Neue Medien, Lernortkooperation und … · Gert Zinke Neue Medien und die Zukunft des beruflichen...

64
Zinke, Gert/Fogolin, Angela Neue Medien, Lernortkooperation und Ausbildungsqualität in den IT- und Elektroberufen Dokumentation einer Fachtagung Seite 3

Transcript of Neue Medien, Lernortkooperation und … · Gert Zinke Neue Medien und die Zukunft des beruflichen...

Zinke, Gert/Fogolin, Angela Neue Medien, Lernortkooperation und Ausbildungsqualität in den IT- und Elektroberufen

Dokumentation einer Fachtagung

Seite 3

Herausgeber:

Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)

Der Präsident

Robert-Schuman-Platz 3, 53175 Bonn

http://www.bibb.de

© Copyright:

Die veröffentlichten Inhalte sind urheberrechtlich geschützt.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge stellen nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers dar.

Veröffentlichung im Internet: 21.03.2006

Seite 4

Inhalt

Gert Zinke Neue Medien und die Zukunft des beruflichen Lernens - Einige Thesen .........4

Klaus Hahne Neue Lernkulturen durch auftragsorientierte und virtuelle Lernangebote – das Lernen am virtuellen Kundenauftrag. Bewältigung des Wandels durch lebensbegleitendes Lernen – auch im Handwerk?.........................................12

Jürgen Jarosch und Thorsten Janssen Netzwerk und Lernplattform ELKOnet – Stand, Pläne und Visionen ...................................................................................................22

Bernd Mahrin Netzgestützte Aus- und Weiterbildungsplattform für ÜBS. Didaktisches Konzept und medialer Gesamtrahmen an zwei Beispielen ............................28

Angela Fogolin Nutzung von berufsbezogenen (insbesondere PC- und netzgestützten) Medien im Elektrohandwerk. Ausgewählte Ergebnisse einer Befragung von Auszubildenden und ÜBS-Ausbildungspersonal im Elektrohandwerk............39

Karl Wilbers Bildungsprodukte, die Communities integrieren - Eine Chance für Bildungsträger im Handwerk?.........................................................................45

Autoren ........................................................................................................................64

3

Gert Zinke Neue Medien und die Zukunft des beruflichen Lernens - Einige Thesen Veränderungen werden zuerst aus der Distanz wahrgenommen. Wie sehr sich die Arbeits- und Berufswelt verändert, erkennen wir recht leicht, wenn wir 10 oder 15 Jahre zurückblicken, und dabei Arbeitsplätze, Berufe und Unternehmen mit ihrem heutigen Zustand vergleichen. Ein zentraler Aspekt der Veränderung ist die Durchdringung unseres Alltagslebens mit Informations- und Kommunikationstechnologien - den Neuen Medien, die nicht zuletzt weitgehende Konsequenzen für formelle und informelle Bildungsprozesse haben.

Schwieriger als die Wahrnehmung der Veränderung ist die Prognose und Vorausschau weiterer Entwicklungen. Vieles von dem, was heute Berufs- und Lernalltag ist, war vor wenigen Jahren noch nicht vorstellbar.

Im folgenden werden die Neuen Medien in den Kontext gesellschaftlicher Entwicklung und insbesondere in den des Berufsbildungssystems gesetzt. Daraus abgeleitet werden ansatzweise einige Thesen zur Zukunft des beruflichen Lernens formuliert, mit Argumenten belegt und Konsequenzen für die Arbeit des Bildungspersonals abgeleitet. Damit soll ein Einstieg in die Diskussion gegeben werden, wie sich Bildungsanbieter gegenüber den Neuen Medien verhalten sollten.

Erste These: Die Neuen Medien verändern das Medien- und Lernverhalten, jedoch abhängig von einzelnen Ziel- und Altersgruppen, nicht mit gleichem Tempo.

„Sobald man einer Technik den Zugang zu einer Kultur gewährt, spielt sie alles aus, was sie hat.“1 - Dabei müssen wir allerdings erkennen, dass einzelne Anwendergruppen der Technik durchaus unterschiedlich offen gegenüber stehen. So nutzen laut der letzten ARD/ZDF-Online Studie 96% der in Ausbildung befindlichen, 76 % der Beschäftigten und nur 25% der Nichtbeschäftigten das Internet.2

Anlässe der Internetnutzung sind vielschichtig, im Ranking steht dabei Qualifizierung und Ausbildung an dritter Stelle (vgl. Bild 1).

1 Neil Postman, in: Brockhaus Mensch, Natur, Technik 2000, S. 12 2 ARD/ZDF-Online-Studie 2005, p. 364, http://www.daserste.de/service/ardonl05.pdf

4

Bild 1: Anlässe für private Internetnutzung3 (Angaben in %, Mehrfachnennungen)

Im Hinblick auf einzelne Altersgruppen zeigt sich am Beispiel der Teilnahme an Gesprächsforen, dass Jüngere das Internet anders nutzen als Ältere. Während im Durchschnitt nur jeder Sechste Gesprächsforen im Internet nutzt, sind es in der Gruppe der 14-19 Jährigen 38 % (Bild2).

Bild 2: Teilnahme an Gesprächsforen, mindestens 1x pro Woche, in %4

Festgestellt wird eine Veränderung des Medienverhaltens insbesondere bei Jüngeren. Im angelsächsischen als „Digital Native Learners“ bezeichnet, werden sie charakterisiert als diejenigen, die Informationen schnell und parallel aus mehreren Quellen aufnehmen, egal ob aus Bildern, Videos oder Texten. Sie operieren zweikanalig, unmittelbares Feedback erwartend. Sie bevorzugen den eher beiläufigen Gebrauch der Medien je nach Bedarf und sie lernen möglichst kollaborativ. Daraus ergibt sich eine Diskrepanz zu ihren meist älteren Lehrern und Trainern, die auf Grund ihrer Lebenserfahrung und Lerngewohnheiten ein anderes Verhalten voraus setzen (Übersicht 1)5.

3 Online-Atlas 2005, Hrsg.: Initiative D21, S. 67 4 ARD/ZDF-Online-Studie 2005, p. 371, http://www.daserste.de/service/ardonl05.pdf 5 Übersetzt nach Ian Jukes and Anita Dosaj, The InfoSavvy Group, February 2003, abrufbar unter: http://www.apple.com/au/education/digitalkids/disconnect/landscape.html, 19.01.2006

5

Übersicht 1: Unterschiede zwischen heutigen Lernern und Lehrern

“Digital Native Learners” “Digital Immigrant Teachers”

Bevorzugen schnelle bedarfsorientierte Informationen aus unterschiedlichsten Medienquellen

Bevorzugen „sichere“ Quellen

Bevorzugen Multitasking, den gleichzeitigen Gebrauch mehrerer Medien

Orientieren sich eher an einer Quelle

Bevorzugen animierte Bilder, Sounds, und Videos vor reinen Texten

Bevorzugen Texte

Bevorzugen den beiläufigen Gebrauch verlinkter (hyperlinked) multimedialer Informationen

Bevorzugen Informationen die linear, logisch und sequentiell strukturiert sind

Bevorzugen das interaktive Networking simultan mit anderen

Bevorzugen unabhängiges Einzellernen

Bevorzugen ein unmittelbar am Bedarf orientiertes Lernen gegenüber einem Lernen auf Vorrat

Bevorzugen ein fachsystematisches auf einen formalen Abschluss hin orientiertes Lernen

Bevorzugen eine unmittelbare Anerkennung im Lernkontext

Bevorzugen eine nachfolgende Zertifizierung und Anerkennung

Bevorzugen Lernen das unmittelbar nützlich und anwendbar ist

Bevorzugen das Lehren nach standardisierten Curricula und Lernerfolgskontrollen

Zunächst polarisiert diese Gegenüberstellung. Sie eignet sich gerade deshalb um Unterschiede deutlich zu machen, die für die Gestaltung von Lehr/-Lernprozessen relevant sind. Im Ergebnis einer Befragung von Auszubildenden und Ausbildern im Elektrohandwerk wie auch in der bereits zitierten ARD-ZDF-Online-Studie 2005 wird diese Diskrepanz bestätigt. So schätzen z.B. Ausbilder/innen in der geannten Befragung zwar die allgemeine Kompetenz der Auszubildenden im Umgang mit PC und Internet nicht besser ein als ihre eigene, machen aber deutlich dass Auszubildende sehr viel besser mit einzelnen Werkzeugen im Internet umgehen können als sie selbst.6

6 Fogolin, Angela ; Zinke, Gert: Nutzung von berufsbezogenen (PC- bzw. netzgestützten) Medien im Elektrohandwerk, S. 26 f, abrufbar unter: http://www.bibb.de/de/wlk15520.htm

6

Mit Blick auf die erste These sind auf Grund dieser Entwicklungen folgende Konsequenzen für die Tätigkeit des Bildungspersonals zu ziehen - das Bildungspersonal muss

das Medien- und Lernverhalten der Lernenden berücksichtigen,

das eigene Medien- und Lernverhalten weiterentwickeln,

das eigene Lehrverhalten den Lerngewohnheiten und Motivationen der Lernenden anpassen;

die neuen Medien als zusätzliche Möglichkeiten der Lernprozessgestaltung stärker und methodisch vielfältiger nutzen.

Zweite These: Durch die Nutzung PC- und netzgestützter Medien kann der Praxis- und Prozessbezug in der dualen und der außerbetrieblichen/vollzeitschulischen Ausbildung unterstützt werden.

Die Situation auf dem deutschen Arbeits- und Ausbildungsmarkt hat in den letzten Jahren zu einem relativen Rückgang an betrieblichen Ausbildungsverhältnissen geführt (Bild 3). In 2005 wurden nur 550.180 Ausbildungsverträge neu abgeschossen.7

Bild 3: Ausbildungsanfänger Berufsfachschule/Duale Berufsausbildung8

Mit der Novellierung des Berufsbildungsgesetzes ist jetzt die gesetzliche Grundlage gegeben, die den Erwerb eines anerkannten Ausbildungsberufs durch eine vollzeitschulische Ausbildung ermöglicht: „...Zur Abschlussprüfung ist ferner zuzulassen, wer in einer berufsbildenden Schule oder einer sonstigen Berufsbildungseinrichtung ausgebildet worden ist, wenn dieser Bildungsgang der Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf entspricht...Die Landesregierungen werden ermächtigt ... zu bestimmen...“9

Unterstützend für den Gebrauch der Neuen Medien in der Berufsbildung wirken Angebote von kommerziellen Unternehmen, Herstellern und Dienstleistern, die Fachinformationen mit Ihren Produktinformationen und Dienstleistungsangeboten koppeln, damit vordergründig ihr

7 Vgl. Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft (iwd), 19.01.06 8 Berufsbildungsbericht 2005, Übersicht 60, S. 143 9 Berufsbildungsgesetz 2005. § 43, Abs. 2

7

Marketing unterstützen wollen, gleichzeitig aber virtuelle Lerngelegenheiten schaffen. Fotos, Videos, Animationen und Softwaretools, die betriebliche Praxis betreffend, machen betriebliche Abläufe verständlicher. Zweckdienlich sind virtuelle Kundenaufträge, die bei der Vermittlung fachlicher Qualifikationen einen Arbeitsprozessbezug unterstützen können.

Angesichts dieser Realität stellt sich die Frage, wie für diese Ausbildungsformen neben der zeitweisen Absolvierung von Praktika ein permanenter Praxisbezug ermöglicht und eine weitere Verschulung der Berufsausbildung verhindert wird. Als Konsequenzen auf die oben genannte Entwicklung wird gesehen, dass

mittels (virtuellen) Lernortverbünden, virtuellen Lernangeboten und Netzwerken entsprechende Defizite ausgeglichen werden können und

über Communities und virtuelle Lerninfrastrukturen der Transfer von Erfahrungswissen unterstützt wird

dass berufsfeldbezogene Medieninformationssysteme zur Unterstützung des Ausbildungspersonals angeboten werden10.

Dritte These: Formelle Weiterbildungsangebote werden künftig mit virtuellen Lernangebote (für eine situative, arbeitsplatznahe Qualifizierung) gekoppelt und zum Teil durch diese verdrängt.

Für den offensichtlichen Rückgang der Nutzung formeller Weiterbildungsangebote (Bild 4) ist sicher ein ganzes Bündel von Ursachen verantwortlich, z.B. Kosten für Unternehmen und Teilnehmer, Vereinbarkeit von Arbeit und Fortbildung, Verwertbarkeit, Bedarfsgerechtigkeit.

Bild 3: Beteiligung an formalen Weiterbildungsangeboten 11

10 Am BIBB wird hier gegenwärtig ein Prototyp („Merkur“) entwickelt, Näheres dazu unter: http://www.ausbilderfoerderung.de/medieninfo/ 11 Berufsbildungsbericht 2005, S. 258f

8

Gleichzeitig wächst jedoch u.a. auf Grund technischer Entwicklungen, Reorganisationen, der Intensivierung der Qualitätssicherung und häufigerer Arbeitsplatzwechsel objektiv der Weiterbildungsbedarf. Dabei geht es insbesondere um die Nachfrage nach Lerngelegenheiten, die ein Lernen nach Bedarf unterstützen (Learning on demand).

Eine nicht geschlossene Lücke besteht in vielen Unternehmen noch immer zwischen in betrieblichen Leistungsprozessen genutzten virtuellen Kommunikations- und Planungsinstrumenten und der betrieblichen Qualifizierung. In kleinen und mittelständischen Unternehmen sind dies z.B. Softwareanwendungen zur Materialbeschaffung oder Auftragsabwicklung, in größeren Unternehmen sind dies den gesamten Geschäftsprozess durchziehende Anwendungen bis hin zur Prozess- und Produktplanung; all diese Medien sind Arbeitsmittel, die als Lernmittel nutzbar sind und deren Beherrschung erlernt werden muss.12

Das betriebliche Bildungspersonal ist an der Planung und Nutzung dieser Medien häufig nicht beteiligt, so dass der Umgang mit diesen Medien erst in Ernstsituationen individuell und aus dem unmittelbaren Bedarf heraus erlernt wird. Das heißt, die Mitarbeiter/innen lernen selbstgesteuert und informell, abseits von organisierten Lernprozessen.

Dieses mit der Nutzung der neuen Medien verbundene informelle E-Learning13 unterstützt grundsätzlich die Kompetenzentwicklung. Betriebliche Bildungsarbeit sollte dafür positive Rahmenbedingungen schaffen und es sollte immer wieder erworbenes Wissen und erworbene Kompetenzen erfassen, würdigen und den innerbetrieblichen Austausch fördern.

Konsequenzen für das Bildungspersonal aus dieser Situation sind:

Das Bildungspersonal muss sein Leistungsangebot unter Einbeziehung virtueller Lerngelegenheiten hin zu Blended-Learning-Angeboten verändern;

Bildungsangebote müssen stärker mit Arbeitsplätzen und Unternehmen abgestimmt werden;

Informelle, netzgestützte Lerngelegenheiten sollten durch das Bildungspersonal ermöglicht und unterstützt werden;

Virtuelle Lerninfrastrukturen sollten mehr auf den Dialog zwischen Bildungsträgern, Lernorten, Herstellern und der Praxis setzen und ein Communitybuildung unterstützen.

12 Vgl. Zinke, Gert: Unterstützung prozessorientierter Ausbildung durch neue Medien - Lerninfrastrukturen als Bestandteil der digitalen Fabrik In: Loebe, Herbert/Severing, Eckart (Hrsg): Prozessorientierung in der Ausbildung Reihe Wirtschaft und Weiterbildung Band 39 13 Vgl.: Hahne, Klaus ;Zinke, Gert (Hrsg.): E-Learning - Virtuelle Kompetenzzentren und Online-Communities zur Unterstützung arbeitsplatznahen Lernens Tagungsband der Hochschultage 2004 Darmstadt , Bielefeld 2004

9

Vierte These: Berufliche Informations-, Kommunikations- und Lernmöglichkeiten werden weiter zunehmen und sich verbessern

Wir beobachten im Internet eine enorme Entwicklung und permanente Vervielfachung der Inhalte. Dabei gibt es Konzentrationsprozesse mit der Konsequenz, dass bestimmte Inhalte und Angebote von den Nutzern mit prominenten Plattformen und URLs assoziiert werden. So ist als Suchmaschine www.google.de und als Online-Lexikon www.wikipedia.de jeweils an erster Stelle zu nennen. Andere URLs haben an Bedeutung verloren, wie z.B. www.lycos.de oder www.yahoo.de. Dies hat auch damit zu tun, dass sich der Charakter der Online-Angebote verändert und diversifiziert. Das heißt, neben der Inhaltskonzentration ist auch die Form der Aufbereitung in Entwicklung begriffen. Weblogs oder Podcasting waren noch vor wenige Monaten der breiten Masse der Nutzer in Deutschland eher unbekannt. Sie prägen eine neue Software-Generation, sogenannte Social Software. Durch ihren Gebrauch entsteht eine neue virtuelle Kommunikationsebene (Blogosphäre), die unterdessen als Frühwarnsystem für Themen, Trends und manchmal sogar Nachrichten gilt.14 Neben der Information gewinnt so bei der Nutzung des Internets die Kommunikation zunehmend an Bedeutung. www.weiterbildungsblog.de ist z.B. mittlerweile meinungsbildendes Instrument für Weiterbildner und Berufsbildungsexperten.

Die Berufsbildung betreffend ist dieser Konzentrations- und Veränderungsprozess im Internet im Gange, allerdings noch langsamer und berufsfeldabhängig mit unterschiedlicher Qualität.

Für einzelne Berufsfelder haben sich in den letzten Jahren Online-Communities herausgebildet, die den netzgestützten Wissens- und Meinungsaustausch pflegen.15 Eine breite Nutzung dieser Angebote kann jedoch nur selten festgestellt werden. Ein positives Beispiel ist eine bis 2004 öffentlich geförderte virtuelle Lerninfrastruktur für die neuen Medienberufe (http://www.zfamedien.de/ausbildung.php). Hier ist es gelungen, dass neben Auszubildenden zunehmend auch Facharbeiter/innen und Ausbilder/innen an dieser Community teilnehmen und dass über den Austausch von Erfahrungen in Foren hinaus in einem Lerncenter auch Lerninhalte angeboten werden. In der Breite entwickeln sich diese Angebote eher langsam. Hemmend wirkt dabei folgender Zusammenhang: Je geringer die Nutzerzahl, desto höher ist der relative Finanzierungsaufwand für die Betreiber. Denn Nutzer unterstützen die Erweiterung der Inhalte durch eigene Beiträge. Außerdem sind Nutzerzahlen entscheidend für die Unterstützung durch Sponsoren und die Akquise von Bannerwerbung.

Virtuelle Lerninfrastrukturen sind auf einer Lernplattform angeordnete Inhalte und Kommunikationswerkzeuge, die sich an eine ausgewählte Zielgruppe richten. Idealtypisch können Nutzer/innen durch ein Contentmanagementsystem Inhalte in diese Lerninfrastruktur einfügen und erweitern. Damit können Inhalte aktuell gehalten werden.

14 vgl. Sixtus, Mario: Die Humanisierung des Netzes In: Die Zeit 25.08.2005 Nr. 35 15 Zinke, Gert ; Fogolin, Angela: Online Communities - Chancen für informelles Lernen in der Arbeit, Bielefeld 2004

10

Durch das sich rapide ändernde Nutzerverhalten bei den Neuen Medien (siehe auch oben), kann man annehmen, dass sich die Nachfrage nach virtuellen Informations- und Kommunikationsangeboten weiter erhöhen wird und sich auch die aktive Beteiligung (Inhaltserstellung) verstärkt. Das Bildungspersonal und Auszubildende signalisieren deutliches Interesse an solchen Angeboten.16

Allerdings gibt, so das Beispiel einer Befragung des Bildungspersonal innerhalb des Elektrohandwerks, immer noch mehr als ein Drittel der Ausbilder/innen an, dass sie die Neuen Medien nicht in der Ausbildung einsetzen und das, obwohl ihnen fast ausnahmslos entsprechende Internetadressen und Lernbausteine bekannt sind. Gleichzeitig kennt nur ein Sechstel der Auszubildenden berufsbezogenen PC- und Internetgestützte Lerngelegenheiten. Das heißt, das Ausbildungspersonal wirkt bisher bei der Nutzung der Neuen Medien und dem Wissenstransfer im Hinblick auf die Nutzung Neuer Medien nicht immer unterstützend.

In der Konsequenz zeigt sich, das Ausbildungspersonal muss sich

mehr als bisher den neuen Medien gegenüber öffnen und diese kreativ in die Berufsbildung integrieren.

zunehmend mit virtuellen Anbietern „konkurrieren“;

sich auf ein weiter differenziertes Vorwissen der Lernenden einstellen;

aktiv bei der Gestaltung virtueller Lerninfrastrukturen mitwirken.

16 Fogolin, Angela ; Zinke, Gert: Nutzung von berufsbezogenen (PC- bzw. netzgestützten) Medien im Elektrohandwerk, S. 9, abrufbar unter: http://www.bibb.de/de/wlk15520.htm

11

Klaus Hahne Neue Lernkulturen durch auftragsorientierte und virtuelle Lernangebote – das Lernen am virtuellen Kundenauftrag. Bewältigung des Wandels durch lebensbegleitendes Lernen – auch im Handwerk?

Der vielfältige wirtschaftliche, technologische und gesellschaftliche Wandel macht auch vor dem traditionellen Handwerk nicht Halt. Damit es den Wandel bewältigen kann, muss sich die Auffassung durchsetzen, dass die Bewältigung des dauernden Wandels lebensbegleitendes Lernen in der Arbeit voraussetzt. Inzwischen kann die Nutzung von E-Learning für formelle und informelle arbeitsbezogene Lernprozesse fast als Bedingung lebenslangen Lernens dargestellt werden.17 Laur-Ernst stellt heraus, dass PC und Netze die technische Basis sind, um „situationsbezogen“ und “just in time” das zu lernen, was zur aktuellen Aufgabenbewältigung gebraucht wird. Nicht “Vorratslernen” wird im Arbeitsalltag praktiziert, sondern der akute, aufgabenspezifische Qualifikationsbedarf soll gedeckt werden.” Laur-Ernst sieht hierin das “entscheidende Einsatzgebiet für E-Learning”18.

Während in vielen Wirtschaftsbereichen dem Erfahrungslernen in der Arbeit inzwischen große Aufmerksamkeit geschenkt wird und Arbeitsplätze zunehmend lernförderlich gestaltet werden, gilt dies für das Handwerk nur sehr eingeschränkt. Ein lernförderlicher Arbeitsplatz ist besonders dann gegeben, wenn ein vernetzter PC mit integrierter Lern- und Arbeitssoftware zur Verfügung steht. Ein wesentliches Erschwernis, die Arbeit lernförderlich zu gestalten, besteht im Handwerk aber darin, dass ein dauernder Wechsel der Arbeitsplätze durch Kundenaufträge und Baustelle gegeben ist, wobei der betriebliche Arbeitsort häufig nur deren Vor- oder Nachbereitung dient. Die technischen Entwicklungen und Miniaturisierungen im Bereich der I&K-Technologien über Laptops, SkyPads, PDAs, Palms und multifunktionelle Handies lassen nun aber auch für die Arbeit im Handwerk die Perspektive erkennen, dass bei Problemen auf der Baustelle und im Kundenauftrag auf aktuelle zentrale Informationen, Qualifizierungsangebote und Lösungshilfen im Internet oder bei Produktherstellern zurückgegriffen werden kann.

Auf das verarbeitende und installierende Handwerk dringen in besonderem Maße technologische Innovationen der industriellen Hersteller ein, die neue Kenntnisse über immer komplexere Produkte voraussetzen. Das Handwerk muss sich dazu die notwendigen Kenntnisse über die angemessene Beratung des Kunden, die fachgerechte Installation,

17 Vgl. Laur-Ernst, Ute: E-Learning - eine Bedingung für lebenslanges Lernen. In: Zinke, Gert ; Härtel, Michael (Hrsg): E-Learning: Qualität und Nutzerakzeptanz sichern, in: BIBB (Hrsg), Berichte zur beruflichen Bildung 265, S. 11 - 29 18 Laur-Ernst, Ute, a.a.O., S. 21 ff. “Kasuistische, arbeitsbedingte Kompetenzentwicklung mittels E-Learning”

12

Inbetriebnahme, Wartung und Störfallbehebung bei solchen Anlagen aneignen. Bei neuen technologischen Innovationen haben nicht unmittelbar „sichtbare“ Steuerungs- und Regelungstechniken zunehmende Bedeutung und verlangen nach simulativer, medialer Veranschaulichung. Hersteller bieten um ihre Produkte herum auf ihren Homepages aufwendige multimediale Informationen, Funktionsbeschreibungen und –simulationen, Arbeitsanleitungen und Steuerungs- und Wartungssoftware an, ohne deren Verwendung eine fachgerechte Installation, Einsteuerung oder Wartung dieser Produkte durch Dienstleister und Handwerk kaum sichergestellt werden kann. Die in der Untersuchung der Hersteller-Handwerks-Kommunikation gefundenen Informations- und Qualifizierungselemente zeigen Aspekte eines informellen E-Learnings auf19. Interessant war der Befund, dass die arbeits- und auftragsbezogene Beschäftigung mit netzgestützten Informations- und Qualifizierungsangeboten sich im Handwerk weniger in der Arbeit selbst oder am Computer im Betrieb abspielt, sondern häufiger in der Auftrags- und Arbeitsvor- oder –nachbereitung mit dem Heimcomputer oder Laptop. Die tatsächliche Nutzung dieser Angebote zur Qualitätsverbesserung der Arbeiten im Kundenauftrag20 hängt jedoch ab von vielfältigen Bedingungen wie z.B.:

• Der Lern- und Arbeitskultur im Betrieb (z.B. trad. Meisterbetrieb oder moderner Betrieb mit Eigenverantwortung der Gesellen im Kundenauftrag)

• Der IKT- Durchdringung der Branche (z.B. noch wenig in baunahen Berufen, mittelstark im SHK-Handwerk, stärker noch im Elektrohandwerk und dem Bereich Maschinenbau)21

• Der Komplexität (und der Neuheit) der Produkte in der Auftragsarbeit

• Der Stellung des Mitarbeiters in der in der Betriebshierarchie (je höher, desto mehr Nutzung)

Wesentliche und häufig hinderliche Gründe für die Nutzung sind im weiteren individuelle Faktoren wie z.B.:

19 vgl. Hahne, Klaus ; Strzebkowsky, Robert: Arbeitsorientierte Informations-, Instruktions- und Qualifizierungsangebote von Produktherstellern im Kontext des informellen und formellen E-Learnings. In: Hahne. Klaus, Zinke, Gert. (Hrsg.): E-Learning - Virtuelle Kompetenzzentren und Online-Communities zur Unterstützung arbeitsplatznahen Lernens. 13. Hochschultage Berufliche Bildung 2004 „BerufsBildung in der globalen NetzWerkGesellschaft: Quantität - Qualität - Verantwortung“ Bertelsmann, Bielefeld 2004, S. 43 – 66 20 Hahne, Klaus: Qualitätsverbesserung der auftragsorientierten Arbeit im Handwerk durch E-Learning? In:Zinke, Gert ; Härtel, Michael (Hrsg.): E-Learning. Qualität und Nutzerakzeptanz sichern - Beiträge zur Planung, Umsetzung und Evaluation multimedialer und netzgestützter Anwendungen. In Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.) Berichte zur beruflichen Bildung, H. 265, Bertelsmann, Bielefeld 2004 21 Die untersuchten Branchen waren Bau, SHK (Versorgungstechnik), Elektrotechnik und, als nicht handwerklich strukturierte Branche, der Maschinenbau. Die IT- und die KFZ-Branche wurden wegen der Durchdringung der Arbeit mit netzgestützten Software- und Qualifizierungsangeboten der Hersteller nicht untersucht.

13

• Die Selbstlern- und Medienkompetenz des Mitarbeiters

• Das Alter des Mitarbeiters (Jüngere sind meist mit dem PC und der Netzrecherche vertrauter)

• Die Fähigkeit, sich aus dem Netz zielgerichtet Informationen und Hilfen für die Lösung von Problemen im Kundenauftrag zu verschaffen.

Selbstlern- und Medienkompetenz als „Flaschenhals“

Gerade für die gezielte Entwicklung der Selbstlern- und Medienkompetenz, also der Beseitigung des „engen Flaschenhalses“ in Verbindung mit der Nutzung von Herstellerangeboten in Bezug auf Arbeitsprodukte und –prozesse, bietet sich das Konzept des Lernens am virtuellen Kundenauftrag an. Dieses löst in den Elektroberufen die klassische „überbetriebliche Lehrgangsunterweisung (ÜBL)“ durch blended Learning mit virtuellen auftragstrukturierten Lernangeboten als Einstieg in das lebensbegleitende „informelle E-Learning“ ab und wird im folgenden ausführlich beschrieben.

Der Beitrag von Kompetenzzentren

Bei ihrer Entwicklung sollten sich überbetriebliche Berufsbildungszentren, die sich zu Kompetenzzentren wandeln wollen, im Sinne ihrer klassischen Kernaufgabe auf die Behebung von Qualifizierungsdefiziten zur Bewältigung des Wandels im Handwerk konzentrieren. Allein durch formelle, arbeitsferne Lernangebote in Weiterbildungs- und Meisterbildungskursen sowie in Formen der klassischen überbetrieblichen Lehrgangsunterweisung (ÜBL) während der Ausbildungsphase wird die notwendige Kompetenzentwicklung nicht vorangetrieben werden können. Dies gilt auch, wenn diese Kurse E-Learning gestützt als moderne Form des Blended Learning durchgeführt werden. Zu den Bildungsangeboten der Kompetenzzentren muss die Stützung des beruflichen Erfahrungslernens in der Arbeit, d.h. beim Handwerk im Kundenauftrag, hinzukommen. Bisher haben Kompetenzzentren nur wenig arbeits- oder auftragsbezogene und netzgestützte Qualifizierungsangebote für das Handwerk gemacht22.

Was ist ein virtueller Kundenauftrag?

Das ETZ Stuttgart und das BZL Lauterbach haben für alle überbetrieblichen Phasen in der Ausbildung der neu geordneten handwerklichen Elektroberufe den virtuellen Kundenauftrag entwickelt, um die überbetriebliche Ausbildung generell als Blended Learning zu gestalten23.

22 Vgl. dazu ausführlich: Hahne, Klaus: Qualitätsverbesserung des auftragsorientierten Arbeitens im Handwerk durch E-Learning? In: Zinke Gert ; Härtel, Michael, a.a.O., Seite 47 - 64 23 Das didaktische Konzept des virtuellen Kundenauftrages wurde zunächst im BIBB-Modellversuch SLK (Selbst Lernen am Kundenauftrag) am etz Stuttgart (Elektro-Technologie-Zentrum) entwickelt. In der Förderung der „Elkonet“partner (etz Stuttgart, BZL Lauterbach und BFE Oldenburg) zu Kompetenzzentren wurden dann die virtuellen Kundenaufträge entwickelt.

14

Abb. 1: Kundenberatung

Das Lernen mit virtuellen Kundenaufträgen folgt dem Konzept des Lernens am Kundenauftrag als vollständiger Lern- und Arbeitshandlung. Es beginnt mit einer simulativen Kundenanfrage, z.B. nach dem Einbau einer Solaranlage, oder einem Kundenkontakt. In den ersten Phasen informieren sich die Auszubildenden über das Problem des Kunden und entwickeln eine Beratungsstrategie (Abb. 1). Dann erstellen sie ein Angebot nach dem technischen Stand des Gewerkes. Über Produkte und Materialien sowie die Preise informieren sie sich dabei auf den Websites der Hersteller. Nach der Angebotserstellung wird die Durchführung des Auftrages als Folge von Arbeitsschritten geplant. Als kognitive Tools - über die vernetzten PCs im integrierten Werkstatt-Fachraum zugänglich - werden daher Arbeitsablaufpläne, technische Zeichnungen, Bestellformulare, Stücklisten und Aufmaße sowie Produktbeschreibungen, Einbau- und Inbetriebnahmeanleitungen von Herstellern benutzt. Erst jetzt kommt die technische Ausführung der Installation als Auftragsdurchführung (teilweise mit Montageschablonen). Nach der Installation kommt die Inbetriebnahme, Einsteuerung und Einregulierung, teilweise mit Herstellersoftware aus dem Netz (z.B. bei Jalousiensteuerung oder der Installation einer videogestützten Türkommunikationsanlage). Dann wird die Anlage messtechnisch überprüft und abgenommen. Die gesamte Auftragsplanung und Durchführung wird dokumentiert (mit elektronischen Dokumenten) und nach Qualitätskriterien durch die ausführenden Teams selbst bewertet. Eine Abrechnung wird vorgelegt. Das Gesamtwerk von Auftragsprozess und Produkt wird anschließend mit dem Ausbilder evaluiert unter der Frage „Was ist gut, was ist schlecht gelaufen, was kann beim nächsten Mal besser gemacht werden“?

15

Abb. 2: Der virtuelle Kundenauftrag (VKA)

Eine zukunftsweisende Entwicklung: Lernen am virtuellen Kundenauftrag in der überbetrieblichen Ausbildung (ÜBA)

In der Vorbereitung auf die überbetriebliche Präsenzphase können sich Lehrlinge, aber auch die Betriebe und die Berufsschulen, über den in der überbetrieblichen Ausbildung anstehenden Kundenauftrag informieren. Für die Lehrlinge bedeutet das eine motivierende Vorbereitung, weil sie sehen können, welche Aufgaben auf sie zukommen. Für die Berufsschullehrer bietet sich eine Möglichkeit, diese Kundenaufträge in ihren lernfeldorientierten Unterricht mit einzubeziehen. Für die betrieblichen Meister bedeutet das, dass sie sehen, was ihr Lehrling in der überbetrieblichen Ausbildung macht und dass sie eventuell den Lehrling an entsprechenden betrieblichen realen Kundenaufträgen beteiligen können.

16

Abb. 3: Der Kundenauftrag als vollständige Handlung unter Nutzung netzgestützter Angebote

Bild 3 zeigt die Zusammenhänge zwischen vollständiger Handlung, Kernaufträgen sowie netz- und computergestützten Hilfen einschließlich Herstellerinformationen. Zunächst ist die Handlungsregulationstheorie als Grundlage handlungsorientierter Lernkonzepte durch sechs Schritte charakterisiert: Informieren, Planen, Entscheiden, Durchführen, Kontrollieren, Auswerten (innerer Kreis). Dieser Handlungsbezug findet in den Phasen des Kundenauftrages seine Entsprechung (mittlerer Kreis). Arbeitsprozesse sind im Elektrohandwerk durch die Bearbeitung von Kundenaufträgen geprägt. Lern- und Medienkonzepte, die sich daran orientieren, unterstützen damit die Prozessorientierung und die Handlungsorientierung in der Berufsbildung. Bei der Bearbeitung von Aufträgen stehen zunehmend elektronische Hilfen zur Verfügung (äußerer Kreis). Diese Hilfen haben arbeitsunterstützenden Charakter, ihre Handhabung setzt Lernprozesse voraus. Deshalb ist die Integration dieser Hilfen in auftragsorientierte Ausbildungsprozesse naheliegend.

Während der überbetrieblichen Präsenzphase steht mit dem virtuellen Kundenauftrag das Curriculum als WBT mit interaktiven und arbeitsanleitenden Materialien und Strukturierungshilfen für die Auszubildenden in Lernstationen zur Verfügung. Es kann sowohl während der Arbeitszeit als auch begleitend nach Feierabend und vor dem Arbeitsbeginn genutzt werden. Während der Präsenzphasen ermöglicht es der virtuelle Kundenauftrag, dass die Auszubildendengruppen sich jederzeit über den hinterlegten Auftrag als Ganzes und über ihre momentan notwendigen Arbeitsschritte informieren können. Dadurch sind sie

17

nicht immer darauf verwiesen, den Ausbilder zu fragen, ob der Schritt richtig absolviert wurde und welches der nächste Arbeitsschritt sei. So ist auch während der Präsenzphasen durch die Hinterlegung des virtuellen Kundenauftrags an den multimedialen Lerninseln im Arbeitsraum der überbetrieblichen Ausbildungsstätte eine besondere Möglichkeit für die Selbststeuerung des Lernprozesses durch die Auszubildenden gegeben, weil diese sich jederzeit mit Strukturierungshilfen und arbeitsanleitenden Medien orientieren und selbst helfen können.

Der virtuelle Kundenauftrag bildet alle Phasen des Auftragsgeschehens ab. Bei der Auswahl der zu installierenden Produkte - z. B. beim Kundenauftrag: “Installation einer photovoltaischen und solarthermischen Anlage” werden Links zu den Produktbeschreibungen der Hersteller geöffnet, so dass die Lehrlinge für die Kundenberatung, die Kalkulation, die Auftragsplanung und die Materialbestellung auf netzgestützte Informations-, Instruktions-, Qualifizierungs-, Planungs- und Kalkulations- software von Herstellern zugreifen können. Die (simulierte) Produkt- und Materialbestellung erfolgt mit den originalen digitalen Bestellformularen der Hersteller und des Fachhandels. Auch die Angebotserstellung, die technischen Planungsskizzen, die Energieertragsrechnung und die Rechnungslegung erfolgt mit dem Einbezug kognitiver Tools und auftragsbezogener Software der Hersteller. Der interaktive Umgang mit diesen realen Elementen modernen Auftragsmanagements - die der Lehrling im Betrieb normalerweise so nicht kennen lernt - ist besonders motivierend.

18

Abb. 4: Virtueller Kundenauftrag (VKA) zur Photovoltaik und Solarthermie

Nach dem Abschluss der überbetrieblichen Präsenzphase stehen der virtuelle Kundenauftrag und die darin dokumentierten Arbeits- und Auftragsleistungen der Lehrlinge für eine reflektierende Nachbereitung in der Berufsschule, für ein Gespräch mit dem Meister und vor allem die Anwendung in entsprechenden betrieblichen Aufträgen sowie für Prüfungsvorbereitungen weiterhin allen Beteiligten zur Verfügung.

Damit ist der virtuelle Kundenauftrag bisher eines der besten Beispiele, die überbetriebliche ehemalige Lehrgangsunterweisung didaktisch-methodisch im Sinne von Handlungs- und Auftragsorientierung und einer vermehrten Bedeutung von selbstgesteuerten Lernprozessen umzugestalten. Im Sinne der häufig uneingelöst gebliebenen Forderung nach einer vermehrten Kooperation der Lernorte kann der virtuelle Kundenauftrag dazu beitragen, dass die anderen Lernorte (berufsbildende Schule, Betrieb) sich über das, was in der überbetrieblichen Ausbildung passiert, genauer informieren und ihn auch in die jeweiligen Lernfelder bzw. die betriebliche Ausbildung mit einbeziehen können.

Damit tragen virtuelle Kundenaufträge zu einer qualitativen Verbesserung der gesamten Ausbildung und zum Wandel der Lernkultur in der ÜBL bei. Diese besteht in folgenden Aspekten:

- Transparenz des Lernortes ÜBS für die anderen Lernorte

- der vermehrten Selbststeuerung der Lernenden innerhalb der überbetrieblichen Ausbildung durch virtuelle Strukturierung

- der durchgängigen Ausrichtung der ÜBL an der vollständigen Auftragshandlung

- der Motivation der Lehrlinge durch den Kundenauftrag und das Arbeiten mit interaktiven Elementen (z.B. der Produkthersteller) aus “richtigen” Kundenaufträgen

- der besseren Vor- und Nachbereitung der überbetrieblichen Ausbildung durch die Lernenden selber und auch durch ihre Meister und Lehrer und damit zur Nachhaltigkeit der überbetrieblichen Angebote innerhalb der beruflichen Ausbildung insgesamt.

Wie geht es weiter? Entwicklung und Evaluation netzgestützter communitybasierter Lerninfrastrukturen im Elektrohandwerk

Auf Grund der veränderten technischen Möglichkeiten und der sich ändernden Lerngewohnheiten von Jugendlichen ist nunmehr eine Weiterentwicklung des Lernens am virtuellen Kundenauftrag möglich. BIBB-Forschungsprojekte zur Kompetenzentwicklung in „Online-Communities“24 sowie zu netzgestützten Qualifizierungsangeboten von

24 vgl. das Projekt 3.4.102 „Nutzung von Online-Communities für arbeitsplatznahes Lernen“, http://www.bibb.de/de/wlk8503.htm

19

Produktherstellern in der Hersteller-Handwerks-Kommunikation25 zeigen exemplarisch auf, welche weiteren Möglichkeiten zur Verbesserung des Lernens in der Arbeit bzw. im Kundenauftrag genutzt werden können. Eine Kopplung formaler und informeller Lernangebote von Produktherstellern kann durch die Verbindung auftragsorientierter, netzgestützter Lernaufgaben (nach dem Konzept des VKAs) mit auftragsorientierten Communities26 erfolgen. Solche netzgestützten communitybasierten auftragsorientierten Lerninfrastrukturen werden für eine zukunftsfähige Gestaltung der Umsetzung der neuen Ausbildungsordnungen in den Elektroberufen als angemessene Lösung gesehen und sollen im Rahmen eines neuen Projekts erprobt werden27.

Da die Ausbildung in den handwerklichen Elektroberufen größtenteils in kleinen und mittleren Unternehmen und dort im Arbeitsprozess erfolgt, ist der direkte persönliche Austausch unter den Auszubildenden, aber auch unter den Ausbildern, Lehrern und Mitarbeitern nur begrenzt möglich. Es besteht ein Kommunikationsdefizit im Hinblick auf den Austausch und die Verbreitung von technischem und fachübergreifendem Know-how, dem durch die Nutzung von Online-Communities begegnet werden kann. Außerdem deutet sich als erstes Untersuchungsergebnis einer Befragung von Auszubildenden und Ausbildern im Elektrohandwerk an28, dass gerade die Jugendlichen entsprechend ihrer Lerngewohnheiten und Lernvoraussetzungen zunehmend die Nutzung netzgestützter und computergestützter Medien einbeziehen wollen und können.

Alle Beschäftigten im Elektrohandwerk müssen angesichts des o.g. Wandels ihre berufliche Qualifikation anpassen. Neben dem formalen Erwerb von Zusatzqualifikationen, z.B. durch Herstellerschulungen und Bildungsangebote der Kammern oder Innungen, wächst der Bedarf an situativen, arbeitsplatznahen Lerngelegenheiten, wie sie im Rahmen des Projekts exemplarisch entwickelt werden sollen.

Zusammenfassung

Der virtuelle Kundenauftrag (VKA) ist eine zeitgemäße Form, mit der die überbetriebliche Ausbildung ihren gesetzlichen Auftrag, die kleinbetriebliche Ausbildung im Handwerk zu ergänzen und zu vertiefen, tatsächlich umsetzen kann. In der kleinbetrieblichen Ausbildung, das haben empirische Untersuchungen ergeben29, ist der Lehrling normalerweise nur in der

25 vgl. das Projekt Nr. 3.3.011 „Stützung des beruflichen Erfahrungslernens durch virtuelle Kompetenzzentren“, http://www.bibb.de/de/wlk11379.htm 26 Online-Communities sind informelle Personengruppen oder -netzwerke, die aufgrund gemeinsamer Interessen und/oder Problemstellungen über einen längeren Zeitraum hinweg miteinander kommunizieren, kooperieren, Wissen und Erfahrungen austauschen, neues Wissen schaffen und dabei voneinander lernen. Lässt sich dieses Interesse an Kernaufträgen festmachen, entstehen auftragsorientierte Communities. 27 BIBB Forschungsprojekt 3.4.108 „Gestaltung und Evaluation auftragsorientierter, netzgestützter und community-basierter Lerninfrastrukturen im Elektrohandwerk“, http://www.bibb.de/de/wlk15520.htm 28 vgl. dazu den Beitrag von Angela Fogolin in diesem Heft 29 vgl. Eheim, Dieter u.a.(Hrsg.): Gestaltungs- und Lernchancen in Kundenaufträgen. BIBB Berichte zur beruflichen Bildung, H. 213, Bielefeld 1997, S 133 ff.

20

Phase der Auftragsdurchführung teilweise beteiligt und lernt die Phasen der Information über den Kundenauftrag, der Planung und der Auftragsauswertung so nicht richtig kennen. In der durch simulative, virtuelle Kundenaufträge strukturierten überbetrieblichen Phase hat der Lehrling nun die Möglichkeit, die Ganzheitlichkeit des Kundenauftrags zu erleben, so dass hier auch im Bereich des ganzheitlichen Lernens am Kundenauftrag eine Ergänzung unzureichender Lernformen der Betriebe gegeben ist.

Ansätze zum E-Learning, insbesondere in der Berufsbildung von KMU und Handwerk, gehen bisher auf die Bedeutung des beruflichen Erfahrungslernens in der Arbeit nur sehr ungenügend ein. Sie verdoppeln virtuell statt dessen oft nur reale Angebote des formalen beruflichen Lernens in Aus- und Weiterbildung durch eingerichtete Bildungsinstitutionen. Im Handwerk stellt das informelle Lernen und Arbeiten im Kundenauftrag auch heute noch die Grundform des Kompetenzerwerbs im Betrieb dar. Das Handwerk lebt von Kundenaufträgen, so dass man vom Auftrag als prägender Arbeits- und Wirtschaftsstruktur des Handwerks sprechen kann. E-Learning Angebote für das Handwerk sollten sich neben den klassischen Medien und Tools zur Stützung des arbeitsorientierten Lernens in Form von Leittexten, Leitfäden , Checklisten oder Lernaufgaben zur Freilegung der Lernpotentiale bei der Mitarbeit im Kundenauftrag auch an Multimediaentwicklungen und netzgestützten Angeboten im Zusammenhang mit Produktschulungen der Hersteller orientieren.

Das Handwerk lebt von Kundenaufträgen und diese stellen daher auch wesentliche Formen des Arbeitens und der Geschäftsprozesse dar. Stand früher die Vermittlung traditioneller Arbeitstechniken im Vordergrund der handwerklichen Aus- und Weiterbildung30, so muss es nun in Formen des lebens- und arbeitsbegleitenden Lernens neben der fachlichen Beherrschung der sich rasch wandelnden produktbezogenen Technologien vermehrt um die Entwicklung von produktbezogenen Kundenberatungskompetenz und Gestaltungskompetenz sowie um die Vermittlung der Fähigkeit zu einem vernünftigen Auftragsmanagement gehen. Dafür ist der Rückgriff auf die aktuellen netzgestützten Produktinformationen und die Herausstellung des Kundennutzens31 meist unverzichtbar. Im virtuellen Kundenauftrag VKA und in berufsbezogenen Online-Communities kann die dafür notwendige Kompetenz besonders motivierend schon in der Erstausbildung als Einstieg in das lebensbegleitende informelle E-Learning erworben werden.

30 Selbst in der Meisterbildung stand lange Zeit die Anfertigung des Meisterstücks als einer größeren Art des Gesellenstücks im Vordergrund. Dem gegenüber kam den neuen Formen betrieblicher Arbeitsorganisation und dem Kundenauftragsmanagement zu wenig Bedeutung zu. 31 Vgl. Hahne, Klaus ; Strzebkowsky, Robert, a.a.O., S. 53

21

Dr. Jürgen Jarosch und Thorsten Janssen Netzwerk und Lernplattform ELKOnet – Stand, Pläne und Visionen Vision des Kompetenznetzwerks

Die Leitidee und zugleich die Vision des elektro- und informationstechnischen Kompetenznetzwerks ELKOnet ist es, die Kompetenzen der beteiligten Partner-Bildungszentren zu bündeln, um Handwerks-Betrieben und anderen KMU den Einstieg in innovative und wachstumsstarke Geschäftsfelder zu erleichtern, Betrieben umfassende Informationen zur Qualifizierung ihrer Mitarbeiter bereitzustellen, einheitliche Qualifizierungsstrategien zu entwickeln und moderne Vermittlungsmethoden unter Einbeziehung multimedialer Technologien umzusetzen.

Mit ELKOnet beabsichtigen die im Kompetenznetzwerk zusammengeschlossenen Bildungsstätten, einen Standard für die Aus-, Fort- und Weiterbildung in der Elektro- und Informationstechnik zu setzen, der sich an den jeweils aktuellen fachlichen und methodisch-didaktischen Vorgaben und gesetzlichen Regelungen orientiert und von den Partnern einvernehmlich festgelegt wird.

Hierzu schlossen sich die insgesamt sechs auf Elektro- und Informationstechnik spezialisierte Bildungszentren zusammen: Die Gründungsmitglieder - Bundestechnologiezentrum für Elektro- und Informationstechnik in Oldenburg, - Bildungs- und Technologiezentrum für Elektro- und Informationstechnik in Lauterbach und - ElektroTechnologie Zentrum in Stuttgart

sowie die seit Anfang 2005 hinzugekommenen Partner - Bildungszentrum Elektrotechnik in Hamburg, - Elektrobildungs- und Technologiezentrum in Dresden und - Zentrum für Elektro- und Informationstechnik Nürnberg-Fürth. Durch seine Partner ist das Kompetenznetzwerk deutschlandweit präsent, wobei der Kreis nicht geschlossen ist,

22

sondern sich um weitern Bildungszentren erweitern würde, wenn diese das Konzept mittragen.

Für das Kompetenznetzwerk ist es nicht einfach, Stand, Pläne und Visionen von einander zu trennen, da sich das Netzwerk und sein Bildungsangebot permanent weiter entwickeln. Dennoch lässt sich ein aktueller Stand festhalten. Erreicht wurde unter anderem, dass sich die Partner gemeinsam mit ihrem Bildungsangebot auf der Internet-Plattform www.elkonet.de präsentieren. Dazu wurde eine gemeinsame Nomenklatur für die Zuordnung von Kursen erarbeitet. Darüber hinaus führen die ELKOnet-Partner gemeinsame Marketing-Aktivitäten - unter anderem Pressekonferenzen und Messeauftritte - durch, um die Marke ELKOnet zu platzieren. Dabei steht das eigentliche Bildungsangebot, aber auch ergänzende Dienstleistungen im Fokus.

Zu den ergänzenden Bildungsdienstleistungen gehören einerseits umfassende Beratungsangebote – von der Karriereberatung für Kursteilnehmer bis zur Personalentwicklungsberatung für Unternehmen – aber auch ergänzende Angebote zur Unterstützung bei der Vermittlung von Lerninhalten, zu der auch die Nutzung von Kommunikations- und Informationstools für den Aufbau fachlicher Communities gehört.

ELKOnet-Ausbildungsplattform

Ein zentrales Bildungsangebot ist die ELKOnet Ausbildungsplattform (ueba.elkonet.de) für die neuen Elektroniker- und IT-Berufe, bei der eine konsequente multimediale Umsetzung mittels Online-Plattform sowie prozessorientierter Wissensvermittlung zum Zug kam.

Die Ausbildungsplattform ist so aufgebaut, dass innerhalb eines Ausbildungsberufs für jedes Thema oder Modul der Überbetrieblichen Ausbildung ein virtueller Kundenauftrag abgebildet ist. Dabei nimmt die Anforderung schrittweise zu – vom einfachen zum komplexen. Der virtuelle Kundenauftrag wird dabei in zunehmender Tiefe analysiert, geplant, durchgeführt und ausgewertet.

23

Dabei soll vor allem ein Ziel der Neuorientierung sichergestellt werden, nämlich eine erhöhte Handlungskompetenz der Teilnehmer zu erreichen, d.h. die Auszubildenden sollen ihr erworbenes Wissen tatsächlich praktisch anwenden können.

Um diese Handlungskompetenz zu erreichen, wurden verschiedene Kompetenzen zusammengefasst, Fachkompetenz als Basis der Ausbildung, Selbstlernkompetenz und Sozialkompetenz:

- Die Fachkompetenz wird handlungsorientiert an Lern- und Technologieinseln erlangt.

- Die Selbstlernkompetenz wird durch den Aufbau der Auftragsabwicklung mit der Kundenauftragsstruktur, die die Auszubildenden von Modul zu Modul selbstständiger durchführen, erworben.

- Die Soziale Kompetenz wird durch die Kommunikation der Teilnehmer untereinander erreicht. So bieten Gruppenarbeiten, Präsentationen und Simulationen wie Fach- und Kundengespräche gute Möglichkeiten, den Auszubildenden in der „Schutzzone“ des Workshops, diejenigen Tools zu vermitteln, die später im Berufsalltag gefordert werden.

Der Ausbilder: Vom Lehrmeister zum Moderator

Mit dem Einsatz der Ausbildungsplattform im in einem Bildungszentrum sollte sich auch die Rolle des Ausbilder wandeln. Ihr Einsatz erfordert mehr als die reine fachliche Qualifikation des Ausbilders. Der Einsatz von Multimedia in der Überbetrieblichen Ausbildung bedarf einer besonderen pädagogischen Zusatzqualifikation, der die Entwicklung vom Lehrmeister zum Moderator und Wissensvermittler ermöglicht.

Durch die geänderte Art der Unterrichtsgestaltung wird der Ausbilder zum Moderator. Er führt den Unterricht nicht mehr frontal, sondern gibt eine Aufgabenstellung vor, stellt ergänzend Fragen, hilft in kritischen Situationen und kontrolliert und beurteilt die Ergebnisse. Obwohl seine aktiven Unterrichtseinheiten weniger werden, wird der Ausbilder mehr gefordert als

24

zuvor. Er muss sowohl den guten erfahrenen Teilnehmer neue Impulse geben, als auch den unerfahrenen Teilnehmern diejenige Hilfestellung leisten, mit der sie ihr Basiswissen erlangen.

Ausbildung an Lerninseln

Parallel zur Nutzung der Ausbildungsplattform werden in den Bildungszentren Technologieinseln eingerichtet. Durch die unterschiedlichen Technologieinseln entstehen variable Möglichkeiten der Ausbildung, die idealerweise zu dem individuell optimalen Kompetenzzuwachs der einzelnen Teilnehmer führt. So können unerfahrene Auszubildende ihre Grundkenntnisse an den gesamtheitlichen Aufgaben erwerben, während die erfahrenen Teilnehmer von der komplexeren Aufgabenstellung der zusätzlichen Arbeitsaufträge profitieren können.

Im Idealfall können durch diesen Ansatz selbst massive Leistungsunterschiede innerhalb der ÜBA-Klassen ausgeglichen werden, ohne das die Leistungsschwachen überfordert und die Leistungsstarken unterfordert werden. So erlangt jeder Auszubildende seinen individuellen Zuwachs der Handlungskompetenz.

Aus den bislang vorliegenden Evaluierungen ist zu ersehen, dass die Umsetzung des handlungsorientierten Lernens mit Lern- bzw. Technologieinseln von den Auszubildenden sehr gut angenommen wird. Zwei Drittel der Auszubildenden finden das Lernen an Lern- bzw. Technologieinseln gut bis sehr gut. Die negativen Bewertungen blieben unter 10%. Die Lern- bzw. Technologieinseln haben sich für das handlungsorientierte Lernen als unverzichtbar erwiesen.

30 Bildungszentren online

Derzeit wird die Ausbildungsplattform von 30 Bildungszentren genutzt, sie wird ergänzend von Beruflichen Schulen und von Ausbildern in betrieben eingesetzt. Insgesamt werden über sie ca. 3.000 Auszubildende unterrichtet, deren Echo weit überwiegend positiv ist: So geben über 90% der Auszubildenden an, dass handlungsorientiertes Lernen am Kundenauftrag einen höheren Lerneffekt hat als der „klassische Unterricht“.

ELKOnet-Community

Bereits im Rahmen des neuen Konzepts der Überbetrieblichen Ausbildung gewinnt der Erfahrungsaustausch zwischen den Teilnehmern, der von den Dozenten (an)moderiert wird, an Gewicht. Demzufolge lag es nahe, das Konzept für ein netzgestütztes Community-Building zu nutzen. Hierzu wird derzeit von den ELKOnet-Partnern ein Konzept erarbeitet, mit dem eine fachspezifische Community erstellt wird. Nach einer halbjährigen Probephase soll in die ELKOnet-Community in den Dauerbetrieb überführt werden.

Kern der Community sind nach Inhalten gegliederte Foren: Dazu gehören in der ersten Stufe Ausbilderforen, Foren für Auszubildende der verschiedenen Ausbildungsberufe und Foren für Teilnehmer von Fort- und Weiterbildungskursen.

25

Die Erfahrung zeigt, dass Communities, die sich technischen Problemstellungen und ihren Lösungen widmen, sehr gut besucht werden, ja teilweise „Selbstläufer“ sind. Der Aufbau von Communities rund um Bildungsfragen gestaltet sich dagegen schwieriger. Ohne gezielte Moderation ist kein Erfolg zu erwarten. Dazu gehört auch, die Nutzer beim Thema zu halten und sie auf die Einhaltung der Netiquette zu verpflichten. Durch den Ansatz, bereits Auszubildende in den überbetrieblichen Ausbildungsstätten – ergänzt durch Fort- und Weiterbildungsteilnehmer – für eine solche Communitiy zu sensibilisieren, sollte die längerfristige Grundlage für das „Laufen“ von Communities geschaffen werden.

Vom Bildungsanbieter zum Bildungsdienstleister

Mit der Qualifizierung zum Kompetenzzentrum geht bei den ELKOnet-Partnern eine Weiterentwicklung vom Bildungsanbieter zum Bildungsdienstleister einher. Dazu gehört im Rahmen der Ergänzung des eigentlichen Angebots von Fort- und Weiterbildungslehrgängen auch das Angebot eines Zertifizierungskonzepts, mit dem die Weiterbildung der Mitarbeiter strukturiert und auf ein Qualifizierungsziel ausgerichtet wird.

ELKOnet-Weiterbildungskonzept

Das ELKOnet-Qualifizierungskonzept soll die Spezialisierung der Mitarbeiter in elektro- und informationstechnischen Unternehmen mit spezialisierten Abschlüssen fördern.

Das Qualifizierungskonzept ist mehrstufig aufgebaut, das heißt, dass sich die Teilnehmer, die Kursmodule bzw. Veranstaltungen besuchen, zuerst zu einem so genannten Spezialisten und in einer zweiten Stufe zu einem Experten qualifizieren.

26

Das Weiterbildungskonzept baut auf einer Vielzahl von Kursen oder Veranstaltungen auf, die inhaltlich jeweils ein eng umgrenztes Thema enthalten. Mehrere thematisch zusammengehörige Veranstaltungen werden zu „Themensäulen“ zusammengefasst, die jeweils einen Themenbereich abdecken.

Durch den Besuch einer Veranstaltung innerhalb einer Themensäule kann sich der Teilnehmer das sehr eng umgrenzte Wissen und die sehr eng umgrenzten Fähigkeiten erwerben, die er für die Durchführung seiner Aufgaben direkt benötigt. Wenn die Aufgaben innerhalb dieses Bereiches komplexer werden, können die Kompetenzen durch den Besuch weiterer Kurse innerhalb dieser Themensäule erweitert werden.

Ein Teilnehmer, der alle Kurse einer solchen Säule absolviert und somit ein umfangreiches Spezialistenwissen erwirbt, qualifiziert sich zum Spezialisten für diesen Themenbereich. Dieses Spezialistenwissen befähigt ihn dann zur Durchführung von Aufgaben, die auch über die alltäglichen Ansprüche hinausgehen. Unter anderem sind folgende Ausprägungen eines Spezialisten geplant:

- Speziallist für Mittelspannungsanlagen (ELKOnet) - Speziallist für Kommunikationstechnik (ELKOnet) - Speziallist für Antriebstechnik (ELKOnet).

Besucht ein Teilnehmer alle Kurse mehrerer Themensäulen, die zu einem Technologiebereich gehören, wird er zum Spezialisten für mehrere zusammengehörige Themenbereiche. Somit hat er sich eine Qualifikation erworben, die ihn zum Experten für einen Technologiebereich machen. Der Teilnehmer, der ein solches Expertenwissen erworben hat, ist danach in der Lage, auch in komplexeren Anlagen Themen-übergreifend tätig zu werden. Unter anderem sind folgende Expertenabschlüsse nach dem ELKOnet-Weiterbildungssystem geplant:

- Experte für Gebäudeautomation (ELKOnet) - Experte für Informations- und Kommunikationstechnik (ELKOnet) - Experte für elektrische Energietechnik (ELKOnet).

Von Vorteil für die Teilnehmer ist, dass er die Veranstaltung bei jedem der ELKOnet-Partner belegen kann und dadurch zeitlich flexibler ist, weil er unter einer größeren Zahl von Kursterminen wählen kann. Dadurch ist es denkbar, die Module für ein Spezialisten-Profil bei drei verschiedenen ELKOnet-Partnern zu besuchen und die Abschlussprüfung bei einem vierten zu absolvieren.

Dieses Qualifizierungskonzept bietet insgesamt gesehen die Möglichkeit, beginnend bei einer sehr eng umgrenzten Weiterbildung bis zu einer umfassenden Qualifizierung eine maßgeschneiderte Personalentwicklung zu betreiben. Hierbei können sowohl die Belange des Betriebes als auch die des Mitarbeiters umfassend berücksichtigt werden.

27

Bernd Mahrin Netzgestützte Aus- und Weiterbildungsplattform für ÜBS. Didaktisches Konzept und medialer Gesamtrahmen an zwei Beispielen Die Ansprüche an Überbetriebliche Bildungszentrum (ÜBS) des Handwerks bezüglich der

Sicherung und Verbreitung ihres Know-hows steigen stetig. Veränderte Förderbedingungen

– der zentrale Ansatz besteht darin, nicht mehr „alles überall“ zu fördern –, sinkende

Teilnahmezahlen bei Präsenzlehrgängen und nicht zuletzt die rasante Entwicklung in einigen

Technologiebereichen erfordern neue Konzepte überbetrieblicher Bildungsangebote.

Dabei verläuft die Technologieentwicklung in manchen Branchen derartig vielseitig und

gleichzeitig so hoch spezialisiert, dass der hohe Monitoring-Aufwand, der erforderlich ist, um

Bildungsangebote auf dem aktuellen Stand zu halten, nur noch von einzelnen, spezialisierten

Bildungszentren geleistet werden kann. Diese müssen einerseits für diese Aufgabe

besonders gefördert werden, andererseits aber auch das aktualisierte Know-how zur breiten,

überregionalen Nutzung vorhalten und Dritten (anderen Bildungsdienstleistern, beruflichen

Schulen, ausbildenden Betrieben usw.) in geeigneter Weise verfügbar machen. Die

strategischen Antworten auf diese Herausforderungen heißen Professionalisierung der

Personal- und Organisationsentwicklung, Systematisierung des Wissensmanagements,

Aufbau und Pflege von Kooperationsnetzwerken sowie Entwicklung neuer

Geschäftsmodelle. Der Grundgedanke der Entwicklung von ÜBS zu Kompetenzzentren ist

damit holzschnittartig umrissen. Eine Reihe dieser Bildungsstätten haben sich auf diesen

Weg begeben und auch bezüglich der praktischen Lösungen bereits beachtliche Ergebnisse

vorzuweisen.

Diese praktischen Lösungen sind in Bezug auf die personelle, räumliche und materielle

Situation und die regionale Wirtschaftsstruktur stets angepasst an die Gegebenheiten im

einzelnen Kompetenzzentrum oder im einzelnen Kooperationsnetzwerk. Mehr

Allgemeingültigkeit kann dagegen dem fachlichen Know-how unterstellt werden – abgesehen

von der unterschiedlichen Bedeutung, die bestimmte Fachkompetenzen in bestimmten

Regionen haben. Eine der wichtigsten Aufgaben von Kompetenzzentren ist es aber, genau

dieses Know-how neben der Nutzung im eigenen Umfeld „just in time“ dort bereitzustellen,

wo es jeweils nachfragt wird. Da der Wissenstransport aus Kosten- und Kapazitätsgründen

nicht ausschließlich über die Know-how-Träger selbst, also in der Regel über Ausbilderinnen

und Ausbilder bewerkstelligt werden kann, ist eine gezielte und umfassende Nutzung der

Informationstechnologien unabdingbar. Am Beispiel des Kompetenzzentrums

Versorgungstechnik der Handwerkskammer Osnabrück-Emsland und des

28

Kompetenzzentrums Baumaschinentechnik des Aus- und Fortbildungszentrums Walldorf

(Thüringen) wird im Folgenden das technische und (medien-)didaktische Konzept einer

netzgestützten Aus- und Weiterbildungsplattform erläutert.

Die Ausgangssituation

Beide Kompetenzzentren verfügen über eine beispielhafte Ausstattung. In Osnabrück sind

dies etwa dreißig betriebsfähig installierte Wärmeerzeuger aller Typen – vom Heizwertgerät

bis zum Mini-Blockheizkraftwerk – und marktüblichen Hersteller. In Walldorf stehen auf

einem großen Übungsgelände Baumaschinen wie Bagger, Planierraupen, Grader, Fertiger,

Kräne usw. von verschiedenen Herstellern in unterschiedlichen Varianten – von

konventionell bis GPS-gesteuert – mit der vollständigen Peripherie zur Verfügung.

Beiden Einrichtungen ist zudem gemein, dass sie einen Auftrag zur permanenten

Beobachtung der Forschung und Technologieentwicklung, des Marktes, des rechtlichen

Umfeldes, der Förderbedingungen u.ä. haben und die Ergebnisse dieses Monitorings einer

breiten Fachöffentlichkeit zugänglich machen sollen.

Unterschiedliche Vorgaben bestehen bezüglich des didaktischen Ansatzes: Im

Kompetenzzentrum Versorgungstechnik ist das leitende Prinzip der Kundenauftrag, der

fachliches Lernen in übergreifende Zusammenhänge ganzheitlicher Auftragsbearbeitung

einbettet, während die Präsenzlehrgänge im Kompetenzzentrum Baumaschinentechnik

stärker auf fachbezogene Kernarbeitsprozesse und die systematische Darstellung der

technischen Systeme ausgerichtet sind.

Die Struktur der Lehrgänge vor Ort ist in Osnabrück weitgehend durch externe Vorgaben zur

Überbetrieblichen Ausbildung in ein- oder zweiwöchigen Sequenzen bestimmt, während in

Walldorf eine stärkere Verbindung von Aus- und Weiterbildungsangeboten gegeben ist, die

in einer konsequenten Modularisierung und einer kürzeren Dauer der

Präsenzveranstaltungen zum Ausdruck kommt.

29

Ausgangssituation

• Beispielhafte technische Ausstattung

• Laufendes Monitoring

• Lernen am Kundenauftrag als didaktisches Prinzip

• Neue HPI-Lehrgänge

• Große Vielfalt eigener und externer Materialien (print und digital)

• Beispielhafte technische Ausstattung

• Laufendes Monitoring

• Orientierung an Arbeitsprozessen und technischen Systemen

• Modulare Lehrgangskonzepte

• Selbst erstellte einfache Präsentationen

KOMZET Versorgungstechnik Osnabrück

KOMZET Baumaschinentechnik Walldorf

Ein weiterer Unterschied, der bei der Gestaltung der Lern- und Informationsplattform zu

beachten ist, resultiert aus der unterschiedlichen Vielfalt vorhandener Materialien. Zu den

verschiedenen Wärmeerzeugern, ihren Einsatzfeldern, Brennstoffen usw. gibt es von

Herstellerbetrieben, Interessen- und Branchenverbänden, Installationsbetrieben, Anwendern,

Forschungsstätten, Bildungseinrichtungen und anderen ein enormes Angebot an

digitalisierten Text-, Bild- und Videomaterialien, die unter Beachtung der entsprechenden

Urheberrechte in das Medium eingebunden werden können. Zu dem vergleichsweise jungen

Technologiebereich automatische Baumaschinensteuerungen dagegen ist die Auswahl an

externen Materialen wesentlich spärlicher. Deshalb wurden von den Ausbildern selbst etliche

Präsentationen erstellt, die jedoch vor ihrer Integration in die Plattform technisch und

gestalterisch aufzubereiten sind.

Die Zielsetzungen

Mit der Einrichtung der Lernplattformen ist in beiden Institutionen der Wunsch nach einer

Bereicherung des Lernumfeldes und dem Schaffen neuer Zugänge zu den Inhalten der

jeweiligen Fachgebiete verbunden. Der Informationsgewinn aus dem Medium erfordert ein

selbst gesteuertes, zielgerichtetes Handeln der Lernenden. Die Plattform soll das

handlungsorientierte Lernen an Geräten und Maschinen unterstützen und die aktive

Wissensaneignung fördern.

30

Eines der Hauptziele ist an beiden Standorten der Einstieg in die Content-Management-

Technologie, die es erlaubt, die fachlich-inhaltliche Weiterentwicklung in eigener Regie

vorzunehmen.

Das System soll jeweils aus einem Online- und einem Offline-Angebot (CD-ROM) bestehen.

Die Strategie der Aktualisierung der Offline-Versionen ist unterschiedlich: In Osnabrück

sollen von der Online-Plattform in angemessenen Abständen komplett neue Offline-Kopien

erstellt werden, während in Walldorf eine Basis-Offline-Version zu erstellen ist, die auf

beliebigen Rechnern installiert oder von der CD-ROM gestartet und bedarfsweise online

aktualisiert werden kann.

Zielsetzungen

• Förderung selbstständigen Lernens

• Unterstützung der Lernortkooperation

• Wissenstransfer

• Variable Nutzung

• Pflege in eigener Regie mit lokaler Versions-Erneuerung

• Kundenbindung (KMU)

• Förderung selbstständigen Lernens

• Unterstützung von Ausbilder-Vorträgen

• Wissenstransfer

• Multiple Nutzung

• Pflege in eigener Regie mit lokaler, dynamischer Aktualisierung

• Teilnehmer-Akquisition

KOMZET Versorgungstechnik Osnabrück

KOMZET Baumaschinentechnik Walldorf

Sowohl eine variable didaktische Nutzung innerhalb von Kursen oder zur Vor- und

Nachbereitung soll möglich sein, als auch eine multiple kursübergreifende Nutzung einzelner

Bausteine. Letzteres erfordert ein konsequent modulares technisches Konzept.

Dem Marketing-Aspekt wird in beiden Kompetenzzentren Beachtung beigemessen, und zwar

sowohl mit Blick auf Kundenbindung und -gewinnung als auch auf die künftige Vermarktung

der Angebote der Lernplattform selbst. Das System ist darauf funktionell ausgelegt, aber

über ein entsprechendes Geschäftsmodell, Buchungs- und Abrechnungsmodalitäten soll erst

nach Abschluss der Testphase entschieden werden.

31

Die Plattform

Die Aus- und Weiterbildungsplattform ist auf der Basis eines Content-Management-Systems

(CMS) der Firma ModernLearning GmbH, Berlin, aufgebaut und verfügt über ein

Redaktionssystem, das exakt auf die Anforderungen abgestimmt ist. Sie ist so übersichtlich

strukturiert, dass die Arbeit damit sowohl als Nutzer als auch als Editor intuitiv und ohne

lange Einführung möglich ist. Drei Nutzerbereiche, von denen zwei nur über ein persönliches

Login zu erreichen sind, werden unterschieden:

Der öffentliche Bereich kann als komfortable und ansprechend gestaltete Website

genutzt werden. Außer der Darstellung von Informationen ist dort auch eine Online-

Kursbuchung integrierbar.

Der persönliche Bereich steht den berechtigten Nutzern zur Verfügung und bietet ihnen

neben dem Zugang zu den Lerninhalten und zu herunterladbaren externen Dokumenten

und Programmen auch eine interne Kommunikationsplattform.

Der Administrationsbereich ist der Arbeitsraum zur Erstellung von Inhalten und Kursen

sowie zur Verwaltung des Systems und der Kurse einschließlich Buchung und

Abrechnungsvorbereitung.

Bedarfsgerechte Qualifizierung mit Medienbausteinen

PlattformarchitekturPlattformarchitektur

Kursangebot

Teilnehmer differenziert

Kursangebot

Teilnehmer differenziert

KommunikationCampus

AnkündigungenMailChat

KommunikationCampus

AnkündigungenMailChat

Kurserstellung

Autom. Maschinen-steuerungMobilhydraulik

TextText/BildMCLücke

Kurserstellung

Autom. Maschinen-steuerungMobilhydraulik

TextText/BildMCLücke

Login

KursverwaltungKurs/Teilnehmer

Nutzerverwaltung

Selbstdarstellung

AdministratorPersönlicher BereichÖffentlich

KursankündigungBuchung

Buchung

Klassenverwaltung

Der modulare Aufbau des Inhalts war aus didaktischer Sicht eine zentrale Anforderung, um

die Bearbeitung durch ein Team von Ausbildern zu ermöglichen. Dadurch ist gewährleistet,

32

dass Informationselemente wie Bilder, Texte, Videos, Animationen, Audiosequenzen,

Internet-Links usw. zu kleinstmöglichen, lernhaltigen Einheiten – so genannten

Medienbausteinen – zusammengestellt und später als entsprechende Bildschirmseiten

angezeigt werden können. Diese Medienbausteine müssen nur an einer Stelle gepflegt

werden, können jedoch beliebig oft in unterschiedlichen Zusammenhängen genutzt werden,

indem sie zu Lernbausteinen zusammengefügt werden. Während die Medienbausteine nur

kleine, schnell erfassbare Informationen liefern (z.B. ein Foto einer GPS-

Baumaschinensteuerung mit kurzer Erläuterung oder ein Video eines Teilarbeitsprozesses),

stellen die Lernbausteine einen größeren Zusammenhang her (z.B. Vergleich mit anderen

Baumaschinensteuerungen oder die Abfolge eines komplexen Arbeitsprozesses wie

Inbetriebnahme eines Wärmegerätes in mehreren Teilschritten).

Die Strukturelemente der Lernplattform wiederum werden je nach Bedarf in beliebiger Weise

aus den vorhandenen Lernbausteinen zusammengefügt. Sie entsprechen quasi den

Hauptkapiteln eines Buches, jedoch mit dem wichtigen Unterschied, dass die einzelnen

Bausteine an mehreren Stellen auftauchen können – überall dort, wo sich didaktisch

sinnvolle Zusammenhänge ergeben. So ist ein Video mit dem Teilarbeitsprozess „Einführen

eines Abgassensors“ nicht nur relevant für die Inbetriebnahme eines Wärmegerätes,

sondern auch für seine Wartung. Solche Variabilität in der Mediennutzung unterstützt

hervorragend ein arbeitsprozessorientiertes und auf das Erkennen von Zusammenhängen

ausgerichtetes Lernen. Es gibt Ausbildern viel Gestaltungsfreiheit bei der

Lernprozessgestaltung. Überdies können Ausbilder in ihrer Funktion als Autoren der

Lernplattform jederzeit auch die für sie jeweils relevanten Medien- und Lernbausteine

mitnutzen, die andere Kollegen erstellt haben.

33

LB1 MB MB MB MB

LB2 MB MB MB

LB3 MB MB

LB4 MB

LB5 MB

E1 E5

StrukturelementeStrukturelemente LernbausteineLernbausteine MedienbausteineMedienbausteine

T Text/Bild

T dynamisch

T MC, Zuordnung, Lücke

M Medien Upload

Bedarfsgerechte Qualifizierung mit Medienbausteinen

Inhaltsentwicklung

Für die Lernenden ist die Verfügbarkeit von Online-Lernplattformen häufig ein Problem, da

ihnen der Zugang dazu fehlt, wenn sie den jeweiligen Kurs beendet haben. Und nicht alle

Auszubildenden verfügen über einen komfortablen Internetzugang. Um die Nachhaltigkeit

und die Chancengleichheit sicherzustellen, werden beide beschriebenen Plattformen in einer

Online- und in einer aktualisierbaren Offline-Variante angeboten.

Bearbeitung - Geräteanalyse

34

Das Bild zeigt am Beispiel eines Medienbausteins mit zwei Fotos zur Geräteanalyse die

Editierebene mit ihren sehr einfachen und übersichtlichen Piktogrammen.

In beiden Kompetenzzentren ist die jeweilige Aus- und Weiterbildungsplattform didaktisch

eingebunden in einen medialen Gesamtrahmen. Die Arbeit an und mit Maschinen und

Geräten bleibt im Mittelpunkt des Geschehens. Gegenüber herkömmlichen

Lehrgangskonzepten tritt nun aber die Benutzung didaktisch aufbereiteter Materialien wie

Lehrbücher etwas in den Hintergrund. Stattdessen stützen sich die Lernenden bei der

Lösung von Arbeitsaufgaben – dem Arbeitsalltag näher kommend – stärker auf typische

Arbeitsunterlagen wie Installations- und Wartungsanleitungen der Hersteller,

Informationsbroschüren von Fachverbänden, technische Regeln und Vorschriften u.ä. All

diese Unterlagen können ihnen leicht über die Plattform zugänglich gemacht werden.

Der Mehrwert

Das Lernen an und mit den Maschinen und Geräten in den Kompetenzzentren ist zwar nur

direkt vor Ort möglich, die Nutzung also zunächst auf das regionale Umfeld ausgerichtet.

Eine so unmittelbare Erfahrungsbildung kann durch multimediale Darstellungen – so gut und

umfassend sie auch seinen mögen – nicht ersetzt werden. Sie kann aber sehr wohl ergänzt

und höchst effektiv vor- und nachbereitet werden, was den nötigen Zeitaufwand für

Präsenzlehrgänge verringert bzw. deren Effektivität und Nachhaltigkeit deutlich steigert.

Die Vorteile für die Kompetenzzentren selbst und für deren Kunden liegen auf der Hand:

– Vor dem Besuch der Seminare können Teilnehmerinnen und Teilnehmer die

Internetplattform nutzen, um sich mit den Lerninhalten, Lernvoraussetzungen und den

Möglichkeiten im Kompetenzzentrum vertraut zu machen. Denn auf den Plattformen

werden Informationen zum Fachgebiet nicht in erster Linie allgemein dargestellt, sondern

mit konkretem Bezug zu den zu erwartenden Lernszenarien und zu der tatsächlich

vorhandenen Ausstattung. Beide beschriebenen Plattformen bieten neben vielen

anderen Informationen und Funktionen ein nahezu vollständiges, aktuelles Abbild der

jeweils vorhandenen Maschinen, Anlagen und Geräte im Kontext typischer

Einsatzszenarien.

– Dritte können sich frühzeitig und fundiert und von jedem beliebigen Ort aus über das

Seminarangebot, über eingesetzte Technik, verwendete Lernmaterialien und Fachinhalte

informieren. In der Lernortkooperation mit haupt- und nebenamtlichen Ausbilderinnen

und Ausbilder sowie Lehrerinnen und Lehrern berufsbildender Schulen kann eine

bessere Abstimmung im Rahmen der dualen Ausbildung erreicht werden.

35

– Die Kommunikationsebene der Plattform kann genutzt werden, um sich vor, während und

nach dem Lehrgang mit Dozenten oder Kommilitonen in Verbindung zu setzen und

fachlich auszutauschen – synchron im Chat oder asynchron über E-Mail, Ankündigungen

und Nachrichtenbord. Je nach Nutzerberechtigung, Geschäftsmodell und angebotener

Dienstleistung lässt sich die reine Qualifizierungsdienstleistung dadurch zum

gegenseitigen Vorteil ergänzen durch Beratungs- und Coachingangebote.

– Absolventen der Lehrgänge können ihre Vorbereitungen auf Prüfungen deutlich

verbessern, weil sie in der Lage sind, sich über die Plattform virtuell wieder in das

tatsächlich erlebte Lern- und Erfahrungsumfeld hineinzubegeben und Gelerntes so

besser zu reaktivieren.

– Aus institutioneller Sicht verbindet sich mit dem Einsatz der Plattform ein erheblicher

Zugewinn für das interne Wissensmanagement. Das Wissen und entwickelte Unterlagen

werden zum gemeinsamen Gut, sind weniger an Personen gebunden und mehrfach

nutzbar. Die nötige Pflege des Systems zwingt die Beteiligten zu einer gewissen Disziplin

im Umgang mit Know-how und Lern- und Informationsmaterialien. Sie sollte deshalb im

allgemeinen Interesse von den Akteuren als eine zentrale Aufgabe empfunden und

beispielsweise als ein Element des Qualitätsmanagements festgeschrieben werden. Der

Aufwand zahlt sich an dieser Stelle mit großer Sicherheit aus.

– Betriebe haben die Chance, Weiterbildungsaktivitäten ihrer Mitarbeiterinnen und

Mitarbeiter zielgenauer zu planen, als auf der Basis üblicher Lehrgangsankündigungen.

Durch die Verbindung von netzgestütztem Lernen am Arbeitsplatz mit kurzen

Präsenzphasen im Kompetenzzentrum nach dem Blended-Learning-Konzept wird

Weiterbildung effektiver und erhält einen eindeutigen Bezug zur eigenen Tätigkeit. Für

das Kompetenzzentrum erschließt sich dadurch eventuell sogar ein neuer Kundenkreis

über die eigene Region hinaus – eine Entwicklung, die mit dem Prinzip der

Kompetenzzentrenförderung durchaus intendiert ist.

– Ein entscheidender Vorteil der hier vorgestellten Plattformlösung ist ihre leichte

Pflegbarkeit. Zur Erweiterung, Modifizierung und Aktualisierung der Inhalte sind keinerlei

Programmierkenntnisse erforderlich. Es bedarf lediglich Basiskompetenzen im Umgang

mit digitaler Text- und Bildbearbeitung und eines Grundverständnisses des

Systemkonzepts, das nur wenige Stunden angeleiteten Ausprobierens erfordert. Das

Redaktionssystem der Plattform wird so zu einem wirksamen Werkzeug in der Hand von

Ausbilderinnen und Ausbildern – nicht fachfremde Informatiker, sondern Fachleute aus

36

der Arbeits- und Bildungspraxis halten das System inhaltlich auf dem Laufenden und

passen es den eigenen didaktischen Konzepten und Kursen an. Nutzer erhalten dadurch

stets Zugriff auf aktuelle Dokumente.

– Die Administrationsfunktionen erlauben eine leicht handhabbare Nutzerverwaltung, eine

gestaffelte Zuweisung von Rechten, je nach gebuchten oder besuchten Kursen und eine

Online-Kursbuchung. Die Möglichkeit, Inhalte beliebig aus dem geschützten Bereich

auch im offenen Bereich zugänglich zu machen, kann gezielt zu Marketingzwecken

eingesetzt werden.

– Selbst für Nutzer, die z.B. aufgrund räumlicher Distanz keinen oder nur sehr

eingeschränkten Zugang zu den entsprechenden Präsenzlehrgängen haben, stellt die

Plattform eine in zweierlei Hinsicht eine wertvolle Bereicherung dar: Zum einen bietet sie

einen reichen Fundus an aktuellen Dokumenten verschiedenster Herkunft, die auf

anderen Wegen nur mühevoll zusammengetragen werden können. Und zum zweiten

bietet sie die Möglichkeit der Erweiterung und Verallgemeinerung eigener praktischer

Erfahrungen – z.B. aus dem (Ausbildungs-)Betrieb, von Baustellen oder erreichbaren

Referenzanlagen – zumindest auf der kognitiven Ebene. Das ist unter dem Anspruch des

handlungs- und auftragsorientierten Lernens zwar nur die „zweitbeste“ Lösung, aber

allemal mehr, als eine vollständige Beschränkung auf wenige, im eigenen Umfeld

zugängliche Geräte und Anlagen.

Erste Erfahrungen

Sowohl in Osnabrück als auch in Walldorf stehen die Plattformen inzwischen betriebsfähig

bereit und sind bereits mit umfangreichen Inhalten gefüllt. Auf der Seite der Endnutzer lassen

sich noch keine abschließende Bewertungen vornehmen, da der Testbetrieb soeben anläuft.

Auf Seiten der beteiligten Ausbilder, die für die Systempflege zuständig sind, zeichnen sich

zwei grundsätzliche Erkenntnisse ab:

Diejenigen Ausbilder, die über mehr Erfahrungen im Umgang mit Informationstechnologien

allgemein verfügen, tun sich leichter mit der Arbeit an den Inhalten des Systems. Dies

scheint jedoch weniger an ihren IT-Kompetenzen zu liegen, als an der geringeren

Hemmschwelle bzw. an der größeren Souveränität und Gelassenheit im Umgang mit den

Daten und Dokumenten.

Der zusätzlich zur Alltags-(Ausbildungs-)Arbeit zu leistende Aufwand für die Pflege des

Systems sollte in der Arbeits- und Einsatzplanung der Ausbilder Berücksichtung finden. Er ist

anfangs relativ hoch, nimmt jedoch stetig ab, je mehr diese Tätigkeit zur Routine wird. Schon

37

jetzt ist für die Kollegen und für die Leitungen der Bildungsstätten ersichtlich, dass sich der

Aufwand lohnt. Denn er kann ohne die – kostspielige und arbeitsorganisatorisch belastende

– Inanspruchnahme von Leistungen Dritter erfolgen und führt zu einer deutlichen

Verbesserung im Sinne des betrieblichen Wissens- und Qualitätsmanagements und der

Nutzung des im Hause vorhandenen Know-hows. Überdies nimmt der Aufwand für die

herkömmliche Erstellung von Arbeitsblättern und Kopien perspektivisch entsprechend ab.

38

Angela Fogolin Nutzung von berufsbezogenen (insbesondere PC- und netzgestützten) Medien im Elektrohandwerk. Ausgewählte Ergebnisse einer Befragung von Auszubildenden und ÜBS-Ausbildungspersonal im Elektrohandwerk Im Rahmen des BIBB-Forschungsprojektes „Gestaltung und Evaluation auftragsorientierter, netzgestützter und community-basierter Lerninfrastrukturen im Elektrohandwerk“ (www.bibb.de/de/wlk15520.htm) wurde im Frühjahr 2005 eine schriftliche Befragung von Auszubildenden und Ausbildungspersonal in überbetrieblichen Bildungsstätten (ÜBS) des Elektrohandwerks durchgeführt.

Ihr vorrangiges Ziel war eine Bestandsaufnahme der Zugangs- und Nutzungsmöglichkeiten von Medien, insbesondere von PC- und netzgestützten Medien, an den drei Lernorten (Betrieb, Schule, ÜBS) und privat.

Auch die didaktische Einbindung der Medien in die Ausbildung und deren Ausgestaltung waren von Interesse. Ferner sollte der Frage nachgegangen werden, inwieweit Voraussetzungen und Bedarf für die Entwicklung einer berufsfeldorientierten, netzgestützten Lerninfrastruktur gegeben sind.

Einbezogen wurden 19 überbetriebliche Ausbildungsstätten, die über die regionalen Handwerkskammern angesprochen worden waren bzw. Kooperationspartner des Forschungsprojektes sind, in insgesamt elf Bundesländern. Im einzelnen waren dies: Baden - Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, NRW, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Thüringen.

Die Rücklaufquote betrug beim Ausbildungspersonal 35% (160 versandte Fragebögen, 56 verwertbare Rückläufe), bei den Auszubildenden 57,8% (1100 versandte Fragebögen, 636 verwertbare Antworten).

Um die Aussagekraft der beiden Stichproben im Hinblick auf die jeweilige Grundgesamtheit (Auszubildende bzw. ÜBS - Ausbildungspersonal des Elektrohandwerks) einordnen zu können, wurden für die Auszubildenden zu den Merkmalen „Geschlecht“ und „Schulbildung“ vergleichbare Daten aus der Berufsbildungsstatistik (hier für die Ausbildungsberufe „Elektroinstallateur/in“ bzw. „Elektroniker/in, Fachrichtung: Gebäude- und Energietechnik“), für das ÜBS - Ausbildungspersonal zu den Merkmalen „Geschlecht“ und „Alter“ entsprechende Ergebnisse einer Befragung von ÜBS - Ausbildungspersonal (hier des Elektrohandwerks) aus dem Jahre 2001 herangezogen.

Es ist davon auszugehen, dass die beiden vorliegenden Stichproben die jeweilige Grundgesamtheit annähernd abbilden.

39

Wichtige Ergebnisse

Wesentliche Voraussetzungen für die Nutzung PC- bzw. netzgestützter Lehr-/Lernmedien sind vorhanden.

• Sowohl die Auszubildenden als auch das ÜBS - Ausbildungspersonal verfügen über die notwendigen Kompetenzen und die notwendige technische Ausstattung zur Nutzung von PC- und netzgestützten Medien.

In der Selbsteinschätzung ihrer PC- bzw. Internetkompetenzen unterscheiden sich die beiden befragten Gruppen kaum voneinander. Die selbsteingeschätzte PC- und Internetkompetenz der Auszubildenden ist dabei umso höher, je häufiger der private PC bzw. Internetzugang genutzt wird.

In der Fremdeinschätzung durch das Ausbildungspersonal werden die PC-Grundlagenkenntnisse der Auszubildenden bzw. ihr Umgang mit Standardanwendungen hingegen schlechter eingeschätzt als in deren Selbsteinschätzung. Andererseits beurteilen die befragten ÜBS-Ausbilder/innen die speziellen PC-Kenntnisse bzw. die Internetkompetenz ihrer Auszubildenden höher als diese selbst (und bei der Internetkompetenz auch beträchtlich höher als die eigene Kompetenz).

In der privaten Ausstattung unterscheiden sich Auszubildende und ÜBS-Ausbildungs-personal kaum voneinander: die jeweils deutlich überwiegende Mehrheit verfügt über einen privaten PC bzw. Internetzugang. Demgegenüber gibt es beim privaten Nutzungsverhalten (hinsichtlich Dauer und Einsatzschwerpunkten) Unterschiede.

Privat verfügen 88,5% der Auszubildenden über einen PC, 83,3% von ihnen auch über einen Internetzugang. Beim ÜBS-Ausbildungspersonal besitzen 85,7% einen privaten PC, 71,4% zusätzlich einen Internetzugang.

Die Nutzungsdauer beträgt beim größten Teil des Ausbildungspersonals durchschnittlich jeweils ca. zehn wöchentlich; bei den Auszubildenden divergiert die durchschnittliche wöchentliche Nutzung demgegenüber wesentlich stärker und von deutlich mehr Auszubildenden wird länger als zwanzig Stunden wöchentlich auf PC und Internet zugegriffen als dies bei den befragten Ausbilder/innen der Fall ist.

Die Auszubildenden nutzen den PC bzw. Internetzugang in der Tendenz eher freizeitorientiert, beim ÜBS-Ausbildungspersonal hingegen erfolgt ein eher berufsbezogener Einsatz.

Bei der Nutzung des Internet unterscheiden sich die beiden befragten Gruppen tendenziell dahingehend, dass das befragte ÜBS-Ausbildungspersonal hier zu einem eher „konservativen“ Verhalten neigt (Beschränkung auf das Aufsuchen von (bestimmten) Websites, Versenden von Emails), während Auszubildende die Möglichkeiten des Internet für ihre Freizeitgestaltung in einer vielfältigeren Weise nutzen, z.B. für Downloads, Kommunikation in Chats und Foren etc.

40

• Eine Zugangsmöglichkeit zu PC und Internet am Arbeitsplatz ist für das ÜBS - Ausbildungspersonal selbstverständlich. Nahezu alle der befragten ÜBS-Ausbilder/innen (94,6%) verfügen über einen PC am Arbeitsplatz; davon drei Viertel über einen „eigenen“ PC. 87,5% verfügen darüber hinaus auch über einen Internetzugang; 81,6% von ihnen besitzen auch eine eigene dienstliche Emailadresse.

• Längst nicht für alle Auszubildenden sind Zugangsmöglichkeiten zu PC und Internet an den drei Lernorten gegeben und werden sie dort, wo sie gegeben sind, von vielen als zeitlich nicht ausreichend erachtet.

Fast jede/r Sechste (14,8%) hat an keinem der drei Lernorte Zugang zu PC- und fast jede/r Vierte (23,6%) keinen Internetzugang.

Im Ausbildungsbetrieb gibt es für 42% der Befragten eine Zugangsmöglichkeit zum PC, die für 55,1% von ihnen als zeitlich ausreichend erachtet wird. Ein gutes Drittel der Befragten (35,4%) kann einen betrieblichen Internetzugang nutzen; davon halten 52% die zeitlichen Zugriffsmöglichkeiten für ausreichend. Dabei gibt es zwischen dem betrieblichen Zugang zu PC und Internet und der Unternehmensgröße oder der Dauer der Ausbildung keine Zusammenhänge. Die beiden zahlenmäßig am stärksten vertretenen Ausbildungsberufe „Elektroinstallateur/in“ (41,2% der Befragten) und „Elektroniker/in, Fachrichtung Gebäude- und Energietechnik“ (42,5%) haben mit 31,9% bzw. 25,9% (Elektroinstallateur/in) und 35,5% bzw. 29,4% (Elektroniker/in, FR Gebäude- und Energietechnik) die prozentual niedrigsten Zugangswerte zum betrieblichen PC bzw. Internet.

In der ÜBS können 45,4% der befragten Auszubildenden einen PC nutzen; die zeitlichen Zugangsmöglichkeiten werden dabei von 63% als ausreichend erachtet. 28,9% können in der ÜBS auch ins Internet; hier halten 58,7% die zeitlichen Zugriffsmöglichkeiten für ausreichend.

In der Berufsschule haben knapp drei Viertel der Befragten (71,7%) einen PC-Zugang, der für 48,9% zeitlich ausreicht. Einen Internetzugang können an der Berufsschule 63,2% der Befragten nutzen, von denen 41,3% mit dem dafür eingeräumten zeitlichen Kontingent zufrieden sind.

Bezieht man jedoch die privaten Zugangsmöglichkeiten mit ein, ändert sich das Bild: 96,7% der befragten Auszubildenden haben an mindestens einem der drei Lernorte oder privat Zugang zu einem PC (an allen vier Orten 20,8%); Zugang zum Internet an mindestens einem dieser Orte haben 92,6% (an allen vier Orten 9,9%).

Die Nutzung von PC- und netzgestützten Lehr-/Lernmedien zu Ausbildungszwecken ist noch nicht selbstverständlich.

• PC- und netzgestützte Lehr-/Lernmedien werden an allen drei Lernorten eher sporadisch eingesetzt.

41

Knapp zwei Drittel (64,3%) der befragten ÜBS - Ausbilder/innen geben an, PC- bzw. netzgestützte Medien in der überbetrieblichen Ausbildung (ÜBA) einzusetzen; allerdings setzen sie diese Medien tendenziell eher sporadisch und im Vergleich zu anderen Medien seltener ein.

Auch an den anderen Lernorten werden PC- und netzgestützte Lehr-/Lernmedien eher gelegentlich eingesetzt; am relativ seltensten in den Ausbildungsbetrieben (hier kommen insbesondere Informationsmedien wie Herstellerunterlagen (sowohl als Katalog als auch in digitaler Form) zum Einsatz).

• PC- bzw. netzgestützte Lehr-/Lernmedien und Herstellerinformationen sind - im Gegensatz zum ÜBS - Ausbildungspersonal - einem großen Teil der Auszubildenden nicht bekannt.

Knapp drei Viertel (71,4%) der befragten ÜBS - Ausbilder/innen kennen CD-ROMs (Lehr-/Lernmedien) für das Elektrohandwerk, gut der Hälfte (51,8%) sind auch netzgestützte Angebote in Form von Lernmodulen und -plattformen bzw. PC- und netzgestützte Herstellerinformationen (55,4%) bekannt.

Demgegenüber kennen lediglich 16,8% der Auszubildenden berufsbezogene CD-ROMs (Lehr-/Lernmedien), 13,7% netzgestützte Lernangebote und 11,6% PC- oder netzgestützte Herstellerinformationen. Die Bekanntheit von Lehr-/Lernangeboten auf CD-ROM ist dabei insbesondere von einem zeitlich ausreichenden betrieblichen PC-Zugang abhängig, während bei netzgestützten Angeboten (wie Lernmodulen und -plattformen) in erster Linie ein zeitlich ausreichender Internetzugang in der ÜBS relevant ist.

• Als Informationsquellen für PC- und netzgestützte Lehr-/Lernangebote und Herstellerinformationen dienen primär informelle Kontakte.

Entsprechende Informationen erhalten die Ausbilder/innen informell durch andere Kolleg/innen, Fachzeitschriften und Linktipps.

Auszubildende erfahren von diesen Medien eher gelegentlich und beinahe ebenso häufig durch andere Auszubildende oder Fachzeitschriften wie durch das Ausbildungs- und Lehrpersonal an den drei Lernorten. Einige wenige Auszubildende erhalten die entsprechenden Hinweise auch durch Verwandte oder Bekannte, die in Elektroberufen tätig sind.

• PC- und netzgestützte Lehr-/Lernmedien haben für Auszubildende für die Prüfungsvorbereitung einen höheren Stellenwert als für das ÜBS-Ausbildungspersonal.

PC- und netzgestützte Lehr-/Lernmedien werden von den Auszubildenden eher „explorativ“ zur Erschließung neuen Wissens bzw. zur Suche nach Problemlösungen und für Prüfungsvorbereitungen genutzt (in der Reihenfolge der häufigsten Nennungen).

42

Vom ÜBS-Ausbildungspersonal werden PC- und netzgestützte Lehr-/Lernmedien vor allem zur Veranschaulichung, zur Vertiefung bereits behandelter und zur Erarbeitung neuer Inhalte, um selbstständiges Üben zu ermöglichen und als Informationsquelle zu (neuen) Produkten eingesetzt. Die Verwendung dieser Medien zur Prüfungsvorbereitung findet beim ÜBS-Bildungspersonal erst an letzter Stelle Erwähnung.

• Die Nutzung von PC- und netzgestützten Lehr-/Lernmedien erfolgt durch die Auszubildenden durchaus auch eigeninitiativ und intrinsisch motiviert.

Auf die Frage, wer denn zur Nutzung von PC- und netzgestützten Medien letztendlich anregt (also nicht nur informiert), lässt sich bei den Auszubildenden „Eigeninitiative“ als wichtige Triebfeder ausmachen.

• Die große Mehrheit, sowohl der Auszubildenden als auch des ÜBS-Ausbildungspersonals, zeigt ein deutliches Interesse an PC- und netzgestützten Lehr-/Lernmedien.

Die Mehrheit der beiden befragten Gruppen äußert ein deutliches Interesse an PC- bzw. netzgestützen Medien, z.B. an der Entwicklung einer netzgestützten Lernplattform mit wichtigen berufsrelevanten Informationen und Features (67,9% der ÜBS-Ausbilder/innen, von denen 94,7% diese auch einsetzen würden und 59,1% der Auszubildenden, von denen 85,6% diese nutzen würden).

Auch wünscht die Mehrheit der befragten Auszubildenden, unabhängig vom erlernten Beruf, an allen Lernorten einen häufigeren Einsatz von PC- bzw. netzgestützten Lehr-/Lernmedien, besonders an den Berufsschulen (Betrieb: 54,7%, ÜBS: 55,2%, Berufsschule: 67,8%).

Ansätze zur Prozessorientierung sind in der Ausbildung im Elektrohandwerk erkennbar.

• In der betrieblichen Ausbildung im Elektrohandwerk ist die Mitarbeit an und in Kundenaufträgen typisch.

Die Ausbildungsgestaltung hat jedoch noch häufig den Charakter einer Beistelllehre: So begleiten im Rahmen von Kundenaufträgen regelmäßig 63,9% der betrieblichen Auszubildenden (n = 505) den/die Gesellin, 48,9% erhalten Arbeitsaufträge zur selbstständigen Bearbeitung. Nur noch 34% geben an, dass sie dabei häufig Einblick in den gesamten Auftragsablauf (Kundengespräch, Auftragsplanung, Kalkulation) erhalten (die prozentualen Angaben beziehen sich jeweils auf die im Rahmen einer 5er-Skalierung vorgegebenen „sehr häufig“ und „häufig“ Antworten).

Bei der außerbetrieblichen Ausbildung (n = 117) begleiten immerhin 20,5% der Auszubildenden im Rahmen von Kundenaufträgen regelmäßig eine/n Gesellin/Gesellen und erhalten 31,6% Arbeitsaufträge zur selbstständigen Bearbeitung. Häufigen Einblick in den kompletten Kundenauftrag erhalten lediglich

43

14,5%. Offen bleibt, ob sich diese Aussagen auf die Ausbildungsphasen, die beim Bildungsträger absolviert werden, oder auf die im Rahmen einer außerbetrieblichen Ausbildung zu absolvierenden betrieblichen Praktika beziehen.

Zusätzliche Lernaufträge im Kontext von Kundenaufträgen bearbeiten bei den betrieblichen Auszubildenden nur 18,5%, bei den außerbetrieblichen 12,9%.

• Die überbetriebliche Ausbildung trägt zur Sensibilisierung für betriebliche Abläufe und Prozesse bei.

„Die überbetriebliche Unterweisung fördert das Verständnis für betriebliche Abläufe und Prozesse“. Dieser Aussage stimmen 44,5% der befragten Auszubildenden mit „sehr häufig“ oder „häufig“ zu.

• Beim überbetrieblichen Ausbildungspersonal zeichnet sich ein verändertes Rollenverständnis ab.

Im Vergleich zu einer 2001 im Auftrag des BIBB durchgeführten Befragung von ÜBS-Ausbildungspersonal im Elektrohandwerk lässt sich aus der vorliegenden Befragung eine Tendenz hin zu einem eher moderierenden, organisierenden und beratenden Rollenverständnis ausmachen.

• In der Berufsschule wird noch immer eher selten an betriebliche Aufträge und Arbeitsprozesse angeknüpft.

An den Berufsschulen hat das Anknüpfen an betriebliche Aufgaben und Aufträge hingegen einen geringeren Stellenwert. Eine entsprechende Aussage findet bei 25,3% der befragten Auszubildenden eine „sehr häufige“ oder „häufige“ Zustimmung. Nahezu 40% der Auszubildenden geben an, dass dies kaum oder überhaupt nicht zutrifft.

44

Karl Wilbers Bildungsprodukte, die Communities integrieren - Eine Chance für Bildungsträger im Handwerk?

Durch diverse Änderungen in den letzten Jahren stehen viele Bildungsträger im Handwerk vor einer schwierigen Situation. Auch vor diesem Hintergrund stellt der Beitrag die Frage, ob Online-Communities eine realistische Möglichkeit zur Erweiterung des Leistungsspektrums von Bildungsträgern im Handwerk darstellen könnten. Zur Beantwortung dieser Frage werden vier Verheißungen solcher Communities dargestellt:

• Communities als Instrument des arbeitsbezogenen, informellen Lernens,

• Communities als neues Geschäftsfeld für Bildungsträger,

• Communities als Instrument im Kundenprozess sowie

• Communities als Effektivierung der Lehr-Lernprozesse.

Diese Potenziale machen, wie gezeigt werden wird, Communities für handwerkliche Bildungsträger attraktiv. Andererseits werde ich vier Probleme bzw. Herausforderungen beschreiben, die mit einer solchen Erweiterung des Leistungsangebotes verbunden sind, nämlich:

• die Bedingungen der Zielgruppe,

• die „kulturelle Ermöglichung“ von Online-Communities,

• die Bedeutung der neuen Techniken für Online-Communities sowie

• die Entwicklung von Geschäftsmodellen.

Verheißungen

„Verheißungen“ meint hier Potenziale, mögliche Vorteile, deren Zugkraft begründbar, aber noch keineswegs erwiesen sind. Ob sich diese Potenziale wirklich ‚umsetzen’ lassen, bedarf gründlicher Entwicklung und Erprobung in der Zukunft.

• Communities als Instrument des arbeitsbezogenen, informellen Lernens

Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) führt zur Zeit Projekte durch, die die Möglichkeiten und Grenzen von Online-Communities erforschen wollen. „Online-Communities sind informelle Personengruppen oder -netzwerke, die aufgrund gemeinsamer Interessen und/oder Problemstellungen über einen längeren Zeitraum hinweg überwiegend via Internet oder Intranet miteinander kommunizieren, kooperieren, Wissen und Erfahrungen austauschen, neues Wissen schaffen und dabei voneinander lernen“ (Fogolin, Hahne, & Zinke, 2005, S. 6). Der Forschungsansatz des BIBB geht davon aus, dass

45

Herstellerinformationen im Internet sowie Online-Communities eine zusätzliche Möglichkeit arbeitsprozessbezogenen Lernens darstellen. Herstellerinformationen im Internet sind elektronische Elemente von Herstellern, wie Produktinformationen, Anleitungen oder Software zur Planung handwerklicher Problemlösungen (Fogolin et al., 2005). Herstellerkataloge gelten schon seit längerem als Beispiel für ein arbeitsorientiertes E-Learning (Hahne, 2002).

Das BIBB stimmt mit dieser Einschätzung mit anderen Forschungen überein. So systematisiert das MMB Institut für Medien- und Kompetenzforschung das Spektrum der E-Learning-Formen nach den Kriterien „sozial – individuell“ sowie „formales – informelles Lernen“. Online-Communities werden dabei als soziale E-Learning-Form des informellen Lernens eingestuft.

Abbildung 1: Systematisierung der E-Learning-Formen nach MMB (2004)

Wilbers (2002) stuft Online-Communities als selbstgesteuerte Lernumgebung mit sozialem Fokus ein, die besondere Möglichkeiten für das Wissensmanagement am Arbeitsplatz bietet. Ganz ähnlich sehen dies Seufert, Moisseva und Steinbeck (2002). Auch praktische Beispiele aus dem großbetrieblichen Kontext, wie die SAP-Community (Mollenhauer & Nikolic, 2002), die Community femity.net (Hilker & Bohlen, 2002) oder Communities bei der Siemens AG (Frost & Sydow, 2002), unterstützen dies. Allerdings ist die Heterogenität von Communities zu beachten. Communities sind keine einheitliche Erscheinung, sondern Sammelbegriff für eine Vielzahl von Organisationsformen. Ohne eine adäquate Beschreibung ist allerdings keine sinnvolle Theoriebildung möglich. Figallo und Rhine (2002, S. 153ff.) beschreiben Communities entlang von drei Dimensionen, nämlich Interaktivität (interactivity), Fokus (focus) und Kohäsion (cohesion). Sie zeigen, dass unterschiedliche Communities entlang dieser Kriterien unterschiedliche Profile aufweisen (müssen).

46

• Communities als neues Geschäftsfeld für Bildungsträger

Online-Communities könnten ein neues Geschäftsfeld für Bildungsträger im Handwerk darstellen. Im Rahmen des laufenden Projektes „Schaffung und Sicherung der Rahmenbedingungen für kompetenzförderliches und selbst organisiertes Lernen durch Gestaltung einer virtuellen Learning-Community“ (GeLCom: Geschäftsmodelle für das Lernen in Communities) im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft Betriebliche Weiterbildungsforschung (ABWF) werden verschiedene Varianten von Online-Communities diskutiert. In diesem Ansatz werden eine pädagogisch-didaktische und eine organisatorisch-ökonomische Problemdimension unterschieden (Kröpelin & Kiedrowski, 2005). Letztere stellt die Frage: Wie können originär selbst organisierte Lernprozesse als neue Lerndienstleistung für Bildungsträger handhabbar gemacht werden? Dabei werden, wie in der folgenden Graphik skizziert, eine Reihe von Erweiterungen des Leistungsangebotes von Bildungsträgern aufgedeckt.

als eigenständigeWeiterbildungs-

maßnahme

als Bestandteil einerWeiterbildungs-

maßnahme

VirtuelleCommunities

Communities alsLeistungsangebot von

Bildungsträgern

FreieCommunities

betreut/mehrwertig

KontextualisierteCommunities

DekontextualisierteCommunities

als Add-on einerWeiterbildungs-

maßnahme

unbetreutbetreut/mehrwertig unbetreutbetreut/

mehrwertigbetreut/

mehrwertig

als begleitendesCoaching

als Unterstützungdes Erfahrungs-

austausches

unbetreutbetreut/mehrwertig

Abbildung 2: Communities als Leistungsangebot von Bildungsträgern nach Kröpelin und Kiedrowski (2005)

Mit dem Angebot solcher Online-Communities werden folgende Zielsetzungen verfolgt: Verbesserung des Qualitätsmanagements des Bildungsträgers, die Verbesserung der Bedarfsanalyse/Marktforschung, die Verringerung der Drop-out-Quote sowie die Verbesserung des Transfererfolgs (Kröpelin & Kiedrowski, 2005). Diese Zielsetzungen decken sich teilweise auch mit Untersuchungen zur Praxis der Vermarktung von Blended-Learning-Angebot. Im Projekt HYALIT wird auf folgende Schwerpunkte hingewiesen (Hölbling & Reglin, 2005; Reglin, 2005):

47

• E-Learning als vorgelagerter Lernschritt zu einem ‚Kurs’ wird vornehmlich zwei Funktionen zugeschrieben, nämlich Wissensstandermittlung sowie Angleichung der Lernerniveaus.

• In der nachbereitenden Funktion zu einem ‚Kurs’ wird auf ähnliche Funktionen abgehoben. Hingewiesen wird vor allem auf „Nachschlagen“ und „Vertiefen“.

• Communities als Instrument im Kundenprozess

Der Kundenprozess handwerklicher Bildungsträger hat nach meiner Erfahrung noch einige Optimierungsmöglichkeiten. Dieser Kundenprozess lässt sich, wie in der folgenden Graphik wiedergegeben, mit Hilfe des Buying Cycles darstellen (Bieger et al., 2004). Mit dieser graphischen Darstellung wird der Kauf- und der Wiederkaufprozess modelliert. Dahinter steht die Vorstellung, dass der Kunde in jeder Phase unterschiedliche Bedürfnisse hat, die eine spezifische Betreuung von Seiten des Leistungsanbieters erwarten. Für Bildungsträger ist insbesondere die Unterstützung der Kontaktphase unter dem Aspekt der Kundengewinnung und die Unterstützung der Wiederkaufsphase unter dem Aspekt der Kundenbindung zentral.

Abbildung 3: Customer Buying Cycle nach Bieger u.a. (2004)

Communities sind ein spezifisches Instrument zur Kommunikation mit Stakeholdern, wie zum Beispiel Kunden oder Mitarbeitenden in einer Institution (Wilbers, 2004, 2005). Figallo und Rhine (2002) unterscheiden zwei Einsatzzwecke von Communities, nämlich Communities zur Initiierung und Unterstützung institutionsinterner Kommunikation sowie Communities zur Kommunikation mit externen Stakeholdern. Der letztgenannte Aspekt führt zu einer Kombination von Marketing, E-Learning und E-Commerce, die unter dem Begriff „Customer Focused E-Learning“ diskutiert wird (Montandon, 2004). Online-Communities könnten von Bildungsträgern im Handwerk entlang des Kundenprozesses eingesetzt werden, um so letztlich die Gewinnung neuer Kunden sowie die Bindung alter Kunden für ihre Bildungsprodukte zu verbessern.

48

• Communities zur Effektivierung der Lehr-Lernprozesse

Auch aus Sicht der Lehr-Lernforschung erscheinen Communities attraktiv. Der Idee der Communties unterliegen Prinzipien moderner Lehr-Lernforschung. In dem viel beachteten Expertenbericht „How people learn“ (Bransford, Brown, & Cocking, 2000) wird „Community“ als eines der vier zentralen Merkmale moderner Lernumgebungen beschrieben.

Abbildung 4: Lernumgebungen nach Bransford, Brown, & Cocking (2000)

In diesem Sinne könnten Communities die Effektivität und Effizienz der Bildungsprodukte, insbesondere mit Blick auf die Transferfrage, unterstützen.

Herausforderungen

Die bisherigen Ausführungen weisen Online-Communities als eine interessante Option für Bildungsträger im Handwerk aus. Die Realisierung sieht sich jedoch einer Reihe von Herausforderungen gegenüber:

• Bedingungen der Zielgruppe,

• „Kulturelle Ermöglichung“ von Online-Communities,

• Bedeutung der neuen Techniken für Online-Communities,

• Entwicklung von Geschäftsmodellen.

• Bedingungen der Zielgruppe im Handwerk

(Online-)Communities werden durch individuelle Bedingungen begünstigt oder erschwert. Es erscheint vor dem Hintergrund aktueller Studien fraglich, ob die typische Zielgruppe handwerklicher Bildungsträger die ‚richtige’ Zielgruppe für Online-Communities ist.

49

Zinke und Fogolin (2004) haben in 2003 eine Online-Befragung zur Nutzung von Online-Communities für arbeitsplatznahes Lernen durchgeführt. Demnach verfügt der typische Nutzer über einen recht hohen formalen Bildungsabschluss, ist bezüglich formeller und informeller Weiterbildung recht aktiv, ist kundig im Umgang mit dem Internet und arbeitet an einem IT-nahen Arbeitsplatz.

Das MMB Institut für Medien- und Kompetenzforschung führte eine Studie zu eLearning-Anwendungspotenzialen bei Beschäftigten durch (MMB, 2004). Im Rahmen der Telefonbefragung wurden 403 unselbständig Beschäftigte in Niedersachsen befragt. Die Studie untersucht die genutzten Formen der beruflichen Weiterbildung. Die Recherche am Computer ist beispielsweise inzwischen eine durchaus weit verbreitete, häufig genutzte Form der Weiterbildung.

Abbildung 5: Genutzte Formen beruflicher Weiterbildung (MMB, 2004)

Die Untersuchung erhob auch die Beurteilung von Lernformen durch die Befragten.

Abbildung 6: Beurteilung sozialer Lernformen (MMB, 2004)

50

Die Studie macht den informellen Lerner als eigenständigen Typ aus. Insgesamt werden vier Cluster gebildet: Die Viellerner (19%), die Weniglerner (21%), die informellen Lerner (24%) sowie die Betreuungsorientierten (36%). Die Cluster vereinigen Personen mit spezifischen Eigenschaften.

Abbildung 7: Gruppen, die in den Clustern der MMB-Studie (2004) überdurchschnittlich vertreten sind

In der Studie erfolgte eine Sonderauswertung für 40 Handwerker, d.h. ca. 10% der Gesamtheit. Die im Handwerk Beschäftigten verfügen demnach über eine unterdurchschnittliche Computerkompetenz und Mediennutzung. Verglichen mit anderen Branchen messen sie dem Thema „Berufliche Qualifizierung“ etwas geringere Bedeutung bei. Bei den genutzten Weiterbildungsformen dominieren informelle Formen wie Gespräche mit Kollegen und Vorgesetzten sowie das Lesen von Fachzeitschriften und Fachbüchern. Außerdem hat jeder Fünfte bereits den Computer zu Recherchezwecken eingesetzt (Durchschnitt: 39 %). Die im Handwerk besuchten Fortbildungsmaßnahmen haben überwiegend direkt mit dem beruflichen Fachgebiet zu tun (86 %). Deutlich geringere Nutzungswerte erhalten Maßnahmen zur Verbesserung sozialer Kompetenzen (17 %), EDV-Schulungen (16 %) und Sprachkurse (13 %).

Die MMB-Studie (2004) weist einen hohen Stellenwert des Austausches mit Kollegen und Vorgesetzten aus. Bei einer näheren Betrachtung dieses Sachverhaltes unter dem Blickwinkel der Theorie des Wissensmanagements führt dies zur Frage des Verhältnisses von Personalisierungs- und Kodifzierungsstrategie im Handwerk. Auf Hansen, Nohria und Tierney (1999) geht die prominente Unterscheidung von Wissensmanagementstrategien zurück, die diese auf der Grundlage von Fallstudien entwickelten und die im nicht weiter dargestellten Strategietableau von Storck und Henderson (2003) erweitert wird. Die Unterscheidung der Strategie ist generisch. So betonen Hansen, Nohria und Tierney: „Naturally, people-to-documents is not the only way consultants in firms like Ernst & Young

51

and Andersen Consulting share knowledge – they talk with one another, of course. What is striking, however, is the degree of emphasis they place on the codification strategy.” Sie vermerken: „As we’ve said, companies that use knowledge effectively pursue one strategy predominantly and use the second strategy to support the first: We think of this as an 80-20 split: 80% of their knowledge sharing follows one strategy, 20% the other.” (S. 112). Eine ähnlich gelagerte Unterscheidung von „cognitive network model“ mit vielen Parallen zur Kodifizierungsstrategie und dem „Community network model“ bauen Swan u.a. (1999) auf. Zur Kritik an der Kodifizierungsstrategie siehe Canner & Katzenbach (2004).

Wissensmanagement:

Kodifiziererungsstrategie

Wissensmanagement:

Personalisierungsstrategie

Strategie Wiederverwendung von kodifiziertem Wissen durch Informationssysteme

Suche Ratschläge bei strategischen Problemen; Weitergabe individueller Expertise

Geschäftskonzept „Reuse economics“: Ökonomie der Wissenswiederverwendung

„Expert economics“: Ökonomie individueller Expertise

Strategie beim Wissensmanagement

„People-to-documents“: Dokumentenbasierter Wissensaustausch

„Person-to-person“: Interpersoneller Wissensaustausch

IT Erhebliche Investitionen Moderate Investitionen

Beispiele für Unternehmens-beratungen

Andersen Consulting, Ernst & Young

McKinsey, Bain, ADL

Abbildung 8: Wissensmanagement: Kodifizierungs- und Personalisierungsstrategie nach Hansen, Nohria und Tierney (1999, S. 112) in Verbindung mit der Darstellung bei Probst u.a. (2000, S. 135ff.)

In der Kodifizierungsstrategie wird auf eine starke Informationstechnik gesetzt. Das Zusammenspiel von Informationstechnik und Wissensmanagement wird kontrovers diskutiert, die Positionen reichen von „Technology is incidental“ bis „Technology is everything“ (Holsapple, 2003). Liebowitz und Chen (2003) formulieren dies prägnant: „The mantra within the knowledge management community is that 80% of knowledge management is people and culture, and 20% is technology“. In Bezug auf die Fragestellung von Online-Communities stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob in handwerklichen Betrieben nicht die Personalisierungsstrategie dominiert und in welchem Verhältnis dies zu Online-Communites steht.

Die oben referierten Studien entwerfen generalisiert kein günstiges Bild für den Einsatz von Online-Communities im Handwerk. Es stellt sich die Frage, welche zukünftige Entwicklung

52

zu erwarten ist. Den referierten Befunden kann gegenübergestellt werden, dass jüngere Lerner andere – in Bezug auf die Fragestellung hier – günstigere Kompetenzen und Gewohnheiten mitbringen. Diese könnte in Zukunft die Rahmenbedingungen für Online-Communities im Handwerk verändern. In der Tat zeigt sich in einer Befragung von Auszubildenden und ÜBS-Ausbildungspersonal des BIBB zur Nutzung von berufsbezogenen Medien im Elektrohandwerk (Fogolin & Zinke, 2005), dass Auszubildende und ÜBS-Ausbildungspersonal andere Nutzungsgewohnheiten haben. Die Nutzung von Medien durch die Auszubildenden erfolge durchaus auch eigeninitiativ und intrinsisch motiviert. Dies deckt sich mit den auf dem Workshop in Dresden von Gert Zinke referierten allgemeineren Ergebnissen. Die skizzierten Befunde deuten an, dass sich die zielgruppenseitigen Bedingungen in der Zukunft verbessern könnten.

Allerdings sind Einwendungen zu machen. Die demographische Entwicklung macht eine Verschiebung in der Zusammensetzung der Zielgruppen handwerklicher Bildungsträger wahrscheinlich. Zu erwarten ist eine geringere Bedeutung von jungen Personen ohne Migrationshintergrund. Die Abbildung verdeutlicht die prognostizierte Entwicklung der Zahl der Schülerinnen und Schüler bis zum Jahr 2020.

0,6

0,7

0,8

0,9

1

1,1

1,2

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020

Ost West

Abbildung 9: Entwicklung der Schüler(innen) in Ost- und Westdeutschland (Ist- und Prognose-Werte, normiert, 2000=1, eigene Berechung auf der Grundlage von KMK-Daten)

In Ost- und Westdeutschland findet auf der Basis der Daten der KMK eine zum Teil nicht gleichläufige Entwicklung der Anzahl der Schülerinnen und Schüler an allen Schulen statt. In Westdeutschland ist diese Zahl zur Zeit noch steigend, wird aber nach dem voraussichtlichen Höhepunkt in 2005 sinken. Dann werden die Kinder der geburtenschwachen Jahrgänge der siebziger Jahre die Schule betreten. Anschließend ist eine nachhaltige Senkung zu erwarten. In Ostdeutschland sinkt die Zahl seit geraumer Zeit und wird voraussichtlich erst um 2011 wieder – auf ein niedriges Niveau – steigen.

53

Wenn die gewohnte Alterspyramide, wie die Bevölkerungsstatistiker sagen, Kopf stehen wird in Europa, ist dies auch eine Chance. Erstens mit Blick auf die „Älteren“. Wie immer dann die Zielgruppe genannt werden mag, „Ältere“ sind dann eine so gewichtige Zielgruppe wie noch nie. Eine Institution, die die Bedürfnisse dieser „Älteren“ in besonderer Weise anzusprechen vermag, hat also einen Startvorteil. Zweitens bedeutet dies, dass es zu einem Bevölkerungsrückgang kommen würde, der ganze Landstriche, einschließlich der dort vorhandenen Bildungsstätten, veröden ließe. Die bevölkerungsstatistischen Auswirkungen wären vergleichbar mit dem Dreißigjährigen Krieg. Dies ist jedoch unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist eine, auch durch den Wohlstand Europas motivierte, Migration in bisher nicht bekannten Ausmaßen. Für Bildungsträger böte dies eine Chance, ein Alleinstellungsmerkmal aufzubauen. Bildungsträger, die die Zielgruppe der Migranten besonders anzusprechen vermögen, haben dann einen Vorteil. Dabei ist nicht abzusehen, welche Bedingungen Personen mit Migrationshintergrund mitbringen werden. Schon ein kurzer Blick auf die Ergebnisse der internationalen Schulleistungsstudie PISA (OECD, 2002), beispielsweise bezüglich Lernstrategien, zeigt, dass nicht unbedingt mit einer Verschlechterung der Bedingungen zu rechnen ist.

• „Kulturelle Ermöglichung“ von Online-Communties

Communities in und zwischen Unternehmen, die unter Mitwirkung von Bildungsträgern moderiert werden, erfordern kulturelle Unterstützungsleistungen in drei Feldern: Kultur der Community, Unternehmenskultur, Kultur des Bildungsträgers. Für eine Online-Commnity werden im Bereich des Lernens am Arbeitsplatz Unterstützungsleistungen durch alle drei Kulturen erforderlich.

Abbildung 10: Kultureller Hintergrund von Online-Communities

Unternehmenskultur: Das Verhältnis von Kultur und Wissensmanagement in Unternehmen ist gut erforscht (Krause, Keindl, Fogolin, & Zinke, 2005; Wilbers, 2004). Eine „Knowledge-

54

Sharing Culture“ (Figallo & Rhine, 2002, S. 113ff.) in einem Unternehmen zeichnet sich durch drei Bedingungen aus:

• Vertrauen: “Was ich teile, wird nicht ausgebeutet oder gegen mich verwendet.“

• Toleranz: „Was ich einbringe, wird nicht unfair kritisiert oder für einen persönlichen Angriff verwendet.“

• Vorteil: „Ich werde profitieren, wenn ich etwas einbringe.“ Dabei sind ganz unterschiedliche Typen von Incentivierungen denkbar (Figallo & Rhine, 2002, S. 216ff.; Lawler, 2003).

Für das Assessment der Kultur in Unternehmen werden verschiedene Modelle vorgeschlagen (Figallo & Rhine, 2002, S. 120ff.). Diese korrespondieren stellenweise mit Modellen für das Assessment von Lernkultur (Sonntag, Stegmaier, Schaper, & Friebe, 2004).

Kultur der Community: Für die Entwicklung der Kultur von Online-Communities werden Prozessmodelle vorgeschlagen, die zur Grundlage von Qualifizierungsmassnahmen gemacht werden können. Ein prominentes Beispiel ist der Ansatz von Salmon (2000). Weiterhin werden verschiedene Techniken zum Aufbau von Vertrauen in virtuellen Teams dargelegt (Gibson & Manuel, 2003, S. 69ff.).

Kultur des Bildungsträgers: Die Bedingungen auf Seiten von handwerklichen Bildungsträgern erscheinen im Vergleich dazu kaum erforscht. Die weitere Forschung könnte hier an Arbeiten zum Wissensmanagement in Schulen ansetzen. Für Schulen habe ich in Auseinandersetzung mit der Literatur zum Wissensmanagement, der recht spärlichen Literatur zum Wissensmanagement in Schulen sowie einer engen Zusammenarbeit mit Praktikern eine Skala entwickelt, die den Zustand einer Bildungsinstitution identifiziert. Alle Items haben ein fünfstufiges Antwortformat (1 = trifft gar nicht zu, 2 = trifft wenig zu, 3 = trifft mittelmäßig zu, 4 = trifft überwiegend zu und 5 = trifft völlig zu). Die Polung erfolgt so, dass hohe Werte ein gutes ‚Enabling’ des Wissensmanagements in Schulen indizieren (Wilbers, 2004).

Variable Subskala Thema Item Pol.

BWS04 Kultur Non-Egalitaris-mus

In unserer Schule besteht eine Scheu, Unterschiede zwischen Lehrkräften sichtbar werden zu lassen. Man gerät schnell in den Geruch der Profilierungssucht.

(-)

BWS06 Shared Vision (1)

Unsere Schule hat gemeinsame Ziele und Visionen.

BWS09 Shared Vision (2)

Meine Kollegen und ich verfolgen gemeinsame Ziele und Visionen

55

leidenschaftlich.

BWS12 Commitment In unserer Schule ist man sich bewusst, warum es wichtig sein könnte, Wissen zu erfassen, zu erwerben, auszutauschen etc.

BWS14 Vertrauen (Reziprozität)

Wenn Andere ihr Wissen teilen würden, würde ich das auch tun.

(-)

BWS07 Vertrauen (Riskante Vor-leistungen)

Die Gefahr ist zu groß, dass man ausgenutzt wird, wenn man sein Wissen einbringt.

(-)

BWS01 Kollegialität Foren In unserer Schule sind konkrete und zielführende Diskussionen über Lehren und Lernen üblich.

BWS05 Unterrichts-besuche

Gegenseitige Unterrichtsbesuche mit nützlichem Feedback sind selten.

(-)

BWS15 Material-entwicklung

Oft entwickeln wir in unserer Schule gemeinsam Unterrichtsmaterialien oder machen gemeinsame Unterrichtspläne.

BWS17 Gegenseitiges Qualifizieren

Wir qualifizieren uns regelmäßig in der Schule gegenseitig.

BWS18 Infrastruktur Verantwortlich-keit

Wir haben eine klare Verantwortlichkeit für die Erfassung, den Zuwachs und den Gebrauch von Wissen in der Schule.

BWS16 Qualifikation Uns fehlt die Kompetenz bzw. ein Training im Umgang mit Wissen zwischen uns.

(-)

BWS08 Informations-technik

Wir haben eine gute Informationstechnik, die den Austausch von Wissen erleichtern könnte.

BWS19 Networking Wir haben gute interne und externe Netzwerke, in denen Wissen ‘zirkulieren’ kann.

BWS10 Gelegen-heiten

Zeit Uns fehlt die Zeit für die systematische Erfassung, den Zuwachs und den Austausch unseres Wissens.

(-)

BWS02 Gelegenheiten im Unterrichts-alltag

An einem normalen Schultag haben wir eigentlich kaum Möglichkeiten, Wissen auszutauschen.

(-)

BWS20 Gelegenheiten bei Besprechungen

Wenn wir uns auf Konferenzen oder ähnlichen Gelegenheiten in der Schule treffen, haben wir ausreichenden Raum für den Erwerb und den Austausch von Wissen.

56

BWS03 Wissens-modell

Nicht nur Learning-by-doing

Das Wissen, was man als Lehrkraft braucht, erwirbt jeder Einzelne vor allem durch ‚Learning-by-doing’.

(-)

BWS11 Wert pädago-gischer Forschung

Ergebnisse aus der pädagogischen Forschung kenne ich nicht oder sind für mich meist ohne Wert im Alltag.

(-)

BWS13 Dokumentation im Alltag

Das für uns relevante Wissen ist in den meisten Fällen gut dokumentiert.

Abbildung 11: Skala „Bedingungen des Wissensmanagements in Schulen“ (BWS)

Auf der Grundlage der mit Hilfe der Skala BWS erfassten Bedingungen für ein Wissensmanagement können konkrete Verbesserungsmaßnahmen ermittelt werden (Wilbers 2004).

• Bedeutung neuerer Techniken für Online-Communities

Die Diskussion um Online-Communities orientiert sich in Wissenschaft und Praxis noch immer stark am Modell der (asychronen) Diskussionsforen, das sich in seinen Grundstrukturen auf das usenet, einem der frühen Internetdienste zurückführen lässt. Heute sprechen einige Autoren bereits vom „Web 2.0“ (Weyand, 2005). In der Tat verändern neue Kommunikationsmöglichkeiten wie Weblogs und RSS (Röll, 2005), Podcasting (Rennstich, 2005), Wikis (Andersen, 2005) oder Techniken für M-Learning (Lehner, 2005) die Kommunikationsmöglichkeiten auch für Online-Communities. Die Bedeutung dieser technischen Änderungen für Communities sind bislang wenig erforscht.

Hinzukommen neue Anwendungsfelder, die unmittelbar in die Fragestellung hinein ragen. Zu nennen sind insbesondere Social network services. Social network services sind Softwareanwendungen, die dem Aufbau und der Pflege von sozialen Netzwerken dienen. Schon längere Zeit ist es üblich, dass Single- oder Dating-Angebote im privaten Bereich den Nutzerinnen und Nutzern erlauben, Profile mit diversen Vorlieben, örtlichen Präferenzen usw. anzulegen. Social network services nehmen dies auf und wenden dies vor allem auf den beruflichen Bereich an. Beispiele sind LinkedIn (www.linkedin.com) im angelsächsischen Bereich oder OpenBC (Open Business Community, www.openbc.com) im deutschsprachigen Raum. Die Person trägt hier zunächst ihr Profil und ihre Kontakte (friends) ein. Auf diese Weise entsteht ein soziales Netzwerk, das sich mehrfach nutzen lässt. Dies erlaubt beispielsweise die Suche nach Wegen im Netzwerk, die dann im Sinne einer „trusted connection“ (LinkedIn-Terminologie) aufgebaut werden können. Bekannte Social network Service-Angebote verbinden diese Suche nach Personen mit weiteren Angeboten, z.B. profilentsprechenden Jobangeboten (Berkshire, 2005). Es ist absehbar, dass sich diese Dienste um Kommunikationsfunktionalitäten wie Instantmessaging, beispielsweise ICQ, erweitern. Dazu gehören neben synchronen Kommunikationsmöglichkeiten (Chat, Videokonferencing), asychrone Kommunikationsmöglichkeiten (Foren, Textnachrichten, SMS, Grusskarten etc.), Filesharing,

57

Sharing von Blogs usw. Die Bedeutung dieser neuen Techniken für Online-Communities (im Handwerk) ist zur Zeit noch offen.

• Entwicklung von Geschäftsmodellen

Eine weitere Herausforderung ist die Entwicklung von Geschäftsmodellen, die den langfristigen Erfolg, auch nach Ausbleiben von Fördergeldern, ermöglicht. Zur Zeit scheint die Entwicklung von Geschäftsmodellen bei der Erforschung, Entwicklung und Erprobung von Online-Communities kaum beachtet zu werden. Die Auseinandersetzung könnte an einer differenzierten Analyse der Beispiele des Workshops in Stuttgart ansetzen.

• Das bfe Oldenburg führt seit einiger Zeit eine Vorbereitung auf die Meisterprüfung in den Elektrohandwerken als blended Learning an, das – so die Sprache am bfe – „Präsenzphasen“, „Selbstlernphasen“ sowie „betreute Lernphasen“ miteinander verbindet (Janßen, 2005).

• Das Internetangebot „E-volution“ der Firma Hager Tehalit richtet sich an Auszubildende, Gesellen, Meisterschüler, Existenzgründer, Betriebsnachfolger und Lehrer/Ausbilder. Es bietet keineswegs nur Produktinformationen. Ziel ist vielmehr die „besondere Unterstützung und Orientierungshilfen, wenn ein Wandel oder eine berufliche Veränderung ansteht“ (Haupert-Augustin, 2005, S. 48).

• Das Internetangebot „voltimum.de“ bietet Informationen zu Produkten und Dienstleistungen der Elektroinstallationstechnik, z.B. Produktkataloge oder Normendatenbanken. Die Finanzierung erfolgt über Katalog-Hosting-Beiträge der Herstellerpartner (Ender, 2005). Das Angebot ist verknüpft mit Bildungsträgern. So bietet das bfe Oldenburg dort Schulungen und Seminare an.

Die Diskussion konzentriert sich derzeit vor allem auf zwei Modelle, nämlich die ‚Verlängerung’ des Kursmodells (Beispiel der bfe Oldenburg) sowie das Modell der Herstellerinformationen (Beispiele „E-volution“ sowie „voltimum.de“). In der weiteren Forschung und Entwicklung wäre an parallel laufende Arbeiten anzuschließen. Zu nennen sind insbesondere die Ergebnisse des bereits erwähnten QUEM-Projektes „Schaffung und Sicherung der Rahmenbedingungen für kompetenzförderliches und selbst organisiertes Lernen durch Gestaltung einer virtuellen Learning-Community“ (Kröpelin & Kiedrowski, 2005). Weiterhin wären erfolgreiche Communities in ihrer Anlage zu analysieren. Zu denken wäre insbesondere an die Linux-Community oder Modelle wie openBC oder die SAP-Community. Folgende Teilmodelle eines Geschäftsmodells wären dabei zu berücksichtigen (Kröpelin, 2003).

Modellbezug Gegenstand Fragestellung

Leistungsangebot und Distribution

Produkte und Dienstleistungen

Welchen Nachfragern und welchen Kundengruppen werden welche Leistungen angeboten?

58

Prizing, Vertrieb, Vertriebslogistik

Welche Güter werden wem zu welchem Preis auf welchem Weg geliefert?

Leistungserstellung und Beschaffung

Produktion Wie werden die Vorprodukte in Leistungsangebote transformiert?

Lieferanten Welche Produktionsfaktoren werden wie beschafft?

Kapital Finanzierung Welche finanziellen Ressourcen fließen der Unternehmung zu?

Erlös Auf welche Weise werden die Erlöse erzielt?

Markt Nachfrage Wer fragt welche Leistung in welcher Menge und mit welcher Gegenleistung nach?

Wettbewerb Welche Akteure gestalten welche Rahmenbedingungen in Bezug auf die adressierten Absatzmärkte?

Abbildung 12: Partialmodelle eines Geschäftsmodells nach Kröpelin (2003)

Die Komplexität solcher Entwicklungen darf nicht verkannt werden. Kröpelin, Langer und Kuper (2003) skizzieren das Geschäftsmodell des E-Learning-Portals IHK.Online-Akademie wie in der folgenden Abbildung dargestellt.

59

Abbildung 13: Schematische Übersicht über ein Geschäftsmodell am Beispiel der IHK.Online-Akademie nach Kröpelin, Langer und Kuper (2004)

60

Literatur

Andersen, E. (2005). Using Wikis in a Corporate Context. In A. Hohenstein & K. Wilbers (Eds.), Handbuch E-Learning. (pp. 5.8, S. 1-15): Deutscher Wirtschaftsdienst.

Berkshire, J. C. (2005). 'Social Network' Recruiting. HR magazine, 50(4), 95-98.

Bieger, T., Schuh, G., Friedli, T., Tomczak, T., Fahrni, F., & Reinecke, S. (2004). Struktur der Geschäftsprozesse. In R. Dubs, D. Euler & J. Rüegg-Stürm (Eds.), Einführung in die Managementlehre. (Vol. 3, pp. 61-113). Bern: Haupt.

Bransford, J., Brown, A. L., & Cocking, R. R.-E. (2000). How People Learn. Washington, D.C.: National Academy Press.

Canner, N., & Katzenbach, J. R. (2004). Where "Managing Knowledge" Goes Wrong and What to Do Instead. In Leading Organizational Learning. Harnessing the Power of Knowledge. (pp. 27-37). New York: John Wiley & Sons.

Ender, E. (2005). www.voltimum.de - die erste @dresse der Elektroinstallation. In G. Zinke (Ed.), Netz- und communitybasierte Lerninfrastrukturen als Instrumente zur Prozessorientierung der Berufsausbildung in KMU und Handwerk. Workshopdokumentation. (pp. 55-56). Bonn: Bundesinstitut für Berufsbildung.

Figallo, C., & Rhine, N. (2002). Building the Knowledge Management Network. Best Practices, Tools, and Techniques for Putting Conversation to Work. New York: John Wiley & Sons.

Fogolin, A., Hahne, K., & Zinke, G. (2005). Lerninfrastrukturen und Online-Communities für arbeitsplatznahes, prozessbezogenes Lernen. In G. Zinke (Ed.), Netz- und communitybasierte Lerninfrastrukturen als Instrumente zur Prozessorientierung der Berufsausbildung in KMU und Handwerk. Workshopdokumentation. (pp. 5-8). Bonn: Bundesinstitut für Berufsbildung.

Frost, B., & Sydow, N. (2002). Knowledge-Communities. Plattformen für den persönlichen und virtuellen Wissenstransfer. In A. Hohenstein & K. Wilbers (Eds.), Handbuch E-Learning. (pp. 4.10.13, S. 11-13): Deutscher Wirtschaftsdienst.

Gibson, C. B., & Manuel, J. A. (2003). Building Trust. Effective Multicultural Communication Processes in Virtual Teams. In C. B. Gibson & S. G. Cohen (Eds.), Virtual Teams That Work. Creating Conditions for Virtual Team Effectiveness. (pp. 59-86). New York: John Wiley & Sons.

Hahne, K. (2002). Beispiele für arbeitsorientiertes E-Learning. In A. Hohenstein & K. Wilbers (Eds.), Handbuch E-Learning. (pp. 4.7.1, S. 1-3). Köln: Deutscher Wirtschaftsdienst.

Hansen, M. T., Nohria, N., & Tierney, T. (1999). What's your strategy for managing knowledge? Harvard Business Review, 77(2), 106–115.

Haupert-Augustin, G. (2005). E-volution - eine Initiative von Hager-Tehalit. In G. Zinke (Ed.), Netz- und communitybasierte Lerninfrastrukturen als Instrumente zur Prozessorientierung der Berufsausbildung in KMU und Handwerk. Workshopdokumentation. (pp. 48-50). Bonn: Bundesinstitut für Berufsbildung.

61

Hilker, C., & Bohlen, P. (2002). Community-Building bei femity.net - Ein Beispiel für den Aufbau einer Community of practice. In A. Hohenstein & K. Wilbers (Eds.), Handbuch E-Learning. (pp. 4.10.12, S. 11-14): Deutscher Wirtschaftsdienst.

Hölbling, G., & Reglin, T. (2005). Hybride Arrangements des Lernens mit modernen Informations- und Kommunikationstechnologien. In R. u. a. Matiaske (Ed.), E-Lernen: Hybride Lernformen, Online-Communities, Spiele.Berlin: QEUM-Report.

Holsapple, C. W. (2003). Knowledge and Its Attributes. In C. W. Holsapple (Ed.), Handbook on Knowledge Management 1. (pp. 165–188). Berlin/Heidelberg/New York: Springer.

Janßen, T. (2005). E-Learning, ein neuer Weg zur Meisterprüfung am bfe-Oldenburg. In G. Zinke (Ed.), Netz- und communitybasierte Lerninfrastrukturen als Instrumente zur Prozessorientierung der Berufsausbildung in KMU und Handwerk. Workshopdokumentation. (pp. 14-19). Bonn: Bundesinstitut für Berufsbildung.

Krause, A., Keindl, K., Fogolin, A., & Zinke, G. (2005). Checklisten und Gestaltungsempfehlungen zur Auswahl und zum Einsatz von Online-Communities. Bonn: Bundesinstitut für Berufsbildung.

Kröpelin, P. (2003). Mit Geschäftsmodellen für E-Learning den dauerhaften Projekterfolg sicherstellen. In A. Hohenstein & K. Wilbers (Eds.), Handbuch E-Learning. (pp. 5.11, S. 11-26): Deutscher Wirtschaftsdienst.

Kröpelin, P., & Kiedrowski, J. v. (2005). Einsatzkonzept und Geschäftsmodell für das E-Learning der Verbände. Wie Bildungsdienstleister ihre E-Learning-Angebote zugleich attraktiv und wirtschaftlich gestalten können. In M. H. Breitner & G. Hoppe (Eds.), E-Learning. Einsatzkonzepte und Geschäftsmodelle. (pp. 27-36). Heidelberg: Physica-Verlag.

Kröpelin, P., Langer, S., & Kuper, J. (2003). Das E-Learning-Portal IHK.Online-Akademie. In A. Hohenstein & K. Wilbers (Eds.), Handbuch E-Learning. (pp. 3.5.2, S. 1–4). Köln: Deutscher Wirtschaftsdienst.

Lawler, E. E. I. (2003). Pay Systems for Virtual Teams. In C. B. Gibson & S. G. Cohen (Eds.), Virtual Teams That Work. Creating Conditions for Virtual Team Effectiveness. (pp. 121-144). New York: John Wiley & Sons.

Lehner, F. (2005). Hard- und Software für M-Learning auswählen. In A. Hohenstein & K. Wilbers (Eds.), Handbuch E-Learning. (pp. 5.9, S. 1-23): Deutscher Wirtschaftsdienst.

Liebowitz, J., & Chen, Y. (2003). Knowledge Sharing Proficiencies: The Key to Knowledge Management. In C. W. Holsapple (Ed.), Handbook on Knowledge Management 1. (pp. 410–424). Berlin/Heidelberg/New York: Springer.

MMB (Institut für Medien- und Kompetenzforschung). (2004). Ergebnisbericht zur Studie eLearning-Anwendungspotenziale bei Beschäftigten. Essen: MMB-Institut.

Mollenhauer, R., & Nikolic, R. (2002). Die SAP Community. In A. Hohenstein & K. Wilbers (Eds.), Handbuch E-Learning. (pp. 4.10.11, S. 11-12): Deutscher Wirtschaftsdienst.

Montandon, C. (2004). Customer Focused E-Learning. In A. Hohenstein & K. Wilbers (Eds.), Handbuch E-Learning. (pp. 7.4, S. 1-21): Deutscher Wirtschaftsdienst.

62

OECD (Organisation for Economic Co-operation and Deleopment). (2002). PISA 2000. Paris: OECD.

Probst, G. J. B., Deussen, A., Eppler, M. J., & Raub, S. P. (2000). Kompetenz-Management. Wiesbaden: Gabler.

Reglin, T. (2005). Blended-Learning-Angebote richtig vermarkten. Ergebnisse einer qualitativen Analyse von Leistungsversprechungen. In A. Hohenstein & K. Wilbers (Eds.), Handbuch E-Learning (pp. 3.9, S. 1-32). Köln: Deutscher Wirtschaftsdienst.

Rennstich, J. K. (2005). Podcasting. In A. Hohenstein & K. Wilbers (Eds.), Handbuch E-Learning. (pp. 5.12, S. 11-13): Deutscher Wirtschaftsdienst.

Röll, M. (2005). Corporate E-Learning mit Weblogs und RSS. In A. Hohenstein & K. Wilbers (Eds.), Handbuch E-Learning. (pp. 5.11, S. 11-19): Deutscher Wirtschaftsdienst.

Salmon, G. (2000). E-Moderating. London/Sterling (USA): Kogan Press.

Seufert, S., Moisseva, M., & Steinbeck, R. (2002). Virtuelle Communities gestalten. In A. Hohenstein & K. Wilbers (Eds.), Handbuch E-Learning. (pp. 4.10, S. 11–20). Köln: Deutscher Wirtschaftsdienst.

Sonntag, K., Stegmaier, R., Schaper, N., & Friebe, J. (2004). Dem Lernen in Unternehmen auf der Spur: Operationalisierung von Lernkultur. Unterrichtswissenschaft, 32(2), 104-126.

Storck, J. S., & Henderson, J. C. (2003). Alternative Strategies for Leveraging the Knowledge Asset: A Framework for Managerial Decision-Making. In C. W. Holsapple (Ed.), Handbook on Knowledge Management 1. (pp. 507–521). Berlin/Heidelberg/New York: Springer.

Swan, J., Newell, S., Scarbrough, H., & Hislop, D. (1999). Knowledge Management and innovation: networks and networking. Journal for Knowledge Management, 3(4), 262–275.

Weyand, G. (2005). Hier ist das Medium, wo ist Ihre Botschaft? managerseminare(90), 46-48.

Wilbers, K. (2002). E-Learning didaktisch gestalten. In A. Hohenstein & K. Wilbers (Eds.), Handbuch E-Learning. (pp. 4.0, S. 1–42). Köln: Deutscher Wirtschaftsdienst.

Wilbers, K. (2004). Die Unternehmung und ihr Umgang mit Anspruchsgruppen. In R. Dubs, D. Euler & J. Rüegg-Stürm (Eds.), Einführung in die Managementlehre. (pp. 275–307). Bern: Haupt.

Wilbers, K. (2004). Soziale Netzwerke an berufsbildenden Schulen. Paderborn: Eusl.

Wilbers, K. (2005). Stolpersteine des Corporate E-Learning meistern: Stakeholdermanagement, Management von E-Learning-Wissen und Evaluation gestalten. Eine systematisierende Zusammenfassung. In K. Wilbers (Ed.), Stolpersteine beim Corporate E-Learning. (pp. 159-186). München: Oldenbourgh.

Zinke, G., & Fogolin, A. (2004). Nutzung von Online-Communities für arbeitsplatznahes, informelles Lernen. Bonn: Bundesinstitut für Berufsbildung.

63

64

Autoren

Angela Fogolin, Mitarbeiterin im BIBB, Tel: 0228/107 1427, Email: [email protected]

Dr. Klaus Hahne, Mitarbeiter im BIBB, Tel: 0228/107 1422, Email: [email protected]

Bernd Mahrin, Institut für berufliche Bildung, Hochschulbildung und Weiterbildungsforschung der TU Berlin, Email: [email protected]

Prof. Dr. Karl Wilbers, Assistenzprofessor für Wirtschaftspädagogik an der Universität St. Gallen, URL: http://www.karl-wilbers.de

Dr. Gert Zinke, Mitarbeiter im BIBB, Tel: 0228/107 1429, Email: [email protected]