingor, A. E. Novembre, D. A. Mixon, J. M. Kometani, C.Knurek, Polym. Mater. Sci. Eng. 72, 201 (1995)[15] A. M. Sarker, A. Lungu, D. C. Neckers, Macromolecules29, 8047 (1996) 15[16] H. Tachi, T. Yamamoto, M. Shirai, M. Tsunooka, J.Polym. Sci. Part A: Polym. Chem. 39, 1329 (2001)[17] R. J. Clemens, F. Del Rector, J. Coat. Technol. 61, 83(1989)[19] H. Kura, H. Oka, J.-L. Birbaum, T. Kikuchi, J.Photopolym. Sci. Technol. 13, 145 (2000)[20] G. Baudin, S. C. Turner, A. F. Cunningham, PCT Pat.Appl. WO 0010964 (2000)[21] S. C. Turner, G. Baudin, PCT Pat. Appl. WO 9841524(1998)[22] G. Baudin, K. Dietliker, T. Jung, PCT Pat. Appl. WO0333500 (2003)[23] D. Stoye, W. Freitag, Lackharze, Hauser, München(1996), S. 186

Ergebnisse auf einen BlickDie Entwicklung photolatenter Basen stellt eine neueTechnologieplattform für die Strahlenhärtung dar. Dieseeröffnet den Zugang zu Härtungsmechanismen, die für dieStrahlenhärtung bisher verschlossen blieben. In Tab. 3 sindverschiedene Möglichkeiten von BasenkatalysiertenVernetzungsreaktionen aufgezeigt. Je nach Anforderungund Vernetzungsmechanismus können photolatente Basenmit geeigneter Reaktivität und Absorptionsverhalten erzeugtwerden.Die Zugabe von Sensibilisatoren erlaubt eine weitereErhöhung der Lichtempfindlichkeit.Photolatente Basen sind Schlüsselkomponenten für dieEntwicklung photohärtbarer Formulierungen mit

verbesserten Endeigenschaften und verleihen etabliertenHärtungsmechanismen neue Impulse.

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Abb. 1: Stöchiometrische Vernetzung durch photochemisch erzeugte primäre Amine.

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Abb. 2: Chemischer Verstärkungseffekt bei der durch ein photolatentes Imidazolinitiierten Epoxidpolymerisation .

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Abb. 3: Reduzierung der sterischen Abschirmung am Stickstoffatom als Latenz-Prinzipfür ein alpha-Aminoketon.

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Abb. 4: Latenz-Prinzip für DBN-Derivate.

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Abb. 5: Trockungszeit eines 2K-PUR-Lackes unter künstlichem Tageslicht.

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Abb. 6: Verarbeitungszeit der spritzapplizierbaren 2K-PUR-Formulierungen.

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