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Richard Leinstein 1 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Shakespeare Inhaltsverzeichnis Shakespeare (und das Drama seiner Zeit) ............................................................................................... 2 Renaissance und Theaterblüte in England .......................................................................................... 2 Das elisabethanische Weltbild ........................................................................................................ 2 Das elisabethanische Theater ......................................................................................................... 2 William Shakespeare: Bürger, Schauspieler und Dramatiker ............................................................. 2 Die Texttradition.............................................................................................................................. 2 Die Verfasserschaftsfrage................................................................................................................ 3 Versepen und Sonette ......................................................................................................................... 3 Versepen: Venus and Adonis und The Rape of Lucrece................................................................... 3 Die Sonette ...................................................................................................................................... 3 Das dramatische Werk I: Die Komödien.............................................................................................. 4 Gattungstheorie und Gruppierungsversuche.................................................................................. 4 Der Kampf der Geschlechter: The Taming of the Shrew ................................................................. 4 Liebe und Krieg: Troilus und Cressida.............................................................................................. 5 Das dramatische Werk II: Die Historien .............................................................................................. 6 Gattungstheorie, Einzelhistorien und zwei Tetralogien .................................................................. 6 Die zwei Körper des Königs oder das Selbstverständnis des Herrschers: Richard II ....................... 6 Der Nationalheld im Spannungsfeld von Panegyrik und Dekonstruktion: Henry V ........................ 7 Rollenspiele und die Faszination des Bösen: Richard III.................................................................. 8 Das dramatische Werk III: Die Tragödien ............................................................................................ 8 Gattungstheorie und Gruppierungsversuche.................................................................................. 8 Römische Vergangenheit und Elisabethanische Gegenwart: Julius Cäsar ...................................... 9 „Blood will have blood“ oder Verbrechen zeugt Verbrechen: Macbeth ...................................... 10 Das Zaudern der Ausstieg aus der Politik: Hamlet ........................................................................ 10 Die Macht der Liebe und die Macht des Schicksals: Romeo and Juliet ......................................... 11 Shakespeares Zeitgenossen .............................................................................................................. 12 Dramatiker und dramatische Gattungen ...................................................................................... 12

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Richard Leinstein

1 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Shakespeare

Inhaltsverzeichnis Shakespeare (und das Drama seiner Zeit) ............................................................................................... 2

Renaissance und Theaterblüte in England .......................................................................................... 2

Das elisabethanische Weltbild ........................................................................................................ 2

Das elisabethanische Theater ......................................................................................................... 2

William Shakespeare: Bürger, Schauspieler und Dramatiker ............................................................. 2

Die Texttradition.............................................................................................................................. 2

Die Verfasserschaftsfrage ................................................................................................................ 3

Versepen und Sonette ......................................................................................................................... 3

Versepen: Venus and Adonis und The Rape of Lucrece ................................................................... 3

Die Sonette ...................................................................................................................................... 3

Das dramatische Werk I: Die Komödien .............................................................................................. 4

Gattungstheorie und Gruppierungsversuche .................................................................................. 4

Der Kampf der Geschlechter: The Taming of the Shrew ................................................................. 4

Liebe und Krieg: Troilus und Cressida .............................................................................................. 5

Das dramatische Werk II: Die Historien .............................................................................................. 6

Gattungstheorie, Einzelhistorien und zwei Tetralogien .................................................................. 6

Die zwei Körper des Königs oder das Selbstverständnis des Herrschers: Richard II ....................... 6

Der Nationalheld im Spannungsfeld von Panegyrik und Dekonstruktion: Henry V ........................ 7

Rollenspiele und die Faszination des Bösen: Richard III .................................................................. 8

Das dramatische Werk III: Die Tragödien ............................................................................................ 8

Gattungstheorie und Gruppierungsversuche .................................................................................. 8

Römische Vergangenheit und Elisabethanische Gegenwart: Julius Cäsar ...................................... 9

„Blood will have blood“ oder Verbrechen zeugt Verbrechen: Macbeth ...................................... 10

Das Zaudern der Ausstieg aus der Politik: Hamlet ........................................................................ 10

Die Macht der Liebe und die Macht des Schicksals: Romeo and Juliet ......................................... 11

Shakespeares Zeitgenossen .............................................................................................................. 12

Dramatiker und dramatische Gattungen ...................................................................................... 12

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2 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Shakespeare

Shakespeare (und das Drama seiner Zeit)

Renaissance und Theaterblüte in England

Das elisabethanische Weltbild

Shakespeare stellt viel mehr Fragen, als dass er Lösungen und Antworten präsentiert

Umbruchszeit vom Theozentrischen Weltbild des Mittelalters zum anthropozentrischen Weltbild der

Neuzeit. (Diskussion über Erkenntnisfähigkeit des Menschen, divergierende Wirklichkeitsbeurteilung)

Ansicht: Das Weltganze ist als universale Ordnung zu verstehen. Die Einheit ist gottgemacht und alles

hat seinen Platz. Hierarchische Ordnung (Treppe).

Für Elisabethaner zentrale Vorstellung: Analogie und Korrespondenz. Spiegel als beliebteste

Metapher, Korrespondenz zwischen Makokosmos und Mikrokosmos „Mensch“. Theorie der

Lebenssäfte (humors) Charakterstereotypen: Sanguiniker, Phlegmatiker, Choleriker,

Melancholiker.

Mensch als Gemeinschaftswesen. Der König jedoch steht an der Spitze.

Ursprünglich perfekte Ordnung durch Sündenfall des Menschen erschüttert. Verfall eingeleitet.

Das elisabethanische Theater

Öffentliche Theater, in welchen vom Handwerkerlehrling bis zum Höfling jeder willkommen war.

Privatwirtschaftliches Unterhaltungstheater, keine Kultur- und Bildungsinstitution! Theater war

besonders Puritanern Dorn im Auge, da hier Menschen Rollen spielten, die ihnen von der göttlichen

Ordnung her nicht zustanden. Das Theater ließ sich nicht in die Hierarchie der Autoritäten und

Kontrolen einbinden Bedrohung der zivilen Ordnung.

Theater befinden sich außerhalb der Stadt, außerhalb der städtischen Jurisdiktion!

Bühne: Nach drei Seiten offen. Konzeption der Szene als selbstständige Einheit, da der Mangel einen

Vorhangs keine großen Ortswechsel symbolisieren lässt. Verzicht auf Kulissen, da diese dem

Publikum die Sicht nehmen würden! Stattdessen: Wortkulisse. Größere Flexibilität, größere

Sprachliche Genialität vonnöten! Das elisabethanische Theater fußt nicht nur auf den lateinischen

Wurzeln von Plautus und Seneca, sondern auch auf der mittelalterlichen Tradition der mystery und

morality plays (Vermischung von Bibelstücken mit derben Raufszenen), Heilsgeschichte und

Schwank. Dramatisierung eines ethischen Entscheidungskonfliktes eines Individuums.

William Shakespeare: Bürger, Schauspieler und Dramatiker William besuchte eine grammar school und war später Teilhaber an Theatern (Globe, Blackfriars).

Seine Familie hat das Recht, ein Wappen zu tragen und er führt die Standesbezeichnung gentleman.

Er erfreute sich als Schauspieler und Dramatiker bereits 1592 einiger Beliebtheit. Stratford war wohl

nicht Altersruhesitz, da es den Vorstellungen von Daheimsein/Auswärtssein, Geschäft/Muße eines

Gentlemans widersprochen hätte, sein Leben nur in London zu verbringen. Erfolgreicher Kaufmann

und Investor.

Shakespeare starb am 23. April 1616

Die Texttradition

First Folio: 36 Dramen, die sieben Jahre nach Shakespeares Tod veröffentlicht wurden.

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3 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Shakespeare

Shakespeares Manuskripte waren Gebrauchstexte für das Theater und wurden beständig neuen

Verhältnissen angepasst und überarbeitet.

Die Verfasserschaftsfrage

Zur Zeit gibt es eine Gruppe, die in Edward de Verre, 17th Earl of Oxford, den wahren Verfasser der

Shakespeare-Dramen sieht. Sie nimmt an, er habe den „ungebildeten Bauernjungen“ vorgeschoben,

da das Theater zu jener Zeit dem gesellschaftlichen Niveau eines Earls nicht genügen konnte. Eine

Gegenprobe jedoch führt auch nicht zu einer eindeutigen Feststellung, dass die Oxfordianer recht

hätten.

Problem: Es gibt tatsächlich kein Dokument, das Wiliam Shakespeare, gentleman aus Stratford, der

Verfasser der unter seinem Namen überlieferten Dramen, Versepen und Sonetten ist.

Versepen und Sonette

Versepen: Venus and Adonis und The Rape of Lucrece

Beurteilung in elisabethanischer Gattungstradition: Zusammen mit Marlowes Hero and Leander

Höhepunkt der produktiven Ovid-Rezeption. Ovid war Schullektüre, eine englische Übertragung lag

jedoch vor. Die Epen entstanden zu einer Zeit, als die Theater in London wegen der Pest geschlossen

wurden. Vielleicht tat er dies, um sich als Dichter bei Hofe oder in der Literaturszene zu etablieren.

Venus and Adonis

Auf einer Transposition basierend, doch um eigene Ergänzungen erweitert konturierte Shakespeare

den Gegensatz zwischen dem kühl-abweisenden Adonis und der hitzig-aggressiven Venus.

Kreativer Gebrauch Petrarkischer Elemente. Verkehrung der Geschlechterrolle, Verweigerung der

Liebeserfüllung. Spiel mit den gender-Konventionen = Spiel mit dem Publikum.

Symbolprägung:

sexuell aktive Frau

noch nicht erwachsener Jüngling

The Rape of Lucrece

Lucrezia wird von Tarquinius vergewaltigt und bringt sich selbst um, nachdem sie ihre Familie über

die Schandtat informiert hat. Bei Shakespeare generieren die Figuren und ihre Entscheidungen die

weitere Handlung, nicht das Schicksal. Shakespeare wechselt die Wahrnehmungsperspektiven und

gelangt so zu psychologisch authentischen Schilderungen.

Venus und Adonis / The Rape of Lucrece lassen sich als Gegenpaar betrachten: Beide arbeiten mit

der traditionellen Liebeslyrik, wobei The Rape of Lucrece die latent misogynen und gewalttätigen

Attribute der höfischen Liebesästhetik aufdeckt.

Die Sonette

Quarto-Ausgabe Thomas Thorpes (über die textliche Zuverlässigkeit herrscht keine Einigkeit) ist die

einzige erhaltene Textfassung. 4 zentrale Fragenkompexe:

the nature and status of the text

the connotations of Thorpe’s description of a „Mr. W. H.“ as „onlie begetter“ of the Sonnets

the date of composition and the extent to which this is reflected in the order of the sonnets

the connexions of particular parts of the sequence with real-life figures

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4 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Shakespeare

Es fällt schwer, die in den Sonetten angesprochenen Figuren (Freund, Dichter, Dichterrivale, Dark

lady) mit realhistorischen Personen aus Shakespeares Umfeld zu identifizieren.

Wertung:

Untersuchungen zur rhetorischen Gestaltung, zur Subjektkonstitution, Vergleiche mit den Erzählmodi

der Sonettzyklen der Romania, wie auch Vergleiche mit den Gestaltungs- und Aussagemodi bisher

kaum beachteter englischer Sonettzyklen konturierten in den letzten Jahrzehnten die spezifischen

Qualitäten des Sonettzyklus Shakespeares.

Both the sonnets and Shakespeare’s plays combin verbal artistry with psychological exploration.

Das dramatische Werk I: Die Komödien

Gattungstheorie und Gruppierungsversuche

Komödie ist zur Zeit Shakespeares alles, was nicht unter den Begriff Tragödie oder Historie fällt. In

der englischen Komödiendefinition wird das unterhaltende Element unterstrichen: die Funktion der

Belustigung bleibt dominant. Belustigung, Jux, Unterhaltung.

Komödie/Schauspiel als Therapie. Die Komödie hat aber auch eine didaktische Wirkungsabsicht,

denn sie zeigt die „common errors of our life“. Die allgemeinen Fehler sollen der Lächerlichkeit

preisgegeben werden: Leichtsinn, Modetorheit, Streitsucht, Geiz. Die Komödien Shakespeares sind

jedoch uneinheitlich und lassen sich nicht in Kategorien wie romantic comedies, festive comedies,

dark comedies, problem plays, romances einteilen. Eher lassen sich die Stücke ihrer chronologischen

Entstehungszeit nach gruppieren:

1. Frühe Komödien: Comedy of Errors: The taming of the shrew; The Two Gentlemen of

Verona; Love’s Labour’s Lost; The Merry Wives of Windsor

2. Fröhliche Komödien: A Midsummernight’s Dream; Much Ado about Nothing; As You Like It,

Twelfth Night Diese Gruppe ist komplexer als die Frühen Komödien

3. Problemkomödien: (Etwa zeitgleich mit der 2. Gruppe entstanden): The Merchant of Venice;

Troilus and Cressida; All’s Well That Ends Well; Measure for Measure.

4. Romanzen: (hier ist die Einteilung nicht umstritten): Pericles; Cymbeline; The Winter’s Tale;

The Tempest Diese Stücke haben Wurzeln in der Tradition und Motivik der hellenistischen

und mittelalterlichen Romanzen.

Lysander aus A Midsummer Night’s Dream definiert das Programm fast jeder Komödien-Handlung:

„The course of love never did run smooth“

Der Kampf der Geschlechter: The Taming of the Shrew

Hier ist nicht das Werben das Hauptthema der Liebeskomödie, denn die Hochzeit findet bereits im

dritten Akt statt. Die Ehe wird jedoch nicht vollzogen, ehe die widerspenstige Ehefrau Katherine

erfolgreich gezähmt ist. Beliebtes Thema, doch während sonst eine physische Zähmung

vorangetrieben wird, geht Shakespeare psychologisch vor.

Hauptthemen:

patriarchalische Sozialhierarchie

sex-gender-Problematik (Über das Geschlecht hinausgehende Identitätskonstituierende

Differez der Geschlechter im öffentlichen und privaten Bereich)

Ehe als Unterordnung der Frau. „Taming“ bedeutet so viel wie „Domestizierung“

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5 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Shakespeare

Väter können ihre Töchter ohne deren Einwilligung verheiraten, wobei monetäre Überlegungen oft

die Entscheidungen beeinflussen: Katherine verweigert dies und wird gegen ihren Willen verheiratet,

Bianca spielt das gefügige Mädchen und wird an den meistbietenden versteigert, sie vereitelt die

väterlichen Pläne jedoch durch die heimliche Vermählung mit Lucentio. Shakespeares Komödie

enthält sich der Wertung, welcher Wert wertvoller ist. Petruccio formuliert in seiner Werbung sein

traditionelles Frauenbild, indem er diese tradtitionellen Werte an Katherine lobt. Er definiert sie als

Spiegelbild zu seiner Begierde, und sie soll diesem Spiegelbild entsprechen.

Katherine scheitert an ihrem eigenen Schweigen und der Interessensallianz der Männer, für die die

Verheiratung Katherinas die Grundlage für das nächste Geschäft, die Verheiratung Biancas, ist.

Petruccio gewinnt, die Ehe wird geschlossen und er „zähmt“ Katherine mit psychischer Folter:

Nahrungs- und Schlafentzug. Er jedoch teilt willig diese Drangsale.

Als Katherine zu reagieren beginnt zeigt sich, dass Petruccio der Regisseur ist und die Regeln für

Katherines Agieren vorbestimmt. Er spielt den aktiven Part und sie reagiert wie gewünscht.

Der Schlussmonolog ist in der Kritik umstritten.

Publikumsreaktion

Das elisabethanische Publikum wird den Schlussmonolog wohl als Affirmation der konventionellen

Geschlechtervorstellungen verstanden haben. Aus der Perspektive des ausgehenden 20.

Jahrhunderts heraus kann die „Zähmung“ auch als eine Uminterpretation des alten Musters von

Macht und Unterordnung angesehen werden, was schließlich in einer partnerschaftlichen Beziehung

resultiert. Es stellt sich dabei jedoch die Frage, ob dann noch Shakespeares Text interpretiert wird,

oder bereits die Einflüsse des 20. Jahrhunderts gelten. Die „Zähmung“ unterscheidet sich dann doch

deutlich von dem, was Antoine de Saint-Exupéry den Fuchs als „Zähmung“ vermittelt lässt:

Vertrautmachung.

Es gibt zu diesem Drama eine Fortsetzung von John Fletcher, in welcher Petruccio als Witwer nun von

seiner zweiten Frau „gezähmt“ wird. The Woman’s Prize

Liebe und Krieg: Troilus und Cressida

Einziges Drama, das von einem Krieger in Waffen eröffnet wird, außerdem fehlt die Bitte um

freundliche Aufnahme des Stücks, der Prolog endet schroff und unvermittelt. Die Wortkulisse, die das

Publikum in das Geschehen einführt hingegen ist durchaus traditionell. Das Säbelrasseln des Prologs

jedoch wird durch die Bemerkung gebrochen, es ehe bei dem Krieg lediglich um eine Hure (Helena)

und einen betrogenen Ehemann.

Die Liebeshandlung zwischen Troilus und Cressida verläuft scheinbar unabhängig vom

Kriegsgeschehen, doch Cressida erhält am Morgen ihrer ersten Liebesnacht den Befehl, sich gegen

einen von den Griechen gefangenen wichtigen Trojaner austauschen zu lassen. Cressida wird dort

jedoch zur Geliebten des Diomedes, was Troilus in tiefe Verzweiflung stürzt.

Das Stück wird von der Forschung als eines der rätselhaftesten Dramen Shakespeares betrachtet, es

appelliert jedoch deutlich an Zuschauerreaktionen und fordert auf, sich aufgrund der Vielzahl der

dargebrachten Meinungen ein eigenes Bild zu machen.

Das Drama lässt sich so interpretieren, dass hier zwei Völker der selben Menschenfamilie

miteinander im Streit sind, die von ihren Anführern in dem Glauben, die jeweilige Ehre entweder

zurückgewinnen oder verteidigen zu müssen, in einen tödlichen Kampf geführt werden. Düsterer,

deprimierender Grundtenor. Hektor: Helena ist das Leben so vieler Menschen nicht wert. Er ändert

jedoch seine Anschauung und schließt sich der Meinung seiner Brüder an, Helena zu behalten und

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6 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Shakespeare

den Krieg somit fortzuführen. Er wird damit zur Metapher der „Unterordnung von Vernunft, Einsicht

und Logik unter die politische Unvernunft, für Blindheit und für den Opportunismus der

Mehrheitsmeinung, der Tradition, der Staatserhaltung“. Der Krieg frisst seine Kinder.

Troilus und Cressida: Immanenter Zusammenhang von aggressiver männlicher Sexualität und Krieg.

Es geht in den Kämpfen nie um Liebe, immer nur um den Besitz von Körpern.

Shakespeare präsentiert eine reine Männerwelt in diesem Stück. Die Frauen sind Opfer, manipulierte

Objekte, hilflose Zeuginnen und Zuschauerinnen männlicher Interessenspolitik. Darstellung von Liebe

als Besitz- und Machtverhältnis. Die durch keine weiblichen Bindungen gezügelte Macht ist genauso

selbstzerstörerisch wie die durch keine Liebe gezügelte und veredelte Sexualität. Macht- und

Sexualtrieb fressen sich gegenseitig auf, so wie es Odysseus bereits zu Anfang in seiner großen Rede

formuliert.

Sexualität und Macht verbinden sich in einer ausschließlich von Männern regierten und

beherrschten Gesellschaft zu Sex, Macht und Krieg, weil in ihr wahre Liebe, welche sich

notwendiger Weise auf Gleichheit, Gegenseitigkeit und Harmonie gründet, nicht entstehen kann.

Solch eine Gesellschaft ist innerlich krank und zum Sterben verurteilt.

Jedoch: Die Diagnose einer Krankheit ist die Bedingung der Möglichkeit ihrer Heilung.

Das dramatische Werk II: Die Historien

Gattungstheorie, Einzelhistorien und zwei Tetralogien

Die Herausgeber des First Folio betrachteten die Historien als abgrenzbare Gruppe, in der Stoffe aus

der nationalen englischen Geschichte auf die Bühne gebracht wurden.

Deutlichen Akzentuierung des öffentlich-politischen Lebens. Generische Hybridität der Dramen, da

sowohl Elemente der Komödie (Henry IV) als auch der Tragödie (Richard II) integriert sind.

Geschichtsschreibung der Tudorzeit als Referenzrahmen

King John und Henry VIII dürfen als Prolog und Epilog zu den beiden Tetralogien (Sequenzen von

jeweils vier Einzeldramen) betrachtet werden, welche dann die etwa hundert Jahre umfassende

Vorgeschichte der Tudor-Herrschaft dramatisieren. Eine moralische Deutung des dramatisierten

Geschehens liegt nahe.

Tudor Myth: Mit und in der Herrschaft der Tudors (Henry VII, Henry VIII, Edward VI, Mary Tudor,

Elisabeth I) vollendet ich die Geschichte Englands.

Forschungsstand:

Moderne Forschung: Analyse als Einzeldramen / Beschränkung auf prägnante Aspekte (Legitimität

von Herrschaft, Verhältnis Herrscher-Untertanen), des Weiteren: Interesse an intertextuellen

Diskursen.

Häufig wird Mehrstimmigkeit zum übergeordneten Prinzip in der Konzeption der einzelnen Historie.

Die zwei Körper des Königs oder das Selbstverständnis des Herrschers: Richard II

Richard II ist ein durch und durch politisches Drama, so versprach sich der Graf von Essex von einer

von ihm finanzierten Aufführung Unterstützung für den Putschversuch des folgenden Tages. Auch

Königin Elisabeth verglich sich nicht nur mit Richard II, sie erkannte auch die Brisanz insbesondere

der berühmten Absetzungsszene IV,1, die in den drei zu ihren Lebzeigen gedruckten Quarto-

Ausgaben auf Anordnung des Zensors gestrichen wurde.

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7 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Shakespeare

Darstellung unterschiedlicher Herrschaftskonventionen: mittelalterlich sakramental |

machiavellistisch pragmatisch (Richard II | Henry Bolingbroke (später Henry IV))

Richard II überprüft verschiedene religiöse, philosophische und politische Modelle, Welt, Gesellschaft

und Herrschaft zu verstehen, auf ihren Realitätsgehalt.

Handlung; Ein offenkundlich schwacher, unfähiger König, der sein Land durch persönliche Miss-

und Günstlingswirtschaft ruiniert hat, wird abgesetzt, bzw. gezwungen, seine Krone einem neuen

Regenten zu übergeben, der das Vertrauen nicht nur fast des gesamten Adels, sondern auch des

Volkes genießt und der alle Eigenschaften einen kompetenten, selbst- und machtbewussten

Herrschers mitzubringen scheint.

Die Frage nach der Legitimität der Absetzung jedoch lässt Shakespeare offen, indem er das Selbst-

und Königsverständnis ganz aus dem Geist des absolutistischen Mythos vom König als dem Gesalbten

Gottes entwirft.

Richard: Widerspruch sakrale menschliche Natur des Königtums. Beide Herrschernaturen

verschmelzen in der mystisch-theologischen Einheit der zwei Körper des Königs.

Body politic: Im Gegensatz zum natürlichen Körper ist der politische Körper unsterblich.

Richard inszeniert seine eigene Abdankung als Inversion des Krönungsritus. Er stilisiert sich zum

königlichen Märtyrer. Diese „Vorstellung“ verweist auf das theatrum mundi. Machtausübung als

Inszenierung eines schönen Scheins für die Untertanen.

Henry Bolingbroke: Pragmatische Herrschaftskonzeption. Während sich Richard wortgewaltig

mitteilt, wird Bolinbrokes Ideologie im praktischen Handeln deutlich. Diese Praxis spiegelt eine

empirische Herrschaftsauffassung im Sinne Machiavellis wider. Henry bekommt den sakramentalen

Status, der Richard abgesprochen wurde, aufgrund seiner Leistungen. Die Erhaltung von Macht und

Thron jedoch erweist sich als schwieriger als deren Erlangung.

Das Drama Richard II zeigt also nicht nur die Schwächen der absolutistischen Ideologie Richards,

sondern auch die Schwächen in Henrys Pragmatismus. Verweigerung einer eindeutigen

Stellungnahme des Autors. Ablösung und Gegeneinander von Ideologien.

Der Nationalheld im Spannungsfeld von Panegyrik und Dekonstruktion: Henry V

Außerordentliche Variationsbreite im Verständnis des Protagonisten Henry V, Schwierigkeit bei der

Einordnung des Dramas (Romanze, Komödie, episches Drama, Tragödie, problem play, Satire)

Fünf Kriterien, die Henry V als das selbstkritischste und am meisten reflektierende Drama

Shakespares belegen:

1. der generisch hybride Charakter dieser Historie

2. der reflektierte Einsatz metadramatischer Elemente

3. die ironische Struktur

4. die Sprache als Spiegel problematischer Grundsatzfragen (Gewalt, Sexualität)

5. das Infragestellen grundlegender Werte (z.B. Königtum und Religion)

Das Stück lässt sich somit nicht mit Hinblick auf eine patriotisch-historische Interpretation

vereinfachen.

Geschickter und innovativer Einsatz der Chorus-Figur. Jeder Akt wird von einer Chorusrede

eingeleitet, übernimmt den Prolog und auch die abschließende Wertung. Dieser Chorus ist an der

Schaffung des heroischen, in der vollen Gnade Gottes wandelnden Herrschers beteiligt, wirkt aber

auch illusionsbrechend, indem er das Publikum beständig daran erinnert, dass es selbst Til der

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8 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Shakespeare

dramatischen Aufführung ist und mit kreativer und zugleich gelenkter Phantasie die theatralische

Illusion selbst erzeugen muss.

Unzuverlässigkeit des Chores

Die Redebeiträge des Chores konzentrieren sich nahezu ausschließlich auf den König, des Weiteren

passen die patriotisch-heroischen Ankündigungen des Chors häufig nicht zu dem dann im folgenden

szenisch Dargestellten.

Henry untergräbt die von der Kirche gelieferte Legitimität des Krieges (Herrschaftsanspruch in

Frankreich und ruhmreiche Vorfahren), indem er Rache und Vergeltung für die Beleidigung durch den

Dauphin als Kriegsgrund anführt.

Vom Chor evozierte Publikumserwartungen werden nicht erfüllt. Die Widersprüche zwischen den

Redebeiträgen des Chores und dem szenisch präsentierten Geschehen werden zum Strukturmerkmal

der Historie.

In seinem Reflektionsmonolog äußert sich die Müdigkeit, Unsicherheit und der Selbstzweifel sowie

die als bedrückend empfundene Verantwortung des Königs.

Der Kontrast zwischen den Reden des Chores und der dargestellten szenischen Handlung provoziert

das Publikum zum Nachdenken, fordert ihm Stellungnahmen ab. So ernüchtert der Chor im Epilog

das Publikum und ruft ihm die dialektische Struktur des Dramas ins Gedächtnis. Durch eben diese

dialektische Grundstruktur sperrt sich Henry V gegen eine ideologische Vereinnahmung. Die

Chorreden etc. beziehen sich auf den First Folio – Text, im Text der Quarto – Ausgabe (1600, 1602,

1619) fehlen die zentralen Chorreden. Das subversive Potential geht durch den Verlust der

dialektisch-kontrastiven Grundstruktur verloren.

Rollenspiele und die Faszination des Bösen: Richard III

Beschließung der York-Tetralogie. (Rosenkriege: rote Rose (Lancaster) gegen weiße Rose (York))

Richard III agiert als virtuoser Schauspieler und machiavellistisch kühl planender Regisseur.

Machiavellistischer Tyrann, blutrünstiger Schlächter. Bei Shakespeare erreicht Richard III geradezu

diabolische Größe.

Subtile Sympathielenkung bei Shakespeare.

Richard fühlt sich von der „heuchlerischen Natur“ um Wohlgestalt, Zuwendung und Glück betrogen

und somit wird ihm die Intrige, der brutale politische Ehrgeiz zur Kompensation. Er erweist sich ganz

als der Schüler Machiavellis, der sich, wenn es erforderlich ist, den Anschein von Frömmigkeit geben

kann und willige Helfer für seine Verbrechen findet. Shakespeare stilisiert Richard aber auch zu

einem Nachfahren der blutrünstigen Tyrannenfiguren Senecas.

Wichtig für die Sympathielenkung ist auch die Tradition der morality plays: Gegenüber dem

Zuschauer ist Richard offen, währen er sich seinen Spielpartnern/Gegnern mit Verstellung und

Heuchelei nähert.

Das Publikum verfügt so über einen Informationsvorsprung und wird zum Mitwisser.

Das dramatische Werk III: Die Tragödien

Gattungstheorie und Gruppierungsversuche

Für den durchschnittlichen Zuschauer war die Tragödie ein Drama, in dem Verbrechen begangen

wurde und das mit dem Tod der Hauptfigur endete. Zurückweisung auf die Tragödienkonzeption

des Mittelalters. Nach Chaucers Definition ist es Fortuna, die für das Fallen der Großen

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verantwortlich ist. (Sie trägt mit ihrem Rad, das auch Machtsymbol ist, den einen nach oben, den

anderen nach unten.) Doch wird bereits bei Chaucer die fatalistische Konzeption um die moralisch-

didaktische ergänzt, da nur derjenige zu Fall kommt, der Schuld auf sich geladen hat.

Definition Puttenhams: Die Wandelbarkeit des Schicksals, gepaart mit der gerechten Strafe Gottes

als Strafe für ein böses und schlechtes Leben.

De-casibus-Modell: Sturz der Mächtigen Ermöglicht die Integration der Seneca-Tragödie mit dem

hamartia-Modell Aristoteles’. Einteilung in de Gruppen Great/Mature Tragedies, Roman Tragedies

eindeutig, doch die übrigen drei Tragödien (Titus Andronicus, Romeo and Juliet, Timon of Athens)

lassen sich nicht eindeutig klassifizieren.

Römische Vergangenheit und Elisabethanische Gegenwart: Julius Cäsar

Übergang Historien (Henry V) Tragödien

Mord an Cäsar an den Iden des März ist geradezu exemplarisch der Tyrannenmord schlechthin. Es

lässt sich nicht ohne weiteres festlegen, ob Shakespeares Cäsar als positiver oder negativer Charakter

angelegt ist. Vielmehr ist dessen Ambivalenz und Zwiespältigkeit zu akzeptieren. Dabei dürfen jedoch

auch die politischen Themen sowie die zeitgenössische Brisanz des Dramas nicht außer Acht gelassen

werden.

Bereits im ersten Auftritt wird Cäsar zum unumschränkten Alleinherrscher stilisiert. Cassius betont

die labile Physis Cäsars und führt sie gegen seine Herrschafts- und Göttlichkeitsansprüche ins Feld. In

den zentralen Punkten ist Cassius’ Argumentation auch die des Gesamtdramas. Nach dieser

Fremdcharakterisierung folgt eine Selbstcharakterisierung Cäsars, in welcher er sich als auf einem

Ohr taub beschreibt. Shakespeare demonstriert den diktatorischen Herrschaftsanspruch Cäsars,

indem er ihm die durchaus traditionelle Intellektuellenfurcht autoritärer Herrscher zuschreibt.

Cäsar betont mehrfach, dass er seine Entscheidungen nicht rechtfertigen muss, da sein Wille das

Gesetz ist.

Cäsars geistig-seelische Verfassung ist weitgehend von Inkongruenzen und Widersprüchen bestimmt.

Shakespeare wendet sich gegen die Selbsterhöhung eines Herrschers, der sich aufgrund seiner

politischen Macht dazu versteigt, sich als Gott zu sehen.

Cäsarbild des Antonius: Antonius sieht in Cäsar den edelsten Römer, der je auf Erden

wandelte.

Cäsarbild des Brutus: Brutus sieht in Cäsar nur einen potentiellen, keinen wirklichen

Tyrannen. Er fürchtet, dass er sich nach seiner Krönung zu einem

entwickeln könnte. Ansonsten sieht er Cäsar aber als guten

Menschen an, Brutus ist lediglich von einer tiefen Tyrannenfurcht

geprägt. Der Mord wendet sich somit nicht gegen Cäsar als Person,

sondern gegen die Alleinherrschaft.

Hauptquelle Shakespeares war wohl die Übersetzung der Cäsar-Biographie des Plutarch, die von Sir

Thomas North vorlag.

Zeitgenössische Aktualität: Zunehmende absolutistische Tendenzen in England, jedoch zunehmende

Kritik am Unfehlbarkeits-Mythos der Königin Das leidenschaftliche Argumentieren des Cassius für

die Freiheit und Gleichheit aller Bürger sowie gegen die Erhebung Cäsars zum Gott gewinnt an

Aktualität. In der Shakespeare-Zeit hat sich längst die Überzeugung durchgesetzt, dass auch der

Herrscher nicht Urheber des Rechts ist, sondern selbst dem Recht unterworfen ist.

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10 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Shakespeare

Shakespeare zeigt die Widersprüche zwischen Anspruch und Wirklichkeit des Alleinherrschers auf,

widerlegt den Anspruch auf Göttlichkeit und zerstört damit die Aura des Mystischen und

Übermenschlichen, mit der sich der absolute Herrscher umgibt.

„Blood will have blood“ oder Verbrechen zeugt Verbrechen: Macbeth

Shakespeares tiefschürfendste und reifste Vision des Bösen mit facettenreichen

Deutungsmöglichkeiten. De-casibus-Tragödie.

Der Weg Macbeths:

1. Handlungsbogen

loyaler, hochgeschätzter Thane

Königsmörder

Blutrünstiger Tyrann

2. Handlungsbogen

brutale Herrschaft

Tod Macbeths (Das von ihm ausgelöste Chaos wird von Recht und Ordnung abgelöst)

Einführung des Titelhelden über Fremdcharakterisierung (Typisch Shakespeare). Enge Verbindung

mit den Schicksalsmächten (Hexen).

Zunächst ist Macbeth noch schockiert von seinem Gedanken, Gewalt für die Erreichung seiner Ziele

einzusetzen. Bis zum Mord an Duncan vollzieht sich im Denken von Macbeth immer das Gleiche: Er

erwägt die unrechtmäßige Aneignung der Königskrone und verdrängt diesen Gedanken aus

moralischen Gründen. Erst die Überredungskünste seiner Frau, die ihm den Mord an Duncan als

Männlichkeitsbeweis abfordert, bewegt ihn zum Begehen der Tat. ( Handeln gegen das heilige

Gastrecht, Frevel des Königsmordes). Ist Macbeth also ein Opfer des Schicksals (der Hexen) und

seiner Frau? Das wäre zu einfach. Furcht, die Hexen könnten seine geheimsten Wünsche offenbaren.

Sobald Macbeth von Blut befleckt ist, wirkt er besessen. Das Publikum nimmt Anteil am Leiden

Macbeths, da Shakespeare von Beginn an das Drama als langsame Abtötung des Gewissens, als

Kampf des Ehrgeizes mit der eigenen, besseren, Natur ins Zentrum der grüblerischen Monologe

Macbeths rückt.

Macbeth sucht nun die Hexen auf und bittet um weitere Weissagungen. Er deutet ihre zweideutigen

Aussagen eindeutig. Lady Macbeth geht an ihrer Schuld zugrunde, er jedoch ist völlig in seine

Schreckensherrschaft eingespannt.

Shakespeare gewährt Macbeth jedoch einen heroischen Kriegertod im Zweikampf mit Macduff. Der

Krieg, der Kampf ist der Vater aller Dinge in dieser düsteren Welt (Schottland). Nach dem Tod

Macbeths wird zwar dessen Unrechtsregime beseitigt, die Hexen jedoch lauern weiterhin in ihren

Höhlen.

Das Zaudern der Ausstieg aus der Politik: Hamlet

„Hamlet als die Tragödie eines Publikums, das sich nicht entscheiden kann“. Hamlet als einziges

großes Rätsel. Im Folgenden sollen die Lösungsversuche um die politische Dimension ergänzt werden

(Uwe Baumann).Hamlet ist Melancholiker. Symptom im Falle Hamlets: Einsamkeit. Er wählt den Weg

in die Einsamkeit jedoch nicht freiwillig, sondern muss sich dort hinter der Maske des Wahns

verstecken, um in der aus den Fugen geratenen Welt physisch zu überleben. Anders ist dies für ein

integres Individuum in einer moralisch verderbten und politisch korrupten Welt nicht möglich.

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Richard Leinstein

11 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Shakespeare

Brecht: Die Zeit ist kriegerisch. Niemand weiß Genaues, Gerüchte machen die Runde. Die Bildung und

die Intelligenz Hamlets steht ihm in der Praxis eher im Weg.

Alter Hamlet: Archaische Tradition des Militärstaates, Blutrache

Junger Hamlet: Bildung, Kultur, Philosophie

Claudius: Große hohle Geste, Manipulation, Intrigen, Bespitzelung, wortgewandte

Heuchelei, pathologische Verlogenheit, überwachte Unfreiheit Dänemark

wird zum Gefängnis

Polonius: Opportunistischer erster Minister des Königs

Der junge Hamlet möchte mit der Welt des Hofes und der Politik nichts zu tun haben.

Der Racheauftrag seines Vaters jedoch versagt ihm seinen sehnlichsten Wunsch, aus der Welt des

Hofes auszusteigen und zu seinen Studien in Wittenberg zurückzukehren.

Hamlets Zögern ist der verzweifelte Versuch, sich aus einer scheinbar einleuchtenden, aber letztlich

sinnlosen Logik, der Blutrache, ebenso zu entziehen wie den an ihn und seine Rolle as Prinz und

Thronkandidat geknüpften Erwartungen. Er verweigert sich der blutigen Tat, weil sie die Illusion

impliziert, es werde die Krankheit des politischen Systems geheilt.

Der junge Hamlet scheitert an der Forderung, die aus den Fugen geratene Welt zurechtzurücken,

schickt die ehemaligen Freunde Rosencranz und Guildestern durch einen gefälschten Brief in den Tod

und macht seinen Frieden mit der Welt des Hofes und des Krieges, taucht ein in die dumpfen Ritule

von Blut und Mord.

Hamlet wird durch sein zeremonielles und traditionelles Begräbnis jedoch seines Andersseins von

Fortinbras beraubt.

Politische Lehren?

Sich mit Fortinbras arrangieren? Eine Welt projektieren, in der die Philosophie, die Bildung,

Gelehrsamkeit und Reflexion über den Sinn menschlicher Existenz sich natürlich und ungezwungen

entfalten könnte?

Die Macht der Liebe und die Macht des Schicksals: Romeo and Juliet

Shakespeare rafft das Geschehen von Monaten zum jagenden Zeitablauf von vier Tagen und

Nächten.

Durch Instabilität und Gewalt geprägte Gesellschaft. Romeo und Juliet können sich eine von

hingebungsvoller Leidenschaft geprägte private Welt erschaffen.

Bereits der Prolog deutet auf die tragische Schicksalshaftigkeit hin.

Horrorvision der Elisabethaner: Störung des staatlichen und gesellschaftlichen Ordnungsgefüges

durch inneren Zwist. Erst die Versöhnung der verfeindeten Familien am Schluss vermag diese

essentielle Bedrohung abzuwenden.

Viele Elemente stehen in der Tradition der Komödie, das Drama jedoch wandelt sich immer mehr zur

Tragödie hin.

Die beiden nun erbenlosen Familien versöhnen sich erst im Angesicht der beiden toten Kinder. Der

Opfertod der jugendlichen Liebenden hat Verona in einer quasi-rituellen Handlung, mit dem Liebestod

als Nachvollzug des Liebesaktes, von der Krankheit, die den Staatskörper befallen hatte, befreit.

Sprache

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Richard Leinstein

12 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Shakespeare

Romeo und Juliet setzen sich in ihrer Sprache von den übrigen Mitspielern ab, sie lassen die hohlen

Liebes-Konventionen des Petrarkismus hinter sich und gelangen zu einer ehrlicheren, tieferen Liebe.

Dabei schreibt Shakespeare Juliet die führende Rolle zu.

Julia sucht ihre Identität in der Einheit mit Romeo, nicht im Petrarkischen Frauenbild.

Shakespeares Zeitgenossen

Dramatiker und dramatische Gattungen

In der Romantik wurde Shakespeare zum Dramatiker der Tudor- und Stuartzeit schlechthin stilisiert.

Zur Zeit Shakespeares war seine Kunst zwar anerkannt, aber keineswegs so herausragend, wie im

Nachhinein stilisiert.

Der Konkurrenzkampf der Schauspieler wetteiferte nicht nur um die Publikumsgunst, sondern auch

um die Ehre, bei Hofe spielen zu dürfen. (Shakespeares Chamberlain’s Men/King’s Men 32mal vor

Königin Elisabeth und 175mal vor James I)

Gemeinsamkeiten der Dramatiker

1. produktive Auseinandersetzung mit den damaligen Traditionen

2. Verständnis der Dramentexte als Spielvorlagen (weniger als Kunstwerk)

3. zunehmende Individualisierung und Psychologisierung des Menschen – deutliche

Säkularisierung

4. Versuche, die durch die Zensur und die christliche Morallehre gesetzten Grenzen immer

weiter hinauszuschieben.

5. die gemeinsame Sprache der Stadt London und ihrer Umgebung, modifiziert und bereichert

um die aus der antiken Tradition entlehnte Vielfalt rhetorischer Figuren.

Gemeinschaftsarbeiten!

Die Dramatiker waren für alle hybriden Formen offen und widmeten sich z.B. mit besonderer

Hingabe der Tragikomödie