Neues Erwachsenenschutzrecht -...

16
successio 4/11 254 Inhaltsverzeichnis I. Das neue Erwachsenenschutzrecht 1. Inkrafttreten des neuen Erwachsenen- schutzrechts 2. Änderungen in materieller Hinsicht 3. Änderungen in organisatorischer Hinsicht II. Die Änderungen im Erbrecht – ein Überblick III. Die erweiterte Erbvertragsfähigkeit gemäss Art. 468 nZGB 1. Vorbemerkungen a) De lege lata b) De lege ferenda 2. Voraussetzungen a) Urteilsfähigkeit (Art. 468 Abs. 1 nZGB i.V.m. Art. 16 nZGB) b) Vollendetes 18. Altersjahr (Art. 468 Abs. 1 nZGB i.V.m. Art. 14 nZGB) c) Zustimmung des Beistands (Art. 468 Abs. 2 nZGB) d) Kein Erfordernis der Zustimmung der Erwachsenenschutzbehörde 3. Rechtsfolgen bei fehlenden Gültigkeits- voraussetzungen 4. Eingeschränkter Anwendungsbereich von Art. 468 nZGB a) Sachlicher Anwendungsbereich b) Persönlicher Anwendungsbereich c) Zeitlicher Anwendungsbereich 5. Intertemporalrechtliche Aspekte IV. Die besondere Nacherbeneinsetzung auf den Überrest gemäss Art. 492a nZGB 1. Vorbemerkungen a) De lege lata b) De lege ferenda 2. Voraussetzungen a) Beschränkung des Vorerben auf Nachkommen b) Dauernde Urteilsunfähigkeit des Nachkommen c) Kinderlosigkeit, Ehelosigkeit bzw. Fehlen einer eingetragenen Partnerschaft des Nachkommen d) Fehlende Verfügung von Todes wegen des Nachkommen 3. Massgebender Zeitpunkt des Vorliegens der Voraussetzungen 4. Rechtsfolgen a) Bei ungültiger besonderer Nach- erbeneinsetzung auf den Überrest b) Bei gültiger besonderer Nach- erbeneinsetzung auf den Überrest c) Sonderkonstellationen 5. Intertemporalrechtliche Aspekte V. Erweiterte Kompetenzen eines Beistands eines noch ungeborenen Kindes gemäss Art. 544 Abs. 1 bis nZGB 1. De lege lata 2. De lege ferenda VI. Beistand als Erbschaftsverwalter gemäss Art. 554 Abs. 3 nZGB 1. De lege lata 2. De lege ferenda * Der vorliegende Artikel basiert zum einen auf der in Co- Autorenschaft mit Prof. Dr. Paul Eitel entstandenen Kommentierung der erbrechtlichen Bestimmungen im FamKommentar zum Erwachsenenschutzrecht, der vor- aussichtlich Mitte 2012 erscheinen wird, zum andern auf dem anlässlich des 6. Schweizerischen Erbrechtstags vom 25. August 2011 gehaltenen Referats. Für die wertvollen Diskussionen danke ich neben Prof. Dr. Paul Eitel auch meinem Büropartner Dr. René Strazzer. ** Rechtsanwältin, Fachanwältin SAV Erbrecht, Sticher Strazzer Zeiter Rechtsanwälte, Zürich. Neues Erwachsenenschutzrecht – Die neuen Bestimmungen im Erbrecht * Dr. Alexandra Zeiter**

Transcript of Neues Erwachsenenschutzrecht -...

successio 4/11254

Inhaltsverzeichnis

I. DasneueErwachsenenschutzrecht1. InkrafttretendesneuenErwachsenen­

schutzrechts2. ÄnderungeninmateriellerHinsicht3. ÄnderungeninorganisatorischerHinsicht

II. DieÄnderungenimErbrecht–einÜberblickIII. DieerweiterteErbvertragsfähigkeitgemäss

Art.468nZGB1. Vorbemerkungen

a) Delegelatab) Delegeferenda

2. Voraussetzungena) Urteilsfähigkeit(Art.468Abs.1

nZGBi.V.m.Art.16nZGB)b) Vollendetes18.Altersjahr(Art.468

Abs.1nZGBi.V.m.Art.14nZGB)c) ZustimmungdesBeistands(Art.468

Abs.2nZGB)d) KeinErfordernisderZustimmung

derErwachsenenschutzbehörde3. RechtsfolgenbeifehlendenGültigkeits­

voraussetzungen4. EingeschränkterAnwendungsbereich

vonArt.468nZGBa) SachlicherAnwendungsbereichb) PersönlicherAnwendungsbereichc) ZeitlicherAnwendungsbereich

5. IntertemporalrechtlicheAspekteIV. DiebesondereNacherbeneinsetzung

aufdenÜberrestgemässArt.492anZGB1. Vorbemerkungen

a) Delegelatab) Delegeferenda

2. Voraussetzungena) BeschränkungdesVorerben

aufNachkommenb) DauerndeUrteilsunfähigkeit

desNachkommenc) Kinderlosigkeit,Ehelosigkeit

bzw.FehleneinereingetragenenPartnerschaftdesNachkommen

d) FehlendeVerfügungvonTodeswegendesNachkommen

3. MassgebenderZeitpunktdesVorliegensderVoraussetzungen

4. Rechtsfolgena) BeiungültigerbesondererNach­

erbeneinsetzungaufdenÜberrestb) BeigültigerbesondererNach­

erbeneinsetzungaufdenÜberrestc) Sonderkonstellationen

5. IntertemporalrechtlicheAspekteV. ErweiterteKompetenzeneinesBeistands

einesnochungeborenenKindesgemässArt.544Abs.1bisnZGB1. Delegelata2. Delegeferenda

VI. BeistandalsErbschaftsverwaltergemässArt.554Abs.3nZGB1. Delegelata2. Delegeferenda

* DervorliegendeArtikelbasiertzumeinenaufderinCo-Autorenschaft mit Prof. Dr. Paul Eitel entstandenenKommentierung der erbrechtlichen Bestimmungen imFamKommentarzumErwachsenenschutzrecht,dervor-aussichtlichMitte2012erscheinenwird,zumandernaufdemanlässlichdes6.SchweizerischenErbrechtstagsvom25.August2011gehaltenenReferats.FürdiewertvollenDiskussionendankeichnebenProf.Dr.PaulEitelauchmeinemBüropartnerDr.RenéStrazzer.

** Rechtsanwältin, Fachanwältin SAV Erbrecht, SticherStrazzerZeiterRechtsanwälte,Zürich.

Neues Erwachsenenschutzrecht – Die neuen Bestimmungen im Erb recht*

Dr. Alexandra Zeiter**

successio 4/11 255

I. Das neue Erwachsenenschutzrecht

1. Inkrafttreten des neuen Erwachsenen­schutzrechts

1. Am 19. Dezember 2008 haben National- undStänderat der Revision des Vormundschaftsrechtszugestimmt.DasneueRecht–neuunterdemBe-griff«Erwachsenenschutzrecht»–wirdam1.Januar2013inKrafttreten.

2. Änderungen in materieller Hinsicht2. InmateriellerHinsichtwurdenbeiderGesetzes-revisiondiverseZieleumgesetzt,diegrundlegendeVeränderungen im Erwachsenenschutzrecht zurFolgehaben1:

3. Förderung des Selbstbestimmungsrechtsschwa-cher, hilfsbedürftiger Personen:DazustelltdasGe-setzunterdemBegriff«eigeneVorsorge»zweineueInstrumentezurVerfügung:zumeinendenVorsor-geauftrag(Art.360ff.nZGB),mitdemeinehand-lungsfähige, d.h. eine volljährige urteilsfähige Per-son für den Fall ihrer Urteilsunfähigkeit eine(natürliche oder juristische) Person bestimmt, dieihre persönliche und/oder Vermögenssorge über-nehmen und/oder sie im Rechtsverkehr vertretensoll(Art.360Abs.1nZGB)2;zumanderendie(bis-her teilweise in kantonalen Gesundheitsgesetzengeregelte)Patientenverfügung(Art.370ff.nZGB),mit der eine urteilsfähige (nicht zwingend volljäh-rige)PersonentwederAnordnungenmitBezugaufmedizinischeMassnahmentrifft,indemsiefesthält,welchenmedizinischenMassnahmensieimFallih-rerUrteilsunfähigkeitzustimmtoderwelchesieab-lehnt(Art.370Abs.1nZGB),odereine(natürliche)Person bestimmt, die im Fall ihrer Urteilsunfähig-keitdiesbezüglichentscheidungsbefugtist(Art.370Abs.2nZGB)3.

4. Stärkung der Solidarität in der Familie: Die zudiesemZweckneugeschaffenengesetzlichen Vertre-tungsrechteimRahmenderPersonen-undVermö-genssorge berücksichtigen das in der Praxis beste-hendeBedürfnisderAngehörigenurteilsunfähigerPersonen,ohnegrosseUmständefürdiesezuhan-deln4.GemässArt.374f.nZGBstehtdemEhegat-ten bzw. eingetragenen Partner neu von GesetzeswegendasRechtzu,fürdieurteilsunfähigePersonalle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zur De-ckung des Unterhaltsbedarfs üblicherweise erfor-derlich sind (Art. 374 Abs. 2 Ziff. 1 nZGB), dieordentlicheVerwaltungihresEinkommensundVer-mögens zu übernehmen (Art. 374 Abs 2. Ziff. 2nZGB) sowienötigenfalls ihrePost zuöffnenundzuerledigen(Art.374Abs.2Ziff.3nZGB)5,sofernermitderurteilsunfähigenPersoneinengemeinsa-

1 Vgl. zu den Zielen der Gesetzesrevision Botschaft zurÄnderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Er-wachsenenschutz,PersonenrechtundKindesrecht)vom28.Juni2006,BBl20067001ff.,7011ff.;vgl.stattvielerBiderbost,DerneueErwachsenenschutzimÜberblick,SJZ2010,309ff.;Breitschmid,Dieerwachsenenschutz-rechtliche Behandlung künftiger Erblasser und Erblas-serinnen,successio2008,16ff.;Häfeli,DerEntwurffürdie Totalrevision des Vormundschaftsrechts – MehrSelbstbestimmung und ein rhetorisches (?) BekenntniszumehrProfessionalität,FamPra.ch2007,1ff.;Rosch,in:Rosch/Büchler/Jakob (Hrsg.), Das neue Erwachsenen-schutzrecht,EinführungundKommentarzuArt.360ff.ZGB,Basel2011,EinführungN51ff.

2 StattvielerAffolter,DieAufwertungderSelbstbestim-mung im Erwachsenenschutzrecht, AJP 2006, 1057 ff.,1060f.;Gutzwiller,ZurBedeutungderUrteilsfähigkeitim Rahmen des Vorsorgeauftrags, AJP 2007, 556 ff.,558 ff.; Hotz, Zum Selbstbestimmungsrecht des Vor-sorgendende lege lataundde lege ferenda–DieVor-sorgevollmachtdelegeferenda,ZKE2011,102ff.;dies.,Vorsorgevollmacht, Vorsorgeauftrag, Erwachsenen-schutzrecht, Selbstbestimmungsrecht, Urteilsfähigkeit,ZKE 2011, 201 ff.; Langenegger, in: Rosch/Büchler/Jakob (Hrsg.), Das neue Erwachsenenschutzrecht, Ein-führungundKommentarzuArt.360ff.ZGB,Basel2011,KommentierungzuArt.360ff.ZGB;Widmer Blum,Ur-teilsunfähigkeit,VertretungundSelbstbestimmung–ins-besondere: Patientenverfügung und Vorsorgeauftrag,Diss.Luzern2010;Wolf,ErwachsenenschutzundNota-riat,ZBGR2010,73ff.,90ff.

3 Vgl. zudenPatientenrechtenvonurteilsunfähigenPer-sonen z.B. Sprecher, Patientenrecht Urteilsunfähiger,Veto-undPartizipationsrechteUrteilsunfähigerinmedi-zinischenAngelegenheitenundihre(spezialgesetzliche)Regelung im schweizerischen Recht, FamPra.ch 2011,270 ff.; vgl. auch die Dissertation von Widmer Blum(Fn.2);Gassmann,in:Rosch/Büchler/Jakob(Hrsg.),Dasneue Erwachsenenschutzrecht, Einführung und Kom-mentarzuArt.360ff.ZGB,Basel2011,KommentierungzuArt.370ff.ZGB.

4 Delegelatawirdversucht,entwederübereine(zu)ex-tensive Interpretation von Art. 166 ZGB bzw. Art. 15PartGoderüberArt.419ff.ORdieRechtshandlungenderAngehörigeneinerurteilsunfähigenPersonzurecht-fertigenbzw.zulegitimieren.Vgl.auchBotschaft(Fn.1),7013;vgl.zudengesetzlichenVertretungsrechtenFank-hauser,DiegesetzlicheVertretungsbefugnisbeiUrteils-unfähigennachdenBestimmungendesneuenErwachse-nenschutzrechts,BJM2010,240ff.;Langenegger(Fn.2),KommentierungzuArt.374ff.ZGB;Gassmann(Fn.3),KommentierungzuArt.377ff.ZGB.

5 Für weitergehende Rechtshandlungen ist die Zustim-mung der Erwachsenenschutzbehörde notwendig: Hä-feli(Fn.1),6; Langenegger(Fn.2),Art.374ZGBN8ff.

Neues Erwachsenenschutzgesetz – Die neuen Bestimmungen im Erbrecht

256 successio 4/11

men Haushalt führt oder ihr regelmässig und per-sönlich Beistand leistet (Art. 374 Abs. 1 nZGB).AusserdemstehtdiesenPersonensowieweiteren,inArt.378nZGBkonkret(undabschliessend)aufge-zählten Personen das Recht zu, zu medizinischenMassnahmen die Zustimmung zu erteilen oder zuverweigern (Art. 377 nZGB). Diese gesetzlichenVertretungsrechtegeltensubsidiärzureigenenVor-sorge, d.h. sie kommen nur zum Zug, sofern keinVorsorgeauftrag bzw. keine PatientenverfügungvorliegtundkeineBeistandschaftmitentsprechen-derAufgabeangeordnetist.

5. Beseitigung bzw. Vermeidung von gesellschaftli-chen Stigmatisierungen:Sowohldiebishererforder-licheVeröffentlichungderangeordnetenMassnah-men als auch etliche Begriffe des geltendenVormundschaftsrechtswurdenzunehmendalsStig-matisierungempfunden.DeshalbwirdneuaufeineVeröffentlichung der Massnahmen verzichtet; aus-serdemwurdendiverseBegriffewieetwaEntmün-digungoderBevormundungausdemGesetzestextgestrichen.DerBegriff«Vormundschaft»wirdnurnoch im Zusammenhang mit Minderjährigen (bisheute Unmündigen), die nicht unter elterlicherSorgestehen,verwendet(Art.327a–cnZGB).

6. Besserer Schutz von urteilsunfähigen Personen in Einrichtungen: Der Gesetzgeber hat erkannt, dassurteilsunfähigen Personen in Einrichtungen nichtimmerderrechtlicheundpsychosozialeSchutzzu-kommt, der notwendig wäre6. Da sich das Pflege-recht nicht abschliessend im Erwachsenenschutz-rechtregelnlässt,wurdeimneuenRechtderSchutzdieser Personen in den Einrichtungen (immerhin)punktuellverbessert.Sosindneubeilängerdauern-den Aufenthalten in Wohn- und Pflegeeinrichtun-gen in einem (schriftlichen) Betreuungsvertrag dievonderEinrichtungzuerbringendenLeistungenso-wie das dafür geschuldete Entgelt festzulegen(Art.382nZGB);neusinddieVoraussetzungenfürdieEinschränkungderBewegungsfreiheit aufBun-desebenedefiniert(Art.383nZGB);zudemistneudie Gewährleistung von Kontakten ausserhalb derEinrichtung(Art.386Abs.1nZGB)undgrundsätz-lichdie freie ArztwahlaufBundesebeneverankert(Art.386Abs.3nZGB);schliesslichmüssendieEin-richtungen, in denen urteilsunfähige Personen be-treutwerden,generellderAufsicht der Kantoneun-terstelltwerden(Art.387nZGB).

7. Masschneiderung der Massnahme:Neugibtes–unterVorbehaltdeseigenenHandelnsderErwach-senenschutzbehörde (Art. 392 nZGB) – nur nochdie Beistandschaft als amtsgebundene Massnahme(Art. 390 ff. nZGB). Es lassen sich vier Arten von

Beistandschaftenunterteilen,diesichdurchdieIn-tensität des Eingriffs unterscheiden und miteinan-derkombiniertwerdenkönnen(Art.397nZGB):

n Begleitbeistandschaft (Art. 393 nZGB): DerBeistand nimmt lediglich eine begleitende Un-terstützung wahr; die Handlungsfähigkeit derbetroffenenPersonwirdmitdieserMassnahmenichteingeschränkt.DieseBeistandschaftmachtdamitnurSinn,wenndiebetroffenePersonko-operationsbereitist.

n Vertretungsbeistandschaft (Art. 394 nZGB):Der Beistand erledigt jene Angelegenheiten,welche die betroffene Person nicht selber er-ledigen kann. Die ErwachsenenschutzbehördekanndieseMassnahmeentwedermiteinerkon-kurrierenden Handlungsbefugnis der betroffe-nenPersonunddesBeistandsunddamitohneAuswirkungen auf die Handlungsfähigkeit derbetroffenenPersonodereinerausschliesslichen HandlungsbefugnisdesBeistandsunddamitmiteinerBeschränkungderHandlungsfähigkeitderbetroffenenPersonfürdiesebestimmtenAnge-legenheitenausgestalten.DasGesetzregeltzu-dem die Vermögens- und/oder Einkommens-verwaltungsbeistandschaft (Art. 395 nZGB) alsbesondere Art der Vertretungsbeistandschaft,die auf die Verwaltung des Einkommens und/oderdesVermögensodereinesTeilsdavonbe-schränkt ist. Diese Massnahme kann ebenfallsmit einer konkurrierenden oder ausschliessli-chen Handlungsbefugnis des Beistands ausge-staltetsein.AusserdembestehtdieMöglichkeit,der betroffenen Person zwar die Handlungsfä-higkeit unbeschränkt zu belassen, ihr aber dentatsächlichen Zugriff auf bestimmte Vermö-genswertezuentziehen(Art.395Abs.3nZGB).Bei Grundstücken kann eine Verfügungsbe-schränkung im Grundbuch angemerkt werden(Art.395Abs.4nZGB).

n Mitwirkungsbeistandschaft (Art. 396 nZGB):DerBeistandwirktbeibestimmtenRechtshand-lungen in dem Sinn mit, als für die Rechtsgül-tigkeitderRechtshandlungnebenderbetroffe-nenPersonauchderBeistandmitwirkenmuss.Damit ist die Handlungsfähigkeit der betroffe-nen Person für diese Rechtshandlungen einge-schränkt.

n Umfassende Beistandschaft (Art. 398 nZGB).DiesfallsbeziehtsichdieangeordneteBeistand-schaft auf alle Angelegenheiten der Personen-sorge, derVermögenssorge und des Rechtsver-

6 Botschaft(Fn.1),7014.

successio 4/11 257

kehrs (Art. 398Abs. 2 nZGB).AusgeschlossenbleibtlediglichdieVertretungdesBeistandsbeiabsolut höchstpersönlichen Rechten (Art. 19cAbs. 2 nZGB) sowie bei den verbotenen Ge-schäften gemäss Art. 412 Abs. 1 nZGB. DieHandlungsfähigkeitentfälltvonGesetzeswegen(Art.17nZGB).

Derkonkrete Inhalt der einzelnen BeistandschaftenwirdimGesetznichtumschrieben.VielmehrsolldieErwachsenenschutzbehörde neben der FestlegungderArtderBeistandschaftdieeinzelnenAufgabendes Beistands entsprechend den individuellenBedürfnissen und konkreten Möglichkeiten derbetroffenen Personen so präzise wie möglich um-schreiben (Art. 391 Abs. 1 nZGB). Diese Neu-gestaltung soll–entsprechenddemGrundsatzderVerhältnismässigkeit–fürjedeeinzelnePersoneineeigens zugeschnittene, sog. massgeschneiderte,Massnahmeermöglichen7.

3. Änderungen in organisatorischer Hinsicht8. Nichtnurinmaterieller,sondernauchinorgani-satorischer Hinsicht wird das Erwachsenenschutz-rechtrevidiert(Art.440ff.nZGB).Künftigwerdenalle Entscheide im Bereich des Kindes- und Er-wachsenenschutzesbeieinerFachbehördekonzent-riert (Art. 440Abs. 1 nZGB). Diese Fachbehördemuss aus mindestens drei Personen bestehen(Art.440Abs.2nZGB)undhatsichinterdisziplinärzusammenzusetzen. Das Gesetz äussert sich zwarnichtzurkonkretenZusammensetzungderFachbe-hörde;vorzugsweisesolltennebeneinerPersonmitjuristischer Ausbildung auch eine SozialarbeiterinundeinePersonmitFachkenntnissenimpsycholo-

gischen, medizinischen oder sozialpädagogischenBereichinderFachbehördevertretensein.ImÜbri-genliegendieOrganisationunddiekonkreteAus-gestaltungbeidenKantonen8.

II. Die Änderungen im Erbrecht – ein Überblick

9. Im Rahmen der Revision des Erwachsenen-schutzrechtswurden insgesamt sieben Änderungen im Erbrecht vorgenommen: Sechs Bestimmungenwurden revidiert, eine Bestimmung wurde neugeschaffen.DieseAnpassungenerfolgtenimLichteder in Rz. 2 ff. erläuterten Revisionsziele, d.h., imMittelpunkt standen derAusbau einzelner Rechteder verbeiständeten, aber urteilsfähigen ErblasserunddieVerstärkungdesSchutzesdernochungebo-renenoderurteilsunfähigenErben.

10. Zwei Revisionen sind lediglich redaktioneller Natur.DieAnpassungdesArt. 553 Abs. 1 nZGBer-folgteaufgrundderneuenBegrifflichkeitenimEr-wachsenenschutzrecht; jene des Art. 544 Abs. 2 nZGBaufgrunddesneuenundAbs.2unmittelbarvorangehendenArt.544Abs.1bisnZGB(vgl.Rz.11).

11. Danebenkamesauchzumateriellen Änderun-gen. Hervorzuheben sind insbesondere die erwei-terte Erbvertragsfähigkeit für urteilsfähige, aberverbeiständeteErblasser(Art. 468 nZGB;vgl.nach-folgend Rz. 13 ff.) und die neu geschaffene Ver-fügungsart, bei Vorliegen bestimmter Konstella-tioneneineNacherbeneinsetzungaufdenÜberrestanzuordnen(Art. 492a und Art. 531 nZGB;vgl.nach-folgendRz.44ff.).DesWeiterenistesneumöglich,einen Beistand zur allgemeinen Wahrung der In-teressen(nichtnur–wieheute–mitBezugaufdieVermögensverwaltung und die Feststellung derVaterschaft) für einen noch ungeborenen Erbeneinzusetzen (Art. 544 Abs. 1bis nZGB; vgl. nachfol-gend Rz. 77 ff.); zudem nicht nur bei umfassenderBeistandschaft (früher: bei einer Bevormundung),sondern bei jeder Beistandschaft, welche die Ver-mögensverwaltungumfasst,denBeistandbeimTodderverbeiständetenPersonzumErbschaftsverwal-terzuernennen(Art. 554 Abs. 3 nZGB;vgl.nachfol-gendRz.80ff.).

12. Im Vorentwurf war vorgesehen, dass eine öf-fentlicheletztwilligeVerfügungnurgültigwiderru-fen werden könne, wenn der Erblasser zwingenddiejenigeUrkundsperson,welchedieVerfügungbe-urkundet hatte, benachrichtigt9. Diese Gesetzesän-

7 Ausführlich Botschaft (Fn. 1), 7015 ff., 7042 ff.; Rosch (Fn.1),KommentierungzuArt.389ff.ZGB; Biderbost,Beistandschaft nach Mass – das revidierte Handwerks-zeug des Erwachsenenschutzrechtes, AJP 2010, 1 ff.;ders. (Fn.1),315ff.;Häfeli (Fn.1),9ff.;Hausheer/Gei-ser/Aebi-Müller, Das neue Erwachsenenschutzrecht,Bern2010,Nr.2.78ff.;zurBegleitbeistandschaftvgl.auchRosch,DieBegleitbeistandschaft–Perasperaadastra?,FamPra.ch2010,368ff.

8 Vgl.zumStandderUmsetzungindenKantonenhttp://www.kokes.ch/de/04-dokumentation/06-umsetzung-in-den-kantonen.php?navid=17;vgl.dieKritikvonHäfeli(Fn.1),1ff.,dieOrganisation(weiterhin)denKantonenzuüberlassen.

9 DamitwolltederGesetzgebereineAngleichungandenWiderruf desVorsorgeauftrags erreichen, der in jenemStadium des Gesetzgebungsverfahrens ebenfalls nurdurchBenachrichtigungderUrkundspersonwiderrufenwerden konnte (Art. 362 E-ZGB); Botschaft (Fn. 1),7106.

Neues Erwachsenenschutzgesetz – Die neuen Bestimmungen im Erbrecht

258 successio 4/11

derung wurde schon im Vorfeld kritisiert10 undschliesslichwiedergestrichen11.

III. Die erweiterte Erbvertrags­fähigkeit gemäss Art. 468 nZGB

1. Vorbemerkungena) De lege lata13. Die heute geltenden Voraussetzungen für dieErrichtungeiner letztwilligenVerfügungundeinesErbvertragssindunterschiedlich:WährendArt. 467 ZGB für die gültige Errichtung einer letztwilligenVerfügungdieUrteilsfähigkeitunddieVollendungdes18.AltersjahrsdesTestatorsverlangt,bedarfesgemäss Art. 468 ZGB für die gültige ErrichtungeinesErbvertragsderMündigkeitdesErblassers.

14. Das führt zur (nicht gerechtfertigten) Konse-quenz, dass ein entmündigter (nicht aber verbei-ständeter oder verbeirateter!), aber urteilsfähigerErblasser ab vollendetem 18.Altersjahr zwar eineletztwilligeVerfügungerrichten12,gemässh.L.nichtabermittelsErbvertragüberseinenNachlassverfü-genkann13.

b) De lege ferenda15. DieinRz.13dargelegteunterschiedlicheRege-lung wird neu aufgehoben. Die Vorschriften überdie Erbvertragsfähigkeit inArt. 468Abs. 1 nZGBwerdendenVorschriftenüberdieTestierfähigkeitinArt.467ZGBangeglichen.NeumussbeiallenVer-fügungenvonTodeswegen,mithinauchbeimErb-vertrag,imErrichtungszeitpunkt«nur»nochdieUr-teilsfähigkeitunddasvollendete18. Altersjahr,d.h.dieVolljährigkeit,vorliegen.Damitkannneuauchein unter umfassender Beistandschaft stehender(heute:entmündigter),aberurteilsfähigerundvoll-jähriger Erblasser mittels Erbvertrag über seinenNachlassverfügen.

16. GemässdemneugeschaffenenArt.468Abs.2nZGBbedarfeszurgültigenErrichtungeinesErb-vertrags bei bestimmten Beistandschaften nebender erforderlichen Urteilsfähigkeit (vgl. Rz. 17 ff.)undderVollendungdes18.Altersjahrs(vgl.Rz.20f.)zusätzlichderZustimmung des gesetzlichen Vertre-ters (vgl.Rz.22ff.).DieEinführungdiesesGültig-keitserfordernisses führtallerdingserneutzueinerUngleichbehandlungderbeidenVerfügungsformen,was sachlich nicht zu rechtfertigen, insbesondereaber systemwidrig ist: Wenn ein verbeiständeterErblasser mit Bezug auf ein konkretes Rechts-geschäft urteilsfähig ist, so fehlt ihm gerade dieSchutzbedürftigkeitmitBezugaufdiesesGeschäft,

weshalbauchkeineMitwirkungeinesBeistandser-forderlich ist14. Das führt aber unweigerlich zurFrage,obfürdieseFälleunterUmständengeringereAnforderungenandieUrteilsfähigkeitgestelltwer-den bzw. eine verminderte Urteilsfähigkeit ausrei-chendist(vgl.sogleichRz.18).

2. Voraussetzungena) Urteilsfähigkeit (Art. 468 Abs. 1 nZGB

i.V.m. Art. 16 nZGB)17. Das Gesetz setzt inArt. 468Abs. 1 nZGB füralle Erblasser die Urteilsfähigkeit gemäss Art. 16nZGB voraus. Jeder Erblasser muss damit dieFähigkeiten besitzen, zum einen Sinn, Zweckmäs-sigkeitundWirkungendesAbschlusseseinesErb-vertrags zu erkennen, mithin ein Mindestmass anEinsicht und Beurteilungsfähigkeit an den Tag zulegen und eine minimale Realitätserfassung undMotivkontrolle zu haben (intellektuelle oder Ver-standeskomponente), zum andern gemäss der ver-nünftigen Erkenntnis nach freiem Willen zu han-delnundallfälligerfremderWillensbeeinflussunginnormalerWeiseWiderstandzuleistenbzw.deneige-nen Willen auch durchzusetzen (Charakter- oderWillenskomponente)15. Diese Fähigkeiten sind je-weilsmitBezugaufdenSchwierigkeitsgradderein-zelnen erbvertraglichen Anordnungen und derenkonkreteTragweitesowiedieKomplexitätderEnt-scheidgrundlagenzubeurteilen(sog.Relativität der

10 Breitschmid, Basler Kommentar, 3. Aufl., Basel/Genf/München2007,Art.509–511ZGBN1;ders.(Fn.1),28;vgl. auch Fankhauser/Bieler, Erbrechtliche Neuerun-gendurchdasneueErwachsenenschutzrecht, insbeson-dere die neue Form der Nacherbschaft nachArt. 492aZGB,successio2009,162ff.,163;Eitel,Erbrecht2007–2009–Rechtsprechung,Gesetzgebung,Literatur,succes-sio2010,108ff.,122.

11 AmtlBullSR2007,843.12 Vgl.auchBGE5A_727/2009,E.3.2;Breitschmid,Basler

Kommentar(Fn.10),Art.468ZGBN7.13 Statt vieler Tuor/Schnyder/Schmid/Rumo-Jungo, Das

Schweizerische Zivilgesetzbuch, 13. Aufl., Zürich 2009,§9Nr.8;a.M.Zeiter,DieErbstiftung(Art.473ZGB),Diss.Freiburg2001,Nr.273ff.

14 AuchdasArgument,wonacheinegewisseSchutzbedürf-tigkeitgegebensei,weileineinmalabgeschlossenerErb-vertrag im Gegensatz zur letztwilligen Verfügung (vgl.Art.509 ff.ZGB)grundsätzlichunwiderruflichsei,ver-magnichtzuüberzeugen.

15 Z.B.BGE134II235,239f.;124III5,7f.;5C.257/2003;Widmer Blum (Fn.2), 39 f.;Breitschmid, BaslerKom-mentar(Fn.10),Art.468ZGBN9ff.;Abt,«Fälle,diefürjeden prima-vista-Betrachter stinken»: Bundesgericht,quovadis?,successio2010,195ff.

successio 4/11 259

Urteilsfähigkeit)16undmüssenimZeitpunkt des Ver-tragsabschlussesgegebensein.ErfolgtdieBeurkun-dung des Erbvertrags im sog. Sukzessivverfahren,d.h.BeratungundBeurkundungliegenzeitlichaus-einander, sind sie sowohl im Zeitpunkt der Bera-tung (sog. Vorverfahren) als auch in der Realisa-tionsphase(sog.Hauptverfahren)notwendig17.

18. DieFrage,obaufgrundderzwingenderforder-lichen Mitwirkung des Beistands beim AbschlusseinesErbvertragsbeibestimmtenBeistandschaften(vgl.Rz.22ff.)einereduzierte Urteilsfähigkeitbzw.ein herabgesetztes Mass der Urteilsfähigkeit einesverbeiständetenErblassers,insbesonderebeimCha-rakterelement,genügenkönnte(vgl.Rz.17),istklarzu verneinen. Trotz der notwendigen Mitwirkungdes Beistands ist eine Urteilsfähigkeit gemässArt. 16 nZGB und im Sinn der Ausführungen inRz.17notwendig.Esbleibtaberdennochoffen,obin der Praxis die Urkundsperson und die bei derErrichtung des Erbvertrags mitwirkenden ZeugendieUrteilsfähigkeitdesverbeiständetenErblassersüberhauptnochprüfenwerden,wenneinBeistandmitwirkt. Ausserdem bleibt abzuwarten, ob Erb-verträge,dieunterMitwirkungdesBeistandsabge-schlossen wurden, überhaupt noch erfolgreich mitBerufung auf die Urteilsunfähigkeit angefochtenwerden können oder ob die Mitwirkung des Bei-stands den Erbvertrag gegen Ungültigkeitsklagenbestandessichermacht.

19. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dasseineurteilsunfähigevolljährigePersonerbvertrags-unfähig ist (und bleibt), unabhängig davon, ob sieverbeiständet ist oder nicht18. Sie kann auch nichtletztwilligüberihrenNachlassverfügen,sodasssich

ihr Nachlass zwingend nach der gesetzlichen Erb-folgevererbt.

b) Vollendetes 18. Altersjahr (Art. 468 Abs. 1 nZGB i.V.m. Art. 14 nZGB)

20. Die Errichtung eines Erbvertrags setzt nebender Urteilsfähigkeit das vollendete 18. Altersjahr,mithindieVolljährigkeit i.S.v.Art.14nZGB,voraus.Der Erblasser kann daher frühestens an seinem18.GeburtstageinenErbvertragabschliessen.

21. Esistumstritten,obdas18.AltersjahrzuBeginnoder am Ende des Geburtstags vollendet ist. Kor-rekterweisemüsstefürjedeeinzelnePersonanhandihrer effektiven Geburtszeit die Vollendung des18.AltersjahrsunddamitderEintrittderVolljährig-keitberechnetwerden.AusPraktikabilitätsgründenrechtfertigtsichjedocheinegrosszügigeAuslegungdesBegriffsdes18.Altersjahrs,unddieVolljährig-keitistbereitsab Beginn des 18. Geburtstags,d.h.ab0.00UhrdiesesTages,anzunehmen19.

c) Zustimmung des Beistands (Art. 468 Abs. 2 nZGB)

aa) ErfordernisnurbeibestimmtenBeistand-schaftenundnurbeiAufnahmedesGeschäftsimAufgabenkatalogdesBeistands

22. Art. 468Abs. 2 nZGB verlangt für «Personen unter einer Beistandschaft, die den Abschluss eines Erbvertrags umfasst», zusätzlich die Zustimmungihres gesetzlichen Vertreters. Daraus lässt sichschliessen,dassnichtbeijederBeistandschaft,son-dernnurbeibestimmtenBeistandschafteneineZu-stimmungdesBeistandszumAbschlussdesErbver-trags notwendig ist. Allerdings lässt das Gesetzoffen,beiwelchenArtenvonBeistandschaften(vgl.Rz.7)eineZustimmungdesBeistandserforderlichist. Es liegt damit bei der Erwachsenenschutz-behörde,dieseFrage imEinzelfall zuregeln.Den-nochstellensichdiesbezüglichzweigrundsätzlicheFragen: Kann die Erwachsenenschutzbehörde daszusätzlicheGültigkeitserfordernisderZustimmungdes Beistands bei jeder beliebigen Beistandschaftanordnen(vgl.Rz.23f.)?WiekonkretmussdieEr-wachsenenschutzbehördedieseAufgabe imAufga-benkatalogdesBeistandsumschreiben(vgl.Rz.25)?DazuFolgendes:

23. Beistandschaften, bei denen die Zustimmung des Beistands zu einem Erbvertrag angeordnet werden kann: Dogmatisch käme lediglich das BesteheneinerMitwirkungsbeistandschaft (Art.396nZGB)20inBetracht,weilderBeistandbeimAbschlusseinesErbvertrags(aufgrundderabsolutenHöchstpersön-

16 Z.B. BGE 5A_12/2009, E. 5.2 und 5.3; 124 III 5, 8;5C.193/2004,E.2.1;Widmer Blum (Fn.2),41f.;Schrö-der, Praxiskommentar Erbrecht, 2. Aufl., Basel 2011,Art.467ZGBN8m.H.

17 BGE 5A_12/2009, E. 4.1 und 4.2; Breitschmid, BaslerKommentar(Fn.10),Art.468ZGBN12.

18 Weimar,BernerKommentar,Bern2009,Art.468ZGBN9.

19 Weimar, Berner Kommentar (Fn. 18), Art. 467 ZGBN17;a.M.Tuor,BernerKommentar,2.Aufl.,Bern1952,Art.467ZGBN5,derdas18.AltersjahrerstmitAblaufdesGeburtstagsalsvollendetbetrachtet.

20 Botschaft (Fn. 1), 7105; Weimar, Berner Kommentar(Fn. 18), Art. 468 ZGB N 10a; Fankhauser/Bieler(Fn.10),170;Wolf (Fn.2),104;vgl. zurUmschreibungdesAufgabenkatalogsArt.391nZGB;vgl.auchBider-bost (Fn.7),10;oderRosch,DieBestimmungderAuf-gabenbereichedesBeistandesnachArt.391nZGB,ZKE2010,184ff.

Neues Erwachsenenschutzgesetz – Die neuen Bestimmungen im Erbrecht

260 successio 4/11

lichkeit dieses Rechtsgeschäfts) lediglich «mit-wirkt». InderPraxiswird sichdieseAufgabeabervoraussichtlichregelmässigimZusammenhangundim Rahmen einer Vermögensverwaltungsbeistand-schaft(Art.395nZGB)aufdrängen21.Allerdingsistnichtanzunehmen,dassdieErwachsenenschutzbe-hörde in diesen Fällen jeweils formell zusätzlicheine Mitwirkungsbeistandschaft gemäss Art. 396nZGBanordnet.DeshalbmussdasErfordernisei-nerZustimmungauchbeidieserBeistandschaftundbei der Vertretungsbeistandschaft allgemein (Art.394nZGB)möglichsein22,23.Dasselbegiltbeieinerumfassenden Beistandschaft (Art. 398 nZGB). BeidieserBeistandschaftwirdderbetroffenenPersonzwar von Gesetzes wegen die Handlungsfähigkeit(Art.398Abs.3nZGB),nichtaberdieUrteilsfähig-keitabgesprochen(vgl.Art.17nZGB)24.Daheristnichtauszuschliessen,dassdiesePersonmitBezugauf eine konkrete letztwillige Anordnung urteils-fähig ist und die Zustimmung des Beistands zumAbschlusseinesErbvertragszuseinenAufgabenge-hört25.

24. Bei der Begleitbeistandschaft (Art. 393 nZGB)ist eineAufnahme des zusätzlichen ErfordernissesderZustimmungdesBeistandsindessenAufgaben-katalog hingegen nicht zulässig. Die Aufgabe desBeistandsbeschränktsichaufdieblosseBegleitungineinzelnenAufgaben,dieHandlungsfähigkeitderbetroffenen Person ist überhaupt nicht einge-schränkt(vgl.Rz.7)26.EineAufnahmederMitwir-kung des Beistands beim Abschluss eines Erb-vertragswärebeidieserBeistandschaftnurmöglich,wenn sie in Kombination mit einer Vertretungs-,einer Vermögensverwaltungs- oder einer Mitwir-kungsbeistandschaftangeordnetwird.

25. Aufnahme des Abschlusses eines Erbvertrags im Aufgabenkatalog des Beistands:DasGesetzäussertsichnichtzurFrage,wiekonkretdieErwachsenen-schutzbehörde dieseAufgabe zu umschreiben hat.Muss der Abschluss des Erbvertrags explizit auf-geführt sein, oder reicht zum Beispiel als Um-schreibung «Vertretung in erbrechtlichen An-gelegenheiten» oder sogar bloss «Vertretung invermögensrechtlichenAngelegenheiten»?M.E.be-darfeseinerexpliziten ErwähnungdesAbschlussesdes Erbvertrags, zumal Formvorschriften gemässunbestrittener Rechtsprechung restriktiv auszule-gensind.

26. ObundwieoftdieMitwirkungbeimAbschlusseinesErbvertragsüberhauptEingangindenAufga-benkatalogeinesBeistandsfindet,wirdsichweisen.Ebensooffenbleibt,wiekonkretdieseAufgabeimAufgabenkatalog des Beistands umschrieben wird.

Es wird zu den Sorgfaltspflichten jeder Beraterinund jeder Urkundsperson gehören abzuklären, obdie mittels Erbvertrag über ihren Nachlass verfü-gendePersonuntereinerBeistandschaftsteht;wennja, Einsicht in den Einsetzungsbeschluss des Bei-stands zu nehmen und den Aufgabenkatalog desBeistands zu prüfen.Ausserdem ist zu empfehlen,selbstbeioffenenundwenigpräzisen(undm.E.un-genügenden) Formulierungen (z.B. «Vertretung invermögensrechtlichen Angelegenheiten») die Zu-stimmung des Beistands einzuholen. Andernfallsbesteht das Risiko, dass der Erbvertrag nach demTod des verbeiständeten Erblassers wegen Ungül-tigkeitangefochtenwird27.

bb) AnforderungenandieZustimmungdesBeistands

27. Die verbeiständete Person hat den Erbvertragaufgrund seines absolut höchstpersönlichen Cha-raktersselberabzuschliessen,eineVertretungdurchden Beistand ist ausgeschlossen (vgl. Art. 19cnZGB).DieAufgabedesBeistandsbeimVertrags-abschlussbeschränktsichdaheraufdieblosse Mit-wirkung. Ein vom Beistand inVertretung des ver-beiständetenErblassersabgeschlossenerErbvertragwärenichtig.

28. Art.468Abs.2nZGBäussertsichwederzudenzeitlichennochzudenformellen Anforderungenandie Zustimmung des Beistands. Massgebend sind

21 ObwohlsichdieseBeistandschaftaufdielebzeitigeVer-mögensverwaltung beschränkt und die erbrechtlicheVerfügungsfähigkeit grundsätzlich nicht tangiert; vgl.dazu auch die kritischen Bemerkungen bei Weimar,BernerKommentar(Fn.18),Art.468ZGBN10a.

22 A.M.Botschaft(Fn.1),7105;Wolf(Fn.2),104.23 IndiesemZusammenhang istdaraufhinzuweisen,dass

der Beistand bei diesen Beistandschaften zwar grund-sätzlich anstelle der betroffenen Person handelt undbeimAbschlussvonRechtsgeschäftengeradenichtblossmitwirkt(vgl.Rz.7).Allerdingsistesdurchauszulässig,dassdiebetroffenePerson(selbstbeieinerausschliessli-chen Handlungsbefugnis des Beistands) alleine RechteundPflichtenbegründenkann,dasRechtsgeschäftabererstnachVorliegenderZustimmungdesBeistandsgültigwird (vgl. Art. 407 ZGB i.Z.m. Art. 19 ZGB); Rosch(Fn.1),EinführungN31.

24 Rosch (Fn. 1), Einführung N 20; a.M. Weimar, BernerKommentar(Fn.18),Art.468ZGBN10ai.V.m.N9.

25 Gl.M.Breitschmid(Fn.1),28,undFankhauser/Bieler(Fn.10),170,diewohlvomGesetzeswortlautimVorent-wurfausgehen,derdieumfassendeBeistandschaftexpli-ziterwähnte.A.M.Weimar,BernerKommentar(Fn.18),Art.468ZGBN10ai.V.m.N9.

26 Vgl.auchBotschaft(Fn.1),7105.27 Vgl.zudenRechtsfolgenRz.31.

successio 4/11 261

deshalb die allgemeinen Vorschriften in Art. 19a–19c nZGB28: Die Zustimmung kann vorgängig zumodergleichzeitig mitdemAbschlussdesErbvertrags,aber auch nachträglich (als Genehmigung dessel-ben) erfolgen (Art. 19aAbs. 1 nZGB)29. Sie mussspätestens im Zeitpunkt desTodes des Erblassersvorliegen. Fehlt die Zustimmung des BeistandsbeimVertragsabschluss,bleibtderErbvertragbiszudessenGenehmigunginderSchwebe.DieZustim-mungdesBeistandsistankeine spezielle Formge-bunden;esgenügtmithinStillschweigenoderkon-kludentesVerhalten.AusBeweisgründenempfiehltsicheineschriftlicheZustimmung.

29. Der Beistand hat zu prüfen, ob das konkreteRechtsgeschäft im Sinne der verbeiständeten Per-sonist.DeshalbhatdieZustimmungfür jeden Erb-vertrag einzeln zu erfolgen; die Zustimmung darfnichtzumRoutineaktwerden30.

d) Kein Erfordernis der Zustimmung der Erwachsenenschutzbehörde

30. Nicht notwendig ist die Zustimmung der Er-wachsenenschutzbehörde. Art. 416 Abs. 1 Ziff. 3

nZGBbeziehtsichnuraufdenAbschlussvonErb-verträgen,beidenendieverbeiständetePersonamErbvertragalsGegenpartei,nichtaberalsErblasse-rinmitwirkt(vgl.Rz.34)31.

3. Rechtsfolgen bei fehlenden Gültigkeits­voraussetzungen

31. Ein Erbvertrag unterliegt der Ungültigkeits-klage,sofernderverbeiständeteErblasserimZeit-punkt der Errichtung nicht verfügungsfähig i.S.v.Art.467ZGBundArt.468nZGBwar,das18.Al-tersjahrnochnichtzurückgelegthatoderbeidessenTod die Zustimmung des Beistands nicht vorliegt(Art.519Abs.1Ziff.1ZGB).

4. Eingeschränkter Anwendungsbereich von Art. 468 nZGB

32. Art.468nZGBgiltnichtbeiallenErbverträgen.Vielmehr ist der Anwendungsbereich sowohl insachlicher und persönlicher als auch in zeitlicherHinsichteingeschränkt:

a) Sachlicher Anwendungsbereich33. Art.468nZGBbeziehtsichnichtaufdenErb-vertragimformellenSinn,d.h.aufdieUrkundege-mässArt.512ZGBalssolche,sondernaufdenErb-vertrag im materiellen Sinn,d.h.aufdievertraglichenund damit bindendenVerfügungen im Erbvertrag.Art.468nZGBistdemzufolgenichtanwendbaraufdieineinemErbvertragstehendeneinseitigen(tes-tamentarischen)unddamit jederzeit freiwiderruf-lichen Verfügungen, ebenso wenig auf Rechtsge-schäfte unter Lebenden. Die VerfügungsfähigkeitdesErblassersfüreinseitigeVerfügungenineinemErbvertrag bestimmt sich vielmehr nach Art. 467ZGB, dessen Geschäftsfähigkeit für Rechtsge-schäfteunterLebendennachArt.12ff.nZGB32.

b) Persönlicher Anwendungsbereich34. Art. 468 nZGB regelt die Erbvertragsfähigkeit des Erblassers,nichthingegendieVerfügungsfähig-keit der Gegenpartei, d.h. der Vertragspartei desErblassers,dieselbernichtvonTodeswegenverfügt.FürdiesegeltendieallgemeinenVorschriftennachArt.12ff.nZGB:

35. Sofern der Gegenpartei im Erbvertrag nur un-entgeltliche Vorteile eingeräumt werden, reicht Ur-teilsfähigkeit, eine Zustimmung des gesetzlichenVertreters ist nicht notwendig (Art. 19 Abs. 2nZGB).Diesgiltnachh.L.auchbeieinerErbeinset-zungzugunstenderGegenpartei33,selbstwenndiese

28 Art.512Abs.2ZGBistnichtanwendbar,weilderBei-standebennichtauchVertragsparteiist.

29 Vgl.Botschaft(Fn.1),7048;Rosch (Fn.1),EinführungN 32. Gemäss Weimar, Berner Kommentar (Fn. 18),Art.468ZGBN10a,hatdieZustimmungdesBeistandsnachAbschlussdesErbvertragsgegenüberallenErbver-tragsparteienzuerfolgen.

30 Breitschmid(Fn.1),28;implizitauchWolf(Fn.2),104.31 Botschaft(Fn.1),7105.32 Weimar,BernerKommentar(Fn.18),Art.468ZGBN2;

Schröder, Praxiskommentar (Fn. 16), Art. 468 ZGBN 14. Gemäss Weimar, Berner Kommentar (Fn. 18),Art.468ZGBN10a,sollteArt.468Abs.2nZGBnurfürentgeltlicheErbverträgeundRechtsgeschäfteunterLe-benden,nichtaberfürbindendeVerfügungenvonTodeswegen gelten, weil Erwachsenenschutz und Beistand-schaftnichtberührtwürden,wennjemandbestimmt,wasnachseinemTodmit seinemVermögengeschehensoll.DieseAnsicht istabzulehnen.SieergibtsichwederausdemGesetzeswortlautundderGesetzessystematiknochausdenMaterialien.Dem(zwarberechtigten)EinwandvonWeimar,wonachErwachsenenschutzundBeistand-schaftbeierbrechtlichenVerfügungenüberdenNachlassnichtberührtwürden,wirdinArt.468Abs.2nZGBinso-fernRechnunggetragen,alsderBeistandnichtinjedemFall dem Erbvertrag zustimmen muss, sondern nur beiVorliegeneinerexplizitenAnordnungdurchdieErwach-senenschutzbehörde.

33 Breitschmid,BaslerKommentar(Fn.10),Art.468ZGBN6;Schröder,Praxiskommentar(Fn.16),Art.468ZGBN 16; Weimar, Berner Kommentar (Fn. 18), Art. 468

Neues Erwachsenenschutzgesetz – Die neuen Bestimmungen im Erbrecht

262 successio 4/11

miteinemVermächtnisbelastetodereinerAuflagebeschwertwird34.

36. Sofern der Gegenpartei im Erbvertrag (auch) Pflichtenauferlegtwerden,musssieurteilsfähigundvolljährig sein.Fehlt esanderVolljährigkeit,odersteht die volljährige, aber urteilsfähige betroffenePersonunterumfassenderBeistandschaft,bedarfeszusätzlich der Zustimmung des gesetzlichen Ver-treterszumErbvertrag(Art.19Abs.1nZGB).Diesgilt etwa bei einem entgeltlichen Erbvertrag oderentgeltlichenundunentgeltlichenErbverzicht35.

37. Bei der Gegenpartei des Erblassers, die selbernichtvonTodeswegenverfügt, isteinegewillkürte oder gesetzliche Vertretung zulässig. Schliesst einBeistand inVertretung einer verbeiständeten Per-soneinenErbvertragab,brauchtesgemässArt.416Abs.1Ziff.3nZGBzusätzlichdieZustimmungderErwachsenenschutzbehörde36.

38. Ist die Gegenpartei ebenfalls Erblasserin, d.h.verfügen beide Parteien über ihren Nachlass (sog.zweiseitiger Erbvertrag), beurteilt sich die Ver-fügungsfähigkeitbeiderParteiennachArt.467ZGB(für die einseitigen Vertragsklauseln) bzw. nachArt.468nZGB(fürdieverbindlichenVertragsklau-seln).

c) Zeitlicher Anwendungsbereich39. Art. 468Abs. 2 nZGB ist nur anwendbar, wenneine erwachsenenschutzrechtliche Massnahme besteht.Während des Prüfungs- undAnordnungs- oder desBeschwerdeverfahrensderangeordnetenMassnahmeistArt.468Abs.2nZGBnichtanwendbar,ebensowe-nigbeieinemvorgesehenenWechselvoneinernichthandlungsfähigkeitsbeschränkenden zu einer hand-lungsfähigkeitsbeschränkendenMassnahme37.

5. Intertemporalrechtliche Aspekte40. HateineentmündigtePersonvorInkrafttretendesArt.468nZGBeinenErbvertragerrichtet,stirbtsie aber nach dem Inkrafttreten, entscheidet sichnachArt.16SchlTZGB,obderErbvertraggültigerrichtet wurde: Nach Art. 16 Abs. 1 SchlT ZGBmussdieVerfügungsfähigkeitdesErblassersim Er-richtungszeitpunkt vorliegen.DadementmündigtenErblasservonderh.L.zumheutigenArt.468ZGBgenerellundunabhängigseinerUrteilsfähigkeitdieErbvertragsfähigkeit abgesprochen wird (vgl.Rz.14),wärederErbvertragdaherungültig.

41. Umstrittenistallerdings,obArt.16Abs.1SchlTZGBauchgilt,wennderErblassernichtdieimEr-

richtungszeitpunktgeltenden,aberdieim Zeitpunkt seines Todes geltenden Anforderungen an die Ver-fügungsfähigkeit erfüllt. In der Lehre wird vorabdaraufabgestellt,obderErblassermitBezugaufdieVerfügungvonTodeswegenurteilsfähigwar38.Da-heristeinderartigerErbvertraggültigbzw.dieUn-gültigkeitwirdgeheilt,sofernsichdieentmündigtePerson im Errichtungszeitpunkt derTragweite derAnordnungenundihrerWirkungenbewusstwar.

42. Damit kann bereits heute eine entmündigte,aber urteilsfähige Person mittels Erbvertrag überihrenNachlassverfügen,unddieserErbvertrag istgültig,sofernsienachdemInkrafttretendesArt.468nZGB verstirbt. Dennoch ist grundsätzlich davonabzuraten, vor dem Inkrafttreten von Art. 468nZGBaufdiesesInstrumentzugreifen,zumalinje-demFalldasRisikobesteht,dassderErblasservordem1.Januar2013verstirbt.

43. Es kann Konstellationen geben, bei denen dieangestrebte Lösung nur über einen Erbvertrag zuerreichenist.ZudenkenseietwaanfolgendenFall:Eine entmündigte, verheiratete, aber kinderlosePersonmöchteihrenEhegattenalsAlleinerbenein-setzen.DienochlebendenElternsinddamiteinver-standenundverzichtenauf ihrePflichtteilsansprü-che.DiesesZielkannnurübereinenErb(verzichts)vertragzwischendenElternundderentmündigtenPerson erreicht werden.Will man in solchen Kon-stellationen auf das Instrument eines Erbvertragszurückgreifen, ist den Beteiligten zu empfehlen,beim Vertragsabschluss – sozusagen prophylak-tisch–dieZustimmung des VormundszumErbver-trag einzuholen, damit die Gültigkeit des Erbver-trags nicht letztlich an Art. 468 Abs. 2 nZGBscheiternwird.

ZGB N 15; Druey, Grundriss des Erbrechts, 5. Aufl.,Bern2002,§12Nr.27;a.M.Escher,ZürcherKommen-tar,Zürich1959,Art.468N7,deraufgrundderErberöff-nung die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters ver-langt.

34 Weimar, Berner Kommentar (Fn. 18), Art. 468 ZGBN16.

35 Schröder, Praxiskommentar (Fn. 16), Art. 468 ZGBN16.

36 Vgl.Botschaft(Fn.1),7105;Weimar,BernerKommentar(Fn.18),Art.468ZGBN11;Wolf(Fn.2),103.

37 Für das alte Recht vgl. Weimar, Berner Kommentar(Fn.18),Art.468ZGBN9.

38 Breitschmid,BaslerKommentar(Fn.10),Art.16SchlTZGBN3;Schröder,Praxiskommentar(Fn.16),Art.16SchlTZGBN4.

successio 4/11 263

IV. Die besondere Nacherbenein­setzung auf den Überrest gemäss Art. 492a nZGB

1. Vorbemerkungena) De lege lata44. DasschweizerischeErbrechtregeltdelegelatalediglich die gewöhnliche Nacherbeneinsetzung (Art.488ff.ZGB).Dabeiwerdenzweiaufeinander-folgendeErbeinsetzungenverfügt,undderzeitlicherste Erbe, der Vorerbe, ist verpflichtet, die Erb-schaft zu einem bestimmten Zeitpunkt (sofernnichts anderes angeordnet ist, bei dessenTod, vgl.Art.489Abs.1ZGB)demzeitlichzweitenErben,demNacherben,auszuhändigen.DerVorerbedarfdie Erbschaft lediglich besitzen, brauchen, nutzenundverwalten,nichtjedochverbrauchen.Esistihmdaherverboten,dieSubstanzanzuzehren39.

45. Obwohl die gewöhnliche Nacherbeneinsetzung auf den Überrest im Gesetz nicht geregelt ist, istderenZulässigkeitinderPraxisunbestritten.DamitbefreitderErblasserdenVorerbenvondenPflich-ten und Beschränkungen, die eine gewöhnlicheNacherbeneinsetzungmitsichbringt.Insbesonderekann derVorerbe die Erbschaft nicht nur gebrau-chen, sondern auch beliebig verbrauchen. SofernderErblassernichtanderweitigverfügt,istdemVor-erbengemässh.L.einzigverboten,ausdemVorerb-schaftsvermögenSchenkungen(mitAusnahmevonGelegenheitsgeschenken) auszurichten oder dar-überdurcheineVerfügungvonTodeswegenzuver-fügen.DerNacherbeerhältdahernur,wasimZeit-punktdesNacherbfallsüberhauptnochvorhandenist40.

46. JedeNacherbeneinsetzung,d.h.diegewöhnlicheNacherbeneinsetzung gemässArt. 488 ff. ZGB so-wiedieNacherbeneinsetzungaufdenÜberrest, istheute gemäss Art. 531 ZGB gegenüber einempflichtteilsgeschützten Erben im Umfang seinesPflichtteils ungültig. Eine derartige Anordnungführt–entgegendemgesetzlichenWortlaut–zude-renHerabsetzbarkeit41.

47. DieseEinschränkungwirdinderPraxis insbe-sondereinFällenalsstossendempfunden,indenenein Erbe aufgrund seiner Urteilsunfähigkeit nichtüberseinenNachlass–unddamitauchnichtüberdasihmvonseinenElternzufliessendeVermögen–verfügenkannund sichdessenNachlass zwingendnach dem gesetzlichen Erbrecht vererbt. Davonprofitieren unter Umständen Personen, deren Be-günstigung nicht erwünscht ist. Deshalb wurde inderPraxis– trotzgrundsätzlicherUnzulässigkeit–immerwiederindenPflichtteilvonurteilsunfähigenNachkommeneingegriffen.

b) De lege ferenda48. DerGesetzgeberhatdiesesBedürfnisderPra-xis erkannt42 und neu in Anlehnung an das demdeutschenRechtbekannte«Behindertentestament»in Art. 492a nZGB die Nacherbeneinsetzung aufdenÜberresteingeführt.Art.492anZGBistaller-dings nicht unbeschränkt anwendbar, sondern nurfürdenbesonderenFall,dassurteilsunfähige Nach-kommen alsVorerben eingesetzt werden. Deshalbwird sie nachfolgend als «besondere» Nacherbein-setzung auf den Überrest bezeichnet, im Unter-schied zu der in der Praxis unter Beachtung desPflichtteilsrechts zulässigen «gewöhnlichen» Nach-erbeneinsetzung auf den Überrest. Letztere istselbstverständlich weiterhin gültig, bleibt aber ge-mässArt.531nZGBherabsetzbar.

49. Zu beachten gilt, dass sich mit Bezug auf denNachlass des urteilsunfähigen Nachkommen selber auchmitArt.492anZGBnichtsändernwird.Auf-grund dessen Testier- und ErbvertragsunfähigkeitvererbtsichseinNachlassauchinskünftigzwingendnach dem gesetzlichen Erbrecht43. Mit dem neuenArt.492anZGBkönnendieElternjedochdasVer-mögenihresurteilsunfähigenNachkommenundda-mitdessenNachlasswesentlichverkleinern,weilsieihmnichtmehrzwingendseinenPflichtteilzukom-menlassenmüssen.

50. Dieser gesetzgeberische Schritt ist begrüssens-wert.LeiderhatesderGesetzesgeberaberunterlas-sen, die bis heute bestehenden Unsicherheiten mitBezug auf die gewöhnliche Nacherbeneinsetzung

39 Vgl.zumGanzenEitel,DieAnwartschaftdesNacher-ben,Diss.Bern1991;ders.,DieNacherbeneinsetzunginTheorieundPraxis,successio2007,82ff.

40 Eitel,DieFunktionder(nachErbrechtodernachVor-mundschaftsrecht) «zuständigen Behörden» bei einerNacherbeneinsetzung, AJP 2000, 630 ff., 630 f.; ders. (Fn. 39), 85 ff.; Sandoz, Substitution fidéicommissaire(pour le surplus) et réserve héréditaire, MélangesFrançoisDessemontet,Lausanne2009,317ff.

41 BGE133III309;108II288,291;75II190,193.42 InderBotschaft(Fn.1),7105,wirdFolgendesausgeführt:

«ElterngeistigschwerbehinderterKinderstehenimmerwiedervordemProblem,dasssiezwarihrganzesVermö-genbzw.dieentsprechendeQuotegerneihremKindhin-terlassen,esaberalswenigsinnvollerachten,dassnachdemToddesKindesdessenNachlassaufgrunddesge-setzlichen Erbrechts anVerwandte geht, die sich mög-licherweisenieumdasKindgekümmerthaben.»

43 Vgl.auchBotschaft(Fn.1),7105.

Neues Erwachsenenschutzgesetz – Die neuen Bestimmungen im Erbrecht

264 successio 4/11

aufdenÜberrestzuklärenundzuregeln.Zudemistder Gesetzestext selber in diverser Hinsicht ausle-gungsbedürftig und lässt viele Fragen offen (vgl.Rz.51ff.)44.

2. Voraussetzungen a) Beschränkung des Vorerben auf Nach­

kommen 51. Die besondere Nacherbeneinsetzung auf denÜberrest istnurzulastenvonNachkommengültig.Der Vorentwurf liess sie zwar noch zulasten allerpflichtteilsgeschützter Erben, damit auch zulastendes überlebenden Ehegatten bzw. eingetragenenPartnerssowiederElternzu.ImRahmenderparla-mentarischen Beratungen wurde die ZulässigkeitjedochaufdieNachkommenbeschränkt45.

52. KeineEinschränkungschreibtderGesetzgebermitBezugaufdieNachkommenvor.DiebesondereNacherbeneinsetzung aufdenÜberrest istdemzu-folgezulasten jedes Nachkommen, auchderEnkelundUrenkelzulässig46.

53. Die Beschränkung auf die Nachkommen giltnurfürdieBestimmungdesVorerben.DasGesetzäussertsichnichtzurEinsetzungdesNacherben.Eskanndaherjede beliebige Person als Nacherbinbe-stimmtwerden47.

b) Dauernde Urteilsunfähigkeit des Nach­kommen

54. Eine besondere Nacherbeneinsetzung auf denÜberrest ist nur zulässig, wenn der Nachkommedauernd urteilsunfähig ist.Vorausgesetzt ist dahereinZweifaches:zumeinendieUrteils-bzw.Testier-und Erbvertragsunfähigkeit (vgl. Rz. 17), zum an-derndieDauerhaftigkeitdieserUrteilsunfähigkeit.Es reicht demzufolge nicht aus, wenn der Nach-kommeblossvorübergehendurteilsunfähigist.Viel-mehr bedeutet «dauernd», dass mit derWiederer-langungderUrteilsfähigkeitschlicht nicht gerechnet werden darf 48. Im Zentrum steht daher nicht dieDauerderUrteilsunfähigkeitalssolche,sonderndiemedizinischePrognoseüberdieFrage,obderNach-komme voraussichtlich urteilsunfähig bleibt bzw.dauerhafturteilsunfähigistunddamitausgeschlos-sen werden kann bzw. muss, dass er über seinenNachlassselberverfügenkann.

55. Es empfiehlt sich daher, im Zeitpunkt der Er-richtungderVerfügungvonTodeswegeneinmedi-zinisches Gutachten betreffend Urteilsunfähigkeitdes Nachkommen einzuholen. Diese Empfehlung

giltnichtnurfürdenErblasser,sondernauchfürdieUrkundsperson49.

c) Kinderlosigkeit, Ehelosigkeit bzw. Fehlen einer eingetragenen Partnerschaft des Nachkommen

56. Die besondere Nacherbeneinsetzung auf denÜberrestistgemässArt.492aAbs.1nZGBnurzu-lässig,wennderNachkomme,deralsVorerbeeinge-setztwird, selberkeine eigenen Kinder undkeinen Ehegattenhinterlässt.LeiderfehltimGesetzdieEr-wähnungdeseingetragenenPartners.Esgibtaller-dingskeinenersichtlichenGrund,weshalbderEhe-gatteunddereingetragenePartnerunterschiedlichbehandeltwerdensollten.Esistdeshalbdavonaus-zugehen,dassessichhierumeingesetzgeberischesVersehenhandelt.DieVerfügungistdemnachauchungültig,wennderNachkommeeineneingetragenen Partnerhinterlässt50.

57. Ebenfalls äussert sich das Gesetz nicht zurFrage,obdiehinterbliebenen Kinder,Ehe-oderein-getragenen Partner ebenfalls urteilsunfähig seinmüssen oder nicht. Bei deren Urteilsunfähigkeitverwirklicht sich die zu verhindernde gesetzlicheErbfolgezwareinfachaufdernächstenStufe51.Den-noch darf das Kriterium der Urteilsfähigkeit dieser

44 Vgl. auch Kritik von Piotet, La substitution fidéicom-missaire pour le surplus au détriment de la réserve dugrevé incapable de discernement dans le projet derévision du droit de la protection de l’adulte, successio2007,240ff.,241ff.

45 Vgl.Fankhauser/Bieler(Fn.10),165,167,diezuRechtdaraufhinweisen,dassdieAnordnungeinerbesonderenNacherbeneinsetzungaufdenÜberrestinvielenFällenauchbeiEhegatten(undeingetragenenPartnern)oderpflichtteilsgeschütztenElternSinnmachenwürde,wes-halbdieBeschränkungaufNachkommennichtgerecht-fertigtsei.

46 Gl.M. Fankhauser/Bieler (Fn. 10), 165; Wolf (Fn. 2),104; Weimar, Berner Kommentar (Fn. 18), Art. 492aZGBN2.

47 Vgl.auchPiotet(Fn.44),242.48 Gl.M. Fankhauser/Bieler (Fn. 10), 166; Wolf (Fn. 2),

107.NichtganzsoweitgehtWeimar,BernerKommentar(Fn.18),Art.492aZGBN5,derdie«dauerndeUrteils-unfähigkeit»auchalsgegebenerachtet,wenndieUrteils-unfähigkeit nicht mit Sicherheit eine dauernde ist undHoffnungaufHeilungbesteht.

49 Wolf (Fn.2),107.50 Gl.M.Fankhauser/Bieler(Fn.10),167;Piotet(Fn.44),

244Fn.5;Wolf (Fn.2), 107f.;Weimar,BernerKommen-tar(Fn.18),Art.492aZGBN8.

51 Gl.M.Fankhauser/Bieler(Fn.10),167.

successio 4/11 265

imGesetzaufgeführtenPersonenfürdieFragederGültigkeitderAnordnungnicht massgebendsein.

d) Fehlende Verfügung von Todes wegen des Nachkommen

58. DasGesetzerwähntdieVoraussetzung,wonachdiebesondereNacherbeneinsetzungaufdenÜber-rest nur gültig ist, sofern der Nachkomme keine eigene Verfügung von Todes wegen hinterlässt,nicht.DennochwirdsieinderLehrealszusätzlicheVor-aussetzungaufgeführt.AlsBegründungwirdaufdieratio legis verwiesen. Mit der besonderen Nacher-beneinsetzung auf den Überrest solle verhindertwerden,dassesaufgrundderdauerndenUrteilsun-fähigkeit nach demTod des Nachkommen zur ge-setzlichenErbfolgekomme.SofernnunaberbereitseineVerfügungvonTodeswegenvorliege,kommeesgarnichtmehrzurgesetzlichenErbfolge52.

59. Einiges spricht gegen diese in der Lehre ver-tretene These: Zum einen sollte man mit der Ein-führungvonVoraussetzungen,dienichteinmal imGesetz erwähnt sind, äusserst zurückhaltend sein.Zumandernistzubedenken,dassdurchdieseVor-aussetzungeinAnreizfüralleurteilsfähigenvolljäh-rigenPersonengeschaffenwird,gleichsamprophy-laktisch eineVerfügung vonTodes wegen für denspäterenFalleinerallfälligenUrteilsunfähigkeitzuerrichten,damitdieElternnichtdieMöglichkeitha-ben,beisolchenFälleneinebesondereNacherben-einsetzungaufdenÜberrestanzuordnen.

60. TrotzdieserBedenken istnebender inRz. 58erwähntenratiolegisFolgendeszuberücksichtigen:Zum einen sind bei der neu geschaffenen Ver-fügungsarteinzigderSchutzunddamitdieInteres-sen des Nachkommen, nicht aber jene der Elternmassgebend. Zum anderen liegt bei der gesamtenRevision der Fokus auf demAusbau und der Ver-stärkung der SelbstbestimmungdesEinzelnen (vgl.Rz.3).DiesgehtauchausderFormulierunginderBotschaft hervor: «[…] wird das Kind nie testier-fähig […]»53. Deshalbistm.E.trotzderinRz.59er-wähntenBedenkendieeinmalbestandeneUrteils-fähigkeitdesNachkommenhöherzugewichtenalsdasAnliegenunddieInteressenderEltern.Mitan-derenWortenmussm.E.dievomNachkommenim

Zeitpunkt seiner Urteilsfähigkeit errichteteVerfü-gungvonTodeswegeneinerdurchdieElternange-ordnete besondere Nacherbeneinsetzung auf denÜberrestvorgehenmitderFolge,dasssichdieErb-folgefürdengesamtenNachlassdesNachkommen(auchmitBezugaufdasvonseinenElterngeerbteVermögen)nachdesseneigenerVerfügungvonTo-deswegenrichtet.

3. Massgebender Zeitpunkt des Vorliegens der Voraussetzungen

61. Art. 492a nZGB äussert sich nur indirekt undsehr lückenhaft zur Frage, zu welchem Zeitpunktdie vorstehend aufgeführtenVoraussetzungen vor-liegen müssen: Abs. 1 bestimmt, dass der Nach-kommeim Zeitpunkt seines eigenen AblebenskeineNachkommen und Ehegatten hinterlassen darf.Abs.2hält fest,dassdiebesondereNacherbenein-setzungaufdenÜberrestvonGesetzeswegenda-hinfällt,wennderNachkommewider Erwartenwie-derurteilsfähigwird.Damitergibtsichm.E.aus dem Wortlaut selber,dassimZeitpunktdesTodesdesalsVorerbeneingesetztenNachkommendiefolgendenbeiden Voraussetzungen erfüllt sein müssen: zumeinendieKinder-undEhelosigkeit (bzw. fehlendeeingetragene Partnerschaft: «im Zeitpunkt seines eigenen Ablebens»), zum anderen die Urteilsunfä-higkeit(urteilsfähig«wird»).

62. Implizit ergibtsichausderFormulierung«wenn der Nachkomme wider Erwarten urteilsfähig wird»inAbs.2auch,dassdieUrteilsunfähigkeitsowohlim Zeitpunkt der ErrichtungderVerfügungvonTodeswegen54alsauchimZeitpunkt des Todes des Erblas-sersgegebenseinmuss.

63. Zum massgebenden Zeitpunkt mit Bezug aufdie anderen VoraussetzungenäussertsichdasGesetzüberhaupt nicht, also auch nicht indirekt. Bei derBeantwortungderFrageistdamitaufdieratiolegisunddengesetzgeberischenWillenzurückzugreifen.BeiderEinführungvonArt.492anZGBstandderSchutz des Nachkommen (und nicht der Eltern),demesaufgrundseinerUrteilsunfähigkeit schlichtgarnichtmöglichist,selberzubestimmen,werder-einst sein Vermögen erben soll, im Vordergrund(vgl.Rz.60).Esgingmithinnichtdarum,denElternein Instrumentarium zurVerfügung zu stellen, dieihnen unliebsamen Erben auszuschalten. Vor die-sem Hintergrund ist wohl auch zu verstehen, wes-halb dieVoraussetzung der Kinder- und Ehelosig-keit Eingang ins Gesetz gefunden hat (obwohl inetlichenFällenEhegattenbzw.SchwiegerkinderausSichtderElternebenfallszudensog.unliebsamenErbengehören).AusdiesenErwägungenlässtsich

52 Gl.M.Piotet(Fn.44),244Fn.5;Wolf(Fn.2), 108;Wei-mar, Berner Kommentar (Fn. 18),Art. 492a ZGB N 8;Fankhauser/Bieler(Fn.10),169f.

53 Botschaft(Fn.1),7105.54 SoauchFankhauser/Bieler(Fn.10),166.

Neues Erwachsenenschutzgesetz – Die neuen Bestimmungen im Erbrecht

266 successio 4/11

m.E. ableiten, dass sämtliche gesetzlichen Voraus-setzungen bereits im Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung von Todes wegen, aber eben auch imZeitpunkt des Todes des Erblassers sowie im Zeit-punkt des Todes des Vorerbenerfülltseinmüssen55.

64. EineAusnahmebestehtm.E.mitBezugaufdasVorliegen einer eigenen Verfügung von Todes wegen desNachkommen.Esreichtm.E.aus,wenneinesol-cheVerfügungerstimZeitpunkt des Todes des Nach-kommen selber vorliegt.Allerdings ist diese FragereintheoretischerNatur.DerNachkomme,dererstnach Errichtung der Anordnung der besonderenNacherbeneinsetzung auf den Überrest durch denElterodernachdemToddesElterseineeigenegül-tige Verfügung von Todes wegen errichtet, ist ur-teilsfähig,wasgemässArt.492aAbs.2nZGBohne-hinundeoipsozumWegfallderangeordnetenbe-sonderen Nacherbeneinsetzung auf den Überrestführt(vgl.Rz.66).

65. Darauserhellt,dasssichregelmässigerstim Zeit-punkt des Todes des NachkommenundnichtbereitsimZeitpunktdesTodesdesErblassersselberfeststel-len lässt, ob sämtliche Voraussetzungen gemässArt.492anZGBvorliegenunddiebesondereNach-erbeneinsetzung auf den Überrest überhaupt gültigist.DaheristdemErblasserdringendzuempfehlen,Ersatzverfügungenanzuordnen(Art.487ZGB).

4. Rechtsfolgena) Bei ungültiger besonderer Nacherben­

einsetzung auf den Überrest66. GemässArt.492aAbs.2nZGBfälltdiebeson-dere Nacherbeneinsetzung auf den Überrest vonGesetzeswegen,d.h.eoipso,dahin,wennderNach-komme wider Erwarten seine Urteilsfähigkeit er-langtbzw.wennerimErbfall,d.h.imZeitpunktdesTodesdesverfügendenElters,urteilsfähigist.DamitlebtalsonichtetwanurderPflichtteilsschutzwiederauf, sondern es kommt zur gesetzlichen Erbfolge56.Wiebereitsausgeführt(vgl.Rz.61),mussGleichesauchgelten,wennderNachkommenachdemToddesErblassersurteilsfähigwird57.

67. Art.492anZGBäussertsichnichtzurRechts-folge einer angeordneten besonderen Nacherben-einsetzungaufdenÜberrest,wenneine der anderen Voraussetzungen nicht erfüllt ist, d.h. eine beson-dereNacherbeneinsetzungaufdenÜberrestzulas-tendesEhegattenbzw.eingetragenenPartnersoderderElternerfolgt,derurteilsunfähigeNachkommeim Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung vonTodeswegen,desTodesdesErblassersoderseineseigenenTodeseigeneKinder,einenEhe-oderein-

getragenenPartnerhatodereineeigenegültigeVer-fügungvonTodeswegenhinterlässt.M.E.mussFol-gendesgelten:

68. Hinterlässt der Nachkomme eigene Kinder, einen Ehegatten bzw. eingetragenen Partner odereineeigene Verfügung von Todes wegen,giltArt.492aAbs.2nZGB,unddieangeordneteNacherbenein-setzungaufdenÜberrest fälltvon Gesetzes wegen dahin58.AndersgestaltetsichdieRechtslage,wenndiebesondereNacherbeneinsetzungaufdenÜber-rest zulasten anderer pflichtteilsgeschützter Erben,d.h.zulastendesEhegatten,eingetragenenPartnersoder eines Elters, angeordnet wird. Diesfalls liegteine gewöhnliche Nacherbeneinsetzung auf denÜberrestvor(vgl.Rz.45).DieVerfügungistdeshalb(gestütztaufArt.531ZGB) lediglichherabsetzbar(vgl.Rz.46)59.

b) Bei gültiger besonderer Nacherben­einsetzung auf den Überrest

69. Eine gestützt auf Art. 492a nZGB gültig an-geordnetebesondereNacherbeneinsetzungaufdenÜberrest kann gemäss Art. 531 Satzteil 2 nZGBnicht mit einer Herabsetzungsklage angefochtenwerden.

70. Welche Rechte und Pflichten mit einer gültigerrichteten besonderen Nacherbeneinsetzung aufdenÜberrestnachArt.492anZGBverbundensind,regelt das Gesetz nicht. Auch den Materialien istdiesbezüglich nichts zu entnehmen. Damit sindgrundsätzlichdieallgemeinen Grundsätzeanzuwen-

55 GestütztaufdieseÜberlegungensindauchsog.«Nacher-beneinsetzungenaufVorrat»,d.h.besondereNacherben-einsetzungen auf den Überrest, die sozusagen prophy-laktisch für den Fall errichtet werden, dass ein Erbeeventuellurteilsunfähigwerdenkönnte,ungültig.Gl.M.Fankhauser/Bieler(Fn.10),166.

56 Vgl.dieKritikunddenHinweisvonPiotet (Fn.44),245,wonachesdurchausmöglichsei,dassderErblassersei-nemNachkommen–selbstbei(Wieder-)ErlangungderUrteilsfähigkeit – lediglich den Pflichtteil zuweisenwollte.

57 Piotet (Fn.44),246.58 Gl.M. Fankhauser/Bieler (Fn. 10), 166 und 169; a.M.

Piotet (Fn. 44), 244, der für eine Reduktion auf einegewöhnlicheNacherbeinsetzungplädiert;ebenfallsWei-mar,BernerKommentar(Fn.18),Art.492aZGBN8,al-lerdingsnur,sofernderNachkommenachträglichElterwirdoderheiratet.GemässWeimaristdiesfallseineHer-absetzungsklage zu erheben. Die Gefahr, wonach dieKlage bereits verwirkt ist, nimmt er dabei bewusst inKauf.

59 SoauchFankhauser/Bieler(Fn.10),165f.

successio 4/11 267

den,welcheLehreundRechtsprechungmitBezugauf die (nicht gesetzlich geregelte) gewöhnlicheNacherbeneinsetzungaufdenÜberrest(vgl.Rz.45)entwickelthaben:

71. Primär ergeben sich die Rechte und Pflichtendes Vorerben aus den erblasserischen Anordnun-gen60.HatderErblassernichtsverfügt,giltsekundärFolgendes:DerVorerbe(bzw.seinBeistand)hatdieAufnahme eines Inventars zu dulden (analogArt.490Abs.1ZGB)61.Vermutungsweiseistervonder Sicherstellungspflicht befreit62. Der Vorerbe(bzw.derBeistand)hatzudemdasunbedingteundunbefristete Verfügungsrecht über das Vorerb-schaftsvermögen und kann mithin neben den Er-trägenauchdasKapitalverbrauchen.ErkanndasVorerbschaftsvermögen unabhängig des eigenenVermögens verbrauchen. Bei der gewöhnlichenNacherbeneinsetzung auf den Überrest ist dies-bezüglichumstritten,obderVorerbedaseigeneunddas Vorerbschaftsvermögen verhältnismässig zuverbrauchenhat63.BeiderbesonderenNacherben-einsetzung auf den Überrest ist der BesonderheitRechnungzutragen,dassdieGültigkeitderAnord-nungerstimZeitpunktdesTodesdesVorerben,al-lenfallsmehrereJahrzehntenachdemToddesErb-lassers,beurteiltwerden(vgl.auchRz.65)undesimZeitpunktdesTodesdesNachkommenallenfallszueiner Rückabwicklung kommen kann. Deshalb istdemVorerben (bzw. dem Beistand) zu empfehlen,

vorab das gesamte eigene Vermögen zu verbrau-chen,bevoraufdasVorerbschaftsvermögengegrif-fenwird.

c) Sonderkonstellationen72. Wie ausgeführt, kann eine im Zeitpunkt derErrichtung als gültig erachtete besondere Nacher-beneinsetzungaufdenÜberrestnachträglich dahin-fallen,weileinederVoraussetzungennichtmehrer-fülltist(vgl.vorstehendRz.65).WasdiekonkretenRechtsfolgen in diesem Fall sind, sagt das Gesetznicht.FälltdiebesondereNacherbeneinsetzungaufdenÜberrestbeispielsweiseimZeitpunktderWie-dererlangung der Urteilsfähigkeit endgültig dahinoderwirdsieblosssistiertundkannallenfallswie-der reaktiviert werden, sofern im Zeitpunkt desTodes des Vorerben wieder alle Voraussetzungenerfülltsind?

73. WirdderNachkommenachdemToddesErb-lassers (wieder) urteilsfähig, muss m.E. die beson-dereNacherbeneinsetzungaufdenÜberrestdefini-tivdahinfallen,undzwarunabhängigdavon,obderNachkommevorseinemTodwiederurteilsunfähigwird.DerGrundliegtdarin,dassderNachkommeab diesem Zeitpunkt selber über sein Vermögenverfügen könnte, womit der Schutzgedanke, derArt.492anZGBzugrundeliegt,dahinfällt(vgl.auchRz.58und60)64.

74. Anders sieht die Rechtslage bei der Voraus-setzungderKinder- und Ehelosigkeit (bzw. fehlen-der eingetragener Partnerschaft) aus. Sollte derNachkomme,ohne seineUrteils-bzw.Verfügungs-fähigkeitgemässArt.467undArt.468nZGBi.V.m.Art.16nZGBwiederzuerlangen,heiratenodersel-berElterwerden,solltediebesondereNacherben-einsetzung auf den Überrest bloss sistiert werdenund wieder aufleben, sofern diese VoraussetzungvorseinemTodwiederwegfallenwürde.DerGrundliegt darin, dass in diesen Fällen weiterhin keineMöglichkeitdesNachkommenbesteht,überseinenNachlass zu verfügen. Der der Bestimmung zu-grundeliegendeSchutzgedankeistdamitweiterhingegeben(vgl.Rz.73)65.

5. Intertemporalrechtliche Aspekte75. Bei der besonderen Nacherbeneinsetzung aufden Überrest gemäss Art. 492a nZGB handelt essichumeineneueVerfügungsart,welchedieVerfü-gungsfreiheit vergrössert. Massgebend ist daherArt.16Abs.3SchlTZGB.Damitgiltausschliesslich das neue Recht, sofernderErblassernach Inkraft-

60 Botschaft(Fn.1),7105.61 Vgl.auchEitel/Scherrer,BGE133III308,Testamenta-

rischeNacherbeneinsetzungaufdenÜberrest,successio2009,67ff.,69.

62 Bessenich, Basler Kommentar, 3. Aufl., Basel/Genf/München 2007,Art. 491 ZGB N 9 m.H.; a.M. Sandoz(Fn.40),320.

63 Vgl.ÜbersichtdereinzelnenMeinungenbeiBessenich,BaslerKommentar(Fn.62),Art.491ZGBN9;vgl.auchEitel/Scherrer (Fn.61),73ff.m.H.;undPiotet (Fn.44),241f.m.H.

64 Dieselbe Ansicht vertritt auch Weimar, Berner Kom-mentar(Fn.18),Art.492aZGBN10f.ErlehntjedochfürEinzelfälleeinensofortigenWegfallderAnordnungabundräumtdemNachkommeneineFristvon14Tagen(analogArt.508ZGB)odereinemJahr(analogArt.469Abs.2ZGB)ein,selbereineVerfügungvonTodeswegenzuerrichten.A.M.Piotet(Fn.44),246,derfüreinWie-deraufleben eintritt, sofern der Nachkomme währendseinerUrteilsfähigkeitnichtselberverfügthat.

65 Piotet (Fn. 44), 244; a.M. Fankhauser/Bieler (Fn. 10),167 f.,diebeinachträglichemAuftretenvonNachkom-menoderEhegattenAbs.2analoganwendenundeinenWegfall der besonderen Nacherbeneinsetzung auf denÜberrestannehmen.

Neues Erwachsenenschutzgesetz – Die neuen Bestimmungen im Erbrecht

268 successio 4/11

tretendesneuenRechtsverstirbt,derErrichtungs-zeitpunkthatkeineBedeutungmehr66.

76. AusdiesemGrundistesmöglich,ohneWeiteresbereitsheuteeinebesondereNacherbeneinsetzungaufdenÜberrestzuverfügen.Allerdingsistzuemp-fehlen,jeeineErsatzverfügung(Art.487ZGB)vor-zusehenfürdenFall,dassderErblasservorInkraft-treten der neuen Gesetzesbestimmung versterbensollte, sowie für den Fall, dass nach InkrafttretenvonArt.492anZGBeinederVoraussetzungendie-serBestimmungdahinfallensollte.

V. Erweiterte Kompetenzen eines Beistands eines noch ungeborenen Kindes gemäss Art. 544 Abs. 1bis nZGB

1. De lege lata77. HeutewerdendieInteressendesnascituruspri-märdurchdessenElternalskünftigenInhabernderelterlichenSorge(Art.296ff.und318ZGB)wahr-genommen.SoferndieElternihrenAufgabennichtnachkommen,kanndieVormundschaftsbehördege-stütztaufArt.393Ziff.3oderArt.309ZGBeinenBeistand ernennen67. Die Aufgaben des Beistandssind heute auf dieVerwaltung desVermögens beifehlenderVerwaltungoderdieFeststellungderVa-terschafteingeschränkt68.

2. De lege ferenda78. Auch im neuen Recht vertreten primär dieEltern die Interessen des nasciturus. Neu hat dieKindesschutzbehörde jedoch im Sinne einer Ver-stärkungderRechtsstellungdesnasciturusdieBe-fugnis, generell und ohne Einschränkung auf be-stimmte Aufgabenbereiche einen Beistand für dennascituruszuernennen,wennihreinesolcheMass-nahmezurWahrungvondessenInteressenundzudessenSchutzimErbgangalsnotwendigerscheint.DieEinsetzungeinesBeistands liegtdamit imEr-messenderKindesschutzbehörde,drängtsichaberinsbesondere bei Interessenkonflikten zwischendem nasciturus und dem Inhaber der elterlichenSorgeauf69.

79. DieAufgabendesBeistandsbestimmensichan-handdesvonderKindesschutzbehördevorgegebe-nen Katalogs. In der Regel gehören eine allfälligefristgerechte Ausschlagung der Erbschaft und einallfälliges Verlangen des öffentlichen Inventarsdazu.ZubeachtengiltundfürdenErbrechtsprakti-kervonRelevanzist,dassgemässh.L.diejeweiligen

FristenbereitsbeiEröffnungdesErbgangsundda-mitbereitsvorderGeburtdesnascituruszulaufenbeginnen70.

VI. Beistand als Erbschaftsverwalter gemäss Art. 554 Abs. 3 nZGB

1. De lege lata80. Art.554Abs.2und3ZGBregelndieFrage,werdie Erbschaftsverwaltung zu übernehmen hat, so-fern eine solche angeordnet wird. Die Wahl derPersondesErbschaftsverwaltersliegtgrundsätzlichim freienErmessender zuständigenBehörde.HatderErblasser jedocheinenWillensvollstreckerein-gesetzt,istgemässAbs.2diesemdieVerwaltungzuübertragen71.

81. Gemäss heutiger Fassung von Art. 554 Abs. 3ZGB obliegt die Erbschaftsverwaltung ausserdemdem Vormund, sofern der Erblasser bevormundet,d.h.entmündigtwar.DieseBestimmungkommtda-mitnurzumZug,soferndieeinschneidendstevor-mundschaftlicheMassnahmevorliegt.

2. De lege ferenda82. Abs. 3 vonArt. 554 ZGB wurde im Zuge derRevision den erwachsenenschutzrechtlichen Mass-nahmen angepasst. Neu obliegt die Erbschaftsver-waltung dem Beistand, sofern der Erblasser untereinerBeistandschaftstand,welchedieVermögens-verwaltung umfasste. Zwar handelt es sich gemässBotschaft bei dieser Anpassung lediglich um eineredaktionelle Änderung72. Das ist indes nicht kor-rekt.VielmehrwurdederAnwendungsbereichdie-sesAbsatzeserweitertundgreiftneubeiallenBei-standschaften, sobald der Beistand auch für die Vermögensverwaltungverantwortlichist73.

66 Fankhauser/Bieler (Fn. 10), 162, 164 f.; Wolf (Fn. 2), 106.

67 Tuor/Picenoni,BernerKommentar,Bern1964,Art.544ZGB N 1; Schwander, Basler Kommentar, 3. Aufl.,Basel/Genf/München2007,Art.544ZGBN3.

68 Vgl. die Hinweise zur Praxis bei der Einsetzung einesBeistandsbeiSchwander,BaslerKommentar (Fn.67),Art.544ZGBN3.

69 Botschaft(Fn.1),7106.70 Im Einzelnen vgl. Abt, Praxiskommentar Erbrecht,

2.Aufl.,Basel2011,Art.544ZGBN7m.H.71 ImEinzelnenKarrer,BaslerKommentar,3.Aufl.,Basel/

Genf/München2007,Art.554ZGBN24ff.m.H.72 Botschaft(Fn.1),7106,andersallerdings7049.73 Fankhauser/Bieler(Fn.10),163.

successio 4/11 269

83. Art. 554Abs. 3 nZGB kommt daher nur dannzurAnwendung,wenndieverstorbenePersonuntereiner Vermögensverwaltungsbeistandschaft gemässArt. 395 nZGB, auch in Kombination mit anderenBeistandschaften,oderuntereinerumfassenden Bei-standschaft gemäss Art. 398 nZGB gestanden hat.DieseBeistandschaftmussimZeitpunktdesTodesdesErblassersbestehen.StirbteinePersonwährenddesPrüfungs-undAnordnungs-oderdesBeschwer-deverfahrensderangeordnetenMassnahme,istm.E.Art.554Abs.3nZGBnichtanwendbar.

84. DerVermögensverwaltungsbeistandwirdnichteoipsoErbschaftsverwalter,sondernermussdurch

behördliche Verfügungeingesetztwerden74.Ausser-demhater–imGegensatzzumWillensvollstrecker,dergestütztaufArt.554Abs.2ZGBzwingendzumErbschaftsverwalter ernannt werden muss, soferndie persönlichen Anforderungen erfüllt sind75 –keinen RechtsanspruchaufeineEinsetzungalsErb-schaftsverwalter.Vielmehr enthältArt. 554Abs. 3nZGBlediglicheineAnweisungandieBehördezuprüfen,obderBeistanddiegeeignetePersonfürdieÜbernahme der Erbschaftsverwaltung wäre76. Da-mitstehtdieWahlderPersontrotzArt.554Abs.3nZGB (d.h. auch bei bestehender BeistandschaftmitVermögensverwaltung) imfreien Ermessen der Behörde77.

74 Botschaft (Fn.1),7049;vgl.auchKarrer,BaslerKom-mentar(Fn.71),Art.554ZGBN28ff.m.H.;zurZustän-digkeitvgl.Emmel,PraxiskommentarErbrecht,2.Aufl.,Basel2011,Vorbem.zuArt.551ff.ZGBN9.

75 Vgl. im Einzelnen Emmel, Praxiskommentar (Fn. 74),Art.554ZGBN12.

76 Botschaft (Fn. 1), 7049; Karrer, Basler Kommentar(Fn.71),Art.554ZGBN28.

77 Botschaft (Fn. 1), 7049; Emmel, Praxiskommentar(Fn.74),Art.554ZGBN14.