Neue Arbeitsmittel der Astronomie *) · Das Max-Planck-Institut für Astronomie ist sowohl vom...

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Im November 1995 startete der europäische Astro- nomiesatellit ISO an der Spitze einer Ariane-4-Ra- kete von Kourou (Französisch Guayana) aus in sei- ne Umlaufbahn. ISO steht für "Infrared Space Ob- servatory", ein unbemanntes Observatorium, mit dem außerhalb der Erdatmosphäre die infrarote Strahlung kosmischer Objekte registriert werden soll. Alle Körper, ob in unserer Umgebung oder im Welt- all, leuchten ihrer Temperatur entsprechend im für uns unsichtbaren Infrarot. Deshalb auch die Bezeich- nung Wärmestrahlung. Astronomisch interessant sind vor allem kalte Quellen, die den üblichen Me- thoden verborgen bleiben und nur anhand ihrer län- gerwelligen Infrarotstrahlung zu erfassen sind. Eine Infrarot-Sternwarte wie ISO öffnet also den Blick ins kalte Universum. Der Satellit ist ungewöhnlich aufwendig und kom- plex. Herzstück ist ein Spiegelteleskop von 60 cm Durchmesser (Abb. 1). Die von ihm aufgesammelte Strahlung wird von vier nachgeordneten, mit hoch- empfindlichen Infrarotdetektoren ausgestatteten Meßgeräten verarbeitet. Das Besondere ist nur, daß das Teleskop mit allem Drum und Dran in einer 4 m hohen Art Thermosflasche, genauer: einem hohlwan- digen Kühlschrank, steckt und nur durch eine enge Öffnung oben ins Weltall schauen kann. Das Innere des Satelliten wird so in extremer Kälte gehalten, während sein Äußeres immerhin ähnlich warm ist wie unsere Umgebung. Keinerlei vom Satelliten selbst stammende Störstrahlung kann dadurch das Teleskop blenden; dieses sieht außer dem kleinen Himmelsausschnitt nur kalte Innenwände. Außerdem müssen sich die Infrarotdetektoren auf tiefer Tem- peratur befinden, um ausreichend empfindlich zu sein. Als Kühlmittel sind in den Hohlwänden 2300 Liter flüssiges Helium mit einer Temperatur von 1,8 Grad über dem absoluten Nullpunkt untergebracht; das entspricht -271 Grad Celsius. Davon dampfen ständig winzige Mengen in den Weltraum ab, halten dadurch einerseits die Kühlflüssigkeit auf konstan- ter Temperatur, begrenzen aber andererseits die Missionsdauer. Nach den bisher gemessenen Ver- lustraten dürfte der Heliumvorrat in etwa 24 Mona- ten verbraucht und dann das Ende von ISO gekom- men sein. Es versteht sich wohl von selbst, daß hier modernste Technologie nicht nur eingesetzt, sondern auch neue entwickelt werden mußte. Mit der Reali- sierung ist 1981 begonnen worden. Am Bau des *) In Anlehnung an einen Rundfunkvortrag beim SDR im März 1996. Neue Arbeitsmittel der Astronomie *) © Schwäbische Sternwarte e.V. 31 Stuttgart, 1997 + 2004 Der Astronomie steht heute eine Reihe neuer Instru- mente zur Verfügung, die der aktuellen Erforschung des Universums ihren Stempel aufdrücken. Das sind einerseits Satelliten und Weltraumteleskope, die unbehindert von der irdischen Lufthülle kosmisches Röntgen-, Ultraviolett- und Infrarotlicht oberhalb der Atmosphäre erfassen, andererseits die erdgebun- denen optischen Teleskope der neuen Generation mit Öffnungen bis zu 10 Metern. Das Max-Planck-Institut für Astronomie ist sowohl vom Boden aus wie auch im Weltraum aktiv. Die Sternwarte auf dem Calar Alto in Andalusien, eine Außenstelle des Heidelberger Instituts, ist die größ- te Anlage dieser Art auf dem europäischen Festland. Das neueste extraterrestrische Engagement resul- tiert aus der Beteiligung an dem europäischen In- frarotsatelliten ISO. Abb. 1: Der Satellit ISO in schematischer Darstellung. Im Innern des weißen Heliumtanks das Teleskop, das durch die obere Öffnung (Pfeil) den Himmel anvisiert. Die vier Meßgeräte sitzen im unteren Teil hin- ter dem Teleskopsiegel. Gestreift der Sonnenschild mit den Solar - zellen für die Energieversorgung. Die beiden nebeneinander mon- tierten kleineren rohre sind Sternsensoren für die Ausrichtung des Satelliten.

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Page 1: Neue Arbeitsmittel der Astronomie *) · Das Max-Planck-Institut für Astronomie ist sowohl vom Boden aus wie auch im Weltraum aktiv. Die Sternwarte auf dem Calar Alto in Andalusien,

Im November 1995 startete der europäische Astro-nomiesatellit ISO an der Spitze einer Ariane-4-Ra-kete von Kourou (Französisch Guayana) aus in sei-ne Umlaufbahn. ISO steht für "Infrared Space Ob-servatory", ein unbemanntes Observatorium, mitdem außerhalb der Erdatmosphäre die infraroteStrahlung kosmischer Objekte registriert werden soll.Alle Körper, ob in unserer Umgebung oder im Welt-all, leuchten ihrer Temperatur entsprechend im füruns unsichtbaren Infrarot. Deshalb auch die Bezeich-nung Wärmestrahlung. Astronomisch interessantsind vor allem kalte Quellen, die den üblichen Me-thoden verborgen bleiben und nur anhand ihrer län-gerwelligen Infrarotstrahlung zu erfassen sind. EineInfrarot-Sternwarte wie ISO öffnet also den Blick inskalte Universum.

Der Satellit ist ungewöhnlich aufwendig und kom-plex. Herzstück ist ein Spiegelteleskop von 60 cmDurchmesser (Abb. 1). Die von ihm aufgesammelteStrahlung wird von vier nachgeordneten, mit hoch-empfindlichen Infrarotdetektoren ausgestattetenMeßgeräten verarbeitet. Das Besondere ist nur, daßdas Teleskop mit allem Drum und Dran in einer 4 mhohen Art Thermosflasche, genauer: einem hohlwan-digen Kühlschrank, steckt und nur durch eine engeÖffnung oben ins Weltall schauen kann. Das Inneredes Satelliten wird so in extremer Kälte gehalten,während sein Äußeres immerhin ähnlich warm istwie unsere Umgebung. Keinerlei vom Satellitenselbst stammende Störstrahlung kann dadurch dasTeleskop blenden; dieses sieht außer dem kleinenHimmelsausschnitt nur kalte Innenwände. Außerdemmüssen sich die Infrarotdetektoren auf tiefer Tem-peratur befinden, um ausreichend empfindlich zusein. Als Kühlmittel sind in den Hohlwänden 2300Liter flüssiges Helium mit einer Temperatur von 1,8Grad über dem absoluten Nullpunkt untergebracht;das entspricht -271 Grad Celsius. Davon dampfenständig winzige Mengen in den Weltraum ab, haltendadurch einerseits die Kühlflüssigkeit auf konstan-ter Temperatur, begrenzen aber andererseits dieMissionsdauer. Nach den bisher gemessenen Ver-lustraten dürfte der Heliumvorrat in etwa 24 Mona-ten verbraucht und dann das Ende von ISO gekom-men sein. Es versteht sich wohl von selbst, daß hiermodernste Technologie nicht nur eingesetzt, sondernauch neue entwickelt werden mußte. Mit der Reali-sierung ist 1981 begonnen worden. Am Bau des

*) In Anlehnung an einen Rundfunkvortrag beim SDR im März1996.

Neue Arbeitsmittel der Astronomie *)

© Schwäbische Sternwarte e.V. 31 Stuttgart, 1997 + 2004

Der Astronomie steht heute eine Reihe neuer Instru-mente zur Verfügung, die der aktuellen Erforschungdes Universums ihren Stempel aufdrücken. Das sindeinerseits Satelliten und Weltraumteleskope, dieunbehindert von der irdischen Lufthülle kosmischesRöntgen-, Ultraviolett- und Infrarotlicht oberhalb derAtmosphäre erfassen, andererseits die erdgebun-denen optischen Teleskope der neuen Generationmit Öffnungen bis zu 10 Metern.

Das Max-Planck-Institut für Astronomie ist sowohlvom Boden aus wie auch im Weltraum aktiv. DieSternwarte auf dem Calar Alto in Andalusien, eineAußenstelle des Heidelberger Instituts, ist die größ-te Anlage dieser Art auf dem europäischen Festland.Das neueste extraterrestrische Engagement resul-tiert aus der Beteiligung an dem europäischen In-frarotsatelliten ISO.

Abb. 1: Der Satellit ISO in schematischer Darstellung. Im Innern desweißen Heliumtanks das Teleskop, das durch die obere Öffnung (Pfeil)den Himmel anvisiert. Die vier Meßgeräte sitzen im unteren Teil hin-ter dem Teleskopsiegel. Gestreift der Sonnenschild mit den Solar-zellen für die Energieversorgung. Die beiden nebeneinander mon-tierten kleineren rohre sind Sternsensoren für die Ausrichtung desSatelliten.

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Satelliten waren deutsche Firmen maßgeblich be-teiligt. Die wissenschaftliche Instrumentierung lag inden Händen einer Reihe europäischer Forschungs-institute. Zuverlässiges Funktionieren im extremKalten bei minimalem Leistungsaufwand im Milliwatt-bereich, um den Wärmehaushalt nicht zu belasten,hießen die harten Forderungen.

Für das Instrument zur Messung von Strahlungsflüs-sen bei einer Vielzahl von Wellenlängen, bis hin zumkurzwelligen Radiobereich, bis 200 Mikrometer, wardas Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomiemit Prof. Dietrich Lemke als Projektleiter verantwort-lich. In Zusammenarbeit mit der Industrie ging esum die verbesserte Fertigung von Sensoren, klei-nen Silizium- und Germaniumkristallen, die gezieltmit Fremdatomen "verunreinigt" werden. Auch dieelektronische Verarbeitung ihrer schwachen Signa-le verlangte neue Lösungen. Für die Bewegung vonoptischen Komponenten wurden am Institut inzwi-schen patentierte reibungsfreie Antriebe entwickelt.Mit diesem Gerät erreicht man eine Empfindlichkeit,die alles Bisherige weit übertrifft. ISO könnte dieStrahlung eines 3000 km entfernten Schneeballsaufspüren und dessen Temperatur bestimmen.

Zunächst mußten nach dem erfolgreichen Start alleFunktionen des Satelliten in Betrieb genommen undgetestet werden. Zur großen Erleichterung aller Be-teiligten läuft bis jetzt (Mai 1996) alles wie erhofft.

Ein großes Thema für ISO ist die Frage nach demUrsprung der Sterne. Wann und wie sind sie ent-standen? Ist die Herkunft der Sonne und der sieumkreisenden Planeten, einschließlich der Erde, zuverstehen? Diese Fragen beschäftigen die Mensch-heit, seit sie über die Natur nachdenkt, unser eige-nes Woher ist davon berührt. Heute weiß man, daßdie meisten Sterne, wie unsere Sonne, MilliardenJahre alt sind; es gibt aber auch keinen Zweifel dar-an, daß im Milchstraßensystem, in unserer näherenkosmischen Umgebung, ständig neue Sterne ent-stehen. Das geschieht durch Zusammenballung voninterstellarer Materie, dem im Raum zwischen denvorhandenen Sternen dünn verteilten Medium ausGasatomen, Molekülen und Staubteilchen. Es gibtHunderte von Sternentstehungsnestern längs desMilchstraßenbandes. Dort, wo selbst mit bloßemAuge die dunklen, lichtverschluckenden Wolken die-ses Mediums zu sehen sind, trifft man mit großerWahrscheinlichkeit auf junge oder gerade entstehen-de Sterne. Ihre Existenz beginnt im extrem Kalten,die Temperatur der interstellaren Materie liegt dichtam absoluten Nullpunkt. Diese Einsichten sind nichtzuletzt Infrarotmessungen vom Boden aus durch diewenigen, auch nicht ganz sauberen atmosphäri-schen Fenster dieses Spektralbereichs zu verdanken.

Interstellare Wolken stürzen unter der Wirkung ih-rer eigenen Schwerkraft in sich zusammen. In allerRegel spielt Rotation mit, so daß es schließlich zurAusformung einer flachen, sich drehenden Scheibemit zentraler Verdickung kommt, dem zukünftigenStern (Abb. 2). Es gibt bereits eine Reihe von Beob-achtungshinweisen auf dieses Frühstadium. ISO wirdbesonders diese diskusartigen Strukturen aufs Kornnehmen, vermutlich die Vorläufer von Planetensy-

stemen. Genaueres über deren Häufigkeit und Ei-genschaften, wie Ausdehnung, Masse und dgl., auchüber ihre weitere Entwicklung, zu erfahren, steht jetztan. Da sie im extremen Infrarot leuchten, ist ISO dafürbesonders geeignet.

Die Sonne und ihr Planetensystem werden sich vorzirka fünf Milliarden Jahren in diesem Zustand be-funden haben. Ein Relikt dieser Zeit ist allem An-schein nach die den äußersten Rand unseres Sy-stems markierende Kometenwolke, bestehend ausAbertausenden locker gebauter, staubverschmutz-ter Schneebälle. Hin und wieder verirrt sich einerdavon in unsere Nähe und wird dann unter dem Ein-fluß des Sonnenlichtes zum Schweifstern. Über die-se Wolke aus kaltem Unnaterial ist wenig bekannt,durch ISO werden wir sicher neues erfahren.

Die Planeten anderer Sterne werden hingegen mitISO nicht direkt zu sehen sein. Ihre Infrarotstrah-lung wäre zwar intensiv genug, das relativ kleineTeleskop reicht aber nicht aus, um einen planetarenLichtpunkt vom Zentralstern zu trennen. Wir werdenalso vorerst weiterhin auf die indirekten Nachweisevertrauen müssen, die gerade in diesen Tagen soFurore machen.

Abb. 2: Die Entwicklung einer Wolke interstellarer Materie (a) durchKollaps zu einer rotierenden Scheibe mit zentraler Verdickung (d).Dem Einsturz auf das Schwerezentrum (b) folgt bereits in einem frü-hen Stadium der Auswurf von Materie längs der Rotationsachse (c).

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Für ISO ist aber auch eine große Zahl von Program-men extragalaktischer Natur vorbereitet. Viele Ga-laxien strahlen ihre Energie überwiegend im Infraro-ten ab und sind deshalb für ISO dankbare Ziele.

ROSAT

Während ISO das Feld zwischen dem Sichtbarenund den Radiowellen beackert, ist der Röntgenbe-reich am unteren Ende des elektromagnetischenSpektrums nicht minder aufschlußreich. Hier kom-men ganz andere Seiten des kosmischen Gesche-hens zum Vorschein. Röntgenlicht entsteht in extremheißen Gasen bei Temperaturen von Millionen undMilliarden Grad und ist ein Indiz für Prozesse hoherEnergieumsetzung. Es hat aber noch größereSchwierigkeiten die Erdatmosphäre zu durchque-ren als das Infrarote und bleibt bereits in Höhenzwischen 50 und 100 km vollständig stecken. Daherkann es nur von Raketen oder Satelliten aus erreichtwerden.

Unser Wissen über das Röntgenuniversum ist in denletzten Jahren durch den Röntgensatelliten ROSATerheblich erweitert worden. Dieses überwiegenddeutsche Projekt steht unter der wissenschaftlichenLeitung von Prof. Joachim Trümper vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching. Dortsind auch die experimentellen Grundlagen und dasKonzept erarbeitet worden. ROSAT fliegt seit 1990,ist nach wie vor aktiv und um ein Vielfaches leistungs-fähiger als seine Vorgänger. Röntgenlicht aufzusam-meln und in einem Bild zu konzentrieren verlangtwegen der kurzen Wellenlänge Methoden eigenerArt. Lösungen dafür sind erst in neuerer Zeit gefun-den worden. Als Detektoren werden Meßgeräte ein-gesetzt, die aus der Kernphysik bekannt sind.

Eines der wichtigsten Ziele von ROSAT war, zumersten Mal mit einem abbildenden Röntgenteleskopden Himmel abzusuchen. Dabei konnten hundert-mal schwächere Quellen erfaßt werden als bei frü-heren Missionen. Entsprechend reich ist die Ausbeu-te, wie folgende Zahlen belegen: Die vorher umfang-reichste Himmelsdurchmusterung eines amerikani-schen Satelliten erbrachte 840 Quellen, die Gesamt-zahl der von ROSAT registrierten und neuentdeck-ten liegt bei 60 000. Neben einer großen Zahl nor-maler Sterne der Milchstraße, die wie die Sonne re-lativ schwach strahlen, sind viele exotische, nur imRöntgenlicht zu sehende Objekte gefunden worden.Bei diesen Neutronenstemen, den hochverdichtetenEndprodukten der Sternentwicklung, ist die Masseeines normalen Sterns in einer Kugel von etwa 20km Durchmesser konzentriert! Nicht weniger spek-takulär die Überreste von 150 Supernovaausbrüchenan Stellen, wo vor Hunderten und Tausenden von

Jahren sterbende Sterne explodierten und ausge-dehnte, Millionen Grad heiße Gaswolken hinter-ließen. So konnte auch der Rest der letzten mitbloßem Auge sichtbaren Supernova, die durch Kep-lers Beobachtung im Jahre 1604 berühmt wurde,identifiziert werden. Kepler hat über ein Jahr langdie Helligkeitsentwicklung dieses "neuen Sterns" -wie er ihn nannte - verfolgt und seine Position ge-nau bestimmt. Die Hälfte der ROSAT Quellen sindweit entfernte Galaxien, große Stemsysteme, diesich aber von den viel häufigeren Normalgalaxien,wie dem Milchstraßensystem durch die stark über-höhte Energieabstrahlung ihrer Zentren unterschei-den. Man spricht deshalb von aktiven Galaxien undaktiven galaktischen Kernen. Derzeit ist ROSAT mitvielerlei Detailuntersuchungen der verschiedenstenQuellen beschäftigt, unter Mitwirkung einer großenZahl in- und ausländischer Gastbeobachter.

Das Hubble-Weltraum-Teleskop

Vor der Erschließung des Strahlungsspektrums inseiner vollen Breite, vom Röntgenbereich bis zu denlängsten Radiowellen, war die Himmelskunde aus-schließlich auf das sichtbare Licht und Beobachtun-gen vom Erdboden aus angewiesen. Dieser opti-sche Spektralbereich hat indessen keineswegs anBedeutung verloren, wie nicht zuletzt das Hubble-Weltraum-Teleskop demonstriert.

Am Boden ist für große Teleskope vor allem dasLuftflimmern lästig. Auch kühle Nächte sind davonnicht frei. Die Folge ist ein Verlust an Bildschärfe,schwache Objekte heben sich nicht mehr deutlichvom Hintergrund ab und sind schließlich nicht mehrzu erkennen. Die Luftunruhe begrenzt so die Reich-weite der Beobachtungen. Für das Projekt eines gro-ßen Teleskops im Weltraum sprachen jedoch nochandere gewichtige Gründe. Damit läßt sich nämlichauch ultraviolettes Licht erreichen, für dessen kurz-welligen Teil die Atmosphäre trotz des wachsendenOzonlochs nach wie vor völlig undurchlässig ist.

Das weitgehend unter NASA-Regie entstandeneHubble-Weltraum-Teleskop hat eine pannenreicheGeschichte. Das voluminöse Instrument mit einemHauptspiegel von 2,4 in Durchmesser wiegt mehrals 12 Tonnen. Nach schmerzhaften Verzögerungenwar es 1986 startbereit, wegen der Challenger-Ka-tastrophe und ihren Folgen für das amerikanischeRaumfahrtprogranun konnte es aber erst im April1990 von Bord einer Raumfähre in 600 km Höheausgesetzt werden. Dann stellte sich allerdings einschrecklicher Herstellungsfehler der Teleskopoptikheraus, der die Qualität der Beobachtungen starkbeeinträchtigte, bis nach zweieinhalb Jahren eine

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abenteuerliche Reparaturmission unternommenwurde. Dazu war die Raumfähre Endeavour dem frei-fliegenden Teleskop auf den Leib gerückt. Mehrmalsmußten dann Astronauten die Raumfähre verlassenund die mitgebrachte Korrekturoptik einsetzen. Seit-her funktioniert das Teleskop perfekt und liefert im-mer wieder in unseren Medien sensationell aufge-machte Bilder.

Auch das Hubble-Weltraum-Teleskop wird für eineaußerordentliche Vielzahl von Programmen einge-setzt, aus fast allen Bereichen der Astronomie, fürObjekte des Sonnensystems wie für die entfernte-sten Galaxien. Europäische Astronomen sind an die-sen Arbeiten stark beteiligt.

Vom Boden aus

Die im Raum operierenden Observatorien spielenheute bei der Erforschung des Universums eine prä-gende Rolle. Es wäre jedoch ein Irrtum anzuneh-men, die bodengebundenen Methoden seien da-durch bedeutungslos geworden. Im Gegenteil: Durchden Bau potenter Sternwarten ist die Stärke der erd-gebundenen Astronomie in letzter Zeit weltweit be-

trächtlich gesteigert worden. Zwei Faktoren sinddafür maßgebend: Bodenhaftung kostet nur einenkleinen Bruchteil der Weltraumprojekte, diese neh-men sich deshalb in aller Regel nur solche Aufga-ben vor, die vom Boden aus nicht zu lösen sind.Dafür sorgen kritische Programmkommitees. Dar-über hinaus ist man im Raum, mindestens vorerst,in den Abmessungen beschränkt. Das Hubble-Tele-skop war ursprünglich merklich größer geplant, muß-te sich aber dann dem Zwang der Transportvehikelbeugen. Erdgebunden kann dem Drang nach grö-ßeren strahlungssammelnden Flächen, sprich lei-stungsstärkeren Beobachtungsgeräten, eher nach-gegeben werden. Der Aufbau der Calar Alto Stern-warte in Südspanien, einer Außenstelle des Heidel-berger Max-Planck-Instituts für Astronomie, mit Te-leskopen bis zu 3,5 m Öffnung, hat der ganzen deut-schen beobachtenden Astronomie starken Auftriebverliehen und sie wieder an die Front der Forschungzurückgebracht. Auch andernorts gibt es Instrumentedieser Größenklasse. Mit neuen Technologie-Kon-zepten wird jetzt eine weitere Steigerung auf 8 bis10 m angestrebt. Die Europäische Südstemwarte inChile hat vier 8 m-Teleskope im Bau, auf Hawaii

Abb. 3: Die mechanische Struktur des ersten der vier 8,2 m-Teleskope der Euro-päischen Südsternwarte (ESO) in Chile. Die 24 m hohe Konstruktion hinter denMitgliedern des ESO-Rates demonstriert die gigantischen Dimensionen. ESOwird von acht europäischen Mitgliedsländern getragen, darunter die Bundesre-publik Deutschland. (ESO-Bild vom November 1995)

ist vor kurzem das amerikanische 10 m-Keckteleskop in Betrieb gegangen. Die ra-dioastronomischen Geräte mit ihren zumTeil enormen Dimensionen - eines dergrößten ist das Teleskop des Bonner Max-Planck-Instituts für Radioastronomie miteinem Durchmesser von 100 m - sind nochstärker erdverhaftet, obwohl auch sie imRaum störungsfreier arbeiten könnten. Die anhaltende Virulenz der Astronomieist ohne Frage das Resultat der Entwick-lung von Beobachtungsmethoden für dasgesamte elektromagnetische Spektrum.Und in allen Wellenlängenbereichen wirduns Strahlung aus dem Kosmos zugewor-fen, wie wir heute wissen. Im Vorherge-henden ist das neue Instrumentarium derHimmelsforschung keineswegs vollstän-dig aufgelistet. Es ging vielmehr darum,typische Beispiele zu benennen, die vorallem die vollständige Abdeckung desStrahlungsspektrums demonstrieren. Ein umfassendes Bild von den kosmi-schen Phänomenen kann nur gewonnenwerden durch den Einsatz des umfang-reichen Arsenals heutiger Arbeitsmittel.Dabei ergänzen sich die außerirdischenund erdverhafteten Aktivitäten in ihrenStärken und Schwächen gegenseitig.

Hans ElsässerMax-Planck-Institut für

Astronomie, Heidelberg