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Chemotherapieinduzierte Alopezie Neue Strategien zur Prophylaxe Franz-Ferdinand Bitto, Alexander König, Nadia Harbeck, Rachel Würstlein Schon im Jahr 1961 beschrieb Otto Braun-Falko das Phänomen des Haarverlustes unter Chemotherapie [1]. Heute, nach mehr als 55 Jahren, belastet die chemotherapieinduzierte Alopezie immer noch viele Krebspati- enten – Männer wie Frauen –, die sich einer klassischen Tumortherapie unterziehen müssen. Möglicherweise kann der Haarausfall durch das sogenannte Scalp Cooling reduziert werden. Die US-amerikanische Food and Drug Administration hat kürzlich ein entsprechendes System zugelassen. D ie chemotherapieinduzierte Alo- pezie (CIA) zählt zu den Neben- wirkungen der zytostatischen erapie, die die Lebensqualität der be- troffenen Patienten mit am stärksten be- einträchtigt [2, 3, 4]. Die Körperbehaa- rung, insbesondere das Kopaar, spielt eine wesentliche Rolle für die eigene Identität. Sie ist Symbol und Ausdruck der Persönlichkeit. Verschiedene Studi- en belegen, dass das Haar sehr mit dem Gefühl von Attraktivität, von Weiblich- keit oder Männlichkeit verknüpſt ist [5]. Nicht zuletzt aus diesem Grund führt der chemotherapieinduzierte Haarver- lust zusätzlich zur Krebserkrankung selbst zu einer deutlichen psychischen Belastung der Betroffenen. In einer Stu- die aus dem Jahr 2010 werteten 47 % der Patientinnen den Haarverlust als den traumatischsten Aspekt der Chemothe- rapie. 8 % zogen sogar in Betracht, aus Angst vor dem Haarverlust die Chemo- therapie abzulehnen [6]. Darüber hinaus wurde beschrieben, dass Patienten mit CIA häufiger unter Depressionen und Angst leiden [7]. Auch Joachim Weis, Freiburg, schrieb 2014 über die Trauma- tisierung und Stigmatisierung von Krebspatienten durch eine Alopezie [8]. Pathophysiologische Hintergründe Die systemische zytostatische erapie wirkt auf alle schnell proliferierenden Zellen und damit auch auf die Keratino- zyten in der epithelialen Matrix der Haarfollikel. Etwa 90 % der Haarfollikel sind normalerweise in der Wachstums- phase. Dabei wächst das normale Haupt- © kirstyokeeffe / Getty Images / iStock Die Alopezieprophylaxe ermöglicht es Patientinnen, auf eine Perücke zu verzichten. 44 Im Focus Onkologie 2016; 19 (11) Fortbildung

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Chemotherapieinduzierte Alopezie

Neue Strategien zur ProphylaxeFranz-Ferdinand Bitto, Alexander König, Nadia Harbeck, Rachel Würstlein

Schon im Jahr 1961 beschrieb Otto Braun-Falko das Phänomen des Haarverlustes unter Chemotherapie [1]. Heute, nach mehr als 55 Jahren, belastet die chemotherapieinduzierte Alopezie immer noch viele Krebspati-enten – Männer wie Frauen –, die sich einer klassischen Tumortherapie unterziehen müssen. Möglicherweise kann der Haarausfall durch das sogenannte Scalp Cooling reduziert werden. Die US-amerikanische Food and Drug Administration hat kürzlich ein entsprechendes System zugelassen.

D ie chemotherapieinduzierte Alo­pezie (CIA) zählt zu den Neben­wirkungen der zytostatischen

Therapie, die die Lebensqualität der be­troffenen Patienten mit am stärksten be­einträchtigt [2, 3, 4]. Die Körperbehaa­rung, insbesondere das Kopfhaar, spielt eine wesentliche Rolle für die eigene Identität. Sie ist Symbol und Ausdruck der Persönlichkeit. Verschiedene Studi­en belegen, dass das Haar sehr mit dem Gefühl von Attraktivität, von Weiblich­keit oder Männlichkeit verknüpft ist [5].

Nicht zuletzt aus diesem Grund führt der chemotherapieinduzierte Haarver­lust zusätzlich zur Krebserkrankung selbst zu einer deutlichen psychischen Belastung der Betroffenen. In einer Stu­die aus dem Jahr 2010 werteten 47 % der Patientinnen den Haarverlust als den traumatischsten Aspekt der Chemothe­rapie. 8 % zogen sogar in Betracht, aus Angst vor dem Haarverlust die Chemo­therapie abzulehnen [6]. Darüber hinaus wurde beschrieben, dass Patienten mit CIA häufiger unter Depressionen und

Angst leiden [7]. Auch Joachim Weis, Freiburg, schrieb 2014 über die Trauma­tisierung und Stigmatisierung von Krebspatienten durch eine Alopezie [8].

Pathophysiologische HintergründeDie systemische zytostatische Therapie wirkt auf alle schnell proliferierenden Zellen und damit auch auf die Keratino­zyten in der epithelialen Matrix der Haarfollikel. Etwa 90 % der Haarfollikel sind normalerweise in der Wachstums­phase. Dabei wächst das normale Haupt­

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Die Alopezieprophylaxe ermöglicht es Patientinnen, auf eine Perücke zu verzichten.

44 Im Focus Onkologie 2016; 19 (11)

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Im Focus Onkologie. 2016;19(11):44-7; Mit freundlicher Genehmigung von Springer Medizin; © Springer Medizin Verlag GmbH 2016
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haar etwa 0,35 mm/Tag. Unter dem Einfluss der Chemotherapie kommt es innerhalb von 1–3 Wochen zum Haar-ausfall [9]. Dabei sind alle Bereiche des Körpers betroffen. Allerdings wird der Verlust des Haupthaares besonders of-fensichtlich, da am Kopf der Anteil der Haare in der Wachstumsphase am höchsten ist.

Schweregrade der AlopezieGemäß CTCAE(Common Terminology Criteria for Adverse Events)-v4.0 des NCI (National Cancer Institute) wird Alopezie in drei Schweregrade differen-ziert [10]: — Grad 0: kein Haarverlust, — Grad 1: Haarverlust < 50 %, der aus der

Entfernung nicht wahrgenommen wird, sondern nur bei direkter Inspek-tion, und mit einer anderen Frisur ka-schiert werden kann, ohne dass eine Perücke notwendig wird.

— Grad 2: Haarverlust ≥ 50 %, der für an-dere offensichtlich ist und möglicher-weise psychosoziale Auswirkungen mit sich bringt. Eine Perücke ist erfor-derlich, wenn der Patient es wünscht.

Für die Beurteilung der Alopezieprophy-laxe ziehen Hope Rugo, San Francisco, CA/USA, und andere jedoch die von der WHO-Klassifikation abgeleitete fünfstu-fige Dean-Skala heran (Tab. 1) [11, 12].

Ob ein Patient unter einer Chemothe-rapie eine Alopezie entwickelt, hängt vor allem von den verabreichten Zytostatika ab. Zu den Substanzen mit hohem Alo-peziepotenzial zählen Anthrazykline (Doxorubicin und Epirubicin), Taxane (Docetaxel, Paclitaxel), Cyclophospha-mid, Irinotecan und Etoposid. Unter Gemcitabin, Carbo- und Cisplatin, 5-Fluorouracil, Metothrexat oder Mito-xantron sowie Vinorelbin oder liposo-malem Doxorubicin sind das Risiko und auch der Schweregrad einer Alopezie ge-ringer [5]. Da viele Therapieregimes, die zur Behandlung des Mammakarzinoms eingesetzt werden, Anthrazyklin- und Taxan-basiert sind, sind vor allem Frau-en von einer CIA betroffen.

Prophylaxe der AlopezieSchon in den 1980er-Jahren wurden ers-te Untersuchungen zur Alopezieprophy-laxe durchgeführt. Neben pharmakolo-gischen Interventionen, die jedoch weit-

gehend nicht den Weg in die Klinik gefunden haben, fokussierte man sich dabei vor allem auf das sogenannte

„Scalp Cooling“. Die Rationale: Durch die kühlungsbedingte Vasokonstriktion der Blutgefäße in der Kopfhaut soll einerseits die Zytostatikaexposition der Haarfolli-kel so gering wie möglich gehalten wer-den. Andererseits soll die Reduktion der Temperatur den Stoffwechsel in den Haarfollikeln stark verlangsamen und die Keratinozyten weniger empfindlich gegenüber der zytotoxischen Substanz werden lassen [5]. In-vitro-Daten zeigen, dass eine Schädigung von Keratinozyten im Rahmen einer Zytostatika-Expositi-on durch Kühlung verhindert werden kann [13]. In den ersten Jahren wurden vor allem einfache Eispackungen und fle-xible Kryogelpackungen eingesetzt, die während der Chemotherapie häufig gewechselt werden mussten, um die Kopfhaut konstant unterkühlt zu halten. Dieses Vorgehen führte zu so wider-sprüchlichen Ergebnissen, dass Rob A. Tollenaar und Kollegen, Leiden, Nieder-lande, 1994 zu dem Schluss kamen, Scalp Cooling habe keinen Platz in der Alope-zieprophylaxe – zumindest nicht im Rahmen einer adjuvanten Chemothera-pie bei Brustkrebs [14].

Moderne Sensor-kontrollierte KühlsystemeErst in den letzten Jahren wurden zu-nehmend Systeme entwickelt, die es er-möglichen, die Kopfhaut gleichmäßig über einen längeren Zeitraum zu kühlen. Dabei werden Pumpen eingesetzt, die kontinuierlich über einen Zu- und Ab-fluss Kühlflüssigkeit im Bereich der

Kopfhaut zirkulieren lassen (Abb. 1). Im Vordergrund stehen dabei Systeme der Firmen Dignitana und Paxman. Dass diese Systeme effektiv sind, konnte in ei-ner Reihe von Untersuchungen gezeigt werden. Bereits 2010 werteten Corina J. van den Hurk, Eindhoven, und Kollegen Daten von Patienten aus dem Niederlän-dischen Scalp-Cooling-Register aus, die mit einem modernen Scalp-Cooling-System der Firma Paxman behandelt worden waren. Bei der Hälfte der Betrof-fenen (analysiert wurden Daten von 1.411 Patienten) hatte das Scalp Cooling dazu geführt, dass sie auf das Tragen ei-ner Perücke verzichten konnten [15]. Es zeigte sich aber auch, wie stark der Ein-fluss des Chemotherapieregimes ist: So profitierten 95 % der Patienten, die mit Paclitaxel behandelt worden waren, von der Kühlkappen-Prophylaxe, aber nur 8 % derer, die sich einer Kombinations-therapie mit TAC (Docetaxel, Doxoru-bicin, Cyclophosphamid) unterziehen mussten.

2015 präsentierte Rugo auf der Jahres-tagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) die Daten einer US-amerikanischen Studie, in der das DigniCap®-System der Firma Dignitana zum Einsatz gekommen war [11]. Aufge-nommen wurden insgesamt 122 Frauen, die an Brustkrebs erkrankt waren und sich unterschiedlichen – meist Taxan-basierten – Chemotherapien unterzie-hen mussten. Auch in dieser Studie führte die Kopfhauthypothermie zu ei-nem deutlich besseren Ergebnis: Bei 70,3 % der insgesamt 101 Patientinnen, die während der Chemotherapie mit dem DigniCap®-System behandelt wor-

Alopezieprophylaxe

Tab. 1: Schweregrade der Alopezie

Grad WHO Dean (zitiert in Rugo) [11] Friedrichs & Carstensen [12]

Haarverlust Haarverlust

0 keine Alopezie 0 % 0 %

1 minimale Alopezie ≤ 25 % 1 bis 24 %

2 mäßige, fleckige Alopezie > 25 % bis ≤ 50 % 25 bis 49 %

3 komplette, reversible Alopezie >50 % bis ≤ 75 % 50 bis 74 %

4 komplette, irreversible Alopezie > 75 % 75 bis 100 %

WHO = Weltgesundheitsorganisation

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den waren, wurde eine höhergradige Alopezie (Grad 3 und 4) verhindert. Pa-tientinnen, die sich keiner Alopeziepro-phylaxe unterzogen hatten, entwickelten zu 100 % eine Grad-3/4-Alopezie. Auf Basis dieser Studie wurde die DigniCap® 2015 von der US-amerikanischen Food and Drug Administration für die Alope-zieprophylaxe zugelassen.

In einer kleineren Untersuchung am Mammazentrum in Hamburg erwies sich das DigniCap®-System ebenfalls als praktikabel und effektiv. Bei 52,6 % der Patientinnen, die sich einer Anthrazy-klin und/oder Taxan-basierten adjuvan-ten Chemotherapie unterzogen, konnte eine Grad-3/4-Alopezie verhindert wer-den. 51,7 % konnten auf eine Perücke oder ein andere Kopfbedeckung verzich-ten [12].

Ähnliche Ergebnisse lieferte eine auf der Jahrestagung der Multinational As-sociation of Supportive Care in Cancer

(MASCC) 2016 vorgestellte Studie von Christian M. Kurbacher, Bonn, und Kol-legen [16]. Sie hatten in ihrer gynäkolo-gisch-onkologischen Gemeinschaftspra-xis ein Paxman-Kühlsystem während der ambulanten Chemotherapie bei Patien-tinnen mit Brustkrebs und verschiedenen gynäkologischen Tumoren eingesetzt.

Nebenwirkungen unter Scalp Cooling überschaubarDie wesentlichen Nebenwirkungen, die unter einer modernen Sensor-gesteuerten Hypothermiebehandlung auftreten, sind: — Kopfschmerzen, — allgemeines Kältegefühl und — Kreislaufbeschwerden. Insgesamt treten diese unerwünschten Wirkungen selten auf. Am häufigsten berichten die Patientinnen über Kopf-schmerzen. Diese nehmen allerdings in den meisten Fällen nach den ersten 15 Minuten der Behandlung rapide ab und

unterliegen einem Gewöhnungseffekt. Hier können erfolgreich nichtsteroidale Antirheumatika zur Schmerztherapie eingesetzt werden.

Die Befürchtung, eine verminderte Durchblutung der Kopfhaut könnte ein Versteck für disseminierte Krebszellen darstellen und so die Entstehung von Kopfhautmetastasen fördern, konnte wi-derlegt werden. Sowohl mit als auch ohne Scalp Cooling liegt das Risiko für eine Kopfhautmetastasierung bei etwa 1 % [17].

Über die Anwenderzufriedenheit gibt es kaum Daten. Im Rahmen des Versor-gungsforschungsprojektes EvaSCALP wird die Anwenderzufriedenheit derzeit am Brustzen trum der LMU München untersucht. In der Studie werden Pati-entinnen mit dem ORBIS-II-Kühlsys-tem der Firma Paxman behandelt und die entsprechenden Ergebnisse doku-mentiert.

Scalp Cooling ist kosteneffektivDass Scalp Cooling darüber hinaus kos-teneffektiv ist, konnten van den Hurk und Kollegen in einer weiteren Untersu-chung zeigen [18]. Sie betrachteten dazu 160 Patienten, die sich aufgrund verschie-dener Tumorerkrankungen einer An-thrazyklin- und/oder Taxan-basierten Chemotherapie unterzogen, und verglichen die entstandenen Kosten mit denen für die Standard-Behandlung. He-rangezogen wurde dazu das Verhältnis der Kosten zu qualitätsadjustierten Le-bensjahren (QALYs). Berücksichtigt wur-den u. a. die Kosten für das Scalp Cooling (Maschinenkosten und Personal) sowie Kosten für Friseurbesuche, Perücken oder Kopftücher. Insgesamt gingen durch das Scalp Cooling die Kosten zwar nur um 269 Euro pro Patient zurück, den-noch geht das Team um van den Hurk von einer positiven Bilanz aus. Denn vie-le Patienten, die vom Scalp Cooling pro-fitierten, hatten sich vorsorglich eine Pe-rücke anfertigen lassen [18].

Fazit für die Praxis— Scalp Cooling ist eine Methode, die

den Haarverlust unter Chemotherapie verringern kann. Moderne Scalp-Cooling-Systeme sind einfach anzu-wendende Geräte, deren Einsatz sich gut in den Alltag einer onkologischen Tagesklinik oder Praxis integrieren

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Abb. 1. Moderne Scalp-Cooling-Systeme wie von Paxman oder Dignitana arbeiten mit Pumpen, welche kontinuierlich über Leitungen Kühlflüssigkeit im Bereich der Kopfhaut zirkulieren lassen. Die Temperatur des Kühlmittels beträgt 3–4 °C, es ist also wesentlich wärmer als die alten Kühlkappen aus dem Gefrierschrank (-18 °C). Dies führt zu einer gleichmäßigen Kühlung der Kopfhaut auf ca. 21 °C und mildert die Nebenwirkungen stark. Je nach Therapieregime sollte eine Vorkühl- bzw. Nachkühl-phase einkalkuliert werden, um die Vasokonstriktion über das Maximum der Medika-mentenkonzentration im Blut hinaus aufrechtzuerhalten und so die Wirkung der Kühlung zu steigern. Die Patienten müssen dafür einen etwas längeren Aufenthalt (1–2 h zusätzlich zur normalen Verabreichungsdauer der Chemotherapie) in der Tages klinik in Kauf nehmen. Der sonstige Arbeitsablauf für die onkologischen Pflege-kräfte wird durch die Scalp- Cooling-Systeme nicht beeinträchtigt.

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Fortbildung Alopezieprophylaxe

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lässt. Als rein physikalische Maßnah­me ohne erwiesene Langzeitfolgen sollte sie im Rahmen einer Chemothe­rapie als Möglichkeit der Alopezieprä­vention in Betracht gezogen werden. Die selten auftretenden Nebenwirkun­gen sind in der Regel gut beherrschbar.

— Bei den Betroffenen stößt die Möglich­keit einer Alopezieprophylaxe auf gro­ßen Zuspruch. In unserem Brustzen­trum fühlen sich die Patientinnen mit ihrer Angst vor Haarverlust angenom­men und verstanden. Auch wenn die Methode nicht bei allen Patientinnen wirkt, trägt doch das Gefühl, etwas getan zu haben, dazu bei, mit dem Haarverlust besser umzugehen.

— Unsere Erfahrung im gesamten Be­handlungsteam (Ärzte wie Pflege) und die positiven Rückmeldungen unserer Patienten trugen zum Erfolg der Eta­blierung des Scalp Coolings als sup­portives Angebot in unserer Tageskli­nik bei.

— Seit Mitte 2015 wird das Orbis­II­Scalp Cooling­System der Firma Paxman am Brustzentrum der LMU München im Versorgungsforschungsprojekt EvaSCALP evaluiert.

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AutorenDr. med. Franz-Ferdinand BittoDr. med. Alexander KönigProf. Dr. med. Nadia HarbeckDr. med. Rachel Würstlein

KorrespondenzautorDr. med. Franz-Ferdinand BittoBrustzentrum, Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Klinikum der Universität München, CCC MünchenMaistrasse 11, 80337 Mü[email protected] muenchen.de

Für die Arbeitsgemeinschaft Supportive Maßnahmen in er Onkologie, Rehabilitation und Sozialmedizin der Deutschen Krebsgesellschaft (ASORS). ASORS im Internet: www.asors.de

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