Neuland Ausgabe 3/2014

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Erwachsenenbildung: Die Herausforderung einer modernen Weiterbildung Seite 14 Hospizarbeit: Neuer Qualitätsindex startklar für die Praxis Seite 17 Psychotherapie: Neue Kinder- und Jugendambulanz Seite 20 Unzufrieden im Job? Wie positive Psychologie helfen kann Seite 18 Protest & Gerechtigkeit Thema in Forschung und Lehre am Campus Landau Seite 3 2014 / 03 / Nr. 38

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* Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit * Herausforderungen einer modernen Erwachsenenbildung * Neuer Qualitätsindex für Hospizarbeit * Wie positive Psychologie im Job helfen kann * Neue Kinder- und Jugendambulanz eröffnet

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Erwachsenenbildung Die Herausforderung einer

modernen Weiterbildung

Seite 14

HospizarbeitNeuer Qualitaumltsindex

startklar fuumlr die Praxis

Seite 17

PsychotherapieNeue Kinder- und

Jugendambulanz

Seite 20

Unzufrieden im JobWie positive Psychologie

helfen kann

Seite 18

Protest amp GerechtigkeitThema in Forschung und Lehre am Campus Landau

Seite 3

2014 03 Nr 38

2 NeuLand 2014 03

EditorialLiebe Leserin lieber Leser

Protest und Protestbewegungen sind seit einigen Jah-ren aus der oumlffentlichen Berichterstattung nicht mehr wegzudenken Buumlrger begehren verstaumlrkt auf Nicht nur in westlichen Regionen sondern auch in Laumlndern in denen dies bis vor Kurzem undenkbar schien Ganz praumlsent sind noch die Bilder von der Jasmin-Revolution in Tunesien vom Tahrir-Platz in Kairo vom Gezi-Park in Istanbul oder dem Maidan in Kiew die wir mit Hoff-nung und Staunen uumlber Wochen und Monate verfolgen konnten

Treibende Kraumlfte dieser Proteste sind und waren meist Studenten junge Akademiker die Universitaumlten somit Ausgangspunkt politischer Umbruumlche Aktuell beo-bachten wir gespannt den von Studierenden getrie-benen demokratischen Aufbruch in Hongkong Auch in Deutschland sind Universitaumlten spaumltestens seit den Studentenbewegungen der 1960er Jahre ein Ort des Protestes des politischen Engagements und der freien Meinungsaumluszligerung

Am Campus Landau beschaumlftigten wir uns auch wis-senschaftlich mit Protest Konflikten und Gerechtigkeit Daher haben wir diesem Thema den Schwerpunkt die-ser NeuLand-Ausgabe gewidmet Warum protestieren Menschen Warum spielt Gerechtigkeit beim Aufbe-gehren eine zentrale Rolle Setzen sich Menschen ver-mehrt fuumlr eigene Belange oder auch fuumlr die Beduumlrfnisse Dritter ein Dieser Frage geht die politische Psycholo-gie nach (S 12) Und auch von der Philosophie einer Disziplin die sich seit uumlber zweitausend Jahren damit beschaumlftigt die Welt und die menschliche Existenz zu verstehen und zu erklaumlren erhalten wir beispielsweise Antworten darauf was Gerechtigkeit uumlberhaupt ist und welchen Stellenwert sie im menschlichen Zusammenle-ben hat (S 6)

Proteste erfahren heute vor allem durch die sozialen Medien Unterstuumltzung Hier wird Meinung gemacht

hier erfaumlhrt die Welt von Vorkommnissen zu denen die klassischen Medien teilweise gar keinen Zugang mehr haben Das Volk selbst sorgt uumlber diese Kanaumlle dafuumlr dass sich Informationen verbreiten Dennoch leben Protestbewegungen vor allen Dingen auch durch die Symbolkraft von Bildern Wie wichtig es fuumlr die Wahrnehmung von Protestaktionen ist sich visu-ell von anderen Medienereignissen abzuheben ist ein Forschungsthema der Landauer Soziologie Soziale Be-wegungen setzen immer haumlufiger auf gute Inszenierun-gen die Protestkommunikation wird aumlsthetisch Doch die Aumlsthetisierung von Protestkultur ist keine Erfindung der Pop-Kultur Die Kunstgeschichte weiszlig viele Beispie-le bei denen die Inszenierung und die Symbolkraft von Bildern bereits durchschlagende Wirkung erzielte (S 9)

Wo es Menschen gibt gibt es auch Konflikte Die Lan-dauer Persoumlnlichkeitspsychologie untersucht daher wie Konflikte entstehen und wie Mediation bei deren Loumlsung helfen kann Allzu oft stocken Verhandlungsge-spraumlche weil jede Partei zu sehr in den eigenen Vorstel-lungen feststeckt ein Aufeinanderzugehen unmoumlglich scheint Ein vertrauensvoller unbeteiligter Dritter kann hier durchaus Bewegung ins Spiel bringen (S 4) Mit diesem Querschnitt durch die verschiedenen Diszipli-nen wollen wir Ihnen die verschiedenen Aspekte von Protestkultur und Gerechtigkeit naumlherbringen

Ich wuumlnsche Ihnen eine spannende und anregende Lektuumlre

Ihr

Professor Dr Roman HeiligenthalUniversitaumltspraumlsident

Editorial

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Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

Reise ins KrisengebietDie weltpolitische Lage ist heute durch zahlreiche Krisen gepraumlgt Ob Syrien Kurdistan

oder die Ukraine ndash Konflikte entstehen schnell Loumlsungen hingegen brauchen Zeit

NeuLand hat mit der Psychologie-Studentin Nadine Knab uumlber ihre Erfahrungen waumlhrend

einer Studienreise in der Krisenregion des Mittleren Ostens gesprochen

Kurdistan ist ein Gebiet welches sich uumlber die Staaten Tuumlrkei Irak Iran und Syrien erstreckt Seitdem die radikale Gruppierung Islamischer Staat (IS) Teile Nordiraks gewaltsam an sich gerissen hat herrscht in der Region Krieg Tau-sende Menschen fliehen aus der Region in benachbarte Laumlnder Nadine Knab ist Master-Studentin der Psychologie und war im Fruumlhjahr im Zuge einer Studien-reise in Kurdistan genauer in der Tuumlrkei und im Nord-Irak Organisiert durch die studentischen Initiative Middle-East Excursion der Universitaumlt Bonn war sie mit einer Gruppe von 20 Studierenden elf Tage dort wo jetzt Angst und Gewalt den Alltag bestimmen Allerdings be-kraumlftigt Knab bdquoAls ich in Kurdistan war habe ich mich eigentlich sehr sicher ge-fuumlhltldquo

Neben Besichtigungen von Sehens-wuumlrdigkeiten haben sich die Studie-renden aus Deutschland auch mit der Studentenvertretung Kurdistans getrof-fen um von kurdischen Studierenden ihre Sicht auf die Region zu erhalten und neue Kontakte vor Ort zu knuumlpfen Da die Bedrohung durch die IS noch nicht akut war ging es oft auch um den Buumlr-gerkrieg in Syrien bdquoWir haben zahlreiche syrische Fluumlchtlinge auf der Straszlige ken-nen gelernt die haumlufig von der Zeit vor dem Krieg erzaumlhltenldquo Allerdings haumltten sie ihr Leid nicht so nach auszligen getra-gen erlaumlutert Knab

Ein Highlight der Reise war fuumlr Knab das Treffen mit dem kurdischen Auszligen-minister der sich extra eine Stunde Zeit

fuumlr die deutsche Gruppe genommen hatte bdquoEr hatte das Beduumlrfnis uns etwas mitzutei-len was wir auch nach Deutschland mitneh-men oder weiterverbreiten koumlnnenldquo glaubt Knab Die momentane Situation schaumltzt die Studentin als sehr schwierig ein Positiv sei dass die Kurden im Gegensatz zu den ver-gangen Jahren wegen der Bedrohung durch den Islamischen Staat zusammen arbeite-ten bdquoDas war in der Vergangenheit oft nicht der Fall da gab es auch Konflikte innerhalb der kurdischen Bevoumllkerungldquo so Knab wei-ter In Anbetracht der IS sei es sehr schwer die Situation richtig einschaumltzen zu koumlnnen bdquoJeder Schritt der im ersten Moment positiv erscheint kann langfristig wieder zu weite-ren Konflikten fuumlhrenldquo erklaumlrt sie

Die Gruumlnde warum sie sich fuumlr diese Stu-dienreise entschied waren einerseits ihr groszliges Interesse an der krisengeschuumlttelten Region und andererseits ihr Schwerpunkt bdquoKooperations- und Konfliktforschungldquo im Psychologiestudium bdquoWenn ich spaumlter in die Forschung gehe ist es sicher vorteil-haft wenn ich mich mit solchen Themati-ken nicht nur im Labor auseinander gesetzt habe Deshalb war es mein Anliegen auch wirklich mal in eine krisenbeladene Region zu reisen um mir selbst ein medienunab-haumlngiges Bild zu machenldquo Auszligerdem hatte Knab die Vermutung dass sie als Touristin diese Reise wegen Sicherheitsbedenken nicht machen wuumlrde bdquoDurch den erfahre-nen Reiseleiter aus Syrien und durch den

Auf ihrer Studienreise nach Kurdistan traf Nadine Knab auch kurdische Studentinnen

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Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

Loumlsung durch Mediation

Junior-Professorin Dr Anna Baumert lehrt und forscht im

Bereich Persoumlnlichkeitspsychologie und Diagnostik Sie

erklaumlrt wie Konflikte entstehen und warum Mediation bei

der Loumlsung helfen kann

NeuLand Frau Baumert Sie forschen zum Thema Gerechtigkeit und damit verbundenen Deeskalationsstrategien wie der Mediation Wie sieht Ihr Forschungsgegenstand genau aus

Anna Baumert Ich interessiere mich erst einmal fuumlr die Psychologie der Gerechtig-keit Das heiszligt es geht darum was Men-schen als ungerecht empfinden Fragen die meine Kollegen und ich untersuchen sind beispielsweise wie Situationen aussehen die als ungerecht empfunden werden oder welche Reaktionen Menschen auf erlebte Ungerechtigkeit zeigen In der Grundlagen-forschung betrachten wir vor allem Emotio-nen und Verhaltenstendenzen

Wie haumlngt die Psychologie der Gerechtigkeit mit der Konfliktforschung zusammen

Die Ausgangsuumlberlegung ist dass wenn Auseinandersetzungen eskalieren meist Ge-rechtigkeitsempfindungen oder das Empfin-den von Ungerechtigkeit gegeben sind Bei Konflikten wo dieses Empfinden nicht vor-handen ist ist eine Eskalation eher unwahr-scheinlich Wenn man aber den Eindruck hat dass legitime Interessen von anderen Partei-en boumlswillig verletzt oder missachtet werden zeigen Menschen starke emotionale Reakti-onen Diese Reaktionen wie Wut Aumlrger und Empoumlrung gehen einher mit der Tendenz die Ungerechtigkeit ausraumlumen zu wollen Das aumluszligert sich zum Teil in Racheaktionen die wiederum einen kompletten Prozess der Eskalation auf allen Seiten provozieren

Wie ist es mit dem Buumlrgerkrieg in Syrien oder dem Konflikt zwischen den Kurden und der

Terror-Organisation Islamischer Staat Dort muumlsste sich doch nur eine Partei ungerecht behandelt fuumlhlen

Nein das ist so nicht ganz richtig Es ist durchaus vorstellbar dass bei allen Seiten der Eindruck herrscht die eigene Positi-on sei gerechtfertigt Haumlufig werden ja auch houmlhere Werte wie der Glaube he-rangezogen Jemand der dieser Position widerspricht erscheint als unmoralisch oder ungerecht Neben den Emotionen aumlndern sich ebenfalls die Denkmuster der Beteiligten Man hinterfragt die eigene Position nicht mehr was durch eine hohe Emotionalitaumlt noch einmal unterstuumltzt wird Man schirmt seine eigene Positi-on quasi gegenuumlber alternativen Inter-pretationsmoumlglichkeiten ab Es werden Interpretationswege gewaumlhlt die die Emotion sowie das Gefuumlhl der Ungerech-tigkeit nochmals verstaumlrken Die Moumlg-lichkeit die Perspektive des Gegenuumlbers einzunehmen ndash Stichwort Empathie ndash wird geringer

Wie aumluszligert sich dasEin Beispiel dafuumlr waumlre die Dehumanisie-

rung der anderen Konfliktpartei Der Feind wird nicht mehr als individueller Mensch mit eigenen Rechten betrachtet sondern als Ratte oder Hund bezeichnet Das er-leichtert den Menschen Dinge zu tun die normalerweise nicht ihren moralischen Standards entsprechen wie im Extremfall andere umzubringen Das nennt sich in der Psychologie bdquomoral disengagementldquo also moralische Distanzierung

Austausch mit anderen Studierenden war es auf jeden Fall eine gute Erfahrungldquo stellt Knab fest Den groumlszligten Nutzen habe sie aus den Diskussionen mit anderen Studie-renden gezogen Als Beispiel nennt sie die Diskussion uumlber potenzielle Kooperationen zwischen verschiedenen Staaten in der Re-gion oder die Kooperation zwischen dem kurdischen Parlament und der irakischen Regierung bdquoOftmals ist dort ja nur schwer Zusammenarbeit moumlglich da die kurdi-schen Gebiete als eigenstaumlndiges Land von anderen Staaten wie dem Irak nicht aner-kannt werden Da stecken unter anderem viele historische und feindselige Motive dahinterldquo Aus der Empirie wisse man aber dass Kooperation unter bestimmten Um-staumlnden durchaus moumlglich sei bdquoDie Diskus-sionen innerhalb der Gruppe haben mich deshalb inspiriert im Rahmen meiner Mas-terarbeit mehr zur Kooperation auf Makro-ebene zu forschenldquo

In ihrer Masterarbeit versucht Knab des-halb internationale Beziehungen bzw die Kooperationsbereitschaft zwischen Diplo-maten zu verbessern indem sie psycholo-gische Theorien nutzt Da echte Di plomaten schwer fuumlr Versuche zu gewinnen sind moumlchte sie bei UN-Simulationen Workshops anbieten die auf Basis von psychologischen Theorien kollektives Handeln verbessern sollen Eine sehr anwendungsorientierte Arbeit die Knab durch ihre Reise begruumln-det bdquoDurch meine Erfahrungen war es mir nicht mehr genug nur Laborforschung zu machenldquo (dan)

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Sie untersuchen in Ihrer Forschung eine In-terventionsstrategie der Mediation die der emeritierte Psychologie-Professor Leo Mon-tada entwickelt hat Die Mediation ist ein Verfahren bei dem Konfliktparteien durch Unterstuumltzung einer dritten neutralen Par-tei ndash dem Mediator ndash zu einer gemeinsamen Vereinbarung gelangen Der Mediator trifft dabei keine eigenen Entscheidungen bezuumlg-lich des Konflikts sondern ist lediglich fuumlr die Struktur des Verfahrens verantwortlich Sie untersuchen die Mediation allerdings nicht auf internationaler Ebene sondern im univer-sitaumlren hochschulpolitischen Bereich Dabei gibt es keinen eigentlichen Mediator es wird vielmehr Informationsmaterial uumlber die Natur von Gerechtigkeitskonflikten an Konfliktpar-teien ausgegeben Inwieweit kann man Ihre Ergebnisse auf einen internationalen Kontext anwenden

Erst einmal haben unsere Ergebnisse gezeigt dass die Strategie von Montada durchaus Fruumlchte traumlgt Bei Montada sollen sich zwei oder mehrere Konfliktparteien an einen Tisch setzen und werden von einer dritten neutralen Partei bei den Gesprauml-chen unterstuumltzt bzw von ihr moderiert Die Strategie die er vorgeschlagen hat zielt spezifisch auf Gerechtigkeitsempfindung ab Obwohl wir in unserem Kontext mit dem Informationsmaterial eine sehr redu-zierte Version dieser Strategie angewendet haben bietet es einen ersten Anhaltspunkt dafuumlr dass die Strategie von Montada funk-tioniert Es besteht also Grund zur Hoffnung dass wenn ein Mediator diese Strategie in

einem echten heiszligen Konflikt verfolgt er dann auch erfolgreich sein kann

Was sind die groumlszligten Probleme die bei einer solchen Strategie auftauchen koumlnnen

Wenn man von einem einfacheren Fall ausgeht dann stellt sich die Frage inwie-weit Informationsmaterial wie wir es den Versuchspersonen gegeben haben ma-nipulativ wirkt Darf so etwas uumlberhaupt eingesetzt werden um jegliche Interessen durchzusetzen Auf der internationalen Ebene oder uumlberhaupt bei eskalierten Kon-flikten muss man sagen dass Mediation zur Deeskalation sehr viele Voraussetzungen braucht Zum Beispiel muumlssen die Konflikt-parteien uumlberhaupt erst bereit sein sich an einen gemeinsamen Tisch zu setzen Da ist Syrien ein gutes Beispiel dafuumlr dass es bis dahin ein sehr langer Weg ist

Wie sehen die generellen Voraussetzungen fuumlr eine erfolgreiche Mediation aus

Wie gerade angesprochen muumlssen die Konfliktparteien zunaumlchst bereit sein mitei-nander zu reden Der zweite Schritt ist die Einigung auf einen unparteilichen Dritten Das kann eine Person oder im internatio-nalen Kontext ein Land sein Eng verwoben damit ist natuumlrlich das beidseitige Vertrau-en in diesen neutralen Akteur Eine weitere wichtige Voraussetzung ist dass die Loumlsung nicht von vornherein feststehen darf Das bedeutet dass der Ausgang der Verhand-lungen offen sein muss Ob die Gespraumlche dann erfolgreich sind kann leider keiner sagen und haumlngt von vielen verschiedenen Faktoren ab (dan)

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

Auch die UN sieht in der Mediation ein Instrument zur Praumlvention und Loumlsung von Konflikten UN-Spitzenbeamte disktuierten am 23 Mai 2012 zum Thema bdquoThe Role of Member States in Mediationldquo

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Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

NeuLand Herr Professor Bermes gibt es eine einfache Antwort auf die Frage was Ge-rechtigkeit ist

Christian Bermes Eine einfache Antwort gibt es nicht Es gibt aber einen Zugang der die Sache vereinfacht Und dieser Zu-gang ist zunaumlchst begrifflicher Natur Wir sprechen heute allzu oft uumlber Gerechtigkeit und haben Strukturen Institutionen Vertei-lungsschluumlssel und vieles mehr im Blick Das ist auch wichtig aber eigentlich nur eine abgeleitete Form der Gerechtigkeit Die ei-gentliche Frage der Gerechtigkeit druumlckt sich in Ausdruumlcken aus wie etwa bdquoWie wer-de ich dieser oder jener Situation gerechtldquo Gerechtigkeit ist daher eine Haltung eines Menschen zu anderen Menschen Eine solche Form von Haltung bezeichnet man klassischerweise als Tugend Gerechtig-keit ist seit der Antike eine Kardinaltugend mit einer besonderen Stellung Denn sie bringt zum Ausdruck dass die Tugend der Gerechtigkeit das wichtigste Lebensmittel des Menschen ist mit anderen Menschen umzugehen

Also ist Gerechtigkeit wie ein Lebensmittel fuumlr ein gutes Miteinander

Fuumlr ein gerechtes Miteinander Menschen besitzen eigentlich nicht besonders viele Mittel um handelnd auf andere Menschen zuzugehen Wir koumlnnen andere bewegen indem wir sie von einem Ort zum anderen bringen wir koumlnnen lieben oder wir koumln-nen gerecht miteinander umgehen Josef Pieper bemerkte einmal uumlberall wo wir andere nicht lieben koumlnnen muumlssen wir gerecht sein Nun stellt sich die Frage wie man Gerechtigkeit weiter charakterisieren kann Neben der begrifflichen Seite dass Gerechtigkeit ein Lebensmittel des Men-schen im Umgang miteinander ist muumlssen

wir uns fragen Warum benoumltigen wir einen gerechten Umgang uumlberhaupt Seit der Antike weiszlig man dass die Knappheit der Guumlter uns zu einem Verhalten zwingt dass wir als gerecht kennzeichnen Begrenzt verfuumlgbare Guumlter wie Wasser Lebensmittel oder auch Zeit bilden die Grundlage dafuumlr warum Gerechtigkeit fuumlr uns so wichtig ist Ein dritter Aspekt der Uumlberlegung wie man Gerechtigkeit bestimmt besteht darin dass Gerechtigkeit in der alltaumlglichen Rhetorik oftmals schnell mit Gleichheit gleichgesetzt wird Von dieser Annahme haben sich schon Platon und Aristoteles distanziert Bestimm-te Formen der Gleichheit koumlnnen auch zu Ungerechtigkeit fuumlhren

InwiefernFolgendes Beispiel Sie haben zwei Kinder

Ein Kind ist durch einen Ungluumlcksfall in eine hochprekaumlre koumlrperliche Lage gekommen kann seinen Lebensweg nicht eigenstaumlndig weitergehen und sich nicht so entwickeln wie man es erwarten koumlnnte Das andere Kind ist gesund und daruumlber hinaus beruf-lich gut situiert Jetzt kommen Sie in die Si-tuation beispielsweise bei einer Erbschaft das Vermoumlgen zu verteilen Welche Vertei-lung ist gerecht Wenn man das Vermoumlgen arithmetisch gleich verteilt merken wir so-fort dass hier etwas nicht stimmt Da zeigt sich recht deutlich dass bezogen auf die gleiche Verteilung von Guumltern diese Form von Gleichheit zuerst einmal unserer Ge-rechtigkeitsintuition widerspricht

Also gibt es keine einfache Formel fuumlr Ge-rechtigkeit Es ist ja doch Ermessenssache hellip

Doch es gibt eine Formel fuumlr Gerechtig-keit Bei Platon heiszligt es dass es gerecht sei wenn jeder das ihm Zukommende oder das ihm Gebuumlhrende erhalte Das ist die aumll-teste Charakterisierung der Gerechtigkeit

die Philosophie nennt dies die Idiopragie-formel Natuumlrlich kann es problematisch werden zu bestimmen was das jeweils sbquoihm Gebuumlhrendersquo ist aber das bedeutet nicht dass diese Formel falsch ist Auch steckt in der Formel etwas das zur Gerechtigkeit ganz grundsaumltzlich gehoumlrt Den anderen als anderen anzuerkennen Dass der andere nicht ich bin ich mich nicht an seine Stel-le setze und dass der andere nicht irgend-etwas ist sondern jemand der bestimmte Empfindungen Beduumlrfnisse Wuumlnsche hat und zwar seine nicht meine Hinter dieser Formel steckt also mehr als man auf den ersten Blick vermutet

Aber ist Gerechtigkeit oder gerechtes Emp-finden nicht immer auch subjektiv

Nein Sicherlich gibt es so etwas wie eine Gerechtigkeitsintuition Bei der Gerech-tigkeit fragt man jedoch nicht um wessen subjektive Wuumlnsche Empfindungen oder Beduumlrfnisse es sich handelt sondern da-nach welche Wuumlnsche Empfindungen oder Interessen mit Blick auf die Person hier eine Rolle spielen In diesem Sinne hat Gerech-tigkeit etwas mit dem Recht zu tun zu dem Unparteilichkeit gehoumlrt So wird Justitia mit verbundenen Augen dargestellt und urteilt unabhaumlngig von subjektiven Interessen Stimmungen und Launen Mit Blick auf die Gerechtigkeit heiszligt dies dass wir unabhaumln-gig von bloszlig subjektiven Empfindungen bloszlig subjektiven Interessen urteilen Wir merken dies auch sofort wenn jemand Ge-rechtigkeit fordert aber nur sich selbst und seinen eigenen Vorteil im Blick hat

Hat Gerechtigkeit aber vielleicht etwas mit moralischem Empfinden zu tun

Das Beispiel mit den zwei Kindern die be-zogen auf das Vermoumlgen ungleich situiert sind zeigt ganz deutlich Wuumlrden die Eltern

Gerechtigkeit ist eine HaltungUumlber Gerechtigkeit wird viel gesprochen Doch was ist Gerechtigkeit uumlberhaupt Welche

Rolle spielt sie im Leben Und legitimiert sie Protest NeuLand sprach mit Philosophiepro-

fessor Dr Christian Bermes

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das Vermoumlgen nur arithmetisch gleich ver-teilen wuumlrde man sagen da stimmt etwas nicht Insofern gibt es so etwas wie ein mo-ralisches Empfinden Aber jetzt faumlngt das Denken an man muss sich fragen warum stimmt hier etwas nicht Das hat mit dem Empfinden nichts mehr zu tun sondern mit Begruumlndung und Rechtfertigung

Hat Gerechtigkeit etwas mit Naumlhe und Dis-tanz zu tun Bei mir nahe stehenden Men-schen faumlllt es mir bei einer Verteilungsfrage sicherlich einfach zu sagen da stimmt etwas nicht Es gibt aber auf der Welt Klimakata-strophen Hungersnoumlte Das ist eine unge-rechte Verteilung von Leid Und trotzdem koumlnnen wir verhaumlltnismaumlszligig unbeschwert hier ein sorgenfreies Leben fuumlhren aumlndern vielleicht auch nichts an unserem Lebens-wandel Schwindet unser Gerechtigkeitssinn mit zunehmender Distanz

Das ist nicht ganz einfach Nicht uumlberall wo ungleiche Lebensverhaumlltnisse herr-schen muumlssen wir auf Gerechtigkeit re-kurrieren Da spielen eher andere wichtige Konzepte eine Rolle wie beispielsweise Solidaritaumlt So hat beispielsweise unser Verhalten gegenuumlber den durch Ebola In-fizierten in einigen afrikanischen Staaten ganz sicher etwas mit Solidaritaumlt zu tun Zur Frage bezuumlglich Naumlhe und Distanz Die Gerechtigkeitsfrage stellt sich wenn es zu-mindest eine relative Distanz zwischen den Akteuren gibt Die bereits oben zitierte Be-merkung von Pieper man muss da gerecht sein wo man nicht lieben kann bringt das relativ deutlich zum Ausdruck In Verhaumllt-nissen die wir durch Sympathie Liebe und Zuneigung beschreiben stellt sich viel-leicht gar nicht die Frage der Gerechtigkeit Aber in Verhaumlltnissen in denen Distanzen in sozialen Ordnungen geregelt werden

wie etwa im Beruf in Vereinen oder in Nachbarschaften stellen sich Gerechtig-keitsfragen So auch natuumlrlich im Verhaumlltnis von Dozenten zu ihren Studierenden stellt sich bezuumlglich der Beurteilung der Leistun-gen eine Gerechtigkeitsfrage Studenten haben selbstverstaumlndlich ein Recht drauf bei der Bewertung gerecht behandelt zu werden also unabhaumlngig von subjektiven oder fremden Faktoren

Gibt es einen Anspruch auf GerechtigkeitJa das kann man sagen Uumlberall wo Men-

schen in Situationen oder sozialen Ord-nungen seien es berufliche oder andere miteinander zu tun haben stellt sich dieser Anspruch Wie in dem Beispiel der korrekten Beurteilung studentischer Leistungen

bdquoEs scheint ein Zeichen unserer Zeit zu sein Gerechtigkeit uumlberall zu suchen nur nicht bei sich selbstldquo

Wer ist verantwortlich fuumlr Gerechtigkeit Je-der selbst Der Staat Die Gesellschaft

Zuerst einmal als Tugend jeder einzel-ne selbst und damit wir alle Es scheint ein Zeichen unserer Zeit zu sein Gerechtigkeit uumlberall zu suchen nur nicht bei sich selbst Dahinter verbirgt sich etwas voumlllig Proble-matisches naumlmlich der Wunsch dass man Gerechtigkeit delegieren koumlnne Das kann man nicht oder zumindest kann man sich nicht gaumlnzlich von ihr entlasten weil die Gerechtigkeit als Tugend eine Haltung zu

etwas naumlmlich zu anderen ist Wenn man denkt man koumlnne das delegieren laumluft man Gefahr selbst ungerecht zu werden da man seine Haltung zu anderen aufs Spiel setzt

Also muss ich fuumlr Gerechtigkeit immer bei mir selbst anfangen

Nicht umsonst ist die Gerechtigkeit bei Platon eine Form des Staates und der Seele

Sie rekurrieren immer wieder auf die Denker im Alten Griechenland Die Frage der Gerech-tigkeit scheint die Menschheit schon seit Jahr-tausenden zu beschaumlftigen Gab es uumlber die Zeit verschiedene Ansaumltze

Die Fragen nach Gerechtigkeit tauchen zu jeder Zeit immer wieder neu auf Das ist

Professor Dr Christian Bermes hellip

hellip lehrt Philosophie am Campus Landau und ist Sprecher der Graduiertenschule bdquoHerausforderung Lebenldquo sowie des Forschungsschwerpunktes bdquoKulturelle Orientierung und normative Bindungldquo Seine Forschungsschwerpunkte sind Philosophische Anthropologie und Ethik Sprachphilosophie und Erkenntnistheorie

Nutzen und Folgen des Internets

Wie urteilt man gerecht Unabhaumlngig von subjektiven Empfindungen und Interessen mit gefuumlhlt verbundenen Augen wie Justitia

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Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

auch nicht verwunderlich da es ja um uns geht und die Frage wie wir unser Leben fuumlhren Die Philosophie ist es die diese Fra-gen immer aufgreift und die damit verbun-denen Probleme rationalisiert aber auch objektiviert Allzu schnell neigt man dazu entweder Gerechtigkeit als beliebig oder alleine bezogen auf unser Empfinden oder die soziale Ordnung zu deuten Das war in der Antike nicht anders als heute Dement-sprechend beginnt ein groszliger Zweig der Philosophie mit der Gerechtigkeitsfrage Das klassische Buch Platons die bdquoPolitealdquo heiszligt im Untertitel bdquoUumlber die Gerechtigkeitldquo Sieht man Platon als einen der Stammvaumlter der Philosophie dann beginnt mit der Ge-rechtigkeitsfrage eine bedeutende Traditi-on der Philosophie

Ist Gerechtigkeit ein KulturbegriffWenn Gerechtigkeit so verstanden wird

dass es eine spezifische Haltung von Men-schen zu Menschen ist eine bestimmte Form wie Menschen ihr Leben miteinan-der fuumlhren und gestalten dann finden wir uumlberall wo es Menschen gibt die Frage nach der Gerechtigkeit Ich wuumlrde sogar so weit gehen dass die platonische Definition der Gerechtigkeit dass jedem das ihm Ge-buumlhrende zukomme uumlberkulturell Geltung beanspruchen kann Dabei kann die spezifi-sche Organisation dieses Prinzips kulturrela-tiv sein Aber das Konzept der Gerechtigkeit das aus der Antike kommt scheint mir kul-turuumlbergreifend Guumlltigkeit beanspruchen zu koumlnnen weil es auf den Menschen in sei-ner Lebensfuumlhrung rekurriert

bdquoEine gerechte Welt Es koumlnnte sein dass man sich mit diesem Anspruch ein wenig uumlberhebtldquo

In juumlngster Vergangenheit gab es viele Be-wegungen bei denen Menschen fuumlr ihre Rech-te und Gerechtigkeit auf die Straszlige gegangen sind auch in Laumlndern in denen man so etwas gar nicht fuumlr moumlglich gehalten haumltte siehe die Laumlnder des Arabischen Fruumlhlings oder die Ukraine Inwieweit vertraumlgt sich Gerechtigkeit mit Demonstrationen besonders wenn Ge-waltausschreitungen im Spiel sind

Das ist eine zwicklige Frage Das Problem in diesen Laumlndern war oder ist dass dieje-

nigen die Macht haben oder hatten diese ungerecht ausgeuumlbt haben Aufgrund sol-cher ungerechter Machtausuumlbung gibt es das Recht des Protestes dagegen also ein Widerstandsrecht Dadurch wird aber nicht gesagt dass jeder Protest selbst gerecht ist

Welche Zutaten braumluchte es fuumlr eine gerech-te Welt Kann es die uumlberhaupt geben oder ist der Wunsch danach eine Utopie

Es kann so etwas wie eine rechtsfoumlrmige Welt geben etwa das was man mit groszligen voumllkerrechtlich abgesicherten Institutionen wie etwa der UNO in Verbindung bringt Dies ist nicht nur wuumlnschenswert sondern auch vernuumlnftig Eine gerechte Welt Es koumlnnte sein dass man sich mit diesem An-spruch ein wenig uumlberhebt Man sieht ja heute dass bereits die Frage nach Rechts-foumlrmigkeit und Rechtskonformitaumlt in inter-nationalen Beziehungen schwierig ist Wie verhaumllt man sich wenn eine Nation trotz geschlossener Vertraumlge in ein anderes Land einmarschiert Hier ist also noch einiges zu tun Eine gerechte Welt jedoch wuumlrde voraussetzen dass jeder von uns zu allen anderen in Handlungssituationen oder sozi-alen Ordnungen der Kooperation steht Das scheint mir nicht nur utopisch das scheint eher irreal

bdquoGerechtigkeit ist nicht so schwer wie man vielleicht denken magldquo

Inwieweit spielt bei der Gerechtigkeit das Gewissen mit Kann ich mir durch Spenden ein gutes Gewissen erkaufen zur Gerechtig-keit beigetragen zu haben

Das Gewissen ist nicht ganz unerheblich aber auch hier wuumlrde ich die Gerechtigkeit zuerst auszligen vor lassen Wenn es beispiels-weise eine Wertvorstellung in meinem Leben ist dass durch Not Getroffenen ge-holfen wird dann faumlllt dies unter das Soli-daritaumltsprinzip Und wenn diese Vorstellung zu meinem Leben gehoumlrt dann verpflichtet mich mein Gewissen meine Wertvorstel-lung zu behalten und nicht einfach von ihr abzuweichen Dann ist es auch sinnvoll zu sagen dass ich meinem Gewissen folge wenn ich anderen oumlkonomisch helfe zum Beispiel durch Spenden Die Gerechtigkeit ist dann allerdings kein direktes Thema Es geht hier nicht um gerecht oder ungerecht

sondern dass zu meinem Wertkosmos die Unterstuumltzung von Menschen gehoumlrt die in Not geraten sind

Inwieweit versuchen Sie selbst Gerechtigkeit zu leben

So wie alle anderen auch Vielleicht be-steht der Unterschied darin dass Philoso-phen darauf reflektieren und ein groszliges Repertoire an begrifflichen und logischen Mitteln besitzen die Handlungen zu ana-lysieren Gerechtigkeit ist nicht so schwer wie man vielleicht denken mag In den aller-meisten Faumlllen praktizieren wir fortwaumlhrend Gerechtigkeit im Umgang untereinander Uns faumlllt es meistens nur auf wenn etwas schieflaumluft Sicherlich gibt es kompliziertere Situationen in denen man nach den Prinzi-pien der Gerechtigkeit fragen und daruumlber nachdenken muss um sie zu klaumlren

bdquoWas wir als gerecht empfinden und was nicht lernen wir im Umgang miteinander in unserer Praxisldquo

Wird dem Menschen ein Gerechtigkeitsemp-finden schon in die Wiege gelegt

Was wir als gerecht empfinden und was nicht lernen wir im Umgang miteinander in unserer Praxis Angeboren ist es nicht aber wir lernen es in unserem Einfaumldeln in unseren gemeinschaftlichen Umgang oder mit den vielfaumlltigen Handlungsspielen in denen wir verstrickt sind Ein einfaches Bei-spiel Eine Familie hat zwei Kinder das eine ist 17 das andere ist 9 Das 17-jaumlhrige Kind darf abends laumlnger lesen oder ausgehen Das 9-jaumlhrige Kind fragt Warum ich nicht Nun weil es nicht das Richtige fuumlr das Kind in dieser Situation ist Diese Entscheidung wird Konflikte bringen aber wir lernen im Umgang mit solchen Praktiken Gerechtig-keit kennen Wir lernen uumlbrigens in diesem Fall auch dass ungleiche Behandlung nicht gleichbedeutend ist mit Ungerechtigkeit Ich wuumlrde daher nicht sagen dass Gerech-tigkeit angeboren aber tief in unserem menschlichen Miteinander verankert ist sonst koumlnnten wir unser Leben nicht fuumlhren

Herr Professor Bermes herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch (ket)

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bdquoPussy Riot stoumlrt SehordnungenldquoPolitischer Protest braucht Aufmerksamkeit Soziale Bewegungen setzen daher

auf gute Inszenierungen um wahrgenommen zu werden Wie wird aumlsthetische

Kommunikation zum Mittel des Protests Und sind diese Inszenierungen ein

Phaumlnomen der modernen Mediengesellschaft NeuLand hat bei Kunstwissenschaft

und Soziologie nachgefragt

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Das Krisenexperiment ist eine soziolo-gische Methode mit der soziale Normen aufgedeckt werden koumlnnen die Akteuren nicht bewusst sind Das geschieht durch die absichtliche Missachtung von Ritualen Be-obachtet man wie die Menschen reagieren wenn ihre Wirklichkeit nicht wie gewohnt funktioniert zeigen sich unausgesproche-ne Uumlbereinkuumlnfte Soziologen sagen dann Hier werden Praktiken der impliziten Kon-struktion sozialer Wirklichkeit offenbar Durch die Reaktionen auf die Stoumlrung der Ordnung wird sichtbar wie die soziale Ord-nung konstruiert wird

In jeder sozialen Gruppe gibt es spezifi-sche Muster nach denen Dinge interpre-tiert werden Unterschiedliche Deutungen von Symbolen und Handlungen entschei-den uumlber Zugehoumlrigkeit und Abgrenzung Das erzeugt Realitaumlt und Wahrnehmung von Realitaumlt Diesen Mechanismus macht sich die Kunst des Performativen zunutze Ein Realitaumltsbruch wirft Fragen auf entfaltet womoumlglich Potenziale um die Ordnung zu aumlndern aber vor allem Er faumlllt auf und stellt somit Oumlffentlichkeit her

Die Kunstwissenschaft versteht dies als bdquoAktionskunstldquo ein kuumlnstlerischer Bereich der erst seit den 1960er Jahren praktiziert wird Bis dato hatte sich die Kunst bei Pro-testkultur eher auf die bildliche Darstellung als eine Illustration oder als eigenstaumlndige Anklage konzentriert Als Beispiel dient Dr Christoph Zuschlag Professor fuumlr Kunstge-schichte und Kunstvermittlung am Cam-pus Landau das Bild bdquoDie Freiheit fuumlhrt das Volkldquo von Delacroix aus dem Jahr 1830 das beruumlhmte Bild der barbusigen Marianne die ndash die Tricolore in der Hand ndash die Aufstaumln-dischen der Juli-Revolution anfuumlhrt Oder

auch Picassos bdquoGuernicaldquo (1937) bdquoEs waumlre fuumlr Picasso nicht denkbar gewesen in Spanien selbst auf die Barrikaden zu gehen und dies als Kunst zu deklarierenldquo sagt Zuschlag Doch bdquoAktionskuumlnstlerldquo tun genau dies set-zen waumlhrend der Aktion aumlsthetische Akzen-te bdquoEs sind Aktionen bei denen der Inhalt waumlhrend der Aktion auch gleich transpor-tiert wirdldquo Man schaut sich die Bilder nicht spaumlter im Museum an ndash sondern diese ge-schehen und wirken weitestgehend in Echt-zeit Schlieszliglich vergroumlszligert YouTube nur die Reichweite doch das Schneeballsystem startet schon mit dem ersten Beobachter auf der Straszlige

Aumlsthetik das bedeutet fuumlr den Kunsthis-toriker in diesem Zusammenhang all das was vom Menschen gestaltet wird was nicht nur eine funktionale sondern daruuml-ber hinaus eine gestalterische Komponen-te besitzt Ins Gruumlbeln kommt Zuschlag bei der Frage ob der legendaumlre Thesen-anschlag Martin Luthers Aktionskunst ge-wesen sei bdquoEs war ein hochsymbolischer und provokativer Akt das ja Aber Luther hat diesen Akt sicher nicht als Kunst schon gar nicht als Aktionskunst verstanden weil es dieses Phaumlnomen und den Begriff im 16 Jahrhundert noch gar nicht gabldquo Aber nicht zufaumlllig faumlllt der Thesenan-schlag in eine Zeit des medialen Wandels ndash schlieszliglich wurde nur ein knappes Jahr-hundert vorher der Buchdruck erfunden Flugblaumltter Pamphlete Kupferstiche und Holzschnitte praumlgten die Zeit bdquoMit der Er-findung des Rundfunks Ende des 19 Jahr-hunderts hat das natuumlrlich noch einmal ganz andere Dimensionen angenommenldquo so Zuschlag Die Aktionen wurden noch unmittelbarer transportiert

Ein medial erfolgreicher Realitaumltsbruch gelang der Gruppe Pussy Riot als sie im Februar 2012 den Altarraum der Christus-Erloumlser-Kathedrale in Moskau stuumlrmte ein Punk-Konzert inszenierte einige Aktivistin-nen vor dem Altar tanzten und respektlose Texte sangen Damit wollten sie gegen die enge Verbindung zwischen orthodoxer Kir-che und Putins System protestieren Ein von der Gruppe produziertes Video der Aktion wurde nach kurzer Zeit bei YouTube veroumlf-fentlicht Fuumlr ihren Auftritt verurteilte ein russisches Gericht drei beteiligte Frauen zu zwei Jahren Haft Das Video ging um die Welt und bescherte der Gruppe eine Solida-ritaumltswelle aus dem Westen

Symbole schaffen Verbindungen

bdquoPussy Riot stoumlrt Sehordnungenldquo sagt So-ziologin Marija Stanisavljevic ebenfalls am Campus Landau taumltig Sie untersucht wie aumlsthetische Kommunikation zum Mittel des Protests werden kann Aumlsthetik versteht sie als eine bdquoArt und Weise wie soziale Phaumlno-mene zum Vorschein gebracht werdenldquo und konzentriert sich dabei insbesondere auf Symbole in Bildern bdquoSymbole sind un-glaublich wichtig Sie schaffen Verbindun-gen zwischen verschiedenen Menschen Sie lassen unterschiedliche Deutungen zu und koumlnnen Gemeinschaft stiftenldquo Dass Pussy Riot vor allem im Westen erfolgreich sind liegt fuumlr Stanisavljevic an westlichen Sehordnungen Das russische System sei konservativ streng und autoritaumlr Pussy Riot seien bunt laut und punkig Sie bieten eine

Die fuumlr den Comic bdquoV for Vendettaldquo gezeichnete Guy-Fawkes-Maske trugen zunaumlchst Aktivisten der Anonymous-Bewegung Waumlhrend der Occupy-Proteste wurde sie auch international sichtbar und entwickelte sich zum Protest-Symbol

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

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Alternative zum russischen politischen Sys-tem bdquoDahinter steht die westeuropaumlische Sehn sucht nach Demokratie in Russlandldquo Trifft der Protest auf andere Sehordnungen hat er auch andere Konsequenzen bdquoDer Pro-test war gegen das System in Russland ge-richtet Tatsaumlchlich hilft er vermutlich dem System die eigenen konservativen Positio-nen zu festigenldquo

Mit der Erforschung aumlsthetischer Protest-kommunikation anhand von Bildern ar-beitet Stanisavljevic in einem noch jungen Bereich der Soziologie bdquoDie Beschaumlftigung mit Bildern und bewegten Bildern ist fuumlr die Soziologie ein relativ neues Phaumlnomenldquo Fuumlhrte die steigende Bedeutung des Visuel-len in geistes- und kulturwissenschaftlichen Traditionen in den 90er Jahren zum bdquoiconic turnldquo ist eine bdquovisuelle Soziologieldquo kaum etabliert Fuumlr eine soziologische Perspektive auf Bilder und Filme muumlssen Methoden und Theorien angepasst und entwickelt werden bdquoBilder haben ihren eigenen Sinn sie brau-chen eigene Zugaumlnge und Methodenldquo sagt Stanisavljevic und versteht ihre Dissertation als einen Beitrag dazu

Fuumlr ihre Bildanalyse begegnet sie Protest-darstellungen zunaumlchst isoliert Den Kon-text um die Situation blendet sie aus und entwickelt moumlgliche Lesarten Anschlie-szligend vergleicht sie diese Uumlberlegungen mit dem vollstaumlndigen Kontextwissen um das Bild Mit dieser Analyse moumlglicher und tatsaumlchlicher Lesarten will Stanisavljevic aufdecken wie durch Bilder in unterschied-lichen Kontexten Realitaumlt erzeugt wird und welche Sehordnungen fuumlr die Deutung die-ser Bilder relevant sind

Dabei unterscheidet sie aumlsthetische Pro-testkommunikation von anderen aumlstheti-

schen Formen Der Kuumlnstler Ai Weiwei zum Beispiel kritisiert in seiner Arbeit das chine-sische System und erlebte wie Pussy Riot staatliche Eingriffe Aber so Stanisavljevic bdquodie massenmediale Rezeption zu Ai Weiwei findet im Feuilleton statt die zu Pussy Riot im Politik-Teilldquo So schaffe Ai Weiwei Kunst die auch politische Kunst sei aumlsthetisierter Protest hingegen sei Politik die sich aumlstheti-scher Mittel bediene Und doch ist dies der vorlaumlufige Houmlhepunkt einer Entwicklung Die Liaison zwischen Protest und Kunst fin-det nicht nur auf der Straszlige statt sondern auch in Ausstellungen und Museen So wur-de bei der Berlin Biennale 2013 der Occupy-Bewegung ein Raum gegeben den die Protestbewegung selbst gestalten durfte bdquoDas wurde sehr kritisiertldquo merkt Zuschlag an Occupy und Kunst Das war fuumlr viele dann doch zu progressiv

Gestoumlrte Sehordnungen ndashProduzierte Sehstoumlrungen

Protestkommunikation will ein groszliges Publikum erreichen bdquoUm in den Massen-medien aufzufallen und in Erinnerung zu bleiben muss sie sich von klassischen Pro-testformen abgrenzenldquo betont Stanisavlje-vic Demonstrationen Transparente und Straszligenschlachten sind demnach ein ge-wohntes Bild in der Berichterstattung Sie entsprechen Sehordnungen Aumlsthetisierte Protestformen unterscheiden sich davon Sie produzieren Sehstoumlrungen Dabei sind sie nicht nur Teil einer Bewegung sondern auch selbststaumlndiges mediales Produkt Das gilt auch fuumlr Erdem Guumlnduumlz Stumm und

regungslos stand er im Juni 2013 auf dem Taksim-Platz nachdem die Proteste rund um den Gezi-Park in Istanbul eskaliert wa-ren Der bdquoStanding Manldquo wurde zu einem Symbol des Protestes

Diese Aumlsthetisierung ist keine Erfindung der Pop-Kultur wie Kunstwissenschaftler Zuschlag weiszlig bdquoDie Nationalsozialisten zum Beispiel hatten ein hohes Maszlig an Aumlstheti-sierung in ihren Auftrittenldquo NSDAP und Pro-test bdquoWir sprechen natuumlrlich von den 1920er und fruumlhen 30er Jahren als die Nazis noch in der Opposition warenldquo Hakenkreuze braune Hemden rote Armbinden all diese Symbolik hatte einen praktischen Zweck bdquoSymbole sind reduzierte abstrakte Bil-derldquo erklaumlrt Zuschlag die Wirkung Es geht um aumlsthetische Praumlgnanz es geht darum Aufmerksamkeit zu generieren und zu er-halten Das Hakenkreuz als bdquoMarkeldquo Binnen von Sekundenbruchteilen wusste jeder wer dort aufmarschierte

Die aumlsthetische Inszenierung schafft eine hohe Aufmerksamkeit wenn sie die ge-wohnte Wirklichkeit stoumlrt Aber wird der Protest durch seine Aumlsthetisierung nicht auch Marke Ist das uumlberhaupt noch Protest oder bereits Marketing bdquoEine Bewegung will an die Macht oder die Macht uumlberwaumll-tigen und braucht dafuumlr Sympathisantenldquo stellt Soziologin Stanisavljevic fest Wie Werbung und PR muumlssen Protestler sich ab-grenzen und anderen signalisieren wofuumlr (oder wogegen) sie stehen Das gilt fuumlr Pro-testbewegungen ebenso wie fuumlr Unterneh-men NGOs Politiker und Oppositionelle Das Buhlen um Aufmerksamkeit zum For-mulieren ihrer Ziele ist allen gemein Dass die Methoden sich aumlhneln ergibt sich von selbst (bbkap)

In Russland verfolgt im Westen gefeiert Waumlhrend drei Aktivistinnen in Russland zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden erhielt die Gruppe Pussy Riot im Dezember 2012 den Sonderpreis des Musikpreises bdquo1 Live Kroneldquo

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

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Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

Wir koumlnnen uns alle noch an die Bilder von Stuttgart 21 erinnern wuumltende Buumlrger Hundertschaften an Polizisten und ein noch groumlszligerer Medienrummel Viel wurde uumlber die sogenannten bdquoWutbuumlrgerldquo diskutierthellip Aber was treibt Menschen ganz allgemein dazu fuumlr Sachen einzutreten und dafuumlr auf die Straszlige zu gehen

Tobias Rothmund ist Junior-Professor fuumlr politische Psychologie am Campus Landau und erforscht Protestverhalten In seiner Forschung geht es vor allem um die Mo-tivation von Menschen an einem Protest teilzunehmen Dabei muumlsse man erst in der Gerechtigkeitspsychologie nach Ant-worten suchen also was Menschen fuumlr gerecht oder ungerecht erachten wuumlrden erklaumlrt er bdquoEs gibt Protestverhalten das aus dem Gefuumlhl persoumlnlicher Benachtei-ligung motiviert ist und es gibt die Pro-testmotivation aus der Beobachtung der Benachteiligung andererldquo Rothmund er-gaumlnzt bdquoWenn jemand nicht das bekommt was er glaubt zu verdienen dann wird es als ungerecht wahrgenommen Unge-rechtigkeit kann man aber nicht nur aus der Opferperspektive betrachten sondern auch als Beobachter von Ungerechtigkeitldquo Als Beispiel nennt Roth mund Proteste an der Universitaumlt Dabei wuumlrde man sich zum Beispiel als Studierender direkt benach-teiligt fuumlhlen Als Dozent koumlnne man als Beobachter zustimmen und Studierende deshalb unterstuumltzen Trotzdem sei man nicht in der Rolle des Benachteiligten er-laumlutert Rothmund

In der Forschung gibt es nach Tobias Roth-mund drei groszlige Theorien um (politischen) Protest oder Protestverhalten zu erklaumlren Theorie der sozialen Gerechtigkeit soziale Identitaumltstheorie und Rational Choice-The-orie Diese seien allerdings nicht getrennt voneinander zu betrachten sondern inei-nander verschraumlnkt bdquoAusloumlser von Protest ist in der Regel ein Gefuumlhl der Benachteili-gungldquo verdeutlicht Rothmund Man koumlnne das haumlufig beobachten bei Tarifverhandlun-gen Ob sich jemand unzureichend bezahlt fuumlhle haumlnge nicht unbedingt vom absolu-ten Einkommen ab sondern mit wem sich die Personen und Gruppen vergleichen wuumlrden bdquoInsofern kann es selbst bei Per-sonen zum Gefuumlhl der Benachteiligung kommen die von anderen als sehr privile-giert wahrgenommen werdenldquo In der Psy-chologie wuumlrde man deshalb von relativer Deprivation sprechen ndash also das Gefuumlhl der Benachteiligung relativ zu einem gewissen Vergleichsstandard

Eine wichtige Rolle spielt auch das Kol-lektiv und die soziale Gruppe die sich als protestierende Gruppe versteht Rothmund fuumlgt an bdquoMan sieht in der Regel keine ein-zelnen Personen protestieren Protest geht gewoumlhnlich von sozialen Bewegungen ausldquo Beispiele dafuumlr waumlren die Anti-Atom-Bewegung oder Gewerkschaften bdquoOftmals schlieszligen sich Personen in sozialen Grup-pen zusammen um ein politisches Ziel zu erreichenldquo Wichtig fuumlr die Motivation sei ein Gefuumlhl des Zusammenhalts und fuumlr ein ge-meinsames Ziel einzustehen bdquoDesto groumlszliger

eine Protestbewegung ist desto eher ist sie auch ein Selbstlaumluferldquo konkretisiert Roth-mund Oft sei es so dass ein Protest erst eine kritische Masse erreicht haben muumlsse damit Buumlrger dabei sein wollen bdquoDie Pro-testbewegung fungiert hier als sinnstiften-de soziale Gruppeldquo

Der dritte Strang ist eher aus der Rational Choice-Theorie also dem rationalen Den-ken abgeleitet bdquoDie Bereitschaft zu protes-tieren haumlngt immer auch davon ab ob die Leute glauben dass es etwas bringt und ob sie mit dem Protest etwas erreichen koumln-nenldquo versichert Rothmund Das haumlnge auch stark von der Groumlszlige der Protestbewegung ab weil natuumlrlich eine groumlszligere Protestbe-wegung meist die Erwartung ausloumlse dass man mit dem Protest etwas erreichen koumln-ne Als Beispiel veranschaulicht Rothmund bdquoWenn zehn Leute in der Landauer Innen-stadt protestieren wuumlrde sich niemand da-fuumlr interessieren Wenn sie dagegen einen studentischen Protest mit 1000 Studieren-den organisieren dann waumlre sicherlich die Hoffnung bei jedem Teilnehmer groumlszliger damit etwas bewirken zu koumlnnenldquo Eine weitere Motivation koumlnne aber auch die Ak-tualitaumlt von Themen sein bdquoWenn ein Thema oder Projekt einen ungewissen Ausgang hat wird man wahrscheinlich eine groumlszligere Erwartung haben durch einen Protest oder eine Aktion etwas veraumlndern zu koumlnnen als wenn man weiszlig man steht mit seiner Mei-nung allein auf weiter Flurldquo

Tobias Rothmund erklaumlrt weiter dass sich Menschen darin unterscheiden wodurch

Protestbewegungen ndash Von Gerechtigkeit uumlber Kollektiv bis zur Rationalitaumlt

Stuttgart 21 Anti-Atom- oder Occupy-Bewegung ndash Leute gehen immer wieder auf die

Straszlige um fuumlr eine Sache einzutreten Aber woher kommt das Passend zu unserem

Schwerpunkt berichtet Junior-Professor Dr Tobias Rothmund wie die Psychologie im

Bereich Protestkultur forscht und warum Gerechtigkeit eine zentrale Rolle dabei spielt

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sie zum Protest motiviert werden bdquoManche sind vielleicht rationaler und brauchen ein erreichbares Ziel andere moumlchten moumlgli-cherweise eher Teil einer Gruppe sein zu der ihr soziales Umfeld gehoumlrt Wieder an-dere sind besonders sensibel in Bezug auf Gerechtigkeit und Ungerechtigkeitldquo Man koumlnne diese oben angesprochenen drei Motivationen daher auch als Dimension fuumlr Persoumlnlichkeitseigenschaften verstehen die Menschen unterschiedlich stark moti-vieren koumlnnten

Der Wutbuumlrger von Stuttgart 21

Rothmund hat in diesem Jahr zusam-men mit den beiden Landauer Psycholo-gen Anna Baumert und Axel Zinkernagel einen wissenschaftlichen Artikel zu den durch Stuttgart 21 bekannt gewordenen bdquoWutbuumlrgernldquo publiziert bdquoWas wir bei Stutt-gart 21 untersucht haben betrifft vor allem die Dimension der Gerechtigkeitldquo erlaumlutert Rothmund Ausgehend von der generellen Annahme die bdquoWutbuumlrgerldquo seien eine kon-servative Personengruppe die in Stuttgart wohne sich vor allem um eigenen Besitz und egoistische Annehmlichkeiten sorge haben die drei Forscher bei einer Befragung Persoumlnlichkeitsmerkmale von Protestieren-den erfasst Dabei wollten sie die Persoumln-lichkeitsstruktur der Protestierenden besser verstehen Im Besonderen ging es ihnen um

die Frage inwiefern opfersensible Personen (also Menschen die sich selbst besonders leicht benachteiligt fuumlhlen) oder beobach-tersensible Personen (also Menschen die eher sensibel fuumlr die Benachteiligung ande-rer sind) eher protestierten Sie befragten zirka 1000 Buumlrger darunter Befuumlrworter Gegner und Unentschlossene von Stuttgart 21 Das Resultat bdquoLeute die opfersensibel sind haben gar nicht haumlufiger protestiert Das war interessanterweise genau umge-kehrt Es haben also eher Leute protestiert die sensibel dafuumlr sind dass andere benach-teiligt werdenldquo bemerkt Rothmund Das sei ein interessanter Befund da das eher darauf hindeuten wuumlrde dass Leute nicht nur ei-gennuumltzig fuumlr sich selbst engagiert sondern tatsaumlchlich fuumlr Mitbestimmung oder Ge-rechtigkeit in den Entscheidungsprozessen protestiert haumltten bdquoUnsere Ergebnisse ha-ben gezeigt dass die Leute die dort protes-tiert haben sich gegen ein intransparentes ungerechtes Verhalten der Autoritaumlten ge-wehrt haben und nicht gegen ihre eigene persoumlnliche Benachteiligungldquo verdeutlicht Rothmund

Auf die Frage ob zur Zeit eine Renaissance der Protestkultur vonstatten gehen wuumlrde stellt der Junior-Professor fest bdquoDas wird man erst spaumlter sagen koumlnnenldquo Eines wuumlr-de aber feststehen Durch das Internet sei die Organisation von Protesten sowie der Austausch von Informationen einfacher Da-durch wuumlrden Menschen viel schneller mo-bilisiert werden koumlnnen meint Rothmund(dan)

Wutbuumlrger

2010 kam zum ersten Mal das Schlagwort bdquoWutbuumlrgerldquoauf Gepraumlgt vom Spiegel-Journalisten Dirk Kurbjuweit beschreibt der Begriff eine vor-nehmlich aumlltere gebildetere und wohlhabende Personengruppe die sich mit Wut und Empoumlrung gegen politische Entscheidungstraumlger auflehnt

Demonstration auf dem Stuttgarter Schlossplatz am 18 Februar 2012

Literatur

Rothmund T Baumert A amp Zinkernagel A (2014) The German bdquoWutbuumlrgerldquo - How Justice Sensitivity Accounts for Individual Differences in Political Enga-gement Social Justice Research 27(1) 24-44

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Weiterbildung ist zentrales Thema fuumlr Claudia Ehrhardt Bei der Geschaumlftsfuumlhrerin der Arbeitsstelle der Weiterbildung der Wei-terbildenden (AWW) mit Sitz am Campus Landau laufen seit uumlber 14 Jahren die Faumlden der im Verein angeschlossenen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungseinrichtungen zusammen Fuumlr die Diplom-Paumldagogin sind die PIAAC-Ergeb-nisse ein eindeutiger Indikator dass bei der Grundbildung Erwachsener Handlungsbe-darf besteht Dass diese ndash ganz anders als die PISA-Ergebnisse ndash medial kaum aufgegriffen oder diskutiert wurden bilde den Stellen-wert der Weiterbildung in der Gesellschaft ab Dabei sind die dort getesteten Groumlszligen fuumlr ein erfolgreiches Arbeitsleben die Teilha-be an der heutigen Gesellschaft und die Pro-duktivitaumlt von Betrieben und Unternehmen bedeutsam

PIAAC (Programme for the International Assessment of Adult Competencies) ist die erste internationale Vergleichsstudie die zentrale Grundkompetenzen in der erwach-senen Bevoumllkerung beleuchtet Von Herbst 2011 bis Fruumlhjahr 2012 hat die Organisation fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Deutschland und uumlber 20 weiteren Laumlndern bei Erwachsenen im erwerbsfaumlhigen Alter von 16 bis 65 Jahren Lese- und alltagsmathematische Kompe-tenzen sowie technologiebasierte Problem-loumlsekompetenzen gemessen Das Ergebnis Deutschland liegt leicht unter dem OECD-Durchschnitt Allerdings schneiden juumlngere Erwachsene besser ab als aumlltere Vermutlich eine positive Folge der Bildungsanstrengun-gen nach PISA

PIAAC habe gezeigt dass auch im Erwach-senenalter gilt was fuumlr Schulkinder bittere Realitaumlt ist Das Bildungsniveau ist abhaumlngig von der Herkunftsfamilie bdquoWer uumlber keine gute Grundbildung verfuumlgt wird auch keine Weiterbildung machenldquo so Ehrhardt Und wer sich nicht weiterbildet faumlllt in der Ar-beitswelt zuruumlck Daher sei es erfreulich dass seit einigen Jahren verstaumlrkt in Projektfinan-zierungen im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung investiert werde so Ehrhardt

Moumlgliche Ruumlckschluumlsse aus den PIACC-Ergebnissen auf die Weiterbildung diskutier-ten Experten auf einer von Claudia Ehrhardt organisierten Fachtagung im Fruumlhjahr Der Tenor Die Professionalisierung der in der Weiterbildung taumltigen Paumldagogen Dozenten oder Trainer muss darauf setzen fuumlr die Ar-beit mit Bildungsverlierern entsprechend zu sensibilisieren ndash mit dem Ziel diesem abge-haumlngten Bereich eine Perspektive zu bieten Dieser Professionalisierungsaufgabe wird sich die AWW auch in Zukunft widmen

Weiterbildung ohne Raum und Zeit

Fuumlr die Arbeit des Zentrums fuumlr Fernstudi-en und Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) sieht Geschaumlftsfuumlhrer Dr Burkhard Lehmann aufgrund der PIACC-Ergebnisse keine unmit-telbaren Implikationen Denn die Teilnehmer der diversen Studiengang- und Kursangebo-te des ZFUW seien in der Regel die ohnehin bildungsaffinen Menschen die gewohnt sei-en sich zu qualifizieren Auf die Gruppe die

in PIAAC schlecht abgeschnitten habe seien die ZFUW-Bildungsangebote gar nicht zuge-schnitten

Das ZFUW hat als aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz seit uumlber 20 Jahren Erfahrung in der wissen-schaftlichen Weiterbildung bdquoWir haben uns mit dem Fernstudium und der Fernlehre fuumlr ein spezifisches Bildungsformat ent-schiedenldquo so Lehmann Denn dieses Format werde den Beduumlrfnissen der Bildungsinte-

Um die Kompetenzen Erwachsener beispielsweise im Lesen scheint es in Deutschland

nicht gut bestellt Das zumindest ist das Ergebnis der PIAAC-Studie Haben die Ergebnisse

Auswirkungen auf die Erwachsenenbildung NeuLand hat sich bei der Arbeitsstelle der

Weiterbildung der Weiterbildenden (AWW) und dem Zentrum fuumlr Fernstudien und

Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) erkundigt

Das ZFUW

Das Zentrum fuumlr Fernstudien und Universitaumlre Wei-terbildung (ZFUW) ist eine zentrale Einrichtung der Universitaumlt Koblenz-Landau Mit mehr als 21 Jahren Erfahrung ist das ZFUW die aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz Das ZFUW ist auf das Angebot postgradualer Fernstudien-gaumlnge spezialisiert veranstaltet daneben aber auch Weiterbildungen im Praumlsenzformat (z B Seminare)wwwuni-koblenz-landaudezfuw

Gute Grundbildung bedingt Weiterbildung

PIAAC-Studie

ressierten ohne Bindung an Raum und Zeit am meisten gerecht In Ballungsraumlumen wie Hamburg Muumlnchen oder Berlin wo sich die Kunden aus dem lokalen Umfeld akquirie-ren lassen funktionieren auch Praumlsenzan-gebote weiszlig Lehmann bdquoBefindet sich eine Einrichtung allerdings in einer Randlage operiert man besser auf der Ebene der Fern-lehre bei der die Organisation zum Teilneh-mer kommt und nicht der Teilnehmer zur Organisationldquo

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Nutzen und Folgen des Internets

Das Schnuumlren zeitgemaumlszliger Themen und Inhalte ist zentral um das ZFUW wettbe-werbsfaumlhig zu halten Derzeit unterhaumllt es die Programmbereiche Umwelt Energie und Management Expertise holt sich das ZFUW vorrangig aus den eigenen Reihen der Ko-

gogikldquo Damit sollen Lehrerinnen und Leh-rer fit gemacht werden fuumlr den schulischen Alltag in Zeiten der Inklusion bdquoDie Laumlnder stellen zwar den Finanzbedarf fuumlr Inklusion in der Schule allerdings fehlt eine profun-de Qualifizierung der Lehrkraumlfteldquo erklaumlrt Lehmann den Ansatz des neuen Weiterbil-dungsprogramms Mit einem Kooperati-onspartner bereitet das ZFUW ein weiteres Programm vor bdquoBusiness Communications and Rhetoricldquo

Weiterbildung heute so wichtig wie noch nie

Fuumlr das berufliche Weiterkommen ist Wei-terbildung heute so zentral wie noch nie bdquoDie Halbwertszeit des Wissens wird immer kuumlrzerldquo bekraumlftigt Claudia Ehrhardt Die PIAAC-Studie habe daher auch gezeigt wie wichtig Kompetenzaufbau -erhalt und -er-weiterung in der Berufswelt seien Die zahl-reichen Innovationswellen im beruflichen Kontext gerade im EDV- oder Produktions-kontext lassen den Bedarf an Weiterbildung kontinuierlich steigen versichert Burkhard Lehmann Warum Menschen letztendlich sich fuumlr eine Weiterbildung entscheiden da-fuumlr gebe es drei zentrale Gruumlnde Lehmann unterscheidet zwischen Selbstperfektionie-rern Tool-Suchern und Karriere- oder Ab-schlussorientierten Der ersten Gruppe liegt daran die eigene Persoumlnlichkeit weiterzu-entwickeln und sich fuumlr private Interessen mehr Wissen anzueignen Die Tool-Sucher erweitern gezielt ihre Kompetenzen um

Die AWW

Die Arbeitsstelle fuumlr die Weiterbildung der Weiterbil-denden (AWW) foumlrdert die Zusammenarbeit zwischen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungsorganisationen Der bundesweit einzigartige Verein ist eine wichtige Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis im Bereich der Weiterbildung Gegruumlndet wurde die AWW 1998 auf Initiative des Ministeriums fuumlr Bildung Wissenschaft Weiterbil-dung und Kultur Die AWW hat ihren Sitz in Landau und ist der Universitaumlt Koblenz-Landau angegliedert Unter dem Motto bdquoBesser lehren lernenldquo organisiert die AWW Workshops und Fachtagungen fuumlr Personen die in der Weiterbildung taumltig sind wwwaww-landaude

blenzer und Landauer Wissenschaftler bdquoWir arbeiten aber auch konsortialldquo so Lehmann bdquound halten somit ein bestimmtes Know-how vor das an den Standorten unserer Uni-versitaumlt nicht verfuumlgbar istldquo Selbst wenn die Flexibilitaumlt bestehe auch nicht einschlaumlgige Themen zu vertreten entwickele das ZFUW vornehmlich Angebote im Kernbereich der Universitaumlt Koblenz-Landau

Derzeit arbeiten Lehmann und sein Team an dem neuen Programm bdquoInklusionspaumlda-

berufliche Herausforderungen meistern zu koumlnnen Vertreter der dritten Gruppe tum-meln sich vorwiegend im akademischen Feld Da man fuumlr die Ausuumlbung bestimmter Funktionen im beruflichen Aufstieg meist Bescheinigungen uumlber entsprechendes Wissen oder Kompetenzen benoumltigt ori-entiert sich deren Weiterbildungsbedarf an Abschluumlssen

Entsprechend unterscheidet Lehmann auch zwischen drei Weiterbildungsberei-chen die klassische die betriebliche und die wissenschaftliche Weiterbildung Die klassische Weiterbildung wird beispiels-weise von Volkshochschulen betrieben und richtet sich an ein breites Publikum Im betrieblichen Kontext sollen Arbeitnehmer ihre Kompetenzen erweitern und ihr Wissen erhoumlhen beispielsweise wenn Vertriebs-mitarbeiter im Umgang mit einem neuen Produkt geschult werden muumlssen oder eine neue Software im Unternehmen eingefuumlhrt wird Die wissenschaftliche Weiterbildung ermoumlglicht akademisch vorqualifiziertem Personal sich auf neue Aufgaben etwa als Fuumlhrungskraft vorzubereiten

Die Zeiten in denen Lernen mit dem Verlassen der Schule dem Abschluss der Ausbildung oder dem Universitaumltsexamen beendet war sind definitiv vorbei Wer im Berufsleben bestehen will wird um regel-maumlszligige Weiterqualifizierung nicht umhin kommen PIACC soll in einem Rhythmus von zehn Jahren wiederholt werden um ein Laumlngsschnitt-Bild der Entwicklung zu er-halten Man darf gespannt sein wohin sich die Kompetenzen deutscher Erwerbstaumltiger entwickeln (ket)

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Sprachbedrohung und Sprachentod

Sprachbedrohung und Sprachentod sind ein weltweites Phaumlnomen Linguisten ge-hen davon aus dass etwa alle zwei Wochen eine Sprache stirbt In 100 Jahren so schaumlt-zen Sprachforscher werden im besten Fall noch die Haumllfte dieser Sprachen existieren vielleicht aber auch nur noch zehn Prozent von ihnen Waumlhrend die 20 groumlszligten der zir-ka 6800 lebenden Sprachen von der Haumllfte der Weltbevoumllkerung gesprochen werden weisen die meisten Sprachen eine Gemein-schaft von nur wenigen hundert oder tau-send Sprechern auf Von bevorstehendem Sprachentod spricht man wenn eine Spra-che aufhoumlrt Muttersprache oder Erstspra-che zu sein ndash also dann wenn sie nur noch sekundaumlr erlernt wird und damit die noumltige Sprachpflege verliert Der endguumlltige Tod tritt ein wenn es keine Sprecher mehr gibt

Sprachbedrohung und Sprachentod fin-den auf allen Kontinenten statt und neh-men ein immer schnelleres Tempo auf je weiter die Globalisierung voranschreitet Viele andere Faktoren wie unter anderem starke Migrationsbewegungen Zuwande-rung und Urbanisierung sowie ein hohes Alter der Sprecher oder die geringe wirt-schaftliche Staumlrke einer Sprache wirken zudem auf den Sprachbestand ein Stark gefaumlhrdete Sprachen sind vor allem in den Regionen Nord- und Suumldamerika Austra-lien Asien Westafrika und in Nord- und Ostsibirien vorzufinden In diesen Regio-nen kommt es zur massiven Verletzung von Sprachenrechten

Anglistik-Professor Dr Martin Puumltz ist Linguist und beschaumlftigt sich mit Sprache und ihren vielfaumlltigen sozialen kulturel-len und psychologischen Auspraumlgungen Zusammen mit seiner Kollegin Dr Monika Reif hat er im Fruumlhjahr 2014 das 36 Interna-tionale LAUD Symposium organisiert das sich rund um das Thema Sprachbedrohung und Sprachentod drehte (siehe Infokasten) Puumltz erklaumlrt Sprache sei relevant da sie ein einzigartiger Schatz an Wissen Ideen und Weltansichten sei bdquoMit den fast 7000

Bevor sie verstummen hellipWeltweit existieren etwa 6800 Sprachen doch die Vielfalt nimmt rasant ab Was

bedeutet es wenn Sprachen sterben Was bleibt von einer Kultur uumlbrig wenn ihre Art

die Welt zu beschreiben wegfaumlllt und die Urahnen verstummen

Sprachen auf unserer Welt gibt es auch fast 7000 Arten die Welt auf unterschiedliche Art wahrzunehmen und sie zu beschreibenldquo erlaumlutert der Linguist Beispielsweise haben einige Sprachen der Ureinwohner Amerikas ein komplett anderes Zeitsystem Dinge in der Zukunft oder Vergangenheit auszudruuml-cken gehe in diesen Sprachen nicht mit den uns bekannten grammatikalischen Moumlg-lichkeiten

Sprache ist also nicht nur ein Mittel der Kommunikation sondern bietet einen tiefen Einblick in die Einstellungen und Wahrnehmungen gegenuumlber der Welt kon-serviert Traditionen und Geschichte einer Kultur und gibt einzigartiges Wissen an die naumlchste Generation weiter beispielsweise uumlber Heilmittel und Pflanzen aber auch Ge-fuumlhle Spiritualitaumlt und soziale Einsichten Es gibt so etwas wie eine kulturelle Identitaumlt und die wird maszliggeblich von Sprache ge-praumlgt Warum aber verschwinden so viele Sprachen von der Bildflaumlche Natuumlrlich gibt es viele aumluszligere Umstaumlnde warum Sprachen ihre Sprecher verlieren Gerade in der Kolo-nialzeit haben die Besatzer eine Vielzahl an Sprachen marginalisiert und unterdruumlckt teilweise wurden ganze Voumllker durch Krieg vernichtet z B durch die Kolonialisierung und Besiedlung Nord- und Suumldamerikas die Ausrottung indigener Voumllker in Australi-en oder durch die im 17 Jahrhundert einset-zende Russifizierungspolitik in Osteuropa im Kaukasus und in Sibirien Auch Natur-katastrophen wie Erdbeben oder Vulkan-ausbruumlche koumlnnen stark regional gepraumlgte Sprachen toumlten

Auch wenn Sprachwissenschaftler versu-chen bedrohte Sprachen durch Aufzeich-nung Uumlbersetzung sowie die Bewahrung und Verbreitung von Sprachaufzeichnun-gen zu dokumentieren erwecken sie diese dadurch nicht mehr zum Leben Mit No-tizbloumlcken und Aufnahmegeraumlten kann man zwar einen Teil des Wortschatzes der Grammatik und Aussprache festhalten in geringerem Maszlige jedoch Redewendungen

Gebraumluche und Beschreibungsmodelle fuumlr die Welt einfangen Nur wer eine Sprache muttersprachlich spricht kann ihre zahlrei-chen Facetten begreifen Sprachrevitalisie-rung gelingt nur in den seltensten Faumlllen Gegluumlckt ist dies beispielsweise beim mo-dernen Hebraumlisch Iwrith genannt das er-folgreich wiederbelebt und zur offiziellen Amtssprache Israels erhoben wurde Zu-meist ist der Sprachtod aber unwiderruflich

In aktuellen Faumlllen der Sprachbedrohung liege das Problem haumlufig nicht an der Um-welt sondern an anderer Stelle erklaumlrt Puumltz Wer einer Minderheitensprache maumlchtig ist hat oftmals das Gefuumlhl damit auf dem Bildungsweg oder im Berufsleben schlech-tere Chancen zu haben Eltern bestehen daher oft darauf dass ihre Kinder die indi-gene Sprache vernachlaumlssigen und statt-dessen eine dominante und wirtschaftlich starke Sprache wie Englisch Spanisch oder Franzoumlsisch zuerst erlernen bdquoSie geben da-mit eine verstaumlrkt negative Einstellung zur Muttersprache an die naumlchste Generation weiterldquo verdeutlicht Puumltz die Problemlage Der Globalisierungseffekt ist somit nicht zu unterschaumltzen denn waumlhrend z B das Eng-lische immer dominanter wird nimmt die Geringschaumltzung und damit einhergehende Vernachlaumlssigung indigener Sprachen wei-ter zu Um den Sprachentod aufzuhalten benoumltigt es also weniger Dokumentation als vielmehr eine grundlegende Aumlnderung der Einstellung zu Minderheitensprachen und indigenen Sprachen (rst)

Linguistic Agency University of DuisburgTrierLandau (LAUD)

Seit 1973 finden unter diesem Namen alle zwei Jahre Konferenzen zum Thema Sprache statt ndash zunaumlchst in Trier und Duisburg und seit 2000 in Landau Das 36 LAUD Symposium wurde im Fruumlhjahr 2014 zum Thema bedrohte Sprachen und Sprachentod veranstaltet Uumlber 90 Teilnehmer aus 25 Laumlndern besuchten die Veranstaltung

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Kinder- und Jugendhospitzarbeit

Wie lassen sich die Arbeit und das Zu-sammenleben in Kinder- und Jugendhos-pizen verbessern Wie werden Kinder und Jugendliche wirkungsvoll begleitet die an einer unheilbaren Krankheit leiden oder die einen Trauerfall in der Familie verar-beiten muumlssen bdquoBislang konnten sich die Einrichtungen ausschlieszliglich durch ein Qua-litaumltssiegel bewerten lassenldquo sagt Sven Jen-nessen Das bedeute harte generalisierte Bewertungsfaktoren bdquoDabei unterscheiden sich die Einrichtungen teilweise gravierendldquo So sei etwa die Nachfrage nach tuumlrkischer Sprachkompetenz in einigen Einrichtungen zwar sehr hoch ndash es gebe aber auch Einrich-tungen bei denen der Bedarf schlicht nicht erkennbar sei Hier muumlsse man individuell auf die Beduumlrfnisse der Einrichtungen der Mitarbeiter der Kinder und Jugendlichen sowie der Familien eingehen Fuumlr Jennessen ist dies nur eines von vielen Beispielen bei dem sich die Schwaumlche starrer Bewertungs-

kriterien zeigt Immerhin muumlsse gerade in diesem sensiblen Bereich der Mensch im Mittelpunkt stehen ndash und keine Checkliste

Deshalb ist der Qualitaumltsindex fuumlr Kin-der- und Jugendhospizarbeit QuinK auch bdquoandersldquo Der Fokus liegt nicht nur auf den Antworten sondern auch auf der Kom-munikation zwischen den Beteiligten also zwischen haupt- und ehrenamtlichen Mit-arbeitern mit Eltern Kindern und auch Geschwistern bdquoNachhaltige Qualitaumltsent-wicklung funktioniert nur durch Kommuni-kation aller Beteiligtenldquo so der Ansatz von Sven Jennessen Und damit sind auch die Juumlngsten gemeint bdquoWir sehen die Kinder als Experten in eigener Sache anldquo erklaumlrt Stefanie Hurth Gerade die Einbeziehung der Geschwister stelle derzeit bei vielen Einrichtungen ein Problem dar Denn die muumlssten bei einer todbringenden Krank-heit der Schwester oder des Bruders haumlufig zuruumlckstecken Nur selten bleibe das ohne

Konflikte wodurch sie im schlimmsten Fall die Moumlglichkeit versaumlumten sich von ihren Geschwistern zu verabschieden bdquoHier gibt es kein Schema F Viel wichtiger ist dass die Betroffenen sich austauschen die Themen aufgreifen und dann Loumlsungen entwickelnldquo sagt Hurth

Der QuinK soll durch seine zur Reflexion anregenden Fragen diese Kommunikati-on ermoumlglichen und eine Art Diskussions-Agenda darstellen Daher wurde QuinK in den vergangenen Monaten in drei stationauml-ren Kinder- und Jugendhospizen und zwei ambulanten Kinderhospizdiensten getes-tet Jennessen und Hurth besuchten die Einrichtungen in Unna Duumlsseldorf Syke Darmstadt und Wiesbaden regelmaumlszligig bdquoDer QuinK ist nicht am gruumlnen Tisch ent-standenldquo sagt Sven Jennessen

Das Team aus Landauer Wissenschaftlern wurde unterstuumltzt vom Deutschen Hospiz- und Palliativverband (DHPV) Mit diesem zusammen wurden zwoumllf Grundsaumltze fuumlr die Arbeit von Kinder- und Jugendhospizen verfasst Das seien komplexe Themen von der Betreuung der Kinder bis zur Oumlffentlich-keitsarbeit fuumlr die jeweils ein aus den drei Kategorien Haltung Strukturen und Prak-tiken bestehender Fragebogen entstan-den ist bdquoEinige Fragen die wir als wichtig erachtet hatten wurden in der Praxis nicht angenommen Andere wiederum haben wir ergaumlnzt Jetzt ist der QuinK fitldquo ist Stefanie Hurth stolz auf das Ergebnis Und Sven Jen-nessen ergaumlnzt bdquoDie Ruumlckmeldungen waren insgesamt sehr positivldquo

Nun soll der QuinK Verbreitung finden Fachvortraumlge auf Konferenzen Artikel in Fachzeitschriften Die Arbeit des Jennessen-Teams ist noch laumlngst nicht abgeschlossen bdquoWir haben aber gute Startvoraussetzun-gen schlieszliglich waren die Praktiker vom DHPV von Anfang an an Bordldquo so Jennes-sen (kap)

QuinK neuer QualitaumltsindexEin neuer Index soll die Betreuung in Kinder- und Jugendhospizeinrichtungen verbessern

Dieser Aufgabe haben sich Professor Dr Sven Jennessen und Stefanie Hurth vom Institut

fuumlr Sonderpaumldagogik in den letzten Monaten gewidmet Nun praumlsentieren sie das

Ergebnis ihrer Arbeit den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit kurz QuinK

Ein Jahr lang hat Stefanie Hurth den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit getestet Nun ist der bdquoQuinKldquo fertig und soll im Oktober in die Praxis gehen

18 NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Nach der neuen Gallup-Studie ist die Ar-beitszufriedenheit zwar im Vergleich zum letzten Jahr gestiegen trotzdem kritisch Nur wenige Menschen fuumlhlen sich bei ihrer Arbeit wertgeschaumltzt Sie suchen stattdes-sen ihr Gluumlck in der Freizeit Hinzu kommt ein dramatischer Anstieg von psychischen Erkrankungen wie dem Burnout-Syndrom Wie kann man mit diesen Gefahren umge-hen

Eine potenzielle Loumlsung liegt im Bereich der positiven Psychologie Sie befasst sich damit unter welchen Umstaumlnden Personen Wohlbefinden Gluumlck und Zufriedenheit erleben Waumlhrend sich vor den 90er Jahren die Sozial- und Verhaltenspsychologen vor allem mit den Defiziten beschaumlftigt haben untersucht man seit 1998 psychologische Prozesse die dazu fuumlhren dass Menschen zufrieden und gluumlcklich und dadurch leis-tungsfaumlhiger sind

Ottmar L Braun ist auszligerplanmaumlszligiger Professor in der Arbeitsgruppe Sozial- und Wirtschaftspsychologie am Campus Landau und befasst sich mit positiver Psycholo-gie Zur Thematik Unzufriedenheit im Job bekraumlftigt er bdquoDie Forschung hat deutlich gezeigt dass sich Techniken der positiven Psychologie vorteilhaft auf die Arbeits- und Lebenszufriedenheit auswirkenldquo Besonders interessant sei das fuumlr Krankenkassen da sie sich mit Krankheit und Gesundheit ausei-

nandersetzen und auch als erste die Kosten von langfristigen Ausfaumlllen zum Beispiel durch Burnout tragen muumlssen Braun wei-ter bdquoDann muumlssen die sich natuumlrlich fragen Wie kommt dasldquo

Braun meint Arbeit duumlrfe nicht krank machen Arbeit muumlsse eher die Moumlglich-keit bieten dass man sich positiv entfalten koumlnne Deshalb muumlssten sich Arbeitgeber darum bemuumlhen dass die Leute mit mehr Spaszlig zur Arbeit kommen bdquoDaruumlber hinaus muumlssen Arbeitnehmer Aufgaben bekom-men um ihre Staumlrken ausleben zu koumlnnenldquo Er konkretisiert bdquoSie brauchen Aufgaben an denen sie persoumlnlich wachsen wo sie quasi aufbluumlhen koumlnnenldquo

In der positiven Psychologie sei der Begriff bdquoaufbluumlhenldquo elementar denn bdquoWenn Per-sonen etwas geleistet haben sprich Ziele erreichen dann sind sie zufriedener und haben wenig handlungsirrelevante Kogniti-onen oder Ablenkung Sie koumlnnen sich wie-der auf ihre Aufgaben konzentrieren und dadurch mehr leistenldquo begruumlndet Braun Zufriedenheit am Arbeitsplatz habe aber auch immer etwas mit der Entwicklung von Fuumlhrungskraumlften zu tun Nach Braun muumlss-ten sie darauf achten dass sie ihr Team ge-sund fuumlhren bdquoKrankenkassen wie die AOK Rheinland-PfalzSaarland bieten deshalb extra Programme dafuumlr an an denen wir als Team der Universitaumlt Koblenz-Landau

beteiligt sindldquo Eine weitere Moumlglichkeit fuumlr Arbeitgeber sieht Braun in regelmaumlszligigen Mitarbeiterbefragungen bdquoIm Rahmen von Folgeprozessen kann man dafuumlr sorgen dass zufriedenstellende Arbeitsbedingun-gen vorhanden sind und Missstaumlnde abge-schafft werdenldquo

Allerdings sei die Schuld nicht nur beim Arbeitgeber zu suchen Auch die Mitar-beiter sollten darauf achten ob sie an der richtigen Stelle im Unternehmen eingesetzt oder ob sie vielleicht irgendwo anders bes-ser aufgehoben seien Braun stellt klar bdquoVor der innerlichen Kuumlndigung sollte Unzufrie-denheit konstruktiv zum Ausdruck gebracht werden um dann vielleicht an einer sinn-volleren Stelle eingesetzt zu werdenldquo

Der Professor bemerkt dass die positive Psychologie allerdings nichts Neues sei bdquoIn der Arbeits- und Organisationspsychologie in der wir uns hier bewegen haben Wissen-schaftler ja schon immer das Thema Arbeits-zufriedenheit untersuchtldquo Es sei von daher ein ganz altes Forschungsgebiet welches nun durch die positive Psychologie neu be-reichert werde

Spielend zum GluumlckBraun hat an der Universitaumlt eine eige-

ne Studie zur Zufriedenheit durchgefuumlhrt

Unzufrieden im Job Positive Psychologie kann helfen

Viele kennen es Wenn Montagmorgen der Wecker klingelt faumlllt das Aufstehen oft

schwer besonders wenn man unzufrieden mit seiner Arbeit ist Aber warum ist man

unzufrieden und wie kann positive Psychologie dabei helfen die Unzufriedenheit zu

uumlberwinden NeuLand hat mit dem Professor fuumlr Wirtschaftspsychologie Dr Ottmar L

Braun uumlber die Psychologie der positiven Dinge gesprochen

19NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Dabei wurden Studierende einen Tag lang in Techniken der positiven Psychologie un-terrichtet bdquoAuszligerdem haben sie ein Gluumlcks-tagebuch bekommen bei dem sie ihre Gluumlcksmomente niederschreiben koumlnnen und einiges uumlber Smalltalk und Networking gelerntldquo Die Ergebnisse wuumlrden zeigen dass sich die Zufriedenheit der Studieren-den kurzfristig aber auch langfristig positiv veraumlndere Zudem seien ihr Optimismus und die Studienmotivation angestiegen depressive Verstimmungen gesunken Braun verdeutlicht bdquoAlles so wie man sich das wuumlnschtldquo

In seiner Forschung versucht er eine Bruuml-cke zu schlagen zwischen Techniken der positiven Psychologie und Techniken des Selbstmanagements Das wuumlrde gut pas-sen denn auch in der positiven Psychologie wuumlrden oft Tipps gegeben wie man etwas angehen solle versichert Braun Eine ganz prominente Uumlbung beim Selbstmanage-ment und in der positiven Psychologie sei die bdquoWas ist gut gelaufen-Uumlbungldquo Dabei geht es darum dass man am Abend uumlber-legen soll welche drei Dinge am Tag gut gelaufen sind und welche seiner Staumlrken es waren die dazu beigetragen haben Das sei eine Uumlbung die in der gesamten Literatur empfohlen werde Der Namensgeber der positiven Psychologie Martin Seligman habe zeigen koumlnnen dass die Anwendung

dieser Uumlbung dazu fuumlhre dass Leute nach sechs Monaten weniger depressiv seien Seligman fuumlhre das darauf zuruumlck dass das eine selbstverstaumlrkende Wirkung habe so Braun bdquoDie Leute merken dass sie sich bes-ser fuumlhlen wenn sie daruumlber nachdenken was heute gut gelaufen ist und warum Und deshalb wiederholen sie den Vorgangldquo Es habe dadurch eine langfristige Wirkung

Brauns neuestes Aushaumlngeschild ist ein Brettspiel namens bdquoCareer Games ndash spie-lend trainierenldquo bdquoWir haben Seminare ent wickelt bei denen wir Selbstmanage-ment-Kompetenzen in verschiedenen Le-bens- oder Inhaltsbereichen von Personen staumlrken koumlnnen Dazu dient auch ein Brett-spiel bei dem die Teilnehmer verschiedene Inhaltsbereiche der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder auch Smalltalk und Networking spielend erlernenldquo Jeder Spieler bekomme im Spiel eine Figur und muumlsse seinen Weg durch das Spielfeld wuumlrfeln so Braun bdquoAuf den Fel-dern muumlssen sie dann Quizkarten ziehen die das im Seminar Gelernte noch einmal aufarbeitenldquo Dabei muumlssten sie beispiels-weise drei Dinge nennen die sie in ihrem Leben gluumlcklich machen bdquoDurch den Spiel-charakter lernt man mehr als nur uumlber Se-minareldquo Mit Erfolg Erste Untersuchungen zeigen positive langfristige Effekte durch die Seminar-Brettspiel-Kombination (dan)

Tipps fuumlr die positive Fuumlhrung von Ottmar Braun

Fuumlhrungskraumlfte muumlssen eine gute zwischenmensch-liche Beziehung zu jedem einzelnen Mitarbeiter unterhalten Sie muumlssen auch verbindliche Aussagen machen und zu diesen Aussagen stehen Des Weiteren sollte ein Chef seine Angestellten unterstuumltzen wenn es notwendig ist Wichtig ist auch keinen unnoumltigen Druck aufzubauen sondern Staumlrken von Mitarbeitern kennen zu lernen und zu foumlrdern Von Vorteil koumlnnen auch Begruumlszligungs- und Krankenruumlckkehrgespraumlche sein Es koumlnnte ja sein dass die Krankheit etwas mit den Arbeitsbedingungen zu tun hat Natuumlrlich sind auch Teamsitzungen und Teambildungsmaszlignahmen von groszliger Bedeutung um ein angenehmes Arbeits-klima herzustellen

Spielend lernen Mit dem Brettspiel bdquoCareer Gamesldquo erlernen die Spieler verschiedene Inhalte der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder Smalltalk und Networking

20 NeuLand 2014 03

Psychotherapie-Ambulanz

Wie eine Baustelle sieht die psychothera-peutische Uni-Ambulanz nicht mehr aus Den Abdeckplanen sind bunte Stuumlhle und Stofftiere gewichen im Eingangsbereich liegen Fachmagazine und das Buumlro von Professorin Dr Tina In-Albon ist bereits voller Buumlcher Und doch bdquoist hier noch alles Baustelleldquo so die Professorin fuumlr Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kin-des- und Jugendalters Nach Therapeuten werde noch gesucht die ersten Behandlun-gen seien angelaufen Forschungsprojekte in Planung bdquoEine spannende Phaseldquo bekraumlf-tigt die Ambulanzleiterin

Von nun an wird sich das zehnkoumlpfige Team um die Professorin In-Albon und Ge-schaumlftsfuumlhrerin Dr Daniela Schwarz mit den psychischen Erkrankungen der suumld-pfaumllzer Kinder und Jugendlichen befassen Die Kosten fuumlr die psychotherapeutische Behandlung uumlbernehmen bei Indikation die Krankenkassen Hinzu kommt ein wei-terbildender Studiengang zur Ausbildung in Kinder- und Jugendlichenpsychothe-rapie der im Wintersemester 201415 mit zwoumllf Teilnehmern pro Jahrgang startet In Rheinland-Pfalz ist die Universitaumlt Kob-lenz-Landau in diesem Bereich die einzige universitaumlre Ausbildungsstaumltte Neben der hauseigenen Ambulanz kooperiert der Studiengang mit dem Pfalzklinikum in Klin-genmuumlnster sowie anderen kinder- und ju-gendpsychiatrischen Kliniken in der Region

Kaum eroumlffnet schon stehen die ersten Forschungsprojekte an Derzeit liegt ein Fokus in der Behandlung von Angststoumlrun-gen und Depressionen bdquoVielen Depressio-nen gehen Aumlngste voraus Daher lohnt es diese beiden zusammen zu betrachtenldquo so

Tina In-Albon Laut Statistik leiden zirka 20 Prozent der Erwachsenen und zirka 10 Pro-zent der Kinder unter Angststoumlrungen bei Depressionen sind es sogar 40 Prozent der Erwachsenen und im Jugendalter auch be-reits zwischen 15 und 20 Prozent In Planung befindet sich daher eine Therapiestudie fuumlr Jugendliche mit Angst- und depressiven Stoumlrungen Ein weiterer Forschungsbereich ist das nicht-suizidale selbstverletzende Verhalten im Volksmund auch als bdquoRitzenldquo bekannt bdquoDa machen wir eher Grundla-genforschungldquo so die Professorin Ein spe-zifisches Therapieangebot gebe es derzeit noch nicht ndash bdquodas kann sich aber alles noch entwickelnldquo

Einen weiteren Forschungsschwerpunkt stellt die psychische Gesundheit bei Kindern mit Diabetes dar insbesondere bei Diabetes vom Typ I der im Gegensatz zum bdquoAltersdi-abetesldquo II auch bei Kindern und Jugendli-chen verbreitet ist bdquoHier wissen wir uumlber

Erste Forschungsprojekte stehen an

Ende Juni offiziell eingeweiht hat die Psychotherapie-Ambulanz fuumlr Kinder und Jugend-

liche die Arbeit aufgenommen Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen

haben nun in Landau eine neue Anlaufstation Und auch die Forschung profitiert von der

Einrichtung

die medizinische Forschung zwar schon eine Mengeldquo sagt Tina In-Albon aber aus psychologischer Sicht sei das Thema noch relatives Neuland Wie etwa sieht es bei der psychologischen Betreuung der Kinder aus aber auch der Eltern der Lehrer und sons-tiger zentraler Bezugspersonen Wird die Krankheit und deren Umgang akzeptiert Wie koumlnnen Psychotherapeuten helfen Auch hier schlummert ein Forschungspo-tenzial fuumlr In-Albon bdquoVieles ist im Aufbauldquo sagt sie beschwichtigend Und doch laumlsst sie im Gespraumlch mit NeuLand durchblicken dass sie auch auf diesem Gebiet noch inten-siver forschen moumlchte

Neben der Forschung ist die Hochschul-ambulanz auch in die Lehre im Rahmen des Masterstudiengangs Klinische Psychologie eingebunden So werden die Studierenden beispielsweise in die Diagnostik einbezogen und koumlnnen unter Supervision in Patienten-gespraumlchen Praxiserfahrung sammeln (kap)

In der neuen Universitaumltsambulanz fuumlr Kinder und Jugendliche wird die ganze Palette der psychischen Stoumlrungen behandelt

21NeuLand 2014 03

Wenn man sich seine Dozenten auszligerhalb der Universitaumlt vorstellt dann ist es wohl in einem Sessel vor einem uumlberfuumlllten Buumlcher-regal mit einem wissenschaftlichen Buch in der Hand vielleicht noch mit einem Hund zu den Fuumlszligen Wenige Studenten glauben dass ihre Dozenten moumlglicherweise eine spannendere Freizeitgestaltung haben als sie selbst

Bei Walter H Schreiber ist das aber so Seit dem Sommer 2013 ist er 3D-Bogenschuumltze 3D-Bogenschieszligen bedeutet nicht dass man mit einer 3D-Brille und einem virtu-ellen Bogen bewaffnet auf herannahende Tiere oder Aliens schieszligt Eigentlich ist das 3D-Bogenschieszligen vielmehr die Wieder-entdeckung des sportlichen Jagens mit Pfeil und Bogen ohne einem Tier Schaden zuzufuumlgen Es erinnert an eine Art Golf Der Schlaumlger wird zum Bogen der Ball zum Pfeil und statt eines Abschlags hat man einen Abschuss-Punkt Das Ziel ist aber kein Loch sondern zum Beispiel ein Fasan oder eine Riesenspinne welche von Vereinsmitglie-dern angefertigt und im Parcours platziert wurde

Schreiber ist seit Dezember Mitglied beim Verein Palatina Bogenschuumltzen eV in Ins-heim suumldlich von Landau Davor absolvierte er bereits einen Pfeil und Bogen-Intensiv-kurs in der Eifel bdquoDamit sich nicht bereits am Anfang grobe Fehler einschleichenldquo bekraumlf-tigt Schreiber Sein Sohn sei auch Bogen-schuumltze habe aber unabhaumlngig von ihm zur selben Zeit angefangen Auf die Frage wa-rum er nicht das klassische von Olympia be-kannte Bogenschieszligen ausuumlbe antwortet Schreiber bdquoDa gibt es zu viele Regelnldquo Au-szligerdem sei er ein intuitiver Schuumltze welcher ndash im Gegensatz zum strategischen Schuumltzen ndash sich voll und ganz auf seine Erfahrung und sein Bauchgefuumlhl verlasse Zwar ist Schrei-ber schon seit einem Jahr leidenschaftlicher Bogenschuumltze trotzdem gilt er im Verein

Entspannung vom AlltagWaumlhrend die Studierenden fast immer wissen ob ein Dozent freundlich oder streng ist

koumlnnen sich nur wenige vorstellen was diese mit ihrer Freizeit anfangen NeuLand war

einen Abend mit Dr Walter H Schreiber unterwegs Sein Hobby das 3D-Bogenschieszligen

noch als Anfaumlnger bdquoDeswegen behalte ich meine Ergebnisse bei Wettkaumlmpfen lieber fuumlr michldquo bemerkt er schmunzelnd

Sicherheit sei sehr wichtig betont Schrei-ber So muss sich jeder Schuumltze vorab in einem Schieszligbuch eintragen um zu sehen wie viele Leute auf dem Parcours unter-wegs sind Aus gutem Grund Auf dem 500 Meter langen und mit 28 Zielen bestuumlckten Parcours kann man leicht den Uumlberblick verlieren Zwei bis drei Stunden dauert die Durchquerung des Kurses Manchmal machen es abgeknickte Aumlste und ein rut-schiger Untergrund gar nicht so einfach die Ziele zu treffen Trotzdem wuumlrden die meisten Unfaumllle nicht beim Schieszligen selbst passieren sondern beim Herausziehen der Pfeile aus den Koumlrpern der Ziele meint Schreiber Ein Vereinskollege ergaumlnzt bdquoWich-

tig ist uns dass wir das 3D-Bogenschieszligen nicht als Vorstufe zur Jagd mit Pfeil und Bogen sehen Es ist vielmehr ein Sport bei dem man sich deutschlandweit mit anderen Schuumltzen messen kannldquo Im Gegensatz zum klassischen Bogenschieszligen schieszlige man nicht auf langweilige Zielscheiben sondern durchlaufe einen interessanten Parcours

Fuumlr Schreiber ist das Bogenschieszligen Ent-spannungskur vom alltaumlglichen Uni-Stress bdquoNach der Arbeit auf den Parcours zu gehen befreit meinen Kopfldquo Verstaumlndlich denn das leise Zischen des Pfeiles und die Ruhe im gruumlnen naturbelassenen Gelaumlnde hat etwas Erholendes Auszligerdem hat Schreiber beim Verein Palatina Freunde gefunden mit denen er an fast jedem Donnerstag und Sonntag durch den Parcours streift ndash auf der Jagd nach kuumlnstlichen Tieren (dan)

Hobby 3D-Bogenschieszligen

Beim 3D-Bogenschieszligen findet Walter H Schreiber Entspannung vom alltaumlglichen Uni-Stress

22 NeuLand 2014 03

Summer School

In der Reihe bdquoE-Mail aus hellipldquo berichtet Sozialwissenschafts-Student Daniel Schumacher

von der Summer School aus dem polnischen Wroclaw

Liebes NeuLandCześćaus Wroclaw Manchmal reicht ein

akademischer Kurz-Urlaub um ein Land und die

Leute lieben zu lernen

Zum Ende meiner akademischen Laufbahn wollte

ich das Studentendasein noch einmal voll und

ganz genieszligen und habe mich entschlossen eine

Summer School zu besuchen Fast jeder unserer

Fachbereiche bietet so etwas an Fuumlr mich ging die

Reise unter der Leitung von Professor Dr Siegmar

Schmidt (Politikwissenschaften) nach Wroclaw Polen

Erasmus-finanziert begann meine Hinfahrt in einem

Fernbus von Karlsruhe direkt nach Breslau so der alte

deutsche Name fuumlr Wroclaw

Hier angekommen bezogen wir ndash meine Wenigkeit

mit sieben anderen Deutschen ndash unsere Zimmer in

einem Studentenwohnheim oder wie ich es nenne

bdquoPlattenromantik-Hotelldquo Von auszligen neu gestrichen

verspruumlhte das Haus von innen den gesamten

Ostblock-Charme der Kalten-Krieg-Aumlra Das war

fuumlr mich aber auch das einzig Negative waumlhrend

meiner zweiwoumlchigen Summer School Bereits

am ersten Tag lernten wir beim bdquoget-togetherldquo

die anderen Teilnehmer kennen 70 Studenten

aus uumlber acht Laumlndern wollten mehr uumlber die

europaumlische Finanzkrise lernen und ndash wie ich ndash neue

Freundschaften knuumlpfen

Ab dem zweiten Tag war unser neues Zuhause ein

Houmlrsaal beim Institut fuumlr Politikwissenschaft Dort

E-Mail aus hellip Wroclaw

lernten wir wie verschiedene europaumlische Staaten mit

der Finanzkrise zu kaumlmpfen hatten und stellten jeweils

unsere Laumlnder selbst vor

Nach der ersten Woche wurden wir in verschiedene

Gruppen aufgeteilt um uumlber Innovation im

oumlffentlichen und privaten Sektor zu forschen

Forschen bedeutete dabei dass wir polnische

Buumlrger interviewten die entweder im privaten oder

oumlffentlichen Bereich taumltig sind Mein bdquoResearch-Haufenldquo

war bunt gemischt ndash von Belgiern uumlber Rumaumlnen

bis hin zu Ukrainern Ohne Verstaumlndigungsprobleme

meisterten wir unseren Arbeitsauftrag was am letzten

Tag feucht-froumlhlich mit allen gefeiert wurde

Am Ende moumlchte ich noch eine Lanze fuumlr die Stadt

Wroclaw und das Land Polen brechen Wir wurden

sehr herzlich aufgenommen Die Stadt mit ihrer

(deutschen) Geschichte war atemberaubend Nicht

nur die alten Gebaumlude haben es mir angetan sondern

die Atmosphaumlre rund um den historischen Stadtkern

Ich habe in diesen zwei Wochen sehr viele Menschen

kennen gelernt einige wuumlrde ich nun als enge Freunde

bezeichnen Das erste Wiedersehen mit Studenten aus

Belgien und Tschechien ist bereits geplant

Bis bald im guten alten Landau

euerDaniel Schumacher

23NeuLand 2014 03

Hochschulgruppe

Eigentlich kommt Cornelia Spengler aus einem ganz anderen Fachgebiet Nach ih-rem Biologiestudium am Karlsruher Insti-tut fuumlr Technologie promoviert sie derzeit in Landau im Fachbereich Natur- und Um-weltwissenschaften Aber auch an sozialer Arbeit hatte sie schon immer Interesse Sie wollte sich nicht nur mit der Wissenschaft beschaumlftigen sondern mit Menschen zu-sammenarbeiten So entdeckte sie fuumlr sich ein sensibles Thema die Integration und Bildungsgerechtigkeit

Cornelia Spengler wollte nicht nur reden sondern handeln In der SchuumllerNavi-Grup-pe in Aachen fand sie ein Vorbild nach dem sie am Campus Landau gemeinsam mit Stu-dentin Sylvia Klaus eine Hochschulgruppe aufbaute Ziel sollte es sein Schuumller zu foumlr-dern die durch ihre mangelnden Deutsch-kenntnisse in der Schule Probleme haben und deren Eltern das Geld fuumlr Nachhilfe nicht aufbringen koumlnnen bdquoWenn die Eltern zu Hause kaum Deutsch sprechen haben die Kinder dort auch wenig Unterstuumltzung fuumlr die Schule Diktate zu uumlben ist dann schlichtweg nicht moumlglichldquo erklaumlrt Speng-ler

SchuumllerNavi bietet neben Hausaufgaben-betreuung und Nachhilfeunterricht auch kulturellen Austausch Mittlerweile betei-ligen sich in der Hochschulgruppe uumlber 20 Studenten die den Schuumllern in schulischen

Aktive Arbeit statt bloszlige TheorieUumlber Integration zu reden bringt nicht viel Sie muss gelebt werden Darum gruumlndete die

Landauer Doktorandin Cornelia Spengler mit Studentin Sylvia Klaus die Hochschulgruppe

SchuumllerNavi die immer mehr Mitglieder zaumlhlt Wie man Integration foumlrdern kann und was

den Ehrenamtlichen ihre Arbeit bringt daruumlber sprach sie mit NeuLand

Belangen zur Seite stehen ihnen das Uni-Leben zeigen und ihnen zuhoumlren wenn sie Probleme haben

Spengler selbst betreut zwei Bruumlder mit tamilischen Wurzeln Um Beruumlhrungspunk-te zu schaffen die fuumlr den Aufbau eines Ver-trauensverhaumlltnisses wichtig sind hat sie mit den Jungs auf dem Campus beispiels-weise gemeinsam mikroskopiert Einer der beiden Bruumlder war stark versetzungsgefaumlhr-det und hat es nun in die naumlchste Klasse geschafft Ein Stuumlck weit schreibt sie diesen Erfolg SchuumllerNavi zu

bdquoSchwierig ist es zu unterscheiden welche Kinder wirklich der Foumlrderung beduumlrfenldquo so Spengler In Konkurrenz mit Nachhilfe-Firmen will die Gruppe nicht treten Ziel-gruppe sind Kinder die in der Schule haumlufig nicht ausreichend gefoumlrdert werden und deren Eltern sich keine professionelle Nach-hilfe leisten koumlnnen Daher hat SchuumllerNavi Kooperationen mit sozialen Institutionen Landaus die ihnen die Kontakte weiterver-mitteln bdquoDer Bedarf ist riesig Wir koumlnnen ihn gar nicht deckenldquo berichtet Spengler Daher ist die Hochschulgruppe auch staumln-dig dabei neue Mitglieder zu werben

Fuumlr die Zukunft plant die Hochschul-gruppe eine weitere Kooperation mit ELKE (Eltern Kompetenzen erlernen) um die El-tern weiterzuschulen beispielsweise mit Sprachkursen Dadurch sollen diese ihren

Kindern besser bei schulischen Aufgaben selbst helfen koumlnnen

Neben dem Gefuumlhl etwas Gutes zu tun sieht Spengler aber auch andere Vorteile fuumlr das Ehrenamt Gerade Lehramtsstu-denten koumlnnen sich hier ausprobieren und paumldagogische Konzepte umsetzen die sie aus der Theorie kennen Jeder koumlnne viel lernen erklaumlrt sie Man uumlbe hier nicht nur den Umgang mit Kindern und Jugendli-chen sondern lerne auch viel uumlber fremde Kulturen Sie selbst habe von ihren zwei Nachhilfeschuumllern bereits viel uumlber Feierta-ge und Sitten ihrer Kultur aber auch einzel-ne Vokabeln ihrer Sprache gelernt Und die Schuumller seien sehr interessiert an deutschen Gebraumluchen und Eigenarten

Fuumlr das ehrenamtliche Engagement hat SchuumllerNavi bereits Preise bekommen Bei der Initiative fuumlr Integration von bigFM be-legten sie den dritten Platz Das Preisgeld investierte die Gruppe unter anderem um mit ihren Schuumllern die Zooschule zu besu-chen In diesem Jahr erhaumllt SchuumllerNavi zu-dem den Campus-Kulturpreis des Campus Landau

bdquoMan redet immer uumlber Integration Von Menschen mit Migrationshintergrund wird erwartet sich hier zu integrieren Aber das liegt ja auch an uns Man muss sie auf die-sem Weg unterstuumltzenldquo erklaumlrt Doktorandin Spengler (rst)

Termine ImpressumHerausgeberReferat fuumlr Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit der Universitaumlt Koblenz-Landau Campus Landau Fortstraszlige 7 76829 Landau

RedaktionsteamKerstin Theilmann (ket) (verantw) Berend Barkela (bb) Wilfried Dorsch (wdo) Sebastian Kapp (kap) Daniel Schumacher (dan) Rosa Stecher (rst)

LayoutMedienzentrum Campus Landau Berend Barkela

FotosTitel Imago Fotoarena S 2 S 3 privat S 5 Imago Xinhua S 7 oben kanvag - Fotoliacom S 7 unten Medienzentrum Hiller S 9 Imago ITAR-TASS S 10 Imago Steinach S 11 Imago DeFodi S 13 Imago PPfotodesign S 15 JiSign - Fotoliacom S 17 Medienzentrum Hiller S 19 Medienzentrum Barkela S 20 Medienzentrum Hiller S 21 und 22 Daniel Schumacher

KontaktKerstin TheilmannTel 06341 280-32219 E-Mail theiluni-koblenz-landaude

Aus Gruumlnden der besseren Lesbarkeit verwenden wir in unseren Artikeln die maumlnnliche Form Damit sind stets Frauen und Maumlnner gemeint

Die Redaktion behaumllt sich die Kuumlrzung und Uumlberarbeitung von Texten vor Die Meinung einzelner AutorinnenAutoren gibt nicht immer die Meinung der Redaktion wieder

28101014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Florian Ostertag Atrium Infos unter wwwasta-landaude

05112014 ab 2130 Uhr Atriumsfete Infos unter wwwasta-landaude

06112014 20 Uhr Poetry Slam Landau Universum Kinocenter Infos unter wwwzkwuni-landaude

19112014 1930 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Friedensprojekt Europa in der Krise Mit Bundesministerin aD Heidemarie Wieczorek-Zeul und weiteren Gaumlsten Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

19112014 21 Uhr Konzert bdquoBeats und Pianoldquo Audimax Infos unter wwwasta-landaude

1122014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Unland Atrium Infos unter wwwasta-landaude

03122014 19 Uhr Hambacher Gespraumlch Meine Daten gehoumlren den Unternehmen Hambacher Schloss Infos unter wwwfliuni-landaude

05122014 1930 Uhr Reihe bdquoGroszlige Begegnungenldquo mit Sternekoch Alfons Schubeck Jugendstil-Festhalle Landau Infos unter wwwzkwuni-landaude

08122014 1900 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Frieden durch Demokratie Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

Ausblick 13 - 15012015 Poetik-Dozentur mit Rafik Schami Infos unter wwwzkwuni-landaude

Weitere Termine unter wwwuni-koblenz-landaudeaktuell wwwuni-koblenz-landaudeblog

Page 2: Neuland Ausgabe 3/2014

2 NeuLand 2014 03

EditorialLiebe Leserin lieber Leser

Protest und Protestbewegungen sind seit einigen Jah-ren aus der oumlffentlichen Berichterstattung nicht mehr wegzudenken Buumlrger begehren verstaumlrkt auf Nicht nur in westlichen Regionen sondern auch in Laumlndern in denen dies bis vor Kurzem undenkbar schien Ganz praumlsent sind noch die Bilder von der Jasmin-Revolution in Tunesien vom Tahrir-Platz in Kairo vom Gezi-Park in Istanbul oder dem Maidan in Kiew die wir mit Hoff-nung und Staunen uumlber Wochen und Monate verfolgen konnten

Treibende Kraumlfte dieser Proteste sind und waren meist Studenten junge Akademiker die Universitaumlten somit Ausgangspunkt politischer Umbruumlche Aktuell beo-bachten wir gespannt den von Studierenden getrie-benen demokratischen Aufbruch in Hongkong Auch in Deutschland sind Universitaumlten spaumltestens seit den Studentenbewegungen der 1960er Jahre ein Ort des Protestes des politischen Engagements und der freien Meinungsaumluszligerung

Am Campus Landau beschaumlftigten wir uns auch wis-senschaftlich mit Protest Konflikten und Gerechtigkeit Daher haben wir diesem Thema den Schwerpunkt die-ser NeuLand-Ausgabe gewidmet Warum protestieren Menschen Warum spielt Gerechtigkeit beim Aufbe-gehren eine zentrale Rolle Setzen sich Menschen ver-mehrt fuumlr eigene Belange oder auch fuumlr die Beduumlrfnisse Dritter ein Dieser Frage geht die politische Psycholo-gie nach (S 12) Und auch von der Philosophie einer Disziplin die sich seit uumlber zweitausend Jahren damit beschaumlftigt die Welt und die menschliche Existenz zu verstehen und zu erklaumlren erhalten wir beispielsweise Antworten darauf was Gerechtigkeit uumlberhaupt ist und welchen Stellenwert sie im menschlichen Zusammenle-ben hat (S 6)

Proteste erfahren heute vor allem durch die sozialen Medien Unterstuumltzung Hier wird Meinung gemacht

hier erfaumlhrt die Welt von Vorkommnissen zu denen die klassischen Medien teilweise gar keinen Zugang mehr haben Das Volk selbst sorgt uumlber diese Kanaumlle dafuumlr dass sich Informationen verbreiten Dennoch leben Protestbewegungen vor allen Dingen auch durch die Symbolkraft von Bildern Wie wichtig es fuumlr die Wahrnehmung von Protestaktionen ist sich visu-ell von anderen Medienereignissen abzuheben ist ein Forschungsthema der Landauer Soziologie Soziale Be-wegungen setzen immer haumlufiger auf gute Inszenierun-gen die Protestkommunikation wird aumlsthetisch Doch die Aumlsthetisierung von Protestkultur ist keine Erfindung der Pop-Kultur Die Kunstgeschichte weiszlig viele Beispie-le bei denen die Inszenierung und die Symbolkraft von Bildern bereits durchschlagende Wirkung erzielte (S 9)

Wo es Menschen gibt gibt es auch Konflikte Die Lan-dauer Persoumlnlichkeitspsychologie untersucht daher wie Konflikte entstehen und wie Mediation bei deren Loumlsung helfen kann Allzu oft stocken Verhandlungsge-spraumlche weil jede Partei zu sehr in den eigenen Vorstel-lungen feststeckt ein Aufeinanderzugehen unmoumlglich scheint Ein vertrauensvoller unbeteiligter Dritter kann hier durchaus Bewegung ins Spiel bringen (S 4) Mit diesem Querschnitt durch die verschiedenen Diszipli-nen wollen wir Ihnen die verschiedenen Aspekte von Protestkultur und Gerechtigkeit naumlherbringen

Ich wuumlnsche Ihnen eine spannende und anregende Lektuumlre

Ihr

Professor Dr Roman HeiligenthalUniversitaumltspraumlsident

Editorial

3NeuLand 2014 03

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

Reise ins KrisengebietDie weltpolitische Lage ist heute durch zahlreiche Krisen gepraumlgt Ob Syrien Kurdistan

oder die Ukraine ndash Konflikte entstehen schnell Loumlsungen hingegen brauchen Zeit

NeuLand hat mit der Psychologie-Studentin Nadine Knab uumlber ihre Erfahrungen waumlhrend

einer Studienreise in der Krisenregion des Mittleren Ostens gesprochen

Kurdistan ist ein Gebiet welches sich uumlber die Staaten Tuumlrkei Irak Iran und Syrien erstreckt Seitdem die radikale Gruppierung Islamischer Staat (IS) Teile Nordiraks gewaltsam an sich gerissen hat herrscht in der Region Krieg Tau-sende Menschen fliehen aus der Region in benachbarte Laumlnder Nadine Knab ist Master-Studentin der Psychologie und war im Fruumlhjahr im Zuge einer Studien-reise in Kurdistan genauer in der Tuumlrkei und im Nord-Irak Organisiert durch die studentischen Initiative Middle-East Excursion der Universitaumlt Bonn war sie mit einer Gruppe von 20 Studierenden elf Tage dort wo jetzt Angst und Gewalt den Alltag bestimmen Allerdings be-kraumlftigt Knab bdquoAls ich in Kurdistan war habe ich mich eigentlich sehr sicher ge-fuumlhltldquo

Neben Besichtigungen von Sehens-wuumlrdigkeiten haben sich die Studie-renden aus Deutschland auch mit der Studentenvertretung Kurdistans getrof-fen um von kurdischen Studierenden ihre Sicht auf die Region zu erhalten und neue Kontakte vor Ort zu knuumlpfen Da die Bedrohung durch die IS noch nicht akut war ging es oft auch um den Buumlr-gerkrieg in Syrien bdquoWir haben zahlreiche syrische Fluumlchtlinge auf der Straszlige ken-nen gelernt die haumlufig von der Zeit vor dem Krieg erzaumlhltenldquo Allerdings haumltten sie ihr Leid nicht so nach auszligen getra-gen erlaumlutert Knab

Ein Highlight der Reise war fuumlr Knab das Treffen mit dem kurdischen Auszligen-minister der sich extra eine Stunde Zeit

fuumlr die deutsche Gruppe genommen hatte bdquoEr hatte das Beduumlrfnis uns etwas mitzutei-len was wir auch nach Deutschland mitneh-men oder weiterverbreiten koumlnnenldquo glaubt Knab Die momentane Situation schaumltzt die Studentin als sehr schwierig ein Positiv sei dass die Kurden im Gegensatz zu den ver-gangen Jahren wegen der Bedrohung durch den Islamischen Staat zusammen arbeite-ten bdquoDas war in der Vergangenheit oft nicht der Fall da gab es auch Konflikte innerhalb der kurdischen Bevoumllkerungldquo so Knab wei-ter In Anbetracht der IS sei es sehr schwer die Situation richtig einschaumltzen zu koumlnnen bdquoJeder Schritt der im ersten Moment positiv erscheint kann langfristig wieder zu weite-ren Konflikten fuumlhrenldquo erklaumlrt sie

Die Gruumlnde warum sie sich fuumlr diese Stu-dienreise entschied waren einerseits ihr groszliges Interesse an der krisengeschuumlttelten Region und andererseits ihr Schwerpunkt bdquoKooperations- und Konfliktforschungldquo im Psychologiestudium bdquoWenn ich spaumlter in die Forschung gehe ist es sicher vorteil-haft wenn ich mich mit solchen Themati-ken nicht nur im Labor auseinander gesetzt habe Deshalb war es mein Anliegen auch wirklich mal in eine krisenbeladene Region zu reisen um mir selbst ein medienunab-haumlngiges Bild zu machenldquo Auszligerdem hatte Knab die Vermutung dass sie als Touristin diese Reise wegen Sicherheitsbedenken nicht machen wuumlrde bdquoDurch den erfahre-nen Reiseleiter aus Syrien und durch den

Auf ihrer Studienreise nach Kurdistan traf Nadine Knab auch kurdische Studentinnen

4 NeuLand 2014 03

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

Loumlsung durch Mediation

Junior-Professorin Dr Anna Baumert lehrt und forscht im

Bereich Persoumlnlichkeitspsychologie und Diagnostik Sie

erklaumlrt wie Konflikte entstehen und warum Mediation bei

der Loumlsung helfen kann

NeuLand Frau Baumert Sie forschen zum Thema Gerechtigkeit und damit verbundenen Deeskalationsstrategien wie der Mediation Wie sieht Ihr Forschungsgegenstand genau aus

Anna Baumert Ich interessiere mich erst einmal fuumlr die Psychologie der Gerechtig-keit Das heiszligt es geht darum was Men-schen als ungerecht empfinden Fragen die meine Kollegen und ich untersuchen sind beispielsweise wie Situationen aussehen die als ungerecht empfunden werden oder welche Reaktionen Menschen auf erlebte Ungerechtigkeit zeigen In der Grundlagen-forschung betrachten wir vor allem Emotio-nen und Verhaltenstendenzen

Wie haumlngt die Psychologie der Gerechtigkeit mit der Konfliktforschung zusammen

Die Ausgangsuumlberlegung ist dass wenn Auseinandersetzungen eskalieren meist Ge-rechtigkeitsempfindungen oder das Empfin-den von Ungerechtigkeit gegeben sind Bei Konflikten wo dieses Empfinden nicht vor-handen ist ist eine Eskalation eher unwahr-scheinlich Wenn man aber den Eindruck hat dass legitime Interessen von anderen Partei-en boumlswillig verletzt oder missachtet werden zeigen Menschen starke emotionale Reakti-onen Diese Reaktionen wie Wut Aumlrger und Empoumlrung gehen einher mit der Tendenz die Ungerechtigkeit ausraumlumen zu wollen Das aumluszligert sich zum Teil in Racheaktionen die wiederum einen kompletten Prozess der Eskalation auf allen Seiten provozieren

Wie ist es mit dem Buumlrgerkrieg in Syrien oder dem Konflikt zwischen den Kurden und der

Terror-Organisation Islamischer Staat Dort muumlsste sich doch nur eine Partei ungerecht behandelt fuumlhlen

Nein das ist so nicht ganz richtig Es ist durchaus vorstellbar dass bei allen Seiten der Eindruck herrscht die eigene Positi-on sei gerechtfertigt Haumlufig werden ja auch houmlhere Werte wie der Glaube he-rangezogen Jemand der dieser Position widerspricht erscheint als unmoralisch oder ungerecht Neben den Emotionen aumlndern sich ebenfalls die Denkmuster der Beteiligten Man hinterfragt die eigene Position nicht mehr was durch eine hohe Emotionalitaumlt noch einmal unterstuumltzt wird Man schirmt seine eigene Positi-on quasi gegenuumlber alternativen Inter-pretationsmoumlglichkeiten ab Es werden Interpretationswege gewaumlhlt die die Emotion sowie das Gefuumlhl der Ungerech-tigkeit nochmals verstaumlrken Die Moumlg-lichkeit die Perspektive des Gegenuumlbers einzunehmen ndash Stichwort Empathie ndash wird geringer

Wie aumluszligert sich dasEin Beispiel dafuumlr waumlre die Dehumanisie-

rung der anderen Konfliktpartei Der Feind wird nicht mehr als individueller Mensch mit eigenen Rechten betrachtet sondern als Ratte oder Hund bezeichnet Das er-leichtert den Menschen Dinge zu tun die normalerweise nicht ihren moralischen Standards entsprechen wie im Extremfall andere umzubringen Das nennt sich in der Psychologie bdquomoral disengagementldquo also moralische Distanzierung

Austausch mit anderen Studierenden war es auf jeden Fall eine gute Erfahrungldquo stellt Knab fest Den groumlszligten Nutzen habe sie aus den Diskussionen mit anderen Studie-renden gezogen Als Beispiel nennt sie die Diskussion uumlber potenzielle Kooperationen zwischen verschiedenen Staaten in der Re-gion oder die Kooperation zwischen dem kurdischen Parlament und der irakischen Regierung bdquoOftmals ist dort ja nur schwer Zusammenarbeit moumlglich da die kurdi-schen Gebiete als eigenstaumlndiges Land von anderen Staaten wie dem Irak nicht aner-kannt werden Da stecken unter anderem viele historische und feindselige Motive dahinterldquo Aus der Empirie wisse man aber dass Kooperation unter bestimmten Um-staumlnden durchaus moumlglich sei bdquoDie Diskus-sionen innerhalb der Gruppe haben mich deshalb inspiriert im Rahmen meiner Mas-terarbeit mehr zur Kooperation auf Makro-ebene zu forschenldquo

In ihrer Masterarbeit versucht Knab des-halb internationale Beziehungen bzw die Kooperationsbereitschaft zwischen Diplo-maten zu verbessern indem sie psycholo-gische Theorien nutzt Da echte Di plomaten schwer fuumlr Versuche zu gewinnen sind moumlchte sie bei UN-Simulationen Workshops anbieten die auf Basis von psychologischen Theorien kollektives Handeln verbessern sollen Eine sehr anwendungsorientierte Arbeit die Knab durch ihre Reise begruumln-det bdquoDurch meine Erfahrungen war es mir nicht mehr genug nur Laborforschung zu machenldquo (dan)

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Sie untersuchen in Ihrer Forschung eine In-terventionsstrategie der Mediation die der emeritierte Psychologie-Professor Leo Mon-tada entwickelt hat Die Mediation ist ein Verfahren bei dem Konfliktparteien durch Unterstuumltzung einer dritten neutralen Par-tei ndash dem Mediator ndash zu einer gemeinsamen Vereinbarung gelangen Der Mediator trifft dabei keine eigenen Entscheidungen bezuumlg-lich des Konflikts sondern ist lediglich fuumlr die Struktur des Verfahrens verantwortlich Sie untersuchen die Mediation allerdings nicht auf internationaler Ebene sondern im univer-sitaumlren hochschulpolitischen Bereich Dabei gibt es keinen eigentlichen Mediator es wird vielmehr Informationsmaterial uumlber die Natur von Gerechtigkeitskonflikten an Konfliktpar-teien ausgegeben Inwieweit kann man Ihre Ergebnisse auf einen internationalen Kontext anwenden

Erst einmal haben unsere Ergebnisse gezeigt dass die Strategie von Montada durchaus Fruumlchte traumlgt Bei Montada sollen sich zwei oder mehrere Konfliktparteien an einen Tisch setzen und werden von einer dritten neutralen Partei bei den Gesprauml-chen unterstuumltzt bzw von ihr moderiert Die Strategie die er vorgeschlagen hat zielt spezifisch auf Gerechtigkeitsempfindung ab Obwohl wir in unserem Kontext mit dem Informationsmaterial eine sehr redu-zierte Version dieser Strategie angewendet haben bietet es einen ersten Anhaltspunkt dafuumlr dass die Strategie von Montada funk-tioniert Es besteht also Grund zur Hoffnung dass wenn ein Mediator diese Strategie in

einem echten heiszligen Konflikt verfolgt er dann auch erfolgreich sein kann

Was sind die groumlszligten Probleme die bei einer solchen Strategie auftauchen koumlnnen

Wenn man von einem einfacheren Fall ausgeht dann stellt sich die Frage inwie-weit Informationsmaterial wie wir es den Versuchspersonen gegeben haben ma-nipulativ wirkt Darf so etwas uumlberhaupt eingesetzt werden um jegliche Interessen durchzusetzen Auf der internationalen Ebene oder uumlberhaupt bei eskalierten Kon-flikten muss man sagen dass Mediation zur Deeskalation sehr viele Voraussetzungen braucht Zum Beispiel muumlssen die Konflikt-parteien uumlberhaupt erst bereit sein sich an einen gemeinsamen Tisch zu setzen Da ist Syrien ein gutes Beispiel dafuumlr dass es bis dahin ein sehr langer Weg ist

Wie sehen die generellen Voraussetzungen fuumlr eine erfolgreiche Mediation aus

Wie gerade angesprochen muumlssen die Konfliktparteien zunaumlchst bereit sein mitei-nander zu reden Der zweite Schritt ist die Einigung auf einen unparteilichen Dritten Das kann eine Person oder im internatio-nalen Kontext ein Land sein Eng verwoben damit ist natuumlrlich das beidseitige Vertrau-en in diesen neutralen Akteur Eine weitere wichtige Voraussetzung ist dass die Loumlsung nicht von vornherein feststehen darf Das bedeutet dass der Ausgang der Verhand-lungen offen sein muss Ob die Gespraumlche dann erfolgreich sind kann leider keiner sagen und haumlngt von vielen verschiedenen Faktoren ab (dan)

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

Auch die UN sieht in der Mediation ein Instrument zur Praumlvention und Loumlsung von Konflikten UN-Spitzenbeamte disktuierten am 23 Mai 2012 zum Thema bdquoThe Role of Member States in Mediationldquo

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Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

NeuLand Herr Professor Bermes gibt es eine einfache Antwort auf die Frage was Ge-rechtigkeit ist

Christian Bermes Eine einfache Antwort gibt es nicht Es gibt aber einen Zugang der die Sache vereinfacht Und dieser Zu-gang ist zunaumlchst begrifflicher Natur Wir sprechen heute allzu oft uumlber Gerechtigkeit und haben Strukturen Institutionen Vertei-lungsschluumlssel und vieles mehr im Blick Das ist auch wichtig aber eigentlich nur eine abgeleitete Form der Gerechtigkeit Die ei-gentliche Frage der Gerechtigkeit druumlckt sich in Ausdruumlcken aus wie etwa bdquoWie wer-de ich dieser oder jener Situation gerechtldquo Gerechtigkeit ist daher eine Haltung eines Menschen zu anderen Menschen Eine solche Form von Haltung bezeichnet man klassischerweise als Tugend Gerechtig-keit ist seit der Antike eine Kardinaltugend mit einer besonderen Stellung Denn sie bringt zum Ausdruck dass die Tugend der Gerechtigkeit das wichtigste Lebensmittel des Menschen ist mit anderen Menschen umzugehen

Also ist Gerechtigkeit wie ein Lebensmittel fuumlr ein gutes Miteinander

Fuumlr ein gerechtes Miteinander Menschen besitzen eigentlich nicht besonders viele Mittel um handelnd auf andere Menschen zuzugehen Wir koumlnnen andere bewegen indem wir sie von einem Ort zum anderen bringen wir koumlnnen lieben oder wir koumln-nen gerecht miteinander umgehen Josef Pieper bemerkte einmal uumlberall wo wir andere nicht lieben koumlnnen muumlssen wir gerecht sein Nun stellt sich die Frage wie man Gerechtigkeit weiter charakterisieren kann Neben der begrifflichen Seite dass Gerechtigkeit ein Lebensmittel des Men-schen im Umgang miteinander ist muumlssen

wir uns fragen Warum benoumltigen wir einen gerechten Umgang uumlberhaupt Seit der Antike weiszlig man dass die Knappheit der Guumlter uns zu einem Verhalten zwingt dass wir als gerecht kennzeichnen Begrenzt verfuumlgbare Guumlter wie Wasser Lebensmittel oder auch Zeit bilden die Grundlage dafuumlr warum Gerechtigkeit fuumlr uns so wichtig ist Ein dritter Aspekt der Uumlberlegung wie man Gerechtigkeit bestimmt besteht darin dass Gerechtigkeit in der alltaumlglichen Rhetorik oftmals schnell mit Gleichheit gleichgesetzt wird Von dieser Annahme haben sich schon Platon und Aristoteles distanziert Bestimm-te Formen der Gleichheit koumlnnen auch zu Ungerechtigkeit fuumlhren

InwiefernFolgendes Beispiel Sie haben zwei Kinder

Ein Kind ist durch einen Ungluumlcksfall in eine hochprekaumlre koumlrperliche Lage gekommen kann seinen Lebensweg nicht eigenstaumlndig weitergehen und sich nicht so entwickeln wie man es erwarten koumlnnte Das andere Kind ist gesund und daruumlber hinaus beruf-lich gut situiert Jetzt kommen Sie in die Si-tuation beispielsweise bei einer Erbschaft das Vermoumlgen zu verteilen Welche Vertei-lung ist gerecht Wenn man das Vermoumlgen arithmetisch gleich verteilt merken wir so-fort dass hier etwas nicht stimmt Da zeigt sich recht deutlich dass bezogen auf die gleiche Verteilung von Guumltern diese Form von Gleichheit zuerst einmal unserer Ge-rechtigkeitsintuition widerspricht

Also gibt es keine einfache Formel fuumlr Ge-rechtigkeit Es ist ja doch Ermessenssache hellip

Doch es gibt eine Formel fuumlr Gerechtig-keit Bei Platon heiszligt es dass es gerecht sei wenn jeder das ihm Zukommende oder das ihm Gebuumlhrende erhalte Das ist die aumll-teste Charakterisierung der Gerechtigkeit

die Philosophie nennt dies die Idiopragie-formel Natuumlrlich kann es problematisch werden zu bestimmen was das jeweils sbquoihm Gebuumlhrendersquo ist aber das bedeutet nicht dass diese Formel falsch ist Auch steckt in der Formel etwas das zur Gerechtigkeit ganz grundsaumltzlich gehoumlrt Den anderen als anderen anzuerkennen Dass der andere nicht ich bin ich mich nicht an seine Stel-le setze und dass der andere nicht irgend-etwas ist sondern jemand der bestimmte Empfindungen Beduumlrfnisse Wuumlnsche hat und zwar seine nicht meine Hinter dieser Formel steckt also mehr als man auf den ersten Blick vermutet

Aber ist Gerechtigkeit oder gerechtes Emp-finden nicht immer auch subjektiv

Nein Sicherlich gibt es so etwas wie eine Gerechtigkeitsintuition Bei der Gerech-tigkeit fragt man jedoch nicht um wessen subjektive Wuumlnsche Empfindungen oder Beduumlrfnisse es sich handelt sondern da-nach welche Wuumlnsche Empfindungen oder Interessen mit Blick auf die Person hier eine Rolle spielen In diesem Sinne hat Gerech-tigkeit etwas mit dem Recht zu tun zu dem Unparteilichkeit gehoumlrt So wird Justitia mit verbundenen Augen dargestellt und urteilt unabhaumlngig von subjektiven Interessen Stimmungen und Launen Mit Blick auf die Gerechtigkeit heiszligt dies dass wir unabhaumln-gig von bloszlig subjektiven Empfindungen bloszlig subjektiven Interessen urteilen Wir merken dies auch sofort wenn jemand Ge-rechtigkeit fordert aber nur sich selbst und seinen eigenen Vorteil im Blick hat

Hat Gerechtigkeit aber vielleicht etwas mit moralischem Empfinden zu tun

Das Beispiel mit den zwei Kindern die be-zogen auf das Vermoumlgen ungleich situiert sind zeigt ganz deutlich Wuumlrden die Eltern

Gerechtigkeit ist eine HaltungUumlber Gerechtigkeit wird viel gesprochen Doch was ist Gerechtigkeit uumlberhaupt Welche

Rolle spielt sie im Leben Und legitimiert sie Protest NeuLand sprach mit Philosophiepro-

fessor Dr Christian Bermes

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das Vermoumlgen nur arithmetisch gleich ver-teilen wuumlrde man sagen da stimmt etwas nicht Insofern gibt es so etwas wie ein mo-ralisches Empfinden Aber jetzt faumlngt das Denken an man muss sich fragen warum stimmt hier etwas nicht Das hat mit dem Empfinden nichts mehr zu tun sondern mit Begruumlndung und Rechtfertigung

Hat Gerechtigkeit etwas mit Naumlhe und Dis-tanz zu tun Bei mir nahe stehenden Men-schen faumlllt es mir bei einer Verteilungsfrage sicherlich einfach zu sagen da stimmt etwas nicht Es gibt aber auf der Welt Klimakata-strophen Hungersnoumlte Das ist eine unge-rechte Verteilung von Leid Und trotzdem koumlnnen wir verhaumlltnismaumlszligig unbeschwert hier ein sorgenfreies Leben fuumlhren aumlndern vielleicht auch nichts an unserem Lebens-wandel Schwindet unser Gerechtigkeitssinn mit zunehmender Distanz

Das ist nicht ganz einfach Nicht uumlberall wo ungleiche Lebensverhaumlltnisse herr-schen muumlssen wir auf Gerechtigkeit re-kurrieren Da spielen eher andere wichtige Konzepte eine Rolle wie beispielsweise Solidaritaumlt So hat beispielsweise unser Verhalten gegenuumlber den durch Ebola In-fizierten in einigen afrikanischen Staaten ganz sicher etwas mit Solidaritaumlt zu tun Zur Frage bezuumlglich Naumlhe und Distanz Die Gerechtigkeitsfrage stellt sich wenn es zu-mindest eine relative Distanz zwischen den Akteuren gibt Die bereits oben zitierte Be-merkung von Pieper man muss da gerecht sein wo man nicht lieben kann bringt das relativ deutlich zum Ausdruck In Verhaumllt-nissen die wir durch Sympathie Liebe und Zuneigung beschreiben stellt sich viel-leicht gar nicht die Frage der Gerechtigkeit Aber in Verhaumlltnissen in denen Distanzen in sozialen Ordnungen geregelt werden

wie etwa im Beruf in Vereinen oder in Nachbarschaften stellen sich Gerechtig-keitsfragen So auch natuumlrlich im Verhaumlltnis von Dozenten zu ihren Studierenden stellt sich bezuumlglich der Beurteilung der Leistun-gen eine Gerechtigkeitsfrage Studenten haben selbstverstaumlndlich ein Recht drauf bei der Bewertung gerecht behandelt zu werden also unabhaumlngig von subjektiven oder fremden Faktoren

Gibt es einen Anspruch auf GerechtigkeitJa das kann man sagen Uumlberall wo Men-

schen in Situationen oder sozialen Ord-nungen seien es berufliche oder andere miteinander zu tun haben stellt sich dieser Anspruch Wie in dem Beispiel der korrekten Beurteilung studentischer Leistungen

bdquoEs scheint ein Zeichen unserer Zeit zu sein Gerechtigkeit uumlberall zu suchen nur nicht bei sich selbstldquo

Wer ist verantwortlich fuumlr Gerechtigkeit Je-der selbst Der Staat Die Gesellschaft

Zuerst einmal als Tugend jeder einzel-ne selbst und damit wir alle Es scheint ein Zeichen unserer Zeit zu sein Gerechtigkeit uumlberall zu suchen nur nicht bei sich selbst Dahinter verbirgt sich etwas voumlllig Proble-matisches naumlmlich der Wunsch dass man Gerechtigkeit delegieren koumlnne Das kann man nicht oder zumindest kann man sich nicht gaumlnzlich von ihr entlasten weil die Gerechtigkeit als Tugend eine Haltung zu

etwas naumlmlich zu anderen ist Wenn man denkt man koumlnne das delegieren laumluft man Gefahr selbst ungerecht zu werden da man seine Haltung zu anderen aufs Spiel setzt

Also muss ich fuumlr Gerechtigkeit immer bei mir selbst anfangen

Nicht umsonst ist die Gerechtigkeit bei Platon eine Form des Staates und der Seele

Sie rekurrieren immer wieder auf die Denker im Alten Griechenland Die Frage der Gerech-tigkeit scheint die Menschheit schon seit Jahr-tausenden zu beschaumlftigen Gab es uumlber die Zeit verschiedene Ansaumltze

Die Fragen nach Gerechtigkeit tauchen zu jeder Zeit immer wieder neu auf Das ist

Professor Dr Christian Bermes hellip

hellip lehrt Philosophie am Campus Landau und ist Sprecher der Graduiertenschule bdquoHerausforderung Lebenldquo sowie des Forschungsschwerpunktes bdquoKulturelle Orientierung und normative Bindungldquo Seine Forschungsschwerpunkte sind Philosophische Anthropologie und Ethik Sprachphilosophie und Erkenntnistheorie

Nutzen und Folgen des Internets

Wie urteilt man gerecht Unabhaumlngig von subjektiven Empfindungen und Interessen mit gefuumlhlt verbundenen Augen wie Justitia

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Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

auch nicht verwunderlich da es ja um uns geht und die Frage wie wir unser Leben fuumlhren Die Philosophie ist es die diese Fra-gen immer aufgreift und die damit verbun-denen Probleme rationalisiert aber auch objektiviert Allzu schnell neigt man dazu entweder Gerechtigkeit als beliebig oder alleine bezogen auf unser Empfinden oder die soziale Ordnung zu deuten Das war in der Antike nicht anders als heute Dement-sprechend beginnt ein groszliger Zweig der Philosophie mit der Gerechtigkeitsfrage Das klassische Buch Platons die bdquoPolitealdquo heiszligt im Untertitel bdquoUumlber die Gerechtigkeitldquo Sieht man Platon als einen der Stammvaumlter der Philosophie dann beginnt mit der Ge-rechtigkeitsfrage eine bedeutende Traditi-on der Philosophie

Ist Gerechtigkeit ein KulturbegriffWenn Gerechtigkeit so verstanden wird

dass es eine spezifische Haltung von Men-schen zu Menschen ist eine bestimmte Form wie Menschen ihr Leben miteinan-der fuumlhren und gestalten dann finden wir uumlberall wo es Menschen gibt die Frage nach der Gerechtigkeit Ich wuumlrde sogar so weit gehen dass die platonische Definition der Gerechtigkeit dass jedem das ihm Ge-buumlhrende zukomme uumlberkulturell Geltung beanspruchen kann Dabei kann die spezifi-sche Organisation dieses Prinzips kulturrela-tiv sein Aber das Konzept der Gerechtigkeit das aus der Antike kommt scheint mir kul-turuumlbergreifend Guumlltigkeit beanspruchen zu koumlnnen weil es auf den Menschen in sei-ner Lebensfuumlhrung rekurriert

bdquoEine gerechte Welt Es koumlnnte sein dass man sich mit diesem Anspruch ein wenig uumlberhebtldquo

In juumlngster Vergangenheit gab es viele Be-wegungen bei denen Menschen fuumlr ihre Rech-te und Gerechtigkeit auf die Straszlige gegangen sind auch in Laumlndern in denen man so etwas gar nicht fuumlr moumlglich gehalten haumltte siehe die Laumlnder des Arabischen Fruumlhlings oder die Ukraine Inwieweit vertraumlgt sich Gerechtigkeit mit Demonstrationen besonders wenn Ge-waltausschreitungen im Spiel sind

Das ist eine zwicklige Frage Das Problem in diesen Laumlndern war oder ist dass dieje-

nigen die Macht haben oder hatten diese ungerecht ausgeuumlbt haben Aufgrund sol-cher ungerechter Machtausuumlbung gibt es das Recht des Protestes dagegen also ein Widerstandsrecht Dadurch wird aber nicht gesagt dass jeder Protest selbst gerecht ist

Welche Zutaten braumluchte es fuumlr eine gerech-te Welt Kann es die uumlberhaupt geben oder ist der Wunsch danach eine Utopie

Es kann so etwas wie eine rechtsfoumlrmige Welt geben etwa das was man mit groszligen voumllkerrechtlich abgesicherten Institutionen wie etwa der UNO in Verbindung bringt Dies ist nicht nur wuumlnschenswert sondern auch vernuumlnftig Eine gerechte Welt Es koumlnnte sein dass man sich mit diesem An-spruch ein wenig uumlberhebt Man sieht ja heute dass bereits die Frage nach Rechts-foumlrmigkeit und Rechtskonformitaumlt in inter-nationalen Beziehungen schwierig ist Wie verhaumllt man sich wenn eine Nation trotz geschlossener Vertraumlge in ein anderes Land einmarschiert Hier ist also noch einiges zu tun Eine gerechte Welt jedoch wuumlrde voraussetzen dass jeder von uns zu allen anderen in Handlungssituationen oder sozi-alen Ordnungen der Kooperation steht Das scheint mir nicht nur utopisch das scheint eher irreal

bdquoGerechtigkeit ist nicht so schwer wie man vielleicht denken magldquo

Inwieweit spielt bei der Gerechtigkeit das Gewissen mit Kann ich mir durch Spenden ein gutes Gewissen erkaufen zur Gerechtig-keit beigetragen zu haben

Das Gewissen ist nicht ganz unerheblich aber auch hier wuumlrde ich die Gerechtigkeit zuerst auszligen vor lassen Wenn es beispiels-weise eine Wertvorstellung in meinem Leben ist dass durch Not Getroffenen ge-holfen wird dann faumlllt dies unter das Soli-daritaumltsprinzip Und wenn diese Vorstellung zu meinem Leben gehoumlrt dann verpflichtet mich mein Gewissen meine Wertvorstel-lung zu behalten und nicht einfach von ihr abzuweichen Dann ist es auch sinnvoll zu sagen dass ich meinem Gewissen folge wenn ich anderen oumlkonomisch helfe zum Beispiel durch Spenden Die Gerechtigkeit ist dann allerdings kein direktes Thema Es geht hier nicht um gerecht oder ungerecht

sondern dass zu meinem Wertkosmos die Unterstuumltzung von Menschen gehoumlrt die in Not geraten sind

Inwieweit versuchen Sie selbst Gerechtigkeit zu leben

So wie alle anderen auch Vielleicht be-steht der Unterschied darin dass Philoso-phen darauf reflektieren und ein groszliges Repertoire an begrifflichen und logischen Mitteln besitzen die Handlungen zu ana-lysieren Gerechtigkeit ist nicht so schwer wie man vielleicht denken mag In den aller-meisten Faumlllen praktizieren wir fortwaumlhrend Gerechtigkeit im Umgang untereinander Uns faumlllt es meistens nur auf wenn etwas schieflaumluft Sicherlich gibt es kompliziertere Situationen in denen man nach den Prinzi-pien der Gerechtigkeit fragen und daruumlber nachdenken muss um sie zu klaumlren

bdquoWas wir als gerecht empfinden und was nicht lernen wir im Umgang miteinander in unserer Praxisldquo

Wird dem Menschen ein Gerechtigkeitsemp-finden schon in die Wiege gelegt

Was wir als gerecht empfinden und was nicht lernen wir im Umgang miteinander in unserer Praxis Angeboren ist es nicht aber wir lernen es in unserem Einfaumldeln in unseren gemeinschaftlichen Umgang oder mit den vielfaumlltigen Handlungsspielen in denen wir verstrickt sind Ein einfaches Bei-spiel Eine Familie hat zwei Kinder das eine ist 17 das andere ist 9 Das 17-jaumlhrige Kind darf abends laumlnger lesen oder ausgehen Das 9-jaumlhrige Kind fragt Warum ich nicht Nun weil es nicht das Richtige fuumlr das Kind in dieser Situation ist Diese Entscheidung wird Konflikte bringen aber wir lernen im Umgang mit solchen Praktiken Gerechtig-keit kennen Wir lernen uumlbrigens in diesem Fall auch dass ungleiche Behandlung nicht gleichbedeutend ist mit Ungerechtigkeit Ich wuumlrde daher nicht sagen dass Gerech-tigkeit angeboren aber tief in unserem menschlichen Miteinander verankert ist sonst koumlnnten wir unser Leben nicht fuumlhren

Herr Professor Bermes herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch (ket)

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bdquoPussy Riot stoumlrt SehordnungenldquoPolitischer Protest braucht Aufmerksamkeit Soziale Bewegungen setzen daher

auf gute Inszenierungen um wahrgenommen zu werden Wie wird aumlsthetische

Kommunikation zum Mittel des Protests Und sind diese Inszenierungen ein

Phaumlnomen der modernen Mediengesellschaft NeuLand hat bei Kunstwissenschaft

und Soziologie nachgefragt

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Das Krisenexperiment ist eine soziolo-gische Methode mit der soziale Normen aufgedeckt werden koumlnnen die Akteuren nicht bewusst sind Das geschieht durch die absichtliche Missachtung von Ritualen Be-obachtet man wie die Menschen reagieren wenn ihre Wirklichkeit nicht wie gewohnt funktioniert zeigen sich unausgesproche-ne Uumlbereinkuumlnfte Soziologen sagen dann Hier werden Praktiken der impliziten Kon-struktion sozialer Wirklichkeit offenbar Durch die Reaktionen auf die Stoumlrung der Ordnung wird sichtbar wie die soziale Ord-nung konstruiert wird

In jeder sozialen Gruppe gibt es spezifi-sche Muster nach denen Dinge interpre-tiert werden Unterschiedliche Deutungen von Symbolen und Handlungen entschei-den uumlber Zugehoumlrigkeit und Abgrenzung Das erzeugt Realitaumlt und Wahrnehmung von Realitaumlt Diesen Mechanismus macht sich die Kunst des Performativen zunutze Ein Realitaumltsbruch wirft Fragen auf entfaltet womoumlglich Potenziale um die Ordnung zu aumlndern aber vor allem Er faumlllt auf und stellt somit Oumlffentlichkeit her

Die Kunstwissenschaft versteht dies als bdquoAktionskunstldquo ein kuumlnstlerischer Bereich der erst seit den 1960er Jahren praktiziert wird Bis dato hatte sich die Kunst bei Pro-testkultur eher auf die bildliche Darstellung als eine Illustration oder als eigenstaumlndige Anklage konzentriert Als Beispiel dient Dr Christoph Zuschlag Professor fuumlr Kunstge-schichte und Kunstvermittlung am Cam-pus Landau das Bild bdquoDie Freiheit fuumlhrt das Volkldquo von Delacroix aus dem Jahr 1830 das beruumlhmte Bild der barbusigen Marianne die ndash die Tricolore in der Hand ndash die Aufstaumln-dischen der Juli-Revolution anfuumlhrt Oder

auch Picassos bdquoGuernicaldquo (1937) bdquoEs waumlre fuumlr Picasso nicht denkbar gewesen in Spanien selbst auf die Barrikaden zu gehen und dies als Kunst zu deklarierenldquo sagt Zuschlag Doch bdquoAktionskuumlnstlerldquo tun genau dies set-zen waumlhrend der Aktion aumlsthetische Akzen-te bdquoEs sind Aktionen bei denen der Inhalt waumlhrend der Aktion auch gleich transpor-tiert wirdldquo Man schaut sich die Bilder nicht spaumlter im Museum an ndash sondern diese ge-schehen und wirken weitestgehend in Echt-zeit Schlieszliglich vergroumlszligert YouTube nur die Reichweite doch das Schneeballsystem startet schon mit dem ersten Beobachter auf der Straszlige

Aumlsthetik das bedeutet fuumlr den Kunsthis-toriker in diesem Zusammenhang all das was vom Menschen gestaltet wird was nicht nur eine funktionale sondern daruuml-ber hinaus eine gestalterische Komponen-te besitzt Ins Gruumlbeln kommt Zuschlag bei der Frage ob der legendaumlre Thesen-anschlag Martin Luthers Aktionskunst ge-wesen sei bdquoEs war ein hochsymbolischer und provokativer Akt das ja Aber Luther hat diesen Akt sicher nicht als Kunst schon gar nicht als Aktionskunst verstanden weil es dieses Phaumlnomen und den Begriff im 16 Jahrhundert noch gar nicht gabldquo Aber nicht zufaumlllig faumlllt der Thesenan-schlag in eine Zeit des medialen Wandels ndash schlieszliglich wurde nur ein knappes Jahr-hundert vorher der Buchdruck erfunden Flugblaumltter Pamphlete Kupferstiche und Holzschnitte praumlgten die Zeit bdquoMit der Er-findung des Rundfunks Ende des 19 Jahr-hunderts hat das natuumlrlich noch einmal ganz andere Dimensionen angenommenldquo so Zuschlag Die Aktionen wurden noch unmittelbarer transportiert

Ein medial erfolgreicher Realitaumltsbruch gelang der Gruppe Pussy Riot als sie im Februar 2012 den Altarraum der Christus-Erloumlser-Kathedrale in Moskau stuumlrmte ein Punk-Konzert inszenierte einige Aktivistin-nen vor dem Altar tanzten und respektlose Texte sangen Damit wollten sie gegen die enge Verbindung zwischen orthodoxer Kir-che und Putins System protestieren Ein von der Gruppe produziertes Video der Aktion wurde nach kurzer Zeit bei YouTube veroumlf-fentlicht Fuumlr ihren Auftritt verurteilte ein russisches Gericht drei beteiligte Frauen zu zwei Jahren Haft Das Video ging um die Welt und bescherte der Gruppe eine Solida-ritaumltswelle aus dem Westen

Symbole schaffen Verbindungen

bdquoPussy Riot stoumlrt Sehordnungenldquo sagt So-ziologin Marija Stanisavljevic ebenfalls am Campus Landau taumltig Sie untersucht wie aumlsthetische Kommunikation zum Mittel des Protests werden kann Aumlsthetik versteht sie als eine bdquoArt und Weise wie soziale Phaumlno-mene zum Vorschein gebracht werdenldquo und konzentriert sich dabei insbesondere auf Symbole in Bildern bdquoSymbole sind un-glaublich wichtig Sie schaffen Verbindun-gen zwischen verschiedenen Menschen Sie lassen unterschiedliche Deutungen zu und koumlnnen Gemeinschaft stiftenldquo Dass Pussy Riot vor allem im Westen erfolgreich sind liegt fuumlr Stanisavljevic an westlichen Sehordnungen Das russische System sei konservativ streng und autoritaumlr Pussy Riot seien bunt laut und punkig Sie bieten eine

Die fuumlr den Comic bdquoV for Vendettaldquo gezeichnete Guy-Fawkes-Maske trugen zunaumlchst Aktivisten der Anonymous-Bewegung Waumlhrend der Occupy-Proteste wurde sie auch international sichtbar und entwickelte sich zum Protest-Symbol

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

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Alternative zum russischen politischen Sys-tem bdquoDahinter steht die westeuropaumlische Sehn sucht nach Demokratie in Russlandldquo Trifft der Protest auf andere Sehordnungen hat er auch andere Konsequenzen bdquoDer Pro-test war gegen das System in Russland ge-richtet Tatsaumlchlich hilft er vermutlich dem System die eigenen konservativen Positio-nen zu festigenldquo

Mit der Erforschung aumlsthetischer Protest-kommunikation anhand von Bildern ar-beitet Stanisavljevic in einem noch jungen Bereich der Soziologie bdquoDie Beschaumlftigung mit Bildern und bewegten Bildern ist fuumlr die Soziologie ein relativ neues Phaumlnomenldquo Fuumlhrte die steigende Bedeutung des Visuel-len in geistes- und kulturwissenschaftlichen Traditionen in den 90er Jahren zum bdquoiconic turnldquo ist eine bdquovisuelle Soziologieldquo kaum etabliert Fuumlr eine soziologische Perspektive auf Bilder und Filme muumlssen Methoden und Theorien angepasst und entwickelt werden bdquoBilder haben ihren eigenen Sinn sie brau-chen eigene Zugaumlnge und Methodenldquo sagt Stanisavljevic und versteht ihre Dissertation als einen Beitrag dazu

Fuumlr ihre Bildanalyse begegnet sie Protest-darstellungen zunaumlchst isoliert Den Kon-text um die Situation blendet sie aus und entwickelt moumlgliche Lesarten Anschlie-szligend vergleicht sie diese Uumlberlegungen mit dem vollstaumlndigen Kontextwissen um das Bild Mit dieser Analyse moumlglicher und tatsaumlchlicher Lesarten will Stanisavljevic aufdecken wie durch Bilder in unterschied-lichen Kontexten Realitaumlt erzeugt wird und welche Sehordnungen fuumlr die Deutung die-ser Bilder relevant sind

Dabei unterscheidet sie aumlsthetische Pro-testkommunikation von anderen aumlstheti-

schen Formen Der Kuumlnstler Ai Weiwei zum Beispiel kritisiert in seiner Arbeit das chine-sische System und erlebte wie Pussy Riot staatliche Eingriffe Aber so Stanisavljevic bdquodie massenmediale Rezeption zu Ai Weiwei findet im Feuilleton statt die zu Pussy Riot im Politik-Teilldquo So schaffe Ai Weiwei Kunst die auch politische Kunst sei aumlsthetisierter Protest hingegen sei Politik die sich aumlstheti-scher Mittel bediene Und doch ist dies der vorlaumlufige Houmlhepunkt einer Entwicklung Die Liaison zwischen Protest und Kunst fin-det nicht nur auf der Straszlige statt sondern auch in Ausstellungen und Museen So wur-de bei der Berlin Biennale 2013 der Occupy-Bewegung ein Raum gegeben den die Protestbewegung selbst gestalten durfte bdquoDas wurde sehr kritisiertldquo merkt Zuschlag an Occupy und Kunst Das war fuumlr viele dann doch zu progressiv

Gestoumlrte Sehordnungen ndashProduzierte Sehstoumlrungen

Protestkommunikation will ein groszliges Publikum erreichen bdquoUm in den Massen-medien aufzufallen und in Erinnerung zu bleiben muss sie sich von klassischen Pro-testformen abgrenzenldquo betont Stanisavlje-vic Demonstrationen Transparente und Straszligenschlachten sind demnach ein ge-wohntes Bild in der Berichterstattung Sie entsprechen Sehordnungen Aumlsthetisierte Protestformen unterscheiden sich davon Sie produzieren Sehstoumlrungen Dabei sind sie nicht nur Teil einer Bewegung sondern auch selbststaumlndiges mediales Produkt Das gilt auch fuumlr Erdem Guumlnduumlz Stumm und

regungslos stand er im Juni 2013 auf dem Taksim-Platz nachdem die Proteste rund um den Gezi-Park in Istanbul eskaliert wa-ren Der bdquoStanding Manldquo wurde zu einem Symbol des Protestes

Diese Aumlsthetisierung ist keine Erfindung der Pop-Kultur wie Kunstwissenschaftler Zuschlag weiszlig bdquoDie Nationalsozialisten zum Beispiel hatten ein hohes Maszlig an Aumlstheti-sierung in ihren Auftrittenldquo NSDAP und Pro-test bdquoWir sprechen natuumlrlich von den 1920er und fruumlhen 30er Jahren als die Nazis noch in der Opposition warenldquo Hakenkreuze braune Hemden rote Armbinden all diese Symbolik hatte einen praktischen Zweck bdquoSymbole sind reduzierte abstrakte Bil-derldquo erklaumlrt Zuschlag die Wirkung Es geht um aumlsthetische Praumlgnanz es geht darum Aufmerksamkeit zu generieren und zu er-halten Das Hakenkreuz als bdquoMarkeldquo Binnen von Sekundenbruchteilen wusste jeder wer dort aufmarschierte

Die aumlsthetische Inszenierung schafft eine hohe Aufmerksamkeit wenn sie die ge-wohnte Wirklichkeit stoumlrt Aber wird der Protest durch seine Aumlsthetisierung nicht auch Marke Ist das uumlberhaupt noch Protest oder bereits Marketing bdquoEine Bewegung will an die Macht oder die Macht uumlberwaumll-tigen und braucht dafuumlr Sympathisantenldquo stellt Soziologin Stanisavljevic fest Wie Werbung und PR muumlssen Protestler sich ab-grenzen und anderen signalisieren wofuumlr (oder wogegen) sie stehen Das gilt fuumlr Pro-testbewegungen ebenso wie fuumlr Unterneh-men NGOs Politiker und Oppositionelle Das Buhlen um Aufmerksamkeit zum For-mulieren ihrer Ziele ist allen gemein Dass die Methoden sich aumlhneln ergibt sich von selbst (bbkap)

In Russland verfolgt im Westen gefeiert Waumlhrend drei Aktivistinnen in Russland zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden erhielt die Gruppe Pussy Riot im Dezember 2012 den Sonderpreis des Musikpreises bdquo1 Live Kroneldquo

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

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Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

Wir koumlnnen uns alle noch an die Bilder von Stuttgart 21 erinnern wuumltende Buumlrger Hundertschaften an Polizisten und ein noch groumlszligerer Medienrummel Viel wurde uumlber die sogenannten bdquoWutbuumlrgerldquo diskutierthellip Aber was treibt Menschen ganz allgemein dazu fuumlr Sachen einzutreten und dafuumlr auf die Straszlige zu gehen

Tobias Rothmund ist Junior-Professor fuumlr politische Psychologie am Campus Landau und erforscht Protestverhalten In seiner Forschung geht es vor allem um die Mo-tivation von Menschen an einem Protest teilzunehmen Dabei muumlsse man erst in der Gerechtigkeitspsychologie nach Ant-worten suchen also was Menschen fuumlr gerecht oder ungerecht erachten wuumlrden erklaumlrt er bdquoEs gibt Protestverhalten das aus dem Gefuumlhl persoumlnlicher Benachtei-ligung motiviert ist und es gibt die Pro-testmotivation aus der Beobachtung der Benachteiligung andererldquo Rothmund er-gaumlnzt bdquoWenn jemand nicht das bekommt was er glaubt zu verdienen dann wird es als ungerecht wahrgenommen Unge-rechtigkeit kann man aber nicht nur aus der Opferperspektive betrachten sondern auch als Beobachter von Ungerechtigkeitldquo Als Beispiel nennt Roth mund Proteste an der Universitaumlt Dabei wuumlrde man sich zum Beispiel als Studierender direkt benach-teiligt fuumlhlen Als Dozent koumlnne man als Beobachter zustimmen und Studierende deshalb unterstuumltzen Trotzdem sei man nicht in der Rolle des Benachteiligten er-laumlutert Rothmund

In der Forschung gibt es nach Tobias Roth-mund drei groszlige Theorien um (politischen) Protest oder Protestverhalten zu erklaumlren Theorie der sozialen Gerechtigkeit soziale Identitaumltstheorie und Rational Choice-The-orie Diese seien allerdings nicht getrennt voneinander zu betrachten sondern inei-nander verschraumlnkt bdquoAusloumlser von Protest ist in der Regel ein Gefuumlhl der Benachteili-gungldquo verdeutlicht Rothmund Man koumlnne das haumlufig beobachten bei Tarifverhandlun-gen Ob sich jemand unzureichend bezahlt fuumlhle haumlnge nicht unbedingt vom absolu-ten Einkommen ab sondern mit wem sich die Personen und Gruppen vergleichen wuumlrden bdquoInsofern kann es selbst bei Per-sonen zum Gefuumlhl der Benachteiligung kommen die von anderen als sehr privile-giert wahrgenommen werdenldquo In der Psy-chologie wuumlrde man deshalb von relativer Deprivation sprechen ndash also das Gefuumlhl der Benachteiligung relativ zu einem gewissen Vergleichsstandard

Eine wichtige Rolle spielt auch das Kol-lektiv und die soziale Gruppe die sich als protestierende Gruppe versteht Rothmund fuumlgt an bdquoMan sieht in der Regel keine ein-zelnen Personen protestieren Protest geht gewoumlhnlich von sozialen Bewegungen ausldquo Beispiele dafuumlr waumlren die Anti-Atom-Bewegung oder Gewerkschaften bdquoOftmals schlieszligen sich Personen in sozialen Grup-pen zusammen um ein politisches Ziel zu erreichenldquo Wichtig fuumlr die Motivation sei ein Gefuumlhl des Zusammenhalts und fuumlr ein ge-meinsames Ziel einzustehen bdquoDesto groumlszliger

eine Protestbewegung ist desto eher ist sie auch ein Selbstlaumluferldquo konkretisiert Roth-mund Oft sei es so dass ein Protest erst eine kritische Masse erreicht haben muumlsse damit Buumlrger dabei sein wollen bdquoDie Pro-testbewegung fungiert hier als sinnstiften-de soziale Gruppeldquo

Der dritte Strang ist eher aus der Rational Choice-Theorie also dem rationalen Den-ken abgeleitet bdquoDie Bereitschaft zu protes-tieren haumlngt immer auch davon ab ob die Leute glauben dass es etwas bringt und ob sie mit dem Protest etwas erreichen koumln-nenldquo versichert Rothmund Das haumlnge auch stark von der Groumlszlige der Protestbewegung ab weil natuumlrlich eine groumlszligere Protestbe-wegung meist die Erwartung ausloumlse dass man mit dem Protest etwas erreichen koumln-ne Als Beispiel veranschaulicht Rothmund bdquoWenn zehn Leute in der Landauer Innen-stadt protestieren wuumlrde sich niemand da-fuumlr interessieren Wenn sie dagegen einen studentischen Protest mit 1000 Studieren-den organisieren dann waumlre sicherlich die Hoffnung bei jedem Teilnehmer groumlszliger damit etwas bewirken zu koumlnnenldquo Eine weitere Motivation koumlnne aber auch die Ak-tualitaumlt von Themen sein bdquoWenn ein Thema oder Projekt einen ungewissen Ausgang hat wird man wahrscheinlich eine groumlszligere Erwartung haben durch einen Protest oder eine Aktion etwas veraumlndern zu koumlnnen als wenn man weiszlig man steht mit seiner Mei-nung allein auf weiter Flurldquo

Tobias Rothmund erklaumlrt weiter dass sich Menschen darin unterscheiden wodurch

Protestbewegungen ndash Von Gerechtigkeit uumlber Kollektiv bis zur Rationalitaumlt

Stuttgart 21 Anti-Atom- oder Occupy-Bewegung ndash Leute gehen immer wieder auf die

Straszlige um fuumlr eine Sache einzutreten Aber woher kommt das Passend zu unserem

Schwerpunkt berichtet Junior-Professor Dr Tobias Rothmund wie die Psychologie im

Bereich Protestkultur forscht und warum Gerechtigkeit eine zentrale Rolle dabei spielt

13NeuLand 2014 03

sie zum Protest motiviert werden bdquoManche sind vielleicht rationaler und brauchen ein erreichbares Ziel andere moumlchten moumlgli-cherweise eher Teil einer Gruppe sein zu der ihr soziales Umfeld gehoumlrt Wieder an-dere sind besonders sensibel in Bezug auf Gerechtigkeit und Ungerechtigkeitldquo Man koumlnne diese oben angesprochenen drei Motivationen daher auch als Dimension fuumlr Persoumlnlichkeitseigenschaften verstehen die Menschen unterschiedlich stark moti-vieren koumlnnten

Der Wutbuumlrger von Stuttgart 21

Rothmund hat in diesem Jahr zusam-men mit den beiden Landauer Psycholo-gen Anna Baumert und Axel Zinkernagel einen wissenschaftlichen Artikel zu den durch Stuttgart 21 bekannt gewordenen bdquoWutbuumlrgernldquo publiziert bdquoWas wir bei Stutt-gart 21 untersucht haben betrifft vor allem die Dimension der Gerechtigkeitldquo erlaumlutert Rothmund Ausgehend von der generellen Annahme die bdquoWutbuumlrgerldquo seien eine kon-servative Personengruppe die in Stuttgart wohne sich vor allem um eigenen Besitz und egoistische Annehmlichkeiten sorge haben die drei Forscher bei einer Befragung Persoumlnlichkeitsmerkmale von Protestieren-den erfasst Dabei wollten sie die Persoumln-lichkeitsstruktur der Protestierenden besser verstehen Im Besonderen ging es ihnen um

die Frage inwiefern opfersensible Personen (also Menschen die sich selbst besonders leicht benachteiligt fuumlhlen) oder beobach-tersensible Personen (also Menschen die eher sensibel fuumlr die Benachteiligung ande-rer sind) eher protestierten Sie befragten zirka 1000 Buumlrger darunter Befuumlrworter Gegner und Unentschlossene von Stuttgart 21 Das Resultat bdquoLeute die opfersensibel sind haben gar nicht haumlufiger protestiert Das war interessanterweise genau umge-kehrt Es haben also eher Leute protestiert die sensibel dafuumlr sind dass andere benach-teiligt werdenldquo bemerkt Rothmund Das sei ein interessanter Befund da das eher darauf hindeuten wuumlrde dass Leute nicht nur ei-gennuumltzig fuumlr sich selbst engagiert sondern tatsaumlchlich fuumlr Mitbestimmung oder Ge-rechtigkeit in den Entscheidungsprozessen protestiert haumltten bdquoUnsere Ergebnisse ha-ben gezeigt dass die Leute die dort protes-tiert haben sich gegen ein intransparentes ungerechtes Verhalten der Autoritaumlten ge-wehrt haben und nicht gegen ihre eigene persoumlnliche Benachteiligungldquo verdeutlicht Rothmund

Auf die Frage ob zur Zeit eine Renaissance der Protestkultur vonstatten gehen wuumlrde stellt der Junior-Professor fest bdquoDas wird man erst spaumlter sagen koumlnnenldquo Eines wuumlr-de aber feststehen Durch das Internet sei die Organisation von Protesten sowie der Austausch von Informationen einfacher Da-durch wuumlrden Menschen viel schneller mo-bilisiert werden koumlnnen meint Rothmund(dan)

Wutbuumlrger

2010 kam zum ersten Mal das Schlagwort bdquoWutbuumlrgerldquoauf Gepraumlgt vom Spiegel-Journalisten Dirk Kurbjuweit beschreibt der Begriff eine vor-nehmlich aumlltere gebildetere und wohlhabende Personengruppe die sich mit Wut und Empoumlrung gegen politische Entscheidungstraumlger auflehnt

Demonstration auf dem Stuttgarter Schlossplatz am 18 Februar 2012

Literatur

Rothmund T Baumert A amp Zinkernagel A (2014) The German bdquoWutbuumlrgerldquo - How Justice Sensitivity Accounts for Individual Differences in Political Enga-gement Social Justice Research 27(1) 24-44

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Weiterbildung ist zentrales Thema fuumlr Claudia Ehrhardt Bei der Geschaumlftsfuumlhrerin der Arbeitsstelle der Weiterbildung der Wei-terbildenden (AWW) mit Sitz am Campus Landau laufen seit uumlber 14 Jahren die Faumlden der im Verein angeschlossenen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungseinrichtungen zusammen Fuumlr die Diplom-Paumldagogin sind die PIAAC-Ergeb-nisse ein eindeutiger Indikator dass bei der Grundbildung Erwachsener Handlungsbe-darf besteht Dass diese ndash ganz anders als die PISA-Ergebnisse ndash medial kaum aufgegriffen oder diskutiert wurden bilde den Stellen-wert der Weiterbildung in der Gesellschaft ab Dabei sind die dort getesteten Groumlszligen fuumlr ein erfolgreiches Arbeitsleben die Teilha-be an der heutigen Gesellschaft und die Pro-duktivitaumlt von Betrieben und Unternehmen bedeutsam

PIAAC (Programme for the International Assessment of Adult Competencies) ist die erste internationale Vergleichsstudie die zentrale Grundkompetenzen in der erwach-senen Bevoumllkerung beleuchtet Von Herbst 2011 bis Fruumlhjahr 2012 hat die Organisation fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Deutschland und uumlber 20 weiteren Laumlndern bei Erwachsenen im erwerbsfaumlhigen Alter von 16 bis 65 Jahren Lese- und alltagsmathematische Kompe-tenzen sowie technologiebasierte Problem-loumlsekompetenzen gemessen Das Ergebnis Deutschland liegt leicht unter dem OECD-Durchschnitt Allerdings schneiden juumlngere Erwachsene besser ab als aumlltere Vermutlich eine positive Folge der Bildungsanstrengun-gen nach PISA

PIAAC habe gezeigt dass auch im Erwach-senenalter gilt was fuumlr Schulkinder bittere Realitaumlt ist Das Bildungsniveau ist abhaumlngig von der Herkunftsfamilie bdquoWer uumlber keine gute Grundbildung verfuumlgt wird auch keine Weiterbildung machenldquo so Ehrhardt Und wer sich nicht weiterbildet faumlllt in der Ar-beitswelt zuruumlck Daher sei es erfreulich dass seit einigen Jahren verstaumlrkt in Projektfinan-zierungen im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung investiert werde so Ehrhardt

Moumlgliche Ruumlckschluumlsse aus den PIACC-Ergebnissen auf die Weiterbildung diskutier-ten Experten auf einer von Claudia Ehrhardt organisierten Fachtagung im Fruumlhjahr Der Tenor Die Professionalisierung der in der Weiterbildung taumltigen Paumldagogen Dozenten oder Trainer muss darauf setzen fuumlr die Ar-beit mit Bildungsverlierern entsprechend zu sensibilisieren ndash mit dem Ziel diesem abge-haumlngten Bereich eine Perspektive zu bieten Dieser Professionalisierungsaufgabe wird sich die AWW auch in Zukunft widmen

Weiterbildung ohne Raum und Zeit

Fuumlr die Arbeit des Zentrums fuumlr Fernstudi-en und Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) sieht Geschaumlftsfuumlhrer Dr Burkhard Lehmann aufgrund der PIACC-Ergebnisse keine unmit-telbaren Implikationen Denn die Teilnehmer der diversen Studiengang- und Kursangebo-te des ZFUW seien in der Regel die ohnehin bildungsaffinen Menschen die gewohnt sei-en sich zu qualifizieren Auf die Gruppe die

in PIAAC schlecht abgeschnitten habe seien die ZFUW-Bildungsangebote gar nicht zuge-schnitten

Das ZFUW hat als aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz seit uumlber 20 Jahren Erfahrung in der wissen-schaftlichen Weiterbildung bdquoWir haben uns mit dem Fernstudium und der Fernlehre fuumlr ein spezifisches Bildungsformat ent-schiedenldquo so Lehmann Denn dieses Format werde den Beduumlrfnissen der Bildungsinte-

Um die Kompetenzen Erwachsener beispielsweise im Lesen scheint es in Deutschland

nicht gut bestellt Das zumindest ist das Ergebnis der PIAAC-Studie Haben die Ergebnisse

Auswirkungen auf die Erwachsenenbildung NeuLand hat sich bei der Arbeitsstelle der

Weiterbildung der Weiterbildenden (AWW) und dem Zentrum fuumlr Fernstudien und

Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) erkundigt

Das ZFUW

Das Zentrum fuumlr Fernstudien und Universitaumlre Wei-terbildung (ZFUW) ist eine zentrale Einrichtung der Universitaumlt Koblenz-Landau Mit mehr als 21 Jahren Erfahrung ist das ZFUW die aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz Das ZFUW ist auf das Angebot postgradualer Fernstudien-gaumlnge spezialisiert veranstaltet daneben aber auch Weiterbildungen im Praumlsenzformat (z B Seminare)wwwuni-koblenz-landaudezfuw

Gute Grundbildung bedingt Weiterbildung

PIAAC-Studie

ressierten ohne Bindung an Raum und Zeit am meisten gerecht In Ballungsraumlumen wie Hamburg Muumlnchen oder Berlin wo sich die Kunden aus dem lokalen Umfeld akquirie-ren lassen funktionieren auch Praumlsenzan-gebote weiszlig Lehmann bdquoBefindet sich eine Einrichtung allerdings in einer Randlage operiert man besser auf der Ebene der Fern-lehre bei der die Organisation zum Teilneh-mer kommt und nicht der Teilnehmer zur Organisationldquo

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Nutzen und Folgen des Internets

Das Schnuumlren zeitgemaumlszliger Themen und Inhalte ist zentral um das ZFUW wettbe-werbsfaumlhig zu halten Derzeit unterhaumllt es die Programmbereiche Umwelt Energie und Management Expertise holt sich das ZFUW vorrangig aus den eigenen Reihen der Ko-

gogikldquo Damit sollen Lehrerinnen und Leh-rer fit gemacht werden fuumlr den schulischen Alltag in Zeiten der Inklusion bdquoDie Laumlnder stellen zwar den Finanzbedarf fuumlr Inklusion in der Schule allerdings fehlt eine profun-de Qualifizierung der Lehrkraumlfteldquo erklaumlrt Lehmann den Ansatz des neuen Weiterbil-dungsprogramms Mit einem Kooperati-onspartner bereitet das ZFUW ein weiteres Programm vor bdquoBusiness Communications and Rhetoricldquo

Weiterbildung heute so wichtig wie noch nie

Fuumlr das berufliche Weiterkommen ist Wei-terbildung heute so zentral wie noch nie bdquoDie Halbwertszeit des Wissens wird immer kuumlrzerldquo bekraumlftigt Claudia Ehrhardt Die PIAAC-Studie habe daher auch gezeigt wie wichtig Kompetenzaufbau -erhalt und -er-weiterung in der Berufswelt seien Die zahl-reichen Innovationswellen im beruflichen Kontext gerade im EDV- oder Produktions-kontext lassen den Bedarf an Weiterbildung kontinuierlich steigen versichert Burkhard Lehmann Warum Menschen letztendlich sich fuumlr eine Weiterbildung entscheiden da-fuumlr gebe es drei zentrale Gruumlnde Lehmann unterscheidet zwischen Selbstperfektionie-rern Tool-Suchern und Karriere- oder Ab-schlussorientierten Der ersten Gruppe liegt daran die eigene Persoumlnlichkeit weiterzu-entwickeln und sich fuumlr private Interessen mehr Wissen anzueignen Die Tool-Sucher erweitern gezielt ihre Kompetenzen um

Die AWW

Die Arbeitsstelle fuumlr die Weiterbildung der Weiterbil-denden (AWW) foumlrdert die Zusammenarbeit zwischen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungsorganisationen Der bundesweit einzigartige Verein ist eine wichtige Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis im Bereich der Weiterbildung Gegruumlndet wurde die AWW 1998 auf Initiative des Ministeriums fuumlr Bildung Wissenschaft Weiterbil-dung und Kultur Die AWW hat ihren Sitz in Landau und ist der Universitaumlt Koblenz-Landau angegliedert Unter dem Motto bdquoBesser lehren lernenldquo organisiert die AWW Workshops und Fachtagungen fuumlr Personen die in der Weiterbildung taumltig sind wwwaww-landaude

blenzer und Landauer Wissenschaftler bdquoWir arbeiten aber auch konsortialldquo so Lehmann bdquound halten somit ein bestimmtes Know-how vor das an den Standorten unserer Uni-versitaumlt nicht verfuumlgbar istldquo Selbst wenn die Flexibilitaumlt bestehe auch nicht einschlaumlgige Themen zu vertreten entwickele das ZFUW vornehmlich Angebote im Kernbereich der Universitaumlt Koblenz-Landau

Derzeit arbeiten Lehmann und sein Team an dem neuen Programm bdquoInklusionspaumlda-

berufliche Herausforderungen meistern zu koumlnnen Vertreter der dritten Gruppe tum-meln sich vorwiegend im akademischen Feld Da man fuumlr die Ausuumlbung bestimmter Funktionen im beruflichen Aufstieg meist Bescheinigungen uumlber entsprechendes Wissen oder Kompetenzen benoumltigt ori-entiert sich deren Weiterbildungsbedarf an Abschluumlssen

Entsprechend unterscheidet Lehmann auch zwischen drei Weiterbildungsberei-chen die klassische die betriebliche und die wissenschaftliche Weiterbildung Die klassische Weiterbildung wird beispiels-weise von Volkshochschulen betrieben und richtet sich an ein breites Publikum Im betrieblichen Kontext sollen Arbeitnehmer ihre Kompetenzen erweitern und ihr Wissen erhoumlhen beispielsweise wenn Vertriebs-mitarbeiter im Umgang mit einem neuen Produkt geschult werden muumlssen oder eine neue Software im Unternehmen eingefuumlhrt wird Die wissenschaftliche Weiterbildung ermoumlglicht akademisch vorqualifiziertem Personal sich auf neue Aufgaben etwa als Fuumlhrungskraft vorzubereiten

Die Zeiten in denen Lernen mit dem Verlassen der Schule dem Abschluss der Ausbildung oder dem Universitaumltsexamen beendet war sind definitiv vorbei Wer im Berufsleben bestehen will wird um regel-maumlszligige Weiterqualifizierung nicht umhin kommen PIACC soll in einem Rhythmus von zehn Jahren wiederholt werden um ein Laumlngsschnitt-Bild der Entwicklung zu er-halten Man darf gespannt sein wohin sich die Kompetenzen deutscher Erwerbstaumltiger entwickeln (ket)

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Sprachbedrohung und Sprachentod

Sprachbedrohung und Sprachentod sind ein weltweites Phaumlnomen Linguisten ge-hen davon aus dass etwa alle zwei Wochen eine Sprache stirbt In 100 Jahren so schaumlt-zen Sprachforscher werden im besten Fall noch die Haumllfte dieser Sprachen existieren vielleicht aber auch nur noch zehn Prozent von ihnen Waumlhrend die 20 groumlszligten der zir-ka 6800 lebenden Sprachen von der Haumllfte der Weltbevoumllkerung gesprochen werden weisen die meisten Sprachen eine Gemein-schaft von nur wenigen hundert oder tau-send Sprechern auf Von bevorstehendem Sprachentod spricht man wenn eine Spra-che aufhoumlrt Muttersprache oder Erstspra-che zu sein ndash also dann wenn sie nur noch sekundaumlr erlernt wird und damit die noumltige Sprachpflege verliert Der endguumlltige Tod tritt ein wenn es keine Sprecher mehr gibt

Sprachbedrohung und Sprachentod fin-den auf allen Kontinenten statt und neh-men ein immer schnelleres Tempo auf je weiter die Globalisierung voranschreitet Viele andere Faktoren wie unter anderem starke Migrationsbewegungen Zuwande-rung und Urbanisierung sowie ein hohes Alter der Sprecher oder die geringe wirt-schaftliche Staumlrke einer Sprache wirken zudem auf den Sprachbestand ein Stark gefaumlhrdete Sprachen sind vor allem in den Regionen Nord- und Suumldamerika Austra-lien Asien Westafrika und in Nord- und Ostsibirien vorzufinden In diesen Regio-nen kommt es zur massiven Verletzung von Sprachenrechten

Anglistik-Professor Dr Martin Puumltz ist Linguist und beschaumlftigt sich mit Sprache und ihren vielfaumlltigen sozialen kulturel-len und psychologischen Auspraumlgungen Zusammen mit seiner Kollegin Dr Monika Reif hat er im Fruumlhjahr 2014 das 36 Interna-tionale LAUD Symposium organisiert das sich rund um das Thema Sprachbedrohung und Sprachentod drehte (siehe Infokasten) Puumltz erklaumlrt Sprache sei relevant da sie ein einzigartiger Schatz an Wissen Ideen und Weltansichten sei bdquoMit den fast 7000

Bevor sie verstummen hellipWeltweit existieren etwa 6800 Sprachen doch die Vielfalt nimmt rasant ab Was

bedeutet es wenn Sprachen sterben Was bleibt von einer Kultur uumlbrig wenn ihre Art

die Welt zu beschreiben wegfaumlllt und die Urahnen verstummen

Sprachen auf unserer Welt gibt es auch fast 7000 Arten die Welt auf unterschiedliche Art wahrzunehmen und sie zu beschreibenldquo erlaumlutert der Linguist Beispielsweise haben einige Sprachen der Ureinwohner Amerikas ein komplett anderes Zeitsystem Dinge in der Zukunft oder Vergangenheit auszudruuml-cken gehe in diesen Sprachen nicht mit den uns bekannten grammatikalischen Moumlg-lichkeiten

Sprache ist also nicht nur ein Mittel der Kommunikation sondern bietet einen tiefen Einblick in die Einstellungen und Wahrnehmungen gegenuumlber der Welt kon-serviert Traditionen und Geschichte einer Kultur und gibt einzigartiges Wissen an die naumlchste Generation weiter beispielsweise uumlber Heilmittel und Pflanzen aber auch Ge-fuumlhle Spiritualitaumlt und soziale Einsichten Es gibt so etwas wie eine kulturelle Identitaumlt und die wird maszliggeblich von Sprache ge-praumlgt Warum aber verschwinden so viele Sprachen von der Bildflaumlche Natuumlrlich gibt es viele aumluszligere Umstaumlnde warum Sprachen ihre Sprecher verlieren Gerade in der Kolo-nialzeit haben die Besatzer eine Vielzahl an Sprachen marginalisiert und unterdruumlckt teilweise wurden ganze Voumllker durch Krieg vernichtet z B durch die Kolonialisierung und Besiedlung Nord- und Suumldamerikas die Ausrottung indigener Voumllker in Australi-en oder durch die im 17 Jahrhundert einset-zende Russifizierungspolitik in Osteuropa im Kaukasus und in Sibirien Auch Natur-katastrophen wie Erdbeben oder Vulkan-ausbruumlche koumlnnen stark regional gepraumlgte Sprachen toumlten

Auch wenn Sprachwissenschaftler versu-chen bedrohte Sprachen durch Aufzeich-nung Uumlbersetzung sowie die Bewahrung und Verbreitung von Sprachaufzeichnun-gen zu dokumentieren erwecken sie diese dadurch nicht mehr zum Leben Mit No-tizbloumlcken und Aufnahmegeraumlten kann man zwar einen Teil des Wortschatzes der Grammatik und Aussprache festhalten in geringerem Maszlige jedoch Redewendungen

Gebraumluche und Beschreibungsmodelle fuumlr die Welt einfangen Nur wer eine Sprache muttersprachlich spricht kann ihre zahlrei-chen Facetten begreifen Sprachrevitalisie-rung gelingt nur in den seltensten Faumlllen Gegluumlckt ist dies beispielsweise beim mo-dernen Hebraumlisch Iwrith genannt das er-folgreich wiederbelebt und zur offiziellen Amtssprache Israels erhoben wurde Zu-meist ist der Sprachtod aber unwiderruflich

In aktuellen Faumlllen der Sprachbedrohung liege das Problem haumlufig nicht an der Um-welt sondern an anderer Stelle erklaumlrt Puumltz Wer einer Minderheitensprache maumlchtig ist hat oftmals das Gefuumlhl damit auf dem Bildungsweg oder im Berufsleben schlech-tere Chancen zu haben Eltern bestehen daher oft darauf dass ihre Kinder die indi-gene Sprache vernachlaumlssigen und statt-dessen eine dominante und wirtschaftlich starke Sprache wie Englisch Spanisch oder Franzoumlsisch zuerst erlernen bdquoSie geben da-mit eine verstaumlrkt negative Einstellung zur Muttersprache an die naumlchste Generation weiterldquo verdeutlicht Puumltz die Problemlage Der Globalisierungseffekt ist somit nicht zu unterschaumltzen denn waumlhrend z B das Eng-lische immer dominanter wird nimmt die Geringschaumltzung und damit einhergehende Vernachlaumlssigung indigener Sprachen wei-ter zu Um den Sprachentod aufzuhalten benoumltigt es also weniger Dokumentation als vielmehr eine grundlegende Aumlnderung der Einstellung zu Minderheitensprachen und indigenen Sprachen (rst)

Linguistic Agency University of DuisburgTrierLandau (LAUD)

Seit 1973 finden unter diesem Namen alle zwei Jahre Konferenzen zum Thema Sprache statt ndash zunaumlchst in Trier und Duisburg und seit 2000 in Landau Das 36 LAUD Symposium wurde im Fruumlhjahr 2014 zum Thema bedrohte Sprachen und Sprachentod veranstaltet Uumlber 90 Teilnehmer aus 25 Laumlndern besuchten die Veranstaltung

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Kinder- und Jugendhospitzarbeit

Wie lassen sich die Arbeit und das Zu-sammenleben in Kinder- und Jugendhos-pizen verbessern Wie werden Kinder und Jugendliche wirkungsvoll begleitet die an einer unheilbaren Krankheit leiden oder die einen Trauerfall in der Familie verar-beiten muumlssen bdquoBislang konnten sich die Einrichtungen ausschlieszliglich durch ein Qua-litaumltssiegel bewerten lassenldquo sagt Sven Jen-nessen Das bedeute harte generalisierte Bewertungsfaktoren bdquoDabei unterscheiden sich die Einrichtungen teilweise gravierendldquo So sei etwa die Nachfrage nach tuumlrkischer Sprachkompetenz in einigen Einrichtungen zwar sehr hoch ndash es gebe aber auch Einrich-tungen bei denen der Bedarf schlicht nicht erkennbar sei Hier muumlsse man individuell auf die Beduumlrfnisse der Einrichtungen der Mitarbeiter der Kinder und Jugendlichen sowie der Familien eingehen Fuumlr Jennessen ist dies nur eines von vielen Beispielen bei dem sich die Schwaumlche starrer Bewertungs-

kriterien zeigt Immerhin muumlsse gerade in diesem sensiblen Bereich der Mensch im Mittelpunkt stehen ndash und keine Checkliste

Deshalb ist der Qualitaumltsindex fuumlr Kin-der- und Jugendhospizarbeit QuinK auch bdquoandersldquo Der Fokus liegt nicht nur auf den Antworten sondern auch auf der Kom-munikation zwischen den Beteiligten also zwischen haupt- und ehrenamtlichen Mit-arbeitern mit Eltern Kindern und auch Geschwistern bdquoNachhaltige Qualitaumltsent-wicklung funktioniert nur durch Kommuni-kation aller Beteiligtenldquo so der Ansatz von Sven Jennessen Und damit sind auch die Juumlngsten gemeint bdquoWir sehen die Kinder als Experten in eigener Sache anldquo erklaumlrt Stefanie Hurth Gerade die Einbeziehung der Geschwister stelle derzeit bei vielen Einrichtungen ein Problem dar Denn die muumlssten bei einer todbringenden Krank-heit der Schwester oder des Bruders haumlufig zuruumlckstecken Nur selten bleibe das ohne

Konflikte wodurch sie im schlimmsten Fall die Moumlglichkeit versaumlumten sich von ihren Geschwistern zu verabschieden bdquoHier gibt es kein Schema F Viel wichtiger ist dass die Betroffenen sich austauschen die Themen aufgreifen und dann Loumlsungen entwickelnldquo sagt Hurth

Der QuinK soll durch seine zur Reflexion anregenden Fragen diese Kommunikati-on ermoumlglichen und eine Art Diskussions-Agenda darstellen Daher wurde QuinK in den vergangenen Monaten in drei stationauml-ren Kinder- und Jugendhospizen und zwei ambulanten Kinderhospizdiensten getes-tet Jennessen und Hurth besuchten die Einrichtungen in Unna Duumlsseldorf Syke Darmstadt und Wiesbaden regelmaumlszligig bdquoDer QuinK ist nicht am gruumlnen Tisch ent-standenldquo sagt Sven Jennessen

Das Team aus Landauer Wissenschaftlern wurde unterstuumltzt vom Deutschen Hospiz- und Palliativverband (DHPV) Mit diesem zusammen wurden zwoumllf Grundsaumltze fuumlr die Arbeit von Kinder- und Jugendhospizen verfasst Das seien komplexe Themen von der Betreuung der Kinder bis zur Oumlffentlich-keitsarbeit fuumlr die jeweils ein aus den drei Kategorien Haltung Strukturen und Prak-tiken bestehender Fragebogen entstan-den ist bdquoEinige Fragen die wir als wichtig erachtet hatten wurden in der Praxis nicht angenommen Andere wiederum haben wir ergaumlnzt Jetzt ist der QuinK fitldquo ist Stefanie Hurth stolz auf das Ergebnis Und Sven Jen-nessen ergaumlnzt bdquoDie Ruumlckmeldungen waren insgesamt sehr positivldquo

Nun soll der QuinK Verbreitung finden Fachvortraumlge auf Konferenzen Artikel in Fachzeitschriften Die Arbeit des Jennessen-Teams ist noch laumlngst nicht abgeschlossen bdquoWir haben aber gute Startvoraussetzun-gen schlieszliglich waren die Praktiker vom DHPV von Anfang an an Bordldquo so Jennes-sen (kap)

QuinK neuer QualitaumltsindexEin neuer Index soll die Betreuung in Kinder- und Jugendhospizeinrichtungen verbessern

Dieser Aufgabe haben sich Professor Dr Sven Jennessen und Stefanie Hurth vom Institut

fuumlr Sonderpaumldagogik in den letzten Monaten gewidmet Nun praumlsentieren sie das

Ergebnis ihrer Arbeit den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit kurz QuinK

Ein Jahr lang hat Stefanie Hurth den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit getestet Nun ist der bdquoQuinKldquo fertig und soll im Oktober in die Praxis gehen

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Psychologie der positiven Dinge

Nach der neuen Gallup-Studie ist die Ar-beitszufriedenheit zwar im Vergleich zum letzten Jahr gestiegen trotzdem kritisch Nur wenige Menschen fuumlhlen sich bei ihrer Arbeit wertgeschaumltzt Sie suchen stattdes-sen ihr Gluumlck in der Freizeit Hinzu kommt ein dramatischer Anstieg von psychischen Erkrankungen wie dem Burnout-Syndrom Wie kann man mit diesen Gefahren umge-hen

Eine potenzielle Loumlsung liegt im Bereich der positiven Psychologie Sie befasst sich damit unter welchen Umstaumlnden Personen Wohlbefinden Gluumlck und Zufriedenheit erleben Waumlhrend sich vor den 90er Jahren die Sozial- und Verhaltenspsychologen vor allem mit den Defiziten beschaumlftigt haben untersucht man seit 1998 psychologische Prozesse die dazu fuumlhren dass Menschen zufrieden und gluumlcklich und dadurch leis-tungsfaumlhiger sind

Ottmar L Braun ist auszligerplanmaumlszligiger Professor in der Arbeitsgruppe Sozial- und Wirtschaftspsychologie am Campus Landau und befasst sich mit positiver Psycholo-gie Zur Thematik Unzufriedenheit im Job bekraumlftigt er bdquoDie Forschung hat deutlich gezeigt dass sich Techniken der positiven Psychologie vorteilhaft auf die Arbeits- und Lebenszufriedenheit auswirkenldquo Besonders interessant sei das fuumlr Krankenkassen da sie sich mit Krankheit und Gesundheit ausei-

nandersetzen und auch als erste die Kosten von langfristigen Ausfaumlllen zum Beispiel durch Burnout tragen muumlssen Braun wei-ter bdquoDann muumlssen die sich natuumlrlich fragen Wie kommt dasldquo

Braun meint Arbeit duumlrfe nicht krank machen Arbeit muumlsse eher die Moumlglich-keit bieten dass man sich positiv entfalten koumlnne Deshalb muumlssten sich Arbeitgeber darum bemuumlhen dass die Leute mit mehr Spaszlig zur Arbeit kommen bdquoDaruumlber hinaus muumlssen Arbeitnehmer Aufgaben bekom-men um ihre Staumlrken ausleben zu koumlnnenldquo Er konkretisiert bdquoSie brauchen Aufgaben an denen sie persoumlnlich wachsen wo sie quasi aufbluumlhen koumlnnenldquo

In der positiven Psychologie sei der Begriff bdquoaufbluumlhenldquo elementar denn bdquoWenn Per-sonen etwas geleistet haben sprich Ziele erreichen dann sind sie zufriedener und haben wenig handlungsirrelevante Kogniti-onen oder Ablenkung Sie koumlnnen sich wie-der auf ihre Aufgaben konzentrieren und dadurch mehr leistenldquo begruumlndet Braun Zufriedenheit am Arbeitsplatz habe aber auch immer etwas mit der Entwicklung von Fuumlhrungskraumlften zu tun Nach Braun muumlss-ten sie darauf achten dass sie ihr Team ge-sund fuumlhren bdquoKrankenkassen wie die AOK Rheinland-PfalzSaarland bieten deshalb extra Programme dafuumlr an an denen wir als Team der Universitaumlt Koblenz-Landau

beteiligt sindldquo Eine weitere Moumlglichkeit fuumlr Arbeitgeber sieht Braun in regelmaumlszligigen Mitarbeiterbefragungen bdquoIm Rahmen von Folgeprozessen kann man dafuumlr sorgen dass zufriedenstellende Arbeitsbedingun-gen vorhanden sind und Missstaumlnde abge-schafft werdenldquo

Allerdings sei die Schuld nicht nur beim Arbeitgeber zu suchen Auch die Mitar-beiter sollten darauf achten ob sie an der richtigen Stelle im Unternehmen eingesetzt oder ob sie vielleicht irgendwo anders bes-ser aufgehoben seien Braun stellt klar bdquoVor der innerlichen Kuumlndigung sollte Unzufrie-denheit konstruktiv zum Ausdruck gebracht werden um dann vielleicht an einer sinn-volleren Stelle eingesetzt zu werdenldquo

Der Professor bemerkt dass die positive Psychologie allerdings nichts Neues sei bdquoIn der Arbeits- und Organisationspsychologie in der wir uns hier bewegen haben Wissen-schaftler ja schon immer das Thema Arbeits-zufriedenheit untersuchtldquo Es sei von daher ein ganz altes Forschungsgebiet welches nun durch die positive Psychologie neu be-reichert werde

Spielend zum GluumlckBraun hat an der Universitaumlt eine eige-

ne Studie zur Zufriedenheit durchgefuumlhrt

Unzufrieden im Job Positive Psychologie kann helfen

Viele kennen es Wenn Montagmorgen der Wecker klingelt faumlllt das Aufstehen oft

schwer besonders wenn man unzufrieden mit seiner Arbeit ist Aber warum ist man

unzufrieden und wie kann positive Psychologie dabei helfen die Unzufriedenheit zu

uumlberwinden NeuLand hat mit dem Professor fuumlr Wirtschaftspsychologie Dr Ottmar L

Braun uumlber die Psychologie der positiven Dinge gesprochen

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Psychologie der positiven Dinge

Dabei wurden Studierende einen Tag lang in Techniken der positiven Psychologie un-terrichtet bdquoAuszligerdem haben sie ein Gluumlcks-tagebuch bekommen bei dem sie ihre Gluumlcksmomente niederschreiben koumlnnen und einiges uumlber Smalltalk und Networking gelerntldquo Die Ergebnisse wuumlrden zeigen dass sich die Zufriedenheit der Studieren-den kurzfristig aber auch langfristig positiv veraumlndere Zudem seien ihr Optimismus und die Studienmotivation angestiegen depressive Verstimmungen gesunken Braun verdeutlicht bdquoAlles so wie man sich das wuumlnschtldquo

In seiner Forschung versucht er eine Bruuml-cke zu schlagen zwischen Techniken der positiven Psychologie und Techniken des Selbstmanagements Das wuumlrde gut pas-sen denn auch in der positiven Psychologie wuumlrden oft Tipps gegeben wie man etwas angehen solle versichert Braun Eine ganz prominente Uumlbung beim Selbstmanage-ment und in der positiven Psychologie sei die bdquoWas ist gut gelaufen-Uumlbungldquo Dabei geht es darum dass man am Abend uumlber-legen soll welche drei Dinge am Tag gut gelaufen sind und welche seiner Staumlrken es waren die dazu beigetragen haben Das sei eine Uumlbung die in der gesamten Literatur empfohlen werde Der Namensgeber der positiven Psychologie Martin Seligman habe zeigen koumlnnen dass die Anwendung

dieser Uumlbung dazu fuumlhre dass Leute nach sechs Monaten weniger depressiv seien Seligman fuumlhre das darauf zuruumlck dass das eine selbstverstaumlrkende Wirkung habe so Braun bdquoDie Leute merken dass sie sich bes-ser fuumlhlen wenn sie daruumlber nachdenken was heute gut gelaufen ist und warum Und deshalb wiederholen sie den Vorgangldquo Es habe dadurch eine langfristige Wirkung

Brauns neuestes Aushaumlngeschild ist ein Brettspiel namens bdquoCareer Games ndash spie-lend trainierenldquo bdquoWir haben Seminare ent wickelt bei denen wir Selbstmanage-ment-Kompetenzen in verschiedenen Le-bens- oder Inhaltsbereichen von Personen staumlrken koumlnnen Dazu dient auch ein Brett-spiel bei dem die Teilnehmer verschiedene Inhaltsbereiche der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder auch Smalltalk und Networking spielend erlernenldquo Jeder Spieler bekomme im Spiel eine Figur und muumlsse seinen Weg durch das Spielfeld wuumlrfeln so Braun bdquoAuf den Fel-dern muumlssen sie dann Quizkarten ziehen die das im Seminar Gelernte noch einmal aufarbeitenldquo Dabei muumlssten sie beispiels-weise drei Dinge nennen die sie in ihrem Leben gluumlcklich machen bdquoDurch den Spiel-charakter lernt man mehr als nur uumlber Se-minareldquo Mit Erfolg Erste Untersuchungen zeigen positive langfristige Effekte durch die Seminar-Brettspiel-Kombination (dan)

Tipps fuumlr die positive Fuumlhrung von Ottmar Braun

Fuumlhrungskraumlfte muumlssen eine gute zwischenmensch-liche Beziehung zu jedem einzelnen Mitarbeiter unterhalten Sie muumlssen auch verbindliche Aussagen machen und zu diesen Aussagen stehen Des Weiteren sollte ein Chef seine Angestellten unterstuumltzen wenn es notwendig ist Wichtig ist auch keinen unnoumltigen Druck aufzubauen sondern Staumlrken von Mitarbeitern kennen zu lernen und zu foumlrdern Von Vorteil koumlnnen auch Begruumlszligungs- und Krankenruumlckkehrgespraumlche sein Es koumlnnte ja sein dass die Krankheit etwas mit den Arbeitsbedingungen zu tun hat Natuumlrlich sind auch Teamsitzungen und Teambildungsmaszlignahmen von groszliger Bedeutung um ein angenehmes Arbeits-klima herzustellen

Spielend lernen Mit dem Brettspiel bdquoCareer Gamesldquo erlernen die Spieler verschiedene Inhalte der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder Smalltalk und Networking

20 NeuLand 2014 03

Psychotherapie-Ambulanz

Wie eine Baustelle sieht die psychothera-peutische Uni-Ambulanz nicht mehr aus Den Abdeckplanen sind bunte Stuumlhle und Stofftiere gewichen im Eingangsbereich liegen Fachmagazine und das Buumlro von Professorin Dr Tina In-Albon ist bereits voller Buumlcher Und doch bdquoist hier noch alles Baustelleldquo so die Professorin fuumlr Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kin-des- und Jugendalters Nach Therapeuten werde noch gesucht die ersten Behandlun-gen seien angelaufen Forschungsprojekte in Planung bdquoEine spannende Phaseldquo bekraumlf-tigt die Ambulanzleiterin

Von nun an wird sich das zehnkoumlpfige Team um die Professorin In-Albon und Ge-schaumlftsfuumlhrerin Dr Daniela Schwarz mit den psychischen Erkrankungen der suumld-pfaumllzer Kinder und Jugendlichen befassen Die Kosten fuumlr die psychotherapeutische Behandlung uumlbernehmen bei Indikation die Krankenkassen Hinzu kommt ein wei-terbildender Studiengang zur Ausbildung in Kinder- und Jugendlichenpsychothe-rapie der im Wintersemester 201415 mit zwoumllf Teilnehmern pro Jahrgang startet In Rheinland-Pfalz ist die Universitaumlt Kob-lenz-Landau in diesem Bereich die einzige universitaumlre Ausbildungsstaumltte Neben der hauseigenen Ambulanz kooperiert der Studiengang mit dem Pfalzklinikum in Klin-genmuumlnster sowie anderen kinder- und ju-gendpsychiatrischen Kliniken in der Region

Kaum eroumlffnet schon stehen die ersten Forschungsprojekte an Derzeit liegt ein Fokus in der Behandlung von Angststoumlrun-gen und Depressionen bdquoVielen Depressio-nen gehen Aumlngste voraus Daher lohnt es diese beiden zusammen zu betrachtenldquo so

Tina In-Albon Laut Statistik leiden zirka 20 Prozent der Erwachsenen und zirka 10 Pro-zent der Kinder unter Angststoumlrungen bei Depressionen sind es sogar 40 Prozent der Erwachsenen und im Jugendalter auch be-reits zwischen 15 und 20 Prozent In Planung befindet sich daher eine Therapiestudie fuumlr Jugendliche mit Angst- und depressiven Stoumlrungen Ein weiterer Forschungsbereich ist das nicht-suizidale selbstverletzende Verhalten im Volksmund auch als bdquoRitzenldquo bekannt bdquoDa machen wir eher Grundla-genforschungldquo so die Professorin Ein spe-zifisches Therapieangebot gebe es derzeit noch nicht ndash bdquodas kann sich aber alles noch entwickelnldquo

Einen weiteren Forschungsschwerpunkt stellt die psychische Gesundheit bei Kindern mit Diabetes dar insbesondere bei Diabetes vom Typ I der im Gegensatz zum bdquoAltersdi-abetesldquo II auch bei Kindern und Jugendli-chen verbreitet ist bdquoHier wissen wir uumlber

Erste Forschungsprojekte stehen an

Ende Juni offiziell eingeweiht hat die Psychotherapie-Ambulanz fuumlr Kinder und Jugend-

liche die Arbeit aufgenommen Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen

haben nun in Landau eine neue Anlaufstation Und auch die Forschung profitiert von der

Einrichtung

die medizinische Forschung zwar schon eine Mengeldquo sagt Tina In-Albon aber aus psychologischer Sicht sei das Thema noch relatives Neuland Wie etwa sieht es bei der psychologischen Betreuung der Kinder aus aber auch der Eltern der Lehrer und sons-tiger zentraler Bezugspersonen Wird die Krankheit und deren Umgang akzeptiert Wie koumlnnen Psychotherapeuten helfen Auch hier schlummert ein Forschungspo-tenzial fuumlr In-Albon bdquoVieles ist im Aufbauldquo sagt sie beschwichtigend Und doch laumlsst sie im Gespraumlch mit NeuLand durchblicken dass sie auch auf diesem Gebiet noch inten-siver forschen moumlchte

Neben der Forschung ist die Hochschul-ambulanz auch in die Lehre im Rahmen des Masterstudiengangs Klinische Psychologie eingebunden So werden die Studierenden beispielsweise in die Diagnostik einbezogen und koumlnnen unter Supervision in Patienten-gespraumlchen Praxiserfahrung sammeln (kap)

In der neuen Universitaumltsambulanz fuumlr Kinder und Jugendliche wird die ganze Palette der psychischen Stoumlrungen behandelt

21NeuLand 2014 03

Wenn man sich seine Dozenten auszligerhalb der Universitaumlt vorstellt dann ist es wohl in einem Sessel vor einem uumlberfuumlllten Buumlcher-regal mit einem wissenschaftlichen Buch in der Hand vielleicht noch mit einem Hund zu den Fuumlszligen Wenige Studenten glauben dass ihre Dozenten moumlglicherweise eine spannendere Freizeitgestaltung haben als sie selbst

Bei Walter H Schreiber ist das aber so Seit dem Sommer 2013 ist er 3D-Bogenschuumltze 3D-Bogenschieszligen bedeutet nicht dass man mit einer 3D-Brille und einem virtu-ellen Bogen bewaffnet auf herannahende Tiere oder Aliens schieszligt Eigentlich ist das 3D-Bogenschieszligen vielmehr die Wieder-entdeckung des sportlichen Jagens mit Pfeil und Bogen ohne einem Tier Schaden zuzufuumlgen Es erinnert an eine Art Golf Der Schlaumlger wird zum Bogen der Ball zum Pfeil und statt eines Abschlags hat man einen Abschuss-Punkt Das Ziel ist aber kein Loch sondern zum Beispiel ein Fasan oder eine Riesenspinne welche von Vereinsmitglie-dern angefertigt und im Parcours platziert wurde

Schreiber ist seit Dezember Mitglied beim Verein Palatina Bogenschuumltzen eV in Ins-heim suumldlich von Landau Davor absolvierte er bereits einen Pfeil und Bogen-Intensiv-kurs in der Eifel bdquoDamit sich nicht bereits am Anfang grobe Fehler einschleichenldquo bekraumlf-tigt Schreiber Sein Sohn sei auch Bogen-schuumltze habe aber unabhaumlngig von ihm zur selben Zeit angefangen Auf die Frage wa-rum er nicht das klassische von Olympia be-kannte Bogenschieszligen ausuumlbe antwortet Schreiber bdquoDa gibt es zu viele Regelnldquo Au-szligerdem sei er ein intuitiver Schuumltze welcher ndash im Gegensatz zum strategischen Schuumltzen ndash sich voll und ganz auf seine Erfahrung und sein Bauchgefuumlhl verlasse Zwar ist Schrei-ber schon seit einem Jahr leidenschaftlicher Bogenschuumltze trotzdem gilt er im Verein

Entspannung vom AlltagWaumlhrend die Studierenden fast immer wissen ob ein Dozent freundlich oder streng ist

koumlnnen sich nur wenige vorstellen was diese mit ihrer Freizeit anfangen NeuLand war

einen Abend mit Dr Walter H Schreiber unterwegs Sein Hobby das 3D-Bogenschieszligen

noch als Anfaumlnger bdquoDeswegen behalte ich meine Ergebnisse bei Wettkaumlmpfen lieber fuumlr michldquo bemerkt er schmunzelnd

Sicherheit sei sehr wichtig betont Schrei-ber So muss sich jeder Schuumltze vorab in einem Schieszligbuch eintragen um zu sehen wie viele Leute auf dem Parcours unter-wegs sind Aus gutem Grund Auf dem 500 Meter langen und mit 28 Zielen bestuumlckten Parcours kann man leicht den Uumlberblick verlieren Zwei bis drei Stunden dauert die Durchquerung des Kurses Manchmal machen es abgeknickte Aumlste und ein rut-schiger Untergrund gar nicht so einfach die Ziele zu treffen Trotzdem wuumlrden die meisten Unfaumllle nicht beim Schieszligen selbst passieren sondern beim Herausziehen der Pfeile aus den Koumlrpern der Ziele meint Schreiber Ein Vereinskollege ergaumlnzt bdquoWich-

tig ist uns dass wir das 3D-Bogenschieszligen nicht als Vorstufe zur Jagd mit Pfeil und Bogen sehen Es ist vielmehr ein Sport bei dem man sich deutschlandweit mit anderen Schuumltzen messen kannldquo Im Gegensatz zum klassischen Bogenschieszligen schieszlige man nicht auf langweilige Zielscheiben sondern durchlaufe einen interessanten Parcours

Fuumlr Schreiber ist das Bogenschieszligen Ent-spannungskur vom alltaumlglichen Uni-Stress bdquoNach der Arbeit auf den Parcours zu gehen befreit meinen Kopfldquo Verstaumlndlich denn das leise Zischen des Pfeiles und die Ruhe im gruumlnen naturbelassenen Gelaumlnde hat etwas Erholendes Auszligerdem hat Schreiber beim Verein Palatina Freunde gefunden mit denen er an fast jedem Donnerstag und Sonntag durch den Parcours streift ndash auf der Jagd nach kuumlnstlichen Tieren (dan)

Hobby 3D-Bogenschieszligen

Beim 3D-Bogenschieszligen findet Walter H Schreiber Entspannung vom alltaumlglichen Uni-Stress

22 NeuLand 2014 03

Summer School

In der Reihe bdquoE-Mail aus hellipldquo berichtet Sozialwissenschafts-Student Daniel Schumacher

von der Summer School aus dem polnischen Wroclaw

Liebes NeuLandCześćaus Wroclaw Manchmal reicht ein

akademischer Kurz-Urlaub um ein Land und die

Leute lieben zu lernen

Zum Ende meiner akademischen Laufbahn wollte

ich das Studentendasein noch einmal voll und

ganz genieszligen und habe mich entschlossen eine

Summer School zu besuchen Fast jeder unserer

Fachbereiche bietet so etwas an Fuumlr mich ging die

Reise unter der Leitung von Professor Dr Siegmar

Schmidt (Politikwissenschaften) nach Wroclaw Polen

Erasmus-finanziert begann meine Hinfahrt in einem

Fernbus von Karlsruhe direkt nach Breslau so der alte

deutsche Name fuumlr Wroclaw

Hier angekommen bezogen wir ndash meine Wenigkeit

mit sieben anderen Deutschen ndash unsere Zimmer in

einem Studentenwohnheim oder wie ich es nenne

bdquoPlattenromantik-Hotelldquo Von auszligen neu gestrichen

verspruumlhte das Haus von innen den gesamten

Ostblock-Charme der Kalten-Krieg-Aumlra Das war

fuumlr mich aber auch das einzig Negative waumlhrend

meiner zweiwoumlchigen Summer School Bereits

am ersten Tag lernten wir beim bdquoget-togetherldquo

die anderen Teilnehmer kennen 70 Studenten

aus uumlber acht Laumlndern wollten mehr uumlber die

europaumlische Finanzkrise lernen und ndash wie ich ndash neue

Freundschaften knuumlpfen

Ab dem zweiten Tag war unser neues Zuhause ein

Houmlrsaal beim Institut fuumlr Politikwissenschaft Dort

E-Mail aus hellip Wroclaw

lernten wir wie verschiedene europaumlische Staaten mit

der Finanzkrise zu kaumlmpfen hatten und stellten jeweils

unsere Laumlnder selbst vor

Nach der ersten Woche wurden wir in verschiedene

Gruppen aufgeteilt um uumlber Innovation im

oumlffentlichen und privaten Sektor zu forschen

Forschen bedeutete dabei dass wir polnische

Buumlrger interviewten die entweder im privaten oder

oumlffentlichen Bereich taumltig sind Mein bdquoResearch-Haufenldquo

war bunt gemischt ndash von Belgiern uumlber Rumaumlnen

bis hin zu Ukrainern Ohne Verstaumlndigungsprobleme

meisterten wir unseren Arbeitsauftrag was am letzten

Tag feucht-froumlhlich mit allen gefeiert wurde

Am Ende moumlchte ich noch eine Lanze fuumlr die Stadt

Wroclaw und das Land Polen brechen Wir wurden

sehr herzlich aufgenommen Die Stadt mit ihrer

(deutschen) Geschichte war atemberaubend Nicht

nur die alten Gebaumlude haben es mir angetan sondern

die Atmosphaumlre rund um den historischen Stadtkern

Ich habe in diesen zwei Wochen sehr viele Menschen

kennen gelernt einige wuumlrde ich nun als enge Freunde

bezeichnen Das erste Wiedersehen mit Studenten aus

Belgien und Tschechien ist bereits geplant

Bis bald im guten alten Landau

euerDaniel Schumacher

23NeuLand 2014 03

Hochschulgruppe

Eigentlich kommt Cornelia Spengler aus einem ganz anderen Fachgebiet Nach ih-rem Biologiestudium am Karlsruher Insti-tut fuumlr Technologie promoviert sie derzeit in Landau im Fachbereich Natur- und Um-weltwissenschaften Aber auch an sozialer Arbeit hatte sie schon immer Interesse Sie wollte sich nicht nur mit der Wissenschaft beschaumlftigen sondern mit Menschen zu-sammenarbeiten So entdeckte sie fuumlr sich ein sensibles Thema die Integration und Bildungsgerechtigkeit

Cornelia Spengler wollte nicht nur reden sondern handeln In der SchuumllerNavi-Grup-pe in Aachen fand sie ein Vorbild nach dem sie am Campus Landau gemeinsam mit Stu-dentin Sylvia Klaus eine Hochschulgruppe aufbaute Ziel sollte es sein Schuumller zu foumlr-dern die durch ihre mangelnden Deutsch-kenntnisse in der Schule Probleme haben und deren Eltern das Geld fuumlr Nachhilfe nicht aufbringen koumlnnen bdquoWenn die Eltern zu Hause kaum Deutsch sprechen haben die Kinder dort auch wenig Unterstuumltzung fuumlr die Schule Diktate zu uumlben ist dann schlichtweg nicht moumlglichldquo erklaumlrt Speng-ler

SchuumllerNavi bietet neben Hausaufgaben-betreuung und Nachhilfeunterricht auch kulturellen Austausch Mittlerweile betei-ligen sich in der Hochschulgruppe uumlber 20 Studenten die den Schuumllern in schulischen

Aktive Arbeit statt bloszlige TheorieUumlber Integration zu reden bringt nicht viel Sie muss gelebt werden Darum gruumlndete die

Landauer Doktorandin Cornelia Spengler mit Studentin Sylvia Klaus die Hochschulgruppe

SchuumllerNavi die immer mehr Mitglieder zaumlhlt Wie man Integration foumlrdern kann und was

den Ehrenamtlichen ihre Arbeit bringt daruumlber sprach sie mit NeuLand

Belangen zur Seite stehen ihnen das Uni-Leben zeigen und ihnen zuhoumlren wenn sie Probleme haben

Spengler selbst betreut zwei Bruumlder mit tamilischen Wurzeln Um Beruumlhrungspunk-te zu schaffen die fuumlr den Aufbau eines Ver-trauensverhaumlltnisses wichtig sind hat sie mit den Jungs auf dem Campus beispiels-weise gemeinsam mikroskopiert Einer der beiden Bruumlder war stark versetzungsgefaumlhr-det und hat es nun in die naumlchste Klasse geschafft Ein Stuumlck weit schreibt sie diesen Erfolg SchuumllerNavi zu

bdquoSchwierig ist es zu unterscheiden welche Kinder wirklich der Foumlrderung beduumlrfenldquo so Spengler In Konkurrenz mit Nachhilfe-Firmen will die Gruppe nicht treten Ziel-gruppe sind Kinder die in der Schule haumlufig nicht ausreichend gefoumlrdert werden und deren Eltern sich keine professionelle Nach-hilfe leisten koumlnnen Daher hat SchuumllerNavi Kooperationen mit sozialen Institutionen Landaus die ihnen die Kontakte weiterver-mitteln bdquoDer Bedarf ist riesig Wir koumlnnen ihn gar nicht deckenldquo berichtet Spengler Daher ist die Hochschulgruppe auch staumln-dig dabei neue Mitglieder zu werben

Fuumlr die Zukunft plant die Hochschul-gruppe eine weitere Kooperation mit ELKE (Eltern Kompetenzen erlernen) um die El-tern weiterzuschulen beispielsweise mit Sprachkursen Dadurch sollen diese ihren

Kindern besser bei schulischen Aufgaben selbst helfen koumlnnen

Neben dem Gefuumlhl etwas Gutes zu tun sieht Spengler aber auch andere Vorteile fuumlr das Ehrenamt Gerade Lehramtsstu-denten koumlnnen sich hier ausprobieren und paumldagogische Konzepte umsetzen die sie aus der Theorie kennen Jeder koumlnne viel lernen erklaumlrt sie Man uumlbe hier nicht nur den Umgang mit Kindern und Jugendli-chen sondern lerne auch viel uumlber fremde Kulturen Sie selbst habe von ihren zwei Nachhilfeschuumllern bereits viel uumlber Feierta-ge und Sitten ihrer Kultur aber auch einzel-ne Vokabeln ihrer Sprache gelernt Und die Schuumller seien sehr interessiert an deutschen Gebraumluchen und Eigenarten

Fuumlr das ehrenamtliche Engagement hat SchuumllerNavi bereits Preise bekommen Bei der Initiative fuumlr Integration von bigFM be-legten sie den dritten Platz Das Preisgeld investierte die Gruppe unter anderem um mit ihren Schuumllern die Zooschule zu besu-chen In diesem Jahr erhaumllt SchuumllerNavi zu-dem den Campus-Kulturpreis des Campus Landau

bdquoMan redet immer uumlber Integration Von Menschen mit Migrationshintergrund wird erwartet sich hier zu integrieren Aber das liegt ja auch an uns Man muss sie auf die-sem Weg unterstuumltzenldquo erklaumlrt Doktorandin Spengler (rst)

Termine ImpressumHerausgeberReferat fuumlr Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit der Universitaumlt Koblenz-Landau Campus Landau Fortstraszlige 7 76829 Landau

RedaktionsteamKerstin Theilmann (ket) (verantw) Berend Barkela (bb) Wilfried Dorsch (wdo) Sebastian Kapp (kap) Daniel Schumacher (dan) Rosa Stecher (rst)

LayoutMedienzentrum Campus Landau Berend Barkela

FotosTitel Imago Fotoarena S 2 S 3 privat S 5 Imago Xinhua S 7 oben kanvag - Fotoliacom S 7 unten Medienzentrum Hiller S 9 Imago ITAR-TASS S 10 Imago Steinach S 11 Imago DeFodi S 13 Imago PPfotodesign S 15 JiSign - Fotoliacom S 17 Medienzentrum Hiller S 19 Medienzentrum Barkela S 20 Medienzentrum Hiller S 21 und 22 Daniel Schumacher

KontaktKerstin TheilmannTel 06341 280-32219 E-Mail theiluni-koblenz-landaude

Aus Gruumlnden der besseren Lesbarkeit verwenden wir in unseren Artikeln die maumlnnliche Form Damit sind stets Frauen und Maumlnner gemeint

Die Redaktion behaumllt sich die Kuumlrzung und Uumlberarbeitung von Texten vor Die Meinung einzelner AutorinnenAutoren gibt nicht immer die Meinung der Redaktion wieder

28101014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Florian Ostertag Atrium Infos unter wwwasta-landaude

05112014 ab 2130 Uhr Atriumsfete Infos unter wwwasta-landaude

06112014 20 Uhr Poetry Slam Landau Universum Kinocenter Infos unter wwwzkwuni-landaude

19112014 1930 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Friedensprojekt Europa in der Krise Mit Bundesministerin aD Heidemarie Wieczorek-Zeul und weiteren Gaumlsten Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

19112014 21 Uhr Konzert bdquoBeats und Pianoldquo Audimax Infos unter wwwasta-landaude

1122014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Unland Atrium Infos unter wwwasta-landaude

03122014 19 Uhr Hambacher Gespraumlch Meine Daten gehoumlren den Unternehmen Hambacher Schloss Infos unter wwwfliuni-landaude

05122014 1930 Uhr Reihe bdquoGroszlige Begegnungenldquo mit Sternekoch Alfons Schubeck Jugendstil-Festhalle Landau Infos unter wwwzkwuni-landaude

08122014 1900 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Frieden durch Demokratie Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

Ausblick 13 - 15012015 Poetik-Dozentur mit Rafik Schami Infos unter wwwzkwuni-landaude

Weitere Termine unter wwwuni-koblenz-landaudeaktuell wwwuni-koblenz-landaudeblog

Page 3: Neuland Ausgabe 3/2014

3NeuLand 2014 03

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

Reise ins KrisengebietDie weltpolitische Lage ist heute durch zahlreiche Krisen gepraumlgt Ob Syrien Kurdistan

oder die Ukraine ndash Konflikte entstehen schnell Loumlsungen hingegen brauchen Zeit

NeuLand hat mit der Psychologie-Studentin Nadine Knab uumlber ihre Erfahrungen waumlhrend

einer Studienreise in der Krisenregion des Mittleren Ostens gesprochen

Kurdistan ist ein Gebiet welches sich uumlber die Staaten Tuumlrkei Irak Iran und Syrien erstreckt Seitdem die radikale Gruppierung Islamischer Staat (IS) Teile Nordiraks gewaltsam an sich gerissen hat herrscht in der Region Krieg Tau-sende Menschen fliehen aus der Region in benachbarte Laumlnder Nadine Knab ist Master-Studentin der Psychologie und war im Fruumlhjahr im Zuge einer Studien-reise in Kurdistan genauer in der Tuumlrkei und im Nord-Irak Organisiert durch die studentischen Initiative Middle-East Excursion der Universitaumlt Bonn war sie mit einer Gruppe von 20 Studierenden elf Tage dort wo jetzt Angst und Gewalt den Alltag bestimmen Allerdings be-kraumlftigt Knab bdquoAls ich in Kurdistan war habe ich mich eigentlich sehr sicher ge-fuumlhltldquo

Neben Besichtigungen von Sehens-wuumlrdigkeiten haben sich die Studie-renden aus Deutschland auch mit der Studentenvertretung Kurdistans getrof-fen um von kurdischen Studierenden ihre Sicht auf die Region zu erhalten und neue Kontakte vor Ort zu knuumlpfen Da die Bedrohung durch die IS noch nicht akut war ging es oft auch um den Buumlr-gerkrieg in Syrien bdquoWir haben zahlreiche syrische Fluumlchtlinge auf der Straszlige ken-nen gelernt die haumlufig von der Zeit vor dem Krieg erzaumlhltenldquo Allerdings haumltten sie ihr Leid nicht so nach auszligen getra-gen erlaumlutert Knab

Ein Highlight der Reise war fuumlr Knab das Treffen mit dem kurdischen Auszligen-minister der sich extra eine Stunde Zeit

fuumlr die deutsche Gruppe genommen hatte bdquoEr hatte das Beduumlrfnis uns etwas mitzutei-len was wir auch nach Deutschland mitneh-men oder weiterverbreiten koumlnnenldquo glaubt Knab Die momentane Situation schaumltzt die Studentin als sehr schwierig ein Positiv sei dass die Kurden im Gegensatz zu den ver-gangen Jahren wegen der Bedrohung durch den Islamischen Staat zusammen arbeite-ten bdquoDas war in der Vergangenheit oft nicht der Fall da gab es auch Konflikte innerhalb der kurdischen Bevoumllkerungldquo so Knab wei-ter In Anbetracht der IS sei es sehr schwer die Situation richtig einschaumltzen zu koumlnnen bdquoJeder Schritt der im ersten Moment positiv erscheint kann langfristig wieder zu weite-ren Konflikten fuumlhrenldquo erklaumlrt sie

Die Gruumlnde warum sie sich fuumlr diese Stu-dienreise entschied waren einerseits ihr groszliges Interesse an der krisengeschuumlttelten Region und andererseits ihr Schwerpunkt bdquoKooperations- und Konfliktforschungldquo im Psychologiestudium bdquoWenn ich spaumlter in die Forschung gehe ist es sicher vorteil-haft wenn ich mich mit solchen Themati-ken nicht nur im Labor auseinander gesetzt habe Deshalb war es mein Anliegen auch wirklich mal in eine krisenbeladene Region zu reisen um mir selbst ein medienunab-haumlngiges Bild zu machenldquo Auszligerdem hatte Knab die Vermutung dass sie als Touristin diese Reise wegen Sicherheitsbedenken nicht machen wuumlrde bdquoDurch den erfahre-nen Reiseleiter aus Syrien und durch den

Auf ihrer Studienreise nach Kurdistan traf Nadine Knab auch kurdische Studentinnen

4 NeuLand 2014 03

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

Loumlsung durch Mediation

Junior-Professorin Dr Anna Baumert lehrt und forscht im

Bereich Persoumlnlichkeitspsychologie und Diagnostik Sie

erklaumlrt wie Konflikte entstehen und warum Mediation bei

der Loumlsung helfen kann

NeuLand Frau Baumert Sie forschen zum Thema Gerechtigkeit und damit verbundenen Deeskalationsstrategien wie der Mediation Wie sieht Ihr Forschungsgegenstand genau aus

Anna Baumert Ich interessiere mich erst einmal fuumlr die Psychologie der Gerechtig-keit Das heiszligt es geht darum was Men-schen als ungerecht empfinden Fragen die meine Kollegen und ich untersuchen sind beispielsweise wie Situationen aussehen die als ungerecht empfunden werden oder welche Reaktionen Menschen auf erlebte Ungerechtigkeit zeigen In der Grundlagen-forschung betrachten wir vor allem Emotio-nen und Verhaltenstendenzen

Wie haumlngt die Psychologie der Gerechtigkeit mit der Konfliktforschung zusammen

Die Ausgangsuumlberlegung ist dass wenn Auseinandersetzungen eskalieren meist Ge-rechtigkeitsempfindungen oder das Empfin-den von Ungerechtigkeit gegeben sind Bei Konflikten wo dieses Empfinden nicht vor-handen ist ist eine Eskalation eher unwahr-scheinlich Wenn man aber den Eindruck hat dass legitime Interessen von anderen Partei-en boumlswillig verletzt oder missachtet werden zeigen Menschen starke emotionale Reakti-onen Diese Reaktionen wie Wut Aumlrger und Empoumlrung gehen einher mit der Tendenz die Ungerechtigkeit ausraumlumen zu wollen Das aumluszligert sich zum Teil in Racheaktionen die wiederum einen kompletten Prozess der Eskalation auf allen Seiten provozieren

Wie ist es mit dem Buumlrgerkrieg in Syrien oder dem Konflikt zwischen den Kurden und der

Terror-Organisation Islamischer Staat Dort muumlsste sich doch nur eine Partei ungerecht behandelt fuumlhlen

Nein das ist so nicht ganz richtig Es ist durchaus vorstellbar dass bei allen Seiten der Eindruck herrscht die eigene Positi-on sei gerechtfertigt Haumlufig werden ja auch houmlhere Werte wie der Glaube he-rangezogen Jemand der dieser Position widerspricht erscheint als unmoralisch oder ungerecht Neben den Emotionen aumlndern sich ebenfalls die Denkmuster der Beteiligten Man hinterfragt die eigene Position nicht mehr was durch eine hohe Emotionalitaumlt noch einmal unterstuumltzt wird Man schirmt seine eigene Positi-on quasi gegenuumlber alternativen Inter-pretationsmoumlglichkeiten ab Es werden Interpretationswege gewaumlhlt die die Emotion sowie das Gefuumlhl der Ungerech-tigkeit nochmals verstaumlrken Die Moumlg-lichkeit die Perspektive des Gegenuumlbers einzunehmen ndash Stichwort Empathie ndash wird geringer

Wie aumluszligert sich dasEin Beispiel dafuumlr waumlre die Dehumanisie-

rung der anderen Konfliktpartei Der Feind wird nicht mehr als individueller Mensch mit eigenen Rechten betrachtet sondern als Ratte oder Hund bezeichnet Das er-leichtert den Menschen Dinge zu tun die normalerweise nicht ihren moralischen Standards entsprechen wie im Extremfall andere umzubringen Das nennt sich in der Psychologie bdquomoral disengagementldquo also moralische Distanzierung

Austausch mit anderen Studierenden war es auf jeden Fall eine gute Erfahrungldquo stellt Knab fest Den groumlszligten Nutzen habe sie aus den Diskussionen mit anderen Studie-renden gezogen Als Beispiel nennt sie die Diskussion uumlber potenzielle Kooperationen zwischen verschiedenen Staaten in der Re-gion oder die Kooperation zwischen dem kurdischen Parlament und der irakischen Regierung bdquoOftmals ist dort ja nur schwer Zusammenarbeit moumlglich da die kurdi-schen Gebiete als eigenstaumlndiges Land von anderen Staaten wie dem Irak nicht aner-kannt werden Da stecken unter anderem viele historische und feindselige Motive dahinterldquo Aus der Empirie wisse man aber dass Kooperation unter bestimmten Um-staumlnden durchaus moumlglich sei bdquoDie Diskus-sionen innerhalb der Gruppe haben mich deshalb inspiriert im Rahmen meiner Mas-terarbeit mehr zur Kooperation auf Makro-ebene zu forschenldquo

In ihrer Masterarbeit versucht Knab des-halb internationale Beziehungen bzw die Kooperationsbereitschaft zwischen Diplo-maten zu verbessern indem sie psycholo-gische Theorien nutzt Da echte Di plomaten schwer fuumlr Versuche zu gewinnen sind moumlchte sie bei UN-Simulationen Workshops anbieten die auf Basis von psychologischen Theorien kollektives Handeln verbessern sollen Eine sehr anwendungsorientierte Arbeit die Knab durch ihre Reise begruumln-det bdquoDurch meine Erfahrungen war es mir nicht mehr genug nur Laborforschung zu machenldquo (dan)

5NeuLand 2014 03

Sie untersuchen in Ihrer Forschung eine In-terventionsstrategie der Mediation die der emeritierte Psychologie-Professor Leo Mon-tada entwickelt hat Die Mediation ist ein Verfahren bei dem Konfliktparteien durch Unterstuumltzung einer dritten neutralen Par-tei ndash dem Mediator ndash zu einer gemeinsamen Vereinbarung gelangen Der Mediator trifft dabei keine eigenen Entscheidungen bezuumlg-lich des Konflikts sondern ist lediglich fuumlr die Struktur des Verfahrens verantwortlich Sie untersuchen die Mediation allerdings nicht auf internationaler Ebene sondern im univer-sitaumlren hochschulpolitischen Bereich Dabei gibt es keinen eigentlichen Mediator es wird vielmehr Informationsmaterial uumlber die Natur von Gerechtigkeitskonflikten an Konfliktpar-teien ausgegeben Inwieweit kann man Ihre Ergebnisse auf einen internationalen Kontext anwenden

Erst einmal haben unsere Ergebnisse gezeigt dass die Strategie von Montada durchaus Fruumlchte traumlgt Bei Montada sollen sich zwei oder mehrere Konfliktparteien an einen Tisch setzen und werden von einer dritten neutralen Partei bei den Gesprauml-chen unterstuumltzt bzw von ihr moderiert Die Strategie die er vorgeschlagen hat zielt spezifisch auf Gerechtigkeitsempfindung ab Obwohl wir in unserem Kontext mit dem Informationsmaterial eine sehr redu-zierte Version dieser Strategie angewendet haben bietet es einen ersten Anhaltspunkt dafuumlr dass die Strategie von Montada funk-tioniert Es besteht also Grund zur Hoffnung dass wenn ein Mediator diese Strategie in

einem echten heiszligen Konflikt verfolgt er dann auch erfolgreich sein kann

Was sind die groumlszligten Probleme die bei einer solchen Strategie auftauchen koumlnnen

Wenn man von einem einfacheren Fall ausgeht dann stellt sich die Frage inwie-weit Informationsmaterial wie wir es den Versuchspersonen gegeben haben ma-nipulativ wirkt Darf so etwas uumlberhaupt eingesetzt werden um jegliche Interessen durchzusetzen Auf der internationalen Ebene oder uumlberhaupt bei eskalierten Kon-flikten muss man sagen dass Mediation zur Deeskalation sehr viele Voraussetzungen braucht Zum Beispiel muumlssen die Konflikt-parteien uumlberhaupt erst bereit sein sich an einen gemeinsamen Tisch zu setzen Da ist Syrien ein gutes Beispiel dafuumlr dass es bis dahin ein sehr langer Weg ist

Wie sehen die generellen Voraussetzungen fuumlr eine erfolgreiche Mediation aus

Wie gerade angesprochen muumlssen die Konfliktparteien zunaumlchst bereit sein mitei-nander zu reden Der zweite Schritt ist die Einigung auf einen unparteilichen Dritten Das kann eine Person oder im internatio-nalen Kontext ein Land sein Eng verwoben damit ist natuumlrlich das beidseitige Vertrau-en in diesen neutralen Akteur Eine weitere wichtige Voraussetzung ist dass die Loumlsung nicht von vornherein feststehen darf Das bedeutet dass der Ausgang der Verhand-lungen offen sein muss Ob die Gespraumlche dann erfolgreich sind kann leider keiner sagen und haumlngt von vielen verschiedenen Faktoren ab (dan)

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

Auch die UN sieht in der Mediation ein Instrument zur Praumlvention und Loumlsung von Konflikten UN-Spitzenbeamte disktuierten am 23 Mai 2012 zum Thema bdquoThe Role of Member States in Mediationldquo

6 NeuLand 2014 03

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

NeuLand Herr Professor Bermes gibt es eine einfache Antwort auf die Frage was Ge-rechtigkeit ist

Christian Bermes Eine einfache Antwort gibt es nicht Es gibt aber einen Zugang der die Sache vereinfacht Und dieser Zu-gang ist zunaumlchst begrifflicher Natur Wir sprechen heute allzu oft uumlber Gerechtigkeit und haben Strukturen Institutionen Vertei-lungsschluumlssel und vieles mehr im Blick Das ist auch wichtig aber eigentlich nur eine abgeleitete Form der Gerechtigkeit Die ei-gentliche Frage der Gerechtigkeit druumlckt sich in Ausdruumlcken aus wie etwa bdquoWie wer-de ich dieser oder jener Situation gerechtldquo Gerechtigkeit ist daher eine Haltung eines Menschen zu anderen Menschen Eine solche Form von Haltung bezeichnet man klassischerweise als Tugend Gerechtig-keit ist seit der Antike eine Kardinaltugend mit einer besonderen Stellung Denn sie bringt zum Ausdruck dass die Tugend der Gerechtigkeit das wichtigste Lebensmittel des Menschen ist mit anderen Menschen umzugehen

Also ist Gerechtigkeit wie ein Lebensmittel fuumlr ein gutes Miteinander

Fuumlr ein gerechtes Miteinander Menschen besitzen eigentlich nicht besonders viele Mittel um handelnd auf andere Menschen zuzugehen Wir koumlnnen andere bewegen indem wir sie von einem Ort zum anderen bringen wir koumlnnen lieben oder wir koumln-nen gerecht miteinander umgehen Josef Pieper bemerkte einmal uumlberall wo wir andere nicht lieben koumlnnen muumlssen wir gerecht sein Nun stellt sich die Frage wie man Gerechtigkeit weiter charakterisieren kann Neben der begrifflichen Seite dass Gerechtigkeit ein Lebensmittel des Men-schen im Umgang miteinander ist muumlssen

wir uns fragen Warum benoumltigen wir einen gerechten Umgang uumlberhaupt Seit der Antike weiszlig man dass die Knappheit der Guumlter uns zu einem Verhalten zwingt dass wir als gerecht kennzeichnen Begrenzt verfuumlgbare Guumlter wie Wasser Lebensmittel oder auch Zeit bilden die Grundlage dafuumlr warum Gerechtigkeit fuumlr uns so wichtig ist Ein dritter Aspekt der Uumlberlegung wie man Gerechtigkeit bestimmt besteht darin dass Gerechtigkeit in der alltaumlglichen Rhetorik oftmals schnell mit Gleichheit gleichgesetzt wird Von dieser Annahme haben sich schon Platon und Aristoteles distanziert Bestimm-te Formen der Gleichheit koumlnnen auch zu Ungerechtigkeit fuumlhren

InwiefernFolgendes Beispiel Sie haben zwei Kinder

Ein Kind ist durch einen Ungluumlcksfall in eine hochprekaumlre koumlrperliche Lage gekommen kann seinen Lebensweg nicht eigenstaumlndig weitergehen und sich nicht so entwickeln wie man es erwarten koumlnnte Das andere Kind ist gesund und daruumlber hinaus beruf-lich gut situiert Jetzt kommen Sie in die Si-tuation beispielsweise bei einer Erbschaft das Vermoumlgen zu verteilen Welche Vertei-lung ist gerecht Wenn man das Vermoumlgen arithmetisch gleich verteilt merken wir so-fort dass hier etwas nicht stimmt Da zeigt sich recht deutlich dass bezogen auf die gleiche Verteilung von Guumltern diese Form von Gleichheit zuerst einmal unserer Ge-rechtigkeitsintuition widerspricht

Also gibt es keine einfache Formel fuumlr Ge-rechtigkeit Es ist ja doch Ermessenssache hellip

Doch es gibt eine Formel fuumlr Gerechtig-keit Bei Platon heiszligt es dass es gerecht sei wenn jeder das ihm Zukommende oder das ihm Gebuumlhrende erhalte Das ist die aumll-teste Charakterisierung der Gerechtigkeit

die Philosophie nennt dies die Idiopragie-formel Natuumlrlich kann es problematisch werden zu bestimmen was das jeweils sbquoihm Gebuumlhrendersquo ist aber das bedeutet nicht dass diese Formel falsch ist Auch steckt in der Formel etwas das zur Gerechtigkeit ganz grundsaumltzlich gehoumlrt Den anderen als anderen anzuerkennen Dass der andere nicht ich bin ich mich nicht an seine Stel-le setze und dass der andere nicht irgend-etwas ist sondern jemand der bestimmte Empfindungen Beduumlrfnisse Wuumlnsche hat und zwar seine nicht meine Hinter dieser Formel steckt also mehr als man auf den ersten Blick vermutet

Aber ist Gerechtigkeit oder gerechtes Emp-finden nicht immer auch subjektiv

Nein Sicherlich gibt es so etwas wie eine Gerechtigkeitsintuition Bei der Gerech-tigkeit fragt man jedoch nicht um wessen subjektive Wuumlnsche Empfindungen oder Beduumlrfnisse es sich handelt sondern da-nach welche Wuumlnsche Empfindungen oder Interessen mit Blick auf die Person hier eine Rolle spielen In diesem Sinne hat Gerech-tigkeit etwas mit dem Recht zu tun zu dem Unparteilichkeit gehoumlrt So wird Justitia mit verbundenen Augen dargestellt und urteilt unabhaumlngig von subjektiven Interessen Stimmungen und Launen Mit Blick auf die Gerechtigkeit heiszligt dies dass wir unabhaumln-gig von bloszlig subjektiven Empfindungen bloszlig subjektiven Interessen urteilen Wir merken dies auch sofort wenn jemand Ge-rechtigkeit fordert aber nur sich selbst und seinen eigenen Vorteil im Blick hat

Hat Gerechtigkeit aber vielleicht etwas mit moralischem Empfinden zu tun

Das Beispiel mit den zwei Kindern die be-zogen auf das Vermoumlgen ungleich situiert sind zeigt ganz deutlich Wuumlrden die Eltern

Gerechtigkeit ist eine HaltungUumlber Gerechtigkeit wird viel gesprochen Doch was ist Gerechtigkeit uumlberhaupt Welche

Rolle spielt sie im Leben Und legitimiert sie Protest NeuLand sprach mit Philosophiepro-

fessor Dr Christian Bermes

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das Vermoumlgen nur arithmetisch gleich ver-teilen wuumlrde man sagen da stimmt etwas nicht Insofern gibt es so etwas wie ein mo-ralisches Empfinden Aber jetzt faumlngt das Denken an man muss sich fragen warum stimmt hier etwas nicht Das hat mit dem Empfinden nichts mehr zu tun sondern mit Begruumlndung und Rechtfertigung

Hat Gerechtigkeit etwas mit Naumlhe und Dis-tanz zu tun Bei mir nahe stehenden Men-schen faumlllt es mir bei einer Verteilungsfrage sicherlich einfach zu sagen da stimmt etwas nicht Es gibt aber auf der Welt Klimakata-strophen Hungersnoumlte Das ist eine unge-rechte Verteilung von Leid Und trotzdem koumlnnen wir verhaumlltnismaumlszligig unbeschwert hier ein sorgenfreies Leben fuumlhren aumlndern vielleicht auch nichts an unserem Lebens-wandel Schwindet unser Gerechtigkeitssinn mit zunehmender Distanz

Das ist nicht ganz einfach Nicht uumlberall wo ungleiche Lebensverhaumlltnisse herr-schen muumlssen wir auf Gerechtigkeit re-kurrieren Da spielen eher andere wichtige Konzepte eine Rolle wie beispielsweise Solidaritaumlt So hat beispielsweise unser Verhalten gegenuumlber den durch Ebola In-fizierten in einigen afrikanischen Staaten ganz sicher etwas mit Solidaritaumlt zu tun Zur Frage bezuumlglich Naumlhe und Distanz Die Gerechtigkeitsfrage stellt sich wenn es zu-mindest eine relative Distanz zwischen den Akteuren gibt Die bereits oben zitierte Be-merkung von Pieper man muss da gerecht sein wo man nicht lieben kann bringt das relativ deutlich zum Ausdruck In Verhaumllt-nissen die wir durch Sympathie Liebe und Zuneigung beschreiben stellt sich viel-leicht gar nicht die Frage der Gerechtigkeit Aber in Verhaumlltnissen in denen Distanzen in sozialen Ordnungen geregelt werden

wie etwa im Beruf in Vereinen oder in Nachbarschaften stellen sich Gerechtig-keitsfragen So auch natuumlrlich im Verhaumlltnis von Dozenten zu ihren Studierenden stellt sich bezuumlglich der Beurteilung der Leistun-gen eine Gerechtigkeitsfrage Studenten haben selbstverstaumlndlich ein Recht drauf bei der Bewertung gerecht behandelt zu werden also unabhaumlngig von subjektiven oder fremden Faktoren

Gibt es einen Anspruch auf GerechtigkeitJa das kann man sagen Uumlberall wo Men-

schen in Situationen oder sozialen Ord-nungen seien es berufliche oder andere miteinander zu tun haben stellt sich dieser Anspruch Wie in dem Beispiel der korrekten Beurteilung studentischer Leistungen

bdquoEs scheint ein Zeichen unserer Zeit zu sein Gerechtigkeit uumlberall zu suchen nur nicht bei sich selbstldquo

Wer ist verantwortlich fuumlr Gerechtigkeit Je-der selbst Der Staat Die Gesellschaft

Zuerst einmal als Tugend jeder einzel-ne selbst und damit wir alle Es scheint ein Zeichen unserer Zeit zu sein Gerechtigkeit uumlberall zu suchen nur nicht bei sich selbst Dahinter verbirgt sich etwas voumlllig Proble-matisches naumlmlich der Wunsch dass man Gerechtigkeit delegieren koumlnne Das kann man nicht oder zumindest kann man sich nicht gaumlnzlich von ihr entlasten weil die Gerechtigkeit als Tugend eine Haltung zu

etwas naumlmlich zu anderen ist Wenn man denkt man koumlnne das delegieren laumluft man Gefahr selbst ungerecht zu werden da man seine Haltung zu anderen aufs Spiel setzt

Also muss ich fuumlr Gerechtigkeit immer bei mir selbst anfangen

Nicht umsonst ist die Gerechtigkeit bei Platon eine Form des Staates und der Seele

Sie rekurrieren immer wieder auf die Denker im Alten Griechenland Die Frage der Gerech-tigkeit scheint die Menschheit schon seit Jahr-tausenden zu beschaumlftigen Gab es uumlber die Zeit verschiedene Ansaumltze

Die Fragen nach Gerechtigkeit tauchen zu jeder Zeit immer wieder neu auf Das ist

Professor Dr Christian Bermes hellip

hellip lehrt Philosophie am Campus Landau und ist Sprecher der Graduiertenschule bdquoHerausforderung Lebenldquo sowie des Forschungsschwerpunktes bdquoKulturelle Orientierung und normative Bindungldquo Seine Forschungsschwerpunkte sind Philosophische Anthropologie und Ethik Sprachphilosophie und Erkenntnistheorie

Nutzen und Folgen des Internets

Wie urteilt man gerecht Unabhaumlngig von subjektiven Empfindungen und Interessen mit gefuumlhlt verbundenen Augen wie Justitia

8 NeuLand 2014 03

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

auch nicht verwunderlich da es ja um uns geht und die Frage wie wir unser Leben fuumlhren Die Philosophie ist es die diese Fra-gen immer aufgreift und die damit verbun-denen Probleme rationalisiert aber auch objektiviert Allzu schnell neigt man dazu entweder Gerechtigkeit als beliebig oder alleine bezogen auf unser Empfinden oder die soziale Ordnung zu deuten Das war in der Antike nicht anders als heute Dement-sprechend beginnt ein groszliger Zweig der Philosophie mit der Gerechtigkeitsfrage Das klassische Buch Platons die bdquoPolitealdquo heiszligt im Untertitel bdquoUumlber die Gerechtigkeitldquo Sieht man Platon als einen der Stammvaumlter der Philosophie dann beginnt mit der Ge-rechtigkeitsfrage eine bedeutende Traditi-on der Philosophie

Ist Gerechtigkeit ein KulturbegriffWenn Gerechtigkeit so verstanden wird

dass es eine spezifische Haltung von Men-schen zu Menschen ist eine bestimmte Form wie Menschen ihr Leben miteinan-der fuumlhren und gestalten dann finden wir uumlberall wo es Menschen gibt die Frage nach der Gerechtigkeit Ich wuumlrde sogar so weit gehen dass die platonische Definition der Gerechtigkeit dass jedem das ihm Ge-buumlhrende zukomme uumlberkulturell Geltung beanspruchen kann Dabei kann die spezifi-sche Organisation dieses Prinzips kulturrela-tiv sein Aber das Konzept der Gerechtigkeit das aus der Antike kommt scheint mir kul-turuumlbergreifend Guumlltigkeit beanspruchen zu koumlnnen weil es auf den Menschen in sei-ner Lebensfuumlhrung rekurriert

bdquoEine gerechte Welt Es koumlnnte sein dass man sich mit diesem Anspruch ein wenig uumlberhebtldquo

In juumlngster Vergangenheit gab es viele Be-wegungen bei denen Menschen fuumlr ihre Rech-te und Gerechtigkeit auf die Straszlige gegangen sind auch in Laumlndern in denen man so etwas gar nicht fuumlr moumlglich gehalten haumltte siehe die Laumlnder des Arabischen Fruumlhlings oder die Ukraine Inwieweit vertraumlgt sich Gerechtigkeit mit Demonstrationen besonders wenn Ge-waltausschreitungen im Spiel sind

Das ist eine zwicklige Frage Das Problem in diesen Laumlndern war oder ist dass dieje-

nigen die Macht haben oder hatten diese ungerecht ausgeuumlbt haben Aufgrund sol-cher ungerechter Machtausuumlbung gibt es das Recht des Protestes dagegen also ein Widerstandsrecht Dadurch wird aber nicht gesagt dass jeder Protest selbst gerecht ist

Welche Zutaten braumluchte es fuumlr eine gerech-te Welt Kann es die uumlberhaupt geben oder ist der Wunsch danach eine Utopie

Es kann so etwas wie eine rechtsfoumlrmige Welt geben etwa das was man mit groszligen voumllkerrechtlich abgesicherten Institutionen wie etwa der UNO in Verbindung bringt Dies ist nicht nur wuumlnschenswert sondern auch vernuumlnftig Eine gerechte Welt Es koumlnnte sein dass man sich mit diesem An-spruch ein wenig uumlberhebt Man sieht ja heute dass bereits die Frage nach Rechts-foumlrmigkeit und Rechtskonformitaumlt in inter-nationalen Beziehungen schwierig ist Wie verhaumllt man sich wenn eine Nation trotz geschlossener Vertraumlge in ein anderes Land einmarschiert Hier ist also noch einiges zu tun Eine gerechte Welt jedoch wuumlrde voraussetzen dass jeder von uns zu allen anderen in Handlungssituationen oder sozi-alen Ordnungen der Kooperation steht Das scheint mir nicht nur utopisch das scheint eher irreal

bdquoGerechtigkeit ist nicht so schwer wie man vielleicht denken magldquo

Inwieweit spielt bei der Gerechtigkeit das Gewissen mit Kann ich mir durch Spenden ein gutes Gewissen erkaufen zur Gerechtig-keit beigetragen zu haben

Das Gewissen ist nicht ganz unerheblich aber auch hier wuumlrde ich die Gerechtigkeit zuerst auszligen vor lassen Wenn es beispiels-weise eine Wertvorstellung in meinem Leben ist dass durch Not Getroffenen ge-holfen wird dann faumlllt dies unter das Soli-daritaumltsprinzip Und wenn diese Vorstellung zu meinem Leben gehoumlrt dann verpflichtet mich mein Gewissen meine Wertvorstel-lung zu behalten und nicht einfach von ihr abzuweichen Dann ist es auch sinnvoll zu sagen dass ich meinem Gewissen folge wenn ich anderen oumlkonomisch helfe zum Beispiel durch Spenden Die Gerechtigkeit ist dann allerdings kein direktes Thema Es geht hier nicht um gerecht oder ungerecht

sondern dass zu meinem Wertkosmos die Unterstuumltzung von Menschen gehoumlrt die in Not geraten sind

Inwieweit versuchen Sie selbst Gerechtigkeit zu leben

So wie alle anderen auch Vielleicht be-steht der Unterschied darin dass Philoso-phen darauf reflektieren und ein groszliges Repertoire an begrifflichen und logischen Mitteln besitzen die Handlungen zu ana-lysieren Gerechtigkeit ist nicht so schwer wie man vielleicht denken mag In den aller-meisten Faumlllen praktizieren wir fortwaumlhrend Gerechtigkeit im Umgang untereinander Uns faumlllt es meistens nur auf wenn etwas schieflaumluft Sicherlich gibt es kompliziertere Situationen in denen man nach den Prinzi-pien der Gerechtigkeit fragen und daruumlber nachdenken muss um sie zu klaumlren

bdquoWas wir als gerecht empfinden und was nicht lernen wir im Umgang miteinander in unserer Praxisldquo

Wird dem Menschen ein Gerechtigkeitsemp-finden schon in die Wiege gelegt

Was wir als gerecht empfinden und was nicht lernen wir im Umgang miteinander in unserer Praxis Angeboren ist es nicht aber wir lernen es in unserem Einfaumldeln in unseren gemeinschaftlichen Umgang oder mit den vielfaumlltigen Handlungsspielen in denen wir verstrickt sind Ein einfaches Bei-spiel Eine Familie hat zwei Kinder das eine ist 17 das andere ist 9 Das 17-jaumlhrige Kind darf abends laumlnger lesen oder ausgehen Das 9-jaumlhrige Kind fragt Warum ich nicht Nun weil es nicht das Richtige fuumlr das Kind in dieser Situation ist Diese Entscheidung wird Konflikte bringen aber wir lernen im Umgang mit solchen Praktiken Gerechtig-keit kennen Wir lernen uumlbrigens in diesem Fall auch dass ungleiche Behandlung nicht gleichbedeutend ist mit Ungerechtigkeit Ich wuumlrde daher nicht sagen dass Gerech-tigkeit angeboren aber tief in unserem menschlichen Miteinander verankert ist sonst koumlnnten wir unser Leben nicht fuumlhren

Herr Professor Bermes herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch (ket)

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bdquoPussy Riot stoumlrt SehordnungenldquoPolitischer Protest braucht Aufmerksamkeit Soziale Bewegungen setzen daher

auf gute Inszenierungen um wahrgenommen zu werden Wie wird aumlsthetische

Kommunikation zum Mittel des Protests Und sind diese Inszenierungen ein

Phaumlnomen der modernen Mediengesellschaft NeuLand hat bei Kunstwissenschaft

und Soziologie nachgefragt

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Das Krisenexperiment ist eine soziolo-gische Methode mit der soziale Normen aufgedeckt werden koumlnnen die Akteuren nicht bewusst sind Das geschieht durch die absichtliche Missachtung von Ritualen Be-obachtet man wie die Menschen reagieren wenn ihre Wirklichkeit nicht wie gewohnt funktioniert zeigen sich unausgesproche-ne Uumlbereinkuumlnfte Soziologen sagen dann Hier werden Praktiken der impliziten Kon-struktion sozialer Wirklichkeit offenbar Durch die Reaktionen auf die Stoumlrung der Ordnung wird sichtbar wie die soziale Ord-nung konstruiert wird

In jeder sozialen Gruppe gibt es spezifi-sche Muster nach denen Dinge interpre-tiert werden Unterschiedliche Deutungen von Symbolen und Handlungen entschei-den uumlber Zugehoumlrigkeit und Abgrenzung Das erzeugt Realitaumlt und Wahrnehmung von Realitaumlt Diesen Mechanismus macht sich die Kunst des Performativen zunutze Ein Realitaumltsbruch wirft Fragen auf entfaltet womoumlglich Potenziale um die Ordnung zu aumlndern aber vor allem Er faumlllt auf und stellt somit Oumlffentlichkeit her

Die Kunstwissenschaft versteht dies als bdquoAktionskunstldquo ein kuumlnstlerischer Bereich der erst seit den 1960er Jahren praktiziert wird Bis dato hatte sich die Kunst bei Pro-testkultur eher auf die bildliche Darstellung als eine Illustration oder als eigenstaumlndige Anklage konzentriert Als Beispiel dient Dr Christoph Zuschlag Professor fuumlr Kunstge-schichte und Kunstvermittlung am Cam-pus Landau das Bild bdquoDie Freiheit fuumlhrt das Volkldquo von Delacroix aus dem Jahr 1830 das beruumlhmte Bild der barbusigen Marianne die ndash die Tricolore in der Hand ndash die Aufstaumln-dischen der Juli-Revolution anfuumlhrt Oder

auch Picassos bdquoGuernicaldquo (1937) bdquoEs waumlre fuumlr Picasso nicht denkbar gewesen in Spanien selbst auf die Barrikaden zu gehen und dies als Kunst zu deklarierenldquo sagt Zuschlag Doch bdquoAktionskuumlnstlerldquo tun genau dies set-zen waumlhrend der Aktion aumlsthetische Akzen-te bdquoEs sind Aktionen bei denen der Inhalt waumlhrend der Aktion auch gleich transpor-tiert wirdldquo Man schaut sich die Bilder nicht spaumlter im Museum an ndash sondern diese ge-schehen und wirken weitestgehend in Echt-zeit Schlieszliglich vergroumlszligert YouTube nur die Reichweite doch das Schneeballsystem startet schon mit dem ersten Beobachter auf der Straszlige

Aumlsthetik das bedeutet fuumlr den Kunsthis-toriker in diesem Zusammenhang all das was vom Menschen gestaltet wird was nicht nur eine funktionale sondern daruuml-ber hinaus eine gestalterische Komponen-te besitzt Ins Gruumlbeln kommt Zuschlag bei der Frage ob der legendaumlre Thesen-anschlag Martin Luthers Aktionskunst ge-wesen sei bdquoEs war ein hochsymbolischer und provokativer Akt das ja Aber Luther hat diesen Akt sicher nicht als Kunst schon gar nicht als Aktionskunst verstanden weil es dieses Phaumlnomen und den Begriff im 16 Jahrhundert noch gar nicht gabldquo Aber nicht zufaumlllig faumlllt der Thesenan-schlag in eine Zeit des medialen Wandels ndash schlieszliglich wurde nur ein knappes Jahr-hundert vorher der Buchdruck erfunden Flugblaumltter Pamphlete Kupferstiche und Holzschnitte praumlgten die Zeit bdquoMit der Er-findung des Rundfunks Ende des 19 Jahr-hunderts hat das natuumlrlich noch einmal ganz andere Dimensionen angenommenldquo so Zuschlag Die Aktionen wurden noch unmittelbarer transportiert

Ein medial erfolgreicher Realitaumltsbruch gelang der Gruppe Pussy Riot als sie im Februar 2012 den Altarraum der Christus-Erloumlser-Kathedrale in Moskau stuumlrmte ein Punk-Konzert inszenierte einige Aktivistin-nen vor dem Altar tanzten und respektlose Texte sangen Damit wollten sie gegen die enge Verbindung zwischen orthodoxer Kir-che und Putins System protestieren Ein von der Gruppe produziertes Video der Aktion wurde nach kurzer Zeit bei YouTube veroumlf-fentlicht Fuumlr ihren Auftritt verurteilte ein russisches Gericht drei beteiligte Frauen zu zwei Jahren Haft Das Video ging um die Welt und bescherte der Gruppe eine Solida-ritaumltswelle aus dem Westen

Symbole schaffen Verbindungen

bdquoPussy Riot stoumlrt Sehordnungenldquo sagt So-ziologin Marija Stanisavljevic ebenfalls am Campus Landau taumltig Sie untersucht wie aumlsthetische Kommunikation zum Mittel des Protests werden kann Aumlsthetik versteht sie als eine bdquoArt und Weise wie soziale Phaumlno-mene zum Vorschein gebracht werdenldquo und konzentriert sich dabei insbesondere auf Symbole in Bildern bdquoSymbole sind un-glaublich wichtig Sie schaffen Verbindun-gen zwischen verschiedenen Menschen Sie lassen unterschiedliche Deutungen zu und koumlnnen Gemeinschaft stiftenldquo Dass Pussy Riot vor allem im Westen erfolgreich sind liegt fuumlr Stanisavljevic an westlichen Sehordnungen Das russische System sei konservativ streng und autoritaumlr Pussy Riot seien bunt laut und punkig Sie bieten eine

Die fuumlr den Comic bdquoV for Vendettaldquo gezeichnete Guy-Fawkes-Maske trugen zunaumlchst Aktivisten der Anonymous-Bewegung Waumlhrend der Occupy-Proteste wurde sie auch international sichtbar und entwickelte sich zum Protest-Symbol

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

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Alternative zum russischen politischen Sys-tem bdquoDahinter steht die westeuropaumlische Sehn sucht nach Demokratie in Russlandldquo Trifft der Protest auf andere Sehordnungen hat er auch andere Konsequenzen bdquoDer Pro-test war gegen das System in Russland ge-richtet Tatsaumlchlich hilft er vermutlich dem System die eigenen konservativen Positio-nen zu festigenldquo

Mit der Erforschung aumlsthetischer Protest-kommunikation anhand von Bildern ar-beitet Stanisavljevic in einem noch jungen Bereich der Soziologie bdquoDie Beschaumlftigung mit Bildern und bewegten Bildern ist fuumlr die Soziologie ein relativ neues Phaumlnomenldquo Fuumlhrte die steigende Bedeutung des Visuel-len in geistes- und kulturwissenschaftlichen Traditionen in den 90er Jahren zum bdquoiconic turnldquo ist eine bdquovisuelle Soziologieldquo kaum etabliert Fuumlr eine soziologische Perspektive auf Bilder und Filme muumlssen Methoden und Theorien angepasst und entwickelt werden bdquoBilder haben ihren eigenen Sinn sie brau-chen eigene Zugaumlnge und Methodenldquo sagt Stanisavljevic und versteht ihre Dissertation als einen Beitrag dazu

Fuumlr ihre Bildanalyse begegnet sie Protest-darstellungen zunaumlchst isoliert Den Kon-text um die Situation blendet sie aus und entwickelt moumlgliche Lesarten Anschlie-szligend vergleicht sie diese Uumlberlegungen mit dem vollstaumlndigen Kontextwissen um das Bild Mit dieser Analyse moumlglicher und tatsaumlchlicher Lesarten will Stanisavljevic aufdecken wie durch Bilder in unterschied-lichen Kontexten Realitaumlt erzeugt wird und welche Sehordnungen fuumlr die Deutung die-ser Bilder relevant sind

Dabei unterscheidet sie aumlsthetische Pro-testkommunikation von anderen aumlstheti-

schen Formen Der Kuumlnstler Ai Weiwei zum Beispiel kritisiert in seiner Arbeit das chine-sische System und erlebte wie Pussy Riot staatliche Eingriffe Aber so Stanisavljevic bdquodie massenmediale Rezeption zu Ai Weiwei findet im Feuilleton statt die zu Pussy Riot im Politik-Teilldquo So schaffe Ai Weiwei Kunst die auch politische Kunst sei aumlsthetisierter Protest hingegen sei Politik die sich aumlstheti-scher Mittel bediene Und doch ist dies der vorlaumlufige Houmlhepunkt einer Entwicklung Die Liaison zwischen Protest und Kunst fin-det nicht nur auf der Straszlige statt sondern auch in Ausstellungen und Museen So wur-de bei der Berlin Biennale 2013 der Occupy-Bewegung ein Raum gegeben den die Protestbewegung selbst gestalten durfte bdquoDas wurde sehr kritisiertldquo merkt Zuschlag an Occupy und Kunst Das war fuumlr viele dann doch zu progressiv

Gestoumlrte Sehordnungen ndashProduzierte Sehstoumlrungen

Protestkommunikation will ein groszliges Publikum erreichen bdquoUm in den Massen-medien aufzufallen und in Erinnerung zu bleiben muss sie sich von klassischen Pro-testformen abgrenzenldquo betont Stanisavlje-vic Demonstrationen Transparente und Straszligenschlachten sind demnach ein ge-wohntes Bild in der Berichterstattung Sie entsprechen Sehordnungen Aumlsthetisierte Protestformen unterscheiden sich davon Sie produzieren Sehstoumlrungen Dabei sind sie nicht nur Teil einer Bewegung sondern auch selbststaumlndiges mediales Produkt Das gilt auch fuumlr Erdem Guumlnduumlz Stumm und

regungslos stand er im Juni 2013 auf dem Taksim-Platz nachdem die Proteste rund um den Gezi-Park in Istanbul eskaliert wa-ren Der bdquoStanding Manldquo wurde zu einem Symbol des Protestes

Diese Aumlsthetisierung ist keine Erfindung der Pop-Kultur wie Kunstwissenschaftler Zuschlag weiszlig bdquoDie Nationalsozialisten zum Beispiel hatten ein hohes Maszlig an Aumlstheti-sierung in ihren Auftrittenldquo NSDAP und Pro-test bdquoWir sprechen natuumlrlich von den 1920er und fruumlhen 30er Jahren als die Nazis noch in der Opposition warenldquo Hakenkreuze braune Hemden rote Armbinden all diese Symbolik hatte einen praktischen Zweck bdquoSymbole sind reduzierte abstrakte Bil-derldquo erklaumlrt Zuschlag die Wirkung Es geht um aumlsthetische Praumlgnanz es geht darum Aufmerksamkeit zu generieren und zu er-halten Das Hakenkreuz als bdquoMarkeldquo Binnen von Sekundenbruchteilen wusste jeder wer dort aufmarschierte

Die aumlsthetische Inszenierung schafft eine hohe Aufmerksamkeit wenn sie die ge-wohnte Wirklichkeit stoumlrt Aber wird der Protest durch seine Aumlsthetisierung nicht auch Marke Ist das uumlberhaupt noch Protest oder bereits Marketing bdquoEine Bewegung will an die Macht oder die Macht uumlberwaumll-tigen und braucht dafuumlr Sympathisantenldquo stellt Soziologin Stanisavljevic fest Wie Werbung und PR muumlssen Protestler sich ab-grenzen und anderen signalisieren wofuumlr (oder wogegen) sie stehen Das gilt fuumlr Pro-testbewegungen ebenso wie fuumlr Unterneh-men NGOs Politiker und Oppositionelle Das Buhlen um Aufmerksamkeit zum For-mulieren ihrer Ziele ist allen gemein Dass die Methoden sich aumlhneln ergibt sich von selbst (bbkap)

In Russland verfolgt im Westen gefeiert Waumlhrend drei Aktivistinnen in Russland zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden erhielt die Gruppe Pussy Riot im Dezember 2012 den Sonderpreis des Musikpreises bdquo1 Live Kroneldquo

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

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Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

Wir koumlnnen uns alle noch an die Bilder von Stuttgart 21 erinnern wuumltende Buumlrger Hundertschaften an Polizisten und ein noch groumlszligerer Medienrummel Viel wurde uumlber die sogenannten bdquoWutbuumlrgerldquo diskutierthellip Aber was treibt Menschen ganz allgemein dazu fuumlr Sachen einzutreten und dafuumlr auf die Straszlige zu gehen

Tobias Rothmund ist Junior-Professor fuumlr politische Psychologie am Campus Landau und erforscht Protestverhalten In seiner Forschung geht es vor allem um die Mo-tivation von Menschen an einem Protest teilzunehmen Dabei muumlsse man erst in der Gerechtigkeitspsychologie nach Ant-worten suchen also was Menschen fuumlr gerecht oder ungerecht erachten wuumlrden erklaumlrt er bdquoEs gibt Protestverhalten das aus dem Gefuumlhl persoumlnlicher Benachtei-ligung motiviert ist und es gibt die Pro-testmotivation aus der Beobachtung der Benachteiligung andererldquo Rothmund er-gaumlnzt bdquoWenn jemand nicht das bekommt was er glaubt zu verdienen dann wird es als ungerecht wahrgenommen Unge-rechtigkeit kann man aber nicht nur aus der Opferperspektive betrachten sondern auch als Beobachter von Ungerechtigkeitldquo Als Beispiel nennt Roth mund Proteste an der Universitaumlt Dabei wuumlrde man sich zum Beispiel als Studierender direkt benach-teiligt fuumlhlen Als Dozent koumlnne man als Beobachter zustimmen und Studierende deshalb unterstuumltzen Trotzdem sei man nicht in der Rolle des Benachteiligten er-laumlutert Rothmund

In der Forschung gibt es nach Tobias Roth-mund drei groszlige Theorien um (politischen) Protest oder Protestverhalten zu erklaumlren Theorie der sozialen Gerechtigkeit soziale Identitaumltstheorie und Rational Choice-The-orie Diese seien allerdings nicht getrennt voneinander zu betrachten sondern inei-nander verschraumlnkt bdquoAusloumlser von Protest ist in der Regel ein Gefuumlhl der Benachteili-gungldquo verdeutlicht Rothmund Man koumlnne das haumlufig beobachten bei Tarifverhandlun-gen Ob sich jemand unzureichend bezahlt fuumlhle haumlnge nicht unbedingt vom absolu-ten Einkommen ab sondern mit wem sich die Personen und Gruppen vergleichen wuumlrden bdquoInsofern kann es selbst bei Per-sonen zum Gefuumlhl der Benachteiligung kommen die von anderen als sehr privile-giert wahrgenommen werdenldquo In der Psy-chologie wuumlrde man deshalb von relativer Deprivation sprechen ndash also das Gefuumlhl der Benachteiligung relativ zu einem gewissen Vergleichsstandard

Eine wichtige Rolle spielt auch das Kol-lektiv und die soziale Gruppe die sich als protestierende Gruppe versteht Rothmund fuumlgt an bdquoMan sieht in der Regel keine ein-zelnen Personen protestieren Protest geht gewoumlhnlich von sozialen Bewegungen ausldquo Beispiele dafuumlr waumlren die Anti-Atom-Bewegung oder Gewerkschaften bdquoOftmals schlieszligen sich Personen in sozialen Grup-pen zusammen um ein politisches Ziel zu erreichenldquo Wichtig fuumlr die Motivation sei ein Gefuumlhl des Zusammenhalts und fuumlr ein ge-meinsames Ziel einzustehen bdquoDesto groumlszliger

eine Protestbewegung ist desto eher ist sie auch ein Selbstlaumluferldquo konkretisiert Roth-mund Oft sei es so dass ein Protest erst eine kritische Masse erreicht haben muumlsse damit Buumlrger dabei sein wollen bdquoDie Pro-testbewegung fungiert hier als sinnstiften-de soziale Gruppeldquo

Der dritte Strang ist eher aus der Rational Choice-Theorie also dem rationalen Den-ken abgeleitet bdquoDie Bereitschaft zu protes-tieren haumlngt immer auch davon ab ob die Leute glauben dass es etwas bringt und ob sie mit dem Protest etwas erreichen koumln-nenldquo versichert Rothmund Das haumlnge auch stark von der Groumlszlige der Protestbewegung ab weil natuumlrlich eine groumlszligere Protestbe-wegung meist die Erwartung ausloumlse dass man mit dem Protest etwas erreichen koumln-ne Als Beispiel veranschaulicht Rothmund bdquoWenn zehn Leute in der Landauer Innen-stadt protestieren wuumlrde sich niemand da-fuumlr interessieren Wenn sie dagegen einen studentischen Protest mit 1000 Studieren-den organisieren dann waumlre sicherlich die Hoffnung bei jedem Teilnehmer groumlszliger damit etwas bewirken zu koumlnnenldquo Eine weitere Motivation koumlnne aber auch die Ak-tualitaumlt von Themen sein bdquoWenn ein Thema oder Projekt einen ungewissen Ausgang hat wird man wahrscheinlich eine groumlszligere Erwartung haben durch einen Protest oder eine Aktion etwas veraumlndern zu koumlnnen als wenn man weiszlig man steht mit seiner Mei-nung allein auf weiter Flurldquo

Tobias Rothmund erklaumlrt weiter dass sich Menschen darin unterscheiden wodurch

Protestbewegungen ndash Von Gerechtigkeit uumlber Kollektiv bis zur Rationalitaumlt

Stuttgart 21 Anti-Atom- oder Occupy-Bewegung ndash Leute gehen immer wieder auf die

Straszlige um fuumlr eine Sache einzutreten Aber woher kommt das Passend zu unserem

Schwerpunkt berichtet Junior-Professor Dr Tobias Rothmund wie die Psychologie im

Bereich Protestkultur forscht und warum Gerechtigkeit eine zentrale Rolle dabei spielt

13NeuLand 2014 03

sie zum Protest motiviert werden bdquoManche sind vielleicht rationaler und brauchen ein erreichbares Ziel andere moumlchten moumlgli-cherweise eher Teil einer Gruppe sein zu der ihr soziales Umfeld gehoumlrt Wieder an-dere sind besonders sensibel in Bezug auf Gerechtigkeit und Ungerechtigkeitldquo Man koumlnne diese oben angesprochenen drei Motivationen daher auch als Dimension fuumlr Persoumlnlichkeitseigenschaften verstehen die Menschen unterschiedlich stark moti-vieren koumlnnten

Der Wutbuumlrger von Stuttgart 21

Rothmund hat in diesem Jahr zusam-men mit den beiden Landauer Psycholo-gen Anna Baumert und Axel Zinkernagel einen wissenschaftlichen Artikel zu den durch Stuttgart 21 bekannt gewordenen bdquoWutbuumlrgernldquo publiziert bdquoWas wir bei Stutt-gart 21 untersucht haben betrifft vor allem die Dimension der Gerechtigkeitldquo erlaumlutert Rothmund Ausgehend von der generellen Annahme die bdquoWutbuumlrgerldquo seien eine kon-servative Personengruppe die in Stuttgart wohne sich vor allem um eigenen Besitz und egoistische Annehmlichkeiten sorge haben die drei Forscher bei einer Befragung Persoumlnlichkeitsmerkmale von Protestieren-den erfasst Dabei wollten sie die Persoumln-lichkeitsstruktur der Protestierenden besser verstehen Im Besonderen ging es ihnen um

die Frage inwiefern opfersensible Personen (also Menschen die sich selbst besonders leicht benachteiligt fuumlhlen) oder beobach-tersensible Personen (also Menschen die eher sensibel fuumlr die Benachteiligung ande-rer sind) eher protestierten Sie befragten zirka 1000 Buumlrger darunter Befuumlrworter Gegner und Unentschlossene von Stuttgart 21 Das Resultat bdquoLeute die opfersensibel sind haben gar nicht haumlufiger protestiert Das war interessanterweise genau umge-kehrt Es haben also eher Leute protestiert die sensibel dafuumlr sind dass andere benach-teiligt werdenldquo bemerkt Rothmund Das sei ein interessanter Befund da das eher darauf hindeuten wuumlrde dass Leute nicht nur ei-gennuumltzig fuumlr sich selbst engagiert sondern tatsaumlchlich fuumlr Mitbestimmung oder Ge-rechtigkeit in den Entscheidungsprozessen protestiert haumltten bdquoUnsere Ergebnisse ha-ben gezeigt dass die Leute die dort protes-tiert haben sich gegen ein intransparentes ungerechtes Verhalten der Autoritaumlten ge-wehrt haben und nicht gegen ihre eigene persoumlnliche Benachteiligungldquo verdeutlicht Rothmund

Auf die Frage ob zur Zeit eine Renaissance der Protestkultur vonstatten gehen wuumlrde stellt der Junior-Professor fest bdquoDas wird man erst spaumlter sagen koumlnnenldquo Eines wuumlr-de aber feststehen Durch das Internet sei die Organisation von Protesten sowie der Austausch von Informationen einfacher Da-durch wuumlrden Menschen viel schneller mo-bilisiert werden koumlnnen meint Rothmund(dan)

Wutbuumlrger

2010 kam zum ersten Mal das Schlagwort bdquoWutbuumlrgerldquoauf Gepraumlgt vom Spiegel-Journalisten Dirk Kurbjuweit beschreibt der Begriff eine vor-nehmlich aumlltere gebildetere und wohlhabende Personengruppe die sich mit Wut und Empoumlrung gegen politische Entscheidungstraumlger auflehnt

Demonstration auf dem Stuttgarter Schlossplatz am 18 Februar 2012

Literatur

Rothmund T Baumert A amp Zinkernagel A (2014) The German bdquoWutbuumlrgerldquo - How Justice Sensitivity Accounts for Individual Differences in Political Enga-gement Social Justice Research 27(1) 24-44

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Weiterbildung ist zentrales Thema fuumlr Claudia Ehrhardt Bei der Geschaumlftsfuumlhrerin der Arbeitsstelle der Weiterbildung der Wei-terbildenden (AWW) mit Sitz am Campus Landau laufen seit uumlber 14 Jahren die Faumlden der im Verein angeschlossenen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungseinrichtungen zusammen Fuumlr die Diplom-Paumldagogin sind die PIAAC-Ergeb-nisse ein eindeutiger Indikator dass bei der Grundbildung Erwachsener Handlungsbe-darf besteht Dass diese ndash ganz anders als die PISA-Ergebnisse ndash medial kaum aufgegriffen oder diskutiert wurden bilde den Stellen-wert der Weiterbildung in der Gesellschaft ab Dabei sind die dort getesteten Groumlszligen fuumlr ein erfolgreiches Arbeitsleben die Teilha-be an der heutigen Gesellschaft und die Pro-duktivitaumlt von Betrieben und Unternehmen bedeutsam

PIAAC (Programme for the International Assessment of Adult Competencies) ist die erste internationale Vergleichsstudie die zentrale Grundkompetenzen in der erwach-senen Bevoumllkerung beleuchtet Von Herbst 2011 bis Fruumlhjahr 2012 hat die Organisation fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Deutschland und uumlber 20 weiteren Laumlndern bei Erwachsenen im erwerbsfaumlhigen Alter von 16 bis 65 Jahren Lese- und alltagsmathematische Kompe-tenzen sowie technologiebasierte Problem-loumlsekompetenzen gemessen Das Ergebnis Deutschland liegt leicht unter dem OECD-Durchschnitt Allerdings schneiden juumlngere Erwachsene besser ab als aumlltere Vermutlich eine positive Folge der Bildungsanstrengun-gen nach PISA

PIAAC habe gezeigt dass auch im Erwach-senenalter gilt was fuumlr Schulkinder bittere Realitaumlt ist Das Bildungsniveau ist abhaumlngig von der Herkunftsfamilie bdquoWer uumlber keine gute Grundbildung verfuumlgt wird auch keine Weiterbildung machenldquo so Ehrhardt Und wer sich nicht weiterbildet faumlllt in der Ar-beitswelt zuruumlck Daher sei es erfreulich dass seit einigen Jahren verstaumlrkt in Projektfinan-zierungen im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung investiert werde so Ehrhardt

Moumlgliche Ruumlckschluumlsse aus den PIACC-Ergebnissen auf die Weiterbildung diskutier-ten Experten auf einer von Claudia Ehrhardt organisierten Fachtagung im Fruumlhjahr Der Tenor Die Professionalisierung der in der Weiterbildung taumltigen Paumldagogen Dozenten oder Trainer muss darauf setzen fuumlr die Ar-beit mit Bildungsverlierern entsprechend zu sensibilisieren ndash mit dem Ziel diesem abge-haumlngten Bereich eine Perspektive zu bieten Dieser Professionalisierungsaufgabe wird sich die AWW auch in Zukunft widmen

Weiterbildung ohne Raum und Zeit

Fuumlr die Arbeit des Zentrums fuumlr Fernstudi-en und Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) sieht Geschaumlftsfuumlhrer Dr Burkhard Lehmann aufgrund der PIACC-Ergebnisse keine unmit-telbaren Implikationen Denn die Teilnehmer der diversen Studiengang- und Kursangebo-te des ZFUW seien in der Regel die ohnehin bildungsaffinen Menschen die gewohnt sei-en sich zu qualifizieren Auf die Gruppe die

in PIAAC schlecht abgeschnitten habe seien die ZFUW-Bildungsangebote gar nicht zuge-schnitten

Das ZFUW hat als aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz seit uumlber 20 Jahren Erfahrung in der wissen-schaftlichen Weiterbildung bdquoWir haben uns mit dem Fernstudium und der Fernlehre fuumlr ein spezifisches Bildungsformat ent-schiedenldquo so Lehmann Denn dieses Format werde den Beduumlrfnissen der Bildungsinte-

Um die Kompetenzen Erwachsener beispielsweise im Lesen scheint es in Deutschland

nicht gut bestellt Das zumindest ist das Ergebnis der PIAAC-Studie Haben die Ergebnisse

Auswirkungen auf die Erwachsenenbildung NeuLand hat sich bei der Arbeitsstelle der

Weiterbildung der Weiterbildenden (AWW) und dem Zentrum fuumlr Fernstudien und

Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) erkundigt

Das ZFUW

Das Zentrum fuumlr Fernstudien und Universitaumlre Wei-terbildung (ZFUW) ist eine zentrale Einrichtung der Universitaumlt Koblenz-Landau Mit mehr als 21 Jahren Erfahrung ist das ZFUW die aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz Das ZFUW ist auf das Angebot postgradualer Fernstudien-gaumlnge spezialisiert veranstaltet daneben aber auch Weiterbildungen im Praumlsenzformat (z B Seminare)wwwuni-koblenz-landaudezfuw

Gute Grundbildung bedingt Weiterbildung

PIAAC-Studie

ressierten ohne Bindung an Raum und Zeit am meisten gerecht In Ballungsraumlumen wie Hamburg Muumlnchen oder Berlin wo sich die Kunden aus dem lokalen Umfeld akquirie-ren lassen funktionieren auch Praumlsenzan-gebote weiszlig Lehmann bdquoBefindet sich eine Einrichtung allerdings in einer Randlage operiert man besser auf der Ebene der Fern-lehre bei der die Organisation zum Teilneh-mer kommt und nicht der Teilnehmer zur Organisationldquo

15NeuLand 2014 03

Nutzen und Folgen des Internets

Das Schnuumlren zeitgemaumlszliger Themen und Inhalte ist zentral um das ZFUW wettbe-werbsfaumlhig zu halten Derzeit unterhaumllt es die Programmbereiche Umwelt Energie und Management Expertise holt sich das ZFUW vorrangig aus den eigenen Reihen der Ko-

gogikldquo Damit sollen Lehrerinnen und Leh-rer fit gemacht werden fuumlr den schulischen Alltag in Zeiten der Inklusion bdquoDie Laumlnder stellen zwar den Finanzbedarf fuumlr Inklusion in der Schule allerdings fehlt eine profun-de Qualifizierung der Lehrkraumlfteldquo erklaumlrt Lehmann den Ansatz des neuen Weiterbil-dungsprogramms Mit einem Kooperati-onspartner bereitet das ZFUW ein weiteres Programm vor bdquoBusiness Communications and Rhetoricldquo

Weiterbildung heute so wichtig wie noch nie

Fuumlr das berufliche Weiterkommen ist Wei-terbildung heute so zentral wie noch nie bdquoDie Halbwertszeit des Wissens wird immer kuumlrzerldquo bekraumlftigt Claudia Ehrhardt Die PIAAC-Studie habe daher auch gezeigt wie wichtig Kompetenzaufbau -erhalt und -er-weiterung in der Berufswelt seien Die zahl-reichen Innovationswellen im beruflichen Kontext gerade im EDV- oder Produktions-kontext lassen den Bedarf an Weiterbildung kontinuierlich steigen versichert Burkhard Lehmann Warum Menschen letztendlich sich fuumlr eine Weiterbildung entscheiden da-fuumlr gebe es drei zentrale Gruumlnde Lehmann unterscheidet zwischen Selbstperfektionie-rern Tool-Suchern und Karriere- oder Ab-schlussorientierten Der ersten Gruppe liegt daran die eigene Persoumlnlichkeit weiterzu-entwickeln und sich fuumlr private Interessen mehr Wissen anzueignen Die Tool-Sucher erweitern gezielt ihre Kompetenzen um

Die AWW

Die Arbeitsstelle fuumlr die Weiterbildung der Weiterbil-denden (AWW) foumlrdert die Zusammenarbeit zwischen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungsorganisationen Der bundesweit einzigartige Verein ist eine wichtige Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis im Bereich der Weiterbildung Gegruumlndet wurde die AWW 1998 auf Initiative des Ministeriums fuumlr Bildung Wissenschaft Weiterbil-dung und Kultur Die AWW hat ihren Sitz in Landau und ist der Universitaumlt Koblenz-Landau angegliedert Unter dem Motto bdquoBesser lehren lernenldquo organisiert die AWW Workshops und Fachtagungen fuumlr Personen die in der Weiterbildung taumltig sind wwwaww-landaude

blenzer und Landauer Wissenschaftler bdquoWir arbeiten aber auch konsortialldquo so Lehmann bdquound halten somit ein bestimmtes Know-how vor das an den Standorten unserer Uni-versitaumlt nicht verfuumlgbar istldquo Selbst wenn die Flexibilitaumlt bestehe auch nicht einschlaumlgige Themen zu vertreten entwickele das ZFUW vornehmlich Angebote im Kernbereich der Universitaumlt Koblenz-Landau

Derzeit arbeiten Lehmann und sein Team an dem neuen Programm bdquoInklusionspaumlda-

berufliche Herausforderungen meistern zu koumlnnen Vertreter der dritten Gruppe tum-meln sich vorwiegend im akademischen Feld Da man fuumlr die Ausuumlbung bestimmter Funktionen im beruflichen Aufstieg meist Bescheinigungen uumlber entsprechendes Wissen oder Kompetenzen benoumltigt ori-entiert sich deren Weiterbildungsbedarf an Abschluumlssen

Entsprechend unterscheidet Lehmann auch zwischen drei Weiterbildungsberei-chen die klassische die betriebliche und die wissenschaftliche Weiterbildung Die klassische Weiterbildung wird beispiels-weise von Volkshochschulen betrieben und richtet sich an ein breites Publikum Im betrieblichen Kontext sollen Arbeitnehmer ihre Kompetenzen erweitern und ihr Wissen erhoumlhen beispielsweise wenn Vertriebs-mitarbeiter im Umgang mit einem neuen Produkt geschult werden muumlssen oder eine neue Software im Unternehmen eingefuumlhrt wird Die wissenschaftliche Weiterbildung ermoumlglicht akademisch vorqualifiziertem Personal sich auf neue Aufgaben etwa als Fuumlhrungskraft vorzubereiten

Die Zeiten in denen Lernen mit dem Verlassen der Schule dem Abschluss der Ausbildung oder dem Universitaumltsexamen beendet war sind definitiv vorbei Wer im Berufsleben bestehen will wird um regel-maumlszligige Weiterqualifizierung nicht umhin kommen PIACC soll in einem Rhythmus von zehn Jahren wiederholt werden um ein Laumlngsschnitt-Bild der Entwicklung zu er-halten Man darf gespannt sein wohin sich die Kompetenzen deutscher Erwerbstaumltiger entwickeln (ket)

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Sprachbedrohung und Sprachentod

Sprachbedrohung und Sprachentod sind ein weltweites Phaumlnomen Linguisten ge-hen davon aus dass etwa alle zwei Wochen eine Sprache stirbt In 100 Jahren so schaumlt-zen Sprachforscher werden im besten Fall noch die Haumllfte dieser Sprachen existieren vielleicht aber auch nur noch zehn Prozent von ihnen Waumlhrend die 20 groumlszligten der zir-ka 6800 lebenden Sprachen von der Haumllfte der Weltbevoumllkerung gesprochen werden weisen die meisten Sprachen eine Gemein-schaft von nur wenigen hundert oder tau-send Sprechern auf Von bevorstehendem Sprachentod spricht man wenn eine Spra-che aufhoumlrt Muttersprache oder Erstspra-che zu sein ndash also dann wenn sie nur noch sekundaumlr erlernt wird und damit die noumltige Sprachpflege verliert Der endguumlltige Tod tritt ein wenn es keine Sprecher mehr gibt

Sprachbedrohung und Sprachentod fin-den auf allen Kontinenten statt und neh-men ein immer schnelleres Tempo auf je weiter die Globalisierung voranschreitet Viele andere Faktoren wie unter anderem starke Migrationsbewegungen Zuwande-rung und Urbanisierung sowie ein hohes Alter der Sprecher oder die geringe wirt-schaftliche Staumlrke einer Sprache wirken zudem auf den Sprachbestand ein Stark gefaumlhrdete Sprachen sind vor allem in den Regionen Nord- und Suumldamerika Austra-lien Asien Westafrika und in Nord- und Ostsibirien vorzufinden In diesen Regio-nen kommt es zur massiven Verletzung von Sprachenrechten

Anglistik-Professor Dr Martin Puumltz ist Linguist und beschaumlftigt sich mit Sprache und ihren vielfaumlltigen sozialen kulturel-len und psychologischen Auspraumlgungen Zusammen mit seiner Kollegin Dr Monika Reif hat er im Fruumlhjahr 2014 das 36 Interna-tionale LAUD Symposium organisiert das sich rund um das Thema Sprachbedrohung und Sprachentod drehte (siehe Infokasten) Puumltz erklaumlrt Sprache sei relevant da sie ein einzigartiger Schatz an Wissen Ideen und Weltansichten sei bdquoMit den fast 7000

Bevor sie verstummen hellipWeltweit existieren etwa 6800 Sprachen doch die Vielfalt nimmt rasant ab Was

bedeutet es wenn Sprachen sterben Was bleibt von einer Kultur uumlbrig wenn ihre Art

die Welt zu beschreiben wegfaumlllt und die Urahnen verstummen

Sprachen auf unserer Welt gibt es auch fast 7000 Arten die Welt auf unterschiedliche Art wahrzunehmen und sie zu beschreibenldquo erlaumlutert der Linguist Beispielsweise haben einige Sprachen der Ureinwohner Amerikas ein komplett anderes Zeitsystem Dinge in der Zukunft oder Vergangenheit auszudruuml-cken gehe in diesen Sprachen nicht mit den uns bekannten grammatikalischen Moumlg-lichkeiten

Sprache ist also nicht nur ein Mittel der Kommunikation sondern bietet einen tiefen Einblick in die Einstellungen und Wahrnehmungen gegenuumlber der Welt kon-serviert Traditionen und Geschichte einer Kultur und gibt einzigartiges Wissen an die naumlchste Generation weiter beispielsweise uumlber Heilmittel und Pflanzen aber auch Ge-fuumlhle Spiritualitaumlt und soziale Einsichten Es gibt so etwas wie eine kulturelle Identitaumlt und die wird maszliggeblich von Sprache ge-praumlgt Warum aber verschwinden so viele Sprachen von der Bildflaumlche Natuumlrlich gibt es viele aumluszligere Umstaumlnde warum Sprachen ihre Sprecher verlieren Gerade in der Kolo-nialzeit haben die Besatzer eine Vielzahl an Sprachen marginalisiert und unterdruumlckt teilweise wurden ganze Voumllker durch Krieg vernichtet z B durch die Kolonialisierung und Besiedlung Nord- und Suumldamerikas die Ausrottung indigener Voumllker in Australi-en oder durch die im 17 Jahrhundert einset-zende Russifizierungspolitik in Osteuropa im Kaukasus und in Sibirien Auch Natur-katastrophen wie Erdbeben oder Vulkan-ausbruumlche koumlnnen stark regional gepraumlgte Sprachen toumlten

Auch wenn Sprachwissenschaftler versu-chen bedrohte Sprachen durch Aufzeich-nung Uumlbersetzung sowie die Bewahrung und Verbreitung von Sprachaufzeichnun-gen zu dokumentieren erwecken sie diese dadurch nicht mehr zum Leben Mit No-tizbloumlcken und Aufnahmegeraumlten kann man zwar einen Teil des Wortschatzes der Grammatik und Aussprache festhalten in geringerem Maszlige jedoch Redewendungen

Gebraumluche und Beschreibungsmodelle fuumlr die Welt einfangen Nur wer eine Sprache muttersprachlich spricht kann ihre zahlrei-chen Facetten begreifen Sprachrevitalisie-rung gelingt nur in den seltensten Faumlllen Gegluumlckt ist dies beispielsweise beim mo-dernen Hebraumlisch Iwrith genannt das er-folgreich wiederbelebt und zur offiziellen Amtssprache Israels erhoben wurde Zu-meist ist der Sprachtod aber unwiderruflich

In aktuellen Faumlllen der Sprachbedrohung liege das Problem haumlufig nicht an der Um-welt sondern an anderer Stelle erklaumlrt Puumltz Wer einer Minderheitensprache maumlchtig ist hat oftmals das Gefuumlhl damit auf dem Bildungsweg oder im Berufsleben schlech-tere Chancen zu haben Eltern bestehen daher oft darauf dass ihre Kinder die indi-gene Sprache vernachlaumlssigen und statt-dessen eine dominante und wirtschaftlich starke Sprache wie Englisch Spanisch oder Franzoumlsisch zuerst erlernen bdquoSie geben da-mit eine verstaumlrkt negative Einstellung zur Muttersprache an die naumlchste Generation weiterldquo verdeutlicht Puumltz die Problemlage Der Globalisierungseffekt ist somit nicht zu unterschaumltzen denn waumlhrend z B das Eng-lische immer dominanter wird nimmt die Geringschaumltzung und damit einhergehende Vernachlaumlssigung indigener Sprachen wei-ter zu Um den Sprachentod aufzuhalten benoumltigt es also weniger Dokumentation als vielmehr eine grundlegende Aumlnderung der Einstellung zu Minderheitensprachen und indigenen Sprachen (rst)

Linguistic Agency University of DuisburgTrierLandau (LAUD)

Seit 1973 finden unter diesem Namen alle zwei Jahre Konferenzen zum Thema Sprache statt ndash zunaumlchst in Trier und Duisburg und seit 2000 in Landau Das 36 LAUD Symposium wurde im Fruumlhjahr 2014 zum Thema bedrohte Sprachen und Sprachentod veranstaltet Uumlber 90 Teilnehmer aus 25 Laumlndern besuchten die Veranstaltung

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Kinder- und Jugendhospitzarbeit

Wie lassen sich die Arbeit und das Zu-sammenleben in Kinder- und Jugendhos-pizen verbessern Wie werden Kinder und Jugendliche wirkungsvoll begleitet die an einer unheilbaren Krankheit leiden oder die einen Trauerfall in der Familie verar-beiten muumlssen bdquoBislang konnten sich die Einrichtungen ausschlieszliglich durch ein Qua-litaumltssiegel bewerten lassenldquo sagt Sven Jen-nessen Das bedeute harte generalisierte Bewertungsfaktoren bdquoDabei unterscheiden sich die Einrichtungen teilweise gravierendldquo So sei etwa die Nachfrage nach tuumlrkischer Sprachkompetenz in einigen Einrichtungen zwar sehr hoch ndash es gebe aber auch Einrich-tungen bei denen der Bedarf schlicht nicht erkennbar sei Hier muumlsse man individuell auf die Beduumlrfnisse der Einrichtungen der Mitarbeiter der Kinder und Jugendlichen sowie der Familien eingehen Fuumlr Jennessen ist dies nur eines von vielen Beispielen bei dem sich die Schwaumlche starrer Bewertungs-

kriterien zeigt Immerhin muumlsse gerade in diesem sensiblen Bereich der Mensch im Mittelpunkt stehen ndash und keine Checkliste

Deshalb ist der Qualitaumltsindex fuumlr Kin-der- und Jugendhospizarbeit QuinK auch bdquoandersldquo Der Fokus liegt nicht nur auf den Antworten sondern auch auf der Kom-munikation zwischen den Beteiligten also zwischen haupt- und ehrenamtlichen Mit-arbeitern mit Eltern Kindern und auch Geschwistern bdquoNachhaltige Qualitaumltsent-wicklung funktioniert nur durch Kommuni-kation aller Beteiligtenldquo so der Ansatz von Sven Jennessen Und damit sind auch die Juumlngsten gemeint bdquoWir sehen die Kinder als Experten in eigener Sache anldquo erklaumlrt Stefanie Hurth Gerade die Einbeziehung der Geschwister stelle derzeit bei vielen Einrichtungen ein Problem dar Denn die muumlssten bei einer todbringenden Krank-heit der Schwester oder des Bruders haumlufig zuruumlckstecken Nur selten bleibe das ohne

Konflikte wodurch sie im schlimmsten Fall die Moumlglichkeit versaumlumten sich von ihren Geschwistern zu verabschieden bdquoHier gibt es kein Schema F Viel wichtiger ist dass die Betroffenen sich austauschen die Themen aufgreifen und dann Loumlsungen entwickelnldquo sagt Hurth

Der QuinK soll durch seine zur Reflexion anregenden Fragen diese Kommunikati-on ermoumlglichen und eine Art Diskussions-Agenda darstellen Daher wurde QuinK in den vergangenen Monaten in drei stationauml-ren Kinder- und Jugendhospizen und zwei ambulanten Kinderhospizdiensten getes-tet Jennessen und Hurth besuchten die Einrichtungen in Unna Duumlsseldorf Syke Darmstadt und Wiesbaden regelmaumlszligig bdquoDer QuinK ist nicht am gruumlnen Tisch ent-standenldquo sagt Sven Jennessen

Das Team aus Landauer Wissenschaftlern wurde unterstuumltzt vom Deutschen Hospiz- und Palliativverband (DHPV) Mit diesem zusammen wurden zwoumllf Grundsaumltze fuumlr die Arbeit von Kinder- und Jugendhospizen verfasst Das seien komplexe Themen von der Betreuung der Kinder bis zur Oumlffentlich-keitsarbeit fuumlr die jeweils ein aus den drei Kategorien Haltung Strukturen und Prak-tiken bestehender Fragebogen entstan-den ist bdquoEinige Fragen die wir als wichtig erachtet hatten wurden in der Praxis nicht angenommen Andere wiederum haben wir ergaumlnzt Jetzt ist der QuinK fitldquo ist Stefanie Hurth stolz auf das Ergebnis Und Sven Jen-nessen ergaumlnzt bdquoDie Ruumlckmeldungen waren insgesamt sehr positivldquo

Nun soll der QuinK Verbreitung finden Fachvortraumlge auf Konferenzen Artikel in Fachzeitschriften Die Arbeit des Jennessen-Teams ist noch laumlngst nicht abgeschlossen bdquoWir haben aber gute Startvoraussetzun-gen schlieszliglich waren die Praktiker vom DHPV von Anfang an an Bordldquo so Jennes-sen (kap)

QuinK neuer QualitaumltsindexEin neuer Index soll die Betreuung in Kinder- und Jugendhospizeinrichtungen verbessern

Dieser Aufgabe haben sich Professor Dr Sven Jennessen und Stefanie Hurth vom Institut

fuumlr Sonderpaumldagogik in den letzten Monaten gewidmet Nun praumlsentieren sie das

Ergebnis ihrer Arbeit den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit kurz QuinK

Ein Jahr lang hat Stefanie Hurth den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit getestet Nun ist der bdquoQuinKldquo fertig und soll im Oktober in die Praxis gehen

18 NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Nach der neuen Gallup-Studie ist die Ar-beitszufriedenheit zwar im Vergleich zum letzten Jahr gestiegen trotzdem kritisch Nur wenige Menschen fuumlhlen sich bei ihrer Arbeit wertgeschaumltzt Sie suchen stattdes-sen ihr Gluumlck in der Freizeit Hinzu kommt ein dramatischer Anstieg von psychischen Erkrankungen wie dem Burnout-Syndrom Wie kann man mit diesen Gefahren umge-hen

Eine potenzielle Loumlsung liegt im Bereich der positiven Psychologie Sie befasst sich damit unter welchen Umstaumlnden Personen Wohlbefinden Gluumlck und Zufriedenheit erleben Waumlhrend sich vor den 90er Jahren die Sozial- und Verhaltenspsychologen vor allem mit den Defiziten beschaumlftigt haben untersucht man seit 1998 psychologische Prozesse die dazu fuumlhren dass Menschen zufrieden und gluumlcklich und dadurch leis-tungsfaumlhiger sind

Ottmar L Braun ist auszligerplanmaumlszligiger Professor in der Arbeitsgruppe Sozial- und Wirtschaftspsychologie am Campus Landau und befasst sich mit positiver Psycholo-gie Zur Thematik Unzufriedenheit im Job bekraumlftigt er bdquoDie Forschung hat deutlich gezeigt dass sich Techniken der positiven Psychologie vorteilhaft auf die Arbeits- und Lebenszufriedenheit auswirkenldquo Besonders interessant sei das fuumlr Krankenkassen da sie sich mit Krankheit und Gesundheit ausei-

nandersetzen und auch als erste die Kosten von langfristigen Ausfaumlllen zum Beispiel durch Burnout tragen muumlssen Braun wei-ter bdquoDann muumlssen die sich natuumlrlich fragen Wie kommt dasldquo

Braun meint Arbeit duumlrfe nicht krank machen Arbeit muumlsse eher die Moumlglich-keit bieten dass man sich positiv entfalten koumlnne Deshalb muumlssten sich Arbeitgeber darum bemuumlhen dass die Leute mit mehr Spaszlig zur Arbeit kommen bdquoDaruumlber hinaus muumlssen Arbeitnehmer Aufgaben bekom-men um ihre Staumlrken ausleben zu koumlnnenldquo Er konkretisiert bdquoSie brauchen Aufgaben an denen sie persoumlnlich wachsen wo sie quasi aufbluumlhen koumlnnenldquo

In der positiven Psychologie sei der Begriff bdquoaufbluumlhenldquo elementar denn bdquoWenn Per-sonen etwas geleistet haben sprich Ziele erreichen dann sind sie zufriedener und haben wenig handlungsirrelevante Kogniti-onen oder Ablenkung Sie koumlnnen sich wie-der auf ihre Aufgaben konzentrieren und dadurch mehr leistenldquo begruumlndet Braun Zufriedenheit am Arbeitsplatz habe aber auch immer etwas mit der Entwicklung von Fuumlhrungskraumlften zu tun Nach Braun muumlss-ten sie darauf achten dass sie ihr Team ge-sund fuumlhren bdquoKrankenkassen wie die AOK Rheinland-PfalzSaarland bieten deshalb extra Programme dafuumlr an an denen wir als Team der Universitaumlt Koblenz-Landau

beteiligt sindldquo Eine weitere Moumlglichkeit fuumlr Arbeitgeber sieht Braun in regelmaumlszligigen Mitarbeiterbefragungen bdquoIm Rahmen von Folgeprozessen kann man dafuumlr sorgen dass zufriedenstellende Arbeitsbedingun-gen vorhanden sind und Missstaumlnde abge-schafft werdenldquo

Allerdings sei die Schuld nicht nur beim Arbeitgeber zu suchen Auch die Mitar-beiter sollten darauf achten ob sie an der richtigen Stelle im Unternehmen eingesetzt oder ob sie vielleicht irgendwo anders bes-ser aufgehoben seien Braun stellt klar bdquoVor der innerlichen Kuumlndigung sollte Unzufrie-denheit konstruktiv zum Ausdruck gebracht werden um dann vielleicht an einer sinn-volleren Stelle eingesetzt zu werdenldquo

Der Professor bemerkt dass die positive Psychologie allerdings nichts Neues sei bdquoIn der Arbeits- und Organisationspsychologie in der wir uns hier bewegen haben Wissen-schaftler ja schon immer das Thema Arbeits-zufriedenheit untersuchtldquo Es sei von daher ein ganz altes Forschungsgebiet welches nun durch die positive Psychologie neu be-reichert werde

Spielend zum GluumlckBraun hat an der Universitaumlt eine eige-

ne Studie zur Zufriedenheit durchgefuumlhrt

Unzufrieden im Job Positive Psychologie kann helfen

Viele kennen es Wenn Montagmorgen der Wecker klingelt faumlllt das Aufstehen oft

schwer besonders wenn man unzufrieden mit seiner Arbeit ist Aber warum ist man

unzufrieden und wie kann positive Psychologie dabei helfen die Unzufriedenheit zu

uumlberwinden NeuLand hat mit dem Professor fuumlr Wirtschaftspsychologie Dr Ottmar L

Braun uumlber die Psychologie der positiven Dinge gesprochen

19NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Dabei wurden Studierende einen Tag lang in Techniken der positiven Psychologie un-terrichtet bdquoAuszligerdem haben sie ein Gluumlcks-tagebuch bekommen bei dem sie ihre Gluumlcksmomente niederschreiben koumlnnen und einiges uumlber Smalltalk und Networking gelerntldquo Die Ergebnisse wuumlrden zeigen dass sich die Zufriedenheit der Studieren-den kurzfristig aber auch langfristig positiv veraumlndere Zudem seien ihr Optimismus und die Studienmotivation angestiegen depressive Verstimmungen gesunken Braun verdeutlicht bdquoAlles so wie man sich das wuumlnschtldquo

In seiner Forschung versucht er eine Bruuml-cke zu schlagen zwischen Techniken der positiven Psychologie und Techniken des Selbstmanagements Das wuumlrde gut pas-sen denn auch in der positiven Psychologie wuumlrden oft Tipps gegeben wie man etwas angehen solle versichert Braun Eine ganz prominente Uumlbung beim Selbstmanage-ment und in der positiven Psychologie sei die bdquoWas ist gut gelaufen-Uumlbungldquo Dabei geht es darum dass man am Abend uumlber-legen soll welche drei Dinge am Tag gut gelaufen sind und welche seiner Staumlrken es waren die dazu beigetragen haben Das sei eine Uumlbung die in der gesamten Literatur empfohlen werde Der Namensgeber der positiven Psychologie Martin Seligman habe zeigen koumlnnen dass die Anwendung

dieser Uumlbung dazu fuumlhre dass Leute nach sechs Monaten weniger depressiv seien Seligman fuumlhre das darauf zuruumlck dass das eine selbstverstaumlrkende Wirkung habe so Braun bdquoDie Leute merken dass sie sich bes-ser fuumlhlen wenn sie daruumlber nachdenken was heute gut gelaufen ist und warum Und deshalb wiederholen sie den Vorgangldquo Es habe dadurch eine langfristige Wirkung

Brauns neuestes Aushaumlngeschild ist ein Brettspiel namens bdquoCareer Games ndash spie-lend trainierenldquo bdquoWir haben Seminare ent wickelt bei denen wir Selbstmanage-ment-Kompetenzen in verschiedenen Le-bens- oder Inhaltsbereichen von Personen staumlrken koumlnnen Dazu dient auch ein Brett-spiel bei dem die Teilnehmer verschiedene Inhaltsbereiche der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder auch Smalltalk und Networking spielend erlernenldquo Jeder Spieler bekomme im Spiel eine Figur und muumlsse seinen Weg durch das Spielfeld wuumlrfeln so Braun bdquoAuf den Fel-dern muumlssen sie dann Quizkarten ziehen die das im Seminar Gelernte noch einmal aufarbeitenldquo Dabei muumlssten sie beispiels-weise drei Dinge nennen die sie in ihrem Leben gluumlcklich machen bdquoDurch den Spiel-charakter lernt man mehr als nur uumlber Se-minareldquo Mit Erfolg Erste Untersuchungen zeigen positive langfristige Effekte durch die Seminar-Brettspiel-Kombination (dan)

Tipps fuumlr die positive Fuumlhrung von Ottmar Braun

Fuumlhrungskraumlfte muumlssen eine gute zwischenmensch-liche Beziehung zu jedem einzelnen Mitarbeiter unterhalten Sie muumlssen auch verbindliche Aussagen machen und zu diesen Aussagen stehen Des Weiteren sollte ein Chef seine Angestellten unterstuumltzen wenn es notwendig ist Wichtig ist auch keinen unnoumltigen Druck aufzubauen sondern Staumlrken von Mitarbeitern kennen zu lernen und zu foumlrdern Von Vorteil koumlnnen auch Begruumlszligungs- und Krankenruumlckkehrgespraumlche sein Es koumlnnte ja sein dass die Krankheit etwas mit den Arbeitsbedingungen zu tun hat Natuumlrlich sind auch Teamsitzungen und Teambildungsmaszlignahmen von groszliger Bedeutung um ein angenehmes Arbeits-klima herzustellen

Spielend lernen Mit dem Brettspiel bdquoCareer Gamesldquo erlernen die Spieler verschiedene Inhalte der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder Smalltalk und Networking

20 NeuLand 2014 03

Psychotherapie-Ambulanz

Wie eine Baustelle sieht die psychothera-peutische Uni-Ambulanz nicht mehr aus Den Abdeckplanen sind bunte Stuumlhle und Stofftiere gewichen im Eingangsbereich liegen Fachmagazine und das Buumlro von Professorin Dr Tina In-Albon ist bereits voller Buumlcher Und doch bdquoist hier noch alles Baustelleldquo so die Professorin fuumlr Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kin-des- und Jugendalters Nach Therapeuten werde noch gesucht die ersten Behandlun-gen seien angelaufen Forschungsprojekte in Planung bdquoEine spannende Phaseldquo bekraumlf-tigt die Ambulanzleiterin

Von nun an wird sich das zehnkoumlpfige Team um die Professorin In-Albon und Ge-schaumlftsfuumlhrerin Dr Daniela Schwarz mit den psychischen Erkrankungen der suumld-pfaumllzer Kinder und Jugendlichen befassen Die Kosten fuumlr die psychotherapeutische Behandlung uumlbernehmen bei Indikation die Krankenkassen Hinzu kommt ein wei-terbildender Studiengang zur Ausbildung in Kinder- und Jugendlichenpsychothe-rapie der im Wintersemester 201415 mit zwoumllf Teilnehmern pro Jahrgang startet In Rheinland-Pfalz ist die Universitaumlt Kob-lenz-Landau in diesem Bereich die einzige universitaumlre Ausbildungsstaumltte Neben der hauseigenen Ambulanz kooperiert der Studiengang mit dem Pfalzklinikum in Klin-genmuumlnster sowie anderen kinder- und ju-gendpsychiatrischen Kliniken in der Region

Kaum eroumlffnet schon stehen die ersten Forschungsprojekte an Derzeit liegt ein Fokus in der Behandlung von Angststoumlrun-gen und Depressionen bdquoVielen Depressio-nen gehen Aumlngste voraus Daher lohnt es diese beiden zusammen zu betrachtenldquo so

Tina In-Albon Laut Statistik leiden zirka 20 Prozent der Erwachsenen und zirka 10 Pro-zent der Kinder unter Angststoumlrungen bei Depressionen sind es sogar 40 Prozent der Erwachsenen und im Jugendalter auch be-reits zwischen 15 und 20 Prozent In Planung befindet sich daher eine Therapiestudie fuumlr Jugendliche mit Angst- und depressiven Stoumlrungen Ein weiterer Forschungsbereich ist das nicht-suizidale selbstverletzende Verhalten im Volksmund auch als bdquoRitzenldquo bekannt bdquoDa machen wir eher Grundla-genforschungldquo so die Professorin Ein spe-zifisches Therapieangebot gebe es derzeit noch nicht ndash bdquodas kann sich aber alles noch entwickelnldquo

Einen weiteren Forschungsschwerpunkt stellt die psychische Gesundheit bei Kindern mit Diabetes dar insbesondere bei Diabetes vom Typ I der im Gegensatz zum bdquoAltersdi-abetesldquo II auch bei Kindern und Jugendli-chen verbreitet ist bdquoHier wissen wir uumlber

Erste Forschungsprojekte stehen an

Ende Juni offiziell eingeweiht hat die Psychotherapie-Ambulanz fuumlr Kinder und Jugend-

liche die Arbeit aufgenommen Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen

haben nun in Landau eine neue Anlaufstation Und auch die Forschung profitiert von der

Einrichtung

die medizinische Forschung zwar schon eine Mengeldquo sagt Tina In-Albon aber aus psychologischer Sicht sei das Thema noch relatives Neuland Wie etwa sieht es bei der psychologischen Betreuung der Kinder aus aber auch der Eltern der Lehrer und sons-tiger zentraler Bezugspersonen Wird die Krankheit und deren Umgang akzeptiert Wie koumlnnen Psychotherapeuten helfen Auch hier schlummert ein Forschungspo-tenzial fuumlr In-Albon bdquoVieles ist im Aufbauldquo sagt sie beschwichtigend Und doch laumlsst sie im Gespraumlch mit NeuLand durchblicken dass sie auch auf diesem Gebiet noch inten-siver forschen moumlchte

Neben der Forschung ist die Hochschul-ambulanz auch in die Lehre im Rahmen des Masterstudiengangs Klinische Psychologie eingebunden So werden die Studierenden beispielsweise in die Diagnostik einbezogen und koumlnnen unter Supervision in Patienten-gespraumlchen Praxiserfahrung sammeln (kap)

In der neuen Universitaumltsambulanz fuumlr Kinder und Jugendliche wird die ganze Palette der psychischen Stoumlrungen behandelt

21NeuLand 2014 03

Wenn man sich seine Dozenten auszligerhalb der Universitaumlt vorstellt dann ist es wohl in einem Sessel vor einem uumlberfuumlllten Buumlcher-regal mit einem wissenschaftlichen Buch in der Hand vielleicht noch mit einem Hund zu den Fuumlszligen Wenige Studenten glauben dass ihre Dozenten moumlglicherweise eine spannendere Freizeitgestaltung haben als sie selbst

Bei Walter H Schreiber ist das aber so Seit dem Sommer 2013 ist er 3D-Bogenschuumltze 3D-Bogenschieszligen bedeutet nicht dass man mit einer 3D-Brille und einem virtu-ellen Bogen bewaffnet auf herannahende Tiere oder Aliens schieszligt Eigentlich ist das 3D-Bogenschieszligen vielmehr die Wieder-entdeckung des sportlichen Jagens mit Pfeil und Bogen ohne einem Tier Schaden zuzufuumlgen Es erinnert an eine Art Golf Der Schlaumlger wird zum Bogen der Ball zum Pfeil und statt eines Abschlags hat man einen Abschuss-Punkt Das Ziel ist aber kein Loch sondern zum Beispiel ein Fasan oder eine Riesenspinne welche von Vereinsmitglie-dern angefertigt und im Parcours platziert wurde

Schreiber ist seit Dezember Mitglied beim Verein Palatina Bogenschuumltzen eV in Ins-heim suumldlich von Landau Davor absolvierte er bereits einen Pfeil und Bogen-Intensiv-kurs in der Eifel bdquoDamit sich nicht bereits am Anfang grobe Fehler einschleichenldquo bekraumlf-tigt Schreiber Sein Sohn sei auch Bogen-schuumltze habe aber unabhaumlngig von ihm zur selben Zeit angefangen Auf die Frage wa-rum er nicht das klassische von Olympia be-kannte Bogenschieszligen ausuumlbe antwortet Schreiber bdquoDa gibt es zu viele Regelnldquo Au-szligerdem sei er ein intuitiver Schuumltze welcher ndash im Gegensatz zum strategischen Schuumltzen ndash sich voll und ganz auf seine Erfahrung und sein Bauchgefuumlhl verlasse Zwar ist Schrei-ber schon seit einem Jahr leidenschaftlicher Bogenschuumltze trotzdem gilt er im Verein

Entspannung vom AlltagWaumlhrend die Studierenden fast immer wissen ob ein Dozent freundlich oder streng ist

koumlnnen sich nur wenige vorstellen was diese mit ihrer Freizeit anfangen NeuLand war

einen Abend mit Dr Walter H Schreiber unterwegs Sein Hobby das 3D-Bogenschieszligen

noch als Anfaumlnger bdquoDeswegen behalte ich meine Ergebnisse bei Wettkaumlmpfen lieber fuumlr michldquo bemerkt er schmunzelnd

Sicherheit sei sehr wichtig betont Schrei-ber So muss sich jeder Schuumltze vorab in einem Schieszligbuch eintragen um zu sehen wie viele Leute auf dem Parcours unter-wegs sind Aus gutem Grund Auf dem 500 Meter langen und mit 28 Zielen bestuumlckten Parcours kann man leicht den Uumlberblick verlieren Zwei bis drei Stunden dauert die Durchquerung des Kurses Manchmal machen es abgeknickte Aumlste und ein rut-schiger Untergrund gar nicht so einfach die Ziele zu treffen Trotzdem wuumlrden die meisten Unfaumllle nicht beim Schieszligen selbst passieren sondern beim Herausziehen der Pfeile aus den Koumlrpern der Ziele meint Schreiber Ein Vereinskollege ergaumlnzt bdquoWich-

tig ist uns dass wir das 3D-Bogenschieszligen nicht als Vorstufe zur Jagd mit Pfeil und Bogen sehen Es ist vielmehr ein Sport bei dem man sich deutschlandweit mit anderen Schuumltzen messen kannldquo Im Gegensatz zum klassischen Bogenschieszligen schieszlige man nicht auf langweilige Zielscheiben sondern durchlaufe einen interessanten Parcours

Fuumlr Schreiber ist das Bogenschieszligen Ent-spannungskur vom alltaumlglichen Uni-Stress bdquoNach der Arbeit auf den Parcours zu gehen befreit meinen Kopfldquo Verstaumlndlich denn das leise Zischen des Pfeiles und die Ruhe im gruumlnen naturbelassenen Gelaumlnde hat etwas Erholendes Auszligerdem hat Schreiber beim Verein Palatina Freunde gefunden mit denen er an fast jedem Donnerstag und Sonntag durch den Parcours streift ndash auf der Jagd nach kuumlnstlichen Tieren (dan)

Hobby 3D-Bogenschieszligen

Beim 3D-Bogenschieszligen findet Walter H Schreiber Entspannung vom alltaumlglichen Uni-Stress

22 NeuLand 2014 03

Summer School

In der Reihe bdquoE-Mail aus hellipldquo berichtet Sozialwissenschafts-Student Daniel Schumacher

von der Summer School aus dem polnischen Wroclaw

Liebes NeuLandCześćaus Wroclaw Manchmal reicht ein

akademischer Kurz-Urlaub um ein Land und die

Leute lieben zu lernen

Zum Ende meiner akademischen Laufbahn wollte

ich das Studentendasein noch einmal voll und

ganz genieszligen und habe mich entschlossen eine

Summer School zu besuchen Fast jeder unserer

Fachbereiche bietet so etwas an Fuumlr mich ging die

Reise unter der Leitung von Professor Dr Siegmar

Schmidt (Politikwissenschaften) nach Wroclaw Polen

Erasmus-finanziert begann meine Hinfahrt in einem

Fernbus von Karlsruhe direkt nach Breslau so der alte

deutsche Name fuumlr Wroclaw

Hier angekommen bezogen wir ndash meine Wenigkeit

mit sieben anderen Deutschen ndash unsere Zimmer in

einem Studentenwohnheim oder wie ich es nenne

bdquoPlattenromantik-Hotelldquo Von auszligen neu gestrichen

verspruumlhte das Haus von innen den gesamten

Ostblock-Charme der Kalten-Krieg-Aumlra Das war

fuumlr mich aber auch das einzig Negative waumlhrend

meiner zweiwoumlchigen Summer School Bereits

am ersten Tag lernten wir beim bdquoget-togetherldquo

die anderen Teilnehmer kennen 70 Studenten

aus uumlber acht Laumlndern wollten mehr uumlber die

europaumlische Finanzkrise lernen und ndash wie ich ndash neue

Freundschaften knuumlpfen

Ab dem zweiten Tag war unser neues Zuhause ein

Houmlrsaal beim Institut fuumlr Politikwissenschaft Dort

E-Mail aus hellip Wroclaw

lernten wir wie verschiedene europaumlische Staaten mit

der Finanzkrise zu kaumlmpfen hatten und stellten jeweils

unsere Laumlnder selbst vor

Nach der ersten Woche wurden wir in verschiedene

Gruppen aufgeteilt um uumlber Innovation im

oumlffentlichen und privaten Sektor zu forschen

Forschen bedeutete dabei dass wir polnische

Buumlrger interviewten die entweder im privaten oder

oumlffentlichen Bereich taumltig sind Mein bdquoResearch-Haufenldquo

war bunt gemischt ndash von Belgiern uumlber Rumaumlnen

bis hin zu Ukrainern Ohne Verstaumlndigungsprobleme

meisterten wir unseren Arbeitsauftrag was am letzten

Tag feucht-froumlhlich mit allen gefeiert wurde

Am Ende moumlchte ich noch eine Lanze fuumlr die Stadt

Wroclaw und das Land Polen brechen Wir wurden

sehr herzlich aufgenommen Die Stadt mit ihrer

(deutschen) Geschichte war atemberaubend Nicht

nur die alten Gebaumlude haben es mir angetan sondern

die Atmosphaumlre rund um den historischen Stadtkern

Ich habe in diesen zwei Wochen sehr viele Menschen

kennen gelernt einige wuumlrde ich nun als enge Freunde

bezeichnen Das erste Wiedersehen mit Studenten aus

Belgien und Tschechien ist bereits geplant

Bis bald im guten alten Landau

euerDaniel Schumacher

23NeuLand 2014 03

Hochschulgruppe

Eigentlich kommt Cornelia Spengler aus einem ganz anderen Fachgebiet Nach ih-rem Biologiestudium am Karlsruher Insti-tut fuumlr Technologie promoviert sie derzeit in Landau im Fachbereich Natur- und Um-weltwissenschaften Aber auch an sozialer Arbeit hatte sie schon immer Interesse Sie wollte sich nicht nur mit der Wissenschaft beschaumlftigen sondern mit Menschen zu-sammenarbeiten So entdeckte sie fuumlr sich ein sensibles Thema die Integration und Bildungsgerechtigkeit

Cornelia Spengler wollte nicht nur reden sondern handeln In der SchuumllerNavi-Grup-pe in Aachen fand sie ein Vorbild nach dem sie am Campus Landau gemeinsam mit Stu-dentin Sylvia Klaus eine Hochschulgruppe aufbaute Ziel sollte es sein Schuumller zu foumlr-dern die durch ihre mangelnden Deutsch-kenntnisse in der Schule Probleme haben und deren Eltern das Geld fuumlr Nachhilfe nicht aufbringen koumlnnen bdquoWenn die Eltern zu Hause kaum Deutsch sprechen haben die Kinder dort auch wenig Unterstuumltzung fuumlr die Schule Diktate zu uumlben ist dann schlichtweg nicht moumlglichldquo erklaumlrt Speng-ler

SchuumllerNavi bietet neben Hausaufgaben-betreuung und Nachhilfeunterricht auch kulturellen Austausch Mittlerweile betei-ligen sich in der Hochschulgruppe uumlber 20 Studenten die den Schuumllern in schulischen

Aktive Arbeit statt bloszlige TheorieUumlber Integration zu reden bringt nicht viel Sie muss gelebt werden Darum gruumlndete die

Landauer Doktorandin Cornelia Spengler mit Studentin Sylvia Klaus die Hochschulgruppe

SchuumllerNavi die immer mehr Mitglieder zaumlhlt Wie man Integration foumlrdern kann und was

den Ehrenamtlichen ihre Arbeit bringt daruumlber sprach sie mit NeuLand

Belangen zur Seite stehen ihnen das Uni-Leben zeigen und ihnen zuhoumlren wenn sie Probleme haben

Spengler selbst betreut zwei Bruumlder mit tamilischen Wurzeln Um Beruumlhrungspunk-te zu schaffen die fuumlr den Aufbau eines Ver-trauensverhaumlltnisses wichtig sind hat sie mit den Jungs auf dem Campus beispiels-weise gemeinsam mikroskopiert Einer der beiden Bruumlder war stark versetzungsgefaumlhr-det und hat es nun in die naumlchste Klasse geschafft Ein Stuumlck weit schreibt sie diesen Erfolg SchuumllerNavi zu

bdquoSchwierig ist es zu unterscheiden welche Kinder wirklich der Foumlrderung beduumlrfenldquo so Spengler In Konkurrenz mit Nachhilfe-Firmen will die Gruppe nicht treten Ziel-gruppe sind Kinder die in der Schule haumlufig nicht ausreichend gefoumlrdert werden und deren Eltern sich keine professionelle Nach-hilfe leisten koumlnnen Daher hat SchuumllerNavi Kooperationen mit sozialen Institutionen Landaus die ihnen die Kontakte weiterver-mitteln bdquoDer Bedarf ist riesig Wir koumlnnen ihn gar nicht deckenldquo berichtet Spengler Daher ist die Hochschulgruppe auch staumln-dig dabei neue Mitglieder zu werben

Fuumlr die Zukunft plant die Hochschul-gruppe eine weitere Kooperation mit ELKE (Eltern Kompetenzen erlernen) um die El-tern weiterzuschulen beispielsweise mit Sprachkursen Dadurch sollen diese ihren

Kindern besser bei schulischen Aufgaben selbst helfen koumlnnen

Neben dem Gefuumlhl etwas Gutes zu tun sieht Spengler aber auch andere Vorteile fuumlr das Ehrenamt Gerade Lehramtsstu-denten koumlnnen sich hier ausprobieren und paumldagogische Konzepte umsetzen die sie aus der Theorie kennen Jeder koumlnne viel lernen erklaumlrt sie Man uumlbe hier nicht nur den Umgang mit Kindern und Jugendli-chen sondern lerne auch viel uumlber fremde Kulturen Sie selbst habe von ihren zwei Nachhilfeschuumllern bereits viel uumlber Feierta-ge und Sitten ihrer Kultur aber auch einzel-ne Vokabeln ihrer Sprache gelernt Und die Schuumller seien sehr interessiert an deutschen Gebraumluchen und Eigenarten

Fuumlr das ehrenamtliche Engagement hat SchuumllerNavi bereits Preise bekommen Bei der Initiative fuumlr Integration von bigFM be-legten sie den dritten Platz Das Preisgeld investierte die Gruppe unter anderem um mit ihren Schuumllern die Zooschule zu besu-chen In diesem Jahr erhaumllt SchuumllerNavi zu-dem den Campus-Kulturpreis des Campus Landau

bdquoMan redet immer uumlber Integration Von Menschen mit Migrationshintergrund wird erwartet sich hier zu integrieren Aber das liegt ja auch an uns Man muss sie auf die-sem Weg unterstuumltzenldquo erklaumlrt Doktorandin Spengler (rst)

Termine ImpressumHerausgeberReferat fuumlr Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit der Universitaumlt Koblenz-Landau Campus Landau Fortstraszlige 7 76829 Landau

RedaktionsteamKerstin Theilmann (ket) (verantw) Berend Barkela (bb) Wilfried Dorsch (wdo) Sebastian Kapp (kap) Daniel Schumacher (dan) Rosa Stecher (rst)

LayoutMedienzentrum Campus Landau Berend Barkela

FotosTitel Imago Fotoarena S 2 S 3 privat S 5 Imago Xinhua S 7 oben kanvag - Fotoliacom S 7 unten Medienzentrum Hiller S 9 Imago ITAR-TASS S 10 Imago Steinach S 11 Imago DeFodi S 13 Imago PPfotodesign S 15 JiSign - Fotoliacom S 17 Medienzentrum Hiller S 19 Medienzentrum Barkela S 20 Medienzentrum Hiller S 21 und 22 Daniel Schumacher

KontaktKerstin TheilmannTel 06341 280-32219 E-Mail theiluni-koblenz-landaude

Aus Gruumlnden der besseren Lesbarkeit verwenden wir in unseren Artikeln die maumlnnliche Form Damit sind stets Frauen und Maumlnner gemeint

Die Redaktion behaumllt sich die Kuumlrzung und Uumlberarbeitung von Texten vor Die Meinung einzelner AutorinnenAutoren gibt nicht immer die Meinung der Redaktion wieder

28101014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Florian Ostertag Atrium Infos unter wwwasta-landaude

05112014 ab 2130 Uhr Atriumsfete Infos unter wwwasta-landaude

06112014 20 Uhr Poetry Slam Landau Universum Kinocenter Infos unter wwwzkwuni-landaude

19112014 1930 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Friedensprojekt Europa in der Krise Mit Bundesministerin aD Heidemarie Wieczorek-Zeul und weiteren Gaumlsten Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

19112014 21 Uhr Konzert bdquoBeats und Pianoldquo Audimax Infos unter wwwasta-landaude

1122014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Unland Atrium Infos unter wwwasta-landaude

03122014 19 Uhr Hambacher Gespraumlch Meine Daten gehoumlren den Unternehmen Hambacher Schloss Infos unter wwwfliuni-landaude

05122014 1930 Uhr Reihe bdquoGroszlige Begegnungenldquo mit Sternekoch Alfons Schubeck Jugendstil-Festhalle Landau Infos unter wwwzkwuni-landaude

08122014 1900 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Frieden durch Demokratie Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

Ausblick 13 - 15012015 Poetik-Dozentur mit Rafik Schami Infos unter wwwzkwuni-landaude

Weitere Termine unter wwwuni-koblenz-landaudeaktuell wwwuni-koblenz-landaudeblog

Page 4: Neuland Ausgabe 3/2014

4 NeuLand 2014 03

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

Loumlsung durch Mediation

Junior-Professorin Dr Anna Baumert lehrt und forscht im

Bereich Persoumlnlichkeitspsychologie und Diagnostik Sie

erklaumlrt wie Konflikte entstehen und warum Mediation bei

der Loumlsung helfen kann

NeuLand Frau Baumert Sie forschen zum Thema Gerechtigkeit und damit verbundenen Deeskalationsstrategien wie der Mediation Wie sieht Ihr Forschungsgegenstand genau aus

Anna Baumert Ich interessiere mich erst einmal fuumlr die Psychologie der Gerechtig-keit Das heiszligt es geht darum was Men-schen als ungerecht empfinden Fragen die meine Kollegen und ich untersuchen sind beispielsweise wie Situationen aussehen die als ungerecht empfunden werden oder welche Reaktionen Menschen auf erlebte Ungerechtigkeit zeigen In der Grundlagen-forschung betrachten wir vor allem Emotio-nen und Verhaltenstendenzen

Wie haumlngt die Psychologie der Gerechtigkeit mit der Konfliktforschung zusammen

Die Ausgangsuumlberlegung ist dass wenn Auseinandersetzungen eskalieren meist Ge-rechtigkeitsempfindungen oder das Empfin-den von Ungerechtigkeit gegeben sind Bei Konflikten wo dieses Empfinden nicht vor-handen ist ist eine Eskalation eher unwahr-scheinlich Wenn man aber den Eindruck hat dass legitime Interessen von anderen Partei-en boumlswillig verletzt oder missachtet werden zeigen Menschen starke emotionale Reakti-onen Diese Reaktionen wie Wut Aumlrger und Empoumlrung gehen einher mit der Tendenz die Ungerechtigkeit ausraumlumen zu wollen Das aumluszligert sich zum Teil in Racheaktionen die wiederum einen kompletten Prozess der Eskalation auf allen Seiten provozieren

Wie ist es mit dem Buumlrgerkrieg in Syrien oder dem Konflikt zwischen den Kurden und der

Terror-Organisation Islamischer Staat Dort muumlsste sich doch nur eine Partei ungerecht behandelt fuumlhlen

Nein das ist so nicht ganz richtig Es ist durchaus vorstellbar dass bei allen Seiten der Eindruck herrscht die eigene Positi-on sei gerechtfertigt Haumlufig werden ja auch houmlhere Werte wie der Glaube he-rangezogen Jemand der dieser Position widerspricht erscheint als unmoralisch oder ungerecht Neben den Emotionen aumlndern sich ebenfalls die Denkmuster der Beteiligten Man hinterfragt die eigene Position nicht mehr was durch eine hohe Emotionalitaumlt noch einmal unterstuumltzt wird Man schirmt seine eigene Positi-on quasi gegenuumlber alternativen Inter-pretationsmoumlglichkeiten ab Es werden Interpretationswege gewaumlhlt die die Emotion sowie das Gefuumlhl der Ungerech-tigkeit nochmals verstaumlrken Die Moumlg-lichkeit die Perspektive des Gegenuumlbers einzunehmen ndash Stichwort Empathie ndash wird geringer

Wie aumluszligert sich dasEin Beispiel dafuumlr waumlre die Dehumanisie-

rung der anderen Konfliktpartei Der Feind wird nicht mehr als individueller Mensch mit eigenen Rechten betrachtet sondern als Ratte oder Hund bezeichnet Das er-leichtert den Menschen Dinge zu tun die normalerweise nicht ihren moralischen Standards entsprechen wie im Extremfall andere umzubringen Das nennt sich in der Psychologie bdquomoral disengagementldquo also moralische Distanzierung

Austausch mit anderen Studierenden war es auf jeden Fall eine gute Erfahrungldquo stellt Knab fest Den groumlszligten Nutzen habe sie aus den Diskussionen mit anderen Studie-renden gezogen Als Beispiel nennt sie die Diskussion uumlber potenzielle Kooperationen zwischen verschiedenen Staaten in der Re-gion oder die Kooperation zwischen dem kurdischen Parlament und der irakischen Regierung bdquoOftmals ist dort ja nur schwer Zusammenarbeit moumlglich da die kurdi-schen Gebiete als eigenstaumlndiges Land von anderen Staaten wie dem Irak nicht aner-kannt werden Da stecken unter anderem viele historische und feindselige Motive dahinterldquo Aus der Empirie wisse man aber dass Kooperation unter bestimmten Um-staumlnden durchaus moumlglich sei bdquoDie Diskus-sionen innerhalb der Gruppe haben mich deshalb inspiriert im Rahmen meiner Mas-terarbeit mehr zur Kooperation auf Makro-ebene zu forschenldquo

In ihrer Masterarbeit versucht Knab des-halb internationale Beziehungen bzw die Kooperationsbereitschaft zwischen Diplo-maten zu verbessern indem sie psycholo-gische Theorien nutzt Da echte Di plomaten schwer fuumlr Versuche zu gewinnen sind moumlchte sie bei UN-Simulationen Workshops anbieten die auf Basis von psychologischen Theorien kollektives Handeln verbessern sollen Eine sehr anwendungsorientierte Arbeit die Knab durch ihre Reise begruumln-det bdquoDurch meine Erfahrungen war es mir nicht mehr genug nur Laborforschung zu machenldquo (dan)

5NeuLand 2014 03

Sie untersuchen in Ihrer Forschung eine In-terventionsstrategie der Mediation die der emeritierte Psychologie-Professor Leo Mon-tada entwickelt hat Die Mediation ist ein Verfahren bei dem Konfliktparteien durch Unterstuumltzung einer dritten neutralen Par-tei ndash dem Mediator ndash zu einer gemeinsamen Vereinbarung gelangen Der Mediator trifft dabei keine eigenen Entscheidungen bezuumlg-lich des Konflikts sondern ist lediglich fuumlr die Struktur des Verfahrens verantwortlich Sie untersuchen die Mediation allerdings nicht auf internationaler Ebene sondern im univer-sitaumlren hochschulpolitischen Bereich Dabei gibt es keinen eigentlichen Mediator es wird vielmehr Informationsmaterial uumlber die Natur von Gerechtigkeitskonflikten an Konfliktpar-teien ausgegeben Inwieweit kann man Ihre Ergebnisse auf einen internationalen Kontext anwenden

Erst einmal haben unsere Ergebnisse gezeigt dass die Strategie von Montada durchaus Fruumlchte traumlgt Bei Montada sollen sich zwei oder mehrere Konfliktparteien an einen Tisch setzen und werden von einer dritten neutralen Partei bei den Gesprauml-chen unterstuumltzt bzw von ihr moderiert Die Strategie die er vorgeschlagen hat zielt spezifisch auf Gerechtigkeitsempfindung ab Obwohl wir in unserem Kontext mit dem Informationsmaterial eine sehr redu-zierte Version dieser Strategie angewendet haben bietet es einen ersten Anhaltspunkt dafuumlr dass die Strategie von Montada funk-tioniert Es besteht also Grund zur Hoffnung dass wenn ein Mediator diese Strategie in

einem echten heiszligen Konflikt verfolgt er dann auch erfolgreich sein kann

Was sind die groumlszligten Probleme die bei einer solchen Strategie auftauchen koumlnnen

Wenn man von einem einfacheren Fall ausgeht dann stellt sich die Frage inwie-weit Informationsmaterial wie wir es den Versuchspersonen gegeben haben ma-nipulativ wirkt Darf so etwas uumlberhaupt eingesetzt werden um jegliche Interessen durchzusetzen Auf der internationalen Ebene oder uumlberhaupt bei eskalierten Kon-flikten muss man sagen dass Mediation zur Deeskalation sehr viele Voraussetzungen braucht Zum Beispiel muumlssen die Konflikt-parteien uumlberhaupt erst bereit sein sich an einen gemeinsamen Tisch zu setzen Da ist Syrien ein gutes Beispiel dafuumlr dass es bis dahin ein sehr langer Weg ist

Wie sehen die generellen Voraussetzungen fuumlr eine erfolgreiche Mediation aus

Wie gerade angesprochen muumlssen die Konfliktparteien zunaumlchst bereit sein mitei-nander zu reden Der zweite Schritt ist die Einigung auf einen unparteilichen Dritten Das kann eine Person oder im internatio-nalen Kontext ein Land sein Eng verwoben damit ist natuumlrlich das beidseitige Vertrau-en in diesen neutralen Akteur Eine weitere wichtige Voraussetzung ist dass die Loumlsung nicht von vornherein feststehen darf Das bedeutet dass der Ausgang der Verhand-lungen offen sein muss Ob die Gespraumlche dann erfolgreich sind kann leider keiner sagen und haumlngt von vielen verschiedenen Faktoren ab (dan)

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

Auch die UN sieht in der Mediation ein Instrument zur Praumlvention und Loumlsung von Konflikten UN-Spitzenbeamte disktuierten am 23 Mai 2012 zum Thema bdquoThe Role of Member States in Mediationldquo

6 NeuLand 2014 03

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

NeuLand Herr Professor Bermes gibt es eine einfache Antwort auf die Frage was Ge-rechtigkeit ist

Christian Bermes Eine einfache Antwort gibt es nicht Es gibt aber einen Zugang der die Sache vereinfacht Und dieser Zu-gang ist zunaumlchst begrifflicher Natur Wir sprechen heute allzu oft uumlber Gerechtigkeit und haben Strukturen Institutionen Vertei-lungsschluumlssel und vieles mehr im Blick Das ist auch wichtig aber eigentlich nur eine abgeleitete Form der Gerechtigkeit Die ei-gentliche Frage der Gerechtigkeit druumlckt sich in Ausdruumlcken aus wie etwa bdquoWie wer-de ich dieser oder jener Situation gerechtldquo Gerechtigkeit ist daher eine Haltung eines Menschen zu anderen Menschen Eine solche Form von Haltung bezeichnet man klassischerweise als Tugend Gerechtig-keit ist seit der Antike eine Kardinaltugend mit einer besonderen Stellung Denn sie bringt zum Ausdruck dass die Tugend der Gerechtigkeit das wichtigste Lebensmittel des Menschen ist mit anderen Menschen umzugehen

Also ist Gerechtigkeit wie ein Lebensmittel fuumlr ein gutes Miteinander

Fuumlr ein gerechtes Miteinander Menschen besitzen eigentlich nicht besonders viele Mittel um handelnd auf andere Menschen zuzugehen Wir koumlnnen andere bewegen indem wir sie von einem Ort zum anderen bringen wir koumlnnen lieben oder wir koumln-nen gerecht miteinander umgehen Josef Pieper bemerkte einmal uumlberall wo wir andere nicht lieben koumlnnen muumlssen wir gerecht sein Nun stellt sich die Frage wie man Gerechtigkeit weiter charakterisieren kann Neben der begrifflichen Seite dass Gerechtigkeit ein Lebensmittel des Men-schen im Umgang miteinander ist muumlssen

wir uns fragen Warum benoumltigen wir einen gerechten Umgang uumlberhaupt Seit der Antike weiszlig man dass die Knappheit der Guumlter uns zu einem Verhalten zwingt dass wir als gerecht kennzeichnen Begrenzt verfuumlgbare Guumlter wie Wasser Lebensmittel oder auch Zeit bilden die Grundlage dafuumlr warum Gerechtigkeit fuumlr uns so wichtig ist Ein dritter Aspekt der Uumlberlegung wie man Gerechtigkeit bestimmt besteht darin dass Gerechtigkeit in der alltaumlglichen Rhetorik oftmals schnell mit Gleichheit gleichgesetzt wird Von dieser Annahme haben sich schon Platon und Aristoteles distanziert Bestimm-te Formen der Gleichheit koumlnnen auch zu Ungerechtigkeit fuumlhren

InwiefernFolgendes Beispiel Sie haben zwei Kinder

Ein Kind ist durch einen Ungluumlcksfall in eine hochprekaumlre koumlrperliche Lage gekommen kann seinen Lebensweg nicht eigenstaumlndig weitergehen und sich nicht so entwickeln wie man es erwarten koumlnnte Das andere Kind ist gesund und daruumlber hinaus beruf-lich gut situiert Jetzt kommen Sie in die Si-tuation beispielsweise bei einer Erbschaft das Vermoumlgen zu verteilen Welche Vertei-lung ist gerecht Wenn man das Vermoumlgen arithmetisch gleich verteilt merken wir so-fort dass hier etwas nicht stimmt Da zeigt sich recht deutlich dass bezogen auf die gleiche Verteilung von Guumltern diese Form von Gleichheit zuerst einmal unserer Ge-rechtigkeitsintuition widerspricht

Also gibt es keine einfache Formel fuumlr Ge-rechtigkeit Es ist ja doch Ermessenssache hellip

Doch es gibt eine Formel fuumlr Gerechtig-keit Bei Platon heiszligt es dass es gerecht sei wenn jeder das ihm Zukommende oder das ihm Gebuumlhrende erhalte Das ist die aumll-teste Charakterisierung der Gerechtigkeit

die Philosophie nennt dies die Idiopragie-formel Natuumlrlich kann es problematisch werden zu bestimmen was das jeweils sbquoihm Gebuumlhrendersquo ist aber das bedeutet nicht dass diese Formel falsch ist Auch steckt in der Formel etwas das zur Gerechtigkeit ganz grundsaumltzlich gehoumlrt Den anderen als anderen anzuerkennen Dass der andere nicht ich bin ich mich nicht an seine Stel-le setze und dass der andere nicht irgend-etwas ist sondern jemand der bestimmte Empfindungen Beduumlrfnisse Wuumlnsche hat und zwar seine nicht meine Hinter dieser Formel steckt also mehr als man auf den ersten Blick vermutet

Aber ist Gerechtigkeit oder gerechtes Emp-finden nicht immer auch subjektiv

Nein Sicherlich gibt es so etwas wie eine Gerechtigkeitsintuition Bei der Gerech-tigkeit fragt man jedoch nicht um wessen subjektive Wuumlnsche Empfindungen oder Beduumlrfnisse es sich handelt sondern da-nach welche Wuumlnsche Empfindungen oder Interessen mit Blick auf die Person hier eine Rolle spielen In diesem Sinne hat Gerech-tigkeit etwas mit dem Recht zu tun zu dem Unparteilichkeit gehoumlrt So wird Justitia mit verbundenen Augen dargestellt und urteilt unabhaumlngig von subjektiven Interessen Stimmungen und Launen Mit Blick auf die Gerechtigkeit heiszligt dies dass wir unabhaumln-gig von bloszlig subjektiven Empfindungen bloszlig subjektiven Interessen urteilen Wir merken dies auch sofort wenn jemand Ge-rechtigkeit fordert aber nur sich selbst und seinen eigenen Vorteil im Blick hat

Hat Gerechtigkeit aber vielleicht etwas mit moralischem Empfinden zu tun

Das Beispiel mit den zwei Kindern die be-zogen auf das Vermoumlgen ungleich situiert sind zeigt ganz deutlich Wuumlrden die Eltern

Gerechtigkeit ist eine HaltungUumlber Gerechtigkeit wird viel gesprochen Doch was ist Gerechtigkeit uumlberhaupt Welche

Rolle spielt sie im Leben Und legitimiert sie Protest NeuLand sprach mit Philosophiepro-

fessor Dr Christian Bermes

7NeuLand 2014 03

das Vermoumlgen nur arithmetisch gleich ver-teilen wuumlrde man sagen da stimmt etwas nicht Insofern gibt es so etwas wie ein mo-ralisches Empfinden Aber jetzt faumlngt das Denken an man muss sich fragen warum stimmt hier etwas nicht Das hat mit dem Empfinden nichts mehr zu tun sondern mit Begruumlndung und Rechtfertigung

Hat Gerechtigkeit etwas mit Naumlhe und Dis-tanz zu tun Bei mir nahe stehenden Men-schen faumlllt es mir bei einer Verteilungsfrage sicherlich einfach zu sagen da stimmt etwas nicht Es gibt aber auf der Welt Klimakata-strophen Hungersnoumlte Das ist eine unge-rechte Verteilung von Leid Und trotzdem koumlnnen wir verhaumlltnismaumlszligig unbeschwert hier ein sorgenfreies Leben fuumlhren aumlndern vielleicht auch nichts an unserem Lebens-wandel Schwindet unser Gerechtigkeitssinn mit zunehmender Distanz

Das ist nicht ganz einfach Nicht uumlberall wo ungleiche Lebensverhaumlltnisse herr-schen muumlssen wir auf Gerechtigkeit re-kurrieren Da spielen eher andere wichtige Konzepte eine Rolle wie beispielsweise Solidaritaumlt So hat beispielsweise unser Verhalten gegenuumlber den durch Ebola In-fizierten in einigen afrikanischen Staaten ganz sicher etwas mit Solidaritaumlt zu tun Zur Frage bezuumlglich Naumlhe und Distanz Die Gerechtigkeitsfrage stellt sich wenn es zu-mindest eine relative Distanz zwischen den Akteuren gibt Die bereits oben zitierte Be-merkung von Pieper man muss da gerecht sein wo man nicht lieben kann bringt das relativ deutlich zum Ausdruck In Verhaumllt-nissen die wir durch Sympathie Liebe und Zuneigung beschreiben stellt sich viel-leicht gar nicht die Frage der Gerechtigkeit Aber in Verhaumlltnissen in denen Distanzen in sozialen Ordnungen geregelt werden

wie etwa im Beruf in Vereinen oder in Nachbarschaften stellen sich Gerechtig-keitsfragen So auch natuumlrlich im Verhaumlltnis von Dozenten zu ihren Studierenden stellt sich bezuumlglich der Beurteilung der Leistun-gen eine Gerechtigkeitsfrage Studenten haben selbstverstaumlndlich ein Recht drauf bei der Bewertung gerecht behandelt zu werden also unabhaumlngig von subjektiven oder fremden Faktoren

Gibt es einen Anspruch auf GerechtigkeitJa das kann man sagen Uumlberall wo Men-

schen in Situationen oder sozialen Ord-nungen seien es berufliche oder andere miteinander zu tun haben stellt sich dieser Anspruch Wie in dem Beispiel der korrekten Beurteilung studentischer Leistungen

bdquoEs scheint ein Zeichen unserer Zeit zu sein Gerechtigkeit uumlberall zu suchen nur nicht bei sich selbstldquo

Wer ist verantwortlich fuumlr Gerechtigkeit Je-der selbst Der Staat Die Gesellschaft

Zuerst einmal als Tugend jeder einzel-ne selbst und damit wir alle Es scheint ein Zeichen unserer Zeit zu sein Gerechtigkeit uumlberall zu suchen nur nicht bei sich selbst Dahinter verbirgt sich etwas voumlllig Proble-matisches naumlmlich der Wunsch dass man Gerechtigkeit delegieren koumlnne Das kann man nicht oder zumindest kann man sich nicht gaumlnzlich von ihr entlasten weil die Gerechtigkeit als Tugend eine Haltung zu

etwas naumlmlich zu anderen ist Wenn man denkt man koumlnne das delegieren laumluft man Gefahr selbst ungerecht zu werden da man seine Haltung zu anderen aufs Spiel setzt

Also muss ich fuumlr Gerechtigkeit immer bei mir selbst anfangen

Nicht umsonst ist die Gerechtigkeit bei Platon eine Form des Staates und der Seele

Sie rekurrieren immer wieder auf die Denker im Alten Griechenland Die Frage der Gerech-tigkeit scheint die Menschheit schon seit Jahr-tausenden zu beschaumlftigen Gab es uumlber die Zeit verschiedene Ansaumltze

Die Fragen nach Gerechtigkeit tauchen zu jeder Zeit immer wieder neu auf Das ist

Professor Dr Christian Bermes hellip

hellip lehrt Philosophie am Campus Landau und ist Sprecher der Graduiertenschule bdquoHerausforderung Lebenldquo sowie des Forschungsschwerpunktes bdquoKulturelle Orientierung und normative Bindungldquo Seine Forschungsschwerpunkte sind Philosophische Anthropologie und Ethik Sprachphilosophie und Erkenntnistheorie

Nutzen und Folgen des Internets

Wie urteilt man gerecht Unabhaumlngig von subjektiven Empfindungen und Interessen mit gefuumlhlt verbundenen Augen wie Justitia

8 NeuLand 2014 03

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

auch nicht verwunderlich da es ja um uns geht und die Frage wie wir unser Leben fuumlhren Die Philosophie ist es die diese Fra-gen immer aufgreift und die damit verbun-denen Probleme rationalisiert aber auch objektiviert Allzu schnell neigt man dazu entweder Gerechtigkeit als beliebig oder alleine bezogen auf unser Empfinden oder die soziale Ordnung zu deuten Das war in der Antike nicht anders als heute Dement-sprechend beginnt ein groszliger Zweig der Philosophie mit der Gerechtigkeitsfrage Das klassische Buch Platons die bdquoPolitealdquo heiszligt im Untertitel bdquoUumlber die Gerechtigkeitldquo Sieht man Platon als einen der Stammvaumlter der Philosophie dann beginnt mit der Ge-rechtigkeitsfrage eine bedeutende Traditi-on der Philosophie

Ist Gerechtigkeit ein KulturbegriffWenn Gerechtigkeit so verstanden wird

dass es eine spezifische Haltung von Men-schen zu Menschen ist eine bestimmte Form wie Menschen ihr Leben miteinan-der fuumlhren und gestalten dann finden wir uumlberall wo es Menschen gibt die Frage nach der Gerechtigkeit Ich wuumlrde sogar so weit gehen dass die platonische Definition der Gerechtigkeit dass jedem das ihm Ge-buumlhrende zukomme uumlberkulturell Geltung beanspruchen kann Dabei kann die spezifi-sche Organisation dieses Prinzips kulturrela-tiv sein Aber das Konzept der Gerechtigkeit das aus der Antike kommt scheint mir kul-turuumlbergreifend Guumlltigkeit beanspruchen zu koumlnnen weil es auf den Menschen in sei-ner Lebensfuumlhrung rekurriert

bdquoEine gerechte Welt Es koumlnnte sein dass man sich mit diesem Anspruch ein wenig uumlberhebtldquo

In juumlngster Vergangenheit gab es viele Be-wegungen bei denen Menschen fuumlr ihre Rech-te und Gerechtigkeit auf die Straszlige gegangen sind auch in Laumlndern in denen man so etwas gar nicht fuumlr moumlglich gehalten haumltte siehe die Laumlnder des Arabischen Fruumlhlings oder die Ukraine Inwieweit vertraumlgt sich Gerechtigkeit mit Demonstrationen besonders wenn Ge-waltausschreitungen im Spiel sind

Das ist eine zwicklige Frage Das Problem in diesen Laumlndern war oder ist dass dieje-

nigen die Macht haben oder hatten diese ungerecht ausgeuumlbt haben Aufgrund sol-cher ungerechter Machtausuumlbung gibt es das Recht des Protestes dagegen also ein Widerstandsrecht Dadurch wird aber nicht gesagt dass jeder Protest selbst gerecht ist

Welche Zutaten braumluchte es fuumlr eine gerech-te Welt Kann es die uumlberhaupt geben oder ist der Wunsch danach eine Utopie

Es kann so etwas wie eine rechtsfoumlrmige Welt geben etwa das was man mit groszligen voumllkerrechtlich abgesicherten Institutionen wie etwa der UNO in Verbindung bringt Dies ist nicht nur wuumlnschenswert sondern auch vernuumlnftig Eine gerechte Welt Es koumlnnte sein dass man sich mit diesem An-spruch ein wenig uumlberhebt Man sieht ja heute dass bereits die Frage nach Rechts-foumlrmigkeit und Rechtskonformitaumlt in inter-nationalen Beziehungen schwierig ist Wie verhaumllt man sich wenn eine Nation trotz geschlossener Vertraumlge in ein anderes Land einmarschiert Hier ist also noch einiges zu tun Eine gerechte Welt jedoch wuumlrde voraussetzen dass jeder von uns zu allen anderen in Handlungssituationen oder sozi-alen Ordnungen der Kooperation steht Das scheint mir nicht nur utopisch das scheint eher irreal

bdquoGerechtigkeit ist nicht so schwer wie man vielleicht denken magldquo

Inwieweit spielt bei der Gerechtigkeit das Gewissen mit Kann ich mir durch Spenden ein gutes Gewissen erkaufen zur Gerechtig-keit beigetragen zu haben

Das Gewissen ist nicht ganz unerheblich aber auch hier wuumlrde ich die Gerechtigkeit zuerst auszligen vor lassen Wenn es beispiels-weise eine Wertvorstellung in meinem Leben ist dass durch Not Getroffenen ge-holfen wird dann faumlllt dies unter das Soli-daritaumltsprinzip Und wenn diese Vorstellung zu meinem Leben gehoumlrt dann verpflichtet mich mein Gewissen meine Wertvorstel-lung zu behalten und nicht einfach von ihr abzuweichen Dann ist es auch sinnvoll zu sagen dass ich meinem Gewissen folge wenn ich anderen oumlkonomisch helfe zum Beispiel durch Spenden Die Gerechtigkeit ist dann allerdings kein direktes Thema Es geht hier nicht um gerecht oder ungerecht

sondern dass zu meinem Wertkosmos die Unterstuumltzung von Menschen gehoumlrt die in Not geraten sind

Inwieweit versuchen Sie selbst Gerechtigkeit zu leben

So wie alle anderen auch Vielleicht be-steht der Unterschied darin dass Philoso-phen darauf reflektieren und ein groszliges Repertoire an begrifflichen und logischen Mitteln besitzen die Handlungen zu ana-lysieren Gerechtigkeit ist nicht so schwer wie man vielleicht denken mag In den aller-meisten Faumlllen praktizieren wir fortwaumlhrend Gerechtigkeit im Umgang untereinander Uns faumlllt es meistens nur auf wenn etwas schieflaumluft Sicherlich gibt es kompliziertere Situationen in denen man nach den Prinzi-pien der Gerechtigkeit fragen und daruumlber nachdenken muss um sie zu klaumlren

bdquoWas wir als gerecht empfinden und was nicht lernen wir im Umgang miteinander in unserer Praxisldquo

Wird dem Menschen ein Gerechtigkeitsemp-finden schon in die Wiege gelegt

Was wir als gerecht empfinden und was nicht lernen wir im Umgang miteinander in unserer Praxis Angeboren ist es nicht aber wir lernen es in unserem Einfaumldeln in unseren gemeinschaftlichen Umgang oder mit den vielfaumlltigen Handlungsspielen in denen wir verstrickt sind Ein einfaches Bei-spiel Eine Familie hat zwei Kinder das eine ist 17 das andere ist 9 Das 17-jaumlhrige Kind darf abends laumlnger lesen oder ausgehen Das 9-jaumlhrige Kind fragt Warum ich nicht Nun weil es nicht das Richtige fuumlr das Kind in dieser Situation ist Diese Entscheidung wird Konflikte bringen aber wir lernen im Umgang mit solchen Praktiken Gerechtig-keit kennen Wir lernen uumlbrigens in diesem Fall auch dass ungleiche Behandlung nicht gleichbedeutend ist mit Ungerechtigkeit Ich wuumlrde daher nicht sagen dass Gerech-tigkeit angeboren aber tief in unserem menschlichen Miteinander verankert ist sonst koumlnnten wir unser Leben nicht fuumlhren

Herr Professor Bermes herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch (ket)

9NeuLand 2014 03

bdquoPussy Riot stoumlrt SehordnungenldquoPolitischer Protest braucht Aufmerksamkeit Soziale Bewegungen setzen daher

auf gute Inszenierungen um wahrgenommen zu werden Wie wird aumlsthetische

Kommunikation zum Mittel des Protests Und sind diese Inszenierungen ein

Phaumlnomen der modernen Mediengesellschaft NeuLand hat bei Kunstwissenschaft

und Soziologie nachgefragt

9NeuLand 2014 03

10 NeuLand 2014 03

Das Krisenexperiment ist eine soziolo-gische Methode mit der soziale Normen aufgedeckt werden koumlnnen die Akteuren nicht bewusst sind Das geschieht durch die absichtliche Missachtung von Ritualen Be-obachtet man wie die Menschen reagieren wenn ihre Wirklichkeit nicht wie gewohnt funktioniert zeigen sich unausgesproche-ne Uumlbereinkuumlnfte Soziologen sagen dann Hier werden Praktiken der impliziten Kon-struktion sozialer Wirklichkeit offenbar Durch die Reaktionen auf die Stoumlrung der Ordnung wird sichtbar wie die soziale Ord-nung konstruiert wird

In jeder sozialen Gruppe gibt es spezifi-sche Muster nach denen Dinge interpre-tiert werden Unterschiedliche Deutungen von Symbolen und Handlungen entschei-den uumlber Zugehoumlrigkeit und Abgrenzung Das erzeugt Realitaumlt und Wahrnehmung von Realitaumlt Diesen Mechanismus macht sich die Kunst des Performativen zunutze Ein Realitaumltsbruch wirft Fragen auf entfaltet womoumlglich Potenziale um die Ordnung zu aumlndern aber vor allem Er faumlllt auf und stellt somit Oumlffentlichkeit her

Die Kunstwissenschaft versteht dies als bdquoAktionskunstldquo ein kuumlnstlerischer Bereich der erst seit den 1960er Jahren praktiziert wird Bis dato hatte sich die Kunst bei Pro-testkultur eher auf die bildliche Darstellung als eine Illustration oder als eigenstaumlndige Anklage konzentriert Als Beispiel dient Dr Christoph Zuschlag Professor fuumlr Kunstge-schichte und Kunstvermittlung am Cam-pus Landau das Bild bdquoDie Freiheit fuumlhrt das Volkldquo von Delacroix aus dem Jahr 1830 das beruumlhmte Bild der barbusigen Marianne die ndash die Tricolore in der Hand ndash die Aufstaumln-dischen der Juli-Revolution anfuumlhrt Oder

auch Picassos bdquoGuernicaldquo (1937) bdquoEs waumlre fuumlr Picasso nicht denkbar gewesen in Spanien selbst auf die Barrikaden zu gehen und dies als Kunst zu deklarierenldquo sagt Zuschlag Doch bdquoAktionskuumlnstlerldquo tun genau dies set-zen waumlhrend der Aktion aumlsthetische Akzen-te bdquoEs sind Aktionen bei denen der Inhalt waumlhrend der Aktion auch gleich transpor-tiert wirdldquo Man schaut sich die Bilder nicht spaumlter im Museum an ndash sondern diese ge-schehen und wirken weitestgehend in Echt-zeit Schlieszliglich vergroumlszligert YouTube nur die Reichweite doch das Schneeballsystem startet schon mit dem ersten Beobachter auf der Straszlige

Aumlsthetik das bedeutet fuumlr den Kunsthis-toriker in diesem Zusammenhang all das was vom Menschen gestaltet wird was nicht nur eine funktionale sondern daruuml-ber hinaus eine gestalterische Komponen-te besitzt Ins Gruumlbeln kommt Zuschlag bei der Frage ob der legendaumlre Thesen-anschlag Martin Luthers Aktionskunst ge-wesen sei bdquoEs war ein hochsymbolischer und provokativer Akt das ja Aber Luther hat diesen Akt sicher nicht als Kunst schon gar nicht als Aktionskunst verstanden weil es dieses Phaumlnomen und den Begriff im 16 Jahrhundert noch gar nicht gabldquo Aber nicht zufaumlllig faumlllt der Thesenan-schlag in eine Zeit des medialen Wandels ndash schlieszliglich wurde nur ein knappes Jahr-hundert vorher der Buchdruck erfunden Flugblaumltter Pamphlete Kupferstiche und Holzschnitte praumlgten die Zeit bdquoMit der Er-findung des Rundfunks Ende des 19 Jahr-hunderts hat das natuumlrlich noch einmal ganz andere Dimensionen angenommenldquo so Zuschlag Die Aktionen wurden noch unmittelbarer transportiert

Ein medial erfolgreicher Realitaumltsbruch gelang der Gruppe Pussy Riot als sie im Februar 2012 den Altarraum der Christus-Erloumlser-Kathedrale in Moskau stuumlrmte ein Punk-Konzert inszenierte einige Aktivistin-nen vor dem Altar tanzten und respektlose Texte sangen Damit wollten sie gegen die enge Verbindung zwischen orthodoxer Kir-che und Putins System protestieren Ein von der Gruppe produziertes Video der Aktion wurde nach kurzer Zeit bei YouTube veroumlf-fentlicht Fuumlr ihren Auftritt verurteilte ein russisches Gericht drei beteiligte Frauen zu zwei Jahren Haft Das Video ging um die Welt und bescherte der Gruppe eine Solida-ritaumltswelle aus dem Westen

Symbole schaffen Verbindungen

bdquoPussy Riot stoumlrt Sehordnungenldquo sagt So-ziologin Marija Stanisavljevic ebenfalls am Campus Landau taumltig Sie untersucht wie aumlsthetische Kommunikation zum Mittel des Protests werden kann Aumlsthetik versteht sie als eine bdquoArt und Weise wie soziale Phaumlno-mene zum Vorschein gebracht werdenldquo und konzentriert sich dabei insbesondere auf Symbole in Bildern bdquoSymbole sind un-glaublich wichtig Sie schaffen Verbindun-gen zwischen verschiedenen Menschen Sie lassen unterschiedliche Deutungen zu und koumlnnen Gemeinschaft stiftenldquo Dass Pussy Riot vor allem im Westen erfolgreich sind liegt fuumlr Stanisavljevic an westlichen Sehordnungen Das russische System sei konservativ streng und autoritaumlr Pussy Riot seien bunt laut und punkig Sie bieten eine

Die fuumlr den Comic bdquoV for Vendettaldquo gezeichnete Guy-Fawkes-Maske trugen zunaumlchst Aktivisten der Anonymous-Bewegung Waumlhrend der Occupy-Proteste wurde sie auch international sichtbar und entwickelte sich zum Protest-Symbol

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

11NeuLand 2014 03

Alternative zum russischen politischen Sys-tem bdquoDahinter steht die westeuropaumlische Sehn sucht nach Demokratie in Russlandldquo Trifft der Protest auf andere Sehordnungen hat er auch andere Konsequenzen bdquoDer Pro-test war gegen das System in Russland ge-richtet Tatsaumlchlich hilft er vermutlich dem System die eigenen konservativen Positio-nen zu festigenldquo

Mit der Erforschung aumlsthetischer Protest-kommunikation anhand von Bildern ar-beitet Stanisavljevic in einem noch jungen Bereich der Soziologie bdquoDie Beschaumlftigung mit Bildern und bewegten Bildern ist fuumlr die Soziologie ein relativ neues Phaumlnomenldquo Fuumlhrte die steigende Bedeutung des Visuel-len in geistes- und kulturwissenschaftlichen Traditionen in den 90er Jahren zum bdquoiconic turnldquo ist eine bdquovisuelle Soziologieldquo kaum etabliert Fuumlr eine soziologische Perspektive auf Bilder und Filme muumlssen Methoden und Theorien angepasst und entwickelt werden bdquoBilder haben ihren eigenen Sinn sie brau-chen eigene Zugaumlnge und Methodenldquo sagt Stanisavljevic und versteht ihre Dissertation als einen Beitrag dazu

Fuumlr ihre Bildanalyse begegnet sie Protest-darstellungen zunaumlchst isoliert Den Kon-text um die Situation blendet sie aus und entwickelt moumlgliche Lesarten Anschlie-szligend vergleicht sie diese Uumlberlegungen mit dem vollstaumlndigen Kontextwissen um das Bild Mit dieser Analyse moumlglicher und tatsaumlchlicher Lesarten will Stanisavljevic aufdecken wie durch Bilder in unterschied-lichen Kontexten Realitaumlt erzeugt wird und welche Sehordnungen fuumlr die Deutung die-ser Bilder relevant sind

Dabei unterscheidet sie aumlsthetische Pro-testkommunikation von anderen aumlstheti-

schen Formen Der Kuumlnstler Ai Weiwei zum Beispiel kritisiert in seiner Arbeit das chine-sische System und erlebte wie Pussy Riot staatliche Eingriffe Aber so Stanisavljevic bdquodie massenmediale Rezeption zu Ai Weiwei findet im Feuilleton statt die zu Pussy Riot im Politik-Teilldquo So schaffe Ai Weiwei Kunst die auch politische Kunst sei aumlsthetisierter Protest hingegen sei Politik die sich aumlstheti-scher Mittel bediene Und doch ist dies der vorlaumlufige Houmlhepunkt einer Entwicklung Die Liaison zwischen Protest und Kunst fin-det nicht nur auf der Straszlige statt sondern auch in Ausstellungen und Museen So wur-de bei der Berlin Biennale 2013 der Occupy-Bewegung ein Raum gegeben den die Protestbewegung selbst gestalten durfte bdquoDas wurde sehr kritisiertldquo merkt Zuschlag an Occupy und Kunst Das war fuumlr viele dann doch zu progressiv

Gestoumlrte Sehordnungen ndashProduzierte Sehstoumlrungen

Protestkommunikation will ein groszliges Publikum erreichen bdquoUm in den Massen-medien aufzufallen und in Erinnerung zu bleiben muss sie sich von klassischen Pro-testformen abgrenzenldquo betont Stanisavlje-vic Demonstrationen Transparente und Straszligenschlachten sind demnach ein ge-wohntes Bild in der Berichterstattung Sie entsprechen Sehordnungen Aumlsthetisierte Protestformen unterscheiden sich davon Sie produzieren Sehstoumlrungen Dabei sind sie nicht nur Teil einer Bewegung sondern auch selbststaumlndiges mediales Produkt Das gilt auch fuumlr Erdem Guumlnduumlz Stumm und

regungslos stand er im Juni 2013 auf dem Taksim-Platz nachdem die Proteste rund um den Gezi-Park in Istanbul eskaliert wa-ren Der bdquoStanding Manldquo wurde zu einem Symbol des Protestes

Diese Aumlsthetisierung ist keine Erfindung der Pop-Kultur wie Kunstwissenschaftler Zuschlag weiszlig bdquoDie Nationalsozialisten zum Beispiel hatten ein hohes Maszlig an Aumlstheti-sierung in ihren Auftrittenldquo NSDAP und Pro-test bdquoWir sprechen natuumlrlich von den 1920er und fruumlhen 30er Jahren als die Nazis noch in der Opposition warenldquo Hakenkreuze braune Hemden rote Armbinden all diese Symbolik hatte einen praktischen Zweck bdquoSymbole sind reduzierte abstrakte Bil-derldquo erklaumlrt Zuschlag die Wirkung Es geht um aumlsthetische Praumlgnanz es geht darum Aufmerksamkeit zu generieren und zu er-halten Das Hakenkreuz als bdquoMarkeldquo Binnen von Sekundenbruchteilen wusste jeder wer dort aufmarschierte

Die aumlsthetische Inszenierung schafft eine hohe Aufmerksamkeit wenn sie die ge-wohnte Wirklichkeit stoumlrt Aber wird der Protest durch seine Aumlsthetisierung nicht auch Marke Ist das uumlberhaupt noch Protest oder bereits Marketing bdquoEine Bewegung will an die Macht oder die Macht uumlberwaumll-tigen und braucht dafuumlr Sympathisantenldquo stellt Soziologin Stanisavljevic fest Wie Werbung und PR muumlssen Protestler sich ab-grenzen und anderen signalisieren wofuumlr (oder wogegen) sie stehen Das gilt fuumlr Pro-testbewegungen ebenso wie fuumlr Unterneh-men NGOs Politiker und Oppositionelle Das Buhlen um Aufmerksamkeit zum For-mulieren ihrer Ziele ist allen gemein Dass die Methoden sich aumlhneln ergibt sich von selbst (bbkap)

In Russland verfolgt im Westen gefeiert Waumlhrend drei Aktivistinnen in Russland zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden erhielt die Gruppe Pussy Riot im Dezember 2012 den Sonderpreis des Musikpreises bdquo1 Live Kroneldquo

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

12 NeuLand 2014 03

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

Wir koumlnnen uns alle noch an die Bilder von Stuttgart 21 erinnern wuumltende Buumlrger Hundertschaften an Polizisten und ein noch groumlszligerer Medienrummel Viel wurde uumlber die sogenannten bdquoWutbuumlrgerldquo diskutierthellip Aber was treibt Menschen ganz allgemein dazu fuumlr Sachen einzutreten und dafuumlr auf die Straszlige zu gehen

Tobias Rothmund ist Junior-Professor fuumlr politische Psychologie am Campus Landau und erforscht Protestverhalten In seiner Forschung geht es vor allem um die Mo-tivation von Menschen an einem Protest teilzunehmen Dabei muumlsse man erst in der Gerechtigkeitspsychologie nach Ant-worten suchen also was Menschen fuumlr gerecht oder ungerecht erachten wuumlrden erklaumlrt er bdquoEs gibt Protestverhalten das aus dem Gefuumlhl persoumlnlicher Benachtei-ligung motiviert ist und es gibt die Pro-testmotivation aus der Beobachtung der Benachteiligung andererldquo Rothmund er-gaumlnzt bdquoWenn jemand nicht das bekommt was er glaubt zu verdienen dann wird es als ungerecht wahrgenommen Unge-rechtigkeit kann man aber nicht nur aus der Opferperspektive betrachten sondern auch als Beobachter von Ungerechtigkeitldquo Als Beispiel nennt Roth mund Proteste an der Universitaumlt Dabei wuumlrde man sich zum Beispiel als Studierender direkt benach-teiligt fuumlhlen Als Dozent koumlnne man als Beobachter zustimmen und Studierende deshalb unterstuumltzen Trotzdem sei man nicht in der Rolle des Benachteiligten er-laumlutert Rothmund

In der Forschung gibt es nach Tobias Roth-mund drei groszlige Theorien um (politischen) Protest oder Protestverhalten zu erklaumlren Theorie der sozialen Gerechtigkeit soziale Identitaumltstheorie und Rational Choice-The-orie Diese seien allerdings nicht getrennt voneinander zu betrachten sondern inei-nander verschraumlnkt bdquoAusloumlser von Protest ist in der Regel ein Gefuumlhl der Benachteili-gungldquo verdeutlicht Rothmund Man koumlnne das haumlufig beobachten bei Tarifverhandlun-gen Ob sich jemand unzureichend bezahlt fuumlhle haumlnge nicht unbedingt vom absolu-ten Einkommen ab sondern mit wem sich die Personen und Gruppen vergleichen wuumlrden bdquoInsofern kann es selbst bei Per-sonen zum Gefuumlhl der Benachteiligung kommen die von anderen als sehr privile-giert wahrgenommen werdenldquo In der Psy-chologie wuumlrde man deshalb von relativer Deprivation sprechen ndash also das Gefuumlhl der Benachteiligung relativ zu einem gewissen Vergleichsstandard

Eine wichtige Rolle spielt auch das Kol-lektiv und die soziale Gruppe die sich als protestierende Gruppe versteht Rothmund fuumlgt an bdquoMan sieht in der Regel keine ein-zelnen Personen protestieren Protest geht gewoumlhnlich von sozialen Bewegungen ausldquo Beispiele dafuumlr waumlren die Anti-Atom-Bewegung oder Gewerkschaften bdquoOftmals schlieszligen sich Personen in sozialen Grup-pen zusammen um ein politisches Ziel zu erreichenldquo Wichtig fuumlr die Motivation sei ein Gefuumlhl des Zusammenhalts und fuumlr ein ge-meinsames Ziel einzustehen bdquoDesto groumlszliger

eine Protestbewegung ist desto eher ist sie auch ein Selbstlaumluferldquo konkretisiert Roth-mund Oft sei es so dass ein Protest erst eine kritische Masse erreicht haben muumlsse damit Buumlrger dabei sein wollen bdquoDie Pro-testbewegung fungiert hier als sinnstiften-de soziale Gruppeldquo

Der dritte Strang ist eher aus der Rational Choice-Theorie also dem rationalen Den-ken abgeleitet bdquoDie Bereitschaft zu protes-tieren haumlngt immer auch davon ab ob die Leute glauben dass es etwas bringt und ob sie mit dem Protest etwas erreichen koumln-nenldquo versichert Rothmund Das haumlnge auch stark von der Groumlszlige der Protestbewegung ab weil natuumlrlich eine groumlszligere Protestbe-wegung meist die Erwartung ausloumlse dass man mit dem Protest etwas erreichen koumln-ne Als Beispiel veranschaulicht Rothmund bdquoWenn zehn Leute in der Landauer Innen-stadt protestieren wuumlrde sich niemand da-fuumlr interessieren Wenn sie dagegen einen studentischen Protest mit 1000 Studieren-den organisieren dann waumlre sicherlich die Hoffnung bei jedem Teilnehmer groumlszliger damit etwas bewirken zu koumlnnenldquo Eine weitere Motivation koumlnne aber auch die Ak-tualitaumlt von Themen sein bdquoWenn ein Thema oder Projekt einen ungewissen Ausgang hat wird man wahrscheinlich eine groumlszligere Erwartung haben durch einen Protest oder eine Aktion etwas veraumlndern zu koumlnnen als wenn man weiszlig man steht mit seiner Mei-nung allein auf weiter Flurldquo

Tobias Rothmund erklaumlrt weiter dass sich Menschen darin unterscheiden wodurch

Protestbewegungen ndash Von Gerechtigkeit uumlber Kollektiv bis zur Rationalitaumlt

Stuttgart 21 Anti-Atom- oder Occupy-Bewegung ndash Leute gehen immer wieder auf die

Straszlige um fuumlr eine Sache einzutreten Aber woher kommt das Passend zu unserem

Schwerpunkt berichtet Junior-Professor Dr Tobias Rothmund wie die Psychologie im

Bereich Protestkultur forscht und warum Gerechtigkeit eine zentrale Rolle dabei spielt

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sie zum Protest motiviert werden bdquoManche sind vielleicht rationaler und brauchen ein erreichbares Ziel andere moumlchten moumlgli-cherweise eher Teil einer Gruppe sein zu der ihr soziales Umfeld gehoumlrt Wieder an-dere sind besonders sensibel in Bezug auf Gerechtigkeit und Ungerechtigkeitldquo Man koumlnne diese oben angesprochenen drei Motivationen daher auch als Dimension fuumlr Persoumlnlichkeitseigenschaften verstehen die Menschen unterschiedlich stark moti-vieren koumlnnten

Der Wutbuumlrger von Stuttgart 21

Rothmund hat in diesem Jahr zusam-men mit den beiden Landauer Psycholo-gen Anna Baumert und Axel Zinkernagel einen wissenschaftlichen Artikel zu den durch Stuttgart 21 bekannt gewordenen bdquoWutbuumlrgernldquo publiziert bdquoWas wir bei Stutt-gart 21 untersucht haben betrifft vor allem die Dimension der Gerechtigkeitldquo erlaumlutert Rothmund Ausgehend von der generellen Annahme die bdquoWutbuumlrgerldquo seien eine kon-servative Personengruppe die in Stuttgart wohne sich vor allem um eigenen Besitz und egoistische Annehmlichkeiten sorge haben die drei Forscher bei einer Befragung Persoumlnlichkeitsmerkmale von Protestieren-den erfasst Dabei wollten sie die Persoumln-lichkeitsstruktur der Protestierenden besser verstehen Im Besonderen ging es ihnen um

die Frage inwiefern opfersensible Personen (also Menschen die sich selbst besonders leicht benachteiligt fuumlhlen) oder beobach-tersensible Personen (also Menschen die eher sensibel fuumlr die Benachteiligung ande-rer sind) eher protestierten Sie befragten zirka 1000 Buumlrger darunter Befuumlrworter Gegner und Unentschlossene von Stuttgart 21 Das Resultat bdquoLeute die opfersensibel sind haben gar nicht haumlufiger protestiert Das war interessanterweise genau umge-kehrt Es haben also eher Leute protestiert die sensibel dafuumlr sind dass andere benach-teiligt werdenldquo bemerkt Rothmund Das sei ein interessanter Befund da das eher darauf hindeuten wuumlrde dass Leute nicht nur ei-gennuumltzig fuumlr sich selbst engagiert sondern tatsaumlchlich fuumlr Mitbestimmung oder Ge-rechtigkeit in den Entscheidungsprozessen protestiert haumltten bdquoUnsere Ergebnisse ha-ben gezeigt dass die Leute die dort protes-tiert haben sich gegen ein intransparentes ungerechtes Verhalten der Autoritaumlten ge-wehrt haben und nicht gegen ihre eigene persoumlnliche Benachteiligungldquo verdeutlicht Rothmund

Auf die Frage ob zur Zeit eine Renaissance der Protestkultur vonstatten gehen wuumlrde stellt der Junior-Professor fest bdquoDas wird man erst spaumlter sagen koumlnnenldquo Eines wuumlr-de aber feststehen Durch das Internet sei die Organisation von Protesten sowie der Austausch von Informationen einfacher Da-durch wuumlrden Menschen viel schneller mo-bilisiert werden koumlnnen meint Rothmund(dan)

Wutbuumlrger

2010 kam zum ersten Mal das Schlagwort bdquoWutbuumlrgerldquoauf Gepraumlgt vom Spiegel-Journalisten Dirk Kurbjuweit beschreibt der Begriff eine vor-nehmlich aumlltere gebildetere und wohlhabende Personengruppe die sich mit Wut und Empoumlrung gegen politische Entscheidungstraumlger auflehnt

Demonstration auf dem Stuttgarter Schlossplatz am 18 Februar 2012

Literatur

Rothmund T Baumert A amp Zinkernagel A (2014) The German bdquoWutbuumlrgerldquo - How Justice Sensitivity Accounts for Individual Differences in Political Enga-gement Social Justice Research 27(1) 24-44

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Weiterbildung ist zentrales Thema fuumlr Claudia Ehrhardt Bei der Geschaumlftsfuumlhrerin der Arbeitsstelle der Weiterbildung der Wei-terbildenden (AWW) mit Sitz am Campus Landau laufen seit uumlber 14 Jahren die Faumlden der im Verein angeschlossenen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungseinrichtungen zusammen Fuumlr die Diplom-Paumldagogin sind die PIAAC-Ergeb-nisse ein eindeutiger Indikator dass bei der Grundbildung Erwachsener Handlungsbe-darf besteht Dass diese ndash ganz anders als die PISA-Ergebnisse ndash medial kaum aufgegriffen oder diskutiert wurden bilde den Stellen-wert der Weiterbildung in der Gesellschaft ab Dabei sind die dort getesteten Groumlszligen fuumlr ein erfolgreiches Arbeitsleben die Teilha-be an der heutigen Gesellschaft und die Pro-duktivitaumlt von Betrieben und Unternehmen bedeutsam

PIAAC (Programme for the International Assessment of Adult Competencies) ist die erste internationale Vergleichsstudie die zentrale Grundkompetenzen in der erwach-senen Bevoumllkerung beleuchtet Von Herbst 2011 bis Fruumlhjahr 2012 hat die Organisation fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Deutschland und uumlber 20 weiteren Laumlndern bei Erwachsenen im erwerbsfaumlhigen Alter von 16 bis 65 Jahren Lese- und alltagsmathematische Kompe-tenzen sowie technologiebasierte Problem-loumlsekompetenzen gemessen Das Ergebnis Deutschland liegt leicht unter dem OECD-Durchschnitt Allerdings schneiden juumlngere Erwachsene besser ab als aumlltere Vermutlich eine positive Folge der Bildungsanstrengun-gen nach PISA

PIAAC habe gezeigt dass auch im Erwach-senenalter gilt was fuumlr Schulkinder bittere Realitaumlt ist Das Bildungsniveau ist abhaumlngig von der Herkunftsfamilie bdquoWer uumlber keine gute Grundbildung verfuumlgt wird auch keine Weiterbildung machenldquo so Ehrhardt Und wer sich nicht weiterbildet faumlllt in der Ar-beitswelt zuruumlck Daher sei es erfreulich dass seit einigen Jahren verstaumlrkt in Projektfinan-zierungen im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung investiert werde so Ehrhardt

Moumlgliche Ruumlckschluumlsse aus den PIACC-Ergebnissen auf die Weiterbildung diskutier-ten Experten auf einer von Claudia Ehrhardt organisierten Fachtagung im Fruumlhjahr Der Tenor Die Professionalisierung der in der Weiterbildung taumltigen Paumldagogen Dozenten oder Trainer muss darauf setzen fuumlr die Ar-beit mit Bildungsverlierern entsprechend zu sensibilisieren ndash mit dem Ziel diesem abge-haumlngten Bereich eine Perspektive zu bieten Dieser Professionalisierungsaufgabe wird sich die AWW auch in Zukunft widmen

Weiterbildung ohne Raum und Zeit

Fuumlr die Arbeit des Zentrums fuumlr Fernstudi-en und Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) sieht Geschaumlftsfuumlhrer Dr Burkhard Lehmann aufgrund der PIACC-Ergebnisse keine unmit-telbaren Implikationen Denn die Teilnehmer der diversen Studiengang- und Kursangebo-te des ZFUW seien in der Regel die ohnehin bildungsaffinen Menschen die gewohnt sei-en sich zu qualifizieren Auf die Gruppe die

in PIAAC schlecht abgeschnitten habe seien die ZFUW-Bildungsangebote gar nicht zuge-schnitten

Das ZFUW hat als aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz seit uumlber 20 Jahren Erfahrung in der wissen-schaftlichen Weiterbildung bdquoWir haben uns mit dem Fernstudium und der Fernlehre fuumlr ein spezifisches Bildungsformat ent-schiedenldquo so Lehmann Denn dieses Format werde den Beduumlrfnissen der Bildungsinte-

Um die Kompetenzen Erwachsener beispielsweise im Lesen scheint es in Deutschland

nicht gut bestellt Das zumindest ist das Ergebnis der PIAAC-Studie Haben die Ergebnisse

Auswirkungen auf die Erwachsenenbildung NeuLand hat sich bei der Arbeitsstelle der

Weiterbildung der Weiterbildenden (AWW) und dem Zentrum fuumlr Fernstudien und

Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) erkundigt

Das ZFUW

Das Zentrum fuumlr Fernstudien und Universitaumlre Wei-terbildung (ZFUW) ist eine zentrale Einrichtung der Universitaumlt Koblenz-Landau Mit mehr als 21 Jahren Erfahrung ist das ZFUW die aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz Das ZFUW ist auf das Angebot postgradualer Fernstudien-gaumlnge spezialisiert veranstaltet daneben aber auch Weiterbildungen im Praumlsenzformat (z B Seminare)wwwuni-koblenz-landaudezfuw

Gute Grundbildung bedingt Weiterbildung

PIAAC-Studie

ressierten ohne Bindung an Raum und Zeit am meisten gerecht In Ballungsraumlumen wie Hamburg Muumlnchen oder Berlin wo sich die Kunden aus dem lokalen Umfeld akquirie-ren lassen funktionieren auch Praumlsenzan-gebote weiszlig Lehmann bdquoBefindet sich eine Einrichtung allerdings in einer Randlage operiert man besser auf der Ebene der Fern-lehre bei der die Organisation zum Teilneh-mer kommt und nicht der Teilnehmer zur Organisationldquo

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Nutzen und Folgen des Internets

Das Schnuumlren zeitgemaumlszliger Themen und Inhalte ist zentral um das ZFUW wettbe-werbsfaumlhig zu halten Derzeit unterhaumllt es die Programmbereiche Umwelt Energie und Management Expertise holt sich das ZFUW vorrangig aus den eigenen Reihen der Ko-

gogikldquo Damit sollen Lehrerinnen und Leh-rer fit gemacht werden fuumlr den schulischen Alltag in Zeiten der Inklusion bdquoDie Laumlnder stellen zwar den Finanzbedarf fuumlr Inklusion in der Schule allerdings fehlt eine profun-de Qualifizierung der Lehrkraumlfteldquo erklaumlrt Lehmann den Ansatz des neuen Weiterbil-dungsprogramms Mit einem Kooperati-onspartner bereitet das ZFUW ein weiteres Programm vor bdquoBusiness Communications and Rhetoricldquo

Weiterbildung heute so wichtig wie noch nie

Fuumlr das berufliche Weiterkommen ist Wei-terbildung heute so zentral wie noch nie bdquoDie Halbwertszeit des Wissens wird immer kuumlrzerldquo bekraumlftigt Claudia Ehrhardt Die PIAAC-Studie habe daher auch gezeigt wie wichtig Kompetenzaufbau -erhalt und -er-weiterung in der Berufswelt seien Die zahl-reichen Innovationswellen im beruflichen Kontext gerade im EDV- oder Produktions-kontext lassen den Bedarf an Weiterbildung kontinuierlich steigen versichert Burkhard Lehmann Warum Menschen letztendlich sich fuumlr eine Weiterbildung entscheiden da-fuumlr gebe es drei zentrale Gruumlnde Lehmann unterscheidet zwischen Selbstperfektionie-rern Tool-Suchern und Karriere- oder Ab-schlussorientierten Der ersten Gruppe liegt daran die eigene Persoumlnlichkeit weiterzu-entwickeln und sich fuumlr private Interessen mehr Wissen anzueignen Die Tool-Sucher erweitern gezielt ihre Kompetenzen um

Die AWW

Die Arbeitsstelle fuumlr die Weiterbildung der Weiterbil-denden (AWW) foumlrdert die Zusammenarbeit zwischen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungsorganisationen Der bundesweit einzigartige Verein ist eine wichtige Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis im Bereich der Weiterbildung Gegruumlndet wurde die AWW 1998 auf Initiative des Ministeriums fuumlr Bildung Wissenschaft Weiterbil-dung und Kultur Die AWW hat ihren Sitz in Landau und ist der Universitaumlt Koblenz-Landau angegliedert Unter dem Motto bdquoBesser lehren lernenldquo organisiert die AWW Workshops und Fachtagungen fuumlr Personen die in der Weiterbildung taumltig sind wwwaww-landaude

blenzer und Landauer Wissenschaftler bdquoWir arbeiten aber auch konsortialldquo so Lehmann bdquound halten somit ein bestimmtes Know-how vor das an den Standorten unserer Uni-versitaumlt nicht verfuumlgbar istldquo Selbst wenn die Flexibilitaumlt bestehe auch nicht einschlaumlgige Themen zu vertreten entwickele das ZFUW vornehmlich Angebote im Kernbereich der Universitaumlt Koblenz-Landau

Derzeit arbeiten Lehmann und sein Team an dem neuen Programm bdquoInklusionspaumlda-

berufliche Herausforderungen meistern zu koumlnnen Vertreter der dritten Gruppe tum-meln sich vorwiegend im akademischen Feld Da man fuumlr die Ausuumlbung bestimmter Funktionen im beruflichen Aufstieg meist Bescheinigungen uumlber entsprechendes Wissen oder Kompetenzen benoumltigt ori-entiert sich deren Weiterbildungsbedarf an Abschluumlssen

Entsprechend unterscheidet Lehmann auch zwischen drei Weiterbildungsberei-chen die klassische die betriebliche und die wissenschaftliche Weiterbildung Die klassische Weiterbildung wird beispiels-weise von Volkshochschulen betrieben und richtet sich an ein breites Publikum Im betrieblichen Kontext sollen Arbeitnehmer ihre Kompetenzen erweitern und ihr Wissen erhoumlhen beispielsweise wenn Vertriebs-mitarbeiter im Umgang mit einem neuen Produkt geschult werden muumlssen oder eine neue Software im Unternehmen eingefuumlhrt wird Die wissenschaftliche Weiterbildung ermoumlglicht akademisch vorqualifiziertem Personal sich auf neue Aufgaben etwa als Fuumlhrungskraft vorzubereiten

Die Zeiten in denen Lernen mit dem Verlassen der Schule dem Abschluss der Ausbildung oder dem Universitaumltsexamen beendet war sind definitiv vorbei Wer im Berufsleben bestehen will wird um regel-maumlszligige Weiterqualifizierung nicht umhin kommen PIACC soll in einem Rhythmus von zehn Jahren wiederholt werden um ein Laumlngsschnitt-Bild der Entwicklung zu er-halten Man darf gespannt sein wohin sich die Kompetenzen deutscher Erwerbstaumltiger entwickeln (ket)

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Sprachbedrohung und Sprachentod

Sprachbedrohung und Sprachentod sind ein weltweites Phaumlnomen Linguisten ge-hen davon aus dass etwa alle zwei Wochen eine Sprache stirbt In 100 Jahren so schaumlt-zen Sprachforscher werden im besten Fall noch die Haumllfte dieser Sprachen existieren vielleicht aber auch nur noch zehn Prozent von ihnen Waumlhrend die 20 groumlszligten der zir-ka 6800 lebenden Sprachen von der Haumllfte der Weltbevoumllkerung gesprochen werden weisen die meisten Sprachen eine Gemein-schaft von nur wenigen hundert oder tau-send Sprechern auf Von bevorstehendem Sprachentod spricht man wenn eine Spra-che aufhoumlrt Muttersprache oder Erstspra-che zu sein ndash also dann wenn sie nur noch sekundaumlr erlernt wird und damit die noumltige Sprachpflege verliert Der endguumlltige Tod tritt ein wenn es keine Sprecher mehr gibt

Sprachbedrohung und Sprachentod fin-den auf allen Kontinenten statt und neh-men ein immer schnelleres Tempo auf je weiter die Globalisierung voranschreitet Viele andere Faktoren wie unter anderem starke Migrationsbewegungen Zuwande-rung und Urbanisierung sowie ein hohes Alter der Sprecher oder die geringe wirt-schaftliche Staumlrke einer Sprache wirken zudem auf den Sprachbestand ein Stark gefaumlhrdete Sprachen sind vor allem in den Regionen Nord- und Suumldamerika Austra-lien Asien Westafrika und in Nord- und Ostsibirien vorzufinden In diesen Regio-nen kommt es zur massiven Verletzung von Sprachenrechten

Anglistik-Professor Dr Martin Puumltz ist Linguist und beschaumlftigt sich mit Sprache und ihren vielfaumlltigen sozialen kulturel-len und psychologischen Auspraumlgungen Zusammen mit seiner Kollegin Dr Monika Reif hat er im Fruumlhjahr 2014 das 36 Interna-tionale LAUD Symposium organisiert das sich rund um das Thema Sprachbedrohung und Sprachentod drehte (siehe Infokasten) Puumltz erklaumlrt Sprache sei relevant da sie ein einzigartiger Schatz an Wissen Ideen und Weltansichten sei bdquoMit den fast 7000

Bevor sie verstummen hellipWeltweit existieren etwa 6800 Sprachen doch die Vielfalt nimmt rasant ab Was

bedeutet es wenn Sprachen sterben Was bleibt von einer Kultur uumlbrig wenn ihre Art

die Welt zu beschreiben wegfaumlllt und die Urahnen verstummen

Sprachen auf unserer Welt gibt es auch fast 7000 Arten die Welt auf unterschiedliche Art wahrzunehmen und sie zu beschreibenldquo erlaumlutert der Linguist Beispielsweise haben einige Sprachen der Ureinwohner Amerikas ein komplett anderes Zeitsystem Dinge in der Zukunft oder Vergangenheit auszudruuml-cken gehe in diesen Sprachen nicht mit den uns bekannten grammatikalischen Moumlg-lichkeiten

Sprache ist also nicht nur ein Mittel der Kommunikation sondern bietet einen tiefen Einblick in die Einstellungen und Wahrnehmungen gegenuumlber der Welt kon-serviert Traditionen und Geschichte einer Kultur und gibt einzigartiges Wissen an die naumlchste Generation weiter beispielsweise uumlber Heilmittel und Pflanzen aber auch Ge-fuumlhle Spiritualitaumlt und soziale Einsichten Es gibt so etwas wie eine kulturelle Identitaumlt und die wird maszliggeblich von Sprache ge-praumlgt Warum aber verschwinden so viele Sprachen von der Bildflaumlche Natuumlrlich gibt es viele aumluszligere Umstaumlnde warum Sprachen ihre Sprecher verlieren Gerade in der Kolo-nialzeit haben die Besatzer eine Vielzahl an Sprachen marginalisiert und unterdruumlckt teilweise wurden ganze Voumllker durch Krieg vernichtet z B durch die Kolonialisierung und Besiedlung Nord- und Suumldamerikas die Ausrottung indigener Voumllker in Australi-en oder durch die im 17 Jahrhundert einset-zende Russifizierungspolitik in Osteuropa im Kaukasus und in Sibirien Auch Natur-katastrophen wie Erdbeben oder Vulkan-ausbruumlche koumlnnen stark regional gepraumlgte Sprachen toumlten

Auch wenn Sprachwissenschaftler versu-chen bedrohte Sprachen durch Aufzeich-nung Uumlbersetzung sowie die Bewahrung und Verbreitung von Sprachaufzeichnun-gen zu dokumentieren erwecken sie diese dadurch nicht mehr zum Leben Mit No-tizbloumlcken und Aufnahmegeraumlten kann man zwar einen Teil des Wortschatzes der Grammatik und Aussprache festhalten in geringerem Maszlige jedoch Redewendungen

Gebraumluche und Beschreibungsmodelle fuumlr die Welt einfangen Nur wer eine Sprache muttersprachlich spricht kann ihre zahlrei-chen Facetten begreifen Sprachrevitalisie-rung gelingt nur in den seltensten Faumlllen Gegluumlckt ist dies beispielsweise beim mo-dernen Hebraumlisch Iwrith genannt das er-folgreich wiederbelebt und zur offiziellen Amtssprache Israels erhoben wurde Zu-meist ist der Sprachtod aber unwiderruflich

In aktuellen Faumlllen der Sprachbedrohung liege das Problem haumlufig nicht an der Um-welt sondern an anderer Stelle erklaumlrt Puumltz Wer einer Minderheitensprache maumlchtig ist hat oftmals das Gefuumlhl damit auf dem Bildungsweg oder im Berufsleben schlech-tere Chancen zu haben Eltern bestehen daher oft darauf dass ihre Kinder die indi-gene Sprache vernachlaumlssigen und statt-dessen eine dominante und wirtschaftlich starke Sprache wie Englisch Spanisch oder Franzoumlsisch zuerst erlernen bdquoSie geben da-mit eine verstaumlrkt negative Einstellung zur Muttersprache an die naumlchste Generation weiterldquo verdeutlicht Puumltz die Problemlage Der Globalisierungseffekt ist somit nicht zu unterschaumltzen denn waumlhrend z B das Eng-lische immer dominanter wird nimmt die Geringschaumltzung und damit einhergehende Vernachlaumlssigung indigener Sprachen wei-ter zu Um den Sprachentod aufzuhalten benoumltigt es also weniger Dokumentation als vielmehr eine grundlegende Aumlnderung der Einstellung zu Minderheitensprachen und indigenen Sprachen (rst)

Linguistic Agency University of DuisburgTrierLandau (LAUD)

Seit 1973 finden unter diesem Namen alle zwei Jahre Konferenzen zum Thema Sprache statt ndash zunaumlchst in Trier und Duisburg und seit 2000 in Landau Das 36 LAUD Symposium wurde im Fruumlhjahr 2014 zum Thema bedrohte Sprachen und Sprachentod veranstaltet Uumlber 90 Teilnehmer aus 25 Laumlndern besuchten die Veranstaltung

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Kinder- und Jugendhospitzarbeit

Wie lassen sich die Arbeit und das Zu-sammenleben in Kinder- und Jugendhos-pizen verbessern Wie werden Kinder und Jugendliche wirkungsvoll begleitet die an einer unheilbaren Krankheit leiden oder die einen Trauerfall in der Familie verar-beiten muumlssen bdquoBislang konnten sich die Einrichtungen ausschlieszliglich durch ein Qua-litaumltssiegel bewerten lassenldquo sagt Sven Jen-nessen Das bedeute harte generalisierte Bewertungsfaktoren bdquoDabei unterscheiden sich die Einrichtungen teilweise gravierendldquo So sei etwa die Nachfrage nach tuumlrkischer Sprachkompetenz in einigen Einrichtungen zwar sehr hoch ndash es gebe aber auch Einrich-tungen bei denen der Bedarf schlicht nicht erkennbar sei Hier muumlsse man individuell auf die Beduumlrfnisse der Einrichtungen der Mitarbeiter der Kinder und Jugendlichen sowie der Familien eingehen Fuumlr Jennessen ist dies nur eines von vielen Beispielen bei dem sich die Schwaumlche starrer Bewertungs-

kriterien zeigt Immerhin muumlsse gerade in diesem sensiblen Bereich der Mensch im Mittelpunkt stehen ndash und keine Checkliste

Deshalb ist der Qualitaumltsindex fuumlr Kin-der- und Jugendhospizarbeit QuinK auch bdquoandersldquo Der Fokus liegt nicht nur auf den Antworten sondern auch auf der Kom-munikation zwischen den Beteiligten also zwischen haupt- und ehrenamtlichen Mit-arbeitern mit Eltern Kindern und auch Geschwistern bdquoNachhaltige Qualitaumltsent-wicklung funktioniert nur durch Kommuni-kation aller Beteiligtenldquo so der Ansatz von Sven Jennessen Und damit sind auch die Juumlngsten gemeint bdquoWir sehen die Kinder als Experten in eigener Sache anldquo erklaumlrt Stefanie Hurth Gerade die Einbeziehung der Geschwister stelle derzeit bei vielen Einrichtungen ein Problem dar Denn die muumlssten bei einer todbringenden Krank-heit der Schwester oder des Bruders haumlufig zuruumlckstecken Nur selten bleibe das ohne

Konflikte wodurch sie im schlimmsten Fall die Moumlglichkeit versaumlumten sich von ihren Geschwistern zu verabschieden bdquoHier gibt es kein Schema F Viel wichtiger ist dass die Betroffenen sich austauschen die Themen aufgreifen und dann Loumlsungen entwickelnldquo sagt Hurth

Der QuinK soll durch seine zur Reflexion anregenden Fragen diese Kommunikati-on ermoumlglichen und eine Art Diskussions-Agenda darstellen Daher wurde QuinK in den vergangenen Monaten in drei stationauml-ren Kinder- und Jugendhospizen und zwei ambulanten Kinderhospizdiensten getes-tet Jennessen und Hurth besuchten die Einrichtungen in Unna Duumlsseldorf Syke Darmstadt und Wiesbaden regelmaumlszligig bdquoDer QuinK ist nicht am gruumlnen Tisch ent-standenldquo sagt Sven Jennessen

Das Team aus Landauer Wissenschaftlern wurde unterstuumltzt vom Deutschen Hospiz- und Palliativverband (DHPV) Mit diesem zusammen wurden zwoumllf Grundsaumltze fuumlr die Arbeit von Kinder- und Jugendhospizen verfasst Das seien komplexe Themen von der Betreuung der Kinder bis zur Oumlffentlich-keitsarbeit fuumlr die jeweils ein aus den drei Kategorien Haltung Strukturen und Prak-tiken bestehender Fragebogen entstan-den ist bdquoEinige Fragen die wir als wichtig erachtet hatten wurden in der Praxis nicht angenommen Andere wiederum haben wir ergaumlnzt Jetzt ist der QuinK fitldquo ist Stefanie Hurth stolz auf das Ergebnis Und Sven Jen-nessen ergaumlnzt bdquoDie Ruumlckmeldungen waren insgesamt sehr positivldquo

Nun soll der QuinK Verbreitung finden Fachvortraumlge auf Konferenzen Artikel in Fachzeitschriften Die Arbeit des Jennessen-Teams ist noch laumlngst nicht abgeschlossen bdquoWir haben aber gute Startvoraussetzun-gen schlieszliglich waren die Praktiker vom DHPV von Anfang an an Bordldquo so Jennes-sen (kap)

QuinK neuer QualitaumltsindexEin neuer Index soll die Betreuung in Kinder- und Jugendhospizeinrichtungen verbessern

Dieser Aufgabe haben sich Professor Dr Sven Jennessen und Stefanie Hurth vom Institut

fuumlr Sonderpaumldagogik in den letzten Monaten gewidmet Nun praumlsentieren sie das

Ergebnis ihrer Arbeit den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit kurz QuinK

Ein Jahr lang hat Stefanie Hurth den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit getestet Nun ist der bdquoQuinKldquo fertig und soll im Oktober in die Praxis gehen

18 NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Nach der neuen Gallup-Studie ist die Ar-beitszufriedenheit zwar im Vergleich zum letzten Jahr gestiegen trotzdem kritisch Nur wenige Menschen fuumlhlen sich bei ihrer Arbeit wertgeschaumltzt Sie suchen stattdes-sen ihr Gluumlck in der Freizeit Hinzu kommt ein dramatischer Anstieg von psychischen Erkrankungen wie dem Burnout-Syndrom Wie kann man mit diesen Gefahren umge-hen

Eine potenzielle Loumlsung liegt im Bereich der positiven Psychologie Sie befasst sich damit unter welchen Umstaumlnden Personen Wohlbefinden Gluumlck und Zufriedenheit erleben Waumlhrend sich vor den 90er Jahren die Sozial- und Verhaltenspsychologen vor allem mit den Defiziten beschaumlftigt haben untersucht man seit 1998 psychologische Prozesse die dazu fuumlhren dass Menschen zufrieden und gluumlcklich und dadurch leis-tungsfaumlhiger sind

Ottmar L Braun ist auszligerplanmaumlszligiger Professor in der Arbeitsgruppe Sozial- und Wirtschaftspsychologie am Campus Landau und befasst sich mit positiver Psycholo-gie Zur Thematik Unzufriedenheit im Job bekraumlftigt er bdquoDie Forschung hat deutlich gezeigt dass sich Techniken der positiven Psychologie vorteilhaft auf die Arbeits- und Lebenszufriedenheit auswirkenldquo Besonders interessant sei das fuumlr Krankenkassen da sie sich mit Krankheit und Gesundheit ausei-

nandersetzen und auch als erste die Kosten von langfristigen Ausfaumlllen zum Beispiel durch Burnout tragen muumlssen Braun wei-ter bdquoDann muumlssen die sich natuumlrlich fragen Wie kommt dasldquo

Braun meint Arbeit duumlrfe nicht krank machen Arbeit muumlsse eher die Moumlglich-keit bieten dass man sich positiv entfalten koumlnne Deshalb muumlssten sich Arbeitgeber darum bemuumlhen dass die Leute mit mehr Spaszlig zur Arbeit kommen bdquoDaruumlber hinaus muumlssen Arbeitnehmer Aufgaben bekom-men um ihre Staumlrken ausleben zu koumlnnenldquo Er konkretisiert bdquoSie brauchen Aufgaben an denen sie persoumlnlich wachsen wo sie quasi aufbluumlhen koumlnnenldquo

In der positiven Psychologie sei der Begriff bdquoaufbluumlhenldquo elementar denn bdquoWenn Per-sonen etwas geleistet haben sprich Ziele erreichen dann sind sie zufriedener und haben wenig handlungsirrelevante Kogniti-onen oder Ablenkung Sie koumlnnen sich wie-der auf ihre Aufgaben konzentrieren und dadurch mehr leistenldquo begruumlndet Braun Zufriedenheit am Arbeitsplatz habe aber auch immer etwas mit der Entwicklung von Fuumlhrungskraumlften zu tun Nach Braun muumlss-ten sie darauf achten dass sie ihr Team ge-sund fuumlhren bdquoKrankenkassen wie die AOK Rheinland-PfalzSaarland bieten deshalb extra Programme dafuumlr an an denen wir als Team der Universitaumlt Koblenz-Landau

beteiligt sindldquo Eine weitere Moumlglichkeit fuumlr Arbeitgeber sieht Braun in regelmaumlszligigen Mitarbeiterbefragungen bdquoIm Rahmen von Folgeprozessen kann man dafuumlr sorgen dass zufriedenstellende Arbeitsbedingun-gen vorhanden sind und Missstaumlnde abge-schafft werdenldquo

Allerdings sei die Schuld nicht nur beim Arbeitgeber zu suchen Auch die Mitar-beiter sollten darauf achten ob sie an der richtigen Stelle im Unternehmen eingesetzt oder ob sie vielleicht irgendwo anders bes-ser aufgehoben seien Braun stellt klar bdquoVor der innerlichen Kuumlndigung sollte Unzufrie-denheit konstruktiv zum Ausdruck gebracht werden um dann vielleicht an einer sinn-volleren Stelle eingesetzt zu werdenldquo

Der Professor bemerkt dass die positive Psychologie allerdings nichts Neues sei bdquoIn der Arbeits- und Organisationspsychologie in der wir uns hier bewegen haben Wissen-schaftler ja schon immer das Thema Arbeits-zufriedenheit untersuchtldquo Es sei von daher ein ganz altes Forschungsgebiet welches nun durch die positive Psychologie neu be-reichert werde

Spielend zum GluumlckBraun hat an der Universitaumlt eine eige-

ne Studie zur Zufriedenheit durchgefuumlhrt

Unzufrieden im Job Positive Psychologie kann helfen

Viele kennen es Wenn Montagmorgen der Wecker klingelt faumlllt das Aufstehen oft

schwer besonders wenn man unzufrieden mit seiner Arbeit ist Aber warum ist man

unzufrieden und wie kann positive Psychologie dabei helfen die Unzufriedenheit zu

uumlberwinden NeuLand hat mit dem Professor fuumlr Wirtschaftspsychologie Dr Ottmar L

Braun uumlber die Psychologie der positiven Dinge gesprochen

19NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Dabei wurden Studierende einen Tag lang in Techniken der positiven Psychologie un-terrichtet bdquoAuszligerdem haben sie ein Gluumlcks-tagebuch bekommen bei dem sie ihre Gluumlcksmomente niederschreiben koumlnnen und einiges uumlber Smalltalk und Networking gelerntldquo Die Ergebnisse wuumlrden zeigen dass sich die Zufriedenheit der Studieren-den kurzfristig aber auch langfristig positiv veraumlndere Zudem seien ihr Optimismus und die Studienmotivation angestiegen depressive Verstimmungen gesunken Braun verdeutlicht bdquoAlles so wie man sich das wuumlnschtldquo

In seiner Forschung versucht er eine Bruuml-cke zu schlagen zwischen Techniken der positiven Psychologie und Techniken des Selbstmanagements Das wuumlrde gut pas-sen denn auch in der positiven Psychologie wuumlrden oft Tipps gegeben wie man etwas angehen solle versichert Braun Eine ganz prominente Uumlbung beim Selbstmanage-ment und in der positiven Psychologie sei die bdquoWas ist gut gelaufen-Uumlbungldquo Dabei geht es darum dass man am Abend uumlber-legen soll welche drei Dinge am Tag gut gelaufen sind und welche seiner Staumlrken es waren die dazu beigetragen haben Das sei eine Uumlbung die in der gesamten Literatur empfohlen werde Der Namensgeber der positiven Psychologie Martin Seligman habe zeigen koumlnnen dass die Anwendung

dieser Uumlbung dazu fuumlhre dass Leute nach sechs Monaten weniger depressiv seien Seligman fuumlhre das darauf zuruumlck dass das eine selbstverstaumlrkende Wirkung habe so Braun bdquoDie Leute merken dass sie sich bes-ser fuumlhlen wenn sie daruumlber nachdenken was heute gut gelaufen ist und warum Und deshalb wiederholen sie den Vorgangldquo Es habe dadurch eine langfristige Wirkung

Brauns neuestes Aushaumlngeschild ist ein Brettspiel namens bdquoCareer Games ndash spie-lend trainierenldquo bdquoWir haben Seminare ent wickelt bei denen wir Selbstmanage-ment-Kompetenzen in verschiedenen Le-bens- oder Inhaltsbereichen von Personen staumlrken koumlnnen Dazu dient auch ein Brett-spiel bei dem die Teilnehmer verschiedene Inhaltsbereiche der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder auch Smalltalk und Networking spielend erlernenldquo Jeder Spieler bekomme im Spiel eine Figur und muumlsse seinen Weg durch das Spielfeld wuumlrfeln so Braun bdquoAuf den Fel-dern muumlssen sie dann Quizkarten ziehen die das im Seminar Gelernte noch einmal aufarbeitenldquo Dabei muumlssten sie beispiels-weise drei Dinge nennen die sie in ihrem Leben gluumlcklich machen bdquoDurch den Spiel-charakter lernt man mehr als nur uumlber Se-minareldquo Mit Erfolg Erste Untersuchungen zeigen positive langfristige Effekte durch die Seminar-Brettspiel-Kombination (dan)

Tipps fuumlr die positive Fuumlhrung von Ottmar Braun

Fuumlhrungskraumlfte muumlssen eine gute zwischenmensch-liche Beziehung zu jedem einzelnen Mitarbeiter unterhalten Sie muumlssen auch verbindliche Aussagen machen und zu diesen Aussagen stehen Des Weiteren sollte ein Chef seine Angestellten unterstuumltzen wenn es notwendig ist Wichtig ist auch keinen unnoumltigen Druck aufzubauen sondern Staumlrken von Mitarbeitern kennen zu lernen und zu foumlrdern Von Vorteil koumlnnen auch Begruumlszligungs- und Krankenruumlckkehrgespraumlche sein Es koumlnnte ja sein dass die Krankheit etwas mit den Arbeitsbedingungen zu tun hat Natuumlrlich sind auch Teamsitzungen und Teambildungsmaszlignahmen von groszliger Bedeutung um ein angenehmes Arbeits-klima herzustellen

Spielend lernen Mit dem Brettspiel bdquoCareer Gamesldquo erlernen die Spieler verschiedene Inhalte der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder Smalltalk und Networking

20 NeuLand 2014 03

Psychotherapie-Ambulanz

Wie eine Baustelle sieht die psychothera-peutische Uni-Ambulanz nicht mehr aus Den Abdeckplanen sind bunte Stuumlhle und Stofftiere gewichen im Eingangsbereich liegen Fachmagazine und das Buumlro von Professorin Dr Tina In-Albon ist bereits voller Buumlcher Und doch bdquoist hier noch alles Baustelleldquo so die Professorin fuumlr Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kin-des- und Jugendalters Nach Therapeuten werde noch gesucht die ersten Behandlun-gen seien angelaufen Forschungsprojekte in Planung bdquoEine spannende Phaseldquo bekraumlf-tigt die Ambulanzleiterin

Von nun an wird sich das zehnkoumlpfige Team um die Professorin In-Albon und Ge-schaumlftsfuumlhrerin Dr Daniela Schwarz mit den psychischen Erkrankungen der suumld-pfaumllzer Kinder und Jugendlichen befassen Die Kosten fuumlr die psychotherapeutische Behandlung uumlbernehmen bei Indikation die Krankenkassen Hinzu kommt ein wei-terbildender Studiengang zur Ausbildung in Kinder- und Jugendlichenpsychothe-rapie der im Wintersemester 201415 mit zwoumllf Teilnehmern pro Jahrgang startet In Rheinland-Pfalz ist die Universitaumlt Kob-lenz-Landau in diesem Bereich die einzige universitaumlre Ausbildungsstaumltte Neben der hauseigenen Ambulanz kooperiert der Studiengang mit dem Pfalzklinikum in Klin-genmuumlnster sowie anderen kinder- und ju-gendpsychiatrischen Kliniken in der Region

Kaum eroumlffnet schon stehen die ersten Forschungsprojekte an Derzeit liegt ein Fokus in der Behandlung von Angststoumlrun-gen und Depressionen bdquoVielen Depressio-nen gehen Aumlngste voraus Daher lohnt es diese beiden zusammen zu betrachtenldquo so

Tina In-Albon Laut Statistik leiden zirka 20 Prozent der Erwachsenen und zirka 10 Pro-zent der Kinder unter Angststoumlrungen bei Depressionen sind es sogar 40 Prozent der Erwachsenen und im Jugendalter auch be-reits zwischen 15 und 20 Prozent In Planung befindet sich daher eine Therapiestudie fuumlr Jugendliche mit Angst- und depressiven Stoumlrungen Ein weiterer Forschungsbereich ist das nicht-suizidale selbstverletzende Verhalten im Volksmund auch als bdquoRitzenldquo bekannt bdquoDa machen wir eher Grundla-genforschungldquo so die Professorin Ein spe-zifisches Therapieangebot gebe es derzeit noch nicht ndash bdquodas kann sich aber alles noch entwickelnldquo

Einen weiteren Forschungsschwerpunkt stellt die psychische Gesundheit bei Kindern mit Diabetes dar insbesondere bei Diabetes vom Typ I der im Gegensatz zum bdquoAltersdi-abetesldquo II auch bei Kindern und Jugendli-chen verbreitet ist bdquoHier wissen wir uumlber

Erste Forschungsprojekte stehen an

Ende Juni offiziell eingeweiht hat die Psychotherapie-Ambulanz fuumlr Kinder und Jugend-

liche die Arbeit aufgenommen Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen

haben nun in Landau eine neue Anlaufstation Und auch die Forschung profitiert von der

Einrichtung

die medizinische Forschung zwar schon eine Mengeldquo sagt Tina In-Albon aber aus psychologischer Sicht sei das Thema noch relatives Neuland Wie etwa sieht es bei der psychologischen Betreuung der Kinder aus aber auch der Eltern der Lehrer und sons-tiger zentraler Bezugspersonen Wird die Krankheit und deren Umgang akzeptiert Wie koumlnnen Psychotherapeuten helfen Auch hier schlummert ein Forschungspo-tenzial fuumlr In-Albon bdquoVieles ist im Aufbauldquo sagt sie beschwichtigend Und doch laumlsst sie im Gespraumlch mit NeuLand durchblicken dass sie auch auf diesem Gebiet noch inten-siver forschen moumlchte

Neben der Forschung ist die Hochschul-ambulanz auch in die Lehre im Rahmen des Masterstudiengangs Klinische Psychologie eingebunden So werden die Studierenden beispielsweise in die Diagnostik einbezogen und koumlnnen unter Supervision in Patienten-gespraumlchen Praxiserfahrung sammeln (kap)

In der neuen Universitaumltsambulanz fuumlr Kinder und Jugendliche wird die ganze Palette der psychischen Stoumlrungen behandelt

21NeuLand 2014 03

Wenn man sich seine Dozenten auszligerhalb der Universitaumlt vorstellt dann ist es wohl in einem Sessel vor einem uumlberfuumlllten Buumlcher-regal mit einem wissenschaftlichen Buch in der Hand vielleicht noch mit einem Hund zu den Fuumlszligen Wenige Studenten glauben dass ihre Dozenten moumlglicherweise eine spannendere Freizeitgestaltung haben als sie selbst

Bei Walter H Schreiber ist das aber so Seit dem Sommer 2013 ist er 3D-Bogenschuumltze 3D-Bogenschieszligen bedeutet nicht dass man mit einer 3D-Brille und einem virtu-ellen Bogen bewaffnet auf herannahende Tiere oder Aliens schieszligt Eigentlich ist das 3D-Bogenschieszligen vielmehr die Wieder-entdeckung des sportlichen Jagens mit Pfeil und Bogen ohne einem Tier Schaden zuzufuumlgen Es erinnert an eine Art Golf Der Schlaumlger wird zum Bogen der Ball zum Pfeil und statt eines Abschlags hat man einen Abschuss-Punkt Das Ziel ist aber kein Loch sondern zum Beispiel ein Fasan oder eine Riesenspinne welche von Vereinsmitglie-dern angefertigt und im Parcours platziert wurde

Schreiber ist seit Dezember Mitglied beim Verein Palatina Bogenschuumltzen eV in Ins-heim suumldlich von Landau Davor absolvierte er bereits einen Pfeil und Bogen-Intensiv-kurs in der Eifel bdquoDamit sich nicht bereits am Anfang grobe Fehler einschleichenldquo bekraumlf-tigt Schreiber Sein Sohn sei auch Bogen-schuumltze habe aber unabhaumlngig von ihm zur selben Zeit angefangen Auf die Frage wa-rum er nicht das klassische von Olympia be-kannte Bogenschieszligen ausuumlbe antwortet Schreiber bdquoDa gibt es zu viele Regelnldquo Au-szligerdem sei er ein intuitiver Schuumltze welcher ndash im Gegensatz zum strategischen Schuumltzen ndash sich voll und ganz auf seine Erfahrung und sein Bauchgefuumlhl verlasse Zwar ist Schrei-ber schon seit einem Jahr leidenschaftlicher Bogenschuumltze trotzdem gilt er im Verein

Entspannung vom AlltagWaumlhrend die Studierenden fast immer wissen ob ein Dozent freundlich oder streng ist

koumlnnen sich nur wenige vorstellen was diese mit ihrer Freizeit anfangen NeuLand war

einen Abend mit Dr Walter H Schreiber unterwegs Sein Hobby das 3D-Bogenschieszligen

noch als Anfaumlnger bdquoDeswegen behalte ich meine Ergebnisse bei Wettkaumlmpfen lieber fuumlr michldquo bemerkt er schmunzelnd

Sicherheit sei sehr wichtig betont Schrei-ber So muss sich jeder Schuumltze vorab in einem Schieszligbuch eintragen um zu sehen wie viele Leute auf dem Parcours unter-wegs sind Aus gutem Grund Auf dem 500 Meter langen und mit 28 Zielen bestuumlckten Parcours kann man leicht den Uumlberblick verlieren Zwei bis drei Stunden dauert die Durchquerung des Kurses Manchmal machen es abgeknickte Aumlste und ein rut-schiger Untergrund gar nicht so einfach die Ziele zu treffen Trotzdem wuumlrden die meisten Unfaumllle nicht beim Schieszligen selbst passieren sondern beim Herausziehen der Pfeile aus den Koumlrpern der Ziele meint Schreiber Ein Vereinskollege ergaumlnzt bdquoWich-

tig ist uns dass wir das 3D-Bogenschieszligen nicht als Vorstufe zur Jagd mit Pfeil und Bogen sehen Es ist vielmehr ein Sport bei dem man sich deutschlandweit mit anderen Schuumltzen messen kannldquo Im Gegensatz zum klassischen Bogenschieszligen schieszlige man nicht auf langweilige Zielscheiben sondern durchlaufe einen interessanten Parcours

Fuumlr Schreiber ist das Bogenschieszligen Ent-spannungskur vom alltaumlglichen Uni-Stress bdquoNach der Arbeit auf den Parcours zu gehen befreit meinen Kopfldquo Verstaumlndlich denn das leise Zischen des Pfeiles und die Ruhe im gruumlnen naturbelassenen Gelaumlnde hat etwas Erholendes Auszligerdem hat Schreiber beim Verein Palatina Freunde gefunden mit denen er an fast jedem Donnerstag und Sonntag durch den Parcours streift ndash auf der Jagd nach kuumlnstlichen Tieren (dan)

Hobby 3D-Bogenschieszligen

Beim 3D-Bogenschieszligen findet Walter H Schreiber Entspannung vom alltaumlglichen Uni-Stress

22 NeuLand 2014 03

Summer School

In der Reihe bdquoE-Mail aus hellipldquo berichtet Sozialwissenschafts-Student Daniel Schumacher

von der Summer School aus dem polnischen Wroclaw

Liebes NeuLandCześćaus Wroclaw Manchmal reicht ein

akademischer Kurz-Urlaub um ein Land und die

Leute lieben zu lernen

Zum Ende meiner akademischen Laufbahn wollte

ich das Studentendasein noch einmal voll und

ganz genieszligen und habe mich entschlossen eine

Summer School zu besuchen Fast jeder unserer

Fachbereiche bietet so etwas an Fuumlr mich ging die

Reise unter der Leitung von Professor Dr Siegmar

Schmidt (Politikwissenschaften) nach Wroclaw Polen

Erasmus-finanziert begann meine Hinfahrt in einem

Fernbus von Karlsruhe direkt nach Breslau so der alte

deutsche Name fuumlr Wroclaw

Hier angekommen bezogen wir ndash meine Wenigkeit

mit sieben anderen Deutschen ndash unsere Zimmer in

einem Studentenwohnheim oder wie ich es nenne

bdquoPlattenromantik-Hotelldquo Von auszligen neu gestrichen

verspruumlhte das Haus von innen den gesamten

Ostblock-Charme der Kalten-Krieg-Aumlra Das war

fuumlr mich aber auch das einzig Negative waumlhrend

meiner zweiwoumlchigen Summer School Bereits

am ersten Tag lernten wir beim bdquoget-togetherldquo

die anderen Teilnehmer kennen 70 Studenten

aus uumlber acht Laumlndern wollten mehr uumlber die

europaumlische Finanzkrise lernen und ndash wie ich ndash neue

Freundschaften knuumlpfen

Ab dem zweiten Tag war unser neues Zuhause ein

Houmlrsaal beim Institut fuumlr Politikwissenschaft Dort

E-Mail aus hellip Wroclaw

lernten wir wie verschiedene europaumlische Staaten mit

der Finanzkrise zu kaumlmpfen hatten und stellten jeweils

unsere Laumlnder selbst vor

Nach der ersten Woche wurden wir in verschiedene

Gruppen aufgeteilt um uumlber Innovation im

oumlffentlichen und privaten Sektor zu forschen

Forschen bedeutete dabei dass wir polnische

Buumlrger interviewten die entweder im privaten oder

oumlffentlichen Bereich taumltig sind Mein bdquoResearch-Haufenldquo

war bunt gemischt ndash von Belgiern uumlber Rumaumlnen

bis hin zu Ukrainern Ohne Verstaumlndigungsprobleme

meisterten wir unseren Arbeitsauftrag was am letzten

Tag feucht-froumlhlich mit allen gefeiert wurde

Am Ende moumlchte ich noch eine Lanze fuumlr die Stadt

Wroclaw und das Land Polen brechen Wir wurden

sehr herzlich aufgenommen Die Stadt mit ihrer

(deutschen) Geschichte war atemberaubend Nicht

nur die alten Gebaumlude haben es mir angetan sondern

die Atmosphaumlre rund um den historischen Stadtkern

Ich habe in diesen zwei Wochen sehr viele Menschen

kennen gelernt einige wuumlrde ich nun als enge Freunde

bezeichnen Das erste Wiedersehen mit Studenten aus

Belgien und Tschechien ist bereits geplant

Bis bald im guten alten Landau

euerDaniel Schumacher

23NeuLand 2014 03

Hochschulgruppe

Eigentlich kommt Cornelia Spengler aus einem ganz anderen Fachgebiet Nach ih-rem Biologiestudium am Karlsruher Insti-tut fuumlr Technologie promoviert sie derzeit in Landau im Fachbereich Natur- und Um-weltwissenschaften Aber auch an sozialer Arbeit hatte sie schon immer Interesse Sie wollte sich nicht nur mit der Wissenschaft beschaumlftigen sondern mit Menschen zu-sammenarbeiten So entdeckte sie fuumlr sich ein sensibles Thema die Integration und Bildungsgerechtigkeit

Cornelia Spengler wollte nicht nur reden sondern handeln In der SchuumllerNavi-Grup-pe in Aachen fand sie ein Vorbild nach dem sie am Campus Landau gemeinsam mit Stu-dentin Sylvia Klaus eine Hochschulgruppe aufbaute Ziel sollte es sein Schuumller zu foumlr-dern die durch ihre mangelnden Deutsch-kenntnisse in der Schule Probleme haben und deren Eltern das Geld fuumlr Nachhilfe nicht aufbringen koumlnnen bdquoWenn die Eltern zu Hause kaum Deutsch sprechen haben die Kinder dort auch wenig Unterstuumltzung fuumlr die Schule Diktate zu uumlben ist dann schlichtweg nicht moumlglichldquo erklaumlrt Speng-ler

SchuumllerNavi bietet neben Hausaufgaben-betreuung und Nachhilfeunterricht auch kulturellen Austausch Mittlerweile betei-ligen sich in der Hochschulgruppe uumlber 20 Studenten die den Schuumllern in schulischen

Aktive Arbeit statt bloszlige TheorieUumlber Integration zu reden bringt nicht viel Sie muss gelebt werden Darum gruumlndete die

Landauer Doktorandin Cornelia Spengler mit Studentin Sylvia Klaus die Hochschulgruppe

SchuumllerNavi die immer mehr Mitglieder zaumlhlt Wie man Integration foumlrdern kann und was

den Ehrenamtlichen ihre Arbeit bringt daruumlber sprach sie mit NeuLand

Belangen zur Seite stehen ihnen das Uni-Leben zeigen und ihnen zuhoumlren wenn sie Probleme haben

Spengler selbst betreut zwei Bruumlder mit tamilischen Wurzeln Um Beruumlhrungspunk-te zu schaffen die fuumlr den Aufbau eines Ver-trauensverhaumlltnisses wichtig sind hat sie mit den Jungs auf dem Campus beispiels-weise gemeinsam mikroskopiert Einer der beiden Bruumlder war stark versetzungsgefaumlhr-det und hat es nun in die naumlchste Klasse geschafft Ein Stuumlck weit schreibt sie diesen Erfolg SchuumllerNavi zu

bdquoSchwierig ist es zu unterscheiden welche Kinder wirklich der Foumlrderung beduumlrfenldquo so Spengler In Konkurrenz mit Nachhilfe-Firmen will die Gruppe nicht treten Ziel-gruppe sind Kinder die in der Schule haumlufig nicht ausreichend gefoumlrdert werden und deren Eltern sich keine professionelle Nach-hilfe leisten koumlnnen Daher hat SchuumllerNavi Kooperationen mit sozialen Institutionen Landaus die ihnen die Kontakte weiterver-mitteln bdquoDer Bedarf ist riesig Wir koumlnnen ihn gar nicht deckenldquo berichtet Spengler Daher ist die Hochschulgruppe auch staumln-dig dabei neue Mitglieder zu werben

Fuumlr die Zukunft plant die Hochschul-gruppe eine weitere Kooperation mit ELKE (Eltern Kompetenzen erlernen) um die El-tern weiterzuschulen beispielsweise mit Sprachkursen Dadurch sollen diese ihren

Kindern besser bei schulischen Aufgaben selbst helfen koumlnnen

Neben dem Gefuumlhl etwas Gutes zu tun sieht Spengler aber auch andere Vorteile fuumlr das Ehrenamt Gerade Lehramtsstu-denten koumlnnen sich hier ausprobieren und paumldagogische Konzepte umsetzen die sie aus der Theorie kennen Jeder koumlnne viel lernen erklaumlrt sie Man uumlbe hier nicht nur den Umgang mit Kindern und Jugendli-chen sondern lerne auch viel uumlber fremde Kulturen Sie selbst habe von ihren zwei Nachhilfeschuumllern bereits viel uumlber Feierta-ge und Sitten ihrer Kultur aber auch einzel-ne Vokabeln ihrer Sprache gelernt Und die Schuumller seien sehr interessiert an deutschen Gebraumluchen und Eigenarten

Fuumlr das ehrenamtliche Engagement hat SchuumllerNavi bereits Preise bekommen Bei der Initiative fuumlr Integration von bigFM be-legten sie den dritten Platz Das Preisgeld investierte die Gruppe unter anderem um mit ihren Schuumllern die Zooschule zu besu-chen In diesem Jahr erhaumllt SchuumllerNavi zu-dem den Campus-Kulturpreis des Campus Landau

bdquoMan redet immer uumlber Integration Von Menschen mit Migrationshintergrund wird erwartet sich hier zu integrieren Aber das liegt ja auch an uns Man muss sie auf die-sem Weg unterstuumltzenldquo erklaumlrt Doktorandin Spengler (rst)

Termine ImpressumHerausgeberReferat fuumlr Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit der Universitaumlt Koblenz-Landau Campus Landau Fortstraszlige 7 76829 Landau

RedaktionsteamKerstin Theilmann (ket) (verantw) Berend Barkela (bb) Wilfried Dorsch (wdo) Sebastian Kapp (kap) Daniel Schumacher (dan) Rosa Stecher (rst)

LayoutMedienzentrum Campus Landau Berend Barkela

FotosTitel Imago Fotoarena S 2 S 3 privat S 5 Imago Xinhua S 7 oben kanvag - Fotoliacom S 7 unten Medienzentrum Hiller S 9 Imago ITAR-TASS S 10 Imago Steinach S 11 Imago DeFodi S 13 Imago PPfotodesign S 15 JiSign - Fotoliacom S 17 Medienzentrum Hiller S 19 Medienzentrum Barkela S 20 Medienzentrum Hiller S 21 und 22 Daniel Schumacher

KontaktKerstin TheilmannTel 06341 280-32219 E-Mail theiluni-koblenz-landaude

Aus Gruumlnden der besseren Lesbarkeit verwenden wir in unseren Artikeln die maumlnnliche Form Damit sind stets Frauen und Maumlnner gemeint

Die Redaktion behaumllt sich die Kuumlrzung und Uumlberarbeitung von Texten vor Die Meinung einzelner AutorinnenAutoren gibt nicht immer die Meinung der Redaktion wieder

28101014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Florian Ostertag Atrium Infos unter wwwasta-landaude

05112014 ab 2130 Uhr Atriumsfete Infos unter wwwasta-landaude

06112014 20 Uhr Poetry Slam Landau Universum Kinocenter Infos unter wwwzkwuni-landaude

19112014 1930 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Friedensprojekt Europa in der Krise Mit Bundesministerin aD Heidemarie Wieczorek-Zeul und weiteren Gaumlsten Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

19112014 21 Uhr Konzert bdquoBeats und Pianoldquo Audimax Infos unter wwwasta-landaude

1122014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Unland Atrium Infos unter wwwasta-landaude

03122014 19 Uhr Hambacher Gespraumlch Meine Daten gehoumlren den Unternehmen Hambacher Schloss Infos unter wwwfliuni-landaude

05122014 1930 Uhr Reihe bdquoGroszlige Begegnungenldquo mit Sternekoch Alfons Schubeck Jugendstil-Festhalle Landau Infos unter wwwzkwuni-landaude

08122014 1900 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Frieden durch Demokratie Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

Ausblick 13 - 15012015 Poetik-Dozentur mit Rafik Schami Infos unter wwwzkwuni-landaude

Weitere Termine unter wwwuni-koblenz-landaudeaktuell wwwuni-koblenz-landaudeblog

Page 5: Neuland Ausgabe 3/2014

5NeuLand 2014 03

Sie untersuchen in Ihrer Forschung eine In-terventionsstrategie der Mediation die der emeritierte Psychologie-Professor Leo Mon-tada entwickelt hat Die Mediation ist ein Verfahren bei dem Konfliktparteien durch Unterstuumltzung einer dritten neutralen Par-tei ndash dem Mediator ndash zu einer gemeinsamen Vereinbarung gelangen Der Mediator trifft dabei keine eigenen Entscheidungen bezuumlg-lich des Konflikts sondern ist lediglich fuumlr die Struktur des Verfahrens verantwortlich Sie untersuchen die Mediation allerdings nicht auf internationaler Ebene sondern im univer-sitaumlren hochschulpolitischen Bereich Dabei gibt es keinen eigentlichen Mediator es wird vielmehr Informationsmaterial uumlber die Natur von Gerechtigkeitskonflikten an Konfliktpar-teien ausgegeben Inwieweit kann man Ihre Ergebnisse auf einen internationalen Kontext anwenden

Erst einmal haben unsere Ergebnisse gezeigt dass die Strategie von Montada durchaus Fruumlchte traumlgt Bei Montada sollen sich zwei oder mehrere Konfliktparteien an einen Tisch setzen und werden von einer dritten neutralen Partei bei den Gesprauml-chen unterstuumltzt bzw von ihr moderiert Die Strategie die er vorgeschlagen hat zielt spezifisch auf Gerechtigkeitsempfindung ab Obwohl wir in unserem Kontext mit dem Informationsmaterial eine sehr redu-zierte Version dieser Strategie angewendet haben bietet es einen ersten Anhaltspunkt dafuumlr dass die Strategie von Montada funk-tioniert Es besteht also Grund zur Hoffnung dass wenn ein Mediator diese Strategie in

einem echten heiszligen Konflikt verfolgt er dann auch erfolgreich sein kann

Was sind die groumlszligten Probleme die bei einer solchen Strategie auftauchen koumlnnen

Wenn man von einem einfacheren Fall ausgeht dann stellt sich die Frage inwie-weit Informationsmaterial wie wir es den Versuchspersonen gegeben haben ma-nipulativ wirkt Darf so etwas uumlberhaupt eingesetzt werden um jegliche Interessen durchzusetzen Auf der internationalen Ebene oder uumlberhaupt bei eskalierten Kon-flikten muss man sagen dass Mediation zur Deeskalation sehr viele Voraussetzungen braucht Zum Beispiel muumlssen die Konflikt-parteien uumlberhaupt erst bereit sein sich an einen gemeinsamen Tisch zu setzen Da ist Syrien ein gutes Beispiel dafuumlr dass es bis dahin ein sehr langer Weg ist

Wie sehen die generellen Voraussetzungen fuumlr eine erfolgreiche Mediation aus

Wie gerade angesprochen muumlssen die Konfliktparteien zunaumlchst bereit sein mitei-nander zu reden Der zweite Schritt ist die Einigung auf einen unparteilichen Dritten Das kann eine Person oder im internatio-nalen Kontext ein Land sein Eng verwoben damit ist natuumlrlich das beidseitige Vertrau-en in diesen neutralen Akteur Eine weitere wichtige Voraussetzung ist dass die Loumlsung nicht von vornherein feststehen darf Das bedeutet dass der Ausgang der Verhand-lungen offen sein muss Ob die Gespraumlche dann erfolgreich sind kann leider keiner sagen und haumlngt von vielen verschiedenen Faktoren ab (dan)

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

Auch die UN sieht in der Mediation ein Instrument zur Praumlvention und Loumlsung von Konflikten UN-Spitzenbeamte disktuierten am 23 Mai 2012 zum Thema bdquoThe Role of Member States in Mediationldquo

6 NeuLand 2014 03

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

NeuLand Herr Professor Bermes gibt es eine einfache Antwort auf die Frage was Ge-rechtigkeit ist

Christian Bermes Eine einfache Antwort gibt es nicht Es gibt aber einen Zugang der die Sache vereinfacht Und dieser Zu-gang ist zunaumlchst begrifflicher Natur Wir sprechen heute allzu oft uumlber Gerechtigkeit und haben Strukturen Institutionen Vertei-lungsschluumlssel und vieles mehr im Blick Das ist auch wichtig aber eigentlich nur eine abgeleitete Form der Gerechtigkeit Die ei-gentliche Frage der Gerechtigkeit druumlckt sich in Ausdruumlcken aus wie etwa bdquoWie wer-de ich dieser oder jener Situation gerechtldquo Gerechtigkeit ist daher eine Haltung eines Menschen zu anderen Menschen Eine solche Form von Haltung bezeichnet man klassischerweise als Tugend Gerechtig-keit ist seit der Antike eine Kardinaltugend mit einer besonderen Stellung Denn sie bringt zum Ausdruck dass die Tugend der Gerechtigkeit das wichtigste Lebensmittel des Menschen ist mit anderen Menschen umzugehen

Also ist Gerechtigkeit wie ein Lebensmittel fuumlr ein gutes Miteinander

Fuumlr ein gerechtes Miteinander Menschen besitzen eigentlich nicht besonders viele Mittel um handelnd auf andere Menschen zuzugehen Wir koumlnnen andere bewegen indem wir sie von einem Ort zum anderen bringen wir koumlnnen lieben oder wir koumln-nen gerecht miteinander umgehen Josef Pieper bemerkte einmal uumlberall wo wir andere nicht lieben koumlnnen muumlssen wir gerecht sein Nun stellt sich die Frage wie man Gerechtigkeit weiter charakterisieren kann Neben der begrifflichen Seite dass Gerechtigkeit ein Lebensmittel des Men-schen im Umgang miteinander ist muumlssen

wir uns fragen Warum benoumltigen wir einen gerechten Umgang uumlberhaupt Seit der Antike weiszlig man dass die Knappheit der Guumlter uns zu einem Verhalten zwingt dass wir als gerecht kennzeichnen Begrenzt verfuumlgbare Guumlter wie Wasser Lebensmittel oder auch Zeit bilden die Grundlage dafuumlr warum Gerechtigkeit fuumlr uns so wichtig ist Ein dritter Aspekt der Uumlberlegung wie man Gerechtigkeit bestimmt besteht darin dass Gerechtigkeit in der alltaumlglichen Rhetorik oftmals schnell mit Gleichheit gleichgesetzt wird Von dieser Annahme haben sich schon Platon und Aristoteles distanziert Bestimm-te Formen der Gleichheit koumlnnen auch zu Ungerechtigkeit fuumlhren

InwiefernFolgendes Beispiel Sie haben zwei Kinder

Ein Kind ist durch einen Ungluumlcksfall in eine hochprekaumlre koumlrperliche Lage gekommen kann seinen Lebensweg nicht eigenstaumlndig weitergehen und sich nicht so entwickeln wie man es erwarten koumlnnte Das andere Kind ist gesund und daruumlber hinaus beruf-lich gut situiert Jetzt kommen Sie in die Si-tuation beispielsweise bei einer Erbschaft das Vermoumlgen zu verteilen Welche Vertei-lung ist gerecht Wenn man das Vermoumlgen arithmetisch gleich verteilt merken wir so-fort dass hier etwas nicht stimmt Da zeigt sich recht deutlich dass bezogen auf die gleiche Verteilung von Guumltern diese Form von Gleichheit zuerst einmal unserer Ge-rechtigkeitsintuition widerspricht

Also gibt es keine einfache Formel fuumlr Ge-rechtigkeit Es ist ja doch Ermessenssache hellip

Doch es gibt eine Formel fuumlr Gerechtig-keit Bei Platon heiszligt es dass es gerecht sei wenn jeder das ihm Zukommende oder das ihm Gebuumlhrende erhalte Das ist die aumll-teste Charakterisierung der Gerechtigkeit

die Philosophie nennt dies die Idiopragie-formel Natuumlrlich kann es problematisch werden zu bestimmen was das jeweils sbquoihm Gebuumlhrendersquo ist aber das bedeutet nicht dass diese Formel falsch ist Auch steckt in der Formel etwas das zur Gerechtigkeit ganz grundsaumltzlich gehoumlrt Den anderen als anderen anzuerkennen Dass der andere nicht ich bin ich mich nicht an seine Stel-le setze und dass der andere nicht irgend-etwas ist sondern jemand der bestimmte Empfindungen Beduumlrfnisse Wuumlnsche hat und zwar seine nicht meine Hinter dieser Formel steckt also mehr als man auf den ersten Blick vermutet

Aber ist Gerechtigkeit oder gerechtes Emp-finden nicht immer auch subjektiv

Nein Sicherlich gibt es so etwas wie eine Gerechtigkeitsintuition Bei der Gerech-tigkeit fragt man jedoch nicht um wessen subjektive Wuumlnsche Empfindungen oder Beduumlrfnisse es sich handelt sondern da-nach welche Wuumlnsche Empfindungen oder Interessen mit Blick auf die Person hier eine Rolle spielen In diesem Sinne hat Gerech-tigkeit etwas mit dem Recht zu tun zu dem Unparteilichkeit gehoumlrt So wird Justitia mit verbundenen Augen dargestellt und urteilt unabhaumlngig von subjektiven Interessen Stimmungen und Launen Mit Blick auf die Gerechtigkeit heiszligt dies dass wir unabhaumln-gig von bloszlig subjektiven Empfindungen bloszlig subjektiven Interessen urteilen Wir merken dies auch sofort wenn jemand Ge-rechtigkeit fordert aber nur sich selbst und seinen eigenen Vorteil im Blick hat

Hat Gerechtigkeit aber vielleicht etwas mit moralischem Empfinden zu tun

Das Beispiel mit den zwei Kindern die be-zogen auf das Vermoumlgen ungleich situiert sind zeigt ganz deutlich Wuumlrden die Eltern

Gerechtigkeit ist eine HaltungUumlber Gerechtigkeit wird viel gesprochen Doch was ist Gerechtigkeit uumlberhaupt Welche

Rolle spielt sie im Leben Und legitimiert sie Protest NeuLand sprach mit Philosophiepro-

fessor Dr Christian Bermes

7NeuLand 2014 03

das Vermoumlgen nur arithmetisch gleich ver-teilen wuumlrde man sagen da stimmt etwas nicht Insofern gibt es so etwas wie ein mo-ralisches Empfinden Aber jetzt faumlngt das Denken an man muss sich fragen warum stimmt hier etwas nicht Das hat mit dem Empfinden nichts mehr zu tun sondern mit Begruumlndung und Rechtfertigung

Hat Gerechtigkeit etwas mit Naumlhe und Dis-tanz zu tun Bei mir nahe stehenden Men-schen faumlllt es mir bei einer Verteilungsfrage sicherlich einfach zu sagen da stimmt etwas nicht Es gibt aber auf der Welt Klimakata-strophen Hungersnoumlte Das ist eine unge-rechte Verteilung von Leid Und trotzdem koumlnnen wir verhaumlltnismaumlszligig unbeschwert hier ein sorgenfreies Leben fuumlhren aumlndern vielleicht auch nichts an unserem Lebens-wandel Schwindet unser Gerechtigkeitssinn mit zunehmender Distanz

Das ist nicht ganz einfach Nicht uumlberall wo ungleiche Lebensverhaumlltnisse herr-schen muumlssen wir auf Gerechtigkeit re-kurrieren Da spielen eher andere wichtige Konzepte eine Rolle wie beispielsweise Solidaritaumlt So hat beispielsweise unser Verhalten gegenuumlber den durch Ebola In-fizierten in einigen afrikanischen Staaten ganz sicher etwas mit Solidaritaumlt zu tun Zur Frage bezuumlglich Naumlhe und Distanz Die Gerechtigkeitsfrage stellt sich wenn es zu-mindest eine relative Distanz zwischen den Akteuren gibt Die bereits oben zitierte Be-merkung von Pieper man muss da gerecht sein wo man nicht lieben kann bringt das relativ deutlich zum Ausdruck In Verhaumllt-nissen die wir durch Sympathie Liebe und Zuneigung beschreiben stellt sich viel-leicht gar nicht die Frage der Gerechtigkeit Aber in Verhaumlltnissen in denen Distanzen in sozialen Ordnungen geregelt werden

wie etwa im Beruf in Vereinen oder in Nachbarschaften stellen sich Gerechtig-keitsfragen So auch natuumlrlich im Verhaumlltnis von Dozenten zu ihren Studierenden stellt sich bezuumlglich der Beurteilung der Leistun-gen eine Gerechtigkeitsfrage Studenten haben selbstverstaumlndlich ein Recht drauf bei der Bewertung gerecht behandelt zu werden also unabhaumlngig von subjektiven oder fremden Faktoren

Gibt es einen Anspruch auf GerechtigkeitJa das kann man sagen Uumlberall wo Men-

schen in Situationen oder sozialen Ord-nungen seien es berufliche oder andere miteinander zu tun haben stellt sich dieser Anspruch Wie in dem Beispiel der korrekten Beurteilung studentischer Leistungen

bdquoEs scheint ein Zeichen unserer Zeit zu sein Gerechtigkeit uumlberall zu suchen nur nicht bei sich selbstldquo

Wer ist verantwortlich fuumlr Gerechtigkeit Je-der selbst Der Staat Die Gesellschaft

Zuerst einmal als Tugend jeder einzel-ne selbst und damit wir alle Es scheint ein Zeichen unserer Zeit zu sein Gerechtigkeit uumlberall zu suchen nur nicht bei sich selbst Dahinter verbirgt sich etwas voumlllig Proble-matisches naumlmlich der Wunsch dass man Gerechtigkeit delegieren koumlnne Das kann man nicht oder zumindest kann man sich nicht gaumlnzlich von ihr entlasten weil die Gerechtigkeit als Tugend eine Haltung zu

etwas naumlmlich zu anderen ist Wenn man denkt man koumlnne das delegieren laumluft man Gefahr selbst ungerecht zu werden da man seine Haltung zu anderen aufs Spiel setzt

Also muss ich fuumlr Gerechtigkeit immer bei mir selbst anfangen

Nicht umsonst ist die Gerechtigkeit bei Platon eine Form des Staates und der Seele

Sie rekurrieren immer wieder auf die Denker im Alten Griechenland Die Frage der Gerech-tigkeit scheint die Menschheit schon seit Jahr-tausenden zu beschaumlftigen Gab es uumlber die Zeit verschiedene Ansaumltze

Die Fragen nach Gerechtigkeit tauchen zu jeder Zeit immer wieder neu auf Das ist

Professor Dr Christian Bermes hellip

hellip lehrt Philosophie am Campus Landau und ist Sprecher der Graduiertenschule bdquoHerausforderung Lebenldquo sowie des Forschungsschwerpunktes bdquoKulturelle Orientierung und normative Bindungldquo Seine Forschungsschwerpunkte sind Philosophische Anthropologie und Ethik Sprachphilosophie und Erkenntnistheorie

Nutzen und Folgen des Internets

Wie urteilt man gerecht Unabhaumlngig von subjektiven Empfindungen und Interessen mit gefuumlhlt verbundenen Augen wie Justitia

8 NeuLand 2014 03

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

auch nicht verwunderlich da es ja um uns geht und die Frage wie wir unser Leben fuumlhren Die Philosophie ist es die diese Fra-gen immer aufgreift und die damit verbun-denen Probleme rationalisiert aber auch objektiviert Allzu schnell neigt man dazu entweder Gerechtigkeit als beliebig oder alleine bezogen auf unser Empfinden oder die soziale Ordnung zu deuten Das war in der Antike nicht anders als heute Dement-sprechend beginnt ein groszliger Zweig der Philosophie mit der Gerechtigkeitsfrage Das klassische Buch Platons die bdquoPolitealdquo heiszligt im Untertitel bdquoUumlber die Gerechtigkeitldquo Sieht man Platon als einen der Stammvaumlter der Philosophie dann beginnt mit der Ge-rechtigkeitsfrage eine bedeutende Traditi-on der Philosophie

Ist Gerechtigkeit ein KulturbegriffWenn Gerechtigkeit so verstanden wird

dass es eine spezifische Haltung von Men-schen zu Menschen ist eine bestimmte Form wie Menschen ihr Leben miteinan-der fuumlhren und gestalten dann finden wir uumlberall wo es Menschen gibt die Frage nach der Gerechtigkeit Ich wuumlrde sogar so weit gehen dass die platonische Definition der Gerechtigkeit dass jedem das ihm Ge-buumlhrende zukomme uumlberkulturell Geltung beanspruchen kann Dabei kann die spezifi-sche Organisation dieses Prinzips kulturrela-tiv sein Aber das Konzept der Gerechtigkeit das aus der Antike kommt scheint mir kul-turuumlbergreifend Guumlltigkeit beanspruchen zu koumlnnen weil es auf den Menschen in sei-ner Lebensfuumlhrung rekurriert

bdquoEine gerechte Welt Es koumlnnte sein dass man sich mit diesem Anspruch ein wenig uumlberhebtldquo

In juumlngster Vergangenheit gab es viele Be-wegungen bei denen Menschen fuumlr ihre Rech-te und Gerechtigkeit auf die Straszlige gegangen sind auch in Laumlndern in denen man so etwas gar nicht fuumlr moumlglich gehalten haumltte siehe die Laumlnder des Arabischen Fruumlhlings oder die Ukraine Inwieweit vertraumlgt sich Gerechtigkeit mit Demonstrationen besonders wenn Ge-waltausschreitungen im Spiel sind

Das ist eine zwicklige Frage Das Problem in diesen Laumlndern war oder ist dass dieje-

nigen die Macht haben oder hatten diese ungerecht ausgeuumlbt haben Aufgrund sol-cher ungerechter Machtausuumlbung gibt es das Recht des Protestes dagegen also ein Widerstandsrecht Dadurch wird aber nicht gesagt dass jeder Protest selbst gerecht ist

Welche Zutaten braumluchte es fuumlr eine gerech-te Welt Kann es die uumlberhaupt geben oder ist der Wunsch danach eine Utopie

Es kann so etwas wie eine rechtsfoumlrmige Welt geben etwa das was man mit groszligen voumllkerrechtlich abgesicherten Institutionen wie etwa der UNO in Verbindung bringt Dies ist nicht nur wuumlnschenswert sondern auch vernuumlnftig Eine gerechte Welt Es koumlnnte sein dass man sich mit diesem An-spruch ein wenig uumlberhebt Man sieht ja heute dass bereits die Frage nach Rechts-foumlrmigkeit und Rechtskonformitaumlt in inter-nationalen Beziehungen schwierig ist Wie verhaumllt man sich wenn eine Nation trotz geschlossener Vertraumlge in ein anderes Land einmarschiert Hier ist also noch einiges zu tun Eine gerechte Welt jedoch wuumlrde voraussetzen dass jeder von uns zu allen anderen in Handlungssituationen oder sozi-alen Ordnungen der Kooperation steht Das scheint mir nicht nur utopisch das scheint eher irreal

bdquoGerechtigkeit ist nicht so schwer wie man vielleicht denken magldquo

Inwieweit spielt bei der Gerechtigkeit das Gewissen mit Kann ich mir durch Spenden ein gutes Gewissen erkaufen zur Gerechtig-keit beigetragen zu haben

Das Gewissen ist nicht ganz unerheblich aber auch hier wuumlrde ich die Gerechtigkeit zuerst auszligen vor lassen Wenn es beispiels-weise eine Wertvorstellung in meinem Leben ist dass durch Not Getroffenen ge-holfen wird dann faumlllt dies unter das Soli-daritaumltsprinzip Und wenn diese Vorstellung zu meinem Leben gehoumlrt dann verpflichtet mich mein Gewissen meine Wertvorstel-lung zu behalten und nicht einfach von ihr abzuweichen Dann ist es auch sinnvoll zu sagen dass ich meinem Gewissen folge wenn ich anderen oumlkonomisch helfe zum Beispiel durch Spenden Die Gerechtigkeit ist dann allerdings kein direktes Thema Es geht hier nicht um gerecht oder ungerecht

sondern dass zu meinem Wertkosmos die Unterstuumltzung von Menschen gehoumlrt die in Not geraten sind

Inwieweit versuchen Sie selbst Gerechtigkeit zu leben

So wie alle anderen auch Vielleicht be-steht der Unterschied darin dass Philoso-phen darauf reflektieren und ein groszliges Repertoire an begrifflichen und logischen Mitteln besitzen die Handlungen zu ana-lysieren Gerechtigkeit ist nicht so schwer wie man vielleicht denken mag In den aller-meisten Faumlllen praktizieren wir fortwaumlhrend Gerechtigkeit im Umgang untereinander Uns faumlllt es meistens nur auf wenn etwas schieflaumluft Sicherlich gibt es kompliziertere Situationen in denen man nach den Prinzi-pien der Gerechtigkeit fragen und daruumlber nachdenken muss um sie zu klaumlren

bdquoWas wir als gerecht empfinden und was nicht lernen wir im Umgang miteinander in unserer Praxisldquo

Wird dem Menschen ein Gerechtigkeitsemp-finden schon in die Wiege gelegt

Was wir als gerecht empfinden und was nicht lernen wir im Umgang miteinander in unserer Praxis Angeboren ist es nicht aber wir lernen es in unserem Einfaumldeln in unseren gemeinschaftlichen Umgang oder mit den vielfaumlltigen Handlungsspielen in denen wir verstrickt sind Ein einfaches Bei-spiel Eine Familie hat zwei Kinder das eine ist 17 das andere ist 9 Das 17-jaumlhrige Kind darf abends laumlnger lesen oder ausgehen Das 9-jaumlhrige Kind fragt Warum ich nicht Nun weil es nicht das Richtige fuumlr das Kind in dieser Situation ist Diese Entscheidung wird Konflikte bringen aber wir lernen im Umgang mit solchen Praktiken Gerechtig-keit kennen Wir lernen uumlbrigens in diesem Fall auch dass ungleiche Behandlung nicht gleichbedeutend ist mit Ungerechtigkeit Ich wuumlrde daher nicht sagen dass Gerech-tigkeit angeboren aber tief in unserem menschlichen Miteinander verankert ist sonst koumlnnten wir unser Leben nicht fuumlhren

Herr Professor Bermes herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch (ket)

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bdquoPussy Riot stoumlrt SehordnungenldquoPolitischer Protest braucht Aufmerksamkeit Soziale Bewegungen setzen daher

auf gute Inszenierungen um wahrgenommen zu werden Wie wird aumlsthetische

Kommunikation zum Mittel des Protests Und sind diese Inszenierungen ein

Phaumlnomen der modernen Mediengesellschaft NeuLand hat bei Kunstwissenschaft

und Soziologie nachgefragt

9NeuLand 2014 03

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Das Krisenexperiment ist eine soziolo-gische Methode mit der soziale Normen aufgedeckt werden koumlnnen die Akteuren nicht bewusst sind Das geschieht durch die absichtliche Missachtung von Ritualen Be-obachtet man wie die Menschen reagieren wenn ihre Wirklichkeit nicht wie gewohnt funktioniert zeigen sich unausgesproche-ne Uumlbereinkuumlnfte Soziologen sagen dann Hier werden Praktiken der impliziten Kon-struktion sozialer Wirklichkeit offenbar Durch die Reaktionen auf die Stoumlrung der Ordnung wird sichtbar wie die soziale Ord-nung konstruiert wird

In jeder sozialen Gruppe gibt es spezifi-sche Muster nach denen Dinge interpre-tiert werden Unterschiedliche Deutungen von Symbolen und Handlungen entschei-den uumlber Zugehoumlrigkeit und Abgrenzung Das erzeugt Realitaumlt und Wahrnehmung von Realitaumlt Diesen Mechanismus macht sich die Kunst des Performativen zunutze Ein Realitaumltsbruch wirft Fragen auf entfaltet womoumlglich Potenziale um die Ordnung zu aumlndern aber vor allem Er faumlllt auf und stellt somit Oumlffentlichkeit her

Die Kunstwissenschaft versteht dies als bdquoAktionskunstldquo ein kuumlnstlerischer Bereich der erst seit den 1960er Jahren praktiziert wird Bis dato hatte sich die Kunst bei Pro-testkultur eher auf die bildliche Darstellung als eine Illustration oder als eigenstaumlndige Anklage konzentriert Als Beispiel dient Dr Christoph Zuschlag Professor fuumlr Kunstge-schichte und Kunstvermittlung am Cam-pus Landau das Bild bdquoDie Freiheit fuumlhrt das Volkldquo von Delacroix aus dem Jahr 1830 das beruumlhmte Bild der barbusigen Marianne die ndash die Tricolore in der Hand ndash die Aufstaumln-dischen der Juli-Revolution anfuumlhrt Oder

auch Picassos bdquoGuernicaldquo (1937) bdquoEs waumlre fuumlr Picasso nicht denkbar gewesen in Spanien selbst auf die Barrikaden zu gehen und dies als Kunst zu deklarierenldquo sagt Zuschlag Doch bdquoAktionskuumlnstlerldquo tun genau dies set-zen waumlhrend der Aktion aumlsthetische Akzen-te bdquoEs sind Aktionen bei denen der Inhalt waumlhrend der Aktion auch gleich transpor-tiert wirdldquo Man schaut sich die Bilder nicht spaumlter im Museum an ndash sondern diese ge-schehen und wirken weitestgehend in Echt-zeit Schlieszliglich vergroumlszligert YouTube nur die Reichweite doch das Schneeballsystem startet schon mit dem ersten Beobachter auf der Straszlige

Aumlsthetik das bedeutet fuumlr den Kunsthis-toriker in diesem Zusammenhang all das was vom Menschen gestaltet wird was nicht nur eine funktionale sondern daruuml-ber hinaus eine gestalterische Komponen-te besitzt Ins Gruumlbeln kommt Zuschlag bei der Frage ob der legendaumlre Thesen-anschlag Martin Luthers Aktionskunst ge-wesen sei bdquoEs war ein hochsymbolischer und provokativer Akt das ja Aber Luther hat diesen Akt sicher nicht als Kunst schon gar nicht als Aktionskunst verstanden weil es dieses Phaumlnomen und den Begriff im 16 Jahrhundert noch gar nicht gabldquo Aber nicht zufaumlllig faumlllt der Thesenan-schlag in eine Zeit des medialen Wandels ndash schlieszliglich wurde nur ein knappes Jahr-hundert vorher der Buchdruck erfunden Flugblaumltter Pamphlete Kupferstiche und Holzschnitte praumlgten die Zeit bdquoMit der Er-findung des Rundfunks Ende des 19 Jahr-hunderts hat das natuumlrlich noch einmal ganz andere Dimensionen angenommenldquo so Zuschlag Die Aktionen wurden noch unmittelbarer transportiert

Ein medial erfolgreicher Realitaumltsbruch gelang der Gruppe Pussy Riot als sie im Februar 2012 den Altarraum der Christus-Erloumlser-Kathedrale in Moskau stuumlrmte ein Punk-Konzert inszenierte einige Aktivistin-nen vor dem Altar tanzten und respektlose Texte sangen Damit wollten sie gegen die enge Verbindung zwischen orthodoxer Kir-che und Putins System protestieren Ein von der Gruppe produziertes Video der Aktion wurde nach kurzer Zeit bei YouTube veroumlf-fentlicht Fuumlr ihren Auftritt verurteilte ein russisches Gericht drei beteiligte Frauen zu zwei Jahren Haft Das Video ging um die Welt und bescherte der Gruppe eine Solida-ritaumltswelle aus dem Westen

Symbole schaffen Verbindungen

bdquoPussy Riot stoumlrt Sehordnungenldquo sagt So-ziologin Marija Stanisavljevic ebenfalls am Campus Landau taumltig Sie untersucht wie aumlsthetische Kommunikation zum Mittel des Protests werden kann Aumlsthetik versteht sie als eine bdquoArt und Weise wie soziale Phaumlno-mene zum Vorschein gebracht werdenldquo und konzentriert sich dabei insbesondere auf Symbole in Bildern bdquoSymbole sind un-glaublich wichtig Sie schaffen Verbindun-gen zwischen verschiedenen Menschen Sie lassen unterschiedliche Deutungen zu und koumlnnen Gemeinschaft stiftenldquo Dass Pussy Riot vor allem im Westen erfolgreich sind liegt fuumlr Stanisavljevic an westlichen Sehordnungen Das russische System sei konservativ streng und autoritaumlr Pussy Riot seien bunt laut und punkig Sie bieten eine

Die fuumlr den Comic bdquoV for Vendettaldquo gezeichnete Guy-Fawkes-Maske trugen zunaumlchst Aktivisten der Anonymous-Bewegung Waumlhrend der Occupy-Proteste wurde sie auch international sichtbar und entwickelte sich zum Protest-Symbol

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

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Alternative zum russischen politischen Sys-tem bdquoDahinter steht die westeuropaumlische Sehn sucht nach Demokratie in Russlandldquo Trifft der Protest auf andere Sehordnungen hat er auch andere Konsequenzen bdquoDer Pro-test war gegen das System in Russland ge-richtet Tatsaumlchlich hilft er vermutlich dem System die eigenen konservativen Positio-nen zu festigenldquo

Mit der Erforschung aumlsthetischer Protest-kommunikation anhand von Bildern ar-beitet Stanisavljevic in einem noch jungen Bereich der Soziologie bdquoDie Beschaumlftigung mit Bildern und bewegten Bildern ist fuumlr die Soziologie ein relativ neues Phaumlnomenldquo Fuumlhrte die steigende Bedeutung des Visuel-len in geistes- und kulturwissenschaftlichen Traditionen in den 90er Jahren zum bdquoiconic turnldquo ist eine bdquovisuelle Soziologieldquo kaum etabliert Fuumlr eine soziologische Perspektive auf Bilder und Filme muumlssen Methoden und Theorien angepasst und entwickelt werden bdquoBilder haben ihren eigenen Sinn sie brau-chen eigene Zugaumlnge und Methodenldquo sagt Stanisavljevic und versteht ihre Dissertation als einen Beitrag dazu

Fuumlr ihre Bildanalyse begegnet sie Protest-darstellungen zunaumlchst isoliert Den Kon-text um die Situation blendet sie aus und entwickelt moumlgliche Lesarten Anschlie-szligend vergleicht sie diese Uumlberlegungen mit dem vollstaumlndigen Kontextwissen um das Bild Mit dieser Analyse moumlglicher und tatsaumlchlicher Lesarten will Stanisavljevic aufdecken wie durch Bilder in unterschied-lichen Kontexten Realitaumlt erzeugt wird und welche Sehordnungen fuumlr die Deutung die-ser Bilder relevant sind

Dabei unterscheidet sie aumlsthetische Pro-testkommunikation von anderen aumlstheti-

schen Formen Der Kuumlnstler Ai Weiwei zum Beispiel kritisiert in seiner Arbeit das chine-sische System und erlebte wie Pussy Riot staatliche Eingriffe Aber so Stanisavljevic bdquodie massenmediale Rezeption zu Ai Weiwei findet im Feuilleton statt die zu Pussy Riot im Politik-Teilldquo So schaffe Ai Weiwei Kunst die auch politische Kunst sei aumlsthetisierter Protest hingegen sei Politik die sich aumlstheti-scher Mittel bediene Und doch ist dies der vorlaumlufige Houmlhepunkt einer Entwicklung Die Liaison zwischen Protest und Kunst fin-det nicht nur auf der Straszlige statt sondern auch in Ausstellungen und Museen So wur-de bei der Berlin Biennale 2013 der Occupy-Bewegung ein Raum gegeben den die Protestbewegung selbst gestalten durfte bdquoDas wurde sehr kritisiertldquo merkt Zuschlag an Occupy und Kunst Das war fuumlr viele dann doch zu progressiv

Gestoumlrte Sehordnungen ndashProduzierte Sehstoumlrungen

Protestkommunikation will ein groszliges Publikum erreichen bdquoUm in den Massen-medien aufzufallen und in Erinnerung zu bleiben muss sie sich von klassischen Pro-testformen abgrenzenldquo betont Stanisavlje-vic Demonstrationen Transparente und Straszligenschlachten sind demnach ein ge-wohntes Bild in der Berichterstattung Sie entsprechen Sehordnungen Aumlsthetisierte Protestformen unterscheiden sich davon Sie produzieren Sehstoumlrungen Dabei sind sie nicht nur Teil einer Bewegung sondern auch selbststaumlndiges mediales Produkt Das gilt auch fuumlr Erdem Guumlnduumlz Stumm und

regungslos stand er im Juni 2013 auf dem Taksim-Platz nachdem die Proteste rund um den Gezi-Park in Istanbul eskaliert wa-ren Der bdquoStanding Manldquo wurde zu einem Symbol des Protestes

Diese Aumlsthetisierung ist keine Erfindung der Pop-Kultur wie Kunstwissenschaftler Zuschlag weiszlig bdquoDie Nationalsozialisten zum Beispiel hatten ein hohes Maszlig an Aumlstheti-sierung in ihren Auftrittenldquo NSDAP und Pro-test bdquoWir sprechen natuumlrlich von den 1920er und fruumlhen 30er Jahren als die Nazis noch in der Opposition warenldquo Hakenkreuze braune Hemden rote Armbinden all diese Symbolik hatte einen praktischen Zweck bdquoSymbole sind reduzierte abstrakte Bil-derldquo erklaumlrt Zuschlag die Wirkung Es geht um aumlsthetische Praumlgnanz es geht darum Aufmerksamkeit zu generieren und zu er-halten Das Hakenkreuz als bdquoMarkeldquo Binnen von Sekundenbruchteilen wusste jeder wer dort aufmarschierte

Die aumlsthetische Inszenierung schafft eine hohe Aufmerksamkeit wenn sie die ge-wohnte Wirklichkeit stoumlrt Aber wird der Protest durch seine Aumlsthetisierung nicht auch Marke Ist das uumlberhaupt noch Protest oder bereits Marketing bdquoEine Bewegung will an die Macht oder die Macht uumlberwaumll-tigen und braucht dafuumlr Sympathisantenldquo stellt Soziologin Stanisavljevic fest Wie Werbung und PR muumlssen Protestler sich ab-grenzen und anderen signalisieren wofuumlr (oder wogegen) sie stehen Das gilt fuumlr Pro-testbewegungen ebenso wie fuumlr Unterneh-men NGOs Politiker und Oppositionelle Das Buhlen um Aufmerksamkeit zum For-mulieren ihrer Ziele ist allen gemein Dass die Methoden sich aumlhneln ergibt sich von selbst (bbkap)

In Russland verfolgt im Westen gefeiert Waumlhrend drei Aktivistinnen in Russland zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden erhielt die Gruppe Pussy Riot im Dezember 2012 den Sonderpreis des Musikpreises bdquo1 Live Kroneldquo

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

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Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

Wir koumlnnen uns alle noch an die Bilder von Stuttgart 21 erinnern wuumltende Buumlrger Hundertschaften an Polizisten und ein noch groumlszligerer Medienrummel Viel wurde uumlber die sogenannten bdquoWutbuumlrgerldquo diskutierthellip Aber was treibt Menschen ganz allgemein dazu fuumlr Sachen einzutreten und dafuumlr auf die Straszlige zu gehen

Tobias Rothmund ist Junior-Professor fuumlr politische Psychologie am Campus Landau und erforscht Protestverhalten In seiner Forschung geht es vor allem um die Mo-tivation von Menschen an einem Protest teilzunehmen Dabei muumlsse man erst in der Gerechtigkeitspsychologie nach Ant-worten suchen also was Menschen fuumlr gerecht oder ungerecht erachten wuumlrden erklaumlrt er bdquoEs gibt Protestverhalten das aus dem Gefuumlhl persoumlnlicher Benachtei-ligung motiviert ist und es gibt die Pro-testmotivation aus der Beobachtung der Benachteiligung andererldquo Rothmund er-gaumlnzt bdquoWenn jemand nicht das bekommt was er glaubt zu verdienen dann wird es als ungerecht wahrgenommen Unge-rechtigkeit kann man aber nicht nur aus der Opferperspektive betrachten sondern auch als Beobachter von Ungerechtigkeitldquo Als Beispiel nennt Roth mund Proteste an der Universitaumlt Dabei wuumlrde man sich zum Beispiel als Studierender direkt benach-teiligt fuumlhlen Als Dozent koumlnne man als Beobachter zustimmen und Studierende deshalb unterstuumltzen Trotzdem sei man nicht in der Rolle des Benachteiligten er-laumlutert Rothmund

In der Forschung gibt es nach Tobias Roth-mund drei groszlige Theorien um (politischen) Protest oder Protestverhalten zu erklaumlren Theorie der sozialen Gerechtigkeit soziale Identitaumltstheorie und Rational Choice-The-orie Diese seien allerdings nicht getrennt voneinander zu betrachten sondern inei-nander verschraumlnkt bdquoAusloumlser von Protest ist in der Regel ein Gefuumlhl der Benachteili-gungldquo verdeutlicht Rothmund Man koumlnne das haumlufig beobachten bei Tarifverhandlun-gen Ob sich jemand unzureichend bezahlt fuumlhle haumlnge nicht unbedingt vom absolu-ten Einkommen ab sondern mit wem sich die Personen und Gruppen vergleichen wuumlrden bdquoInsofern kann es selbst bei Per-sonen zum Gefuumlhl der Benachteiligung kommen die von anderen als sehr privile-giert wahrgenommen werdenldquo In der Psy-chologie wuumlrde man deshalb von relativer Deprivation sprechen ndash also das Gefuumlhl der Benachteiligung relativ zu einem gewissen Vergleichsstandard

Eine wichtige Rolle spielt auch das Kol-lektiv und die soziale Gruppe die sich als protestierende Gruppe versteht Rothmund fuumlgt an bdquoMan sieht in der Regel keine ein-zelnen Personen protestieren Protest geht gewoumlhnlich von sozialen Bewegungen ausldquo Beispiele dafuumlr waumlren die Anti-Atom-Bewegung oder Gewerkschaften bdquoOftmals schlieszligen sich Personen in sozialen Grup-pen zusammen um ein politisches Ziel zu erreichenldquo Wichtig fuumlr die Motivation sei ein Gefuumlhl des Zusammenhalts und fuumlr ein ge-meinsames Ziel einzustehen bdquoDesto groumlszliger

eine Protestbewegung ist desto eher ist sie auch ein Selbstlaumluferldquo konkretisiert Roth-mund Oft sei es so dass ein Protest erst eine kritische Masse erreicht haben muumlsse damit Buumlrger dabei sein wollen bdquoDie Pro-testbewegung fungiert hier als sinnstiften-de soziale Gruppeldquo

Der dritte Strang ist eher aus der Rational Choice-Theorie also dem rationalen Den-ken abgeleitet bdquoDie Bereitschaft zu protes-tieren haumlngt immer auch davon ab ob die Leute glauben dass es etwas bringt und ob sie mit dem Protest etwas erreichen koumln-nenldquo versichert Rothmund Das haumlnge auch stark von der Groumlszlige der Protestbewegung ab weil natuumlrlich eine groumlszligere Protestbe-wegung meist die Erwartung ausloumlse dass man mit dem Protest etwas erreichen koumln-ne Als Beispiel veranschaulicht Rothmund bdquoWenn zehn Leute in der Landauer Innen-stadt protestieren wuumlrde sich niemand da-fuumlr interessieren Wenn sie dagegen einen studentischen Protest mit 1000 Studieren-den organisieren dann waumlre sicherlich die Hoffnung bei jedem Teilnehmer groumlszliger damit etwas bewirken zu koumlnnenldquo Eine weitere Motivation koumlnne aber auch die Ak-tualitaumlt von Themen sein bdquoWenn ein Thema oder Projekt einen ungewissen Ausgang hat wird man wahrscheinlich eine groumlszligere Erwartung haben durch einen Protest oder eine Aktion etwas veraumlndern zu koumlnnen als wenn man weiszlig man steht mit seiner Mei-nung allein auf weiter Flurldquo

Tobias Rothmund erklaumlrt weiter dass sich Menschen darin unterscheiden wodurch

Protestbewegungen ndash Von Gerechtigkeit uumlber Kollektiv bis zur Rationalitaumlt

Stuttgart 21 Anti-Atom- oder Occupy-Bewegung ndash Leute gehen immer wieder auf die

Straszlige um fuumlr eine Sache einzutreten Aber woher kommt das Passend zu unserem

Schwerpunkt berichtet Junior-Professor Dr Tobias Rothmund wie die Psychologie im

Bereich Protestkultur forscht und warum Gerechtigkeit eine zentrale Rolle dabei spielt

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sie zum Protest motiviert werden bdquoManche sind vielleicht rationaler und brauchen ein erreichbares Ziel andere moumlchten moumlgli-cherweise eher Teil einer Gruppe sein zu der ihr soziales Umfeld gehoumlrt Wieder an-dere sind besonders sensibel in Bezug auf Gerechtigkeit und Ungerechtigkeitldquo Man koumlnne diese oben angesprochenen drei Motivationen daher auch als Dimension fuumlr Persoumlnlichkeitseigenschaften verstehen die Menschen unterschiedlich stark moti-vieren koumlnnten

Der Wutbuumlrger von Stuttgart 21

Rothmund hat in diesem Jahr zusam-men mit den beiden Landauer Psycholo-gen Anna Baumert und Axel Zinkernagel einen wissenschaftlichen Artikel zu den durch Stuttgart 21 bekannt gewordenen bdquoWutbuumlrgernldquo publiziert bdquoWas wir bei Stutt-gart 21 untersucht haben betrifft vor allem die Dimension der Gerechtigkeitldquo erlaumlutert Rothmund Ausgehend von der generellen Annahme die bdquoWutbuumlrgerldquo seien eine kon-servative Personengruppe die in Stuttgart wohne sich vor allem um eigenen Besitz und egoistische Annehmlichkeiten sorge haben die drei Forscher bei einer Befragung Persoumlnlichkeitsmerkmale von Protestieren-den erfasst Dabei wollten sie die Persoumln-lichkeitsstruktur der Protestierenden besser verstehen Im Besonderen ging es ihnen um

die Frage inwiefern opfersensible Personen (also Menschen die sich selbst besonders leicht benachteiligt fuumlhlen) oder beobach-tersensible Personen (also Menschen die eher sensibel fuumlr die Benachteiligung ande-rer sind) eher protestierten Sie befragten zirka 1000 Buumlrger darunter Befuumlrworter Gegner und Unentschlossene von Stuttgart 21 Das Resultat bdquoLeute die opfersensibel sind haben gar nicht haumlufiger protestiert Das war interessanterweise genau umge-kehrt Es haben also eher Leute protestiert die sensibel dafuumlr sind dass andere benach-teiligt werdenldquo bemerkt Rothmund Das sei ein interessanter Befund da das eher darauf hindeuten wuumlrde dass Leute nicht nur ei-gennuumltzig fuumlr sich selbst engagiert sondern tatsaumlchlich fuumlr Mitbestimmung oder Ge-rechtigkeit in den Entscheidungsprozessen protestiert haumltten bdquoUnsere Ergebnisse ha-ben gezeigt dass die Leute die dort protes-tiert haben sich gegen ein intransparentes ungerechtes Verhalten der Autoritaumlten ge-wehrt haben und nicht gegen ihre eigene persoumlnliche Benachteiligungldquo verdeutlicht Rothmund

Auf die Frage ob zur Zeit eine Renaissance der Protestkultur vonstatten gehen wuumlrde stellt der Junior-Professor fest bdquoDas wird man erst spaumlter sagen koumlnnenldquo Eines wuumlr-de aber feststehen Durch das Internet sei die Organisation von Protesten sowie der Austausch von Informationen einfacher Da-durch wuumlrden Menschen viel schneller mo-bilisiert werden koumlnnen meint Rothmund(dan)

Wutbuumlrger

2010 kam zum ersten Mal das Schlagwort bdquoWutbuumlrgerldquoauf Gepraumlgt vom Spiegel-Journalisten Dirk Kurbjuweit beschreibt der Begriff eine vor-nehmlich aumlltere gebildetere und wohlhabende Personengruppe die sich mit Wut und Empoumlrung gegen politische Entscheidungstraumlger auflehnt

Demonstration auf dem Stuttgarter Schlossplatz am 18 Februar 2012

Literatur

Rothmund T Baumert A amp Zinkernagel A (2014) The German bdquoWutbuumlrgerldquo - How Justice Sensitivity Accounts for Individual Differences in Political Enga-gement Social Justice Research 27(1) 24-44

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Weiterbildung ist zentrales Thema fuumlr Claudia Ehrhardt Bei der Geschaumlftsfuumlhrerin der Arbeitsstelle der Weiterbildung der Wei-terbildenden (AWW) mit Sitz am Campus Landau laufen seit uumlber 14 Jahren die Faumlden der im Verein angeschlossenen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungseinrichtungen zusammen Fuumlr die Diplom-Paumldagogin sind die PIAAC-Ergeb-nisse ein eindeutiger Indikator dass bei der Grundbildung Erwachsener Handlungsbe-darf besteht Dass diese ndash ganz anders als die PISA-Ergebnisse ndash medial kaum aufgegriffen oder diskutiert wurden bilde den Stellen-wert der Weiterbildung in der Gesellschaft ab Dabei sind die dort getesteten Groumlszligen fuumlr ein erfolgreiches Arbeitsleben die Teilha-be an der heutigen Gesellschaft und die Pro-duktivitaumlt von Betrieben und Unternehmen bedeutsam

PIAAC (Programme for the International Assessment of Adult Competencies) ist die erste internationale Vergleichsstudie die zentrale Grundkompetenzen in der erwach-senen Bevoumllkerung beleuchtet Von Herbst 2011 bis Fruumlhjahr 2012 hat die Organisation fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Deutschland und uumlber 20 weiteren Laumlndern bei Erwachsenen im erwerbsfaumlhigen Alter von 16 bis 65 Jahren Lese- und alltagsmathematische Kompe-tenzen sowie technologiebasierte Problem-loumlsekompetenzen gemessen Das Ergebnis Deutschland liegt leicht unter dem OECD-Durchschnitt Allerdings schneiden juumlngere Erwachsene besser ab als aumlltere Vermutlich eine positive Folge der Bildungsanstrengun-gen nach PISA

PIAAC habe gezeigt dass auch im Erwach-senenalter gilt was fuumlr Schulkinder bittere Realitaumlt ist Das Bildungsniveau ist abhaumlngig von der Herkunftsfamilie bdquoWer uumlber keine gute Grundbildung verfuumlgt wird auch keine Weiterbildung machenldquo so Ehrhardt Und wer sich nicht weiterbildet faumlllt in der Ar-beitswelt zuruumlck Daher sei es erfreulich dass seit einigen Jahren verstaumlrkt in Projektfinan-zierungen im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung investiert werde so Ehrhardt

Moumlgliche Ruumlckschluumlsse aus den PIACC-Ergebnissen auf die Weiterbildung diskutier-ten Experten auf einer von Claudia Ehrhardt organisierten Fachtagung im Fruumlhjahr Der Tenor Die Professionalisierung der in der Weiterbildung taumltigen Paumldagogen Dozenten oder Trainer muss darauf setzen fuumlr die Ar-beit mit Bildungsverlierern entsprechend zu sensibilisieren ndash mit dem Ziel diesem abge-haumlngten Bereich eine Perspektive zu bieten Dieser Professionalisierungsaufgabe wird sich die AWW auch in Zukunft widmen

Weiterbildung ohne Raum und Zeit

Fuumlr die Arbeit des Zentrums fuumlr Fernstudi-en und Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) sieht Geschaumlftsfuumlhrer Dr Burkhard Lehmann aufgrund der PIACC-Ergebnisse keine unmit-telbaren Implikationen Denn die Teilnehmer der diversen Studiengang- und Kursangebo-te des ZFUW seien in der Regel die ohnehin bildungsaffinen Menschen die gewohnt sei-en sich zu qualifizieren Auf die Gruppe die

in PIAAC schlecht abgeschnitten habe seien die ZFUW-Bildungsangebote gar nicht zuge-schnitten

Das ZFUW hat als aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz seit uumlber 20 Jahren Erfahrung in der wissen-schaftlichen Weiterbildung bdquoWir haben uns mit dem Fernstudium und der Fernlehre fuumlr ein spezifisches Bildungsformat ent-schiedenldquo so Lehmann Denn dieses Format werde den Beduumlrfnissen der Bildungsinte-

Um die Kompetenzen Erwachsener beispielsweise im Lesen scheint es in Deutschland

nicht gut bestellt Das zumindest ist das Ergebnis der PIAAC-Studie Haben die Ergebnisse

Auswirkungen auf die Erwachsenenbildung NeuLand hat sich bei der Arbeitsstelle der

Weiterbildung der Weiterbildenden (AWW) und dem Zentrum fuumlr Fernstudien und

Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) erkundigt

Das ZFUW

Das Zentrum fuumlr Fernstudien und Universitaumlre Wei-terbildung (ZFUW) ist eine zentrale Einrichtung der Universitaumlt Koblenz-Landau Mit mehr als 21 Jahren Erfahrung ist das ZFUW die aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz Das ZFUW ist auf das Angebot postgradualer Fernstudien-gaumlnge spezialisiert veranstaltet daneben aber auch Weiterbildungen im Praumlsenzformat (z B Seminare)wwwuni-koblenz-landaudezfuw

Gute Grundbildung bedingt Weiterbildung

PIAAC-Studie

ressierten ohne Bindung an Raum und Zeit am meisten gerecht In Ballungsraumlumen wie Hamburg Muumlnchen oder Berlin wo sich die Kunden aus dem lokalen Umfeld akquirie-ren lassen funktionieren auch Praumlsenzan-gebote weiszlig Lehmann bdquoBefindet sich eine Einrichtung allerdings in einer Randlage operiert man besser auf der Ebene der Fern-lehre bei der die Organisation zum Teilneh-mer kommt und nicht der Teilnehmer zur Organisationldquo

15NeuLand 2014 03

Nutzen und Folgen des Internets

Das Schnuumlren zeitgemaumlszliger Themen und Inhalte ist zentral um das ZFUW wettbe-werbsfaumlhig zu halten Derzeit unterhaumllt es die Programmbereiche Umwelt Energie und Management Expertise holt sich das ZFUW vorrangig aus den eigenen Reihen der Ko-

gogikldquo Damit sollen Lehrerinnen und Leh-rer fit gemacht werden fuumlr den schulischen Alltag in Zeiten der Inklusion bdquoDie Laumlnder stellen zwar den Finanzbedarf fuumlr Inklusion in der Schule allerdings fehlt eine profun-de Qualifizierung der Lehrkraumlfteldquo erklaumlrt Lehmann den Ansatz des neuen Weiterbil-dungsprogramms Mit einem Kooperati-onspartner bereitet das ZFUW ein weiteres Programm vor bdquoBusiness Communications and Rhetoricldquo

Weiterbildung heute so wichtig wie noch nie

Fuumlr das berufliche Weiterkommen ist Wei-terbildung heute so zentral wie noch nie bdquoDie Halbwertszeit des Wissens wird immer kuumlrzerldquo bekraumlftigt Claudia Ehrhardt Die PIAAC-Studie habe daher auch gezeigt wie wichtig Kompetenzaufbau -erhalt und -er-weiterung in der Berufswelt seien Die zahl-reichen Innovationswellen im beruflichen Kontext gerade im EDV- oder Produktions-kontext lassen den Bedarf an Weiterbildung kontinuierlich steigen versichert Burkhard Lehmann Warum Menschen letztendlich sich fuumlr eine Weiterbildung entscheiden da-fuumlr gebe es drei zentrale Gruumlnde Lehmann unterscheidet zwischen Selbstperfektionie-rern Tool-Suchern und Karriere- oder Ab-schlussorientierten Der ersten Gruppe liegt daran die eigene Persoumlnlichkeit weiterzu-entwickeln und sich fuumlr private Interessen mehr Wissen anzueignen Die Tool-Sucher erweitern gezielt ihre Kompetenzen um

Die AWW

Die Arbeitsstelle fuumlr die Weiterbildung der Weiterbil-denden (AWW) foumlrdert die Zusammenarbeit zwischen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungsorganisationen Der bundesweit einzigartige Verein ist eine wichtige Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis im Bereich der Weiterbildung Gegruumlndet wurde die AWW 1998 auf Initiative des Ministeriums fuumlr Bildung Wissenschaft Weiterbil-dung und Kultur Die AWW hat ihren Sitz in Landau und ist der Universitaumlt Koblenz-Landau angegliedert Unter dem Motto bdquoBesser lehren lernenldquo organisiert die AWW Workshops und Fachtagungen fuumlr Personen die in der Weiterbildung taumltig sind wwwaww-landaude

blenzer und Landauer Wissenschaftler bdquoWir arbeiten aber auch konsortialldquo so Lehmann bdquound halten somit ein bestimmtes Know-how vor das an den Standorten unserer Uni-versitaumlt nicht verfuumlgbar istldquo Selbst wenn die Flexibilitaumlt bestehe auch nicht einschlaumlgige Themen zu vertreten entwickele das ZFUW vornehmlich Angebote im Kernbereich der Universitaumlt Koblenz-Landau

Derzeit arbeiten Lehmann und sein Team an dem neuen Programm bdquoInklusionspaumlda-

berufliche Herausforderungen meistern zu koumlnnen Vertreter der dritten Gruppe tum-meln sich vorwiegend im akademischen Feld Da man fuumlr die Ausuumlbung bestimmter Funktionen im beruflichen Aufstieg meist Bescheinigungen uumlber entsprechendes Wissen oder Kompetenzen benoumltigt ori-entiert sich deren Weiterbildungsbedarf an Abschluumlssen

Entsprechend unterscheidet Lehmann auch zwischen drei Weiterbildungsberei-chen die klassische die betriebliche und die wissenschaftliche Weiterbildung Die klassische Weiterbildung wird beispiels-weise von Volkshochschulen betrieben und richtet sich an ein breites Publikum Im betrieblichen Kontext sollen Arbeitnehmer ihre Kompetenzen erweitern und ihr Wissen erhoumlhen beispielsweise wenn Vertriebs-mitarbeiter im Umgang mit einem neuen Produkt geschult werden muumlssen oder eine neue Software im Unternehmen eingefuumlhrt wird Die wissenschaftliche Weiterbildung ermoumlglicht akademisch vorqualifiziertem Personal sich auf neue Aufgaben etwa als Fuumlhrungskraft vorzubereiten

Die Zeiten in denen Lernen mit dem Verlassen der Schule dem Abschluss der Ausbildung oder dem Universitaumltsexamen beendet war sind definitiv vorbei Wer im Berufsleben bestehen will wird um regel-maumlszligige Weiterqualifizierung nicht umhin kommen PIACC soll in einem Rhythmus von zehn Jahren wiederholt werden um ein Laumlngsschnitt-Bild der Entwicklung zu er-halten Man darf gespannt sein wohin sich die Kompetenzen deutscher Erwerbstaumltiger entwickeln (ket)

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Sprachbedrohung und Sprachentod

Sprachbedrohung und Sprachentod sind ein weltweites Phaumlnomen Linguisten ge-hen davon aus dass etwa alle zwei Wochen eine Sprache stirbt In 100 Jahren so schaumlt-zen Sprachforscher werden im besten Fall noch die Haumllfte dieser Sprachen existieren vielleicht aber auch nur noch zehn Prozent von ihnen Waumlhrend die 20 groumlszligten der zir-ka 6800 lebenden Sprachen von der Haumllfte der Weltbevoumllkerung gesprochen werden weisen die meisten Sprachen eine Gemein-schaft von nur wenigen hundert oder tau-send Sprechern auf Von bevorstehendem Sprachentod spricht man wenn eine Spra-che aufhoumlrt Muttersprache oder Erstspra-che zu sein ndash also dann wenn sie nur noch sekundaumlr erlernt wird und damit die noumltige Sprachpflege verliert Der endguumlltige Tod tritt ein wenn es keine Sprecher mehr gibt

Sprachbedrohung und Sprachentod fin-den auf allen Kontinenten statt und neh-men ein immer schnelleres Tempo auf je weiter die Globalisierung voranschreitet Viele andere Faktoren wie unter anderem starke Migrationsbewegungen Zuwande-rung und Urbanisierung sowie ein hohes Alter der Sprecher oder die geringe wirt-schaftliche Staumlrke einer Sprache wirken zudem auf den Sprachbestand ein Stark gefaumlhrdete Sprachen sind vor allem in den Regionen Nord- und Suumldamerika Austra-lien Asien Westafrika und in Nord- und Ostsibirien vorzufinden In diesen Regio-nen kommt es zur massiven Verletzung von Sprachenrechten

Anglistik-Professor Dr Martin Puumltz ist Linguist und beschaumlftigt sich mit Sprache und ihren vielfaumlltigen sozialen kulturel-len und psychologischen Auspraumlgungen Zusammen mit seiner Kollegin Dr Monika Reif hat er im Fruumlhjahr 2014 das 36 Interna-tionale LAUD Symposium organisiert das sich rund um das Thema Sprachbedrohung und Sprachentod drehte (siehe Infokasten) Puumltz erklaumlrt Sprache sei relevant da sie ein einzigartiger Schatz an Wissen Ideen und Weltansichten sei bdquoMit den fast 7000

Bevor sie verstummen hellipWeltweit existieren etwa 6800 Sprachen doch die Vielfalt nimmt rasant ab Was

bedeutet es wenn Sprachen sterben Was bleibt von einer Kultur uumlbrig wenn ihre Art

die Welt zu beschreiben wegfaumlllt und die Urahnen verstummen

Sprachen auf unserer Welt gibt es auch fast 7000 Arten die Welt auf unterschiedliche Art wahrzunehmen und sie zu beschreibenldquo erlaumlutert der Linguist Beispielsweise haben einige Sprachen der Ureinwohner Amerikas ein komplett anderes Zeitsystem Dinge in der Zukunft oder Vergangenheit auszudruuml-cken gehe in diesen Sprachen nicht mit den uns bekannten grammatikalischen Moumlg-lichkeiten

Sprache ist also nicht nur ein Mittel der Kommunikation sondern bietet einen tiefen Einblick in die Einstellungen und Wahrnehmungen gegenuumlber der Welt kon-serviert Traditionen und Geschichte einer Kultur und gibt einzigartiges Wissen an die naumlchste Generation weiter beispielsweise uumlber Heilmittel und Pflanzen aber auch Ge-fuumlhle Spiritualitaumlt und soziale Einsichten Es gibt so etwas wie eine kulturelle Identitaumlt und die wird maszliggeblich von Sprache ge-praumlgt Warum aber verschwinden so viele Sprachen von der Bildflaumlche Natuumlrlich gibt es viele aumluszligere Umstaumlnde warum Sprachen ihre Sprecher verlieren Gerade in der Kolo-nialzeit haben die Besatzer eine Vielzahl an Sprachen marginalisiert und unterdruumlckt teilweise wurden ganze Voumllker durch Krieg vernichtet z B durch die Kolonialisierung und Besiedlung Nord- und Suumldamerikas die Ausrottung indigener Voumllker in Australi-en oder durch die im 17 Jahrhundert einset-zende Russifizierungspolitik in Osteuropa im Kaukasus und in Sibirien Auch Natur-katastrophen wie Erdbeben oder Vulkan-ausbruumlche koumlnnen stark regional gepraumlgte Sprachen toumlten

Auch wenn Sprachwissenschaftler versu-chen bedrohte Sprachen durch Aufzeich-nung Uumlbersetzung sowie die Bewahrung und Verbreitung von Sprachaufzeichnun-gen zu dokumentieren erwecken sie diese dadurch nicht mehr zum Leben Mit No-tizbloumlcken und Aufnahmegeraumlten kann man zwar einen Teil des Wortschatzes der Grammatik und Aussprache festhalten in geringerem Maszlige jedoch Redewendungen

Gebraumluche und Beschreibungsmodelle fuumlr die Welt einfangen Nur wer eine Sprache muttersprachlich spricht kann ihre zahlrei-chen Facetten begreifen Sprachrevitalisie-rung gelingt nur in den seltensten Faumlllen Gegluumlckt ist dies beispielsweise beim mo-dernen Hebraumlisch Iwrith genannt das er-folgreich wiederbelebt und zur offiziellen Amtssprache Israels erhoben wurde Zu-meist ist der Sprachtod aber unwiderruflich

In aktuellen Faumlllen der Sprachbedrohung liege das Problem haumlufig nicht an der Um-welt sondern an anderer Stelle erklaumlrt Puumltz Wer einer Minderheitensprache maumlchtig ist hat oftmals das Gefuumlhl damit auf dem Bildungsweg oder im Berufsleben schlech-tere Chancen zu haben Eltern bestehen daher oft darauf dass ihre Kinder die indi-gene Sprache vernachlaumlssigen und statt-dessen eine dominante und wirtschaftlich starke Sprache wie Englisch Spanisch oder Franzoumlsisch zuerst erlernen bdquoSie geben da-mit eine verstaumlrkt negative Einstellung zur Muttersprache an die naumlchste Generation weiterldquo verdeutlicht Puumltz die Problemlage Der Globalisierungseffekt ist somit nicht zu unterschaumltzen denn waumlhrend z B das Eng-lische immer dominanter wird nimmt die Geringschaumltzung und damit einhergehende Vernachlaumlssigung indigener Sprachen wei-ter zu Um den Sprachentod aufzuhalten benoumltigt es also weniger Dokumentation als vielmehr eine grundlegende Aumlnderung der Einstellung zu Minderheitensprachen und indigenen Sprachen (rst)

Linguistic Agency University of DuisburgTrierLandau (LAUD)

Seit 1973 finden unter diesem Namen alle zwei Jahre Konferenzen zum Thema Sprache statt ndash zunaumlchst in Trier und Duisburg und seit 2000 in Landau Das 36 LAUD Symposium wurde im Fruumlhjahr 2014 zum Thema bedrohte Sprachen und Sprachentod veranstaltet Uumlber 90 Teilnehmer aus 25 Laumlndern besuchten die Veranstaltung

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Kinder- und Jugendhospitzarbeit

Wie lassen sich die Arbeit und das Zu-sammenleben in Kinder- und Jugendhos-pizen verbessern Wie werden Kinder und Jugendliche wirkungsvoll begleitet die an einer unheilbaren Krankheit leiden oder die einen Trauerfall in der Familie verar-beiten muumlssen bdquoBislang konnten sich die Einrichtungen ausschlieszliglich durch ein Qua-litaumltssiegel bewerten lassenldquo sagt Sven Jen-nessen Das bedeute harte generalisierte Bewertungsfaktoren bdquoDabei unterscheiden sich die Einrichtungen teilweise gravierendldquo So sei etwa die Nachfrage nach tuumlrkischer Sprachkompetenz in einigen Einrichtungen zwar sehr hoch ndash es gebe aber auch Einrich-tungen bei denen der Bedarf schlicht nicht erkennbar sei Hier muumlsse man individuell auf die Beduumlrfnisse der Einrichtungen der Mitarbeiter der Kinder und Jugendlichen sowie der Familien eingehen Fuumlr Jennessen ist dies nur eines von vielen Beispielen bei dem sich die Schwaumlche starrer Bewertungs-

kriterien zeigt Immerhin muumlsse gerade in diesem sensiblen Bereich der Mensch im Mittelpunkt stehen ndash und keine Checkliste

Deshalb ist der Qualitaumltsindex fuumlr Kin-der- und Jugendhospizarbeit QuinK auch bdquoandersldquo Der Fokus liegt nicht nur auf den Antworten sondern auch auf der Kom-munikation zwischen den Beteiligten also zwischen haupt- und ehrenamtlichen Mit-arbeitern mit Eltern Kindern und auch Geschwistern bdquoNachhaltige Qualitaumltsent-wicklung funktioniert nur durch Kommuni-kation aller Beteiligtenldquo so der Ansatz von Sven Jennessen Und damit sind auch die Juumlngsten gemeint bdquoWir sehen die Kinder als Experten in eigener Sache anldquo erklaumlrt Stefanie Hurth Gerade die Einbeziehung der Geschwister stelle derzeit bei vielen Einrichtungen ein Problem dar Denn die muumlssten bei einer todbringenden Krank-heit der Schwester oder des Bruders haumlufig zuruumlckstecken Nur selten bleibe das ohne

Konflikte wodurch sie im schlimmsten Fall die Moumlglichkeit versaumlumten sich von ihren Geschwistern zu verabschieden bdquoHier gibt es kein Schema F Viel wichtiger ist dass die Betroffenen sich austauschen die Themen aufgreifen und dann Loumlsungen entwickelnldquo sagt Hurth

Der QuinK soll durch seine zur Reflexion anregenden Fragen diese Kommunikati-on ermoumlglichen und eine Art Diskussions-Agenda darstellen Daher wurde QuinK in den vergangenen Monaten in drei stationauml-ren Kinder- und Jugendhospizen und zwei ambulanten Kinderhospizdiensten getes-tet Jennessen und Hurth besuchten die Einrichtungen in Unna Duumlsseldorf Syke Darmstadt und Wiesbaden regelmaumlszligig bdquoDer QuinK ist nicht am gruumlnen Tisch ent-standenldquo sagt Sven Jennessen

Das Team aus Landauer Wissenschaftlern wurde unterstuumltzt vom Deutschen Hospiz- und Palliativverband (DHPV) Mit diesem zusammen wurden zwoumllf Grundsaumltze fuumlr die Arbeit von Kinder- und Jugendhospizen verfasst Das seien komplexe Themen von der Betreuung der Kinder bis zur Oumlffentlich-keitsarbeit fuumlr die jeweils ein aus den drei Kategorien Haltung Strukturen und Prak-tiken bestehender Fragebogen entstan-den ist bdquoEinige Fragen die wir als wichtig erachtet hatten wurden in der Praxis nicht angenommen Andere wiederum haben wir ergaumlnzt Jetzt ist der QuinK fitldquo ist Stefanie Hurth stolz auf das Ergebnis Und Sven Jen-nessen ergaumlnzt bdquoDie Ruumlckmeldungen waren insgesamt sehr positivldquo

Nun soll der QuinK Verbreitung finden Fachvortraumlge auf Konferenzen Artikel in Fachzeitschriften Die Arbeit des Jennessen-Teams ist noch laumlngst nicht abgeschlossen bdquoWir haben aber gute Startvoraussetzun-gen schlieszliglich waren die Praktiker vom DHPV von Anfang an an Bordldquo so Jennes-sen (kap)

QuinK neuer QualitaumltsindexEin neuer Index soll die Betreuung in Kinder- und Jugendhospizeinrichtungen verbessern

Dieser Aufgabe haben sich Professor Dr Sven Jennessen und Stefanie Hurth vom Institut

fuumlr Sonderpaumldagogik in den letzten Monaten gewidmet Nun praumlsentieren sie das

Ergebnis ihrer Arbeit den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit kurz QuinK

Ein Jahr lang hat Stefanie Hurth den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit getestet Nun ist der bdquoQuinKldquo fertig und soll im Oktober in die Praxis gehen

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Psychologie der positiven Dinge

Nach der neuen Gallup-Studie ist die Ar-beitszufriedenheit zwar im Vergleich zum letzten Jahr gestiegen trotzdem kritisch Nur wenige Menschen fuumlhlen sich bei ihrer Arbeit wertgeschaumltzt Sie suchen stattdes-sen ihr Gluumlck in der Freizeit Hinzu kommt ein dramatischer Anstieg von psychischen Erkrankungen wie dem Burnout-Syndrom Wie kann man mit diesen Gefahren umge-hen

Eine potenzielle Loumlsung liegt im Bereich der positiven Psychologie Sie befasst sich damit unter welchen Umstaumlnden Personen Wohlbefinden Gluumlck und Zufriedenheit erleben Waumlhrend sich vor den 90er Jahren die Sozial- und Verhaltenspsychologen vor allem mit den Defiziten beschaumlftigt haben untersucht man seit 1998 psychologische Prozesse die dazu fuumlhren dass Menschen zufrieden und gluumlcklich und dadurch leis-tungsfaumlhiger sind

Ottmar L Braun ist auszligerplanmaumlszligiger Professor in der Arbeitsgruppe Sozial- und Wirtschaftspsychologie am Campus Landau und befasst sich mit positiver Psycholo-gie Zur Thematik Unzufriedenheit im Job bekraumlftigt er bdquoDie Forschung hat deutlich gezeigt dass sich Techniken der positiven Psychologie vorteilhaft auf die Arbeits- und Lebenszufriedenheit auswirkenldquo Besonders interessant sei das fuumlr Krankenkassen da sie sich mit Krankheit und Gesundheit ausei-

nandersetzen und auch als erste die Kosten von langfristigen Ausfaumlllen zum Beispiel durch Burnout tragen muumlssen Braun wei-ter bdquoDann muumlssen die sich natuumlrlich fragen Wie kommt dasldquo

Braun meint Arbeit duumlrfe nicht krank machen Arbeit muumlsse eher die Moumlglich-keit bieten dass man sich positiv entfalten koumlnne Deshalb muumlssten sich Arbeitgeber darum bemuumlhen dass die Leute mit mehr Spaszlig zur Arbeit kommen bdquoDaruumlber hinaus muumlssen Arbeitnehmer Aufgaben bekom-men um ihre Staumlrken ausleben zu koumlnnenldquo Er konkretisiert bdquoSie brauchen Aufgaben an denen sie persoumlnlich wachsen wo sie quasi aufbluumlhen koumlnnenldquo

In der positiven Psychologie sei der Begriff bdquoaufbluumlhenldquo elementar denn bdquoWenn Per-sonen etwas geleistet haben sprich Ziele erreichen dann sind sie zufriedener und haben wenig handlungsirrelevante Kogniti-onen oder Ablenkung Sie koumlnnen sich wie-der auf ihre Aufgaben konzentrieren und dadurch mehr leistenldquo begruumlndet Braun Zufriedenheit am Arbeitsplatz habe aber auch immer etwas mit der Entwicklung von Fuumlhrungskraumlften zu tun Nach Braun muumlss-ten sie darauf achten dass sie ihr Team ge-sund fuumlhren bdquoKrankenkassen wie die AOK Rheinland-PfalzSaarland bieten deshalb extra Programme dafuumlr an an denen wir als Team der Universitaumlt Koblenz-Landau

beteiligt sindldquo Eine weitere Moumlglichkeit fuumlr Arbeitgeber sieht Braun in regelmaumlszligigen Mitarbeiterbefragungen bdquoIm Rahmen von Folgeprozessen kann man dafuumlr sorgen dass zufriedenstellende Arbeitsbedingun-gen vorhanden sind und Missstaumlnde abge-schafft werdenldquo

Allerdings sei die Schuld nicht nur beim Arbeitgeber zu suchen Auch die Mitar-beiter sollten darauf achten ob sie an der richtigen Stelle im Unternehmen eingesetzt oder ob sie vielleicht irgendwo anders bes-ser aufgehoben seien Braun stellt klar bdquoVor der innerlichen Kuumlndigung sollte Unzufrie-denheit konstruktiv zum Ausdruck gebracht werden um dann vielleicht an einer sinn-volleren Stelle eingesetzt zu werdenldquo

Der Professor bemerkt dass die positive Psychologie allerdings nichts Neues sei bdquoIn der Arbeits- und Organisationspsychologie in der wir uns hier bewegen haben Wissen-schaftler ja schon immer das Thema Arbeits-zufriedenheit untersuchtldquo Es sei von daher ein ganz altes Forschungsgebiet welches nun durch die positive Psychologie neu be-reichert werde

Spielend zum GluumlckBraun hat an der Universitaumlt eine eige-

ne Studie zur Zufriedenheit durchgefuumlhrt

Unzufrieden im Job Positive Psychologie kann helfen

Viele kennen es Wenn Montagmorgen der Wecker klingelt faumlllt das Aufstehen oft

schwer besonders wenn man unzufrieden mit seiner Arbeit ist Aber warum ist man

unzufrieden und wie kann positive Psychologie dabei helfen die Unzufriedenheit zu

uumlberwinden NeuLand hat mit dem Professor fuumlr Wirtschaftspsychologie Dr Ottmar L

Braun uumlber die Psychologie der positiven Dinge gesprochen

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Psychologie der positiven Dinge

Dabei wurden Studierende einen Tag lang in Techniken der positiven Psychologie un-terrichtet bdquoAuszligerdem haben sie ein Gluumlcks-tagebuch bekommen bei dem sie ihre Gluumlcksmomente niederschreiben koumlnnen und einiges uumlber Smalltalk und Networking gelerntldquo Die Ergebnisse wuumlrden zeigen dass sich die Zufriedenheit der Studieren-den kurzfristig aber auch langfristig positiv veraumlndere Zudem seien ihr Optimismus und die Studienmotivation angestiegen depressive Verstimmungen gesunken Braun verdeutlicht bdquoAlles so wie man sich das wuumlnschtldquo

In seiner Forschung versucht er eine Bruuml-cke zu schlagen zwischen Techniken der positiven Psychologie und Techniken des Selbstmanagements Das wuumlrde gut pas-sen denn auch in der positiven Psychologie wuumlrden oft Tipps gegeben wie man etwas angehen solle versichert Braun Eine ganz prominente Uumlbung beim Selbstmanage-ment und in der positiven Psychologie sei die bdquoWas ist gut gelaufen-Uumlbungldquo Dabei geht es darum dass man am Abend uumlber-legen soll welche drei Dinge am Tag gut gelaufen sind und welche seiner Staumlrken es waren die dazu beigetragen haben Das sei eine Uumlbung die in der gesamten Literatur empfohlen werde Der Namensgeber der positiven Psychologie Martin Seligman habe zeigen koumlnnen dass die Anwendung

dieser Uumlbung dazu fuumlhre dass Leute nach sechs Monaten weniger depressiv seien Seligman fuumlhre das darauf zuruumlck dass das eine selbstverstaumlrkende Wirkung habe so Braun bdquoDie Leute merken dass sie sich bes-ser fuumlhlen wenn sie daruumlber nachdenken was heute gut gelaufen ist und warum Und deshalb wiederholen sie den Vorgangldquo Es habe dadurch eine langfristige Wirkung

Brauns neuestes Aushaumlngeschild ist ein Brettspiel namens bdquoCareer Games ndash spie-lend trainierenldquo bdquoWir haben Seminare ent wickelt bei denen wir Selbstmanage-ment-Kompetenzen in verschiedenen Le-bens- oder Inhaltsbereichen von Personen staumlrken koumlnnen Dazu dient auch ein Brett-spiel bei dem die Teilnehmer verschiedene Inhaltsbereiche der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder auch Smalltalk und Networking spielend erlernenldquo Jeder Spieler bekomme im Spiel eine Figur und muumlsse seinen Weg durch das Spielfeld wuumlrfeln so Braun bdquoAuf den Fel-dern muumlssen sie dann Quizkarten ziehen die das im Seminar Gelernte noch einmal aufarbeitenldquo Dabei muumlssten sie beispiels-weise drei Dinge nennen die sie in ihrem Leben gluumlcklich machen bdquoDurch den Spiel-charakter lernt man mehr als nur uumlber Se-minareldquo Mit Erfolg Erste Untersuchungen zeigen positive langfristige Effekte durch die Seminar-Brettspiel-Kombination (dan)

Tipps fuumlr die positive Fuumlhrung von Ottmar Braun

Fuumlhrungskraumlfte muumlssen eine gute zwischenmensch-liche Beziehung zu jedem einzelnen Mitarbeiter unterhalten Sie muumlssen auch verbindliche Aussagen machen und zu diesen Aussagen stehen Des Weiteren sollte ein Chef seine Angestellten unterstuumltzen wenn es notwendig ist Wichtig ist auch keinen unnoumltigen Druck aufzubauen sondern Staumlrken von Mitarbeitern kennen zu lernen und zu foumlrdern Von Vorteil koumlnnen auch Begruumlszligungs- und Krankenruumlckkehrgespraumlche sein Es koumlnnte ja sein dass die Krankheit etwas mit den Arbeitsbedingungen zu tun hat Natuumlrlich sind auch Teamsitzungen und Teambildungsmaszlignahmen von groszliger Bedeutung um ein angenehmes Arbeits-klima herzustellen

Spielend lernen Mit dem Brettspiel bdquoCareer Gamesldquo erlernen die Spieler verschiedene Inhalte der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder Smalltalk und Networking

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Psychotherapie-Ambulanz

Wie eine Baustelle sieht die psychothera-peutische Uni-Ambulanz nicht mehr aus Den Abdeckplanen sind bunte Stuumlhle und Stofftiere gewichen im Eingangsbereich liegen Fachmagazine und das Buumlro von Professorin Dr Tina In-Albon ist bereits voller Buumlcher Und doch bdquoist hier noch alles Baustelleldquo so die Professorin fuumlr Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kin-des- und Jugendalters Nach Therapeuten werde noch gesucht die ersten Behandlun-gen seien angelaufen Forschungsprojekte in Planung bdquoEine spannende Phaseldquo bekraumlf-tigt die Ambulanzleiterin

Von nun an wird sich das zehnkoumlpfige Team um die Professorin In-Albon und Ge-schaumlftsfuumlhrerin Dr Daniela Schwarz mit den psychischen Erkrankungen der suumld-pfaumllzer Kinder und Jugendlichen befassen Die Kosten fuumlr die psychotherapeutische Behandlung uumlbernehmen bei Indikation die Krankenkassen Hinzu kommt ein wei-terbildender Studiengang zur Ausbildung in Kinder- und Jugendlichenpsychothe-rapie der im Wintersemester 201415 mit zwoumllf Teilnehmern pro Jahrgang startet In Rheinland-Pfalz ist die Universitaumlt Kob-lenz-Landau in diesem Bereich die einzige universitaumlre Ausbildungsstaumltte Neben der hauseigenen Ambulanz kooperiert der Studiengang mit dem Pfalzklinikum in Klin-genmuumlnster sowie anderen kinder- und ju-gendpsychiatrischen Kliniken in der Region

Kaum eroumlffnet schon stehen die ersten Forschungsprojekte an Derzeit liegt ein Fokus in der Behandlung von Angststoumlrun-gen und Depressionen bdquoVielen Depressio-nen gehen Aumlngste voraus Daher lohnt es diese beiden zusammen zu betrachtenldquo so

Tina In-Albon Laut Statistik leiden zirka 20 Prozent der Erwachsenen und zirka 10 Pro-zent der Kinder unter Angststoumlrungen bei Depressionen sind es sogar 40 Prozent der Erwachsenen und im Jugendalter auch be-reits zwischen 15 und 20 Prozent In Planung befindet sich daher eine Therapiestudie fuumlr Jugendliche mit Angst- und depressiven Stoumlrungen Ein weiterer Forschungsbereich ist das nicht-suizidale selbstverletzende Verhalten im Volksmund auch als bdquoRitzenldquo bekannt bdquoDa machen wir eher Grundla-genforschungldquo so die Professorin Ein spe-zifisches Therapieangebot gebe es derzeit noch nicht ndash bdquodas kann sich aber alles noch entwickelnldquo

Einen weiteren Forschungsschwerpunkt stellt die psychische Gesundheit bei Kindern mit Diabetes dar insbesondere bei Diabetes vom Typ I der im Gegensatz zum bdquoAltersdi-abetesldquo II auch bei Kindern und Jugendli-chen verbreitet ist bdquoHier wissen wir uumlber

Erste Forschungsprojekte stehen an

Ende Juni offiziell eingeweiht hat die Psychotherapie-Ambulanz fuumlr Kinder und Jugend-

liche die Arbeit aufgenommen Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen

haben nun in Landau eine neue Anlaufstation Und auch die Forschung profitiert von der

Einrichtung

die medizinische Forschung zwar schon eine Mengeldquo sagt Tina In-Albon aber aus psychologischer Sicht sei das Thema noch relatives Neuland Wie etwa sieht es bei der psychologischen Betreuung der Kinder aus aber auch der Eltern der Lehrer und sons-tiger zentraler Bezugspersonen Wird die Krankheit und deren Umgang akzeptiert Wie koumlnnen Psychotherapeuten helfen Auch hier schlummert ein Forschungspo-tenzial fuumlr In-Albon bdquoVieles ist im Aufbauldquo sagt sie beschwichtigend Und doch laumlsst sie im Gespraumlch mit NeuLand durchblicken dass sie auch auf diesem Gebiet noch inten-siver forschen moumlchte

Neben der Forschung ist die Hochschul-ambulanz auch in die Lehre im Rahmen des Masterstudiengangs Klinische Psychologie eingebunden So werden die Studierenden beispielsweise in die Diagnostik einbezogen und koumlnnen unter Supervision in Patienten-gespraumlchen Praxiserfahrung sammeln (kap)

In der neuen Universitaumltsambulanz fuumlr Kinder und Jugendliche wird die ganze Palette der psychischen Stoumlrungen behandelt

21NeuLand 2014 03

Wenn man sich seine Dozenten auszligerhalb der Universitaumlt vorstellt dann ist es wohl in einem Sessel vor einem uumlberfuumlllten Buumlcher-regal mit einem wissenschaftlichen Buch in der Hand vielleicht noch mit einem Hund zu den Fuumlszligen Wenige Studenten glauben dass ihre Dozenten moumlglicherweise eine spannendere Freizeitgestaltung haben als sie selbst

Bei Walter H Schreiber ist das aber so Seit dem Sommer 2013 ist er 3D-Bogenschuumltze 3D-Bogenschieszligen bedeutet nicht dass man mit einer 3D-Brille und einem virtu-ellen Bogen bewaffnet auf herannahende Tiere oder Aliens schieszligt Eigentlich ist das 3D-Bogenschieszligen vielmehr die Wieder-entdeckung des sportlichen Jagens mit Pfeil und Bogen ohne einem Tier Schaden zuzufuumlgen Es erinnert an eine Art Golf Der Schlaumlger wird zum Bogen der Ball zum Pfeil und statt eines Abschlags hat man einen Abschuss-Punkt Das Ziel ist aber kein Loch sondern zum Beispiel ein Fasan oder eine Riesenspinne welche von Vereinsmitglie-dern angefertigt und im Parcours platziert wurde

Schreiber ist seit Dezember Mitglied beim Verein Palatina Bogenschuumltzen eV in Ins-heim suumldlich von Landau Davor absolvierte er bereits einen Pfeil und Bogen-Intensiv-kurs in der Eifel bdquoDamit sich nicht bereits am Anfang grobe Fehler einschleichenldquo bekraumlf-tigt Schreiber Sein Sohn sei auch Bogen-schuumltze habe aber unabhaumlngig von ihm zur selben Zeit angefangen Auf die Frage wa-rum er nicht das klassische von Olympia be-kannte Bogenschieszligen ausuumlbe antwortet Schreiber bdquoDa gibt es zu viele Regelnldquo Au-szligerdem sei er ein intuitiver Schuumltze welcher ndash im Gegensatz zum strategischen Schuumltzen ndash sich voll und ganz auf seine Erfahrung und sein Bauchgefuumlhl verlasse Zwar ist Schrei-ber schon seit einem Jahr leidenschaftlicher Bogenschuumltze trotzdem gilt er im Verein

Entspannung vom AlltagWaumlhrend die Studierenden fast immer wissen ob ein Dozent freundlich oder streng ist

koumlnnen sich nur wenige vorstellen was diese mit ihrer Freizeit anfangen NeuLand war

einen Abend mit Dr Walter H Schreiber unterwegs Sein Hobby das 3D-Bogenschieszligen

noch als Anfaumlnger bdquoDeswegen behalte ich meine Ergebnisse bei Wettkaumlmpfen lieber fuumlr michldquo bemerkt er schmunzelnd

Sicherheit sei sehr wichtig betont Schrei-ber So muss sich jeder Schuumltze vorab in einem Schieszligbuch eintragen um zu sehen wie viele Leute auf dem Parcours unter-wegs sind Aus gutem Grund Auf dem 500 Meter langen und mit 28 Zielen bestuumlckten Parcours kann man leicht den Uumlberblick verlieren Zwei bis drei Stunden dauert die Durchquerung des Kurses Manchmal machen es abgeknickte Aumlste und ein rut-schiger Untergrund gar nicht so einfach die Ziele zu treffen Trotzdem wuumlrden die meisten Unfaumllle nicht beim Schieszligen selbst passieren sondern beim Herausziehen der Pfeile aus den Koumlrpern der Ziele meint Schreiber Ein Vereinskollege ergaumlnzt bdquoWich-

tig ist uns dass wir das 3D-Bogenschieszligen nicht als Vorstufe zur Jagd mit Pfeil und Bogen sehen Es ist vielmehr ein Sport bei dem man sich deutschlandweit mit anderen Schuumltzen messen kannldquo Im Gegensatz zum klassischen Bogenschieszligen schieszlige man nicht auf langweilige Zielscheiben sondern durchlaufe einen interessanten Parcours

Fuumlr Schreiber ist das Bogenschieszligen Ent-spannungskur vom alltaumlglichen Uni-Stress bdquoNach der Arbeit auf den Parcours zu gehen befreit meinen Kopfldquo Verstaumlndlich denn das leise Zischen des Pfeiles und die Ruhe im gruumlnen naturbelassenen Gelaumlnde hat etwas Erholendes Auszligerdem hat Schreiber beim Verein Palatina Freunde gefunden mit denen er an fast jedem Donnerstag und Sonntag durch den Parcours streift ndash auf der Jagd nach kuumlnstlichen Tieren (dan)

Hobby 3D-Bogenschieszligen

Beim 3D-Bogenschieszligen findet Walter H Schreiber Entspannung vom alltaumlglichen Uni-Stress

22 NeuLand 2014 03

Summer School

In der Reihe bdquoE-Mail aus hellipldquo berichtet Sozialwissenschafts-Student Daniel Schumacher

von der Summer School aus dem polnischen Wroclaw

Liebes NeuLandCześćaus Wroclaw Manchmal reicht ein

akademischer Kurz-Urlaub um ein Land und die

Leute lieben zu lernen

Zum Ende meiner akademischen Laufbahn wollte

ich das Studentendasein noch einmal voll und

ganz genieszligen und habe mich entschlossen eine

Summer School zu besuchen Fast jeder unserer

Fachbereiche bietet so etwas an Fuumlr mich ging die

Reise unter der Leitung von Professor Dr Siegmar

Schmidt (Politikwissenschaften) nach Wroclaw Polen

Erasmus-finanziert begann meine Hinfahrt in einem

Fernbus von Karlsruhe direkt nach Breslau so der alte

deutsche Name fuumlr Wroclaw

Hier angekommen bezogen wir ndash meine Wenigkeit

mit sieben anderen Deutschen ndash unsere Zimmer in

einem Studentenwohnheim oder wie ich es nenne

bdquoPlattenromantik-Hotelldquo Von auszligen neu gestrichen

verspruumlhte das Haus von innen den gesamten

Ostblock-Charme der Kalten-Krieg-Aumlra Das war

fuumlr mich aber auch das einzig Negative waumlhrend

meiner zweiwoumlchigen Summer School Bereits

am ersten Tag lernten wir beim bdquoget-togetherldquo

die anderen Teilnehmer kennen 70 Studenten

aus uumlber acht Laumlndern wollten mehr uumlber die

europaumlische Finanzkrise lernen und ndash wie ich ndash neue

Freundschaften knuumlpfen

Ab dem zweiten Tag war unser neues Zuhause ein

Houmlrsaal beim Institut fuumlr Politikwissenschaft Dort

E-Mail aus hellip Wroclaw

lernten wir wie verschiedene europaumlische Staaten mit

der Finanzkrise zu kaumlmpfen hatten und stellten jeweils

unsere Laumlnder selbst vor

Nach der ersten Woche wurden wir in verschiedene

Gruppen aufgeteilt um uumlber Innovation im

oumlffentlichen und privaten Sektor zu forschen

Forschen bedeutete dabei dass wir polnische

Buumlrger interviewten die entweder im privaten oder

oumlffentlichen Bereich taumltig sind Mein bdquoResearch-Haufenldquo

war bunt gemischt ndash von Belgiern uumlber Rumaumlnen

bis hin zu Ukrainern Ohne Verstaumlndigungsprobleme

meisterten wir unseren Arbeitsauftrag was am letzten

Tag feucht-froumlhlich mit allen gefeiert wurde

Am Ende moumlchte ich noch eine Lanze fuumlr die Stadt

Wroclaw und das Land Polen brechen Wir wurden

sehr herzlich aufgenommen Die Stadt mit ihrer

(deutschen) Geschichte war atemberaubend Nicht

nur die alten Gebaumlude haben es mir angetan sondern

die Atmosphaumlre rund um den historischen Stadtkern

Ich habe in diesen zwei Wochen sehr viele Menschen

kennen gelernt einige wuumlrde ich nun als enge Freunde

bezeichnen Das erste Wiedersehen mit Studenten aus

Belgien und Tschechien ist bereits geplant

Bis bald im guten alten Landau

euerDaniel Schumacher

23NeuLand 2014 03

Hochschulgruppe

Eigentlich kommt Cornelia Spengler aus einem ganz anderen Fachgebiet Nach ih-rem Biologiestudium am Karlsruher Insti-tut fuumlr Technologie promoviert sie derzeit in Landau im Fachbereich Natur- und Um-weltwissenschaften Aber auch an sozialer Arbeit hatte sie schon immer Interesse Sie wollte sich nicht nur mit der Wissenschaft beschaumlftigen sondern mit Menschen zu-sammenarbeiten So entdeckte sie fuumlr sich ein sensibles Thema die Integration und Bildungsgerechtigkeit

Cornelia Spengler wollte nicht nur reden sondern handeln In der SchuumllerNavi-Grup-pe in Aachen fand sie ein Vorbild nach dem sie am Campus Landau gemeinsam mit Stu-dentin Sylvia Klaus eine Hochschulgruppe aufbaute Ziel sollte es sein Schuumller zu foumlr-dern die durch ihre mangelnden Deutsch-kenntnisse in der Schule Probleme haben und deren Eltern das Geld fuumlr Nachhilfe nicht aufbringen koumlnnen bdquoWenn die Eltern zu Hause kaum Deutsch sprechen haben die Kinder dort auch wenig Unterstuumltzung fuumlr die Schule Diktate zu uumlben ist dann schlichtweg nicht moumlglichldquo erklaumlrt Speng-ler

SchuumllerNavi bietet neben Hausaufgaben-betreuung und Nachhilfeunterricht auch kulturellen Austausch Mittlerweile betei-ligen sich in der Hochschulgruppe uumlber 20 Studenten die den Schuumllern in schulischen

Aktive Arbeit statt bloszlige TheorieUumlber Integration zu reden bringt nicht viel Sie muss gelebt werden Darum gruumlndete die

Landauer Doktorandin Cornelia Spengler mit Studentin Sylvia Klaus die Hochschulgruppe

SchuumllerNavi die immer mehr Mitglieder zaumlhlt Wie man Integration foumlrdern kann und was

den Ehrenamtlichen ihre Arbeit bringt daruumlber sprach sie mit NeuLand

Belangen zur Seite stehen ihnen das Uni-Leben zeigen und ihnen zuhoumlren wenn sie Probleme haben

Spengler selbst betreut zwei Bruumlder mit tamilischen Wurzeln Um Beruumlhrungspunk-te zu schaffen die fuumlr den Aufbau eines Ver-trauensverhaumlltnisses wichtig sind hat sie mit den Jungs auf dem Campus beispiels-weise gemeinsam mikroskopiert Einer der beiden Bruumlder war stark versetzungsgefaumlhr-det und hat es nun in die naumlchste Klasse geschafft Ein Stuumlck weit schreibt sie diesen Erfolg SchuumllerNavi zu

bdquoSchwierig ist es zu unterscheiden welche Kinder wirklich der Foumlrderung beduumlrfenldquo so Spengler In Konkurrenz mit Nachhilfe-Firmen will die Gruppe nicht treten Ziel-gruppe sind Kinder die in der Schule haumlufig nicht ausreichend gefoumlrdert werden und deren Eltern sich keine professionelle Nach-hilfe leisten koumlnnen Daher hat SchuumllerNavi Kooperationen mit sozialen Institutionen Landaus die ihnen die Kontakte weiterver-mitteln bdquoDer Bedarf ist riesig Wir koumlnnen ihn gar nicht deckenldquo berichtet Spengler Daher ist die Hochschulgruppe auch staumln-dig dabei neue Mitglieder zu werben

Fuumlr die Zukunft plant die Hochschul-gruppe eine weitere Kooperation mit ELKE (Eltern Kompetenzen erlernen) um die El-tern weiterzuschulen beispielsweise mit Sprachkursen Dadurch sollen diese ihren

Kindern besser bei schulischen Aufgaben selbst helfen koumlnnen

Neben dem Gefuumlhl etwas Gutes zu tun sieht Spengler aber auch andere Vorteile fuumlr das Ehrenamt Gerade Lehramtsstu-denten koumlnnen sich hier ausprobieren und paumldagogische Konzepte umsetzen die sie aus der Theorie kennen Jeder koumlnne viel lernen erklaumlrt sie Man uumlbe hier nicht nur den Umgang mit Kindern und Jugendli-chen sondern lerne auch viel uumlber fremde Kulturen Sie selbst habe von ihren zwei Nachhilfeschuumllern bereits viel uumlber Feierta-ge und Sitten ihrer Kultur aber auch einzel-ne Vokabeln ihrer Sprache gelernt Und die Schuumller seien sehr interessiert an deutschen Gebraumluchen und Eigenarten

Fuumlr das ehrenamtliche Engagement hat SchuumllerNavi bereits Preise bekommen Bei der Initiative fuumlr Integration von bigFM be-legten sie den dritten Platz Das Preisgeld investierte die Gruppe unter anderem um mit ihren Schuumllern die Zooschule zu besu-chen In diesem Jahr erhaumllt SchuumllerNavi zu-dem den Campus-Kulturpreis des Campus Landau

bdquoMan redet immer uumlber Integration Von Menschen mit Migrationshintergrund wird erwartet sich hier zu integrieren Aber das liegt ja auch an uns Man muss sie auf die-sem Weg unterstuumltzenldquo erklaumlrt Doktorandin Spengler (rst)

Termine ImpressumHerausgeberReferat fuumlr Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit der Universitaumlt Koblenz-Landau Campus Landau Fortstraszlige 7 76829 Landau

RedaktionsteamKerstin Theilmann (ket) (verantw) Berend Barkela (bb) Wilfried Dorsch (wdo) Sebastian Kapp (kap) Daniel Schumacher (dan) Rosa Stecher (rst)

LayoutMedienzentrum Campus Landau Berend Barkela

FotosTitel Imago Fotoarena S 2 S 3 privat S 5 Imago Xinhua S 7 oben kanvag - Fotoliacom S 7 unten Medienzentrum Hiller S 9 Imago ITAR-TASS S 10 Imago Steinach S 11 Imago DeFodi S 13 Imago PPfotodesign S 15 JiSign - Fotoliacom S 17 Medienzentrum Hiller S 19 Medienzentrum Barkela S 20 Medienzentrum Hiller S 21 und 22 Daniel Schumacher

KontaktKerstin TheilmannTel 06341 280-32219 E-Mail theiluni-koblenz-landaude

Aus Gruumlnden der besseren Lesbarkeit verwenden wir in unseren Artikeln die maumlnnliche Form Damit sind stets Frauen und Maumlnner gemeint

Die Redaktion behaumllt sich die Kuumlrzung und Uumlberarbeitung von Texten vor Die Meinung einzelner AutorinnenAutoren gibt nicht immer die Meinung der Redaktion wieder

28101014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Florian Ostertag Atrium Infos unter wwwasta-landaude

05112014 ab 2130 Uhr Atriumsfete Infos unter wwwasta-landaude

06112014 20 Uhr Poetry Slam Landau Universum Kinocenter Infos unter wwwzkwuni-landaude

19112014 1930 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Friedensprojekt Europa in der Krise Mit Bundesministerin aD Heidemarie Wieczorek-Zeul und weiteren Gaumlsten Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

19112014 21 Uhr Konzert bdquoBeats und Pianoldquo Audimax Infos unter wwwasta-landaude

1122014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Unland Atrium Infos unter wwwasta-landaude

03122014 19 Uhr Hambacher Gespraumlch Meine Daten gehoumlren den Unternehmen Hambacher Schloss Infos unter wwwfliuni-landaude

05122014 1930 Uhr Reihe bdquoGroszlige Begegnungenldquo mit Sternekoch Alfons Schubeck Jugendstil-Festhalle Landau Infos unter wwwzkwuni-landaude

08122014 1900 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Frieden durch Demokratie Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

Ausblick 13 - 15012015 Poetik-Dozentur mit Rafik Schami Infos unter wwwzkwuni-landaude

Weitere Termine unter wwwuni-koblenz-landaudeaktuell wwwuni-koblenz-landaudeblog

Page 6: Neuland Ausgabe 3/2014

6 NeuLand 2014 03

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

NeuLand Herr Professor Bermes gibt es eine einfache Antwort auf die Frage was Ge-rechtigkeit ist

Christian Bermes Eine einfache Antwort gibt es nicht Es gibt aber einen Zugang der die Sache vereinfacht Und dieser Zu-gang ist zunaumlchst begrifflicher Natur Wir sprechen heute allzu oft uumlber Gerechtigkeit und haben Strukturen Institutionen Vertei-lungsschluumlssel und vieles mehr im Blick Das ist auch wichtig aber eigentlich nur eine abgeleitete Form der Gerechtigkeit Die ei-gentliche Frage der Gerechtigkeit druumlckt sich in Ausdruumlcken aus wie etwa bdquoWie wer-de ich dieser oder jener Situation gerechtldquo Gerechtigkeit ist daher eine Haltung eines Menschen zu anderen Menschen Eine solche Form von Haltung bezeichnet man klassischerweise als Tugend Gerechtig-keit ist seit der Antike eine Kardinaltugend mit einer besonderen Stellung Denn sie bringt zum Ausdruck dass die Tugend der Gerechtigkeit das wichtigste Lebensmittel des Menschen ist mit anderen Menschen umzugehen

Also ist Gerechtigkeit wie ein Lebensmittel fuumlr ein gutes Miteinander

Fuumlr ein gerechtes Miteinander Menschen besitzen eigentlich nicht besonders viele Mittel um handelnd auf andere Menschen zuzugehen Wir koumlnnen andere bewegen indem wir sie von einem Ort zum anderen bringen wir koumlnnen lieben oder wir koumln-nen gerecht miteinander umgehen Josef Pieper bemerkte einmal uumlberall wo wir andere nicht lieben koumlnnen muumlssen wir gerecht sein Nun stellt sich die Frage wie man Gerechtigkeit weiter charakterisieren kann Neben der begrifflichen Seite dass Gerechtigkeit ein Lebensmittel des Men-schen im Umgang miteinander ist muumlssen

wir uns fragen Warum benoumltigen wir einen gerechten Umgang uumlberhaupt Seit der Antike weiszlig man dass die Knappheit der Guumlter uns zu einem Verhalten zwingt dass wir als gerecht kennzeichnen Begrenzt verfuumlgbare Guumlter wie Wasser Lebensmittel oder auch Zeit bilden die Grundlage dafuumlr warum Gerechtigkeit fuumlr uns so wichtig ist Ein dritter Aspekt der Uumlberlegung wie man Gerechtigkeit bestimmt besteht darin dass Gerechtigkeit in der alltaumlglichen Rhetorik oftmals schnell mit Gleichheit gleichgesetzt wird Von dieser Annahme haben sich schon Platon und Aristoteles distanziert Bestimm-te Formen der Gleichheit koumlnnen auch zu Ungerechtigkeit fuumlhren

InwiefernFolgendes Beispiel Sie haben zwei Kinder

Ein Kind ist durch einen Ungluumlcksfall in eine hochprekaumlre koumlrperliche Lage gekommen kann seinen Lebensweg nicht eigenstaumlndig weitergehen und sich nicht so entwickeln wie man es erwarten koumlnnte Das andere Kind ist gesund und daruumlber hinaus beruf-lich gut situiert Jetzt kommen Sie in die Si-tuation beispielsweise bei einer Erbschaft das Vermoumlgen zu verteilen Welche Vertei-lung ist gerecht Wenn man das Vermoumlgen arithmetisch gleich verteilt merken wir so-fort dass hier etwas nicht stimmt Da zeigt sich recht deutlich dass bezogen auf die gleiche Verteilung von Guumltern diese Form von Gleichheit zuerst einmal unserer Ge-rechtigkeitsintuition widerspricht

Also gibt es keine einfache Formel fuumlr Ge-rechtigkeit Es ist ja doch Ermessenssache hellip

Doch es gibt eine Formel fuumlr Gerechtig-keit Bei Platon heiszligt es dass es gerecht sei wenn jeder das ihm Zukommende oder das ihm Gebuumlhrende erhalte Das ist die aumll-teste Charakterisierung der Gerechtigkeit

die Philosophie nennt dies die Idiopragie-formel Natuumlrlich kann es problematisch werden zu bestimmen was das jeweils sbquoihm Gebuumlhrendersquo ist aber das bedeutet nicht dass diese Formel falsch ist Auch steckt in der Formel etwas das zur Gerechtigkeit ganz grundsaumltzlich gehoumlrt Den anderen als anderen anzuerkennen Dass der andere nicht ich bin ich mich nicht an seine Stel-le setze und dass der andere nicht irgend-etwas ist sondern jemand der bestimmte Empfindungen Beduumlrfnisse Wuumlnsche hat und zwar seine nicht meine Hinter dieser Formel steckt also mehr als man auf den ersten Blick vermutet

Aber ist Gerechtigkeit oder gerechtes Emp-finden nicht immer auch subjektiv

Nein Sicherlich gibt es so etwas wie eine Gerechtigkeitsintuition Bei der Gerech-tigkeit fragt man jedoch nicht um wessen subjektive Wuumlnsche Empfindungen oder Beduumlrfnisse es sich handelt sondern da-nach welche Wuumlnsche Empfindungen oder Interessen mit Blick auf die Person hier eine Rolle spielen In diesem Sinne hat Gerech-tigkeit etwas mit dem Recht zu tun zu dem Unparteilichkeit gehoumlrt So wird Justitia mit verbundenen Augen dargestellt und urteilt unabhaumlngig von subjektiven Interessen Stimmungen und Launen Mit Blick auf die Gerechtigkeit heiszligt dies dass wir unabhaumln-gig von bloszlig subjektiven Empfindungen bloszlig subjektiven Interessen urteilen Wir merken dies auch sofort wenn jemand Ge-rechtigkeit fordert aber nur sich selbst und seinen eigenen Vorteil im Blick hat

Hat Gerechtigkeit aber vielleicht etwas mit moralischem Empfinden zu tun

Das Beispiel mit den zwei Kindern die be-zogen auf das Vermoumlgen ungleich situiert sind zeigt ganz deutlich Wuumlrden die Eltern

Gerechtigkeit ist eine HaltungUumlber Gerechtigkeit wird viel gesprochen Doch was ist Gerechtigkeit uumlberhaupt Welche

Rolle spielt sie im Leben Und legitimiert sie Protest NeuLand sprach mit Philosophiepro-

fessor Dr Christian Bermes

7NeuLand 2014 03

das Vermoumlgen nur arithmetisch gleich ver-teilen wuumlrde man sagen da stimmt etwas nicht Insofern gibt es so etwas wie ein mo-ralisches Empfinden Aber jetzt faumlngt das Denken an man muss sich fragen warum stimmt hier etwas nicht Das hat mit dem Empfinden nichts mehr zu tun sondern mit Begruumlndung und Rechtfertigung

Hat Gerechtigkeit etwas mit Naumlhe und Dis-tanz zu tun Bei mir nahe stehenden Men-schen faumlllt es mir bei einer Verteilungsfrage sicherlich einfach zu sagen da stimmt etwas nicht Es gibt aber auf der Welt Klimakata-strophen Hungersnoumlte Das ist eine unge-rechte Verteilung von Leid Und trotzdem koumlnnen wir verhaumlltnismaumlszligig unbeschwert hier ein sorgenfreies Leben fuumlhren aumlndern vielleicht auch nichts an unserem Lebens-wandel Schwindet unser Gerechtigkeitssinn mit zunehmender Distanz

Das ist nicht ganz einfach Nicht uumlberall wo ungleiche Lebensverhaumlltnisse herr-schen muumlssen wir auf Gerechtigkeit re-kurrieren Da spielen eher andere wichtige Konzepte eine Rolle wie beispielsweise Solidaritaumlt So hat beispielsweise unser Verhalten gegenuumlber den durch Ebola In-fizierten in einigen afrikanischen Staaten ganz sicher etwas mit Solidaritaumlt zu tun Zur Frage bezuumlglich Naumlhe und Distanz Die Gerechtigkeitsfrage stellt sich wenn es zu-mindest eine relative Distanz zwischen den Akteuren gibt Die bereits oben zitierte Be-merkung von Pieper man muss da gerecht sein wo man nicht lieben kann bringt das relativ deutlich zum Ausdruck In Verhaumllt-nissen die wir durch Sympathie Liebe und Zuneigung beschreiben stellt sich viel-leicht gar nicht die Frage der Gerechtigkeit Aber in Verhaumlltnissen in denen Distanzen in sozialen Ordnungen geregelt werden

wie etwa im Beruf in Vereinen oder in Nachbarschaften stellen sich Gerechtig-keitsfragen So auch natuumlrlich im Verhaumlltnis von Dozenten zu ihren Studierenden stellt sich bezuumlglich der Beurteilung der Leistun-gen eine Gerechtigkeitsfrage Studenten haben selbstverstaumlndlich ein Recht drauf bei der Bewertung gerecht behandelt zu werden also unabhaumlngig von subjektiven oder fremden Faktoren

Gibt es einen Anspruch auf GerechtigkeitJa das kann man sagen Uumlberall wo Men-

schen in Situationen oder sozialen Ord-nungen seien es berufliche oder andere miteinander zu tun haben stellt sich dieser Anspruch Wie in dem Beispiel der korrekten Beurteilung studentischer Leistungen

bdquoEs scheint ein Zeichen unserer Zeit zu sein Gerechtigkeit uumlberall zu suchen nur nicht bei sich selbstldquo

Wer ist verantwortlich fuumlr Gerechtigkeit Je-der selbst Der Staat Die Gesellschaft

Zuerst einmal als Tugend jeder einzel-ne selbst und damit wir alle Es scheint ein Zeichen unserer Zeit zu sein Gerechtigkeit uumlberall zu suchen nur nicht bei sich selbst Dahinter verbirgt sich etwas voumlllig Proble-matisches naumlmlich der Wunsch dass man Gerechtigkeit delegieren koumlnne Das kann man nicht oder zumindest kann man sich nicht gaumlnzlich von ihr entlasten weil die Gerechtigkeit als Tugend eine Haltung zu

etwas naumlmlich zu anderen ist Wenn man denkt man koumlnne das delegieren laumluft man Gefahr selbst ungerecht zu werden da man seine Haltung zu anderen aufs Spiel setzt

Also muss ich fuumlr Gerechtigkeit immer bei mir selbst anfangen

Nicht umsonst ist die Gerechtigkeit bei Platon eine Form des Staates und der Seele

Sie rekurrieren immer wieder auf die Denker im Alten Griechenland Die Frage der Gerech-tigkeit scheint die Menschheit schon seit Jahr-tausenden zu beschaumlftigen Gab es uumlber die Zeit verschiedene Ansaumltze

Die Fragen nach Gerechtigkeit tauchen zu jeder Zeit immer wieder neu auf Das ist

Professor Dr Christian Bermes hellip

hellip lehrt Philosophie am Campus Landau und ist Sprecher der Graduiertenschule bdquoHerausforderung Lebenldquo sowie des Forschungsschwerpunktes bdquoKulturelle Orientierung und normative Bindungldquo Seine Forschungsschwerpunkte sind Philosophische Anthropologie und Ethik Sprachphilosophie und Erkenntnistheorie

Nutzen und Folgen des Internets

Wie urteilt man gerecht Unabhaumlngig von subjektiven Empfindungen und Interessen mit gefuumlhlt verbundenen Augen wie Justitia

8 NeuLand 2014 03

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

auch nicht verwunderlich da es ja um uns geht und die Frage wie wir unser Leben fuumlhren Die Philosophie ist es die diese Fra-gen immer aufgreift und die damit verbun-denen Probleme rationalisiert aber auch objektiviert Allzu schnell neigt man dazu entweder Gerechtigkeit als beliebig oder alleine bezogen auf unser Empfinden oder die soziale Ordnung zu deuten Das war in der Antike nicht anders als heute Dement-sprechend beginnt ein groszliger Zweig der Philosophie mit der Gerechtigkeitsfrage Das klassische Buch Platons die bdquoPolitealdquo heiszligt im Untertitel bdquoUumlber die Gerechtigkeitldquo Sieht man Platon als einen der Stammvaumlter der Philosophie dann beginnt mit der Ge-rechtigkeitsfrage eine bedeutende Traditi-on der Philosophie

Ist Gerechtigkeit ein KulturbegriffWenn Gerechtigkeit so verstanden wird

dass es eine spezifische Haltung von Men-schen zu Menschen ist eine bestimmte Form wie Menschen ihr Leben miteinan-der fuumlhren und gestalten dann finden wir uumlberall wo es Menschen gibt die Frage nach der Gerechtigkeit Ich wuumlrde sogar so weit gehen dass die platonische Definition der Gerechtigkeit dass jedem das ihm Ge-buumlhrende zukomme uumlberkulturell Geltung beanspruchen kann Dabei kann die spezifi-sche Organisation dieses Prinzips kulturrela-tiv sein Aber das Konzept der Gerechtigkeit das aus der Antike kommt scheint mir kul-turuumlbergreifend Guumlltigkeit beanspruchen zu koumlnnen weil es auf den Menschen in sei-ner Lebensfuumlhrung rekurriert

bdquoEine gerechte Welt Es koumlnnte sein dass man sich mit diesem Anspruch ein wenig uumlberhebtldquo

In juumlngster Vergangenheit gab es viele Be-wegungen bei denen Menschen fuumlr ihre Rech-te und Gerechtigkeit auf die Straszlige gegangen sind auch in Laumlndern in denen man so etwas gar nicht fuumlr moumlglich gehalten haumltte siehe die Laumlnder des Arabischen Fruumlhlings oder die Ukraine Inwieweit vertraumlgt sich Gerechtigkeit mit Demonstrationen besonders wenn Ge-waltausschreitungen im Spiel sind

Das ist eine zwicklige Frage Das Problem in diesen Laumlndern war oder ist dass dieje-

nigen die Macht haben oder hatten diese ungerecht ausgeuumlbt haben Aufgrund sol-cher ungerechter Machtausuumlbung gibt es das Recht des Protestes dagegen also ein Widerstandsrecht Dadurch wird aber nicht gesagt dass jeder Protest selbst gerecht ist

Welche Zutaten braumluchte es fuumlr eine gerech-te Welt Kann es die uumlberhaupt geben oder ist der Wunsch danach eine Utopie

Es kann so etwas wie eine rechtsfoumlrmige Welt geben etwa das was man mit groszligen voumllkerrechtlich abgesicherten Institutionen wie etwa der UNO in Verbindung bringt Dies ist nicht nur wuumlnschenswert sondern auch vernuumlnftig Eine gerechte Welt Es koumlnnte sein dass man sich mit diesem An-spruch ein wenig uumlberhebt Man sieht ja heute dass bereits die Frage nach Rechts-foumlrmigkeit und Rechtskonformitaumlt in inter-nationalen Beziehungen schwierig ist Wie verhaumllt man sich wenn eine Nation trotz geschlossener Vertraumlge in ein anderes Land einmarschiert Hier ist also noch einiges zu tun Eine gerechte Welt jedoch wuumlrde voraussetzen dass jeder von uns zu allen anderen in Handlungssituationen oder sozi-alen Ordnungen der Kooperation steht Das scheint mir nicht nur utopisch das scheint eher irreal

bdquoGerechtigkeit ist nicht so schwer wie man vielleicht denken magldquo

Inwieweit spielt bei der Gerechtigkeit das Gewissen mit Kann ich mir durch Spenden ein gutes Gewissen erkaufen zur Gerechtig-keit beigetragen zu haben

Das Gewissen ist nicht ganz unerheblich aber auch hier wuumlrde ich die Gerechtigkeit zuerst auszligen vor lassen Wenn es beispiels-weise eine Wertvorstellung in meinem Leben ist dass durch Not Getroffenen ge-holfen wird dann faumlllt dies unter das Soli-daritaumltsprinzip Und wenn diese Vorstellung zu meinem Leben gehoumlrt dann verpflichtet mich mein Gewissen meine Wertvorstel-lung zu behalten und nicht einfach von ihr abzuweichen Dann ist es auch sinnvoll zu sagen dass ich meinem Gewissen folge wenn ich anderen oumlkonomisch helfe zum Beispiel durch Spenden Die Gerechtigkeit ist dann allerdings kein direktes Thema Es geht hier nicht um gerecht oder ungerecht

sondern dass zu meinem Wertkosmos die Unterstuumltzung von Menschen gehoumlrt die in Not geraten sind

Inwieweit versuchen Sie selbst Gerechtigkeit zu leben

So wie alle anderen auch Vielleicht be-steht der Unterschied darin dass Philoso-phen darauf reflektieren und ein groszliges Repertoire an begrifflichen und logischen Mitteln besitzen die Handlungen zu ana-lysieren Gerechtigkeit ist nicht so schwer wie man vielleicht denken mag In den aller-meisten Faumlllen praktizieren wir fortwaumlhrend Gerechtigkeit im Umgang untereinander Uns faumlllt es meistens nur auf wenn etwas schieflaumluft Sicherlich gibt es kompliziertere Situationen in denen man nach den Prinzi-pien der Gerechtigkeit fragen und daruumlber nachdenken muss um sie zu klaumlren

bdquoWas wir als gerecht empfinden und was nicht lernen wir im Umgang miteinander in unserer Praxisldquo

Wird dem Menschen ein Gerechtigkeitsemp-finden schon in die Wiege gelegt

Was wir als gerecht empfinden und was nicht lernen wir im Umgang miteinander in unserer Praxis Angeboren ist es nicht aber wir lernen es in unserem Einfaumldeln in unseren gemeinschaftlichen Umgang oder mit den vielfaumlltigen Handlungsspielen in denen wir verstrickt sind Ein einfaches Bei-spiel Eine Familie hat zwei Kinder das eine ist 17 das andere ist 9 Das 17-jaumlhrige Kind darf abends laumlnger lesen oder ausgehen Das 9-jaumlhrige Kind fragt Warum ich nicht Nun weil es nicht das Richtige fuumlr das Kind in dieser Situation ist Diese Entscheidung wird Konflikte bringen aber wir lernen im Umgang mit solchen Praktiken Gerechtig-keit kennen Wir lernen uumlbrigens in diesem Fall auch dass ungleiche Behandlung nicht gleichbedeutend ist mit Ungerechtigkeit Ich wuumlrde daher nicht sagen dass Gerech-tigkeit angeboren aber tief in unserem menschlichen Miteinander verankert ist sonst koumlnnten wir unser Leben nicht fuumlhren

Herr Professor Bermes herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch (ket)

9NeuLand 2014 03

bdquoPussy Riot stoumlrt SehordnungenldquoPolitischer Protest braucht Aufmerksamkeit Soziale Bewegungen setzen daher

auf gute Inszenierungen um wahrgenommen zu werden Wie wird aumlsthetische

Kommunikation zum Mittel des Protests Und sind diese Inszenierungen ein

Phaumlnomen der modernen Mediengesellschaft NeuLand hat bei Kunstwissenschaft

und Soziologie nachgefragt

9NeuLand 2014 03

10 NeuLand 2014 03

Das Krisenexperiment ist eine soziolo-gische Methode mit der soziale Normen aufgedeckt werden koumlnnen die Akteuren nicht bewusst sind Das geschieht durch die absichtliche Missachtung von Ritualen Be-obachtet man wie die Menschen reagieren wenn ihre Wirklichkeit nicht wie gewohnt funktioniert zeigen sich unausgesproche-ne Uumlbereinkuumlnfte Soziologen sagen dann Hier werden Praktiken der impliziten Kon-struktion sozialer Wirklichkeit offenbar Durch die Reaktionen auf die Stoumlrung der Ordnung wird sichtbar wie die soziale Ord-nung konstruiert wird

In jeder sozialen Gruppe gibt es spezifi-sche Muster nach denen Dinge interpre-tiert werden Unterschiedliche Deutungen von Symbolen und Handlungen entschei-den uumlber Zugehoumlrigkeit und Abgrenzung Das erzeugt Realitaumlt und Wahrnehmung von Realitaumlt Diesen Mechanismus macht sich die Kunst des Performativen zunutze Ein Realitaumltsbruch wirft Fragen auf entfaltet womoumlglich Potenziale um die Ordnung zu aumlndern aber vor allem Er faumlllt auf und stellt somit Oumlffentlichkeit her

Die Kunstwissenschaft versteht dies als bdquoAktionskunstldquo ein kuumlnstlerischer Bereich der erst seit den 1960er Jahren praktiziert wird Bis dato hatte sich die Kunst bei Pro-testkultur eher auf die bildliche Darstellung als eine Illustration oder als eigenstaumlndige Anklage konzentriert Als Beispiel dient Dr Christoph Zuschlag Professor fuumlr Kunstge-schichte und Kunstvermittlung am Cam-pus Landau das Bild bdquoDie Freiheit fuumlhrt das Volkldquo von Delacroix aus dem Jahr 1830 das beruumlhmte Bild der barbusigen Marianne die ndash die Tricolore in der Hand ndash die Aufstaumln-dischen der Juli-Revolution anfuumlhrt Oder

auch Picassos bdquoGuernicaldquo (1937) bdquoEs waumlre fuumlr Picasso nicht denkbar gewesen in Spanien selbst auf die Barrikaden zu gehen und dies als Kunst zu deklarierenldquo sagt Zuschlag Doch bdquoAktionskuumlnstlerldquo tun genau dies set-zen waumlhrend der Aktion aumlsthetische Akzen-te bdquoEs sind Aktionen bei denen der Inhalt waumlhrend der Aktion auch gleich transpor-tiert wirdldquo Man schaut sich die Bilder nicht spaumlter im Museum an ndash sondern diese ge-schehen und wirken weitestgehend in Echt-zeit Schlieszliglich vergroumlszligert YouTube nur die Reichweite doch das Schneeballsystem startet schon mit dem ersten Beobachter auf der Straszlige

Aumlsthetik das bedeutet fuumlr den Kunsthis-toriker in diesem Zusammenhang all das was vom Menschen gestaltet wird was nicht nur eine funktionale sondern daruuml-ber hinaus eine gestalterische Komponen-te besitzt Ins Gruumlbeln kommt Zuschlag bei der Frage ob der legendaumlre Thesen-anschlag Martin Luthers Aktionskunst ge-wesen sei bdquoEs war ein hochsymbolischer und provokativer Akt das ja Aber Luther hat diesen Akt sicher nicht als Kunst schon gar nicht als Aktionskunst verstanden weil es dieses Phaumlnomen und den Begriff im 16 Jahrhundert noch gar nicht gabldquo Aber nicht zufaumlllig faumlllt der Thesenan-schlag in eine Zeit des medialen Wandels ndash schlieszliglich wurde nur ein knappes Jahr-hundert vorher der Buchdruck erfunden Flugblaumltter Pamphlete Kupferstiche und Holzschnitte praumlgten die Zeit bdquoMit der Er-findung des Rundfunks Ende des 19 Jahr-hunderts hat das natuumlrlich noch einmal ganz andere Dimensionen angenommenldquo so Zuschlag Die Aktionen wurden noch unmittelbarer transportiert

Ein medial erfolgreicher Realitaumltsbruch gelang der Gruppe Pussy Riot als sie im Februar 2012 den Altarraum der Christus-Erloumlser-Kathedrale in Moskau stuumlrmte ein Punk-Konzert inszenierte einige Aktivistin-nen vor dem Altar tanzten und respektlose Texte sangen Damit wollten sie gegen die enge Verbindung zwischen orthodoxer Kir-che und Putins System protestieren Ein von der Gruppe produziertes Video der Aktion wurde nach kurzer Zeit bei YouTube veroumlf-fentlicht Fuumlr ihren Auftritt verurteilte ein russisches Gericht drei beteiligte Frauen zu zwei Jahren Haft Das Video ging um die Welt und bescherte der Gruppe eine Solida-ritaumltswelle aus dem Westen

Symbole schaffen Verbindungen

bdquoPussy Riot stoumlrt Sehordnungenldquo sagt So-ziologin Marija Stanisavljevic ebenfalls am Campus Landau taumltig Sie untersucht wie aumlsthetische Kommunikation zum Mittel des Protests werden kann Aumlsthetik versteht sie als eine bdquoArt und Weise wie soziale Phaumlno-mene zum Vorschein gebracht werdenldquo und konzentriert sich dabei insbesondere auf Symbole in Bildern bdquoSymbole sind un-glaublich wichtig Sie schaffen Verbindun-gen zwischen verschiedenen Menschen Sie lassen unterschiedliche Deutungen zu und koumlnnen Gemeinschaft stiftenldquo Dass Pussy Riot vor allem im Westen erfolgreich sind liegt fuumlr Stanisavljevic an westlichen Sehordnungen Das russische System sei konservativ streng und autoritaumlr Pussy Riot seien bunt laut und punkig Sie bieten eine

Die fuumlr den Comic bdquoV for Vendettaldquo gezeichnete Guy-Fawkes-Maske trugen zunaumlchst Aktivisten der Anonymous-Bewegung Waumlhrend der Occupy-Proteste wurde sie auch international sichtbar und entwickelte sich zum Protest-Symbol

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

11NeuLand 2014 03

Alternative zum russischen politischen Sys-tem bdquoDahinter steht die westeuropaumlische Sehn sucht nach Demokratie in Russlandldquo Trifft der Protest auf andere Sehordnungen hat er auch andere Konsequenzen bdquoDer Pro-test war gegen das System in Russland ge-richtet Tatsaumlchlich hilft er vermutlich dem System die eigenen konservativen Positio-nen zu festigenldquo

Mit der Erforschung aumlsthetischer Protest-kommunikation anhand von Bildern ar-beitet Stanisavljevic in einem noch jungen Bereich der Soziologie bdquoDie Beschaumlftigung mit Bildern und bewegten Bildern ist fuumlr die Soziologie ein relativ neues Phaumlnomenldquo Fuumlhrte die steigende Bedeutung des Visuel-len in geistes- und kulturwissenschaftlichen Traditionen in den 90er Jahren zum bdquoiconic turnldquo ist eine bdquovisuelle Soziologieldquo kaum etabliert Fuumlr eine soziologische Perspektive auf Bilder und Filme muumlssen Methoden und Theorien angepasst und entwickelt werden bdquoBilder haben ihren eigenen Sinn sie brau-chen eigene Zugaumlnge und Methodenldquo sagt Stanisavljevic und versteht ihre Dissertation als einen Beitrag dazu

Fuumlr ihre Bildanalyse begegnet sie Protest-darstellungen zunaumlchst isoliert Den Kon-text um die Situation blendet sie aus und entwickelt moumlgliche Lesarten Anschlie-szligend vergleicht sie diese Uumlberlegungen mit dem vollstaumlndigen Kontextwissen um das Bild Mit dieser Analyse moumlglicher und tatsaumlchlicher Lesarten will Stanisavljevic aufdecken wie durch Bilder in unterschied-lichen Kontexten Realitaumlt erzeugt wird und welche Sehordnungen fuumlr die Deutung die-ser Bilder relevant sind

Dabei unterscheidet sie aumlsthetische Pro-testkommunikation von anderen aumlstheti-

schen Formen Der Kuumlnstler Ai Weiwei zum Beispiel kritisiert in seiner Arbeit das chine-sische System und erlebte wie Pussy Riot staatliche Eingriffe Aber so Stanisavljevic bdquodie massenmediale Rezeption zu Ai Weiwei findet im Feuilleton statt die zu Pussy Riot im Politik-Teilldquo So schaffe Ai Weiwei Kunst die auch politische Kunst sei aumlsthetisierter Protest hingegen sei Politik die sich aumlstheti-scher Mittel bediene Und doch ist dies der vorlaumlufige Houmlhepunkt einer Entwicklung Die Liaison zwischen Protest und Kunst fin-det nicht nur auf der Straszlige statt sondern auch in Ausstellungen und Museen So wur-de bei der Berlin Biennale 2013 der Occupy-Bewegung ein Raum gegeben den die Protestbewegung selbst gestalten durfte bdquoDas wurde sehr kritisiertldquo merkt Zuschlag an Occupy und Kunst Das war fuumlr viele dann doch zu progressiv

Gestoumlrte Sehordnungen ndashProduzierte Sehstoumlrungen

Protestkommunikation will ein groszliges Publikum erreichen bdquoUm in den Massen-medien aufzufallen und in Erinnerung zu bleiben muss sie sich von klassischen Pro-testformen abgrenzenldquo betont Stanisavlje-vic Demonstrationen Transparente und Straszligenschlachten sind demnach ein ge-wohntes Bild in der Berichterstattung Sie entsprechen Sehordnungen Aumlsthetisierte Protestformen unterscheiden sich davon Sie produzieren Sehstoumlrungen Dabei sind sie nicht nur Teil einer Bewegung sondern auch selbststaumlndiges mediales Produkt Das gilt auch fuumlr Erdem Guumlnduumlz Stumm und

regungslos stand er im Juni 2013 auf dem Taksim-Platz nachdem die Proteste rund um den Gezi-Park in Istanbul eskaliert wa-ren Der bdquoStanding Manldquo wurde zu einem Symbol des Protestes

Diese Aumlsthetisierung ist keine Erfindung der Pop-Kultur wie Kunstwissenschaftler Zuschlag weiszlig bdquoDie Nationalsozialisten zum Beispiel hatten ein hohes Maszlig an Aumlstheti-sierung in ihren Auftrittenldquo NSDAP und Pro-test bdquoWir sprechen natuumlrlich von den 1920er und fruumlhen 30er Jahren als die Nazis noch in der Opposition warenldquo Hakenkreuze braune Hemden rote Armbinden all diese Symbolik hatte einen praktischen Zweck bdquoSymbole sind reduzierte abstrakte Bil-derldquo erklaumlrt Zuschlag die Wirkung Es geht um aumlsthetische Praumlgnanz es geht darum Aufmerksamkeit zu generieren und zu er-halten Das Hakenkreuz als bdquoMarkeldquo Binnen von Sekundenbruchteilen wusste jeder wer dort aufmarschierte

Die aumlsthetische Inszenierung schafft eine hohe Aufmerksamkeit wenn sie die ge-wohnte Wirklichkeit stoumlrt Aber wird der Protest durch seine Aumlsthetisierung nicht auch Marke Ist das uumlberhaupt noch Protest oder bereits Marketing bdquoEine Bewegung will an die Macht oder die Macht uumlberwaumll-tigen und braucht dafuumlr Sympathisantenldquo stellt Soziologin Stanisavljevic fest Wie Werbung und PR muumlssen Protestler sich ab-grenzen und anderen signalisieren wofuumlr (oder wogegen) sie stehen Das gilt fuumlr Pro-testbewegungen ebenso wie fuumlr Unterneh-men NGOs Politiker und Oppositionelle Das Buhlen um Aufmerksamkeit zum For-mulieren ihrer Ziele ist allen gemein Dass die Methoden sich aumlhneln ergibt sich von selbst (bbkap)

In Russland verfolgt im Westen gefeiert Waumlhrend drei Aktivistinnen in Russland zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden erhielt die Gruppe Pussy Riot im Dezember 2012 den Sonderpreis des Musikpreises bdquo1 Live Kroneldquo

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

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Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

Wir koumlnnen uns alle noch an die Bilder von Stuttgart 21 erinnern wuumltende Buumlrger Hundertschaften an Polizisten und ein noch groumlszligerer Medienrummel Viel wurde uumlber die sogenannten bdquoWutbuumlrgerldquo diskutierthellip Aber was treibt Menschen ganz allgemein dazu fuumlr Sachen einzutreten und dafuumlr auf die Straszlige zu gehen

Tobias Rothmund ist Junior-Professor fuumlr politische Psychologie am Campus Landau und erforscht Protestverhalten In seiner Forschung geht es vor allem um die Mo-tivation von Menschen an einem Protest teilzunehmen Dabei muumlsse man erst in der Gerechtigkeitspsychologie nach Ant-worten suchen also was Menschen fuumlr gerecht oder ungerecht erachten wuumlrden erklaumlrt er bdquoEs gibt Protestverhalten das aus dem Gefuumlhl persoumlnlicher Benachtei-ligung motiviert ist und es gibt die Pro-testmotivation aus der Beobachtung der Benachteiligung andererldquo Rothmund er-gaumlnzt bdquoWenn jemand nicht das bekommt was er glaubt zu verdienen dann wird es als ungerecht wahrgenommen Unge-rechtigkeit kann man aber nicht nur aus der Opferperspektive betrachten sondern auch als Beobachter von Ungerechtigkeitldquo Als Beispiel nennt Roth mund Proteste an der Universitaumlt Dabei wuumlrde man sich zum Beispiel als Studierender direkt benach-teiligt fuumlhlen Als Dozent koumlnne man als Beobachter zustimmen und Studierende deshalb unterstuumltzen Trotzdem sei man nicht in der Rolle des Benachteiligten er-laumlutert Rothmund

In der Forschung gibt es nach Tobias Roth-mund drei groszlige Theorien um (politischen) Protest oder Protestverhalten zu erklaumlren Theorie der sozialen Gerechtigkeit soziale Identitaumltstheorie und Rational Choice-The-orie Diese seien allerdings nicht getrennt voneinander zu betrachten sondern inei-nander verschraumlnkt bdquoAusloumlser von Protest ist in der Regel ein Gefuumlhl der Benachteili-gungldquo verdeutlicht Rothmund Man koumlnne das haumlufig beobachten bei Tarifverhandlun-gen Ob sich jemand unzureichend bezahlt fuumlhle haumlnge nicht unbedingt vom absolu-ten Einkommen ab sondern mit wem sich die Personen und Gruppen vergleichen wuumlrden bdquoInsofern kann es selbst bei Per-sonen zum Gefuumlhl der Benachteiligung kommen die von anderen als sehr privile-giert wahrgenommen werdenldquo In der Psy-chologie wuumlrde man deshalb von relativer Deprivation sprechen ndash also das Gefuumlhl der Benachteiligung relativ zu einem gewissen Vergleichsstandard

Eine wichtige Rolle spielt auch das Kol-lektiv und die soziale Gruppe die sich als protestierende Gruppe versteht Rothmund fuumlgt an bdquoMan sieht in der Regel keine ein-zelnen Personen protestieren Protest geht gewoumlhnlich von sozialen Bewegungen ausldquo Beispiele dafuumlr waumlren die Anti-Atom-Bewegung oder Gewerkschaften bdquoOftmals schlieszligen sich Personen in sozialen Grup-pen zusammen um ein politisches Ziel zu erreichenldquo Wichtig fuumlr die Motivation sei ein Gefuumlhl des Zusammenhalts und fuumlr ein ge-meinsames Ziel einzustehen bdquoDesto groumlszliger

eine Protestbewegung ist desto eher ist sie auch ein Selbstlaumluferldquo konkretisiert Roth-mund Oft sei es so dass ein Protest erst eine kritische Masse erreicht haben muumlsse damit Buumlrger dabei sein wollen bdquoDie Pro-testbewegung fungiert hier als sinnstiften-de soziale Gruppeldquo

Der dritte Strang ist eher aus der Rational Choice-Theorie also dem rationalen Den-ken abgeleitet bdquoDie Bereitschaft zu protes-tieren haumlngt immer auch davon ab ob die Leute glauben dass es etwas bringt und ob sie mit dem Protest etwas erreichen koumln-nenldquo versichert Rothmund Das haumlnge auch stark von der Groumlszlige der Protestbewegung ab weil natuumlrlich eine groumlszligere Protestbe-wegung meist die Erwartung ausloumlse dass man mit dem Protest etwas erreichen koumln-ne Als Beispiel veranschaulicht Rothmund bdquoWenn zehn Leute in der Landauer Innen-stadt protestieren wuumlrde sich niemand da-fuumlr interessieren Wenn sie dagegen einen studentischen Protest mit 1000 Studieren-den organisieren dann waumlre sicherlich die Hoffnung bei jedem Teilnehmer groumlszliger damit etwas bewirken zu koumlnnenldquo Eine weitere Motivation koumlnne aber auch die Ak-tualitaumlt von Themen sein bdquoWenn ein Thema oder Projekt einen ungewissen Ausgang hat wird man wahrscheinlich eine groumlszligere Erwartung haben durch einen Protest oder eine Aktion etwas veraumlndern zu koumlnnen als wenn man weiszlig man steht mit seiner Mei-nung allein auf weiter Flurldquo

Tobias Rothmund erklaumlrt weiter dass sich Menschen darin unterscheiden wodurch

Protestbewegungen ndash Von Gerechtigkeit uumlber Kollektiv bis zur Rationalitaumlt

Stuttgart 21 Anti-Atom- oder Occupy-Bewegung ndash Leute gehen immer wieder auf die

Straszlige um fuumlr eine Sache einzutreten Aber woher kommt das Passend zu unserem

Schwerpunkt berichtet Junior-Professor Dr Tobias Rothmund wie die Psychologie im

Bereich Protestkultur forscht und warum Gerechtigkeit eine zentrale Rolle dabei spielt

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sie zum Protest motiviert werden bdquoManche sind vielleicht rationaler und brauchen ein erreichbares Ziel andere moumlchten moumlgli-cherweise eher Teil einer Gruppe sein zu der ihr soziales Umfeld gehoumlrt Wieder an-dere sind besonders sensibel in Bezug auf Gerechtigkeit und Ungerechtigkeitldquo Man koumlnne diese oben angesprochenen drei Motivationen daher auch als Dimension fuumlr Persoumlnlichkeitseigenschaften verstehen die Menschen unterschiedlich stark moti-vieren koumlnnten

Der Wutbuumlrger von Stuttgart 21

Rothmund hat in diesem Jahr zusam-men mit den beiden Landauer Psycholo-gen Anna Baumert und Axel Zinkernagel einen wissenschaftlichen Artikel zu den durch Stuttgart 21 bekannt gewordenen bdquoWutbuumlrgernldquo publiziert bdquoWas wir bei Stutt-gart 21 untersucht haben betrifft vor allem die Dimension der Gerechtigkeitldquo erlaumlutert Rothmund Ausgehend von der generellen Annahme die bdquoWutbuumlrgerldquo seien eine kon-servative Personengruppe die in Stuttgart wohne sich vor allem um eigenen Besitz und egoistische Annehmlichkeiten sorge haben die drei Forscher bei einer Befragung Persoumlnlichkeitsmerkmale von Protestieren-den erfasst Dabei wollten sie die Persoumln-lichkeitsstruktur der Protestierenden besser verstehen Im Besonderen ging es ihnen um

die Frage inwiefern opfersensible Personen (also Menschen die sich selbst besonders leicht benachteiligt fuumlhlen) oder beobach-tersensible Personen (also Menschen die eher sensibel fuumlr die Benachteiligung ande-rer sind) eher protestierten Sie befragten zirka 1000 Buumlrger darunter Befuumlrworter Gegner und Unentschlossene von Stuttgart 21 Das Resultat bdquoLeute die opfersensibel sind haben gar nicht haumlufiger protestiert Das war interessanterweise genau umge-kehrt Es haben also eher Leute protestiert die sensibel dafuumlr sind dass andere benach-teiligt werdenldquo bemerkt Rothmund Das sei ein interessanter Befund da das eher darauf hindeuten wuumlrde dass Leute nicht nur ei-gennuumltzig fuumlr sich selbst engagiert sondern tatsaumlchlich fuumlr Mitbestimmung oder Ge-rechtigkeit in den Entscheidungsprozessen protestiert haumltten bdquoUnsere Ergebnisse ha-ben gezeigt dass die Leute die dort protes-tiert haben sich gegen ein intransparentes ungerechtes Verhalten der Autoritaumlten ge-wehrt haben und nicht gegen ihre eigene persoumlnliche Benachteiligungldquo verdeutlicht Rothmund

Auf die Frage ob zur Zeit eine Renaissance der Protestkultur vonstatten gehen wuumlrde stellt der Junior-Professor fest bdquoDas wird man erst spaumlter sagen koumlnnenldquo Eines wuumlr-de aber feststehen Durch das Internet sei die Organisation von Protesten sowie der Austausch von Informationen einfacher Da-durch wuumlrden Menschen viel schneller mo-bilisiert werden koumlnnen meint Rothmund(dan)

Wutbuumlrger

2010 kam zum ersten Mal das Schlagwort bdquoWutbuumlrgerldquoauf Gepraumlgt vom Spiegel-Journalisten Dirk Kurbjuweit beschreibt der Begriff eine vor-nehmlich aumlltere gebildetere und wohlhabende Personengruppe die sich mit Wut und Empoumlrung gegen politische Entscheidungstraumlger auflehnt

Demonstration auf dem Stuttgarter Schlossplatz am 18 Februar 2012

Literatur

Rothmund T Baumert A amp Zinkernagel A (2014) The German bdquoWutbuumlrgerldquo - How Justice Sensitivity Accounts for Individual Differences in Political Enga-gement Social Justice Research 27(1) 24-44

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Weiterbildung ist zentrales Thema fuumlr Claudia Ehrhardt Bei der Geschaumlftsfuumlhrerin der Arbeitsstelle der Weiterbildung der Wei-terbildenden (AWW) mit Sitz am Campus Landau laufen seit uumlber 14 Jahren die Faumlden der im Verein angeschlossenen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungseinrichtungen zusammen Fuumlr die Diplom-Paumldagogin sind die PIAAC-Ergeb-nisse ein eindeutiger Indikator dass bei der Grundbildung Erwachsener Handlungsbe-darf besteht Dass diese ndash ganz anders als die PISA-Ergebnisse ndash medial kaum aufgegriffen oder diskutiert wurden bilde den Stellen-wert der Weiterbildung in der Gesellschaft ab Dabei sind die dort getesteten Groumlszligen fuumlr ein erfolgreiches Arbeitsleben die Teilha-be an der heutigen Gesellschaft und die Pro-duktivitaumlt von Betrieben und Unternehmen bedeutsam

PIAAC (Programme for the International Assessment of Adult Competencies) ist die erste internationale Vergleichsstudie die zentrale Grundkompetenzen in der erwach-senen Bevoumllkerung beleuchtet Von Herbst 2011 bis Fruumlhjahr 2012 hat die Organisation fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Deutschland und uumlber 20 weiteren Laumlndern bei Erwachsenen im erwerbsfaumlhigen Alter von 16 bis 65 Jahren Lese- und alltagsmathematische Kompe-tenzen sowie technologiebasierte Problem-loumlsekompetenzen gemessen Das Ergebnis Deutschland liegt leicht unter dem OECD-Durchschnitt Allerdings schneiden juumlngere Erwachsene besser ab als aumlltere Vermutlich eine positive Folge der Bildungsanstrengun-gen nach PISA

PIAAC habe gezeigt dass auch im Erwach-senenalter gilt was fuumlr Schulkinder bittere Realitaumlt ist Das Bildungsniveau ist abhaumlngig von der Herkunftsfamilie bdquoWer uumlber keine gute Grundbildung verfuumlgt wird auch keine Weiterbildung machenldquo so Ehrhardt Und wer sich nicht weiterbildet faumlllt in der Ar-beitswelt zuruumlck Daher sei es erfreulich dass seit einigen Jahren verstaumlrkt in Projektfinan-zierungen im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung investiert werde so Ehrhardt

Moumlgliche Ruumlckschluumlsse aus den PIACC-Ergebnissen auf die Weiterbildung diskutier-ten Experten auf einer von Claudia Ehrhardt organisierten Fachtagung im Fruumlhjahr Der Tenor Die Professionalisierung der in der Weiterbildung taumltigen Paumldagogen Dozenten oder Trainer muss darauf setzen fuumlr die Ar-beit mit Bildungsverlierern entsprechend zu sensibilisieren ndash mit dem Ziel diesem abge-haumlngten Bereich eine Perspektive zu bieten Dieser Professionalisierungsaufgabe wird sich die AWW auch in Zukunft widmen

Weiterbildung ohne Raum und Zeit

Fuumlr die Arbeit des Zentrums fuumlr Fernstudi-en und Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) sieht Geschaumlftsfuumlhrer Dr Burkhard Lehmann aufgrund der PIACC-Ergebnisse keine unmit-telbaren Implikationen Denn die Teilnehmer der diversen Studiengang- und Kursangebo-te des ZFUW seien in der Regel die ohnehin bildungsaffinen Menschen die gewohnt sei-en sich zu qualifizieren Auf die Gruppe die

in PIAAC schlecht abgeschnitten habe seien die ZFUW-Bildungsangebote gar nicht zuge-schnitten

Das ZFUW hat als aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz seit uumlber 20 Jahren Erfahrung in der wissen-schaftlichen Weiterbildung bdquoWir haben uns mit dem Fernstudium und der Fernlehre fuumlr ein spezifisches Bildungsformat ent-schiedenldquo so Lehmann Denn dieses Format werde den Beduumlrfnissen der Bildungsinte-

Um die Kompetenzen Erwachsener beispielsweise im Lesen scheint es in Deutschland

nicht gut bestellt Das zumindest ist das Ergebnis der PIAAC-Studie Haben die Ergebnisse

Auswirkungen auf die Erwachsenenbildung NeuLand hat sich bei der Arbeitsstelle der

Weiterbildung der Weiterbildenden (AWW) und dem Zentrum fuumlr Fernstudien und

Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) erkundigt

Das ZFUW

Das Zentrum fuumlr Fernstudien und Universitaumlre Wei-terbildung (ZFUW) ist eine zentrale Einrichtung der Universitaumlt Koblenz-Landau Mit mehr als 21 Jahren Erfahrung ist das ZFUW die aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz Das ZFUW ist auf das Angebot postgradualer Fernstudien-gaumlnge spezialisiert veranstaltet daneben aber auch Weiterbildungen im Praumlsenzformat (z B Seminare)wwwuni-koblenz-landaudezfuw

Gute Grundbildung bedingt Weiterbildung

PIAAC-Studie

ressierten ohne Bindung an Raum und Zeit am meisten gerecht In Ballungsraumlumen wie Hamburg Muumlnchen oder Berlin wo sich die Kunden aus dem lokalen Umfeld akquirie-ren lassen funktionieren auch Praumlsenzan-gebote weiszlig Lehmann bdquoBefindet sich eine Einrichtung allerdings in einer Randlage operiert man besser auf der Ebene der Fern-lehre bei der die Organisation zum Teilneh-mer kommt und nicht der Teilnehmer zur Organisationldquo

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Nutzen und Folgen des Internets

Das Schnuumlren zeitgemaumlszliger Themen und Inhalte ist zentral um das ZFUW wettbe-werbsfaumlhig zu halten Derzeit unterhaumllt es die Programmbereiche Umwelt Energie und Management Expertise holt sich das ZFUW vorrangig aus den eigenen Reihen der Ko-

gogikldquo Damit sollen Lehrerinnen und Leh-rer fit gemacht werden fuumlr den schulischen Alltag in Zeiten der Inklusion bdquoDie Laumlnder stellen zwar den Finanzbedarf fuumlr Inklusion in der Schule allerdings fehlt eine profun-de Qualifizierung der Lehrkraumlfteldquo erklaumlrt Lehmann den Ansatz des neuen Weiterbil-dungsprogramms Mit einem Kooperati-onspartner bereitet das ZFUW ein weiteres Programm vor bdquoBusiness Communications and Rhetoricldquo

Weiterbildung heute so wichtig wie noch nie

Fuumlr das berufliche Weiterkommen ist Wei-terbildung heute so zentral wie noch nie bdquoDie Halbwertszeit des Wissens wird immer kuumlrzerldquo bekraumlftigt Claudia Ehrhardt Die PIAAC-Studie habe daher auch gezeigt wie wichtig Kompetenzaufbau -erhalt und -er-weiterung in der Berufswelt seien Die zahl-reichen Innovationswellen im beruflichen Kontext gerade im EDV- oder Produktions-kontext lassen den Bedarf an Weiterbildung kontinuierlich steigen versichert Burkhard Lehmann Warum Menschen letztendlich sich fuumlr eine Weiterbildung entscheiden da-fuumlr gebe es drei zentrale Gruumlnde Lehmann unterscheidet zwischen Selbstperfektionie-rern Tool-Suchern und Karriere- oder Ab-schlussorientierten Der ersten Gruppe liegt daran die eigene Persoumlnlichkeit weiterzu-entwickeln und sich fuumlr private Interessen mehr Wissen anzueignen Die Tool-Sucher erweitern gezielt ihre Kompetenzen um

Die AWW

Die Arbeitsstelle fuumlr die Weiterbildung der Weiterbil-denden (AWW) foumlrdert die Zusammenarbeit zwischen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungsorganisationen Der bundesweit einzigartige Verein ist eine wichtige Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis im Bereich der Weiterbildung Gegruumlndet wurde die AWW 1998 auf Initiative des Ministeriums fuumlr Bildung Wissenschaft Weiterbil-dung und Kultur Die AWW hat ihren Sitz in Landau und ist der Universitaumlt Koblenz-Landau angegliedert Unter dem Motto bdquoBesser lehren lernenldquo organisiert die AWW Workshops und Fachtagungen fuumlr Personen die in der Weiterbildung taumltig sind wwwaww-landaude

blenzer und Landauer Wissenschaftler bdquoWir arbeiten aber auch konsortialldquo so Lehmann bdquound halten somit ein bestimmtes Know-how vor das an den Standorten unserer Uni-versitaumlt nicht verfuumlgbar istldquo Selbst wenn die Flexibilitaumlt bestehe auch nicht einschlaumlgige Themen zu vertreten entwickele das ZFUW vornehmlich Angebote im Kernbereich der Universitaumlt Koblenz-Landau

Derzeit arbeiten Lehmann und sein Team an dem neuen Programm bdquoInklusionspaumlda-

berufliche Herausforderungen meistern zu koumlnnen Vertreter der dritten Gruppe tum-meln sich vorwiegend im akademischen Feld Da man fuumlr die Ausuumlbung bestimmter Funktionen im beruflichen Aufstieg meist Bescheinigungen uumlber entsprechendes Wissen oder Kompetenzen benoumltigt ori-entiert sich deren Weiterbildungsbedarf an Abschluumlssen

Entsprechend unterscheidet Lehmann auch zwischen drei Weiterbildungsberei-chen die klassische die betriebliche und die wissenschaftliche Weiterbildung Die klassische Weiterbildung wird beispiels-weise von Volkshochschulen betrieben und richtet sich an ein breites Publikum Im betrieblichen Kontext sollen Arbeitnehmer ihre Kompetenzen erweitern und ihr Wissen erhoumlhen beispielsweise wenn Vertriebs-mitarbeiter im Umgang mit einem neuen Produkt geschult werden muumlssen oder eine neue Software im Unternehmen eingefuumlhrt wird Die wissenschaftliche Weiterbildung ermoumlglicht akademisch vorqualifiziertem Personal sich auf neue Aufgaben etwa als Fuumlhrungskraft vorzubereiten

Die Zeiten in denen Lernen mit dem Verlassen der Schule dem Abschluss der Ausbildung oder dem Universitaumltsexamen beendet war sind definitiv vorbei Wer im Berufsleben bestehen will wird um regel-maumlszligige Weiterqualifizierung nicht umhin kommen PIACC soll in einem Rhythmus von zehn Jahren wiederholt werden um ein Laumlngsschnitt-Bild der Entwicklung zu er-halten Man darf gespannt sein wohin sich die Kompetenzen deutscher Erwerbstaumltiger entwickeln (ket)

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Sprachbedrohung und Sprachentod

Sprachbedrohung und Sprachentod sind ein weltweites Phaumlnomen Linguisten ge-hen davon aus dass etwa alle zwei Wochen eine Sprache stirbt In 100 Jahren so schaumlt-zen Sprachforscher werden im besten Fall noch die Haumllfte dieser Sprachen existieren vielleicht aber auch nur noch zehn Prozent von ihnen Waumlhrend die 20 groumlszligten der zir-ka 6800 lebenden Sprachen von der Haumllfte der Weltbevoumllkerung gesprochen werden weisen die meisten Sprachen eine Gemein-schaft von nur wenigen hundert oder tau-send Sprechern auf Von bevorstehendem Sprachentod spricht man wenn eine Spra-che aufhoumlrt Muttersprache oder Erstspra-che zu sein ndash also dann wenn sie nur noch sekundaumlr erlernt wird und damit die noumltige Sprachpflege verliert Der endguumlltige Tod tritt ein wenn es keine Sprecher mehr gibt

Sprachbedrohung und Sprachentod fin-den auf allen Kontinenten statt und neh-men ein immer schnelleres Tempo auf je weiter die Globalisierung voranschreitet Viele andere Faktoren wie unter anderem starke Migrationsbewegungen Zuwande-rung und Urbanisierung sowie ein hohes Alter der Sprecher oder die geringe wirt-schaftliche Staumlrke einer Sprache wirken zudem auf den Sprachbestand ein Stark gefaumlhrdete Sprachen sind vor allem in den Regionen Nord- und Suumldamerika Austra-lien Asien Westafrika und in Nord- und Ostsibirien vorzufinden In diesen Regio-nen kommt es zur massiven Verletzung von Sprachenrechten

Anglistik-Professor Dr Martin Puumltz ist Linguist und beschaumlftigt sich mit Sprache und ihren vielfaumlltigen sozialen kulturel-len und psychologischen Auspraumlgungen Zusammen mit seiner Kollegin Dr Monika Reif hat er im Fruumlhjahr 2014 das 36 Interna-tionale LAUD Symposium organisiert das sich rund um das Thema Sprachbedrohung und Sprachentod drehte (siehe Infokasten) Puumltz erklaumlrt Sprache sei relevant da sie ein einzigartiger Schatz an Wissen Ideen und Weltansichten sei bdquoMit den fast 7000

Bevor sie verstummen hellipWeltweit existieren etwa 6800 Sprachen doch die Vielfalt nimmt rasant ab Was

bedeutet es wenn Sprachen sterben Was bleibt von einer Kultur uumlbrig wenn ihre Art

die Welt zu beschreiben wegfaumlllt und die Urahnen verstummen

Sprachen auf unserer Welt gibt es auch fast 7000 Arten die Welt auf unterschiedliche Art wahrzunehmen und sie zu beschreibenldquo erlaumlutert der Linguist Beispielsweise haben einige Sprachen der Ureinwohner Amerikas ein komplett anderes Zeitsystem Dinge in der Zukunft oder Vergangenheit auszudruuml-cken gehe in diesen Sprachen nicht mit den uns bekannten grammatikalischen Moumlg-lichkeiten

Sprache ist also nicht nur ein Mittel der Kommunikation sondern bietet einen tiefen Einblick in die Einstellungen und Wahrnehmungen gegenuumlber der Welt kon-serviert Traditionen und Geschichte einer Kultur und gibt einzigartiges Wissen an die naumlchste Generation weiter beispielsweise uumlber Heilmittel und Pflanzen aber auch Ge-fuumlhle Spiritualitaumlt und soziale Einsichten Es gibt so etwas wie eine kulturelle Identitaumlt und die wird maszliggeblich von Sprache ge-praumlgt Warum aber verschwinden so viele Sprachen von der Bildflaumlche Natuumlrlich gibt es viele aumluszligere Umstaumlnde warum Sprachen ihre Sprecher verlieren Gerade in der Kolo-nialzeit haben die Besatzer eine Vielzahl an Sprachen marginalisiert und unterdruumlckt teilweise wurden ganze Voumllker durch Krieg vernichtet z B durch die Kolonialisierung und Besiedlung Nord- und Suumldamerikas die Ausrottung indigener Voumllker in Australi-en oder durch die im 17 Jahrhundert einset-zende Russifizierungspolitik in Osteuropa im Kaukasus und in Sibirien Auch Natur-katastrophen wie Erdbeben oder Vulkan-ausbruumlche koumlnnen stark regional gepraumlgte Sprachen toumlten

Auch wenn Sprachwissenschaftler versu-chen bedrohte Sprachen durch Aufzeich-nung Uumlbersetzung sowie die Bewahrung und Verbreitung von Sprachaufzeichnun-gen zu dokumentieren erwecken sie diese dadurch nicht mehr zum Leben Mit No-tizbloumlcken und Aufnahmegeraumlten kann man zwar einen Teil des Wortschatzes der Grammatik und Aussprache festhalten in geringerem Maszlige jedoch Redewendungen

Gebraumluche und Beschreibungsmodelle fuumlr die Welt einfangen Nur wer eine Sprache muttersprachlich spricht kann ihre zahlrei-chen Facetten begreifen Sprachrevitalisie-rung gelingt nur in den seltensten Faumlllen Gegluumlckt ist dies beispielsweise beim mo-dernen Hebraumlisch Iwrith genannt das er-folgreich wiederbelebt und zur offiziellen Amtssprache Israels erhoben wurde Zu-meist ist der Sprachtod aber unwiderruflich

In aktuellen Faumlllen der Sprachbedrohung liege das Problem haumlufig nicht an der Um-welt sondern an anderer Stelle erklaumlrt Puumltz Wer einer Minderheitensprache maumlchtig ist hat oftmals das Gefuumlhl damit auf dem Bildungsweg oder im Berufsleben schlech-tere Chancen zu haben Eltern bestehen daher oft darauf dass ihre Kinder die indi-gene Sprache vernachlaumlssigen und statt-dessen eine dominante und wirtschaftlich starke Sprache wie Englisch Spanisch oder Franzoumlsisch zuerst erlernen bdquoSie geben da-mit eine verstaumlrkt negative Einstellung zur Muttersprache an die naumlchste Generation weiterldquo verdeutlicht Puumltz die Problemlage Der Globalisierungseffekt ist somit nicht zu unterschaumltzen denn waumlhrend z B das Eng-lische immer dominanter wird nimmt die Geringschaumltzung und damit einhergehende Vernachlaumlssigung indigener Sprachen wei-ter zu Um den Sprachentod aufzuhalten benoumltigt es also weniger Dokumentation als vielmehr eine grundlegende Aumlnderung der Einstellung zu Minderheitensprachen und indigenen Sprachen (rst)

Linguistic Agency University of DuisburgTrierLandau (LAUD)

Seit 1973 finden unter diesem Namen alle zwei Jahre Konferenzen zum Thema Sprache statt ndash zunaumlchst in Trier und Duisburg und seit 2000 in Landau Das 36 LAUD Symposium wurde im Fruumlhjahr 2014 zum Thema bedrohte Sprachen und Sprachentod veranstaltet Uumlber 90 Teilnehmer aus 25 Laumlndern besuchten die Veranstaltung

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Kinder- und Jugendhospitzarbeit

Wie lassen sich die Arbeit und das Zu-sammenleben in Kinder- und Jugendhos-pizen verbessern Wie werden Kinder und Jugendliche wirkungsvoll begleitet die an einer unheilbaren Krankheit leiden oder die einen Trauerfall in der Familie verar-beiten muumlssen bdquoBislang konnten sich die Einrichtungen ausschlieszliglich durch ein Qua-litaumltssiegel bewerten lassenldquo sagt Sven Jen-nessen Das bedeute harte generalisierte Bewertungsfaktoren bdquoDabei unterscheiden sich die Einrichtungen teilweise gravierendldquo So sei etwa die Nachfrage nach tuumlrkischer Sprachkompetenz in einigen Einrichtungen zwar sehr hoch ndash es gebe aber auch Einrich-tungen bei denen der Bedarf schlicht nicht erkennbar sei Hier muumlsse man individuell auf die Beduumlrfnisse der Einrichtungen der Mitarbeiter der Kinder und Jugendlichen sowie der Familien eingehen Fuumlr Jennessen ist dies nur eines von vielen Beispielen bei dem sich die Schwaumlche starrer Bewertungs-

kriterien zeigt Immerhin muumlsse gerade in diesem sensiblen Bereich der Mensch im Mittelpunkt stehen ndash und keine Checkliste

Deshalb ist der Qualitaumltsindex fuumlr Kin-der- und Jugendhospizarbeit QuinK auch bdquoandersldquo Der Fokus liegt nicht nur auf den Antworten sondern auch auf der Kom-munikation zwischen den Beteiligten also zwischen haupt- und ehrenamtlichen Mit-arbeitern mit Eltern Kindern und auch Geschwistern bdquoNachhaltige Qualitaumltsent-wicklung funktioniert nur durch Kommuni-kation aller Beteiligtenldquo so der Ansatz von Sven Jennessen Und damit sind auch die Juumlngsten gemeint bdquoWir sehen die Kinder als Experten in eigener Sache anldquo erklaumlrt Stefanie Hurth Gerade die Einbeziehung der Geschwister stelle derzeit bei vielen Einrichtungen ein Problem dar Denn die muumlssten bei einer todbringenden Krank-heit der Schwester oder des Bruders haumlufig zuruumlckstecken Nur selten bleibe das ohne

Konflikte wodurch sie im schlimmsten Fall die Moumlglichkeit versaumlumten sich von ihren Geschwistern zu verabschieden bdquoHier gibt es kein Schema F Viel wichtiger ist dass die Betroffenen sich austauschen die Themen aufgreifen und dann Loumlsungen entwickelnldquo sagt Hurth

Der QuinK soll durch seine zur Reflexion anregenden Fragen diese Kommunikati-on ermoumlglichen und eine Art Diskussions-Agenda darstellen Daher wurde QuinK in den vergangenen Monaten in drei stationauml-ren Kinder- und Jugendhospizen und zwei ambulanten Kinderhospizdiensten getes-tet Jennessen und Hurth besuchten die Einrichtungen in Unna Duumlsseldorf Syke Darmstadt und Wiesbaden regelmaumlszligig bdquoDer QuinK ist nicht am gruumlnen Tisch ent-standenldquo sagt Sven Jennessen

Das Team aus Landauer Wissenschaftlern wurde unterstuumltzt vom Deutschen Hospiz- und Palliativverband (DHPV) Mit diesem zusammen wurden zwoumllf Grundsaumltze fuumlr die Arbeit von Kinder- und Jugendhospizen verfasst Das seien komplexe Themen von der Betreuung der Kinder bis zur Oumlffentlich-keitsarbeit fuumlr die jeweils ein aus den drei Kategorien Haltung Strukturen und Prak-tiken bestehender Fragebogen entstan-den ist bdquoEinige Fragen die wir als wichtig erachtet hatten wurden in der Praxis nicht angenommen Andere wiederum haben wir ergaumlnzt Jetzt ist der QuinK fitldquo ist Stefanie Hurth stolz auf das Ergebnis Und Sven Jen-nessen ergaumlnzt bdquoDie Ruumlckmeldungen waren insgesamt sehr positivldquo

Nun soll der QuinK Verbreitung finden Fachvortraumlge auf Konferenzen Artikel in Fachzeitschriften Die Arbeit des Jennessen-Teams ist noch laumlngst nicht abgeschlossen bdquoWir haben aber gute Startvoraussetzun-gen schlieszliglich waren die Praktiker vom DHPV von Anfang an an Bordldquo so Jennes-sen (kap)

QuinK neuer QualitaumltsindexEin neuer Index soll die Betreuung in Kinder- und Jugendhospizeinrichtungen verbessern

Dieser Aufgabe haben sich Professor Dr Sven Jennessen und Stefanie Hurth vom Institut

fuumlr Sonderpaumldagogik in den letzten Monaten gewidmet Nun praumlsentieren sie das

Ergebnis ihrer Arbeit den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit kurz QuinK

Ein Jahr lang hat Stefanie Hurth den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit getestet Nun ist der bdquoQuinKldquo fertig und soll im Oktober in die Praxis gehen

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Psychologie der positiven Dinge

Nach der neuen Gallup-Studie ist die Ar-beitszufriedenheit zwar im Vergleich zum letzten Jahr gestiegen trotzdem kritisch Nur wenige Menschen fuumlhlen sich bei ihrer Arbeit wertgeschaumltzt Sie suchen stattdes-sen ihr Gluumlck in der Freizeit Hinzu kommt ein dramatischer Anstieg von psychischen Erkrankungen wie dem Burnout-Syndrom Wie kann man mit diesen Gefahren umge-hen

Eine potenzielle Loumlsung liegt im Bereich der positiven Psychologie Sie befasst sich damit unter welchen Umstaumlnden Personen Wohlbefinden Gluumlck und Zufriedenheit erleben Waumlhrend sich vor den 90er Jahren die Sozial- und Verhaltenspsychologen vor allem mit den Defiziten beschaumlftigt haben untersucht man seit 1998 psychologische Prozesse die dazu fuumlhren dass Menschen zufrieden und gluumlcklich und dadurch leis-tungsfaumlhiger sind

Ottmar L Braun ist auszligerplanmaumlszligiger Professor in der Arbeitsgruppe Sozial- und Wirtschaftspsychologie am Campus Landau und befasst sich mit positiver Psycholo-gie Zur Thematik Unzufriedenheit im Job bekraumlftigt er bdquoDie Forschung hat deutlich gezeigt dass sich Techniken der positiven Psychologie vorteilhaft auf die Arbeits- und Lebenszufriedenheit auswirkenldquo Besonders interessant sei das fuumlr Krankenkassen da sie sich mit Krankheit und Gesundheit ausei-

nandersetzen und auch als erste die Kosten von langfristigen Ausfaumlllen zum Beispiel durch Burnout tragen muumlssen Braun wei-ter bdquoDann muumlssen die sich natuumlrlich fragen Wie kommt dasldquo

Braun meint Arbeit duumlrfe nicht krank machen Arbeit muumlsse eher die Moumlglich-keit bieten dass man sich positiv entfalten koumlnne Deshalb muumlssten sich Arbeitgeber darum bemuumlhen dass die Leute mit mehr Spaszlig zur Arbeit kommen bdquoDaruumlber hinaus muumlssen Arbeitnehmer Aufgaben bekom-men um ihre Staumlrken ausleben zu koumlnnenldquo Er konkretisiert bdquoSie brauchen Aufgaben an denen sie persoumlnlich wachsen wo sie quasi aufbluumlhen koumlnnenldquo

In der positiven Psychologie sei der Begriff bdquoaufbluumlhenldquo elementar denn bdquoWenn Per-sonen etwas geleistet haben sprich Ziele erreichen dann sind sie zufriedener und haben wenig handlungsirrelevante Kogniti-onen oder Ablenkung Sie koumlnnen sich wie-der auf ihre Aufgaben konzentrieren und dadurch mehr leistenldquo begruumlndet Braun Zufriedenheit am Arbeitsplatz habe aber auch immer etwas mit der Entwicklung von Fuumlhrungskraumlften zu tun Nach Braun muumlss-ten sie darauf achten dass sie ihr Team ge-sund fuumlhren bdquoKrankenkassen wie die AOK Rheinland-PfalzSaarland bieten deshalb extra Programme dafuumlr an an denen wir als Team der Universitaumlt Koblenz-Landau

beteiligt sindldquo Eine weitere Moumlglichkeit fuumlr Arbeitgeber sieht Braun in regelmaumlszligigen Mitarbeiterbefragungen bdquoIm Rahmen von Folgeprozessen kann man dafuumlr sorgen dass zufriedenstellende Arbeitsbedingun-gen vorhanden sind und Missstaumlnde abge-schafft werdenldquo

Allerdings sei die Schuld nicht nur beim Arbeitgeber zu suchen Auch die Mitar-beiter sollten darauf achten ob sie an der richtigen Stelle im Unternehmen eingesetzt oder ob sie vielleicht irgendwo anders bes-ser aufgehoben seien Braun stellt klar bdquoVor der innerlichen Kuumlndigung sollte Unzufrie-denheit konstruktiv zum Ausdruck gebracht werden um dann vielleicht an einer sinn-volleren Stelle eingesetzt zu werdenldquo

Der Professor bemerkt dass die positive Psychologie allerdings nichts Neues sei bdquoIn der Arbeits- und Organisationspsychologie in der wir uns hier bewegen haben Wissen-schaftler ja schon immer das Thema Arbeits-zufriedenheit untersuchtldquo Es sei von daher ein ganz altes Forschungsgebiet welches nun durch die positive Psychologie neu be-reichert werde

Spielend zum GluumlckBraun hat an der Universitaumlt eine eige-

ne Studie zur Zufriedenheit durchgefuumlhrt

Unzufrieden im Job Positive Psychologie kann helfen

Viele kennen es Wenn Montagmorgen der Wecker klingelt faumlllt das Aufstehen oft

schwer besonders wenn man unzufrieden mit seiner Arbeit ist Aber warum ist man

unzufrieden und wie kann positive Psychologie dabei helfen die Unzufriedenheit zu

uumlberwinden NeuLand hat mit dem Professor fuumlr Wirtschaftspsychologie Dr Ottmar L

Braun uumlber die Psychologie der positiven Dinge gesprochen

19NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Dabei wurden Studierende einen Tag lang in Techniken der positiven Psychologie un-terrichtet bdquoAuszligerdem haben sie ein Gluumlcks-tagebuch bekommen bei dem sie ihre Gluumlcksmomente niederschreiben koumlnnen und einiges uumlber Smalltalk und Networking gelerntldquo Die Ergebnisse wuumlrden zeigen dass sich die Zufriedenheit der Studieren-den kurzfristig aber auch langfristig positiv veraumlndere Zudem seien ihr Optimismus und die Studienmotivation angestiegen depressive Verstimmungen gesunken Braun verdeutlicht bdquoAlles so wie man sich das wuumlnschtldquo

In seiner Forschung versucht er eine Bruuml-cke zu schlagen zwischen Techniken der positiven Psychologie und Techniken des Selbstmanagements Das wuumlrde gut pas-sen denn auch in der positiven Psychologie wuumlrden oft Tipps gegeben wie man etwas angehen solle versichert Braun Eine ganz prominente Uumlbung beim Selbstmanage-ment und in der positiven Psychologie sei die bdquoWas ist gut gelaufen-Uumlbungldquo Dabei geht es darum dass man am Abend uumlber-legen soll welche drei Dinge am Tag gut gelaufen sind und welche seiner Staumlrken es waren die dazu beigetragen haben Das sei eine Uumlbung die in der gesamten Literatur empfohlen werde Der Namensgeber der positiven Psychologie Martin Seligman habe zeigen koumlnnen dass die Anwendung

dieser Uumlbung dazu fuumlhre dass Leute nach sechs Monaten weniger depressiv seien Seligman fuumlhre das darauf zuruumlck dass das eine selbstverstaumlrkende Wirkung habe so Braun bdquoDie Leute merken dass sie sich bes-ser fuumlhlen wenn sie daruumlber nachdenken was heute gut gelaufen ist und warum Und deshalb wiederholen sie den Vorgangldquo Es habe dadurch eine langfristige Wirkung

Brauns neuestes Aushaumlngeschild ist ein Brettspiel namens bdquoCareer Games ndash spie-lend trainierenldquo bdquoWir haben Seminare ent wickelt bei denen wir Selbstmanage-ment-Kompetenzen in verschiedenen Le-bens- oder Inhaltsbereichen von Personen staumlrken koumlnnen Dazu dient auch ein Brett-spiel bei dem die Teilnehmer verschiedene Inhaltsbereiche der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder auch Smalltalk und Networking spielend erlernenldquo Jeder Spieler bekomme im Spiel eine Figur und muumlsse seinen Weg durch das Spielfeld wuumlrfeln so Braun bdquoAuf den Fel-dern muumlssen sie dann Quizkarten ziehen die das im Seminar Gelernte noch einmal aufarbeitenldquo Dabei muumlssten sie beispiels-weise drei Dinge nennen die sie in ihrem Leben gluumlcklich machen bdquoDurch den Spiel-charakter lernt man mehr als nur uumlber Se-minareldquo Mit Erfolg Erste Untersuchungen zeigen positive langfristige Effekte durch die Seminar-Brettspiel-Kombination (dan)

Tipps fuumlr die positive Fuumlhrung von Ottmar Braun

Fuumlhrungskraumlfte muumlssen eine gute zwischenmensch-liche Beziehung zu jedem einzelnen Mitarbeiter unterhalten Sie muumlssen auch verbindliche Aussagen machen und zu diesen Aussagen stehen Des Weiteren sollte ein Chef seine Angestellten unterstuumltzen wenn es notwendig ist Wichtig ist auch keinen unnoumltigen Druck aufzubauen sondern Staumlrken von Mitarbeitern kennen zu lernen und zu foumlrdern Von Vorteil koumlnnen auch Begruumlszligungs- und Krankenruumlckkehrgespraumlche sein Es koumlnnte ja sein dass die Krankheit etwas mit den Arbeitsbedingungen zu tun hat Natuumlrlich sind auch Teamsitzungen und Teambildungsmaszlignahmen von groszliger Bedeutung um ein angenehmes Arbeits-klima herzustellen

Spielend lernen Mit dem Brettspiel bdquoCareer Gamesldquo erlernen die Spieler verschiedene Inhalte der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder Smalltalk und Networking

20 NeuLand 2014 03

Psychotherapie-Ambulanz

Wie eine Baustelle sieht die psychothera-peutische Uni-Ambulanz nicht mehr aus Den Abdeckplanen sind bunte Stuumlhle und Stofftiere gewichen im Eingangsbereich liegen Fachmagazine und das Buumlro von Professorin Dr Tina In-Albon ist bereits voller Buumlcher Und doch bdquoist hier noch alles Baustelleldquo so die Professorin fuumlr Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kin-des- und Jugendalters Nach Therapeuten werde noch gesucht die ersten Behandlun-gen seien angelaufen Forschungsprojekte in Planung bdquoEine spannende Phaseldquo bekraumlf-tigt die Ambulanzleiterin

Von nun an wird sich das zehnkoumlpfige Team um die Professorin In-Albon und Ge-schaumlftsfuumlhrerin Dr Daniela Schwarz mit den psychischen Erkrankungen der suumld-pfaumllzer Kinder und Jugendlichen befassen Die Kosten fuumlr die psychotherapeutische Behandlung uumlbernehmen bei Indikation die Krankenkassen Hinzu kommt ein wei-terbildender Studiengang zur Ausbildung in Kinder- und Jugendlichenpsychothe-rapie der im Wintersemester 201415 mit zwoumllf Teilnehmern pro Jahrgang startet In Rheinland-Pfalz ist die Universitaumlt Kob-lenz-Landau in diesem Bereich die einzige universitaumlre Ausbildungsstaumltte Neben der hauseigenen Ambulanz kooperiert der Studiengang mit dem Pfalzklinikum in Klin-genmuumlnster sowie anderen kinder- und ju-gendpsychiatrischen Kliniken in der Region

Kaum eroumlffnet schon stehen die ersten Forschungsprojekte an Derzeit liegt ein Fokus in der Behandlung von Angststoumlrun-gen und Depressionen bdquoVielen Depressio-nen gehen Aumlngste voraus Daher lohnt es diese beiden zusammen zu betrachtenldquo so

Tina In-Albon Laut Statistik leiden zirka 20 Prozent der Erwachsenen und zirka 10 Pro-zent der Kinder unter Angststoumlrungen bei Depressionen sind es sogar 40 Prozent der Erwachsenen und im Jugendalter auch be-reits zwischen 15 und 20 Prozent In Planung befindet sich daher eine Therapiestudie fuumlr Jugendliche mit Angst- und depressiven Stoumlrungen Ein weiterer Forschungsbereich ist das nicht-suizidale selbstverletzende Verhalten im Volksmund auch als bdquoRitzenldquo bekannt bdquoDa machen wir eher Grundla-genforschungldquo so die Professorin Ein spe-zifisches Therapieangebot gebe es derzeit noch nicht ndash bdquodas kann sich aber alles noch entwickelnldquo

Einen weiteren Forschungsschwerpunkt stellt die psychische Gesundheit bei Kindern mit Diabetes dar insbesondere bei Diabetes vom Typ I der im Gegensatz zum bdquoAltersdi-abetesldquo II auch bei Kindern und Jugendli-chen verbreitet ist bdquoHier wissen wir uumlber

Erste Forschungsprojekte stehen an

Ende Juni offiziell eingeweiht hat die Psychotherapie-Ambulanz fuumlr Kinder und Jugend-

liche die Arbeit aufgenommen Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen

haben nun in Landau eine neue Anlaufstation Und auch die Forschung profitiert von der

Einrichtung

die medizinische Forschung zwar schon eine Mengeldquo sagt Tina In-Albon aber aus psychologischer Sicht sei das Thema noch relatives Neuland Wie etwa sieht es bei der psychologischen Betreuung der Kinder aus aber auch der Eltern der Lehrer und sons-tiger zentraler Bezugspersonen Wird die Krankheit und deren Umgang akzeptiert Wie koumlnnen Psychotherapeuten helfen Auch hier schlummert ein Forschungspo-tenzial fuumlr In-Albon bdquoVieles ist im Aufbauldquo sagt sie beschwichtigend Und doch laumlsst sie im Gespraumlch mit NeuLand durchblicken dass sie auch auf diesem Gebiet noch inten-siver forschen moumlchte

Neben der Forschung ist die Hochschul-ambulanz auch in die Lehre im Rahmen des Masterstudiengangs Klinische Psychologie eingebunden So werden die Studierenden beispielsweise in die Diagnostik einbezogen und koumlnnen unter Supervision in Patienten-gespraumlchen Praxiserfahrung sammeln (kap)

In der neuen Universitaumltsambulanz fuumlr Kinder und Jugendliche wird die ganze Palette der psychischen Stoumlrungen behandelt

21NeuLand 2014 03

Wenn man sich seine Dozenten auszligerhalb der Universitaumlt vorstellt dann ist es wohl in einem Sessel vor einem uumlberfuumlllten Buumlcher-regal mit einem wissenschaftlichen Buch in der Hand vielleicht noch mit einem Hund zu den Fuumlszligen Wenige Studenten glauben dass ihre Dozenten moumlglicherweise eine spannendere Freizeitgestaltung haben als sie selbst

Bei Walter H Schreiber ist das aber so Seit dem Sommer 2013 ist er 3D-Bogenschuumltze 3D-Bogenschieszligen bedeutet nicht dass man mit einer 3D-Brille und einem virtu-ellen Bogen bewaffnet auf herannahende Tiere oder Aliens schieszligt Eigentlich ist das 3D-Bogenschieszligen vielmehr die Wieder-entdeckung des sportlichen Jagens mit Pfeil und Bogen ohne einem Tier Schaden zuzufuumlgen Es erinnert an eine Art Golf Der Schlaumlger wird zum Bogen der Ball zum Pfeil und statt eines Abschlags hat man einen Abschuss-Punkt Das Ziel ist aber kein Loch sondern zum Beispiel ein Fasan oder eine Riesenspinne welche von Vereinsmitglie-dern angefertigt und im Parcours platziert wurde

Schreiber ist seit Dezember Mitglied beim Verein Palatina Bogenschuumltzen eV in Ins-heim suumldlich von Landau Davor absolvierte er bereits einen Pfeil und Bogen-Intensiv-kurs in der Eifel bdquoDamit sich nicht bereits am Anfang grobe Fehler einschleichenldquo bekraumlf-tigt Schreiber Sein Sohn sei auch Bogen-schuumltze habe aber unabhaumlngig von ihm zur selben Zeit angefangen Auf die Frage wa-rum er nicht das klassische von Olympia be-kannte Bogenschieszligen ausuumlbe antwortet Schreiber bdquoDa gibt es zu viele Regelnldquo Au-szligerdem sei er ein intuitiver Schuumltze welcher ndash im Gegensatz zum strategischen Schuumltzen ndash sich voll und ganz auf seine Erfahrung und sein Bauchgefuumlhl verlasse Zwar ist Schrei-ber schon seit einem Jahr leidenschaftlicher Bogenschuumltze trotzdem gilt er im Verein

Entspannung vom AlltagWaumlhrend die Studierenden fast immer wissen ob ein Dozent freundlich oder streng ist

koumlnnen sich nur wenige vorstellen was diese mit ihrer Freizeit anfangen NeuLand war

einen Abend mit Dr Walter H Schreiber unterwegs Sein Hobby das 3D-Bogenschieszligen

noch als Anfaumlnger bdquoDeswegen behalte ich meine Ergebnisse bei Wettkaumlmpfen lieber fuumlr michldquo bemerkt er schmunzelnd

Sicherheit sei sehr wichtig betont Schrei-ber So muss sich jeder Schuumltze vorab in einem Schieszligbuch eintragen um zu sehen wie viele Leute auf dem Parcours unter-wegs sind Aus gutem Grund Auf dem 500 Meter langen und mit 28 Zielen bestuumlckten Parcours kann man leicht den Uumlberblick verlieren Zwei bis drei Stunden dauert die Durchquerung des Kurses Manchmal machen es abgeknickte Aumlste und ein rut-schiger Untergrund gar nicht so einfach die Ziele zu treffen Trotzdem wuumlrden die meisten Unfaumllle nicht beim Schieszligen selbst passieren sondern beim Herausziehen der Pfeile aus den Koumlrpern der Ziele meint Schreiber Ein Vereinskollege ergaumlnzt bdquoWich-

tig ist uns dass wir das 3D-Bogenschieszligen nicht als Vorstufe zur Jagd mit Pfeil und Bogen sehen Es ist vielmehr ein Sport bei dem man sich deutschlandweit mit anderen Schuumltzen messen kannldquo Im Gegensatz zum klassischen Bogenschieszligen schieszlige man nicht auf langweilige Zielscheiben sondern durchlaufe einen interessanten Parcours

Fuumlr Schreiber ist das Bogenschieszligen Ent-spannungskur vom alltaumlglichen Uni-Stress bdquoNach der Arbeit auf den Parcours zu gehen befreit meinen Kopfldquo Verstaumlndlich denn das leise Zischen des Pfeiles und die Ruhe im gruumlnen naturbelassenen Gelaumlnde hat etwas Erholendes Auszligerdem hat Schreiber beim Verein Palatina Freunde gefunden mit denen er an fast jedem Donnerstag und Sonntag durch den Parcours streift ndash auf der Jagd nach kuumlnstlichen Tieren (dan)

Hobby 3D-Bogenschieszligen

Beim 3D-Bogenschieszligen findet Walter H Schreiber Entspannung vom alltaumlglichen Uni-Stress

22 NeuLand 2014 03

Summer School

In der Reihe bdquoE-Mail aus hellipldquo berichtet Sozialwissenschafts-Student Daniel Schumacher

von der Summer School aus dem polnischen Wroclaw

Liebes NeuLandCześćaus Wroclaw Manchmal reicht ein

akademischer Kurz-Urlaub um ein Land und die

Leute lieben zu lernen

Zum Ende meiner akademischen Laufbahn wollte

ich das Studentendasein noch einmal voll und

ganz genieszligen und habe mich entschlossen eine

Summer School zu besuchen Fast jeder unserer

Fachbereiche bietet so etwas an Fuumlr mich ging die

Reise unter der Leitung von Professor Dr Siegmar

Schmidt (Politikwissenschaften) nach Wroclaw Polen

Erasmus-finanziert begann meine Hinfahrt in einem

Fernbus von Karlsruhe direkt nach Breslau so der alte

deutsche Name fuumlr Wroclaw

Hier angekommen bezogen wir ndash meine Wenigkeit

mit sieben anderen Deutschen ndash unsere Zimmer in

einem Studentenwohnheim oder wie ich es nenne

bdquoPlattenromantik-Hotelldquo Von auszligen neu gestrichen

verspruumlhte das Haus von innen den gesamten

Ostblock-Charme der Kalten-Krieg-Aumlra Das war

fuumlr mich aber auch das einzig Negative waumlhrend

meiner zweiwoumlchigen Summer School Bereits

am ersten Tag lernten wir beim bdquoget-togetherldquo

die anderen Teilnehmer kennen 70 Studenten

aus uumlber acht Laumlndern wollten mehr uumlber die

europaumlische Finanzkrise lernen und ndash wie ich ndash neue

Freundschaften knuumlpfen

Ab dem zweiten Tag war unser neues Zuhause ein

Houmlrsaal beim Institut fuumlr Politikwissenschaft Dort

E-Mail aus hellip Wroclaw

lernten wir wie verschiedene europaumlische Staaten mit

der Finanzkrise zu kaumlmpfen hatten und stellten jeweils

unsere Laumlnder selbst vor

Nach der ersten Woche wurden wir in verschiedene

Gruppen aufgeteilt um uumlber Innovation im

oumlffentlichen und privaten Sektor zu forschen

Forschen bedeutete dabei dass wir polnische

Buumlrger interviewten die entweder im privaten oder

oumlffentlichen Bereich taumltig sind Mein bdquoResearch-Haufenldquo

war bunt gemischt ndash von Belgiern uumlber Rumaumlnen

bis hin zu Ukrainern Ohne Verstaumlndigungsprobleme

meisterten wir unseren Arbeitsauftrag was am letzten

Tag feucht-froumlhlich mit allen gefeiert wurde

Am Ende moumlchte ich noch eine Lanze fuumlr die Stadt

Wroclaw und das Land Polen brechen Wir wurden

sehr herzlich aufgenommen Die Stadt mit ihrer

(deutschen) Geschichte war atemberaubend Nicht

nur die alten Gebaumlude haben es mir angetan sondern

die Atmosphaumlre rund um den historischen Stadtkern

Ich habe in diesen zwei Wochen sehr viele Menschen

kennen gelernt einige wuumlrde ich nun als enge Freunde

bezeichnen Das erste Wiedersehen mit Studenten aus

Belgien und Tschechien ist bereits geplant

Bis bald im guten alten Landau

euerDaniel Schumacher

23NeuLand 2014 03

Hochschulgruppe

Eigentlich kommt Cornelia Spengler aus einem ganz anderen Fachgebiet Nach ih-rem Biologiestudium am Karlsruher Insti-tut fuumlr Technologie promoviert sie derzeit in Landau im Fachbereich Natur- und Um-weltwissenschaften Aber auch an sozialer Arbeit hatte sie schon immer Interesse Sie wollte sich nicht nur mit der Wissenschaft beschaumlftigen sondern mit Menschen zu-sammenarbeiten So entdeckte sie fuumlr sich ein sensibles Thema die Integration und Bildungsgerechtigkeit

Cornelia Spengler wollte nicht nur reden sondern handeln In der SchuumllerNavi-Grup-pe in Aachen fand sie ein Vorbild nach dem sie am Campus Landau gemeinsam mit Stu-dentin Sylvia Klaus eine Hochschulgruppe aufbaute Ziel sollte es sein Schuumller zu foumlr-dern die durch ihre mangelnden Deutsch-kenntnisse in der Schule Probleme haben und deren Eltern das Geld fuumlr Nachhilfe nicht aufbringen koumlnnen bdquoWenn die Eltern zu Hause kaum Deutsch sprechen haben die Kinder dort auch wenig Unterstuumltzung fuumlr die Schule Diktate zu uumlben ist dann schlichtweg nicht moumlglichldquo erklaumlrt Speng-ler

SchuumllerNavi bietet neben Hausaufgaben-betreuung und Nachhilfeunterricht auch kulturellen Austausch Mittlerweile betei-ligen sich in der Hochschulgruppe uumlber 20 Studenten die den Schuumllern in schulischen

Aktive Arbeit statt bloszlige TheorieUumlber Integration zu reden bringt nicht viel Sie muss gelebt werden Darum gruumlndete die

Landauer Doktorandin Cornelia Spengler mit Studentin Sylvia Klaus die Hochschulgruppe

SchuumllerNavi die immer mehr Mitglieder zaumlhlt Wie man Integration foumlrdern kann und was

den Ehrenamtlichen ihre Arbeit bringt daruumlber sprach sie mit NeuLand

Belangen zur Seite stehen ihnen das Uni-Leben zeigen und ihnen zuhoumlren wenn sie Probleme haben

Spengler selbst betreut zwei Bruumlder mit tamilischen Wurzeln Um Beruumlhrungspunk-te zu schaffen die fuumlr den Aufbau eines Ver-trauensverhaumlltnisses wichtig sind hat sie mit den Jungs auf dem Campus beispiels-weise gemeinsam mikroskopiert Einer der beiden Bruumlder war stark versetzungsgefaumlhr-det und hat es nun in die naumlchste Klasse geschafft Ein Stuumlck weit schreibt sie diesen Erfolg SchuumllerNavi zu

bdquoSchwierig ist es zu unterscheiden welche Kinder wirklich der Foumlrderung beduumlrfenldquo so Spengler In Konkurrenz mit Nachhilfe-Firmen will die Gruppe nicht treten Ziel-gruppe sind Kinder die in der Schule haumlufig nicht ausreichend gefoumlrdert werden und deren Eltern sich keine professionelle Nach-hilfe leisten koumlnnen Daher hat SchuumllerNavi Kooperationen mit sozialen Institutionen Landaus die ihnen die Kontakte weiterver-mitteln bdquoDer Bedarf ist riesig Wir koumlnnen ihn gar nicht deckenldquo berichtet Spengler Daher ist die Hochschulgruppe auch staumln-dig dabei neue Mitglieder zu werben

Fuumlr die Zukunft plant die Hochschul-gruppe eine weitere Kooperation mit ELKE (Eltern Kompetenzen erlernen) um die El-tern weiterzuschulen beispielsweise mit Sprachkursen Dadurch sollen diese ihren

Kindern besser bei schulischen Aufgaben selbst helfen koumlnnen

Neben dem Gefuumlhl etwas Gutes zu tun sieht Spengler aber auch andere Vorteile fuumlr das Ehrenamt Gerade Lehramtsstu-denten koumlnnen sich hier ausprobieren und paumldagogische Konzepte umsetzen die sie aus der Theorie kennen Jeder koumlnne viel lernen erklaumlrt sie Man uumlbe hier nicht nur den Umgang mit Kindern und Jugendli-chen sondern lerne auch viel uumlber fremde Kulturen Sie selbst habe von ihren zwei Nachhilfeschuumllern bereits viel uumlber Feierta-ge und Sitten ihrer Kultur aber auch einzel-ne Vokabeln ihrer Sprache gelernt Und die Schuumller seien sehr interessiert an deutschen Gebraumluchen und Eigenarten

Fuumlr das ehrenamtliche Engagement hat SchuumllerNavi bereits Preise bekommen Bei der Initiative fuumlr Integration von bigFM be-legten sie den dritten Platz Das Preisgeld investierte die Gruppe unter anderem um mit ihren Schuumllern die Zooschule zu besu-chen In diesem Jahr erhaumllt SchuumllerNavi zu-dem den Campus-Kulturpreis des Campus Landau

bdquoMan redet immer uumlber Integration Von Menschen mit Migrationshintergrund wird erwartet sich hier zu integrieren Aber das liegt ja auch an uns Man muss sie auf die-sem Weg unterstuumltzenldquo erklaumlrt Doktorandin Spengler (rst)

Termine ImpressumHerausgeberReferat fuumlr Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit der Universitaumlt Koblenz-Landau Campus Landau Fortstraszlige 7 76829 Landau

RedaktionsteamKerstin Theilmann (ket) (verantw) Berend Barkela (bb) Wilfried Dorsch (wdo) Sebastian Kapp (kap) Daniel Schumacher (dan) Rosa Stecher (rst)

LayoutMedienzentrum Campus Landau Berend Barkela

FotosTitel Imago Fotoarena S 2 S 3 privat S 5 Imago Xinhua S 7 oben kanvag - Fotoliacom S 7 unten Medienzentrum Hiller S 9 Imago ITAR-TASS S 10 Imago Steinach S 11 Imago DeFodi S 13 Imago PPfotodesign S 15 JiSign - Fotoliacom S 17 Medienzentrum Hiller S 19 Medienzentrum Barkela S 20 Medienzentrum Hiller S 21 und 22 Daniel Schumacher

KontaktKerstin TheilmannTel 06341 280-32219 E-Mail theiluni-koblenz-landaude

Aus Gruumlnden der besseren Lesbarkeit verwenden wir in unseren Artikeln die maumlnnliche Form Damit sind stets Frauen und Maumlnner gemeint

Die Redaktion behaumllt sich die Kuumlrzung und Uumlberarbeitung von Texten vor Die Meinung einzelner AutorinnenAutoren gibt nicht immer die Meinung der Redaktion wieder

28101014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Florian Ostertag Atrium Infos unter wwwasta-landaude

05112014 ab 2130 Uhr Atriumsfete Infos unter wwwasta-landaude

06112014 20 Uhr Poetry Slam Landau Universum Kinocenter Infos unter wwwzkwuni-landaude

19112014 1930 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Friedensprojekt Europa in der Krise Mit Bundesministerin aD Heidemarie Wieczorek-Zeul und weiteren Gaumlsten Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

19112014 21 Uhr Konzert bdquoBeats und Pianoldquo Audimax Infos unter wwwasta-landaude

1122014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Unland Atrium Infos unter wwwasta-landaude

03122014 19 Uhr Hambacher Gespraumlch Meine Daten gehoumlren den Unternehmen Hambacher Schloss Infos unter wwwfliuni-landaude

05122014 1930 Uhr Reihe bdquoGroszlige Begegnungenldquo mit Sternekoch Alfons Schubeck Jugendstil-Festhalle Landau Infos unter wwwzkwuni-landaude

08122014 1900 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Frieden durch Demokratie Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

Ausblick 13 - 15012015 Poetik-Dozentur mit Rafik Schami Infos unter wwwzkwuni-landaude

Weitere Termine unter wwwuni-koblenz-landaudeaktuell wwwuni-koblenz-landaudeblog

Page 7: Neuland Ausgabe 3/2014

7NeuLand 2014 03

das Vermoumlgen nur arithmetisch gleich ver-teilen wuumlrde man sagen da stimmt etwas nicht Insofern gibt es so etwas wie ein mo-ralisches Empfinden Aber jetzt faumlngt das Denken an man muss sich fragen warum stimmt hier etwas nicht Das hat mit dem Empfinden nichts mehr zu tun sondern mit Begruumlndung und Rechtfertigung

Hat Gerechtigkeit etwas mit Naumlhe und Dis-tanz zu tun Bei mir nahe stehenden Men-schen faumlllt es mir bei einer Verteilungsfrage sicherlich einfach zu sagen da stimmt etwas nicht Es gibt aber auf der Welt Klimakata-strophen Hungersnoumlte Das ist eine unge-rechte Verteilung von Leid Und trotzdem koumlnnen wir verhaumlltnismaumlszligig unbeschwert hier ein sorgenfreies Leben fuumlhren aumlndern vielleicht auch nichts an unserem Lebens-wandel Schwindet unser Gerechtigkeitssinn mit zunehmender Distanz

Das ist nicht ganz einfach Nicht uumlberall wo ungleiche Lebensverhaumlltnisse herr-schen muumlssen wir auf Gerechtigkeit re-kurrieren Da spielen eher andere wichtige Konzepte eine Rolle wie beispielsweise Solidaritaumlt So hat beispielsweise unser Verhalten gegenuumlber den durch Ebola In-fizierten in einigen afrikanischen Staaten ganz sicher etwas mit Solidaritaumlt zu tun Zur Frage bezuumlglich Naumlhe und Distanz Die Gerechtigkeitsfrage stellt sich wenn es zu-mindest eine relative Distanz zwischen den Akteuren gibt Die bereits oben zitierte Be-merkung von Pieper man muss da gerecht sein wo man nicht lieben kann bringt das relativ deutlich zum Ausdruck In Verhaumllt-nissen die wir durch Sympathie Liebe und Zuneigung beschreiben stellt sich viel-leicht gar nicht die Frage der Gerechtigkeit Aber in Verhaumlltnissen in denen Distanzen in sozialen Ordnungen geregelt werden

wie etwa im Beruf in Vereinen oder in Nachbarschaften stellen sich Gerechtig-keitsfragen So auch natuumlrlich im Verhaumlltnis von Dozenten zu ihren Studierenden stellt sich bezuumlglich der Beurteilung der Leistun-gen eine Gerechtigkeitsfrage Studenten haben selbstverstaumlndlich ein Recht drauf bei der Bewertung gerecht behandelt zu werden also unabhaumlngig von subjektiven oder fremden Faktoren

Gibt es einen Anspruch auf GerechtigkeitJa das kann man sagen Uumlberall wo Men-

schen in Situationen oder sozialen Ord-nungen seien es berufliche oder andere miteinander zu tun haben stellt sich dieser Anspruch Wie in dem Beispiel der korrekten Beurteilung studentischer Leistungen

bdquoEs scheint ein Zeichen unserer Zeit zu sein Gerechtigkeit uumlberall zu suchen nur nicht bei sich selbstldquo

Wer ist verantwortlich fuumlr Gerechtigkeit Je-der selbst Der Staat Die Gesellschaft

Zuerst einmal als Tugend jeder einzel-ne selbst und damit wir alle Es scheint ein Zeichen unserer Zeit zu sein Gerechtigkeit uumlberall zu suchen nur nicht bei sich selbst Dahinter verbirgt sich etwas voumlllig Proble-matisches naumlmlich der Wunsch dass man Gerechtigkeit delegieren koumlnne Das kann man nicht oder zumindest kann man sich nicht gaumlnzlich von ihr entlasten weil die Gerechtigkeit als Tugend eine Haltung zu

etwas naumlmlich zu anderen ist Wenn man denkt man koumlnne das delegieren laumluft man Gefahr selbst ungerecht zu werden da man seine Haltung zu anderen aufs Spiel setzt

Also muss ich fuumlr Gerechtigkeit immer bei mir selbst anfangen

Nicht umsonst ist die Gerechtigkeit bei Platon eine Form des Staates und der Seele

Sie rekurrieren immer wieder auf die Denker im Alten Griechenland Die Frage der Gerech-tigkeit scheint die Menschheit schon seit Jahr-tausenden zu beschaumlftigen Gab es uumlber die Zeit verschiedene Ansaumltze

Die Fragen nach Gerechtigkeit tauchen zu jeder Zeit immer wieder neu auf Das ist

Professor Dr Christian Bermes hellip

hellip lehrt Philosophie am Campus Landau und ist Sprecher der Graduiertenschule bdquoHerausforderung Lebenldquo sowie des Forschungsschwerpunktes bdquoKulturelle Orientierung und normative Bindungldquo Seine Forschungsschwerpunkte sind Philosophische Anthropologie und Ethik Sprachphilosophie und Erkenntnistheorie

Nutzen und Folgen des Internets

Wie urteilt man gerecht Unabhaumlngig von subjektiven Empfindungen und Interessen mit gefuumlhlt verbundenen Augen wie Justitia

8 NeuLand 2014 03

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

auch nicht verwunderlich da es ja um uns geht und die Frage wie wir unser Leben fuumlhren Die Philosophie ist es die diese Fra-gen immer aufgreift und die damit verbun-denen Probleme rationalisiert aber auch objektiviert Allzu schnell neigt man dazu entweder Gerechtigkeit als beliebig oder alleine bezogen auf unser Empfinden oder die soziale Ordnung zu deuten Das war in der Antike nicht anders als heute Dement-sprechend beginnt ein groszliger Zweig der Philosophie mit der Gerechtigkeitsfrage Das klassische Buch Platons die bdquoPolitealdquo heiszligt im Untertitel bdquoUumlber die Gerechtigkeitldquo Sieht man Platon als einen der Stammvaumlter der Philosophie dann beginnt mit der Ge-rechtigkeitsfrage eine bedeutende Traditi-on der Philosophie

Ist Gerechtigkeit ein KulturbegriffWenn Gerechtigkeit so verstanden wird

dass es eine spezifische Haltung von Men-schen zu Menschen ist eine bestimmte Form wie Menschen ihr Leben miteinan-der fuumlhren und gestalten dann finden wir uumlberall wo es Menschen gibt die Frage nach der Gerechtigkeit Ich wuumlrde sogar so weit gehen dass die platonische Definition der Gerechtigkeit dass jedem das ihm Ge-buumlhrende zukomme uumlberkulturell Geltung beanspruchen kann Dabei kann die spezifi-sche Organisation dieses Prinzips kulturrela-tiv sein Aber das Konzept der Gerechtigkeit das aus der Antike kommt scheint mir kul-turuumlbergreifend Guumlltigkeit beanspruchen zu koumlnnen weil es auf den Menschen in sei-ner Lebensfuumlhrung rekurriert

bdquoEine gerechte Welt Es koumlnnte sein dass man sich mit diesem Anspruch ein wenig uumlberhebtldquo

In juumlngster Vergangenheit gab es viele Be-wegungen bei denen Menschen fuumlr ihre Rech-te und Gerechtigkeit auf die Straszlige gegangen sind auch in Laumlndern in denen man so etwas gar nicht fuumlr moumlglich gehalten haumltte siehe die Laumlnder des Arabischen Fruumlhlings oder die Ukraine Inwieweit vertraumlgt sich Gerechtigkeit mit Demonstrationen besonders wenn Ge-waltausschreitungen im Spiel sind

Das ist eine zwicklige Frage Das Problem in diesen Laumlndern war oder ist dass dieje-

nigen die Macht haben oder hatten diese ungerecht ausgeuumlbt haben Aufgrund sol-cher ungerechter Machtausuumlbung gibt es das Recht des Protestes dagegen also ein Widerstandsrecht Dadurch wird aber nicht gesagt dass jeder Protest selbst gerecht ist

Welche Zutaten braumluchte es fuumlr eine gerech-te Welt Kann es die uumlberhaupt geben oder ist der Wunsch danach eine Utopie

Es kann so etwas wie eine rechtsfoumlrmige Welt geben etwa das was man mit groszligen voumllkerrechtlich abgesicherten Institutionen wie etwa der UNO in Verbindung bringt Dies ist nicht nur wuumlnschenswert sondern auch vernuumlnftig Eine gerechte Welt Es koumlnnte sein dass man sich mit diesem An-spruch ein wenig uumlberhebt Man sieht ja heute dass bereits die Frage nach Rechts-foumlrmigkeit und Rechtskonformitaumlt in inter-nationalen Beziehungen schwierig ist Wie verhaumllt man sich wenn eine Nation trotz geschlossener Vertraumlge in ein anderes Land einmarschiert Hier ist also noch einiges zu tun Eine gerechte Welt jedoch wuumlrde voraussetzen dass jeder von uns zu allen anderen in Handlungssituationen oder sozi-alen Ordnungen der Kooperation steht Das scheint mir nicht nur utopisch das scheint eher irreal

bdquoGerechtigkeit ist nicht so schwer wie man vielleicht denken magldquo

Inwieweit spielt bei der Gerechtigkeit das Gewissen mit Kann ich mir durch Spenden ein gutes Gewissen erkaufen zur Gerechtig-keit beigetragen zu haben

Das Gewissen ist nicht ganz unerheblich aber auch hier wuumlrde ich die Gerechtigkeit zuerst auszligen vor lassen Wenn es beispiels-weise eine Wertvorstellung in meinem Leben ist dass durch Not Getroffenen ge-holfen wird dann faumlllt dies unter das Soli-daritaumltsprinzip Und wenn diese Vorstellung zu meinem Leben gehoumlrt dann verpflichtet mich mein Gewissen meine Wertvorstel-lung zu behalten und nicht einfach von ihr abzuweichen Dann ist es auch sinnvoll zu sagen dass ich meinem Gewissen folge wenn ich anderen oumlkonomisch helfe zum Beispiel durch Spenden Die Gerechtigkeit ist dann allerdings kein direktes Thema Es geht hier nicht um gerecht oder ungerecht

sondern dass zu meinem Wertkosmos die Unterstuumltzung von Menschen gehoumlrt die in Not geraten sind

Inwieweit versuchen Sie selbst Gerechtigkeit zu leben

So wie alle anderen auch Vielleicht be-steht der Unterschied darin dass Philoso-phen darauf reflektieren und ein groszliges Repertoire an begrifflichen und logischen Mitteln besitzen die Handlungen zu ana-lysieren Gerechtigkeit ist nicht so schwer wie man vielleicht denken mag In den aller-meisten Faumlllen praktizieren wir fortwaumlhrend Gerechtigkeit im Umgang untereinander Uns faumlllt es meistens nur auf wenn etwas schieflaumluft Sicherlich gibt es kompliziertere Situationen in denen man nach den Prinzi-pien der Gerechtigkeit fragen und daruumlber nachdenken muss um sie zu klaumlren

bdquoWas wir als gerecht empfinden und was nicht lernen wir im Umgang miteinander in unserer Praxisldquo

Wird dem Menschen ein Gerechtigkeitsemp-finden schon in die Wiege gelegt

Was wir als gerecht empfinden und was nicht lernen wir im Umgang miteinander in unserer Praxis Angeboren ist es nicht aber wir lernen es in unserem Einfaumldeln in unseren gemeinschaftlichen Umgang oder mit den vielfaumlltigen Handlungsspielen in denen wir verstrickt sind Ein einfaches Bei-spiel Eine Familie hat zwei Kinder das eine ist 17 das andere ist 9 Das 17-jaumlhrige Kind darf abends laumlnger lesen oder ausgehen Das 9-jaumlhrige Kind fragt Warum ich nicht Nun weil es nicht das Richtige fuumlr das Kind in dieser Situation ist Diese Entscheidung wird Konflikte bringen aber wir lernen im Umgang mit solchen Praktiken Gerechtig-keit kennen Wir lernen uumlbrigens in diesem Fall auch dass ungleiche Behandlung nicht gleichbedeutend ist mit Ungerechtigkeit Ich wuumlrde daher nicht sagen dass Gerech-tigkeit angeboren aber tief in unserem menschlichen Miteinander verankert ist sonst koumlnnten wir unser Leben nicht fuumlhren

Herr Professor Bermes herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch (ket)

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bdquoPussy Riot stoumlrt SehordnungenldquoPolitischer Protest braucht Aufmerksamkeit Soziale Bewegungen setzen daher

auf gute Inszenierungen um wahrgenommen zu werden Wie wird aumlsthetische

Kommunikation zum Mittel des Protests Und sind diese Inszenierungen ein

Phaumlnomen der modernen Mediengesellschaft NeuLand hat bei Kunstwissenschaft

und Soziologie nachgefragt

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Das Krisenexperiment ist eine soziolo-gische Methode mit der soziale Normen aufgedeckt werden koumlnnen die Akteuren nicht bewusst sind Das geschieht durch die absichtliche Missachtung von Ritualen Be-obachtet man wie die Menschen reagieren wenn ihre Wirklichkeit nicht wie gewohnt funktioniert zeigen sich unausgesproche-ne Uumlbereinkuumlnfte Soziologen sagen dann Hier werden Praktiken der impliziten Kon-struktion sozialer Wirklichkeit offenbar Durch die Reaktionen auf die Stoumlrung der Ordnung wird sichtbar wie die soziale Ord-nung konstruiert wird

In jeder sozialen Gruppe gibt es spezifi-sche Muster nach denen Dinge interpre-tiert werden Unterschiedliche Deutungen von Symbolen und Handlungen entschei-den uumlber Zugehoumlrigkeit und Abgrenzung Das erzeugt Realitaumlt und Wahrnehmung von Realitaumlt Diesen Mechanismus macht sich die Kunst des Performativen zunutze Ein Realitaumltsbruch wirft Fragen auf entfaltet womoumlglich Potenziale um die Ordnung zu aumlndern aber vor allem Er faumlllt auf und stellt somit Oumlffentlichkeit her

Die Kunstwissenschaft versteht dies als bdquoAktionskunstldquo ein kuumlnstlerischer Bereich der erst seit den 1960er Jahren praktiziert wird Bis dato hatte sich die Kunst bei Pro-testkultur eher auf die bildliche Darstellung als eine Illustration oder als eigenstaumlndige Anklage konzentriert Als Beispiel dient Dr Christoph Zuschlag Professor fuumlr Kunstge-schichte und Kunstvermittlung am Cam-pus Landau das Bild bdquoDie Freiheit fuumlhrt das Volkldquo von Delacroix aus dem Jahr 1830 das beruumlhmte Bild der barbusigen Marianne die ndash die Tricolore in der Hand ndash die Aufstaumln-dischen der Juli-Revolution anfuumlhrt Oder

auch Picassos bdquoGuernicaldquo (1937) bdquoEs waumlre fuumlr Picasso nicht denkbar gewesen in Spanien selbst auf die Barrikaden zu gehen und dies als Kunst zu deklarierenldquo sagt Zuschlag Doch bdquoAktionskuumlnstlerldquo tun genau dies set-zen waumlhrend der Aktion aumlsthetische Akzen-te bdquoEs sind Aktionen bei denen der Inhalt waumlhrend der Aktion auch gleich transpor-tiert wirdldquo Man schaut sich die Bilder nicht spaumlter im Museum an ndash sondern diese ge-schehen und wirken weitestgehend in Echt-zeit Schlieszliglich vergroumlszligert YouTube nur die Reichweite doch das Schneeballsystem startet schon mit dem ersten Beobachter auf der Straszlige

Aumlsthetik das bedeutet fuumlr den Kunsthis-toriker in diesem Zusammenhang all das was vom Menschen gestaltet wird was nicht nur eine funktionale sondern daruuml-ber hinaus eine gestalterische Komponen-te besitzt Ins Gruumlbeln kommt Zuschlag bei der Frage ob der legendaumlre Thesen-anschlag Martin Luthers Aktionskunst ge-wesen sei bdquoEs war ein hochsymbolischer und provokativer Akt das ja Aber Luther hat diesen Akt sicher nicht als Kunst schon gar nicht als Aktionskunst verstanden weil es dieses Phaumlnomen und den Begriff im 16 Jahrhundert noch gar nicht gabldquo Aber nicht zufaumlllig faumlllt der Thesenan-schlag in eine Zeit des medialen Wandels ndash schlieszliglich wurde nur ein knappes Jahr-hundert vorher der Buchdruck erfunden Flugblaumltter Pamphlete Kupferstiche und Holzschnitte praumlgten die Zeit bdquoMit der Er-findung des Rundfunks Ende des 19 Jahr-hunderts hat das natuumlrlich noch einmal ganz andere Dimensionen angenommenldquo so Zuschlag Die Aktionen wurden noch unmittelbarer transportiert

Ein medial erfolgreicher Realitaumltsbruch gelang der Gruppe Pussy Riot als sie im Februar 2012 den Altarraum der Christus-Erloumlser-Kathedrale in Moskau stuumlrmte ein Punk-Konzert inszenierte einige Aktivistin-nen vor dem Altar tanzten und respektlose Texte sangen Damit wollten sie gegen die enge Verbindung zwischen orthodoxer Kir-che und Putins System protestieren Ein von der Gruppe produziertes Video der Aktion wurde nach kurzer Zeit bei YouTube veroumlf-fentlicht Fuumlr ihren Auftritt verurteilte ein russisches Gericht drei beteiligte Frauen zu zwei Jahren Haft Das Video ging um die Welt und bescherte der Gruppe eine Solida-ritaumltswelle aus dem Westen

Symbole schaffen Verbindungen

bdquoPussy Riot stoumlrt Sehordnungenldquo sagt So-ziologin Marija Stanisavljevic ebenfalls am Campus Landau taumltig Sie untersucht wie aumlsthetische Kommunikation zum Mittel des Protests werden kann Aumlsthetik versteht sie als eine bdquoArt und Weise wie soziale Phaumlno-mene zum Vorschein gebracht werdenldquo und konzentriert sich dabei insbesondere auf Symbole in Bildern bdquoSymbole sind un-glaublich wichtig Sie schaffen Verbindun-gen zwischen verschiedenen Menschen Sie lassen unterschiedliche Deutungen zu und koumlnnen Gemeinschaft stiftenldquo Dass Pussy Riot vor allem im Westen erfolgreich sind liegt fuumlr Stanisavljevic an westlichen Sehordnungen Das russische System sei konservativ streng und autoritaumlr Pussy Riot seien bunt laut und punkig Sie bieten eine

Die fuumlr den Comic bdquoV for Vendettaldquo gezeichnete Guy-Fawkes-Maske trugen zunaumlchst Aktivisten der Anonymous-Bewegung Waumlhrend der Occupy-Proteste wurde sie auch international sichtbar und entwickelte sich zum Protest-Symbol

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

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Alternative zum russischen politischen Sys-tem bdquoDahinter steht die westeuropaumlische Sehn sucht nach Demokratie in Russlandldquo Trifft der Protest auf andere Sehordnungen hat er auch andere Konsequenzen bdquoDer Pro-test war gegen das System in Russland ge-richtet Tatsaumlchlich hilft er vermutlich dem System die eigenen konservativen Positio-nen zu festigenldquo

Mit der Erforschung aumlsthetischer Protest-kommunikation anhand von Bildern ar-beitet Stanisavljevic in einem noch jungen Bereich der Soziologie bdquoDie Beschaumlftigung mit Bildern und bewegten Bildern ist fuumlr die Soziologie ein relativ neues Phaumlnomenldquo Fuumlhrte die steigende Bedeutung des Visuel-len in geistes- und kulturwissenschaftlichen Traditionen in den 90er Jahren zum bdquoiconic turnldquo ist eine bdquovisuelle Soziologieldquo kaum etabliert Fuumlr eine soziologische Perspektive auf Bilder und Filme muumlssen Methoden und Theorien angepasst und entwickelt werden bdquoBilder haben ihren eigenen Sinn sie brau-chen eigene Zugaumlnge und Methodenldquo sagt Stanisavljevic und versteht ihre Dissertation als einen Beitrag dazu

Fuumlr ihre Bildanalyse begegnet sie Protest-darstellungen zunaumlchst isoliert Den Kon-text um die Situation blendet sie aus und entwickelt moumlgliche Lesarten Anschlie-szligend vergleicht sie diese Uumlberlegungen mit dem vollstaumlndigen Kontextwissen um das Bild Mit dieser Analyse moumlglicher und tatsaumlchlicher Lesarten will Stanisavljevic aufdecken wie durch Bilder in unterschied-lichen Kontexten Realitaumlt erzeugt wird und welche Sehordnungen fuumlr die Deutung die-ser Bilder relevant sind

Dabei unterscheidet sie aumlsthetische Pro-testkommunikation von anderen aumlstheti-

schen Formen Der Kuumlnstler Ai Weiwei zum Beispiel kritisiert in seiner Arbeit das chine-sische System und erlebte wie Pussy Riot staatliche Eingriffe Aber so Stanisavljevic bdquodie massenmediale Rezeption zu Ai Weiwei findet im Feuilleton statt die zu Pussy Riot im Politik-Teilldquo So schaffe Ai Weiwei Kunst die auch politische Kunst sei aumlsthetisierter Protest hingegen sei Politik die sich aumlstheti-scher Mittel bediene Und doch ist dies der vorlaumlufige Houmlhepunkt einer Entwicklung Die Liaison zwischen Protest und Kunst fin-det nicht nur auf der Straszlige statt sondern auch in Ausstellungen und Museen So wur-de bei der Berlin Biennale 2013 der Occupy-Bewegung ein Raum gegeben den die Protestbewegung selbst gestalten durfte bdquoDas wurde sehr kritisiertldquo merkt Zuschlag an Occupy und Kunst Das war fuumlr viele dann doch zu progressiv

Gestoumlrte Sehordnungen ndashProduzierte Sehstoumlrungen

Protestkommunikation will ein groszliges Publikum erreichen bdquoUm in den Massen-medien aufzufallen und in Erinnerung zu bleiben muss sie sich von klassischen Pro-testformen abgrenzenldquo betont Stanisavlje-vic Demonstrationen Transparente und Straszligenschlachten sind demnach ein ge-wohntes Bild in der Berichterstattung Sie entsprechen Sehordnungen Aumlsthetisierte Protestformen unterscheiden sich davon Sie produzieren Sehstoumlrungen Dabei sind sie nicht nur Teil einer Bewegung sondern auch selbststaumlndiges mediales Produkt Das gilt auch fuumlr Erdem Guumlnduumlz Stumm und

regungslos stand er im Juni 2013 auf dem Taksim-Platz nachdem die Proteste rund um den Gezi-Park in Istanbul eskaliert wa-ren Der bdquoStanding Manldquo wurde zu einem Symbol des Protestes

Diese Aumlsthetisierung ist keine Erfindung der Pop-Kultur wie Kunstwissenschaftler Zuschlag weiszlig bdquoDie Nationalsozialisten zum Beispiel hatten ein hohes Maszlig an Aumlstheti-sierung in ihren Auftrittenldquo NSDAP und Pro-test bdquoWir sprechen natuumlrlich von den 1920er und fruumlhen 30er Jahren als die Nazis noch in der Opposition warenldquo Hakenkreuze braune Hemden rote Armbinden all diese Symbolik hatte einen praktischen Zweck bdquoSymbole sind reduzierte abstrakte Bil-derldquo erklaumlrt Zuschlag die Wirkung Es geht um aumlsthetische Praumlgnanz es geht darum Aufmerksamkeit zu generieren und zu er-halten Das Hakenkreuz als bdquoMarkeldquo Binnen von Sekundenbruchteilen wusste jeder wer dort aufmarschierte

Die aumlsthetische Inszenierung schafft eine hohe Aufmerksamkeit wenn sie die ge-wohnte Wirklichkeit stoumlrt Aber wird der Protest durch seine Aumlsthetisierung nicht auch Marke Ist das uumlberhaupt noch Protest oder bereits Marketing bdquoEine Bewegung will an die Macht oder die Macht uumlberwaumll-tigen und braucht dafuumlr Sympathisantenldquo stellt Soziologin Stanisavljevic fest Wie Werbung und PR muumlssen Protestler sich ab-grenzen und anderen signalisieren wofuumlr (oder wogegen) sie stehen Das gilt fuumlr Pro-testbewegungen ebenso wie fuumlr Unterneh-men NGOs Politiker und Oppositionelle Das Buhlen um Aufmerksamkeit zum For-mulieren ihrer Ziele ist allen gemein Dass die Methoden sich aumlhneln ergibt sich von selbst (bbkap)

In Russland verfolgt im Westen gefeiert Waumlhrend drei Aktivistinnen in Russland zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden erhielt die Gruppe Pussy Riot im Dezember 2012 den Sonderpreis des Musikpreises bdquo1 Live Kroneldquo

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

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Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

Wir koumlnnen uns alle noch an die Bilder von Stuttgart 21 erinnern wuumltende Buumlrger Hundertschaften an Polizisten und ein noch groumlszligerer Medienrummel Viel wurde uumlber die sogenannten bdquoWutbuumlrgerldquo diskutierthellip Aber was treibt Menschen ganz allgemein dazu fuumlr Sachen einzutreten und dafuumlr auf die Straszlige zu gehen

Tobias Rothmund ist Junior-Professor fuumlr politische Psychologie am Campus Landau und erforscht Protestverhalten In seiner Forschung geht es vor allem um die Mo-tivation von Menschen an einem Protest teilzunehmen Dabei muumlsse man erst in der Gerechtigkeitspsychologie nach Ant-worten suchen also was Menschen fuumlr gerecht oder ungerecht erachten wuumlrden erklaumlrt er bdquoEs gibt Protestverhalten das aus dem Gefuumlhl persoumlnlicher Benachtei-ligung motiviert ist und es gibt die Pro-testmotivation aus der Beobachtung der Benachteiligung andererldquo Rothmund er-gaumlnzt bdquoWenn jemand nicht das bekommt was er glaubt zu verdienen dann wird es als ungerecht wahrgenommen Unge-rechtigkeit kann man aber nicht nur aus der Opferperspektive betrachten sondern auch als Beobachter von Ungerechtigkeitldquo Als Beispiel nennt Roth mund Proteste an der Universitaumlt Dabei wuumlrde man sich zum Beispiel als Studierender direkt benach-teiligt fuumlhlen Als Dozent koumlnne man als Beobachter zustimmen und Studierende deshalb unterstuumltzen Trotzdem sei man nicht in der Rolle des Benachteiligten er-laumlutert Rothmund

In der Forschung gibt es nach Tobias Roth-mund drei groszlige Theorien um (politischen) Protest oder Protestverhalten zu erklaumlren Theorie der sozialen Gerechtigkeit soziale Identitaumltstheorie und Rational Choice-The-orie Diese seien allerdings nicht getrennt voneinander zu betrachten sondern inei-nander verschraumlnkt bdquoAusloumlser von Protest ist in der Regel ein Gefuumlhl der Benachteili-gungldquo verdeutlicht Rothmund Man koumlnne das haumlufig beobachten bei Tarifverhandlun-gen Ob sich jemand unzureichend bezahlt fuumlhle haumlnge nicht unbedingt vom absolu-ten Einkommen ab sondern mit wem sich die Personen und Gruppen vergleichen wuumlrden bdquoInsofern kann es selbst bei Per-sonen zum Gefuumlhl der Benachteiligung kommen die von anderen als sehr privile-giert wahrgenommen werdenldquo In der Psy-chologie wuumlrde man deshalb von relativer Deprivation sprechen ndash also das Gefuumlhl der Benachteiligung relativ zu einem gewissen Vergleichsstandard

Eine wichtige Rolle spielt auch das Kol-lektiv und die soziale Gruppe die sich als protestierende Gruppe versteht Rothmund fuumlgt an bdquoMan sieht in der Regel keine ein-zelnen Personen protestieren Protest geht gewoumlhnlich von sozialen Bewegungen ausldquo Beispiele dafuumlr waumlren die Anti-Atom-Bewegung oder Gewerkschaften bdquoOftmals schlieszligen sich Personen in sozialen Grup-pen zusammen um ein politisches Ziel zu erreichenldquo Wichtig fuumlr die Motivation sei ein Gefuumlhl des Zusammenhalts und fuumlr ein ge-meinsames Ziel einzustehen bdquoDesto groumlszliger

eine Protestbewegung ist desto eher ist sie auch ein Selbstlaumluferldquo konkretisiert Roth-mund Oft sei es so dass ein Protest erst eine kritische Masse erreicht haben muumlsse damit Buumlrger dabei sein wollen bdquoDie Pro-testbewegung fungiert hier als sinnstiften-de soziale Gruppeldquo

Der dritte Strang ist eher aus der Rational Choice-Theorie also dem rationalen Den-ken abgeleitet bdquoDie Bereitschaft zu protes-tieren haumlngt immer auch davon ab ob die Leute glauben dass es etwas bringt und ob sie mit dem Protest etwas erreichen koumln-nenldquo versichert Rothmund Das haumlnge auch stark von der Groumlszlige der Protestbewegung ab weil natuumlrlich eine groumlszligere Protestbe-wegung meist die Erwartung ausloumlse dass man mit dem Protest etwas erreichen koumln-ne Als Beispiel veranschaulicht Rothmund bdquoWenn zehn Leute in der Landauer Innen-stadt protestieren wuumlrde sich niemand da-fuumlr interessieren Wenn sie dagegen einen studentischen Protest mit 1000 Studieren-den organisieren dann waumlre sicherlich die Hoffnung bei jedem Teilnehmer groumlszliger damit etwas bewirken zu koumlnnenldquo Eine weitere Motivation koumlnne aber auch die Ak-tualitaumlt von Themen sein bdquoWenn ein Thema oder Projekt einen ungewissen Ausgang hat wird man wahrscheinlich eine groumlszligere Erwartung haben durch einen Protest oder eine Aktion etwas veraumlndern zu koumlnnen als wenn man weiszlig man steht mit seiner Mei-nung allein auf weiter Flurldquo

Tobias Rothmund erklaumlrt weiter dass sich Menschen darin unterscheiden wodurch

Protestbewegungen ndash Von Gerechtigkeit uumlber Kollektiv bis zur Rationalitaumlt

Stuttgart 21 Anti-Atom- oder Occupy-Bewegung ndash Leute gehen immer wieder auf die

Straszlige um fuumlr eine Sache einzutreten Aber woher kommt das Passend zu unserem

Schwerpunkt berichtet Junior-Professor Dr Tobias Rothmund wie die Psychologie im

Bereich Protestkultur forscht und warum Gerechtigkeit eine zentrale Rolle dabei spielt

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sie zum Protest motiviert werden bdquoManche sind vielleicht rationaler und brauchen ein erreichbares Ziel andere moumlchten moumlgli-cherweise eher Teil einer Gruppe sein zu der ihr soziales Umfeld gehoumlrt Wieder an-dere sind besonders sensibel in Bezug auf Gerechtigkeit und Ungerechtigkeitldquo Man koumlnne diese oben angesprochenen drei Motivationen daher auch als Dimension fuumlr Persoumlnlichkeitseigenschaften verstehen die Menschen unterschiedlich stark moti-vieren koumlnnten

Der Wutbuumlrger von Stuttgart 21

Rothmund hat in diesem Jahr zusam-men mit den beiden Landauer Psycholo-gen Anna Baumert und Axel Zinkernagel einen wissenschaftlichen Artikel zu den durch Stuttgart 21 bekannt gewordenen bdquoWutbuumlrgernldquo publiziert bdquoWas wir bei Stutt-gart 21 untersucht haben betrifft vor allem die Dimension der Gerechtigkeitldquo erlaumlutert Rothmund Ausgehend von der generellen Annahme die bdquoWutbuumlrgerldquo seien eine kon-servative Personengruppe die in Stuttgart wohne sich vor allem um eigenen Besitz und egoistische Annehmlichkeiten sorge haben die drei Forscher bei einer Befragung Persoumlnlichkeitsmerkmale von Protestieren-den erfasst Dabei wollten sie die Persoumln-lichkeitsstruktur der Protestierenden besser verstehen Im Besonderen ging es ihnen um

die Frage inwiefern opfersensible Personen (also Menschen die sich selbst besonders leicht benachteiligt fuumlhlen) oder beobach-tersensible Personen (also Menschen die eher sensibel fuumlr die Benachteiligung ande-rer sind) eher protestierten Sie befragten zirka 1000 Buumlrger darunter Befuumlrworter Gegner und Unentschlossene von Stuttgart 21 Das Resultat bdquoLeute die opfersensibel sind haben gar nicht haumlufiger protestiert Das war interessanterweise genau umge-kehrt Es haben also eher Leute protestiert die sensibel dafuumlr sind dass andere benach-teiligt werdenldquo bemerkt Rothmund Das sei ein interessanter Befund da das eher darauf hindeuten wuumlrde dass Leute nicht nur ei-gennuumltzig fuumlr sich selbst engagiert sondern tatsaumlchlich fuumlr Mitbestimmung oder Ge-rechtigkeit in den Entscheidungsprozessen protestiert haumltten bdquoUnsere Ergebnisse ha-ben gezeigt dass die Leute die dort protes-tiert haben sich gegen ein intransparentes ungerechtes Verhalten der Autoritaumlten ge-wehrt haben und nicht gegen ihre eigene persoumlnliche Benachteiligungldquo verdeutlicht Rothmund

Auf die Frage ob zur Zeit eine Renaissance der Protestkultur vonstatten gehen wuumlrde stellt der Junior-Professor fest bdquoDas wird man erst spaumlter sagen koumlnnenldquo Eines wuumlr-de aber feststehen Durch das Internet sei die Organisation von Protesten sowie der Austausch von Informationen einfacher Da-durch wuumlrden Menschen viel schneller mo-bilisiert werden koumlnnen meint Rothmund(dan)

Wutbuumlrger

2010 kam zum ersten Mal das Schlagwort bdquoWutbuumlrgerldquoauf Gepraumlgt vom Spiegel-Journalisten Dirk Kurbjuweit beschreibt der Begriff eine vor-nehmlich aumlltere gebildetere und wohlhabende Personengruppe die sich mit Wut und Empoumlrung gegen politische Entscheidungstraumlger auflehnt

Demonstration auf dem Stuttgarter Schlossplatz am 18 Februar 2012

Literatur

Rothmund T Baumert A amp Zinkernagel A (2014) The German bdquoWutbuumlrgerldquo - How Justice Sensitivity Accounts for Individual Differences in Political Enga-gement Social Justice Research 27(1) 24-44

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Weiterbildung ist zentrales Thema fuumlr Claudia Ehrhardt Bei der Geschaumlftsfuumlhrerin der Arbeitsstelle der Weiterbildung der Wei-terbildenden (AWW) mit Sitz am Campus Landau laufen seit uumlber 14 Jahren die Faumlden der im Verein angeschlossenen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungseinrichtungen zusammen Fuumlr die Diplom-Paumldagogin sind die PIAAC-Ergeb-nisse ein eindeutiger Indikator dass bei der Grundbildung Erwachsener Handlungsbe-darf besteht Dass diese ndash ganz anders als die PISA-Ergebnisse ndash medial kaum aufgegriffen oder diskutiert wurden bilde den Stellen-wert der Weiterbildung in der Gesellschaft ab Dabei sind die dort getesteten Groumlszligen fuumlr ein erfolgreiches Arbeitsleben die Teilha-be an der heutigen Gesellschaft und die Pro-duktivitaumlt von Betrieben und Unternehmen bedeutsam

PIAAC (Programme for the International Assessment of Adult Competencies) ist die erste internationale Vergleichsstudie die zentrale Grundkompetenzen in der erwach-senen Bevoumllkerung beleuchtet Von Herbst 2011 bis Fruumlhjahr 2012 hat die Organisation fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Deutschland und uumlber 20 weiteren Laumlndern bei Erwachsenen im erwerbsfaumlhigen Alter von 16 bis 65 Jahren Lese- und alltagsmathematische Kompe-tenzen sowie technologiebasierte Problem-loumlsekompetenzen gemessen Das Ergebnis Deutschland liegt leicht unter dem OECD-Durchschnitt Allerdings schneiden juumlngere Erwachsene besser ab als aumlltere Vermutlich eine positive Folge der Bildungsanstrengun-gen nach PISA

PIAAC habe gezeigt dass auch im Erwach-senenalter gilt was fuumlr Schulkinder bittere Realitaumlt ist Das Bildungsniveau ist abhaumlngig von der Herkunftsfamilie bdquoWer uumlber keine gute Grundbildung verfuumlgt wird auch keine Weiterbildung machenldquo so Ehrhardt Und wer sich nicht weiterbildet faumlllt in der Ar-beitswelt zuruumlck Daher sei es erfreulich dass seit einigen Jahren verstaumlrkt in Projektfinan-zierungen im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung investiert werde so Ehrhardt

Moumlgliche Ruumlckschluumlsse aus den PIACC-Ergebnissen auf die Weiterbildung diskutier-ten Experten auf einer von Claudia Ehrhardt organisierten Fachtagung im Fruumlhjahr Der Tenor Die Professionalisierung der in der Weiterbildung taumltigen Paumldagogen Dozenten oder Trainer muss darauf setzen fuumlr die Ar-beit mit Bildungsverlierern entsprechend zu sensibilisieren ndash mit dem Ziel diesem abge-haumlngten Bereich eine Perspektive zu bieten Dieser Professionalisierungsaufgabe wird sich die AWW auch in Zukunft widmen

Weiterbildung ohne Raum und Zeit

Fuumlr die Arbeit des Zentrums fuumlr Fernstudi-en und Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) sieht Geschaumlftsfuumlhrer Dr Burkhard Lehmann aufgrund der PIACC-Ergebnisse keine unmit-telbaren Implikationen Denn die Teilnehmer der diversen Studiengang- und Kursangebo-te des ZFUW seien in der Regel die ohnehin bildungsaffinen Menschen die gewohnt sei-en sich zu qualifizieren Auf die Gruppe die

in PIAAC schlecht abgeschnitten habe seien die ZFUW-Bildungsangebote gar nicht zuge-schnitten

Das ZFUW hat als aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz seit uumlber 20 Jahren Erfahrung in der wissen-schaftlichen Weiterbildung bdquoWir haben uns mit dem Fernstudium und der Fernlehre fuumlr ein spezifisches Bildungsformat ent-schiedenldquo so Lehmann Denn dieses Format werde den Beduumlrfnissen der Bildungsinte-

Um die Kompetenzen Erwachsener beispielsweise im Lesen scheint es in Deutschland

nicht gut bestellt Das zumindest ist das Ergebnis der PIAAC-Studie Haben die Ergebnisse

Auswirkungen auf die Erwachsenenbildung NeuLand hat sich bei der Arbeitsstelle der

Weiterbildung der Weiterbildenden (AWW) und dem Zentrum fuumlr Fernstudien und

Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) erkundigt

Das ZFUW

Das Zentrum fuumlr Fernstudien und Universitaumlre Wei-terbildung (ZFUW) ist eine zentrale Einrichtung der Universitaumlt Koblenz-Landau Mit mehr als 21 Jahren Erfahrung ist das ZFUW die aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz Das ZFUW ist auf das Angebot postgradualer Fernstudien-gaumlnge spezialisiert veranstaltet daneben aber auch Weiterbildungen im Praumlsenzformat (z B Seminare)wwwuni-koblenz-landaudezfuw

Gute Grundbildung bedingt Weiterbildung

PIAAC-Studie

ressierten ohne Bindung an Raum und Zeit am meisten gerecht In Ballungsraumlumen wie Hamburg Muumlnchen oder Berlin wo sich die Kunden aus dem lokalen Umfeld akquirie-ren lassen funktionieren auch Praumlsenzan-gebote weiszlig Lehmann bdquoBefindet sich eine Einrichtung allerdings in einer Randlage operiert man besser auf der Ebene der Fern-lehre bei der die Organisation zum Teilneh-mer kommt und nicht der Teilnehmer zur Organisationldquo

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Nutzen und Folgen des Internets

Das Schnuumlren zeitgemaumlszliger Themen und Inhalte ist zentral um das ZFUW wettbe-werbsfaumlhig zu halten Derzeit unterhaumllt es die Programmbereiche Umwelt Energie und Management Expertise holt sich das ZFUW vorrangig aus den eigenen Reihen der Ko-

gogikldquo Damit sollen Lehrerinnen und Leh-rer fit gemacht werden fuumlr den schulischen Alltag in Zeiten der Inklusion bdquoDie Laumlnder stellen zwar den Finanzbedarf fuumlr Inklusion in der Schule allerdings fehlt eine profun-de Qualifizierung der Lehrkraumlfteldquo erklaumlrt Lehmann den Ansatz des neuen Weiterbil-dungsprogramms Mit einem Kooperati-onspartner bereitet das ZFUW ein weiteres Programm vor bdquoBusiness Communications and Rhetoricldquo

Weiterbildung heute so wichtig wie noch nie

Fuumlr das berufliche Weiterkommen ist Wei-terbildung heute so zentral wie noch nie bdquoDie Halbwertszeit des Wissens wird immer kuumlrzerldquo bekraumlftigt Claudia Ehrhardt Die PIAAC-Studie habe daher auch gezeigt wie wichtig Kompetenzaufbau -erhalt und -er-weiterung in der Berufswelt seien Die zahl-reichen Innovationswellen im beruflichen Kontext gerade im EDV- oder Produktions-kontext lassen den Bedarf an Weiterbildung kontinuierlich steigen versichert Burkhard Lehmann Warum Menschen letztendlich sich fuumlr eine Weiterbildung entscheiden da-fuumlr gebe es drei zentrale Gruumlnde Lehmann unterscheidet zwischen Selbstperfektionie-rern Tool-Suchern und Karriere- oder Ab-schlussorientierten Der ersten Gruppe liegt daran die eigene Persoumlnlichkeit weiterzu-entwickeln und sich fuumlr private Interessen mehr Wissen anzueignen Die Tool-Sucher erweitern gezielt ihre Kompetenzen um

Die AWW

Die Arbeitsstelle fuumlr die Weiterbildung der Weiterbil-denden (AWW) foumlrdert die Zusammenarbeit zwischen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungsorganisationen Der bundesweit einzigartige Verein ist eine wichtige Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis im Bereich der Weiterbildung Gegruumlndet wurde die AWW 1998 auf Initiative des Ministeriums fuumlr Bildung Wissenschaft Weiterbil-dung und Kultur Die AWW hat ihren Sitz in Landau und ist der Universitaumlt Koblenz-Landau angegliedert Unter dem Motto bdquoBesser lehren lernenldquo organisiert die AWW Workshops und Fachtagungen fuumlr Personen die in der Weiterbildung taumltig sind wwwaww-landaude

blenzer und Landauer Wissenschaftler bdquoWir arbeiten aber auch konsortialldquo so Lehmann bdquound halten somit ein bestimmtes Know-how vor das an den Standorten unserer Uni-versitaumlt nicht verfuumlgbar istldquo Selbst wenn die Flexibilitaumlt bestehe auch nicht einschlaumlgige Themen zu vertreten entwickele das ZFUW vornehmlich Angebote im Kernbereich der Universitaumlt Koblenz-Landau

Derzeit arbeiten Lehmann und sein Team an dem neuen Programm bdquoInklusionspaumlda-

berufliche Herausforderungen meistern zu koumlnnen Vertreter der dritten Gruppe tum-meln sich vorwiegend im akademischen Feld Da man fuumlr die Ausuumlbung bestimmter Funktionen im beruflichen Aufstieg meist Bescheinigungen uumlber entsprechendes Wissen oder Kompetenzen benoumltigt ori-entiert sich deren Weiterbildungsbedarf an Abschluumlssen

Entsprechend unterscheidet Lehmann auch zwischen drei Weiterbildungsberei-chen die klassische die betriebliche und die wissenschaftliche Weiterbildung Die klassische Weiterbildung wird beispiels-weise von Volkshochschulen betrieben und richtet sich an ein breites Publikum Im betrieblichen Kontext sollen Arbeitnehmer ihre Kompetenzen erweitern und ihr Wissen erhoumlhen beispielsweise wenn Vertriebs-mitarbeiter im Umgang mit einem neuen Produkt geschult werden muumlssen oder eine neue Software im Unternehmen eingefuumlhrt wird Die wissenschaftliche Weiterbildung ermoumlglicht akademisch vorqualifiziertem Personal sich auf neue Aufgaben etwa als Fuumlhrungskraft vorzubereiten

Die Zeiten in denen Lernen mit dem Verlassen der Schule dem Abschluss der Ausbildung oder dem Universitaumltsexamen beendet war sind definitiv vorbei Wer im Berufsleben bestehen will wird um regel-maumlszligige Weiterqualifizierung nicht umhin kommen PIACC soll in einem Rhythmus von zehn Jahren wiederholt werden um ein Laumlngsschnitt-Bild der Entwicklung zu er-halten Man darf gespannt sein wohin sich die Kompetenzen deutscher Erwerbstaumltiger entwickeln (ket)

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Sprachbedrohung und Sprachentod

Sprachbedrohung und Sprachentod sind ein weltweites Phaumlnomen Linguisten ge-hen davon aus dass etwa alle zwei Wochen eine Sprache stirbt In 100 Jahren so schaumlt-zen Sprachforscher werden im besten Fall noch die Haumllfte dieser Sprachen existieren vielleicht aber auch nur noch zehn Prozent von ihnen Waumlhrend die 20 groumlszligten der zir-ka 6800 lebenden Sprachen von der Haumllfte der Weltbevoumllkerung gesprochen werden weisen die meisten Sprachen eine Gemein-schaft von nur wenigen hundert oder tau-send Sprechern auf Von bevorstehendem Sprachentod spricht man wenn eine Spra-che aufhoumlrt Muttersprache oder Erstspra-che zu sein ndash also dann wenn sie nur noch sekundaumlr erlernt wird und damit die noumltige Sprachpflege verliert Der endguumlltige Tod tritt ein wenn es keine Sprecher mehr gibt

Sprachbedrohung und Sprachentod fin-den auf allen Kontinenten statt und neh-men ein immer schnelleres Tempo auf je weiter die Globalisierung voranschreitet Viele andere Faktoren wie unter anderem starke Migrationsbewegungen Zuwande-rung und Urbanisierung sowie ein hohes Alter der Sprecher oder die geringe wirt-schaftliche Staumlrke einer Sprache wirken zudem auf den Sprachbestand ein Stark gefaumlhrdete Sprachen sind vor allem in den Regionen Nord- und Suumldamerika Austra-lien Asien Westafrika und in Nord- und Ostsibirien vorzufinden In diesen Regio-nen kommt es zur massiven Verletzung von Sprachenrechten

Anglistik-Professor Dr Martin Puumltz ist Linguist und beschaumlftigt sich mit Sprache und ihren vielfaumlltigen sozialen kulturel-len und psychologischen Auspraumlgungen Zusammen mit seiner Kollegin Dr Monika Reif hat er im Fruumlhjahr 2014 das 36 Interna-tionale LAUD Symposium organisiert das sich rund um das Thema Sprachbedrohung und Sprachentod drehte (siehe Infokasten) Puumltz erklaumlrt Sprache sei relevant da sie ein einzigartiger Schatz an Wissen Ideen und Weltansichten sei bdquoMit den fast 7000

Bevor sie verstummen hellipWeltweit existieren etwa 6800 Sprachen doch die Vielfalt nimmt rasant ab Was

bedeutet es wenn Sprachen sterben Was bleibt von einer Kultur uumlbrig wenn ihre Art

die Welt zu beschreiben wegfaumlllt und die Urahnen verstummen

Sprachen auf unserer Welt gibt es auch fast 7000 Arten die Welt auf unterschiedliche Art wahrzunehmen und sie zu beschreibenldquo erlaumlutert der Linguist Beispielsweise haben einige Sprachen der Ureinwohner Amerikas ein komplett anderes Zeitsystem Dinge in der Zukunft oder Vergangenheit auszudruuml-cken gehe in diesen Sprachen nicht mit den uns bekannten grammatikalischen Moumlg-lichkeiten

Sprache ist also nicht nur ein Mittel der Kommunikation sondern bietet einen tiefen Einblick in die Einstellungen und Wahrnehmungen gegenuumlber der Welt kon-serviert Traditionen und Geschichte einer Kultur und gibt einzigartiges Wissen an die naumlchste Generation weiter beispielsweise uumlber Heilmittel und Pflanzen aber auch Ge-fuumlhle Spiritualitaumlt und soziale Einsichten Es gibt so etwas wie eine kulturelle Identitaumlt und die wird maszliggeblich von Sprache ge-praumlgt Warum aber verschwinden so viele Sprachen von der Bildflaumlche Natuumlrlich gibt es viele aumluszligere Umstaumlnde warum Sprachen ihre Sprecher verlieren Gerade in der Kolo-nialzeit haben die Besatzer eine Vielzahl an Sprachen marginalisiert und unterdruumlckt teilweise wurden ganze Voumllker durch Krieg vernichtet z B durch die Kolonialisierung und Besiedlung Nord- und Suumldamerikas die Ausrottung indigener Voumllker in Australi-en oder durch die im 17 Jahrhundert einset-zende Russifizierungspolitik in Osteuropa im Kaukasus und in Sibirien Auch Natur-katastrophen wie Erdbeben oder Vulkan-ausbruumlche koumlnnen stark regional gepraumlgte Sprachen toumlten

Auch wenn Sprachwissenschaftler versu-chen bedrohte Sprachen durch Aufzeich-nung Uumlbersetzung sowie die Bewahrung und Verbreitung von Sprachaufzeichnun-gen zu dokumentieren erwecken sie diese dadurch nicht mehr zum Leben Mit No-tizbloumlcken und Aufnahmegeraumlten kann man zwar einen Teil des Wortschatzes der Grammatik und Aussprache festhalten in geringerem Maszlige jedoch Redewendungen

Gebraumluche und Beschreibungsmodelle fuumlr die Welt einfangen Nur wer eine Sprache muttersprachlich spricht kann ihre zahlrei-chen Facetten begreifen Sprachrevitalisie-rung gelingt nur in den seltensten Faumlllen Gegluumlckt ist dies beispielsweise beim mo-dernen Hebraumlisch Iwrith genannt das er-folgreich wiederbelebt und zur offiziellen Amtssprache Israels erhoben wurde Zu-meist ist der Sprachtod aber unwiderruflich

In aktuellen Faumlllen der Sprachbedrohung liege das Problem haumlufig nicht an der Um-welt sondern an anderer Stelle erklaumlrt Puumltz Wer einer Minderheitensprache maumlchtig ist hat oftmals das Gefuumlhl damit auf dem Bildungsweg oder im Berufsleben schlech-tere Chancen zu haben Eltern bestehen daher oft darauf dass ihre Kinder die indi-gene Sprache vernachlaumlssigen und statt-dessen eine dominante und wirtschaftlich starke Sprache wie Englisch Spanisch oder Franzoumlsisch zuerst erlernen bdquoSie geben da-mit eine verstaumlrkt negative Einstellung zur Muttersprache an die naumlchste Generation weiterldquo verdeutlicht Puumltz die Problemlage Der Globalisierungseffekt ist somit nicht zu unterschaumltzen denn waumlhrend z B das Eng-lische immer dominanter wird nimmt die Geringschaumltzung und damit einhergehende Vernachlaumlssigung indigener Sprachen wei-ter zu Um den Sprachentod aufzuhalten benoumltigt es also weniger Dokumentation als vielmehr eine grundlegende Aumlnderung der Einstellung zu Minderheitensprachen und indigenen Sprachen (rst)

Linguistic Agency University of DuisburgTrierLandau (LAUD)

Seit 1973 finden unter diesem Namen alle zwei Jahre Konferenzen zum Thema Sprache statt ndash zunaumlchst in Trier und Duisburg und seit 2000 in Landau Das 36 LAUD Symposium wurde im Fruumlhjahr 2014 zum Thema bedrohte Sprachen und Sprachentod veranstaltet Uumlber 90 Teilnehmer aus 25 Laumlndern besuchten die Veranstaltung

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Kinder- und Jugendhospitzarbeit

Wie lassen sich die Arbeit und das Zu-sammenleben in Kinder- und Jugendhos-pizen verbessern Wie werden Kinder und Jugendliche wirkungsvoll begleitet die an einer unheilbaren Krankheit leiden oder die einen Trauerfall in der Familie verar-beiten muumlssen bdquoBislang konnten sich die Einrichtungen ausschlieszliglich durch ein Qua-litaumltssiegel bewerten lassenldquo sagt Sven Jen-nessen Das bedeute harte generalisierte Bewertungsfaktoren bdquoDabei unterscheiden sich die Einrichtungen teilweise gravierendldquo So sei etwa die Nachfrage nach tuumlrkischer Sprachkompetenz in einigen Einrichtungen zwar sehr hoch ndash es gebe aber auch Einrich-tungen bei denen der Bedarf schlicht nicht erkennbar sei Hier muumlsse man individuell auf die Beduumlrfnisse der Einrichtungen der Mitarbeiter der Kinder und Jugendlichen sowie der Familien eingehen Fuumlr Jennessen ist dies nur eines von vielen Beispielen bei dem sich die Schwaumlche starrer Bewertungs-

kriterien zeigt Immerhin muumlsse gerade in diesem sensiblen Bereich der Mensch im Mittelpunkt stehen ndash und keine Checkliste

Deshalb ist der Qualitaumltsindex fuumlr Kin-der- und Jugendhospizarbeit QuinK auch bdquoandersldquo Der Fokus liegt nicht nur auf den Antworten sondern auch auf der Kom-munikation zwischen den Beteiligten also zwischen haupt- und ehrenamtlichen Mit-arbeitern mit Eltern Kindern und auch Geschwistern bdquoNachhaltige Qualitaumltsent-wicklung funktioniert nur durch Kommuni-kation aller Beteiligtenldquo so der Ansatz von Sven Jennessen Und damit sind auch die Juumlngsten gemeint bdquoWir sehen die Kinder als Experten in eigener Sache anldquo erklaumlrt Stefanie Hurth Gerade die Einbeziehung der Geschwister stelle derzeit bei vielen Einrichtungen ein Problem dar Denn die muumlssten bei einer todbringenden Krank-heit der Schwester oder des Bruders haumlufig zuruumlckstecken Nur selten bleibe das ohne

Konflikte wodurch sie im schlimmsten Fall die Moumlglichkeit versaumlumten sich von ihren Geschwistern zu verabschieden bdquoHier gibt es kein Schema F Viel wichtiger ist dass die Betroffenen sich austauschen die Themen aufgreifen und dann Loumlsungen entwickelnldquo sagt Hurth

Der QuinK soll durch seine zur Reflexion anregenden Fragen diese Kommunikati-on ermoumlglichen und eine Art Diskussions-Agenda darstellen Daher wurde QuinK in den vergangenen Monaten in drei stationauml-ren Kinder- und Jugendhospizen und zwei ambulanten Kinderhospizdiensten getes-tet Jennessen und Hurth besuchten die Einrichtungen in Unna Duumlsseldorf Syke Darmstadt und Wiesbaden regelmaumlszligig bdquoDer QuinK ist nicht am gruumlnen Tisch ent-standenldquo sagt Sven Jennessen

Das Team aus Landauer Wissenschaftlern wurde unterstuumltzt vom Deutschen Hospiz- und Palliativverband (DHPV) Mit diesem zusammen wurden zwoumllf Grundsaumltze fuumlr die Arbeit von Kinder- und Jugendhospizen verfasst Das seien komplexe Themen von der Betreuung der Kinder bis zur Oumlffentlich-keitsarbeit fuumlr die jeweils ein aus den drei Kategorien Haltung Strukturen und Prak-tiken bestehender Fragebogen entstan-den ist bdquoEinige Fragen die wir als wichtig erachtet hatten wurden in der Praxis nicht angenommen Andere wiederum haben wir ergaumlnzt Jetzt ist der QuinK fitldquo ist Stefanie Hurth stolz auf das Ergebnis Und Sven Jen-nessen ergaumlnzt bdquoDie Ruumlckmeldungen waren insgesamt sehr positivldquo

Nun soll der QuinK Verbreitung finden Fachvortraumlge auf Konferenzen Artikel in Fachzeitschriften Die Arbeit des Jennessen-Teams ist noch laumlngst nicht abgeschlossen bdquoWir haben aber gute Startvoraussetzun-gen schlieszliglich waren die Praktiker vom DHPV von Anfang an an Bordldquo so Jennes-sen (kap)

QuinK neuer QualitaumltsindexEin neuer Index soll die Betreuung in Kinder- und Jugendhospizeinrichtungen verbessern

Dieser Aufgabe haben sich Professor Dr Sven Jennessen und Stefanie Hurth vom Institut

fuumlr Sonderpaumldagogik in den letzten Monaten gewidmet Nun praumlsentieren sie das

Ergebnis ihrer Arbeit den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit kurz QuinK

Ein Jahr lang hat Stefanie Hurth den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit getestet Nun ist der bdquoQuinKldquo fertig und soll im Oktober in die Praxis gehen

18 NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Nach der neuen Gallup-Studie ist die Ar-beitszufriedenheit zwar im Vergleich zum letzten Jahr gestiegen trotzdem kritisch Nur wenige Menschen fuumlhlen sich bei ihrer Arbeit wertgeschaumltzt Sie suchen stattdes-sen ihr Gluumlck in der Freizeit Hinzu kommt ein dramatischer Anstieg von psychischen Erkrankungen wie dem Burnout-Syndrom Wie kann man mit diesen Gefahren umge-hen

Eine potenzielle Loumlsung liegt im Bereich der positiven Psychologie Sie befasst sich damit unter welchen Umstaumlnden Personen Wohlbefinden Gluumlck und Zufriedenheit erleben Waumlhrend sich vor den 90er Jahren die Sozial- und Verhaltenspsychologen vor allem mit den Defiziten beschaumlftigt haben untersucht man seit 1998 psychologische Prozesse die dazu fuumlhren dass Menschen zufrieden und gluumlcklich und dadurch leis-tungsfaumlhiger sind

Ottmar L Braun ist auszligerplanmaumlszligiger Professor in der Arbeitsgruppe Sozial- und Wirtschaftspsychologie am Campus Landau und befasst sich mit positiver Psycholo-gie Zur Thematik Unzufriedenheit im Job bekraumlftigt er bdquoDie Forschung hat deutlich gezeigt dass sich Techniken der positiven Psychologie vorteilhaft auf die Arbeits- und Lebenszufriedenheit auswirkenldquo Besonders interessant sei das fuumlr Krankenkassen da sie sich mit Krankheit und Gesundheit ausei-

nandersetzen und auch als erste die Kosten von langfristigen Ausfaumlllen zum Beispiel durch Burnout tragen muumlssen Braun wei-ter bdquoDann muumlssen die sich natuumlrlich fragen Wie kommt dasldquo

Braun meint Arbeit duumlrfe nicht krank machen Arbeit muumlsse eher die Moumlglich-keit bieten dass man sich positiv entfalten koumlnne Deshalb muumlssten sich Arbeitgeber darum bemuumlhen dass die Leute mit mehr Spaszlig zur Arbeit kommen bdquoDaruumlber hinaus muumlssen Arbeitnehmer Aufgaben bekom-men um ihre Staumlrken ausleben zu koumlnnenldquo Er konkretisiert bdquoSie brauchen Aufgaben an denen sie persoumlnlich wachsen wo sie quasi aufbluumlhen koumlnnenldquo

In der positiven Psychologie sei der Begriff bdquoaufbluumlhenldquo elementar denn bdquoWenn Per-sonen etwas geleistet haben sprich Ziele erreichen dann sind sie zufriedener und haben wenig handlungsirrelevante Kogniti-onen oder Ablenkung Sie koumlnnen sich wie-der auf ihre Aufgaben konzentrieren und dadurch mehr leistenldquo begruumlndet Braun Zufriedenheit am Arbeitsplatz habe aber auch immer etwas mit der Entwicklung von Fuumlhrungskraumlften zu tun Nach Braun muumlss-ten sie darauf achten dass sie ihr Team ge-sund fuumlhren bdquoKrankenkassen wie die AOK Rheinland-PfalzSaarland bieten deshalb extra Programme dafuumlr an an denen wir als Team der Universitaumlt Koblenz-Landau

beteiligt sindldquo Eine weitere Moumlglichkeit fuumlr Arbeitgeber sieht Braun in regelmaumlszligigen Mitarbeiterbefragungen bdquoIm Rahmen von Folgeprozessen kann man dafuumlr sorgen dass zufriedenstellende Arbeitsbedingun-gen vorhanden sind und Missstaumlnde abge-schafft werdenldquo

Allerdings sei die Schuld nicht nur beim Arbeitgeber zu suchen Auch die Mitar-beiter sollten darauf achten ob sie an der richtigen Stelle im Unternehmen eingesetzt oder ob sie vielleicht irgendwo anders bes-ser aufgehoben seien Braun stellt klar bdquoVor der innerlichen Kuumlndigung sollte Unzufrie-denheit konstruktiv zum Ausdruck gebracht werden um dann vielleicht an einer sinn-volleren Stelle eingesetzt zu werdenldquo

Der Professor bemerkt dass die positive Psychologie allerdings nichts Neues sei bdquoIn der Arbeits- und Organisationspsychologie in der wir uns hier bewegen haben Wissen-schaftler ja schon immer das Thema Arbeits-zufriedenheit untersuchtldquo Es sei von daher ein ganz altes Forschungsgebiet welches nun durch die positive Psychologie neu be-reichert werde

Spielend zum GluumlckBraun hat an der Universitaumlt eine eige-

ne Studie zur Zufriedenheit durchgefuumlhrt

Unzufrieden im Job Positive Psychologie kann helfen

Viele kennen es Wenn Montagmorgen der Wecker klingelt faumlllt das Aufstehen oft

schwer besonders wenn man unzufrieden mit seiner Arbeit ist Aber warum ist man

unzufrieden und wie kann positive Psychologie dabei helfen die Unzufriedenheit zu

uumlberwinden NeuLand hat mit dem Professor fuumlr Wirtschaftspsychologie Dr Ottmar L

Braun uumlber die Psychologie der positiven Dinge gesprochen

19NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Dabei wurden Studierende einen Tag lang in Techniken der positiven Psychologie un-terrichtet bdquoAuszligerdem haben sie ein Gluumlcks-tagebuch bekommen bei dem sie ihre Gluumlcksmomente niederschreiben koumlnnen und einiges uumlber Smalltalk und Networking gelerntldquo Die Ergebnisse wuumlrden zeigen dass sich die Zufriedenheit der Studieren-den kurzfristig aber auch langfristig positiv veraumlndere Zudem seien ihr Optimismus und die Studienmotivation angestiegen depressive Verstimmungen gesunken Braun verdeutlicht bdquoAlles so wie man sich das wuumlnschtldquo

In seiner Forschung versucht er eine Bruuml-cke zu schlagen zwischen Techniken der positiven Psychologie und Techniken des Selbstmanagements Das wuumlrde gut pas-sen denn auch in der positiven Psychologie wuumlrden oft Tipps gegeben wie man etwas angehen solle versichert Braun Eine ganz prominente Uumlbung beim Selbstmanage-ment und in der positiven Psychologie sei die bdquoWas ist gut gelaufen-Uumlbungldquo Dabei geht es darum dass man am Abend uumlber-legen soll welche drei Dinge am Tag gut gelaufen sind und welche seiner Staumlrken es waren die dazu beigetragen haben Das sei eine Uumlbung die in der gesamten Literatur empfohlen werde Der Namensgeber der positiven Psychologie Martin Seligman habe zeigen koumlnnen dass die Anwendung

dieser Uumlbung dazu fuumlhre dass Leute nach sechs Monaten weniger depressiv seien Seligman fuumlhre das darauf zuruumlck dass das eine selbstverstaumlrkende Wirkung habe so Braun bdquoDie Leute merken dass sie sich bes-ser fuumlhlen wenn sie daruumlber nachdenken was heute gut gelaufen ist und warum Und deshalb wiederholen sie den Vorgangldquo Es habe dadurch eine langfristige Wirkung

Brauns neuestes Aushaumlngeschild ist ein Brettspiel namens bdquoCareer Games ndash spie-lend trainierenldquo bdquoWir haben Seminare ent wickelt bei denen wir Selbstmanage-ment-Kompetenzen in verschiedenen Le-bens- oder Inhaltsbereichen von Personen staumlrken koumlnnen Dazu dient auch ein Brett-spiel bei dem die Teilnehmer verschiedene Inhaltsbereiche der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder auch Smalltalk und Networking spielend erlernenldquo Jeder Spieler bekomme im Spiel eine Figur und muumlsse seinen Weg durch das Spielfeld wuumlrfeln so Braun bdquoAuf den Fel-dern muumlssen sie dann Quizkarten ziehen die das im Seminar Gelernte noch einmal aufarbeitenldquo Dabei muumlssten sie beispiels-weise drei Dinge nennen die sie in ihrem Leben gluumlcklich machen bdquoDurch den Spiel-charakter lernt man mehr als nur uumlber Se-minareldquo Mit Erfolg Erste Untersuchungen zeigen positive langfristige Effekte durch die Seminar-Brettspiel-Kombination (dan)

Tipps fuumlr die positive Fuumlhrung von Ottmar Braun

Fuumlhrungskraumlfte muumlssen eine gute zwischenmensch-liche Beziehung zu jedem einzelnen Mitarbeiter unterhalten Sie muumlssen auch verbindliche Aussagen machen und zu diesen Aussagen stehen Des Weiteren sollte ein Chef seine Angestellten unterstuumltzen wenn es notwendig ist Wichtig ist auch keinen unnoumltigen Druck aufzubauen sondern Staumlrken von Mitarbeitern kennen zu lernen und zu foumlrdern Von Vorteil koumlnnen auch Begruumlszligungs- und Krankenruumlckkehrgespraumlche sein Es koumlnnte ja sein dass die Krankheit etwas mit den Arbeitsbedingungen zu tun hat Natuumlrlich sind auch Teamsitzungen und Teambildungsmaszlignahmen von groszliger Bedeutung um ein angenehmes Arbeits-klima herzustellen

Spielend lernen Mit dem Brettspiel bdquoCareer Gamesldquo erlernen die Spieler verschiedene Inhalte der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder Smalltalk und Networking

20 NeuLand 2014 03

Psychotherapie-Ambulanz

Wie eine Baustelle sieht die psychothera-peutische Uni-Ambulanz nicht mehr aus Den Abdeckplanen sind bunte Stuumlhle und Stofftiere gewichen im Eingangsbereich liegen Fachmagazine und das Buumlro von Professorin Dr Tina In-Albon ist bereits voller Buumlcher Und doch bdquoist hier noch alles Baustelleldquo so die Professorin fuumlr Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kin-des- und Jugendalters Nach Therapeuten werde noch gesucht die ersten Behandlun-gen seien angelaufen Forschungsprojekte in Planung bdquoEine spannende Phaseldquo bekraumlf-tigt die Ambulanzleiterin

Von nun an wird sich das zehnkoumlpfige Team um die Professorin In-Albon und Ge-schaumlftsfuumlhrerin Dr Daniela Schwarz mit den psychischen Erkrankungen der suumld-pfaumllzer Kinder und Jugendlichen befassen Die Kosten fuumlr die psychotherapeutische Behandlung uumlbernehmen bei Indikation die Krankenkassen Hinzu kommt ein wei-terbildender Studiengang zur Ausbildung in Kinder- und Jugendlichenpsychothe-rapie der im Wintersemester 201415 mit zwoumllf Teilnehmern pro Jahrgang startet In Rheinland-Pfalz ist die Universitaumlt Kob-lenz-Landau in diesem Bereich die einzige universitaumlre Ausbildungsstaumltte Neben der hauseigenen Ambulanz kooperiert der Studiengang mit dem Pfalzklinikum in Klin-genmuumlnster sowie anderen kinder- und ju-gendpsychiatrischen Kliniken in der Region

Kaum eroumlffnet schon stehen die ersten Forschungsprojekte an Derzeit liegt ein Fokus in der Behandlung von Angststoumlrun-gen und Depressionen bdquoVielen Depressio-nen gehen Aumlngste voraus Daher lohnt es diese beiden zusammen zu betrachtenldquo so

Tina In-Albon Laut Statistik leiden zirka 20 Prozent der Erwachsenen und zirka 10 Pro-zent der Kinder unter Angststoumlrungen bei Depressionen sind es sogar 40 Prozent der Erwachsenen und im Jugendalter auch be-reits zwischen 15 und 20 Prozent In Planung befindet sich daher eine Therapiestudie fuumlr Jugendliche mit Angst- und depressiven Stoumlrungen Ein weiterer Forschungsbereich ist das nicht-suizidale selbstverletzende Verhalten im Volksmund auch als bdquoRitzenldquo bekannt bdquoDa machen wir eher Grundla-genforschungldquo so die Professorin Ein spe-zifisches Therapieangebot gebe es derzeit noch nicht ndash bdquodas kann sich aber alles noch entwickelnldquo

Einen weiteren Forschungsschwerpunkt stellt die psychische Gesundheit bei Kindern mit Diabetes dar insbesondere bei Diabetes vom Typ I der im Gegensatz zum bdquoAltersdi-abetesldquo II auch bei Kindern und Jugendli-chen verbreitet ist bdquoHier wissen wir uumlber

Erste Forschungsprojekte stehen an

Ende Juni offiziell eingeweiht hat die Psychotherapie-Ambulanz fuumlr Kinder und Jugend-

liche die Arbeit aufgenommen Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen

haben nun in Landau eine neue Anlaufstation Und auch die Forschung profitiert von der

Einrichtung

die medizinische Forschung zwar schon eine Mengeldquo sagt Tina In-Albon aber aus psychologischer Sicht sei das Thema noch relatives Neuland Wie etwa sieht es bei der psychologischen Betreuung der Kinder aus aber auch der Eltern der Lehrer und sons-tiger zentraler Bezugspersonen Wird die Krankheit und deren Umgang akzeptiert Wie koumlnnen Psychotherapeuten helfen Auch hier schlummert ein Forschungspo-tenzial fuumlr In-Albon bdquoVieles ist im Aufbauldquo sagt sie beschwichtigend Und doch laumlsst sie im Gespraumlch mit NeuLand durchblicken dass sie auch auf diesem Gebiet noch inten-siver forschen moumlchte

Neben der Forschung ist die Hochschul-ambulanz auch in die Lehre im Rahmen des Masterstudiengangs Klinische Psychologie eingebunden So werden die Studierenden beispielsweise in die Diagnostik einbezogen und koumlnnen unter Supervision in Patienten-gespraumlchen Praxiserfahrung sammeln (kap)

In der neuen Universitaumltsambulanz fuumlr Kinder und Jugendliche wird die ganze Palette der psychischen Stoumlrungen behandelt

21NeuLand 2014 03

Wenn man sich seine Dozenten auszligerhalb der Universitaumlt vorstellt dann ist es wohl in einem Sessel vor einem uumlberfuumlllten Buumlcher-regal mit einem wissenschaftlichen Buch in der Hand vielleicht noch mit einem Hund zu den Fuumlszligen Wenige Studenten glauben dass ihre Dozenten moumlglicherweise eine spannendere Freizeitgestaltung haben als sie selbst

Bei Walter H Schreiber ist das aber so Seit dem Sommer 2013 ist er 3D-Bogenschuumltze 3D-Bogenschieszligen bedeutet nicht dass man mit einer 3D-Brille und einem virtu-ellen Bogen bewaffnet auf herannahende Tiere oder Aliens schieszligt Eigentlich ist das 3D-Bogenschieszligen vielmehr die Wieder-entdeckung des sportlichen Jagens mit Pfeil und Bogen ohne einem Tier Schaden zuzufuumlgen Es erinnert an eine Art Golf Der Schlaumlger wird zum Bogen der Ball zum Pfeil und statt eines Abschlags hat man einen Abschuss-Punkt Das Ziel ist aber kein Loch sondern zum Beispiel ein Fasan oder eine Riesenspinne welche von Vereinsmitglie-dern angefertigt und im Parcours platziert wurde

Schreiber ist seit Dezember Mitglied beim Verein Palatina Bogenschuumltzen eV in Ins-heim suumldlich von Landau Davor absolvierte er bereits einen Pfeil und Bogen-Intensiv-kurs in der Eifel bdquoDamit sich nicht bereits am Anfang grobe Fehler einschleichenldquo bekraumlf-tigt Schreiber Sein Sohn sei auch Bogen-schuumltze habe aber unabhaumlngig von ihm zur selben Zeit angefangen Auf die Frage wa-rum er nicht das klassische von Olympia be-kannte Bogenschieszligen ausuumlbe antwortet Schreiber bdquoDa gibt es zu viele Regelnldquo Au-szligerdem sei er ein intuitiver Schuumltze welcher ndash im Gegensatz zum strategischen Schuumltzen ndash sich voll und ganz auf seine Erfahrung und sein Bauchgefuumlhl verlasse Zwar ist Schrei-ber schon seit einem Jahr leidenschaftlicher Bogenschuumltze trotzdem gilt er im Verein

Entspannung vom AlltagWaumlhrend die Studierenden fast immer wissen ob ein Dozent freundlich oder streng ist

koumlnnen sich nur wenige vorstellen was diese mit ihrer Freizeit anfangen NeuLand war

einen Abend mit Dr Walter H Schreiber unterwegs Sein Hobby das 3D-Bogenschieszligen

noch als Anfaumlnger bdquoDeswegen behalte ich meine Ergebnisse bei Wettkaumlmpfen lieber fuumlr michldquo bemerkt er schmunzelnd

Sicherheit sei sehr wichtig betont Schrei-ber So muss sich jeder Schuumltze vorab in einem Schieszligbuch eintragen um zu sehen wie viele Leute auf dem Parcours unter-wegs sind Aus gutem Grund Auf dem 500 Meter langen und mit 28 Zielen bestuumlckten Parcours kann man leicht den Uumlberblick verlieren Zwei bis drei Stunden dauert die Durchquerung des Kurses Manchmal machen es abgeknickte Aumlste und ein rut-schiger Untergrund gar nicht so einfach die Ziele zu treffen Trotzdem wuumlrden die meisten Unfaumllle nicht beim Schieszligen selbst passieren sondern beim Herausziehen der Pfeile aus den Koumlrpern der Ziele meint Schreiber Ein Vereinskollege ergaumlnzt bdquoWich-

tig ist uns dass wir das 3D-Bogenschieszligen nicht als Vorstufe zur Jagd mit Pfeil und Bogen sehen Es ist vielmehr ein Sport bei dem man sich deutschlandweit mit anderen Schuumltzen messen kannldquo Im Gegensatz zum klassischen Bogenschieszligen schieszlige man nicht auf langweilige Zielscheiben sondern durchlaufe einen interessanten Parcours

Fuumlr Schreiber ist das Bogenschieszligen Ent-spannungskur vom alltaumlglichen Uni-Stress bdquoNach der Arbeit auf den Parcours zu gehen befreit meinen Kopfldquo Verstaumlndlich denn das leise Zischen des Pfeiles und die Ruhe im gruumlnen naturbelassenen Gelaumlnde hat etwas Erholendes Auszligerdem hat Schreiber beim Verein Palatina Freunde gefunden mit denen er an fast jedem Donnerstag und Sonntag durch den Parcours streift ndash auf der Jagd nach kuumlnstlichen Tieren (dan)

Hobby 3D-Bogenschieszligen

Beim 3D-Bogenschieszligen findet Walter H Schreiber Entspannung vom alltaumlglichen Uni-Stress

22 NeuLand 2014 03

Summer School

In der Reihe bdquoE-Mail aus hellipldquo berichtet Sozialwissenschafts-Student Daniel Schumacher

von der Summer School aus dem polnischen Wroclaw

Liebes NeuLandCześćaus Wroclaw Manchmal reicht ein

akademischer Kurz-Urlaub um ein Land und die

Leute lieben zu lernen

Zum Ende meiner akademischen Laufbahn wollte

ich das Studentendasein noch einmal voll und

ganz genieszligen und habe mich entschlossen eine

Summer School zu besuchen Fast jeder unserer

Fachbereiche bietet so etwas an Fuumlr mich ging die

Reise unter der Leitung von Professor Dr Siegmar

Schmidt (Politikwissenschaften) nach Wroclaw Polen

Erasmus-finanziert begann meine Hinfahrt in einem

Fernbus von Karlsruhe direkt nach Breslau so der alte

deutsche Name fuumlr Wroclaw

Hier angekommen bezogen wir ndash meine Wenigkeit

mit sieben anderen Deutschen ndash unsere Zimmer in

einem Studentenwohnheim oder wie ich es nenne

bdquoPlattenromantik-Hotelldquo Von auszligen neu gestrichen

verspruumlhte das Haus von innen den gesamten

Ostblock-Charme der Kalten-Krieg-Aumlra Das war

fuumlr mich aber auch das einzig Negative waumlhrend

meiner zweiwoumlchigen Summer School Bereits

am ersten Tag lernten wir beim bdquoget-togetherldquo

die anderen Teilnehmer kennen 70 Studenten

aus uumlber acht Laumlndern wollten mehr uumlber die

europaumlische Finanzkrise lernen und ndash wie ich ndash neue

Freundschaften knuumlpfen

Ab dem zweiten Tag war unser neues Zuhause ein

Houmlrsaal beim Institut fuumlr Politikwissenschaft Dort

E-Mail aus hellip Wroclaw

lernten wir wie verschiedene europaumlische Staaten mit

der Finanzkrise zu kaumlmpfen hatten und stellten jeweils

unsere Laumlnder selbst vor

Nach der ersten Woche wurden wir in verschiedene

Gruppen aufgeteilt um uumlber Innovation im

oumlffentlichen und privaten Sektor zu forschen

Forschen bedeutete dabei dass wir polnische

Buumlrger interviewten die entweder im privaten oder

oumlffentlichen Bereich taumltig sind Mein bdquoResearch-Haufenldquo

war bunt gemischt ndash von Belgiern uumlber Rumaumlnen

bis hin zu Ukrainern Ohne Verstaumlndigungsprobleme

meisterten wir unseren Arbeitsauftrag was am letzten

Tag feucht-froumlhlich mit allen gefeiert wurde

Am Ende moumlchte ich noch eine Lanze fuumlr die Stadt

Wroclaw und das Land Polen brechen Wir wurden

sehr herzlich aufgenommen Die Stadt mit ihrer

(deutschen) Geschichte war atemberaubend Nicht

nur die alten Gebaumlude haben es mir angetan sondern

die Atmosphaumlre rund um den historischen Stadtkern

Ich habe in diesen zwei Wochen sehr viele Menschen

kennen gelernt einige wuumlrde ich nun als enge Freunde

bezeichnen Das erste Wiedersehen mit Studenten aus

Belgien und Tschechien ist bereits geplant

Bis bald im guten alten Landau

euerDaniel Schumacher

23NeuLand 2014 03

Hochschulgruppe

Eigentlich kommt Cornelia Spengler aus einem ganz anderen Fachgebiet Nach ih-rem Biologiestudium am Karlsruher Insti-tut fuumlr Technologie promoviert sie derzeit in Landau im Fachbereich Natur- und Um-weltwissenschaften Aber auch an sozialer Arbeit hatte sie schon immer Interesse Sie wollte sich nicht nur mit der Wissenschaft beschaumlftigen sondern mit Menschen zu-sammenarbeiten So entdeckte sie fuumlr sich ein sensibles Thema die Integration und Bildungsgerechtigkeit

Cornelia Spengler wollte nicht nur reden sondern handeln In der SchuumllerNavi-Grup-pe in Aachen fand sie ein Vorbild nach dem sie am Campus Landau gemeinsam mit Stu-dentin Sylvia Klaus eine Hochschulgruppe aufbaute Ziel sollte es sein Schuumller zu foumlr-dern die durch ihre mangelnden Deutsch-kenntnisse in der Schule Probleme haben und deren Eltern das Geld fuumlr Nachhilfe nicht aufbringen koumlnnen bdquoWenn die Eltern zu Hause kaum Deutsch sprechen haben die Kinder dort auch wenig Unterstuumltzung fuumlr die Schule Diktate zu uumlben ist dann schlichtweg nicht moumlglichldquo erklaumlrt Speng-ler

SchuumllerNavi bietet neben Hausaufgaben-betreuung und Nachhilfeunterricht auch kulturellen Austausch Mittlerweile betei-ligen sich in der Hochschulgruppe uumlber 20 Studenten die den Schuumllern in schulischen

Aktive Arbeit statt bloszlige TheorieUumlber Integration zu reden bringt nicht viel Sie muss gelebt werden Darum gruumlndete die

Landauer Doktorandin Cornelia Spengler mit Studentin Sylvia Klaus die Hochschulgruppe

SchuumllerNavi die immer mehr Mitglieder zaumlhlt Wie man Integration foumlrdern kann und was

den Ehrenamtlichen ihre Arbeit bringt daruumlber sprach sie mit NeuLand

Belangen zur Seite stehen ihnen das Uni-Leben zeigen und ihnen zuhoumlren wenn sie Probleme haben

Spengler selbst betreut zwei Bruumlder mit tamilischen Wurzeln Um Beruumlhrungspunk-te zu schaffen die fuumlr den Aufbau eines Ver-trauensverhaumlltnisses wichtig sind hat sie mit den Jungs auf dem Campus beispiels-weise gemeinsam mikroskopiert Einer der beiden Bruumlder war stark versetzungsgefaumlhr-det und hat es nun in die naumlchste Klasse geschafft Ein Stuumlck weit schreibt sie diesen Erfolg SchuumllerNavi zu

bdquoSchwierig ist es zu unterscheiden welche Kinder wirklich der Foumlrderung beduumlrfenldquo so Spengler In Konkurrenz mit Nachhilfe-Firmen will die Gruppe nicht treten Ziel-gruppe sind Kinder die in der Schule haumlufig nicht ausreichend gefoumlrdert werden und deren Eltern sich keine professionelle Nach-hilfe leisten koumlnnen Daher hat SchuumllerNavi Kooperationen mit sozialen Institutionen Landaus die ihnen die Kontakte weiterver-mitteln bdquoDer Bedarf ist riesig Wir koumlnnen ihn gar nicht deckenldquo berichtet Spengler Daher ist die Hochschulgruppe auch staumln-dig dabei neue Mitglieder zu werben

Fuumlr die Zukunft plant die Hochschul-gruppe eine weitere Kooperation mit ELKE (Eltern Kompetenzen erlernen) um die El-tern weiterzuschulen beispielsweise mit Sprachkursen Dadurch sollen diese ihren

Kindern besser bei schulischen Aufgaben selbst helfen koumlnnen

Neben dem Gefuumlhl etwas Gutes zu tun sieht Spengler aber auch andere Vorteile fuumlr das Ehrenamt Gerade Lehramtsstu-denten koumlnnen sich hier ausprobieren und paumldagogische Konzepte umsetzen die sie aus der Theorie kennen Jeder koumlnne viel lernen erklaumlrt sie Man uumlbe hier nicht nur den Umgang mit Kindern und Jugendli-chen sondern lerne auch viel uumlber fremde Kulturen Sie selbst habe von ihren zwei Nachhilfeschuumllern bereits viel uumlber Feierta-ge und Sitten ihrer Kultur aber auch einzel-ne Vokabeln ihrer Sprache gelernt Und die Schuumller seien sehr interessiert an deutschen Gebraumluchen und Eigenarten

Fuumlr das ehrenamtliche Engagement hat SchuumllerNavi bereits Preise bekommen Bei der Initiative fuumlr Integration von bigFM be-legten sie den dritten Platz Das Preisgeld investierte die Gruppe unter anderem um mit ihren Schuumllern die Zooschule zu besu-chen In diesem Jahr erhaumllt SchuumllerNavi zu-dem den Campus-Kulturpreis des Campus Landau

bdquoMan redet immer uumlber Integration Von Menschen mit Migrationshintergrund wird erwartet sich hier zu integrieren Aber das liegt ja auch an uns Man muss sie auf die-sem Weg unterstuumltzenldquo erklaumlrt Doktorandin Spengler (rst)

Termine ImpressumHerausgeberReferat fuumlr Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit der Universitaumlt Koblenz-Landau Campus Landau Fortstraszlige 7 76829 Landau

RedaktionsteamKerstin Theilmann (ket) (verantw) Berend Barkela (bb) Wilfried Dorsch (wdo) Sebastian Kapp (kap) Daniel Schumacher (dan) Rosa Stecher (rst)

LayoutMedienzentrum Campus Landau Berend Barkela

FotosTitel Imago Fotoarena S 2 S 3 privat S 5 Imago Xinhua S 7 oben kanvag - Fotoliacom S 7 unten Medienzentrum Hiller S 9 Imago ITAR-TASS S 10 Imago Steinach S 11 Imago DeFodi S 13 Imago PPfotodesign S 15 JiSign - Fotoliacom S 17 Medienzentrum Hiller S 19 Medienzentrum Barkela S 20 Medienzentrum Hiller S 21 und 22 Daniel Schumacher

KontaktKerstin TheilmannTel 06341 280-32219 E-Mail theiluni-koblenz-landaude

Aus Gruumlnden der besseren Lesbarkeit verwenden wir in unseren Artikeln die maumlnnliche Form Damit sind stets Frauen und Maumlnner gemeint

Die Redaktion behaumllt sich die Kuumlrzung und Uumlberarbeitung von Texten vor Die Meinung einzelner AutorinnenAutoren gibt nicht immer die Meinung der Redaktion wieder

28101014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Florian Ostertag Atrium Infos unter wwwasta-landaude

05112014 ab 2130 Uhr Atriumsfete Infos unter wwwasta-landaude

06112014 20 Uhr Poetry Slam Landau Universum Kinocenter Infos unter wwwzkwuni-landaude

19112014 1930 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Friedensprojekt Europa in der Krise Mit Bundesministerin aD Heidemarie Wieczorek-Zeul und weiteren Gaumlsten Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

19112014 21 Uhr Konzert bdquoBeats und Pianoldquo Audimax Infos unter wwwasta-landaude

1122014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Unland Atrium Infos unter wwwasta-landaude

03122014 19 Uhr Hambacher Gespraumlch Meine Daten gehoumlren den Unternehmen Hambacher Schloss Infos unter wwwfliuni-landaude

05122014 1930 Uhr Reihe bdquoGroszlige Begegnungenldquo mit Sternekoch Alfons Schubeck Jugendstil-Festhalle Landau Infos unter wwwzkwuni-landaude

08122014 1900 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Frieden durch Demokratie Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

Ausblick 13 - 15012015 Poetik-Dozentur mit Rafik Schami Infos unter wwwzkwuni-landaude

Weitere Termine unter wwwuni-koblenz-landaudeaktuell wwwuni-koblenz-landaudeblog

Page 8: Neuland Ausgabe 3/2014

8 NeuLand 2014 03

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

auch nicht verwunderlich da es ja um uns geht und die Frage wie wir unser Leben fuumlhren Die Philosophie ist es die diese Fra-gen immer aufgreift und die damit verbun-denen Probleme rationalisiert aber auch objektiviert Allzu schnell neigt man dazu entweder Gerechtigkeit als beliebig oder alleine bezogen auf unser Empfinden oder die soziale Ordnung zu deuten Das war in der Antike nicht anders als heute Dement-sprechend beginnt ein groszliger Zweig der Philosophie mit der Gerechtigkeitsfrage Das klassische Buch Platons die bdquoPolitealdquo heiszligt im Untertitel bdquoUumlber die Gerechtigkeitldquo Sieht man Platon als einen der Stammvaumlter der Philosophie dann beginnt mit der Ge-rechtigkeitsfrage eine bedeutende Traditi-on der Philosophie

Ist Gerechtigkeit ein KulturbegriffWenn Gerechtigkeit so verstanden wird

dass es eine spezifische Haltung von Men-schen zu Menschen ist eine bestimmte Form wie Menschen ihr Leben miteinan-der fuumlhren und gestalten dann finden wir uumlberall wo es Menschen gibt die Frage nach der Gerechtigkeit Ich wuumlrde sogar so weit gehen dass die platonische Definition der Gerechtigkeit dass jedem das ihm Ge-buumlhrende zukomme uumlberkulturell Geltung beanspruchen kann Dabei kann die spezifi-sche Organisation dieses Prinzips kulturrela-tiv sein Aber das Konzept der Gerechtigkeit das aus der Antike kommt scheint mir kul-turuumlbergreifend Guumlltigkeit beanspruchen zu koumlnnen weil es auf den Menschen in sei-ner Lebensfuumlhrung rekurriert

bdquoEine gerechte Welt Es koumlnnte sein dass man sich mit diesem Anspruch ein wenig uumlberhebtldquo

In juumlngster Vergangenheit gab es viele Be-wegungen bei denen Menschen fuumlr ihre Rech-te und Gerechtigkeit auf die Straszlige gegangen sind auch in Laumlndern in denen man so etwas gar nicht fuumlr moumlglich gehalten haumltte siehe die Laumlnder des Arabischen Fruumlhlings oder die Ukraine Inwieweit vertraumlgt sich Gerechtigkeit mit Demonstrationen besonders wenn Ge-waltausschreitungen im Spiel sind

Das ist eine zwicklige Frage Das Problem in diesen Laumlndern war oder ist dass dieje-

nigen die Macht haben oder hatten diese ungerecht ausgeuumlbt haben Aufgrund sol-cher ungerechter Machtausuumlbung gibt es das Recht des Protestes dagegen also ein Widerstandsrecht Dadurch wird aber nicht gesagt dass jeder Protest selbst gerecht ist

Welche Zutaten braumluchte es fuumlr eine gerech-te Welt Kann es die uumlberhaupt geben oder ist der Wunsch danach eine Utopie

Es kann so etwas wie eine rechtsfoumlrmige Welt geben etwa das was man mit groszligen voumllkerrechtlich abgesicherten Institutionen wie etwa der UNO in Verbindung bringt Dies ist nicht nur wuumlnschenswert sondern auch vernuumlnftig Eine gerechte Welt Es koumlnnte sein dass man sich mit diesem An-spruch ein wenig uumlberhebt Man sieht ja heute dass bereits die Frage nach Rechts-foumlrmigkeit und Rechtskonformitaumlt in inter-nationalen Beziehungen schwierig ist Wie verhaumllt man sich wenn eine Nation trotz geschlossener Vertraumlge in ein anderes Land einmarschiert Hier ist also noch einiges zu tun Eine gerechte Welt jedoch wuumlrde voraussetzen dass jeder von uns zu allen anderen in Handlungssituationen oder sozi-alen Ordnungen der Kooperation steht Das scheint mir nicht nur utopisch das scheint eher irreal

bdquoGerechtigkeit ist nicht so schwer wie man vielleicht denken magldquo

Inwieweit spielt bei der Gerechtigkeit das Gewissen mit Kann ich mir durch Spenden ein gutes Gewissen erkaufen zur Gerechtig-keit beigetragen zu haben

Das Gewissen ist nicht ganz unerheblich aber auch hier wuumlrde ich die Gerechtigkeit zuerst auszligen vor lassen Wenn es beispiels-weise eine Wertvorstellung in meinem Leben ist dass durch Not Getroffenen ge-holfen wird dann faumlllt dies unter das Soli-daritaumltsprinzip Und wenn diese Vorstellung zu meinem Leben gehoumlrt dann verpflichtet mich mein Gewissen meine Wertvorstel-lung zu behalten und nicht einfach von ihr abzuweichen Dann ist es auch sinnvoll zu sagen dass ich meinem Gewissen folge wenn ich anderen oumlkonomisch helfe zum Beispiel durch Spenden Die Gerechtigkeit ist dann allerdings kein direktes Thema Es geht hier nicht um gerecht oder ungerecht

sondern dass zu meinem Wertkosmos die Unterstuumltzung von Menschen gehoumlrt die in Not geraten sind

Inwieweit versuchen Sie selbst Gerechtigkeit zu leben

So wie alle anderen auch Vielleicht be-steht der Unterschied darin dass Philoso-phen darauf reflektieren und ein groszliges Repertoire an begrifflichen und logischen Mitteln besitzen die Handlungen zu ana-lysieren Gerechtigkeit ist nicht so schwer wie man vielleicht denken mag In den aller-meisten Faumlllen praktizieren wir fortwaumlhrend Gerechtigkeit im Umgang untereinander Uns faumlllt es meistens nur auf wenn etwas schieflaumluft Sicherlich gibt es kompliziertere Situationen in denen man nach den Prinzi-pien der Gerechtigkeit fragen und daruumlber nachdenken muss um sie zu klaumlren

bdquoWas wir als gerecht empfinden und was nicht lernen wir im Umgang miteinander in unserer Praxisldquo

Wird dem Menschen ein Gerechtigkeitsemp-finden schon in die Wiege gelegt

Was wir als gerecht empfinden und was nicht lernen wir im Umgang miteinander in unserer Praxis Angeboren ist es nicht aber wir lernen es in unserem Einfaumldeln in unseren gemeinschaftlichen Umgang oder mit den vielfaumlltigen Handlungsspielen in denen wir verstrickt sind Ein einfaches Bei-spiel Eine Familie hat zwei Kinder das eine ist 17 das andere ist 9 Das 17-jaumlhrige Kind darf abends laumlnger lesen oder ausgehen Das 9-jaumlhrige Kind fragt Warum ich nicht Nun weil es nicht das Richtige fuumlr das Kind in dieser Situation ist Diese Entscheidung wird Konflikte bringen aber wir lernen im Umgang mit solchen Praktiken Gerechtig-keit kennen Wir lernen uumlbrigens in diesem Fall auch dass ungleiche Behandlung nicht gleichbedeutend ist mit Ungerechtigkeit Ich wuumlrde daher nicht sagen dass Gerech-tigkeit angeboren aber tief in unserem menschlichen Miteinander verankert ist sonst koumlnnten wir unser Leben nicht fuumlhren

Herr Professor Bermes herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch (ket)

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bdquoPussy Riot stoumlrt SehordnungenldquoPolitischer Protest braucht Aufmerksamkeit Soziale Bewegungen setzen daher

auf gute Inszenierungen um wahrgenommen zu werden Wie wird aumlsthetische

Kommunikation zum Mittel des Protests Und sind diese Inszenierungen ein

Phaumlnomen der modernen Mediengesellschaft NeuLand hat bei Kunstwissenschaft

und Soziologie nachgefragt

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Das Krisenexperiment ist eine soziolo-gische Methode mit der soziale Normen aufgedeckt werden koumlnnen die Akteuren nicht bewusst sind Das geschieht durch die absichtliche Missachtung von Ritualen Be-obachtet man wie die Menschen reagieren wenn ihre Wirklichkeit nicht wie gewohnt funktioniert zeigen sich unausgesproche-ne Uumlbereinkuumlnfte Soziologen sagen dann Hier werden Praktiken der impliziten Kon-struktion sozialer Wirklichkeit offenbar Durch die Reaktionen auf die Stoumlrung der Ordnung wird sichtbar wie die soziale Ord-nung konstruiert wird

In jeder sozialen Gruppe gibt es spezifi-sche Muster nach denen Dinge interpre-tiert werden Unterschiedliche Deutungen von Symbolen und Handlungen entschei-den uumlber Zugehoumlrigkeit und Abgrenzung Das erzeugt Realitaumlt und Wahrnehmung von Realitaumlt Diesen Mechanismus macht sich die Kunst des Performativen zunutze Ein Realitaumltsbruch wirft Fragen auf entfaltet womoumlglich Potenziale um die Ordnung zu aumlndern aber vor allem Er faumlllt auf und stellt somit Oumlffentlichkeit her

Die Kunstwissenschaft versteht dies als bdquoAktionskunstldquo ein kuumlnstlerischer Bereich der erst seit den 1960er Jahren praktiziert wird Bis dato hatte sich die Kunst bei Pro-testkultur eher auf die bildliche Darstellung als eine Illustration oder als eigenstaumlndige Anklage konzentriert Als Beispiel dient Dr Christoph Zuschlag Professor fuumlr Kunstge-schichte und Kunstvermittlung am Cam-pus Landau das Bild bdquoDie Freiheit fuumlhrt das Volkldquo von Delacroix aus dem Jahr 1830 das beruumlhmte Bild der barbusigen Marianne die ndash die Tricolore in der Hand ndash die Aufstaumln-dischen der Juli-Revolution anfuumlhrt Oder

auch Picassos bdquoGuernicaldquo (1937) bdquoEs waumlre fuumlr Picasso nicht denkbar gewesen in Spanien selbst auf die Barrikaden zu gehen und dies als Kunst zu deklarierenldquo sagt Zuschlag Doch bdquoAktionskuumlnstlerldquo tun genau dies set-zen waumlhrend der Aktion aumlsthetische Akzen-te bdquoEs sind Aktionen bei denen der Inhalt waumlhrend der Aktion auch gleich transpor-tiert wirdldquo Man schaut sich die Bilder nicht spaumlter im Museum an ndash sondern diese ge-schehen und wirken weitestgehend in Echt-zeit Schlieszliglich vergroumlszligert YouTube nur die Reichweite doch das Schneeballsystem startet schon mit dem ersten Beobachter auf der Straszlige

Aumlsthetik das bedeutet fuumlr den Kunsthis-toriker in diesem Zusammenhang all das was vom Menschen gestaltet wird was nicht nur eine funktionale sondern daruuml-ber hinaus eine gestalterische Komponen-te besitzt Ins Gruumlbeln kommt Zuschlag bei der Frage ob der legendaumlre Thesen-anschlag Martin Luthers Aktionskunst ge-wesen sei bdquoEs war ein hochsymbolischer und provokativer Akt das ja Aber Luther hat diesen Akt sicher nicht als Kunst schon gar nicht als Aktionskunst verstanden weil es dieses Phaumlnomen und den Begriff im 16 Jahrhundert noch gar nicht gabldquo Aber nicht zufaumlllig faumlllt der Thesenan-schlag in eine Zeit des medialen Wandels ndash schlieszliglich wurde nur ein knappes Jahr-hundert vorher der Buchdruck erfunden Flugblaumltter Pamphlete Kupferstiche und Holzschnitte praumlgten die Zeit bdquoMit der Er-findung des Rundfunks Ende des 19 Jahr-hunderts hat das natuumlrlich noch einmal ganz andere Dimensionen angenommenldquo so Zuschlag Die Aktionen wurden noch unmittelbarer transportiert

Ein medial erfolgreicher Realitaumltsbruch gelang der Gruppe Pussy Riot als sie im Februar 2012 den Altarraum der Christus-Erloumlser-Kathedrale in Moskau stuumlrmte ein Punk-Konzert inszenierte einige Aktivistin-nen vor dem Altar tanzten und respektlose Texte sangen Damit wollten sie gegen die enge Verbindung zwischen orthodoxer Kir-che und Putins System protestieren Ein von der Gruppe produziertes Video der Aktion wurde nach kurzer Zeit bei YouTube veroumlf-fentlicht Fuumlr ihren Auftritt verurteilte ein russisches Gericht drei beteiligte Frauen zu zwei Jahren Haft Das Video ging um die Welt und bescherte der Gruppe eine Solida-ritaumltswelle aus dem Westen

Symbole schaffen Verbindungen

bdquoPussy Riot stoumlrt Sehordnungenldquo sagt So-ziologin Marija Stanisavljevic ebenfalls am Campus Landau taumltig Sie untersucht wie aumlsthetische Kommunikation zum Mittel des Protests werden kann Aumlsthetik versteht sie als eine bdquoArt und Weise wie soziale Phaumlno-mene zum Vorschein gebracht werdenldquo und konzentriert sich dabei insbesondere auf Symbole in Bildern bdquoSymbole sind un-glaublich wichtig Sie schaffen Verbindun-gen zwischen verschiedenen Menschen Sie lassen unterschiedliche Deutungen zu und koumlnnen Gemeinschaft stiftenldquo Dass Pussy Riot vor allem im Westen erfolgreich sind liegt fuumlr Stanisavljevic an westlichen Sehordnungen Das russische System sei konservativ streng und autoritaumlr Pussy Riot seien bunt laut und punkig Sie bieten eine

Die fuumlr den Comic bdquoV for Vendettaldquo gezeichnete Guy-Fawkes-Maske trugen zunaumlchst Aktivisten der Anonymous-Bewegung Waumlhrend der Occupy-Proteste wurde sie auch international sichtbar und entwickelte sich zum Protest-Symbol

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

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Alternative zum russischen politischen Sys-tem bdquoDahinter steht die westeuropaumlische Sehn sucht nach Demokratie in Russlandldquo Trifft der Protest auf andere Sehordnungen hat er auch andere Konsequenzen bdquoDer Pro-test war gegen das System in Russland ge-richtet Tatsaumlchlich hilft er vermutlich dem System die eigenen konservativen Positio-nen zu festigenldquo

Mit der Erforschung aumlsthetischer Protest-kommunikation anhand von Bildern ar-beitet Stanisavljevic in einem noch jungen Bereich der Soziologie bdquoDie Beschaumlftigung mit Bildern und bewegten Bildern ist fuumlr die Soziologie ein relativ neues Phaumlnomenldquo Fuumlhrte die steigende Bedeutung des Visuel-len in geistes- und kulturwissenschaftlichen Traditionen in den 90er Jahren zum bdquoiconic turnldquo ist eine bdquovisuelle Soziologieldquo kaum etabliert Fuumlr eine soziologische Perspektive auf Bilder und Filme muumlssen Methoden und Theorien angepasst und entwickelt werden bdquoBilder haben ihren eigenen Sinn sie brau-chen eigene Zugaumlnge und Methodenldquo sagt Stanisavljevic und versteht ihre Dissertation als einen Beitrag dazu

Fuumlr ihre Bildanalyse begegnet sie Protest-darstellungen zunaumlchst isoliert Den Kon-text um die Situation blendet sie aus und entwickelt moumlgliche Lesarten Anschlie-szligend vergleicht sie diese Uumlberlegungen mit dem vollstaumlndigen Kontextwissen um das Bild Mit dieser Analyse moumlglicher und tatsaumlchlicher Lesarten will Stanisavljevic aufdecken wie durch Bilder in unterschied-lichen Kontexten Realitaumlt erzeugt wird und welche Sehordnungen fuumlr die Deutung die-ser Bilder relevant sind

Dabei unterscheidet sie aumlsthetische Pro-testkommunikation von anderen aumlstheti-

schen Formen Der Kuumlnstler Ai Weiwei zum Beispiel kritisiert in seiner Arbeit das chine-sische System und erlebte wie Pussy Riot staatliche Eingriffe Aber so Stanisavljevic bdquodie massenmediale Rezeption zu Ai Weiwei findet im Feuilleton statt die zu Pussy Riot im Politik-Teilldquo So schaffe Ai Weiwei Kunst die auch politische Kunst sei aumlsthetisierter Protest hingegen sei Politik die sich aumlstheti-scher Mittel bediene Und doch ist dies der vorlaumlufige Houmlhepunkt einer Entwicklung Die Liaison zwischen Protest und Kunst fin-det nicht nur auf der Straszlige statt sondern auch in Ausstellungen und Museen So wur-de bei der Berlin Biennale 2013 der Occupy-Bewegung ein Raum gegeben den die Protestbewegung selbst gestalten durfte bdquoDas wurde sehr kritisiertldquo merkt Zuschlag an Occupy und Kunst Das war fuumlr viele dann doch zu progressiv

Gestoumlrte Sehordnungen ndashProduzierte Sehstoumlrungen

Protestkommunikation will ein groszliges Publikum erreichen bdquoUm in den Massen-medien aufzufallen und in Erinnerung zu bleiben muss sie sich von klassischen Pro-testformen abgrenzenldquo betont Stanisavlje-vic Demonstrationen Transparente und Straszligenschlachten sind demnach ein ge-wohntes Bild in der Berichterstattung Sie entsprechen Sehordnungen Aumlsthetisierte Protestformen unterscheiden sich davon Sie produzieren Sehstoumlrungen Dabei sind sie nicht nur Teil einer Bewegung sondern auch selbststaumlndiges mediales Produkt Das gilt auch fuumlr Erdem Guumlnduumlz Stumm und

regungslos stand er im Juni 2013 auf dem Taksim-Platz nachdem die Proteste rund um den Gezi-Park in Istanbul eskaliert wa-ren Der bdquoStanding Manldquo wurde zu einem Symbol des Protestes

Diese Aumlsthetisierung ist keine Erfindung der Pop-Kultur wie Kunstwissenschaftler Zuschlag weiszlig bdquoDie Nationalsozialisten zum Beispiel hatten ein hohes Maszlig an Aumlstheti-sierung in ihren Auftrittenldquo NSDAP und Pro-test bdquoWir sprechen natuumlrlich von den 1920er und fruumlhen 30er Jahren als die Nazis noch in der Opposition warenldquo Hakenkreuze braune Hemden rote Armbinden all diese Symbolik hatte einen praktischen Zweck bdquoSymbole sind reduzierte abstrakte Bil-derldquo erklaumlrt Zuschlag die Wirkung Es geht um aumlsthetische Praumlgnanz es geht darum Aufmerksamkeit zu generieren und zu er-halten Das Hakenkreuz als bdquoMarkeldquo Binnen von Sekundenbruchteilen wusste jeder wer dort aufmarschierte

Die aumlsthetische Inszenierung schafft eine hohe Aufmerksamkeit wenn sie die ge-wohnte Wirklichkeit stoumlrt Aber wird der Protest durch seine Aumlsthetisierung nicht auch Marke Ist das uumlberhaupt noch Protest oder bereits Marketing bdquoEine Bewegung will an die Macht oder die Macht uumlberwaumll-tigen und braucht dafuumlr Sympathisantenldquo stellt Soziologin Stanisavljevic fest Wie Werbung und PR muumlssen Protestler sich ab-grenzen und anderen signalisieren wofuumlr (oder wogegen) sie stehen Das gilt fuumlr Pro-testbewegungen ebenso wie fuumlr Unterneh-men NGOs Politiker und Oppositionelle Das Buhlen um Aufmerksamkeit zum For-mulieren ihrer Ziele ist allen gemein Dass die Methoden sich aumlhneln ergibt sich von selbst (bbkap)

In Russland verfolgt im Westen gefeiert Waumlhrend drei Aktivistinnen in Russland zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden erhielt die Gruppe Pussy Riot im Dezember 2012 den Sonderpreis des Musikpreises bdquo1 Live Kroneldquo

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

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Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

Wir koumlnnen uns alle noch an die Bilder von Stuttgart 21 erinnern wuumltende Buumlrger Hundertschaften an Polizisten und ein noch groumlszligerer Medienrummel Viel wurde uumlber die sogenannten bdquoWutbuumlrgerldquo diskutierthellip Aber was treibt Menschen ganz allgemein dazu fuumlr Sachen einzutreten und dafuumlr auf die Straszlige zu gehen

Tobias Rothmund ist Junior-Professor fuumlr politische Psychologie am Campus Landau und erforscht Protestverhalten In seiner Forschung geht es vor allem um die Mo-tivation von Menschen an einem Protest teilzunehmen Dabei muumlsse man erst in der Gerechtigkeitspsychologie nach Ant-worten suchen also was Menschen fuumlr gerecht oder ungerecht erachten wuumlrden erklaumlrt er bdquoEs gibt Protestverhalten das aus dem Gefuumlhl persoumlnlicher Benachtei-ligung motiviert ist und es gibt die Pro-testmotivation aus der Beobachtung der Benachteiligung andererldquo Rothmund er-gaumlnzt bdquoWenn jemand nicht das bekommt was er glaubt zu verdienen dann wird es als ungerecht wahrgenommen Unge-rechtigkeit kann man aber nicht nur aus der Opferperspektive betrachten sondern auch als Beobachter von Ungerechtigkeitldquo Als Beispiel nennt Roth mund Proteste an der Universitaumlt Dabei wuumlrde man sich zum Beispiel als Studierender direkt benach-teiligt fuumlhlen Als Dozent koumlnne man als Beobachter zustimmen und Studierende deshalb unterstuumltzen Trotzdem sei man nicht in der Rolle des Benachteiligten er-laumlutert Rothmund

In der Forschung gibt es nach Tobias Roth-mund drei groszlige Theorien um (politischen) Protest oder Protestverhalten zu erklaumlren Theorie der sozialen Gerechtigkeit soziale Identitaumltstheorie und Rational Choice-The-orie Diese seien allerdings nicht getrennt voneinander zu betrachten sondern inei-nander verschraumlnkt bdquoAusloumlser von Protest ist in der Regel ein Gefuumlhl der Benachteili-gungldquo verdeutlicht Rothmund Man koumlnne das haumlufig beobachten bei Tarifverhandlun-gen Ob sich jemand unzureichend bezahlt fuumlhle haumlnge nicht unbedingt vom absolu-ten Einkommen ab sondern mit wem sich die Personen und Gruppen vergleichen wuumlrden bdquoInsofern kann es selbst bei Per-sonen zum Gefuumlhl der Benachteiligung kommen die von anderen als sehr privile-giert wahrgenommen werdenldquo In der Psy-chologie wuumlrde man deshalb von relativer Deprivation sprechen ndash also das Gefuumlhl der Benachteiligung relativ zu einem gewissen Vergleichsstandard

Eine wichtige Rolle spielt auch das Kol-lektiv und die soziale Gruppe die sich als protestierende Gruppe versteht Rothmund fuumlgt an bdquoMan sieht in der Regel keine ein-zelnen Personen protestieren Protest geht gewoumlhnlich von sozialen Bewegungen ausldquo Beispiele dafuumlr waumlren die Anti-Atom-Bewegung oder Gewerkschaften bdquoOftmals schlieszligen sich Personen in sozialen Grup-pen zusammen um ein politisches Ziel zu erreichenldquo Wichtig fuumlr die Motivation sei ein Gefuumlhl des Zusammenhalts und fuumlr ein ge-meinsames Ziel einzustehen bdquoDesto groumlszliger

eine Protestbewegung ist desto eher ist sie auch ein Selbstlaumluferldquo konkretisiert Roth-mund Oft sei es so dass ein Protest erst eine kritische Masse erreicht haben muumlsse damit Buumlrger dabei sein wollen bdquoDie Pro-testbewegung fungiert hier als sinnstiften-de soziale Gruppeldquo

Der dritte Strang ist eher aus der Rational Choice-Theorie also dem rationalen Den-ken abgeleitet bdquoDie Bereitschaft zu protes-tieren haumlngt immer auch davon ab ob die Leute glauben dass es etwas bringt und ob sie mit dem Protest etwas erreichen koumln-nenldquo versichert Rothmund Das haumlnge auch stark von der Groumlszlige der Protestbewegung ab weil natuumlrlich eine groumlszligere Protestbe-wegung meist die Erwartung ausloumlse dass man mit dem Protest etwas erreichen koumln-ne Als Beispiel veranschaulicht Rothmund bdquoWenn zehn Leute in der Landauer Innen-stadt protestieren wuumlrde sich niemand da-fuumlr interessieren Wenn sie dagegen einen studentischen Protest mit 1000 Studieren-den organisieren dann waumlre sicherlich die Hoffnung bei jedem Teilnehmer groumlszliger damit etwas bewirken zu koumlnnenldquo Eine weitere Motivation koumlnne aber auch die Ak-tualitaumlt von Themen sein bdquoWenn ein Thema oder Projekt einen ungewissen Ausgang hat wird man wahrscheinlich eine groumlszligere Erwartung haben durch einen Protest oder eine Aktion etwas veraumlndern zu koumlnnen als wenn man weiszlig man steht mit seiner Mei-nung allein auf weiter Flurldquo

Tobias Rothmund erklaumlrt weiter dass sich Menschen darin unterscheiden wodurch

Protestbewegungen ndash Von Gerechtigkeit uumlber Kollektiv bis zur Rationalitaumlt

Stuttgart 21 Anti-Atom- oder Occupy-Bewegung ndash Leute gehen immer wieder auf die

Straszlige um fuumlr eine Sache einzutreten Aber woher kommt das Passend zu unserem

Schwerpunkt berichtet Junior-Professor Dr Tobias Rothmund wie die Psychologie im

Bereich Protestkultur forscht und warum Gerechtigkeit eine zentrale Rolle dabei spielt

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sie zum Protest motiviert werden bdquoManche sind vielleicht rationaler und brauchen ein erreichbares Ziel andere moumlchten moumlgli-cherweise eher Teil einer Gruppe sein zu der ihr soziales Umfeld gehoumlrt Wieder an-dere sind besonders sensibel in Bezug auf Gerechtigkeit und Ungerechtigkeitldquo Man koumlnne diese oben angesprochenen drei Motivationen daher auch als Dimension fuumlr Persoumlnlichkeitseigenschaften verstehen die Menschen unterschiedlich stark moti-vieren koumlnnten

Der Wutbuumlrger von Stuttgart 21

Rothmund hat in diesem Jahr zusam-men mit den beiden Landauer Psycholo-gen Anna Baumert und Axel Zinkernagel einen wissenschaftlichen Artikel zu den durch Stuttgart 21 bekannt gewordenen bdquoWutbuumlrgernldquo publiziert bdquoWas wir bei Stutt-gart 21 untersucht haben betrifft vor allem die Dimension der Gerechtigkeitldquo erlaumlutert Rothmund Ausgehend von der generellen Annahme die bdquoWutbuumlrgerldquo seien eine kon-servative Personengruppe die in Stuttgart wohne sich vor allem um eigenen Besitz und egoistische Annehmlichkeiten sorge haben die drei Forscher bei einer Befragung Persoumlnlichkeitsmerkmale von Protestieren-den erfasst Dabei wollten sie die Persoumln-lichkeitsstruktur der Protestierenden besser verstehen Im Besonderen ging es ihnen um

die Frage inwiefern opfersensible Personen (also Menschen die sich selbst besonders leicht benachteiligt fuumlhlen) oder beobach-tersensible Personen (also Menschen die eher sensibel fuumlr die Benachteiligung ande-rer sind) eher protestierten Sie befragten zirka 1000 Buumlrger darunter Befuumlrworter Gegner und Unentschlossene von Stuttgart 21 Das Resultat bdquoLeute die opfersensibel sind haben gar nicht haumlufiger protestiert Das war interessanterweise genau umge-kehrt Es haben also eher Leute protestiert die sensibel dafuumlr sind dass andere benach-teiligt werdenldquo bemerkt Rothmund Das sei ein interessanter Befund da das eher darauf hindeuten wuumlrde dass Leute nicht nur ei-gennuumltzig fuumlr sich selbst engagiert sondern tatsaumlchlich fuumlr Mitbestimmung oder Ge-rechtigkeit in den Entscheidungsprozessen protestiert haumltten bdquoUnsere Ergebnisse ha-ben gezeigt dass die Leute die dort protes-tiert haben sich gegen ein intransparentes ungerechtes Verhalten der Autoritaumlten ge-wehrt haben und nicht gegen ihre eigene persoumlnliche Benachteiligungldquo verdeutlicht Rothmund

Auf die Frage ob zur Zeit eine Renaissance der Protestkultur vonstatten gehen wuumlrde stellt der Junior-Professor fest bdquoDas wird man erst spaumlter sagen koumlnnenldquo Eines wuumlr-de aber feststehen Durch das Internet sei die Organisation von Protesten sowie der Austausch von Informationen einfacher Da-durch wuumlrden Menschen viel schneller mo-bilisiert werden koumlnnen meint Rothmund(dan)

Wutbuumlrger

2010 kam zum ersten Mal das Schlagwort bdquoWutbuumlrgerldquoauf Gepraumlgt vom Spiegel-Journalisten Dirk Kurbjuweit beschreibt der Begriff eine vor-nehmlich aumlltere gebildetere und wohlhabende Personengruppe die sich mit Wut und Empoumlrung gegen politische Entscheidungstraumlger auflehnt

Demonstration auf dem Stuttgarter Schlossplatz am 18 Februar 2012

Literatur

Rothmund T Baumert A amp Zinkernagel A (2014) The German bdquoWutbuumlrgerldquo - How Justice Sensitivity Accounts for Individual Differences in Political Enga-gement Social Justice Research 27(1) 24-44

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Weiterbildung ist zentrales Thema fuumlr Claudia Ehrhardt Bei der Geschaumlftsfuumlhrerin der Arbeitsstelle der Weiterbildung der Wei-terbildenden (AWW) mit Sitz am Campus Landau laufen seit uumlber 14 Jahren die Faumlden der im Verein angeschlossenen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungseinrichtungen zusammen Fuumlr die Diplom-Paumldagogin sind die PIAAC-Ergeb-nisse ein eindeutiger Indikator dass bei der Grundbildung Erwachsener Handlungsbe-darf besteht Dass diese ndash ganz anders als die PISA-Ergebnisse ndash medial kaum aufgegriffen oder diskutiert wurden bilde den Stellen-wert der Weiterbildung in der Gesellschaft ab Dabei sind die dort getesteten Groumlszligen fuumlr ein erfolgreiches Arbeitsleben die Teilha-be an der heutigen Gesellschaft und die Pro-duktivitaumlt von Betrieben und Unternehmen bedeutsam

PIAAC (Programme for the International Assessment of Adult Competencies) ist die erste internationale Vergleichsstudie die zentrale Grundkompetenzen in der erwach-senen Bevoumllkerung beleuchtet Von Herbst 2011 bis Fruumlhjahr 2012 hat die Organisation fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Deutschland und uumlber 20 weiteren Laumlndern bei Erwachsenen im erwerbsfaumlhigen Alter von 16 bis 65 Jahren Lese- und alltagsmathematische Kompe-tenzen sowie technologiebasierte Problem-loumlsekompetenzen gemessen Das Ergebnis Deutschland liegt leicht unter dem OECD-Durchschnitt Allerdings schneiden juumlngere Erwachsene besser ab als aumlltere Vermutlich eine positive Folge der Bildungsanstrengun-gen nach PISA

PIAAC habe gezeigt dass auch im Erwach-senenalter gilt was fuumlr Schulkinder bittere Realitaumlt ist Das Bildungsniveau ist abhaumlngig von der Herkunftsfamilie bdquoWer uumlber keine gute Grundbildung verfuumlgt wird auch keine Weiterbildung machenldquo so Ehrhardt Und wer sich nicht weiterbildet faumlllt in der Ar-beitswelt zuruumlck Daher sei es erfreulich dass seit einigen Jahren verstaumlrkt in Projektfinan-zierungen im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung investiert werde so Ehrhardt

Moumlgliche Ruumlckschluumlsse aus den PIACC-Ergebnissen auf die Weiterbildung diskutier-ten Experten auf einer von Claudia Ehrhardt organisierten Fachtagung im Fruumlhjahr Der Tenor Die Professionalisierung der in der Weiterbildung taumltigen Paumldagogen Dozenten oder Trainer muss darauf setzen fuumlr die Ar-beit mit Bildungsverlierern entsprechend zu sensibilisieren ndash mit dem Ziel diesem abge-haumlngten Bereich eine Perspektive zu bieten Dieser Professionalisierungsaufgabe wird sich die AWW auch in Zukunft widmen

Weiterbildung ohne Raum und Zeit

Fuumlr die Arbeit des Zentrums fuumlr Fernstudi-en und Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) sieht Geschaumlftsfuumlhrer Dr Burkhard Lehmann aufgrund der PIACC-Ergebnisse keine unmit-telbaren Implikationen Denn die Teilnehmer der diversen Studiengang- und Kursangebo-te des ZFUW seien in der Regel die ohnehin bildungsaffinen Menschen die gewohnt sei-en sich zu qualifizieren Auf die Gruppe die

in PIAAC schlecht abgeschnitten habe seien die ZFUW-Bildungsangebote gar nicht zuge-schnitten

Das ZFUW hat als aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz seit uumlber 20 Jahren Erfahrung in der wissen-schaftlichen Weiterbildung bdquoWir haben uns mit dem Fernstudium und der Fernlehre fuumlr ein spezifisches Bildungsformat ent-schiedenldquo so Lehmann Denn dieses Format werde den Beduumlrfnissen der Bildungsinte-

Um die Kompetenzen Erwachsener beispielsweise im Lesen scheint es in Deutschland

nicht gut bestellt Das zumindest ist das Ergebnis der PIAAC-Studie Haben die Ergebnisse

Auswirkungen auf die Erwachsenenbildung NeuLand hat sich bei der Arbeitsstelle der

Weiterbildung der Weiterbildenden (AWW) und dem Zentrum fuumlr Fernstudien und

Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) erkundigt

Das ZFUW

Das Zentrum fuumlr Fernstudien und Universitaumlre Wei-terbildung (ZFUW) ist eine zentrale Einrichtung der Universitaumlt Koblenz-Landau Mit mehr als 21 Jahren Erfahrung ist das ZFUW die aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz Das ZFUW ist auf das Angebot postgradualer Fernstudien-gaumlnge spezialisiert veranstaltet daneben aber auch Weiterbildungen im Praumlsenzformat (z B Seminare)wwwuni-koblenz-landaudezfuw

Gute Grundbildung bedingt Weiterbildung

PIAAC-Studie

ressierten ohne Bindung an Raum und Zeit am meisten gerecht In Ballungsraumlumen wie Hamburg Muumlnchen oder Berlin wo sich die Kunden aus dem lokalen Umfeld akquirie-ren lassen funktionieren auch Praumlsenzan-gebote weiszlig Lehmann bdquoBefindet sich eine Einrichtung allerdings in einer Randlage operiert man besser auf der Ebene der Fern-lehre bei der die Organisation zum Teilneh-mer kommt und nicht der Teilnehmer zur Organisationldquo

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Nutzen und Folgen des Internets

Das Schnuumlren zeitgemaumlszliger Themen und Inhalte ist zentral um das ZFUW wettbe-werbsfaumlhig zu halten Derzeit unterhaumllt es die Programmbereiche Umwelt Energie und Management Expertise holt sich das ZFUW vorrangig aus den eigenen Reihen der Ko-

gogikldquo Damit sollen Lehrerinnen und Leh-rer fit gemacht werden fuumlr den schulischen Alltag in Zeiten der Inklusion bdquoDie Laumlnder stellen zwar den Finanzbedarf fuumlr Inklusion in der Schule allerdings fehlt eine profun-de Qualifizierung der Lehrkraumlfteldquo erklaumlrt Lehmann den Ansatz des neuen Weiterbil-dungsprogramms Mit einem Kooperati-onspartner bereitet das ZFUW ein weiteres Programm vor bdquoBusiness Communications and Rhetoricldquo

Weiterbildung heute so wichtig wie noch nie

Fuumlr das berufliche Weiterkommen ist Wei-terbildung heute so zentral wie noch nie bdquoDie Halbwertszeit des Wissens wird immer kuumlrzerldquo bekraumlftigt Claudia Ehrhardt Die PIAAC-Studie habe daher auch gezeigt wie wichtig Kompetenzaufbau -erhalt und -er-weiterung in der Berufswelt seien Die zahl-reichen Innovationswellen im beruflichen Kontext gerade im EDV- oder Produktions-kontext lassen den Bedarf an Weiterbildung kontinuierlich steigen versichert Burkhard Lehmann Warum Menschen letztendlich sich fuumlr eine Weiterbildung entscheiden da-fuumlr gebe es drei zentrale Gruumlnde Lehmann unterscheidet zwischen Selbstperfektionie-rern Tool-Suchern und Karriere- oder Ab-schlussorientierten Der ersten Gruppe liegt daran die eigene Persoumlnlichkeit weiterzu-entwickeln und sich fuumlr private Interessen mehr Wissen anzueignen Die Tool-Sucher erweitern gezielt ihre Kompetenzen um

Die AWW

Die Arbeitsstelle fuumlr die Weiterbildung der Weiterbil-denden (AWW) foumlrdert die Zusammenarbeit zwischen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungsorganisationen Der bundesweit einzigartige Verein ist eine wichtige Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis im Bereich der Weiterbildung Gegruumlndet wurde die AWW 1998 auf Initiative des Ministeriums fuumlr Bildung Wissenschaft Weiterbil-dung und Kultur Die AWW hat ihren Sitz in Landau und ist der Universitaumlt Koblenz-Landau angegliedert Unter dem Motto bdquoBesser lehren lernenldquo organisiert die AWW Workshops und Fachtagungen fuumlr Personen die in der Weiterbildung taumltig sind wwwaww-landaude

blenzer und Landauer Wissenschaftler bdquoWir arbeiten aber auch konsortialldquo so Lehmann bdquound halten somit ein bestimmtes Know-how vor das an den Standorten unserer Uni-versitaumlt nicht verfuumlgbar istldquo Selbst wenn die Flexibilitaumlt bestehe auch nicht einschlaumlgige Themen zu vertreten entwickele das ZFUW vornehmlich Angebote im Kernbereich der Universitaumlt Koblenz-Landau

Derzeit arbeiten Lehmann und sein Team an dem neuen Programm bdquoInklusionspaumlda-

berufliche Herausforderungen meistern zu koumlnnen Vertreter der dritten Gruppe tum-meln sich vorwiegend im akademischen Feld Da man fuumlr die Ausuumlbung bestimmter Funktionen im beruflichen Aufstieg meist Bescheinigungen uumlber entsprechendes Wissen oder Kompetenzen benoumltigt ori-entiert sich deren Weiterbildungsbedarf an Abschluumlssen

Entsprechend unterscheidet Lehmann auch zwischen drei Weiterbildungsberei-chen die klassische die betriebliche und die wissenschaftliche Weiterbildung Die klassische Weiterbildung wird beispiels-weise von Volkshochschulen betrieben und richtet sich an ein breites Publikum Im betrieblichen Kontext sollen Arbeitnehmer ihre Kompetenzen erweitern und ihr Wissen erhoumlhen beispielsweise wenn Vertriebs-mitarbeiter im Umgang mit einem neuen Produkt geschult werden muumlssen oder eine neue Software im Unternehmen eingefuumlhrt wird Die wissenschaftliche Weiterbildung ermoumlglicht akademisch vorqualifiziertem Personal sich auf neue Aufgaben etwa als Fuumlhrungskraft vorzubereiten

Die Zeiten in denen Lernen mit dem Verlassen der Schule dem Abschluss der Ausbildung oder dem Universitaumltsexamen beendet war sind definitiv vorbei Wer im Berufsleben bestehen will wird um regel-maumlszligige Weiterqualifizierung nicht umhin kommen PIACC soll in einem Rhythmus von zehn Jahren wiederholt werden um ein Laumlngsschnitt-Bild der Entwicklung zu er-halten Man darf gespannt sein wohin sich die Kompetenzen deutscher Erwerbstaumltiger entwickeln (ket)

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Sprachbedrohung und Sprachentod

Sprachbedrohung und Sprachentod sind ein weltweites Phaumlnomen Linguisten ge-hen davon aus dass etwa alle zwei Wochen eine Sprache stirbt In 100 Jahren so schaumlt-zen Sprachforscher werden im besten Fall noch die Haumllfte dieser Sprachen existieren vielleicht aber auch nur noch zehn Prozent von ihnen Waumlhrend die 20 groumlszligten der zir-ka 6800 lebenden Sprachen von der Haumllfte der Weltbevoumllkerung gesprochen werden weisen die meisten Sprachen eine Gemein-schaft von nur wenigen hundert oder tau-send Sprechern auf Von bevorstehendem Sprachentod spricht man wenn eine Spra-che aufhoumlrt Muttersprache oder Erstspra-che zu sein ndash also dann wenn sie nur noch sekundaumlr erlernt wird und damit die noumltige Sprachpflege verliert Der endguumlltige Tod tritt ein wenn es keine Sprecher mehr gibt

Sprachbedrohung und Sprachentod fin-den auf allen Kontinenten statt und neh-men ein immer schnelleres Tempo auf je weiter die Globalisierung voranschreitet Viele andere Faktoren wie unter anderem starke Migrationsbewegungen Zuwande-rung und Urbanisierung sowie ein hohes Alter der Sprecher oder die geringe wirt-schaftliche Staumlrke einer Sprache wirken zudem auf den Sprachbestand ein Stark gefaumlhrdete Sprachen sind vor allem in den Regionen Nord- und Suumldamerika Austra-lien Asien Westafrika und in Nord- und Ostsibirien vorzufinden In diesen Regio-nen kommt es zur massiven Verletzung von Sprachenrechten

Anglistik-Professor Dr Martin Puumltz ist Linguist und beschaumlftigt sich mit Sprache und ihren vielfaumlltigen sozialen kulturel-len und psychologischen Auspraumlgungen Zusammen mit seiner Kollegin Dr Monika Reif hat er im Fruumlhjahr 2014 das 36 Interna-tionale LAUD Symposium organisiert das sich rund um das Thema Sprachbedrohung und Sprachentod drehte (siehe Infokasten) Puumltz erklaumlrt Sprache sei relevant da sie ein einzigartiger Schatz an Wissen Ideen und Weltansichten sei bdquoMit den fast 7000

Bevor sie verstummen hellipWeltweit existieren etwa 6800 Sprachen doch die Vielfalt nimmt rasant ab Was

bedeutet es wenn Sprachen sterben Was bleibt von einer Kultur uumlbrig wenn ihre Art

die Welt zu beschreiben wegfaumlllt und die Urahnen verstummen

Sprachen auf unserer Welt gibt es auch fast 7000 Arten die Welt auf unterschiedliche Art wahrzunehmen und sie zu beschreibenldquo erlaumlutert der Linguist Beispielsweise haben einige Sprachen der Ureinwohner Amerikas ein komplett anderes Zeitsystem Dinge in der Zukunft oder Vergangenheit auszudruuml-cken gehe in diesen Sprachen nicht mit den uns bekannten grammatikalischen Moumlg-lichkeiten

Sprache ist also nicht nur ein Mittel der Kommunikation sondern bietet einen tiefen Einblick in die Einstellungen und Wahrnehmungen gegenuumlber der Welt kon-serviert Traditionen und Geschichte einer Kultur und gibt einzigartiges Wissen an die naumlchste Generation weiter beispielsweise uumlber Heilmittel und Pflanzen aber auch Ge-fuumlhle Spiritualitaumlt und soziale Einsichten Es gibt so etwas wie eine kulturelle Identitaumlt und die wird maszliggeblich von Sprache ge-praumlgt Warum aber verschwinden so viele Sprachen von der Bildflaumlche Natuumlrlich gibt es viele aumluszligere Umstaumlnde warum Sprachen ihre Sprecher verlieren Gerade in der Kolo-nialzeit haben die Besatzer eine Vielzahl an Sprachen marginalisiert und unterdruumlckt teilweise wurden ganze Voumllker durch Krieg vernichtet z B durch die Kolonialisierung und Besiedlung Nord- und Suumldamerikas die Ausrottung indigener Voumllker in Australi-en oder durch die im 17 Jahrhundert einset-zende Russifizierungspolitik in Osteuropa im Kaukasus und in Sibirien Auch Natur-katastrophen wie Erdbeben oder Vulkan-ausbruumlche koumlnnen stark regional gepraumlgte Sprachen toumlten

Auch wenn Sprachwissenschaftler versu-chen bedrohte Sprachen durch Aufzeich-nung Uumlbersetzung sowie die Bewahrung und Verbreitung von Sprachaufzeichnun-gen zu dokumentieren erwecken sie diese dadurch nicht mehr zum Leben Mit No-tizbloumlcken und Aufnahmegeraumlten kann man zwar einen Teil des Wortschatzes der Grammatik und Aussprache festhalten in geringerem Maszlige jedoch Redewendungen

Gebraumluche und Beschreibungsmodelle fuumlr die Welt einfangen Nur wer eine Sprache muttersprachlich spricht kann ihre zahlrei-chen Facetten begreifen Sprachrevitalisie-rung gelingt nur in den seltensten Faumlllen Gegluumlckt ist dies beispielsweise beim mo-dernen Hebraumlisch Iwrith genannt das er-folgreich wiederbelebt und zur offiziellen Amtssprache Israels erhoben wurde Zu-meist ist der Sprachtod aber unwiderruflich

In aktuellen Faumlllen der Sprachbedrohung liege das Problem haumlufig nicht an der Um-welt sondern an anderer Stelle erklaumlrt Puumltz Wer einer Minderheitensprache maumlchtig ist hat oftmals das Gefuumlhl damit auf dem Bildungsweg oder im Berufsleben schlech-tere Chancen zu haben Eltern bestehen daher oft darauf dass ihre Kinder die indi-gene Sprache vernachlaumlssigen und statt-dessen eine dominante und wirtschaftlich starke Sprache wie Englisch Spanisch oder Franzoumlsisch zuerst erlernen bdquoSie geben da-mit eine verstaumlrkt negative Einstellung zur Muttersprache an die naumlchste Generation weiterldquo verdeutlicht Puumltz die Problemlage Der Globalisierungseffekt ist somit nicht zu unterschaumltzen denn waumlhrend z B das Eng-lische immer dominanter wird nimmt die Geringschaumltzung und damit einhergehende Vernachlaumlssigung indigener Sprachen wei-ter zu Um den Sprachentod aufzuhalten benoumltigt es also weniger Dokumentation als vielmehr eine grundlegende Aumlnderung der Einstellung zu Minderheitensprachen und indigenen Sprachen (rst)

Linguistic Agency University of DuisburgTrierLandau (LAUD)

Seit 1973 finden unter diesem Namen alle zwei Jahre Konferenzen zum Thema Sprache statt ndash zunaumlchst in Trier und Duisburg und seit 2000 in Landau Das 36 LAUD Symposium wurde im Fruumlhjahr 2014 zum Thema bedrohte Sprachen und Sprachentod veranstaltet Uumlber 90 Teilnehmer aus 25 Laumlndern besuchten die Veranstaltung

17NeuLand 2014 03

Kinder- und Jugendhospitzarbeit

Wie lassen sich die Arbeit und das Zu-sammenleben in Kinder- und Jugendhos-pizen verbessern Wie werden Kinder und Jugendliche wirkungsvoll begleitet die an einer unheilbaren Krankheit leiden oder die einen Trauerfall in der Familie verar-beiten muumlssen bdquoBislang konnten sich die Einrichtungen ausschlieszliglich durch ein Qua-litaumltssiegel bewerten lassenldquo sagt Sven Jen-nessen Das bedeute harte generalisierte Bewertungsfaktoren bdquoDabei unterscheiden sich die Einrichtungen teilweise gravierendldquo So sei etwa die Nachfrage nach tuumlrkischer Sprachkompetenz in einigen Einrichtungen zwar sehr hoch ndash es gebe aber auch Einrich-tungen bei denen der Bedarf schlicht nicht erkennbar sei Hier muumlsse man individuell auf die Beduumlrfnisse der Einrichtungen der Mitarbeiter der Kinder und Jugendlichen sowie der Familien eingehen Fuumlr Jennessen ist dies nur eines von vielen Beispielen bei dem sich die Schwaumlche starrer Bewertungs-

kriterien zeigt Immerhin muumlsse gerade in diesem sensiblen Bereich der Mensch im Mittelpunkt stehen ndash und keine Checkliste

Deshalb ist der Qualitaumltsindex fuumlr Kin-der- und Jugendhospizarbeit QuinK auch bdquoandersldquo Der Fokus liegt nicht nur auf den Antworten sondern auch auf der Kom-munikation zwischen den Beteiligten also zwischen haupt- und ehrenamtlichen Mit-arbeitern mit Eltern Kindern und auch Geschwistern bdquoNachhaltige Qualitaumltsent-wicklung funktioniert nur durch Kommuni-kation aller Beteiligtenldquo so der Ansatz von Sven Jennessen Und damit sind auch die Juumlngsten gemeint bdquoWir sehen die Kinder als Experten in eigener Sache anldquo erklaumlrt Stefanie Hurth Gerade die Einbeziehung der Geschwister stelle derzeit bei vielen Einrichtungen ein Problem dar Denn die muumlssten bei einer todbringenden Krank-heit der Schwester oder des Bruders haumlufig zuruumlckstecken Nur selten bleibe das ohne

Konflikte wodurch sie im schlimmsten Fall die Moumlglichkeit versaumlumten sich von ihren Geschwistern zu verabschieden bdquoHier gibt es kein Schema F Viel wichtiger ist dass die Betroffenen sich austauschen die Themen aufgreifen und dann Loumlsungen entwickelnldquo sagt Hurth

Der QuinK soll durch seine zur Reflexion anregenden Fragen diese Kommunikati-on ermoumlglichen und eine Art Diskussions-Agenda darstellen Daher wurde QuinK in den vergangenen Monaten in drei stationauml-ren Kinder- und Jugendhospizen und zwei ambulanten Kinderhospizdiensten getes-tet Jennessen und Hurth besuchten die Einrichtungen in Unna Duumlsseldorf Syke Darmstadt und Wiesbaden regelmaumlszligig bdquoDer QuinK ist nicht am gruumlnen Tisch ent-standenldquo sagt Sven Jennessen

Das Team aus Landauer Wissenschaftlern wurde unterstuumltzt vom Deutschen Hospiz- und Palliativverband (DHPV) Mit diesem zusammen wurden zwoumllf Grundsaumltze fuumlr die Arbeit von Kinder- und Jugendhospizen verfasst Das seien komplexe Themen von der Betreuung der Kinder bis zur Oumlffentlich-keitsarbeit fuumlr die jeweils ein aus den drei Kategorien Haltung Strukturen und Prak-tiken bestehender Fragebogen entstan-den ist bdquoEinige Fragen die wir als wichtig erachtet hatten wurden in der Praxis nicht angenommen Andere wiederum haben wir ergaumlnzt Jetzt ist der QuinK fitldquo ist Stefanie Hurth stolz auf das Ergebnis Und Sven Jen-nessen ergaumlnzt bdquoDie Ruumlckmeldungen waren insgesamt sehr positivldquo

Nun soll der QuinK Verbreitung finden Fachvortraumlge auf Konferenzen Artikel in Fachzeitschriften Die Arbeit des Jennessen-Teams ist noch laumlngst nicht abgeschlossen bdquoWir haben aber gute Startvoraussetzun-gen schlieszliglich waren die Praktiker vom DHPV von Anfang an an Bordldquo so Jennes-sen (kap)

QuinK neuer QualitaumltsindexEin neuer Index soll die Betreuung in Kinder- und Jugendhospizeinrichtungen verbessern

Dieser Aufgabe haben sich Professor Dr Sven Jennessen und Stefanie Hurth vom Institut

fuumlr Sonderpaumldagogik in den letzten Monaten gewidmet Nun praumlsentieren sie das

Ergebnis ihrer Arbeit den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit kurz QuinK

Ein Jahr lang hat Stefanie Hurth den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit getestet Nun ist der bdquoQuinKldquo fertig und soll im Oktober in die Praxis gehen

18 NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Nach der neuen Gallup-Studie ist die Ar-beitszufriedenheit zwar im Vergleich zum letzten Jahr gestiegen trotzdem kritisch Nur wenige Menschen fuumlhlen sich bei ihrer Arbeit wertgeschaumltzt Sie suchen stattdes-sen ihr Gluumlck in der Freizeit Hinzu kommt ein dramatischer Anstieg von psychischen Erkrankungen wie dem Burnout-Syndrom Wie kann man mit diesen Gefahren umge-hen

Eine potenzielle Loumlsung liegt im Bereich der positiven Psychologie Sie befasst sich damit unter welchen Umstaumlnden Personen Wohlbefinden Gluumlck und Zufriedenheit erleben Waumlhrend sich vor den 90er Jahren die Sozial- und Verhaltenspsychologen vor allem mit den Defiziten beschaumlftigt haben untersucht man seit 1998 psychologische Prozesse die dazu fuumlhren dass Menschen zufrieden und gluumlcklich und dadurch leis-tungsfaumlhiger sind

Ottmar L Braun ist auszligerplanmaumlszligiger Professor in der Arbeitsgruppe Sozial- und Wirtschaftspsychologie am Campus Landau und befasst sich mit positiver Psycholo-gie Zur Thematik Unzufriedenheit im Job bekraumlftigt er bdquoDie Forschung hat deutlich gezeigt dass sich Techniken der positiven Psychologie vorteilhaft auf die Arbeits- und Lebenszufriedenheit auswirkenldquo Besonders interessant sei das fuumlr Krankenkassen da sie sich mit Krankheit und Gesundheit ausei-

nandersetzen und auch als erste die Kosten von langfristigen Ausfaumlllen zum Beispiel durch Burnout tragen muumlssen Braun wei-ter bdquoDann muumlssen die sich natuumlrlich fragen Wie kommt dasldquo

Braun meint Arbeit duumlrfe nicht krank machen Arbeit muumlsse eher die Moumlglich-keit bieten dass man sich positiv entfalten koumlnne Deshalb muumlssten sich Arbeitgeber darum bemuumlhen dass die Leute mit mehr Spaszlig zur Arbeit kommen bdquoDaruumlber hinaus muumlssen Arbeitnehmer Aufgaben bekom-men um ihre Staumlrken ausleben zu koumlnnenldquo Er konkretisiert bdquoSie brauchen Aufgaben an denen sie persoumlnlich wachsen wo sie quasi aufbluumlhen koumlnnenldquo

In der positiven Psychologie sei der Begriff bdquoaufbluumlhenldquo elementar denn bdquoWenn Per-sonen etwas geleistet haben sprich Ziele erreichen dann sind sie zufriedener und haben wenig handlungsirrelevante Kogniti-onen oder Ablenkung Sie koumlnnen sich wie-der auf ihre Aufgaben konzentrieren und dadurch mehr leistenldquo begruumlndet Braun Zufriedenheit am Arbeitsplatz habe aber auch immer etwas mit der Entwicklung von Fuumlhrungskraumlften zu tun Nach Braun muumlss-ten sie darauf achten dass sie ihr Team ge-sund fuumlhren bdquoKrankenkassen wie die AOK Rheinland-PfalzSaarland bieten deshalb extra Programme dafuumlr an an denen wir als Team der Universitaumlt Koblenz-Landau

beteiligt sindldquo Eine weitere Moumlglichkeit fuumlr Arbeitgeber sieht Braun in regelmaumlszligigen Mitarbeiterbefragungen bdquoIm Rahmen von Folgeprozessen kann man dafuumlr sorgen dass zufriedenstellende Arbeitsbedingun-gen vorhanden sind und Missstaumlnde abge-schafft werdenldquo

Allerdings sei die Schuld nicht nur beim Arbeitgeber zu suchen Auch die Mitar-beiter sollten darauf achten ob sie an der richtigen Stelle im Unternehmen eingesetzt oder ob sie vielleicht irgendwo anders bes-ser aufgehoben seien Braun stellt klar bdquoVor der innerlichen Kuumlndigung sollte Unzufrie-denheit konstruktiv zum Ausdruck gebracht werden um dann vielleicht an einer sinn-volleren Stelle eingesetzt zu werdenldquo

Der Professor bemerkt dass die positive Psychologie allerdings nichts Neues sei bdquoIn der Arbeits- und Organisationspsychologie in der wir uns hier bewegen haben Wissen-schaftler ja schon immer das Thema Arbeits-zufriedenheit untersuchtldquo Es sei von daher ein ganz altes Forschungsgebiet welches nun durch die positive Psychologie neu be-reichert werde

Spielend zum GluumlckBraun hat an der Universitaumlt eine eige-

ne Studie zur Zufriedenheit durchgefuumlhrt

Unzufrieden im Job Positive Psychologie kann helfen

Viele kennen es Wenn Montagmorgen der Wecker klingelt faumlllt das Aufstehen oft

schwer besonders wenn man unzufrieden mit seiner Arbeit ist Aber warum ist man

unzufrieden und wie kann positive Psychologie dabei helfen die Unzufriedenheit zu

uumlberwinden NeuLand hat mit dem Professor fuumlr Wirtschaftspsychologie Dr Ottmar L

Braun uumlber die Psychologie der positiven Dinge gesprochen

19NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Dabei wurden Studierende einen Tag lang in Techniken der positiven Psychologie un-terrichtet bdquoAuszligerdem haben sie ein Gluumlcks-tagebuch bekommen bei dem sie ihre Gluumlcksmomente niederschreiben koumlnnen und einiges uumlber Smalltalk und Networking gelerntldquo Die Ergebnisse wuumlrden zeigen dass sich die Zufriedenheit der Studieren-den kurzfristig aber auch langfristig positiv veraumlndere Zudem seien ihr Optimismus und die Studienmotivation angestiegen depressive Verstimmungen gesunken Braun verdeutlicht bdquoAlles so wie man sich das wuumlnschtldquo

In seiner Forschung versucht er eine Bruuml-cke zu schlagen zwischen Techniken der positiven Psychologie und Techniken des Selbstmanagements Das wuumlrde gut pas-sen denn auch in der positiven Psychologie wuumlrden oft Tipps gegeben wie man etwas angehen solle versichert Braun Eine ganz prominente Uumlbung beim Selbstmanage-ment und in der positiven Psychologie sei die bdquoWas ist gut gelaufen-Uumlbungldquo Dabei geht es darum dass man am Abend uumlber-legen soll welche drei Dinge am Tag gut gelaufen sind und welche seiner Staumlrken es waren die dazu beigetragen haben Das sei eine Uumlbung die in der gesamten Literatur empfohlen werde Der Namensgeber der positiven Psychologie Martin Seligman habe zeigen koumlnnen dass die Anwendung

dieser Uumlbung dazu fuumlhre dass Leute nach sechs Monaten weniger depressiv seien Seligman fuumlhre das darauf zuruumlck dass das eine selbstverstaumlrkende Wirkung habe so Braun bdquoDie Leute merken dass sie sich bes-ser fuumlhlen wenn sie daruumlber nachdenken was heute gut gelaufen ist und warum Und deshalb wiederholen sie den Vorgangldquo Es habe dadurch eine langfristige Wirkung

Brauns neuestes Aushaumlngeschild ist ein Brettspiel namens bdquoCareer Games ndash spie-lend trainierenldquo bdquoWir haben Seminare ent wickelt bei denen wir Selbstmanage-ment-Kompetenzen in verschiedenen Le-bens- oder Inhaltsbereichen von Personen staumlrken koumlnnen Dazu dient auch ein Brett-spiel bei dem die Teilnehmer verschiedene Inhaltsbereiche der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder auch Smalltalk und Networking spielend erlernenldquo Jeder Spieler bekomme im Spiel eine Figur und muumlsse seinen Weg durch das Spielfeld wuumlrfeln so Braun bdquoAuf den Fel-dern muumlssen sie dann Quizkarten ziehen die das im Seminar Gelernte noch einmal aufarbeitenldquo Dabei muumlssten sie beispiels-weise drei Dinge nennen die sie in ihrem Leben gluumlcklich machen bdquoDurch den Spiel-charakter lernt man mehr als nur uumlber Se-minareldquo Mit Erfolg Erste Untersuchungen zeigen positive langfristige Effekte durch die Seminar-Brettspiel-Kombination (dan)

Tipps fuumlr die positive Fuumlhrung von Ottmar Braun

Fuumlhrungskraumlfte muumlssen eine gute zwischenmensch-liche Beziehung zu jedem einzelnen Mitarbeiter unterhalten Sie muumlssen auch verbindliche Aussagen machen und zu diesen Aussagen stehen Des Weiteren sollte ein Chef seine Angestellten unterstuumltzen wenn es notwendig ist Wichtig ist auch keinen unnoumltigen Druck aufzubauen sondern Staumlrken von Mitarbeitern kennen zu lernen und zu foumlrdern Von Vorteil koumlnnen auch Begruumlszligungs- und Krankenruumlckkehrgespraumlche sein Es koumlnnte ja sein dass die Krankheit etwas mit den Arbeitsbedingungen zu tun hat Natuumlrlich sind auch Teamsitzungen und Teambildungsmaszlignahmen von groszliger Bedeutung um ein angenehmes Arbeits-klima herzustellen

Spielend lernen Mit dem Brettspiel bdquoCareer Gamesldquo erlernen die Spieler verschiedene Inhalte der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder Smalltalk und Networking

20 NeuLand 2014 03

Psychotherapie-Ambulanz

Wie eine Baustelle sieht die psychothera-peutische Uni-Ambulanz nicht mehr aus Den Abdeckplanen sind bunte Stuumlhle und Stofftiere gewichen im Eingangsbereich liegen Fachmagazine und das Buumlro von Professorin Dr Tina In-Albon ist bereits voller Buumlcher Und doch bdquoist hier noch alles Baustelleldquo so die Professorin fuumlr Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kin-des- und Jugendalters Nach Therapeuten werde noch gesucht die ersten Behandlun-gen seien angelaufen Forschungsprojekte in Planung bdquoEine spannende Phaseldquo bekraumlf-tigt die Ambulanzleiterin

Von nun an wird sich das zehnkoumlpfige Team um die Professorin In-Albon und Ge-schaumlftsfuumlhrerin Dr Daniela Schwarz mit den psychischen Erkrankungen der suumld-pfaumllzer Kinder und Jugendlichen befassen Die Kosten fuumlr die psychotherapeutische Behandlung uumlbernehmen bei Indikation die Krankenkassen Hinzu kommt ein wei-terbildender Studiengang zur Ausbildung in Kinder- und Jugendlichenpsychothe-rapie der im Wintersemester 201415 mit zwoumllf Teilnehmern pro Jahrgang startet In Rheinland-Pfalz ist die Universitaumlt Kob-lenz-Landau in diesem Bereich die einzige universitaumlre Ausbildungsstaumltte Neben der hauseigenen Ambulanz kooperiert der Studiengang mit dem Pfalzklinikum in Klin-genmuumlnster sowie anderen kinder- und ju-gendpsychiatrischen Kliniken in der Region

Kaum eroumlffnet schon stehen die ersten Forschungsprojekte an Derzeit liegt ein Fokus in der Behandlung von Angststoumlrun-gen und Depressionen bdquoVielen Depressio-nen gehen Aumlngste voraus Daher lohnt es diese beiden zusammen zu betrachtenldquo so

Tina In-Albon Laut Statistik leiden zirka 20 Prozent der Erwachsenen und zirka 10 Pro-zent der Kinder unter Angststoumlrungen bei Depressionen sind es sogar 40 Prozent der Erwachsenen und im Jugendalter auch be-reits zwischen 15 und 20 Prozent In Planung befindet sich daher eine Therapiestudie fuumlr Jugendliche mit Angst- und depressiven Stoumlrungen Ein weiterer Forschungsbereich ist das nicht-suizidale selbstverletzende Verhalten im Volksmund auch als bdquoRitzenldquo bekannt bdquoDa machen wir eher Grundla-genforschungldquo so die Professorin Ein spe-zifisches Therapieangebot gebe es derzeit noch nicht ndash bdquodas kann sich aber alles noch entwickelnldquo

Einen weiteren Forschungsschwerpunkt stellt die psychische Gesundheit bei Kindern mit Diabetes dar insbesondere bei Diabetes vom Typ I der im Gegensatz zum bdquoAltersdi-abetesldquo II auch bei Kindern und Jugendli-chen verbreitet ist bdquoHier wissen wir uumlber

Erste Forschungsprojekte stehen an

Ende Juni offiziell eingeweiht hat die Psychotherapie-Ambulanz fuumlr Kinder und Jugend-

liche die Arbeit aufgenommen Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen

haben nun in Landau eine neue Anlaufstation Und auch die Forschung profitiert von der

Einrichtung

die medizinische Forschung zwar schon eine Mengeldquo sagt Tina In-Albon aber aus psychologischer Sicht sei das Thema noch relatives Neuland Wie etwa sieht es bei der psychologischen Betreuung der Kinder aus aber auch der Eltern der Lehrer und sons-tiger zentraler Bezugspersonen Wird die Krankheit und deren Umgang akzeptiert Wie koumlnnen Psychotherapeuten helfen Auch hier schlummert ein Forschungspo-tenzial fuumlr In-Albon bdquoVieles ist im Aufbauldquo sagt sie beschwichtigend Und doch laumlsst sie im Gespraumlch mit NeuLand durchblicken dass sie auch auf diesem Gebiet noch inten-siver forschen moumlchte

Neben der Forschung ist die Hochschul-ambulanz auch in die Lehre im Rahmen des Masterstudiengangs Klinische Psychologie eingebunden So werden die Studierenden beispielsweise in die Diagnostik einbezogen und koumlnnen unter Supervision in Patienten-gespraumlchen Praxiserfahrung sammeln (kap)

In der neuen Universitaumltsambulanz fuumlr Kinder und Jugendliche wird die ganze Palette der psychischen Stoumlrungen behandelt

21NeuLand 2014 03

Wenn man sich seine Dozenten auszligerhalb der Universitaumlt vorstellt dann ist es wohl in einem Sessel vor einem uumlberfuumlllten Buumlcher-regal mit einem wissenschaftlichen Buch in der Hand vielleicht noch mit einem Hund zu den Fuumlszligen Wenige Studenten glauben dass ihre Dozenten moumlglicherweise eine spannendere Freizeitgestaltung haben als sie selbst

Bei Walter H Schreiber ist das aber so Seit dem Sommer 2013 ist er 3D-Bogenschuumltze 3D-Bogenschieszligen bedeutet nicht dass man mit einer 3D-Brille und einem virtu-ellen Bogen bewaffnet auf herannahende Tiere oder Aliens schieszligt Eigentlich ist das 3D-Bogenschieszligen vielmehr die Wieder-entdeckung des sportlichen Jagens mit Pfeil und Bogen ohne einem Tier Schaden zuzufuumlgen Es erinnert an eine Art Golf Der Schlaumlger wird zum Bogen der Ball zum Pfeil und statt eines Abschlags hat man einen Abschuss-Punkt Das Ziel ist aber kein Loch sondern zum Beispiel ein Fasan oder eine Riesenspinne welche von Vereinsmitglie-dern angefertigt und im Parcours platziert wurde

Schreiber ist seit Dezember Mitglied beim Verein Palatina Bogenschuumltzen eV in Ins-heim suumldlich von Landau Davor absolvierte er bereits einen Pfeil und Bogen-Intensiv-kurs in der Eifel bdquoDamit sich nicht bereits am Anfang grobe Fehler einschleichenldquo bekraumlf-tigt Schreiber Sein Sohn sei auch Bogen-schuumltze habe aber unabhaumlngig von ihm zur selben Zeit angefangen Auf die Frage wa-rum er nicht das klassische von Olympia be-kannte Bogenschieszligen ausuumlbe antwortet Schreiber bdquoDa gibt es zu viele Regelnldquo Au-szligerdem sei er ein intuitiver Schuumltze welcher ndash im Gegensatz zum strategischen Schuumltzen ndash sich voll und ganz auf seine Erfahrung und sein Bauchgefuumlhl verlasse Zwar ist Schrei-ber schon seit einem Jahr leidenschaftlicher Bogenschuumltze trotzdem gilt er im Verein

Entspannung vom AlltagWaumlhrend die Studierenden fast immer wissen ob ein Dozent freundlich oder streng ist

koumlnnen sich nur wenige vorstellen was diese mit ihrer Freizeit anfangen NeuLand war

einen Abend mit Dr Walter H Schreiber unterwegs Sein Hobby das 3D-Bogenschieszligen

noch als Anfaumlnger bdquoDeswegen behalte ich meine Ergebnisse bei Wettkaumlmpfen lieber fuumlr michldquo bemerkt er schmunzelnd

Sicherheit sei sehr wichtig betont Schrei-ber So muss sich jeder Schuumltze vorab in einem Schieszligbuch eintragen um zu sehen wie viele Leute auf dem Parcours unter-wegs sind Aus gutem Grund Auf dem 500 Meter langen und mit 28 Zielen bestuumlckten Parcours kann man leicht den Uumlberblick verlieren Zwei bis drei Stunden dauert die Durchquerung des Kurses Manchmal machen es abgeknickte Aumlste und ein rut-schiger Untergrund gar nicht so einfach die Ziele zu treffen Trotzdem wuumlrden die meisten Unfaumllle nicht beim Schieszligen selbst passieren sondern beim Herausziehen der Pfeile aus den Koumlrpern der Ziele meint Schreiber Ein Vereinskollege ergaumlnzt bdquoWich-

tig ist uns dass wir das 3D-Bogenschieszligen nicht als Vorstufe zur Jagd mit Pfeil und Bogen sehen Es ist vielmehr ein Sport bei dem man sich deutschlandweit mit anderen Schuumltzen messen kannldquo Im Gegensatz zum klassischen Bogenschieszligen schieszlige man nicht auf langweilige Zielscheiben sondern durchlaufe einen interessanten Parcours

Fuumlr Schreiber ist das Bogenschieszligen Ent-spannungskur vom alltaumlglichen Uni-Stress bdquoNach der Arbeit auf den Parcours zu gehen befreit meinen Kopfldquo Verstaumlndlich denn das leise Zischen des Pfeiles und die Ruhe im gruumlnen naturbelassenen Gelaumlnde hat etwas Erholendes Auszligerdem hat Schreiber beim Verein Palatina Freunde gefunden mit denen er an fast jedem Donnerstag und Sonntag durch den Parcours streift ndash auf der Jagd nach kuumlnstlichen Tieren (dan)

Hobby 3D-Bogenschieszligen

Beim 3D-Bogenschieszligen findet Walter H Schreiber Entspannung vom alltaumlglichen Uni-Stress

22 NeuLand 2014 03

Summer School

In der Reihe bdquoE-Mail aus hellipldquo berichtet Sozialwissenschafts-Student Daniel Schumacher

von der Summer School aus dem polnischen Wroclaw

Liebes NeuLandCześćaus Wroclaw Manchmal reicht ein

akademischer Kurz-Urlaub um ein Land und die

Leute lieben zu lernen

Zum Ende meiner akademischen Laufbahn wollte

ich das Studentendasein noch einmal voll und

ganz genieszligen und habe mich entschlossen eine

Summer School zu besuchen Fast jeder unserer

Fachbereiche bietet so etwas an Fuumlr mich ging die

Reise unter der Leitung von Professor Dr Siegmar

Schmidt (Politikwissenschaften) nach Wroclaw Polen

Erasmus-finanziert begann meine Hinfahrt in einem

Fernbus von Karlsruhe direkt nach Breslau so der alte

deutsche Name fuumlr Wroclaw

Hier angekommen bezogen wir ndash meine Wenigkeit

mit sieben anderen Deutschen ndash unsere Zimmer in

einem Studentenwohnheim oder wie ich es nenne

bdquoPlattenromantik-Hotelldquo Von auszligen neu gestrichen

verspruumlhte das Haus von innen den gesamten

Ostblock-Charme der Kalten-Krieg-Aumlra Das war

fuumlr mich aber auch das einzig Negative waumlhrend

meiner zweiwoumlchigen Summer School Bereits

am ersten Tag lernten wir beim bdquoget-togetherldquo

die anderen Teilnehmer kennen 70 Studenten

aus uumlber acht Laumlndern wollten mehr uumlber die

europaumlische Finanzkrise lernen und ndash wie ich ndash neue

Freundschaften knuumlpfen

Ab dem zweiten Tag war unser neues Zuhause ein

Houmlrsaal beim Institut fuumlr Politikwissenschaft Dort

E-Mail aus hellip Wroclaw

lernten wir wie verschiedene europaumlische Staaten mit

der Finanzkrise zu kaumlmpfen hatten und stellten jeweils

unsere Laumlnder selbst vor

Nach der ersten Woche wurden wir in verschiedene

Gruppen aufgeteilt um uumlber Innovation im

oumlffentlichen und privaten Sektor zu forschen

Forschen bedeutete dabei dass wir polnische

Buumlrger interviewten die entweder im privaten oder

oumlffentlichen Bereich taumltig sind Mein bdquoResearch-Haufenldquo

war bunt gemischt ndash von Belgiern uumlber Rumaumlnen

bis hin zu Ukrainern Ohne Verstaumlndigungsprobleme

meisterten wir unseren Arbeitsauftrag was am letzten

Tag feucht-froumlhlich mit allen gefeiert wurde

Am Ende moumlchte ich noch eine Lanze fuumlr die Stadt

Wroclaw und das Land Polen brechen Wir wurden

sehr herzlich aufgenommen Die Stadt mit ihrer

(deutschen) Geschichte war atemberaubend Nicht

nur die alten Gebaumlude haben es mir angetan sondern

die Atmosphaumlre rund um den historischen Stadtkern

Ich habe in diesen zwei Wochen sehr viele Menschen

kennen gelernt einige wuumlrde ich nun als enge Freunde

bezeichnen Das erste Wiedersehen mit Studenten aus

Belgien und Tschechien ist bereits geplant

Bis bald im guten alten Landau

euerDaniel Schumacher

23NeuLand 2014 03

Hochschulgruppe

Eigentlich kommt Cornelia Spengler aus einem ganz anderen Fachgebiet Nach ih-rem Biologiestudium am Karlsruher Insti-tut fuumlr Technologie promoviert sie derzeit in Landau im Fachbereich Natur- und Um-weltwissenschaften Aber auch an sozialer Arbeit hatte sie schon immer Interesse Sie wollte sich nicht nur mit der Wissenschaft beschaumlftigen sondern mit Menschen zu-sammenarbeiten So entdeckte sie fuumlr sich ein sensibles Thema die Integration und Bildungsgerechtigkeit

Cornelia Spengler wollte nicht nur reden sondern handeln In der SchuumllerNavi-Grup-pe in Aachen fand sie ein Vorbild nach dem sie am Campus Landau gemeinsam mit Stu-dentin Sylvia Klaus eine Hochschulgruppe aufbaute Ziel sollte es sein Schuumller zu foumlr-dern die durch ihre mangelnden Deutsch-kenntnisse in der Schule Probleme haben und deren Eltern das Geld fuumlr Nachhilfe nicht aufbringen koumlnnen bdquoWenn die Eltern zu Hause kaum Deutsch sprechen haben die Kinder dort auch wenig Unterstuumltzung fuumlr die Schule Diktate zu uumlben ist dann schlichtweg nicht moumlglichldquo erklaumlrt Speng-ler

SchuumllerNavi bietet neben Hausaufgaben-betreuung und Nachhilfeunterricht auch kulturellen Austausch Mittlerweile betei-ligen sich in der Hochschulgruppe uumlber 20 Studenten die den Schuumllern in schulischen

Aktive Arbeit statt bloszlige TheorieUumlber Integration zu reden bringt nicht viel Sie muss gelebt werden Darum gruumlndete die

Landauer Doktorandin Cornelia Spengler mit Studentin Sylvia Klaus die Hochschulgruppe

SchuumllerNavi die immer mehr Mitglieder zaumlhlt Wie man Integration foumlrdern kann und was

den Ehrenamtlichen ihre Arbeit bringt daruumlber sprach sie mit NeuLand

Belangen zur Seite stehen ihnen das Uni-Leben zeigen und ihnen zuhoumlren wenn sie Probleme haben

Spengler selbst betreut zwei Bruumlder mit tamilischen Wurzeln Um Beruumlhrungspunk-te zu schaffen die fuumlr den Aufbau eines Ver-trauensverhaumlltnisses wichtig sind hat sie mit den Jungs auf dem Campus beispiels-weise gemeinsam mikroskopiert Einer der beiden Bruumlder war stark versetzungsgefaumlhr-det und hat es nun in die naumlchste Klasse geschafft Ein Stuumlck weit schreibt sie diesen Erfolg SchuumllerNavi zu

bdquoSchwierig ist es zu unterscheiden welche Kinder wirklich der Foumlrderung beduumlrfenldquo so Spengler In Konkurrenz mit Nachhilfe-Firmen will die Gruppe nicht treten Ziel-gruppe sind Kinder die in der Schule haumlufig nicht ausreichend gefoumlrdert werden und deren Eltern sich keine professionelle Nach-hilfe leisten koumlnnen Daher hat SchuumllerNavi Kooperationen mit sozialen Institutionen Landaus die ihnen die Kontakte weiterver-mitteln bdquoDer Bedarf ist riesig Wir koumlnnen ihn gar nicht deckenldquo berichtet Spengler Daher ist die Hochschulgruppe auch staumln-dig dabei neue Mitglieder zu werben

Fuumlr die Zukunft plant die Hochschul-gruppe eine weitere Kooperation mit ELKE (Eltern Kompetenzen erlernen) um die El-tern weiterzuschulen beispielsweise mit Sprachkursen Dadurch sollen diese ihren

Kindern besser bei schulischen Aufgaben selbst helfen koumlnnen

Neben dem Gefuumlhl etwas Gutes zu tun sieht Spengler aber auch andere Vorteile fuumlr das Ehrenamt Gerade Lehramtsstu-denten koumlnnen sich hier ausprobieren und paumldagogische Konzepte umsetzen die sie aus der Theorie kennen Jeder koumlnne viel lernen erklaumlrt sie Man uumlbe hier nicht nur den Umgang mit Kindern und Jugendli-chen sondern lerne auch viel uumlber fremde Kulturen Sie selbst habe von ihren zwei Nachhilfeschuumllern bereits viel uumlber Feierta-ge und Sitten ihrer Kultur aber auch einzel-ne Vokabeln ihrer Sprache gelernt Und die Schuumller seien sehr interessiert an deutschen Gebraumluchen und Eigenarten

Fuumlr das ehrenamtliche Engagement hat SchuumllerNavi bereits Preise bekommen Bei der Initiative fuumlr Integration von bigFM be-legten sie den dritten Platz Das Preisgeld investierte die Gruppe unter anderem um mit ihren Schuumllern die Zooschule zu besu-chen In diesem Jahr erhaumllt SchuumllerNavi zu-dem den Campus-Kulturpreis des Campus Landau

bdquoMan redet immer uumlber Integration Von Menschen mit Migrationshintergrund wird erwartet sich hier zu integrieren Aber das liegt ja auch an uns Man muss sie auf die-sem Weg unterstuumltzenldquo erklaumlrt Doktorandin Spengler (rst)

Termine ImpressumHerausgeberReferat fuumlr Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit der Universitaumlt Koblenz-Landau Campus Landau Fortstraszlige 7 76829 Landau

RedaktionsteamKerstin Theilmann (ket) (verantw) Berend Barkela (bb) Wilfried Dorsch (wdo) Sebastian Kapp (kap) Daniel Schumacher (dan) Rosa Stecher (rst)

LayoutMedienzentrum Campus Landau Berend Barkela

FotosTitel Imago Fotoarena S 2 S 3 privat S 5 Imago Xinhua S 7 oben kanvag - Fotoliacom S 7 unten Medienzentrum Hiller S 9 Imago ITAR-TASS S 10 Imago Steinach S 11 Imago DeFodi S 13 Imago PPfotodesign S 15 JiSign - Fotoliacom S 17 Medienzentrum Hiller S 19 Medienzentrum Barkela S 20 Medienzentrum Hiller S 21 und 22 Daniel Schumacher

KontaktKerstin TheilmannTel 06341 280-32219 E-Mail theiluni-koblenz-landaude

Aus Gruumlnden der besseren Lesbarkeit verwenden wir in unseren Artikeln die maumlnnliche Form Damit sind stets Frauen und Maumlnner gemeint

Die Redaktion behaumllt sich die Kuumlrzung und Uumlberarbeitung von Texten vor Die Meinung einzelner AutorinnenAutoren gibt nicht immer die Meinung der Redaktion wieder

28101014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Florian Ostertag Atrium Infos unter wwwasta-landaude

05112014 ab 2130 Uhr Atriumsfete Infos unter wwwasta-landaude

06112014 20 Uhr Poetry Slam Landau Universum Kinocenter Infos unter wwwzkwuni-landaude

19112014 1930 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Friedensprojekt Europa in der Krise Mit Bundesministerin aD Heidemarie Wieczorek-Zeul und weiteren Gaumlsten Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

19112014 21 Uhr Konzert bdquoBeats und Pianoldquo Audimax Infos unter wwwasta-landaude

1122014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Unland Atrium Infos unter wwwasta-landaude

03122014 19 Uhr Hambacher Gespraumlch Meine Daten gehoumlren den Unternehmen Hambacher Schloss Infos unter wwwfliuni-landaude

05122014 1930 Uhr Reihe bdquoGroszlige Begegnungenldquo mit Sternekoch Alfons Schubeck Jugendstil-Festhalle Landau Infos unter wwwzkwuni-landaude

08122014 1900 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Frieden durch Demokratie Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

Ausblick 13 - 15012015 Poetik-Dozentur mit Rafik Schami Infos unter wwwzkwuni-landaude

Weitere Termine unter wwwuni-koblenz-landaudeaktuell wwwuni-koblenz-landaudeblog

Page 9: Neuland Ausgabe 3/2014

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bdquoPussy Riot stoumlrt SehordnungenldquoPolitischer Protest braucht Aufmerksamkeit Soziale Bewegungen setzen daher

auf gute Inszenierungen um wahrgenommen zu werden Wie wird aumlsthetische

Kommunikation zum Mittel des Protests Und sind diese Inszenierungen ein

Phaumlnomen der modernen Mediengesellschaft NeuLand hat bei Kunstwissenschaft

und Soziologie nachgefragt

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Das Krisenexperiment ist eine soziolo-gische Methode mit der soziale Normen aufgedeckt werden koumlnnen die Akteuren nicht bewusst sind Das geschieht durch die absichtliche Missachtung von Ritualen Be-obachtet man wie die Menschen reagieren wenn ihre Wirklichkeit nicht wie gewohnt funktioniert zeigen sich unausgesproche-ne Uumlbereinkuumlnfte Soziologen sagen dann Hier werden Praktiken der impliziten Kon-struktion sozialer Wirklichkeit offenbar Durch die Reaktionen auf die Stoumlrung der Ordnung wird sichtbar wie die soziale Ord-nung konstruiert wird

In jeder sozialen Gruppe gibt es spezifi-sche Muster nach denen Dinge interpre-tiert werden Unterschiedliche Deutungen von Symbolen und Handlungen entschei-den uumlber Zugehoumlrigkeit und Abgrenzung Das erzeugt Realitaumlt und Wahrnehmung von Realitaumlt Diesen Mechanismus macht sich die Kunst des Performativen zunutze Ein Realitaumltsbruch wirft Fragen auf entfaltet womoumlglich Potenziale um die Ordnung zu aumlndern aber vor allem Er faumlllt auf und stellt somit Oumlffentlichkeit her

Die Kunstwissenschaft versteht dies als bdquoAktionskunstldquo ein kuumlnstlerischer Bereich der erst seit den 1960er Jahren praktiziert wird Bis dato hatte sich die Kunst bei Pro-testkultur eher auf die bildliche Darstellung als eine Illustration oder als eigenstaumlndige Anklage konzentriert Als Beispiel dient Dr Christoph Zuschlag Professor fuumlr Kunstge-schichte und Kunstvermittlung am Cam-pus Landau das Bild bdquoDie Freiheit fuumlhrt das Volkldquo von Delacroix aus dem Jahr 1830 das beruumlhmte Bild der barbusigen Marianne die ndash die Tricolore in der Hand ndash die Aufstaumln-dischen der Juli-Revolution anfuumlhrt Oder

auch Picassos bdquoGuernicaldquo (1937) bdquoEs waumlre fuumlr Picasso nicht denkbar gewesen in Spanien selbst auf die Barrikaden zu gehen und dies als Kunst zu deklarierenldquo sagt Zuschlag Doch bdquoAktionskuumlnstlerldquo tun genau dies set-zen waumlhrend der Aktion aumlsthetische Akzen-te bdquoEs sind Aktionen bei denen der Inhalt waumlhrend der Aktion auch gleich transpor-tiert wirdldquo Man schaut sich die Bilder nicht spaumlter im Museum an ndash sondern diese ge-schehen und wirken weitestgehend in Echt-zeit Schlieszliglich vergroumlszligert YouTube nur die Reichweite doch das Schneeballsystem startet schon mit dem ersten Beobachter auf der Straszlige

Aumlsthetik das bedeutet fuumlr den Kunsthis-toriker in diesem Zusammenhang all das was vom Menschen gestaltet wird was nicht nur eine funktionale sondern daruuml-ber hinaus eine gestalterische Komponen-te besitzt Ins Gruumlbeln kommt Zuschlag bei der Frage ob der legendaumlre Thesen-anschlag Martin Luthers Aktionskunst ge-wesen sei bdquoEs war ein hochsymbolischer und provokativer Akt das ja Aber Luther hat diesen Akt sicher nicht als Kunst schon gar nicht als Aktionskunst verstanden weil es dieses Phaumlnomen und den Begriff im 16 Jahrhundert noch gar nicht gabldquo Aber nicht zufaumlllig faumlllt der Thesenan-schlag in eine Zeit des medialen Wandels ndash schlieszliglich wurde nur ein knappes Jahr-hundert vorher der Buchdruck erfunden Flugblaumltter Pamphlete Kupferstiche und Holzschnitte praumlgten die Zeit bdquoMit der Er-findung des Rundfunks Ende des 19 Jahr-hunderts hat das natuumlrlich noch einmal ganz andere Dimensionen angenommenldquo so Zuschlag Die Aktionen wurden noch unmittelbarer transportiert

Ein medial erfolgreicher Realitaumltsbruch gelang der Gruppe Pussy Riot als sie im Februar 2012 den Altarraum der Christus-Erloumlser-Kathedrale in Moskau stuumlrmte ein Punk-Konzert inszenierte einige Aktivistin-nen vor dem Altar tanzten und respektlose Texte sangen Damit wollten sie gegen die enge Verbindung zwischen orthodoxer Kir-che und Putins System protestieren Ein von der Gruppe produziertes Video der Aktion wurde nach kurzer Zeit bei YouTube veroumlf-fentlicht Fuumlr ihren Auftritt verurteilte ein russisches Gericht drei beteiligte Frauen zu zwei Jahren Haft Das Video ging um die Welt und bescherte der Gruppe eine Solida-ritaumltswelle aus dem Westen

Symbole schaffen Verbindungen

bdquoPussy Riot stoumlrt Sehordnungenldquo sagt So-ziologin Marija Stanisavljevic ebenfalls am Campus Landau taumltig Sie untersucht wie aumlsthetische Kommunikation zum Mittel des Protests werden kann Aumlsthetik versteht sie als eine bdquoArt und Weise wie soziale Phaumlno-mene zum Vorschein gebracht werdenldquo und konzentriert sich dabei insbesondere auf Symbole in Bildern bdquoSymbole sind un-glaublich wichtig Sie schaffen Verbindun-gen zwischen verschiedenen Menschen Sie lassen unterschiedliche Deutungen zu und koumlnnen Gemeinschaft stiftenldquo Dass Pussy Riot vor allem im Westen erfolgreich sind liegt fuumlr Stanisavljevic an westlichen Sehordnungen Das russische System sei konservativ streng und autoritaumlr Pussy Riot seien bunt laut und punkig Sie bieten eine

Die fuumlr den Comic bdquoV for Vendettaldquo gezeichnete Guy-Fawkes-Maske trugen zunaumlchst Aktivisten der Anonymous-Bewegung Waumlhrend der Occupy-Proteste wurde sie auch international sichtbar und entwickelte sich zum Protest-Symbol

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

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Alternative zum russischen politischen Sys-tem bdquoDahinter steht die westeuropaumlische Sehn sucht nach Demokratie in Russlandldquo Trifft der Protest auf andere Sehordnungen hat er auch andere Konsequenzen bdquoDer Pro-test war gegen das System in Russland ge-richtet Tatsaumlchlich hilft er vermutlich dem System die eigenen konservativen Positio-nen zu festigenldquo

Mit der Erforschung aumlsthetischer Protest-kommunikation anhand von Bildern ar-beitet Stanisavljevic in einem noch jungen Bereich der Soziologie bdquoDie Beschaumlftigung mit Bildern und bewegten Bildern ist fuumlr die Soziologie ein relativ neues Phaumlnomenldquo Fuumlhrte die steigende Bedeutung des Visuel-len in geistes- und kulturwissenschaftlichen Traditionen in den 90er Jahren zum bdquoiconic turnldquo ist eine bdquovisuelle Soziologieldquo kaum etabliert Fuumlr eine soziologische Perspektive auf Bilder und Filme muumlssen Methoden und Theorien angepasst und entwickelt werden bdquoBilder haben ihren eigenen Sinn sie brau-chen eigene Zugaumlnge und Methodenldquo sagt Stanisavljevic und versteht ihre Dissertation als einen Beitrag dazu

Fuumlr ihre Bildanalyse begegnet sie Protest-darstellungen zunaumlchst isoliert Den Kon-text um die Situation blendet sie aus und entwickelt moumlgliche Lesarten Anschlie-szligend vergleicht sie diese Uumlberlegungen mit dem vollstaumlndigen Kontextwissen um das Bild Mit dieser Analyse moumlglicher und tatsaumlchlicher Lesarten will Stanisavljevic aufdecken wie durch Bilder in unterschied-lichen Kontexten Realitaumlt erzeugt wird und welche Sehordnungen fuumlr die Deutung die-ser Bilder relevant sind

Dabei unterscheidet sie aumlsthetische Pro-testkommunikation von anderen aumlstheti-

schen Formen Der Kuumlnstler Ai Weiwei zum Beispiel kritisiert in seiner Arbeit das chine-sische System und erlebte wie Pussy Riot staatliche Eingriffe Aber so Stanisavljevic bdquodie massenmediale Rezeption zu Ai Weiwei findet im Feuilleton statt die zu Pussy Riot im Politik-Teilldquo So schaffe Ai Weiwei Kunst die auch politische Kunst sei aumlsthetisierter Protest hingegen sei Politik die sich aumlstheti-scher Mittel bediene Und doch ist dies der vorlaumlufige Houmlhepunkt einer Entwicklung Die Liaison zwischen Protest und Kunst fin-det nicht nur auf der Straszlige statt sondern auch in Ausstellungen und Museen So wur-de bei der Berlin Biennale 2013 der Occupy-Bewegung ein Raum gegeben den die Protestbewegung selbst gestalten durfte bdquoDas wurde sehr kritisiertldquo merkt Zuschlag an Occupy und Kunst Das war fuumlr viele dann doch zu progressiv

Gestoumlrte Sehordnungen ndashProduzierte Sehstoumlrungen

Protestkommunikation will ein groszliges Publikum erreichen bdquoUm in den Massen-medien aufzufallen und in Erinnerung zu bleiben muss sie sich von klassischen Pro-testformen abgrenzenldquo betont Stanisavlje-vic Demonstrationen Transparente und Straszligenschlachten sind demnach ein ge-wohntes Bild in der Berichterstattung Sie entsprechen Sehordnungen Aumlsthetisierte Protestformen unterscheiden sich davon Sie produzieren Sehstoumlrungen Dabei sind sie nicht nur Teil einer Bewegung sondern auch selbststaumlndiges mediales Produkt Das gilt auch fuumlr Erdem Guumlnduumlz Stumm und

regungslos stand er im Juni 2013 auf dem Taksim-Platz nachdem die Proteste rund um den Gezi-Park in Istanbul eskaliert wa-ren Der bdquoStanding Manldquo wurde zu einem Symbol des Protestes

Diese Aumlsthetisierung ist keine Erfindung der Pop-Kultur wie Kunstwissenschaftler Zuschlag weiszlig bdquoDie Nationalsozialisten zum Beispiel hatten ein hohes Maszlig an Aumlstheti-sierung in ihren Auftrittenldquo NSDAP und Pro-test bdquoWir sprechen natuumlrlich von den 1920er und fruumlhen 30er Jahren als die Nazis noch in der Opposition warenldquo Hakenkreuze braune Hemden rote Armbinden all diese Symbolik hatte einen praktischen Zweck bdquoSymbole sind reduzierte abstrakte Bil-derldquo erklaumlrt Zuschlag die Wirkung Es geht um aumlsthetische Praumlgnanz es geht darum Aufmerksamkeit zu generieren und zu er-halten Das Hakenkreuz als bdquoMarkeldquo Binnen von Sekundenbruchteilen wusste jeder wer dort aufmarschierte

Die aumlsthetische Inszenierung schafft eine hohe Aufmerksamkeit wenn sie die ge-wohnte Wirklichkeit stoumlrt Aber wird der Protest durch seine Aumlsthetisierung nicht auch Marke Ist das uumlberhaupt noch Protest oder bereits Marketing bdquoEine Bewegung will an die Macht oder die Macht uumlberwaumll-tigen und braucht dafuumlr Sympathisantenldquo stellt Soziologin Stanisavljevic fest Wie Werbung und PR muumlssen Protestler sich ab-grenzen und anderen signalisieren wofuumlr (oder wogegen) sie stehen Das gilt fuumlr Pro-testbewegungen ebenso wie fuumlr Unterneh-men NGOs Politiker und Oppositionelle Das Buhlen um Aufmerksamkeit zum For-mulieren ihrer Ziele ist allen gemein Dass die Methoden sich aumlhneln ergibt sich von selbst (bbkap)

In Russland verfolgt im Westen gefeiert Waumlhrend drei Aktivistinnen in Russland zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden erhielt die Gruppe Pussy Riot im Dezember 2012 den Sonderpreis des Musikpreises bdquo1 Live Kroneldquo

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

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Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

Wir koumlnnen uns alle noch an die Bilder von Stuttgart 21 erinnern wuumltende Buumlrger Hundertschaften an Polizisten und ein noch groumlszligerer Medienrummel Viel wurde uumlber die sogenannten bdquoWutbuumlrgerldquo diskutierthellip Aber was treibt Menschen ganz allgemein dazu fuumlr Sachen einzutreten und dafuumlr auf die Straszlige zu gehen

Tobias Rothmund ist Junior-Professor fuumlr politische Psychologie am Campus Landau und erforscht Protestverhalten In seiner Forschung geht es vor allem um die Mo-tivation von Menschen an einem Protest teilzunehmen Dabei muumlsse man erst in der Gerechtigkeitspsychologie nach Ant-worten suchen also was Menschen fuumlr gerecht oder ungerecht erachten wuumlrden erklaumlrt er bdquoEs gibt Protestverhalten das aus dem Gefuumlhl persoumlnlicher Benachtei-ligung motiviert ist und es gibt die Pro-testmotivation aus der Beobachtung der Benachteiligung andererldquo Rothmund er-gaumlnzt bdquoWenn jemand nicht das bekommt was er glaubt zu verdienen dann wird es als ungerecht wahrgenommen Unge-rechtigkeit kann man aber nicht nur aus der Opferperspektive betrachten sondern auch als Beobachter von Ungerechtigkeitldquo Als Beispiel nennt Roth mund Proteste an der Universitaumlt Dabei wuumlrde man sich zum Beispiel als Studierender direkt benach-teiligt fuumlhlen Als Dozent koumlnne man als Beobachter zustimmen und Studierende deshalb unterstuumltzen Trotzdem sei man nicht in der Rolle des Benachteiligten er-laumlutert Rothmund

In der Forschung gibt es nach Tobias Roth-mund drei groszlige Theorien um (politischen) Protest oder Protestverhalten zu erklaumlren Theorie der sozialen Gerechtigkeit soziale Identitaumltstheorie und Rational Choice-The-orie Diese seien allerdings nicht getrennt voneinander zu betrachten sondern inei-nander verschraumlnkt bdquoAusloumlser von Protest ist in der Regel ein Gefuumlhl der Benachteili-gungldquo verdeutlicht Rothmund Man koumlnne das haumlufig beobachten bei Tarifverhandlun-gen Ob sich jemand unzureichend bezahlt fuumlhle haumlnge nicht unbedingt vom absolu-ten Einkommen ab sondern mit wem sich die Personen und Gruppen vergleichen wuumlrden bdquoInsofern kann es selbst bei Per-sonen zum Gefuumlhl der Benachteiligung kommen die von anderen als sehr privile-giert wahrgenommen werdenldquo In der Psy-chologie wuumlrde man deshalb von relativer Deprivation sprechen ndash also das Gefuumlhl der Benachteiligung relativ zu einem gewissen Vergleichsstandard

Eine wichtige Rolle spielt auch das Kol-lektiv und die soziale Gruppe die sich als protestierende Gruppe versteht Rothmund fuumlgt an bdquoMan sieht in der Regel keine ein-zelnen Personen protestieren Protest geht gewoumlhnlich von sozialen Bewegungen ausldquo Beispiele dafuumlr waumlren die Anti-Atom-Bewegung oder Gewerkschaften bdquoOftmals schlieszligen sich Personen in sozialen Grup-pen zusammen um ein politisches Ziel zu erreichenldquo Wichtig fuumlr die Motivation sei ein Gefuumlhl des Zusammenhalts und fuumlr ein ge-meinsames Ziel einzustehen bdquoDesto groumlszliger

eine Protestbewegung ist desto eher ist sie auch ein Selbstlaumluferldquo konkretisiert Roth-mund Oft sei es so dass ein Protest erst eine kritische Masse erreicht haben muumlsse damit Buumlrger dabei sein wollen bdquoDie Pro-testbewegung fungiert hier als sinnstiften-de soziale Gruppeldquo

Der dritte Strang ist eher aus der Rational Choice-Theorie also dem rationalen Den-ken abgeleitet bdquoDie Bereitschaft zu protes-tieren haumlngt immer auch davon ab ob die Leute glauben dass es etwas bringt und ob sie mit dem Protest etwas erreichen koumln-nenldquo versichert Rothmund Das haumlnge auch stark von der Groumlszlige der Protestbewegung ab weil natuumlrlich eine groumlszligere Protestbe-wegung meist die Erwartung ausloumlse dass man mit dem Protest etwas erreichen koumln-ne Als Beispiel veranschaulicht Rothmund bdquoWenn zehn Leute in der Landauer Innen-stadt protestieren wuumlrde sich niemand da-fuumlr interessieren Wenn sie dagegen einen studentischen Protest mit 1000 Studieren-den organisieren dann waumlre sicherlich die Hoffnung bei jedem Teilnehmer groumlszliger damit etwas bewirken zu koumlnnenldquo Eine weitere Motivation koumlnne aber auch die Ak-tualitaumlt von Themen sein bdquoWenn ein Thema oder Projekt einen ungewissen Ausgang hat wird man wahrscheinlich eine groumlszligere Erwartung haben durch einen Protest oder eine Aktion etwas veraumlndern zu koumlnnen als wenn man weiszlig man steht mit seiner Mei-nung allein auf weiter Flurldquo

Tobias Rothmund erklaumlrt weiter dass sich Menschen darin unterscheiden wodurch

Protestbewegungen ndash Von Gerechtigkeit uumlber Kollektiv bis zur Rationalitaumlt

Stuttgart 21 Anti-Atom- oder Occupy-Bewegung ndash Leute gehen immer wieder auf die

Straszlige um fuumlr eine Sache einzutreten Aber woher kommt das Passend zu unserem

Schwerpunkt berichtet Junior-Professor Dr Tobias Rothmund wie die Psychologie im

Bereich Protestkultur forscht und warum Gerechtigkeit eine zentrale Rolle dabei spielt

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sie zum Protest motiviert werden bdquoManche sind vielleicht rationaler und brauchen ein erreichbares Ziel andere moumlchten moumlgli-cherweise eher Teil einer Gruppe sein zu der ihr soziales Umfeld gehoumlrt Wieder an-dere sind besonders sensibel in Bezug auf Gerechtigkeit und Ungerechtigkeitldquo Man koumlnne diese oben angesprochenen drei Motivationen daher auch als Dimension fuumlr Persoumlnlichkeitseigenschaften verstehen die Menschen unterschiedlich stark moti-vieren koumlnnten

Der Wutbuumlrger von Stuttgart 21

Rothmund hat in diesem Jahr zusam-men mit den beiden Landauer Psycholo-gen Anna Baumert und Axel Zinkernagel einen wissenschaftlichen Artikel zu den durch Stuttgart 21 bekannt gewordenen bdquoWutbuumlrgernldquo publiziert bdquoWas wir bei Stutt-gart 21 untersucht haben betrifft vor allem die Dimension der Gerechtigkeitldquo erlaumlutert Rothmund Ausgehend von der generellen Annahme die bdquoWutbuumlrgerldquo seien eine kon-servative Personengruppe die in Stuttgart wohne sich vor allem um eigenen Besitz und egoistische Annehmlichkeiten sorge haben die drei Forscher bei einer Befragung Persoumlnlichkeitsmerkmale von Protestieren-den erfasst Dabei wollten sie die Persoumln-lichkeitsstruktur der Protestierenden besser verstehen Im Besonderen ging es ihnen um

die Frage inwiefern opfersensible Personen (also Menschen die sich selbst besonders leicht benachteiligt fuumlhlen) oder beobach-tersensible Personen (also Menschen die eher sensibel fuumlr die Benachteiligung ande-rer sind) eher protestierten Sie befragten zirka 1000 Buumlrger darunter Befuumlrworter Gegner und Unentschlossene von Stuttgart 21 Das Resultat bdquoLeute die opfersensibel sind haben gar nicht haumlufiger protestiert Das war interessanterweise genau umge-kehrt Es haben also eher Leute protestiert die sensibel dafuumlr sind dass andere benach-teiligt werdenldquo bemerkt Rothmund Das sei ein interessanter Befund da das eher darauf hindeuten wuumlrde dass Leute nicht nur ei-gennuumltzig fuumlr sich selbst engagiert sondern tatsaumlchlich fuumlr Mitbestimmung oder Ge-rechtigkeit in den Entscheidungsprozessen protestiert haumltten bdquoUnsere Ergebnisse ha-ben gezeigt dass die Leute die dort protes-tiert haben sich gegen ein intransparentes ungerechtes Verhalten der Autoritaumlten ge-wehrt haben und nicht gegen ihre eigene persoumlnliche Benachteiligungldquo verdeutlicht Rothmund

Auf die Frage ob zur Zeit eine Renaissance der Protestkultur vonstatten gehen wuumlrde stellt der Junior-Professor fest bdquoDas wird man erst spaumlter sagen koumlnnenldquo Eines wuumlr-de aber feststehen Durch das Internet sei die Organisation von Protesten sowie der Austausch von Informationen einfacher Da-durch wuumlrden Menschen viel schneller mo-bilisiert werden koumlnnen meint Rothmund(dan)

Wutbuumlrger

2010 kam zum ersten Mal das Schlagwort bdquoWutbuumlrgerldquoauf Gepraumlgt vom Spiegel-Journalisten Dirk Kurbjuweit beschreibt der Begriff eine vor-nehmlich aumlltere gebildetere und wohlhabende Personengruppe die sich mit Wut und Empoumlrung gegen politische Entscheidungstraumlger auflehnt

Demonstration auf dem Stuttgarter Schlossplatz am 18 Februar 2012

Literatur

Rothmund T Baumert A amp Zinkernagel A (2014) The German bdquoWutbuumlrgerldquo - How Justice Sensitivity Accounts for Individual Differences in Political Enga-gement Social Justice Research 27(1) 24-44

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Weiterbildung ist zentrales Thema fuumlr Claudia Ehrhardt Bei der Geschaumlftsfuumlhrerin der Arbeitsstelle der Weiterbildung der Wei-terbildenden (AWW) mit Sitz am Campus Landau laufen seit uumlber 14 Jahren die Faumlden der im Verein angeschlossenen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungseinrichtungen zusammen Fuumlr die Diplom-Paumldagogin sind die PIAAC-Ergeb-nisse ein eindeutiger Indikator dass bei der Grundbildung Erwachsener Handlungsbe-darf besteht Dass diese ndash ganz anders als die PISA-Ergebnisse ndash medial kaum aufgegriffen oder diskutiert wurden bilde den Stellen-wert der Weiterbildung in der Gesellschaft ab Dabei sind die dort getesteten Groumlszligen fuumlr ein erfolgreiches Arbeitsleben die Teilha-be an der heutigen Gesellschaft und die Pro-duktivitaumlt von Betrieben und Unternehmen bedeutsam

PIAAC (Programme for the International Assessment of Adult Competencies) ist die erste internationale Vergleichsstudie die zentrale Grundkompetenzen in der erwach-senen Bevoumllkerung beleuchtet Von Herbst 2011 bis Fruumlhjahr 2012 hat die Organisation fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Deutschland und uumlber 20 weiteren Laumlndern bei Erwachsenen im erwerbsfaumlhigen Alter von 16 bis 65 Jahren Lese- und alltagsmathematische Kompe-tenzen sowie technologiebasierte Problem-loumlsekompetenzen gemessen Das Ergebnis Deutschland liegt leicht unter dem OECD-Durchschnitt Allerdings schneiden juumlngere Erwachsene besser ab als aumlltere Vermutlich eine positive Folge der Bildungsanstrengun-gen nach PISA

PIAAC habe gezeigt dass auch im Erwach-senenalter gilt was fuumlr Schulkinder bittere Realitaumlt ist Das Bildungsniveau ist abhaumlngig von der Herkunftsfamilie bdquoWer uumlber keine gute Grundbildung verfuumlgt wird auch keine Weiterbildung machenldquo so Ehrhardt Und wer sich nicht weiterbildet faumlllt in der Ar-beitswelt zuruumlck Daher sei es erfreulich dass seit einigen Jahren verstaumlrkt in Projektfinan-zierungen im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung investiert werde so Ehrhardt

Moumlgliche Ruumlckschluumlsse aus den PIACC-Ergebnissen auf die Weiterbildung diskutier-ten Experten auf einer von Claudia Ehrhardt organisierten Fachtagung im Fruumlhjahr Der Tenor Die Professionalisierung der in der Weiterbildung taumltigen Paumldagogen Dozenten oder Trainer muss darauf setzen fuumlr die Ar-beit mit Bildungsverlierern entsprechend zu sensibilisieren ndash mit dem Ziel diesem abge-haumlngten Bereich eine Perspektive zu bieten Dieser Professionalisierungsaufgabe wird sich die AWW auch in Zukunft widmen

Weiterbildung ohne Raum und Zeit

Fuumlr die Arbeit des Zentrums fuumlr Fernstudi-en und Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) sieht Geschaumlftsfuumlhrer Dr Burkhard Lehmann aufgrund der PIACC-Ergebnisse keine unmit-telbaren Implikationen Denn die Teilnehmer der diversen Studiengang- und Kursangebo-te des ZFUW seien in der Regel die ohnehin bildungsaffinen Menschen die gewohnt sei-en sich zu qualifizieren Auf die Gruppe die

in PIAAC schlecht abgeschnitten habe seien die ZFUW-Bildungsangebote gar nicht zuge-schnitten

Das ZFUW hat als aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz seit uumlber 20 Jahren Erfahrung in der wissen-schaftlichen Weiterbildung bdquoWir haben uns mit dem Fernstudium und der Fernlehre fuumlr ein spezifisches Bildungsformat ent-schiedenldquo so Lehmann Denn dieses Format werde den Beduumlrfnissen der Bildungsinte-

Um die Kompetenzen Erwachsener beispielsweise im Lesen scheint es in Deutschland

nicht gut bestellt Das zumindest ist das Ergebnis der PIAAC-Studie Haben die Ergebnisse

Auswirkungen auf die Erwachsenenbildung NeuLand hat sich bei der Arbeitsstelle der

Weiterbildung der Weiterbildenden (AWW) und dem Zentrum fuumlr Fernstudien und

Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) erkundigt

Das ZFUW

Das Zentrum fuumlr Fernstudien und Universitaumlre Wei-terbildung (ZFUW) ist eine zentrale Einrichtung der Universitaumlt Koblenz-Landau Mit mehr als 21 Jahren Erfahrung ist das ZFUW die aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz Das ZFUW ist auf das Angebot postgradualer Fernstudien-gaumlnge spezialisiert veranstaltet daneben aber auch Weiterbildungen im Praumlsenzformat (z B Seminare)wwwuni-koblenz-landaudezfuw

Gute Grundbildung bedingt Weiterbildung

PIAAC-Studie

ressierten ohne Bindung an Raum und Zeit am meisten gerecht In Ballungsraumlumen wie Hamburg Muumlnchen oder Berlin wo sich die Kunden aus dem lokalen Umfeld akquirie-ren lassen funktionieren auch Praumlsenzan-gebote weiszlig Lehmann bdquoBefindet sich eine Einrichtung allerdings in einer Randlage operiert man besser auf der Ebene der Fern-lehre bei der die Organisation zum Teilneh-mer kommt und nicht der Teilnehmer zur Organisationldquo

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Nutzen und Folgen des Internets

Das Schnuumlren zeitgemaumlszliger Themen und Inhalte ist zentral um das ZFUW wettbe-werbsfaumlhig zu halten Derzeit unterhaumllt es die Programmbereiche Umwelt Energie und Management Expertise holt sich das ZFUW vorrangig aus den eigenen Reihen der Ko-

gogikldquo Damit sollen Lehrerinnen und Leh-rer fit gemacht werden fuumlr den schulischen Alltag in Zeiten der Inklusion bdquoDie Laumlnder stellen zwar den Finanzbedarf fuumlr Inklusion in der Schule allerdings fehlt eine profun-de Qualifizierung der Lehrkraumlfteldquo erklaumlrt Lehmann den Ansatz des neuen Weiterbil-dungsprogramms Mit einem Kooperati-onspartner bereitet das ZFUW ein weiteres Programm vor bdquoBusiness Communications and Rhetoricldquo

Weiterbildung heute so wichtig wie noch nie

Fuumlr das berufliche Weiterkommen ist Wei-terbildung heute so zentral wie noch nie bdquoDie Halbwertszeit des Wissens wird immer kuumlrzerldquo bekraumlftigt Claudia Ehrhardt Die PIAAC-Studie habe daher auch gezeigt wie wichtig Kompetenzaufbau -erhalt und -er-weiterung in der Berufswelt seien Die zahl-reichen Innovationswellen im beruflichen Kontext gerade im EDV- oder Produktions-kontext lassen den Bedarf an Weiterbildung kontinuierlich steigen versichert Burkhard Lehmann Warum Menschen letztendlich sich fuumlr eine Weiterbildung entscheiden da-fuumlr gebe es drei zentrale Gruumlnde Lehmann unterscheidet zwischen Selbstperfektionie-rern Tool-Suchern und Karriere- oder Ab-schlussorientierten Der ersten Gruppe liegt daran die eigene Persoumlnlichkeit weiterzu-entwickeln und sich fuumlr private Interessen mehr Wissen anzueignen Die Tool-Sucher erweitern gezielt ihre Kompetenzen um

Die AWW

Die Arbeitsstelle fuumlr die Weiterbildung der Weiterbil-denden (AWW) foumlrdert die Zusammenarbeit zwischen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungsorganisationen Der bundesweit einzigartige Verein ist eine wichtige Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis im Bereich der Weiterbildung Gegruumlndet wurde die AWW 1998 auf Initiative des Ministeriums fuumlr Bildung Wissenschaft Weiterbil-dung und Kultur Die AWW hat ihren Sitz in Landau und ist der Universitaumlt Koblenz-Landau angegliedert Unter dem Motto bdquoBesser lehren lernenldquo organisiert die AWW Workshops und Fachtagungen fuumlr Personen die in der Weiterbildung taumltig sind wwwaww-landaude

blenzer und Landauer Wissenschaftler bdquoWir arbeiten aber auch konsortialldquo so Lehmann bdquound halten somit ein bestimmtes Know-how vor das an den Standorten unserer Uni-versitaumlt nicht verfuumlgbar istldquo Selbst wenn die Flexibilitaumlt bestehe auch nicht einschlaumlgige Themen zu vertreten entwickele das ZFUW vornehmlich Angebote im Kernbereich der Universitaumlt Koblenz-Landau

Derzeit arbeiten Lehmann und sein Team an dem neuen Programm bdquoInklusionspaumlda-

berufliche Herausforderungen meistern zu koumlnnen Vertreter der dritten Gruppe tum-meln sich vorwiegend im akademischen Feld Da man fuumlr die Ausuumlbung bestimmter Funktionen im beruflichen Aufstieg meist Bescheinigungen uumlber entsprechendes Wissen oder Kompetenzen benoumltigt ori-entiert sich deren Weiterbildungsbedarf an Abschluumlssen

Entsprechend unterscheidet Lehmann auch zwischen drei Weiterbildungsberei-chen die klassische die betriebliche und die wissenschaftliche Weiterbildung Die klassische Weiterbildung wird beispiels-weise von Volkshochschulen betrieben und richtet sich an ein breites Publikum Im betrieblichen Kontext sollen Arbeitnehmer ihre Kompetenzen erweitern und ihr Wissen erhoumlhen beispielsweise wenn Vertriebs-mitarbeiter im Umgang mit einem neuen Produkt geschult werden muumlssen oder eine neue Software im Unternehmen eingefuumlhrt wird Die wissenschaftliche Weiterbildung ermoumlglicht akademisch vorqualifiziertem Personal sich auf neue Aufgaben etwa als Fuumlhrungskraft vorzubereiten

Die Zeiten in denen Lernen mit dem Verlassen der Schule dem Abschluss der Ausbildung oder dem Universitaumltsexamen beendet war sind definitiv vorbei Wer im Berufsleben bestehen will wird um regel-maumlszligige Weiterqualifizierung nicht umhin kommen PIACC soll in einem Rhythmus von zehn Jahren wiederholt werden um ein Laumlngsschnitt-Bild der Entwicklung zu er-halten Man darf gespannt sein wohin sich die Kompetenzen deutscher Erwerbstaumltiger entwickeln (ket)

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Sprachbedrohung und Sprachentod

Sprachbedrohung und Sprachentod sind ein weltweites Phaumlnomen Linguisten ge-hen davon aus dass etwa alle zwei Wochen eine Sprache stirbt In 100 Jahren so schaumlt-zen Sprachforscher werden im besten Fall noch die Haumllfte dieser Sprachen existieren vielleicht aber auch nur noch zehn Prozent von ihnen Waumlhrend die 20 groumlszligten der zir-ka 6800 lebenden Sprachen von der Haumllfte der Weltbevoumllkerung gesprochen werden weisen die meisten Sprachen eine Gemein-schaft von nur wenigen hundert oder tau-send Sprechern auf Von bevorstehendem Sprachentod spricht man wenn eine Spra-che aufhoumlrt Muttersprache oder Erstspra-che zu sein ndash also dann wenn sie nur noch sekundaumlr erlernt wird und damit die noumltige Sprachpflege verliert Der endguumlltige Tod tritt ein wenn es keine Sprecher mehr gibt

Sprachbedrohung und Sprachentod fin-den auf allen Kontinenten statt und neh-men ein immer schnelleres Tempo auf je weiter die Globalisierung voranschreitet Viele andere Faktoren wie unter anderem starke Migrationsbewegungen Zuwande-rung und Urbanisierung sowie ein hohes Alter der Sprecher oder die geringe wirt-schaftliche Staumlrke einer Sprache wirken zudem auf den Sprachbestand ein Stark gefaumlhrdete Sprachen sind vor allem in den Regionen Nord- und Suumldamerika Austra-lien Asien Westafrika und in Nord- und Ostsibirien vorzufinden In diesen Regio-nen kommt es zur massiven Verletzung von Sprachenrechten

Anglistik-Professor Dr Martin Puumltz ist Linguist und beschaumlftigt sich mit Sprache und ihren vielfaumlltigen sozialen kulturel-len und psychologischen Auspraumlgungen Zusammen mit seiner Kollegin Dr Monika Reif hat er im Fruumlhjahr 2014 das 36 Interna-tionale LAUD Symposium organisiert das sich rund um das Thema Sprachbedrohung und Sprachentod drehte (siehe Infokasten) Puumltz erklaumlrt Sprache sei relevant da sie ein einzigartiger Schatz an Wissen Ideen und Weltansichten sei bdquoMit den fast 7000

Bevor sie verstummen hellipWeltweit existieren etwa 6800 Sprachen doch die Vielfalt nimmt rasant ab Was

bedeutet es wenn Sprachen sterben Was bleibt von einer Kultur uumlbrig wenn ihre Art

die Welt zu beschreiben wegfaumlllt und die Urahnen verstummen

Sprachen auf unserer Welt gibt es auch fast 7000 Arten die Welt auf unterschiedliche Art wahrzunehmen und sie zu beschreibenldquo erlaumlutert der Linguist Beispielsweise haben einige Sprachen der Ureinwohner Amerikas ein komplett anderes Zeitsystem Dinge in der Zukunft oder Vergangenheit auszudruuml-cken gehe in diesen Sprachen nicht mit den uns bekannten grammatikalischen Moumlg-lichkeiten

Sprache ist also nicht nur ein Mittel der Kommunikation sondern bietet einen tiefen Einblick in die Einstellungen und Wahrnehmungen gegenuumlber der Welt kon-serviert Traditionen und Geschichte einer Kultur und gibt einzigartiges Wissen an die naumlchste Generation weiter beispielsweise uumlber Heilmittel und Pflanzen aber auch Ge-fuumlhle Spiritualitaumlt und soziale Einsichten Es gibt so etwas wie eine kulturelle Identitaumlt und die wird maszliggeblich von Sprache ge-praumlgt Warum aber verschwinden so viele Sprachen von der Bildflaumlche Natuumlrlich gibt es viele aumluszligere Umstaumlnde warum Sprachen ihre Sprecher verlieren Gerade in der Kolo-nialzeit haben die Besatzer eine Vielzahl an Sprachen marginalisiert und unterdruumlckt teilweise wurden ganze Voumllker durch Krieg vernichtet z B durch die Kolonialisierung und Besiedlung Nord- und Suumldamerikas die Ausrottung indigener Voumllker in Australi-en oder durch die im 17 Jahrhundert einset-zende Russifizierungspolitik in Osteuropa im Kaukasus und in Sibirien Auch Natur-katastrophen wie Erdbeben oder Vulkan-ausbruumlche koumlnnen stark regional gepraumlgte Sprachen toumlten

Auch wenn Sprachwissenschaftler versu-chen bedrohte Sprachen durch Aufzeich-nung Uumlbersetzung sowie die Bewahrung und Verbreitung von Sprachaufzeichnun-gen zu dokumentieren erwecken sie diese dadurch nicht mehr zum Leben Mit No-tizbloumlcken und Aufnahmegeraumlten kann man zwar einen Teil des Wortschatzes der Grammatik und Aussprache festhalten in geringerem Maszlige jedoch Redewendungen

Gebraumluche und Beschreibungsmodelle fuumlr die Welt einfangen Nur wer eine Sprache muttersprachlich spricht kann ihre zahlrei-chen Facetten begreifen Sprachrevitalisie-rung gelingt nur in den seltensten Faumlllen Gegluumlckt ist dies beispielsweise beim mo-dernen Hebraumlisch Iwrith genannt das er-folgreich wiederbelebt und zur offiziellen Amtssprache Israels erhoben wurde Zu-meist ist der Sprachtod aber unwiderruflich

In aktuellen Faumlllen der Sprachbedrohung liege das Problem haumlufig nicht an der Um-welt sondern an anderer Stelle erklaumlrt Puumltz Wer einer Minderheitensprache maumlchtig ist hat oftmals das Gefuumlhl damit auf dem Bildungsweg oder im Berufsleben schlech-tere Chancen zu haben Eltern bestehen daher oft darauf dass ihre Kinder die indi-gene Sprache vernachlaumlssigen und statt-dessen eine dominante und wirtschaftlich starke Sprache wie Englisch Spanisch oder Franzoumlsisch zuerst erlernen bdquoSie geben da-mit eine verstaumlrkt negative Einstellung zur Muttersprache an die naumlchste Generation weiterldquo verdeutlicht Puumltz die Problemlage Der Globalisierungseffekt ist somit nicht zu unterschaumltzen denn waumlhrend z B das Eng-lische immer dominanter wird nimmt die Geringschaumltzung und damit einhergehende Vernachlaumlssigung indigener Sprachen wei-ter zu Um den Sprachentod aufzuhalten benoumltigt es also weniger Dokumentation als vielmehr eine grundlegende Aumlnderung der Einstellung zu Minderheitensprachen und indigenen Sprachen (rst)

Linguistic Agency University of DuisburgTrierLandau (LAUD)

Seit 1973 finden unter diesem Namen alle zwei Jahre Konferenzen zum Thema Sprache statt ndash zunaumlchst in Trier und Duisburg und seit 2000 in Landau Das 36 LAUD Symposium wurde im Fruumlhjahr 2014 zum Thema bedrohte Sprachen und Sprachentod veranstaltet Uumlber 90 Teilnehmer aus 25 Laumlndern besuchten die Veranstaltung

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Kinder- und Jugendhospitzarbeit

Wie lassen sich die Arbeit und das Zu-sammenleben in Kinder- und Jugendhos-pizen verbessern Wie werden Kinder und Jugendliche wirkungsvoll begleitet die an einer unheilbaren Krankheit leiden oder die einen Trauerfall in der Familie verar-beiten muumlssen bdquoBislang konnten sich die Einrichtungen ausschlieszliglich durch ein Qua-litaumltssiegel bewerten lassenldquo sagt Sven Jen-nessen Das bedeute harte generalisierte Bewertungsfaktoren bdquoDabei unterscheiden sich die Einrichtungen teilweise gravierendldquo So sei etwa die Nachfrage nach tuumlrkischer Sprachkompetenz in einigen Einrichtungen zwar sehr hoch ndash es gebe aber auch Einrich-tungen bei denen der Bedarf schlicht nicht erkennbar sei Hier muumlsse man individuell auf die Beduumlrfnisse der Einrichtungen der Mitarbeiter der Kinder und Jugendlichen sowie der Familien eingehen Fuumlr Jennessen ist dies nur eines von vielen Beispielen bei dem sich die Schwaumlche starrer Bewertungs-

kriterien zeigt Immerhin muumlsse gerade in diesem sensiblen Bereich der Mensch im Mittelpunkt stehen ndash und keine Checkliste

Deshalb ist der Qualitaumltsindex fuumlr Kin-der- und Jugendhospizarbeit QuinK auch bdquoandersldquo Der Fokus liegt nicht nur auf den Antworten sondern auch auf der Kom-munikation zwischen den Beteiligten also zwischen haupt- und ehrenamtlichen Mit-arbeitern mit Eltern Kindern und auch Geschwistern bdquoNachhaltige Qualitaumltsent-wicklung funktioniert nur durch Kommuni-kation aller Beteiligtenldquo so der Ansatz von Sven Jennessen Und damit sind auch die Juumlngsten gemeint bdquoWir sehen die Kinder als Experten in eigener Sache anldquo erklaumlrt Stefanie Hurth Gerade die Einbeziehung der Geschwister stelle derzeit bei vielen Einrichtungen ein Problem dar Denn die muumlssten bei einer todbringenden Krank-heit der Schwester oder des Bruders haumlufig zuruumlckstecken Nur selten bleibe das ohne

Konflikte wodurch sie im schlimmsten Fall die Moumlglichkeit versaumlumten sich von ihren Geschwistern zu verabschieden bdquoHier gibt es kein Schema F Viel wichtiger ist dass die Betroffenen sich austauschen die Themen aufgreifen und dann Loumlsungen entwickelnldquo sagt Hurth

Der QuinK soll durch seine zur Reflexion anregenden Fragen diese Kommunikati-on ermoumlglichen und eine Art Diskussions-Agenda darstellen Daher wurde QuinK in den vergangenen Monaten in drei stationauml-ren Kinder- und Jugendhospizen und zwei ambulanten Kinderhospizdiensten getes-tet Jennessen und Hurth besuchten die Einrichtungen in Unna Duumlsseldorf Syke Darmstadt und Wiesbaden regelmaumlszligig bdquoDer QuinK ist nicht am gruumlnen Tisch ent-standenldquo sagt Sven Jennessen

Das Team aus Landauer Wissenschaftlern wurde unterstuumltzt vom Deutschen Hospiz- und Palliativverband (DHPV) Mit diesem zusammen wurden zwoumllf Grundsaumltze fuumlr die Arbeit von Kinder- und Jugendhospizen verfasst Das seien komplexe Themen von der Betreuung der Kinder bis zur Oumlffentlich-keitsarbeit fuumlr die jeweils ein aus den drei Kategorien Haltung Strukturen und Prak-tiken bestehender Fragebogen entstan-den ist bdquoEinige Fragen die wir als wichtig erachtet hatten wurden in der Praxis nicht angenommen Andere wiederum haben wir ergaumlnzt Jetzt ist der QuinK fitldquo ist Stefanie Hurth stolz auf das Ergebnis Und Sven Jen-nessen ergaumlnzt bdquoDie Ruumlckmeldungen waren insgesamt sehr positivldquo

Nun soll der QuinK Verbreitung finden Fachvortraumlge auf Konferenzen Artikel in Fachzeitschriften Die Arbeit des Jennessen-Teams ist noch laumlngst nicht abgeschlossen bdquoWir haben aber gute Startvoraussetzun-gen schlieszliglich waren die Praktiker vom DHPV von Anfang an an Bordldquo so Jennes-sen (kap)

QuinK neuer QualitaumltsindexEin neuer Index soll die Betreuung in Kinder- und Jugendhospizeinrichtungen verbessern

Dieser Aufgabe haben sich Professor Dr Sven Jennessen und Stefanie Hurth vom Institut

fuumlr Sonderpaumldagogik in den letzten Monaten gewidmet Nun praumlsentieren sie das

Ergebnis ihrer Arbeit den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit kurz QuinK

Ein Jahr lang hat Stefanie Hurth den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit getestet Nun ist der bdquoQuinKldquo fertig und soll im Oktober in die Praxis gehen

18 NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Nach der neuen Gallup-Studie ist die Ar-beitszufriedenheit zwar im Vergleich zum letzten Jahr gestiegen trotzdem kritisch Nur wenige Menschen fuumlhlen sich bei ihrer Arbeit wertgeschaumltzt Sie suchen stattdes-sen ihr Gluumlck in der Freizeit Hinzu kommt ein dramatischer Anstieg von psychischen Erkrankungen wie dem Burnout-Syndrom Wie kann man mit diesen Gefahren umge-hen

Eine potenzielle Loumlsung liegt im Bereich der positiven Psychologie Sie befasst sich damit unter welchen Umstaumlnden Personen Wohlbefinden Gluumlck und Zufriedenheit erleben Waumlhrend sich vor den 90er Jahren die Sozial- und Verhaltenspsychologen vor allem mit den Defiziten beschaumlftigt haben untersucht man seit 1998 psychologische Prozesse die dazu fuumlhren dass Menschen zufrieden und gluumlcklich und dadurch leis-tungsfaumlhiger sind

Ottmar L Braun ist auszligerplanmaumlszligiger Professor in der Arbeitsgruppe Sozial- und Wirtschaftspsychologie am Campus Landau und befasst sich mit positiver Psycholo-gie Zur Thematik Unzufriedenheit im Job bekraumlftigt er bdquoDie Forschung hat deutlich gezeigt dass sich Techniken der positiven Psychologie vorteilhaft auf die Arbeits- und Lebenszufriedenheit auswirkenldquo Besonders interessant sei das fuumlr Krankenkassen da sie sich mit Krankheit und Gesundheit ausei-

nandersetzen und auch als erste die Kosten von langfristigen Ausfaumlllen zum Beispiel durch Burnout tragen muumlssen Braun wei-ter bdquoDann muumlssen die sich natuumlrlich fragen Wie kommt dasldquo

Braun meint Arbeit duumlrfe nicht krank machen Arbeit muumlsse eher die Moumlglich-keit bieten dass man sich positiv entfalten koumlnne Deshalb muumlssten sich Arbeitgeber darum bemuumlhen dass die Leute mit mehr Spaszlig zur Arbeit kommen bdquoDaruumlber hinaus muumlssen Arbeitnehmer Aufgaben bekom-men um ihre Staumlrken ausleben zu koumlnnenldquo Er konkretisiert bdquoSie brauchen Aufgaben an denen sie persoumlnlich wachsen wo sie quasi aufbluumlhen koumlnnenldquo

In der positiven Psychologie sei der Begriff bdquoaufbluumlhenldquo elementar denn bdquoWenn Per-sonen etwas geleistet haben sprich Ziele erreichen dann sind sie zufriedener und haben wenig handlungsirrelevante Kogniti-onen oder Ablenkung Sie koumlnnen sich wie-der auf ihre Aufgaben konzentrieren und dadurch mehr leistenldquo begruumlndet Braun Zufriedenheit am Arbeitsplatz habe aber auch immer etwas mit der Entwicklung von Fuumlhrungskraumlften zu tun Nach Braun muumlss-ten sie darauf achten dass sie ihr Team ge-sund fuumlhren bdquoKrankenkassen wie die AOK Rheinland-PfalzSaarland bieten deshalb extra Programme dafuumlr an an denen wir als Team der Universitaumlt Koblenz-Landau

beteiligt sindldquo Eine weitere Moumlglichkeit fuumlr Arbeitgeber sieht Braun in regelmaumlszligigen Mitarbeiterbefragungen bdquoIm Rahmen von Folgeprozessen kann man dafuumlr sorgen dass zufriedenstellende Arbeitsbedingun-gen vorhanden sind und Missstaumlnde abge-schafft werdenldquo

Allerdings sei die Schuld nicht nur beim Arbeitgeber zu suchen Auch die Mitar-beiter sollten darauf achten ob sie an der richtigen Stelle im Unternehmen eingesetzt oder ob sie vielleicht irgendwo anders bes-ser aufgehoben seien Braun stellt klar bdquoVor der innerlichen Kuumlndigung sollte Unzufrie-denheit konstruktiv zum Ausdruck gebracht werden um dann vielleicht an einer sinn-volleren Stelle eingesetzt zu werdenldquo

Der Professor bemerkt dass die positive Psychologie allerdings nichts Neues sei bdquoIn der Arbeits- und Organisationspsychologie in der wir uns hier bewegen haben Wissen-schaftler ja schon immer das Thema Arbeits-zufriedenheit untersuchtldquo Es sei von daher ein ganz altes Forschungsgebiet welches nun durch die positive Psychologie neu be-reichert werde

Spielend zum GluumlckBraun hat an der Universitaumlt eine eige-

ne Studie zur Zufriedenheit durchgefuumlhrt

Unzufrieden im Job Positive Psychologie kann helfen

Viele kennen es Wenn Montagmorgen der Wecker klingelt faumlllt das Aufstehen oft

schwer besonders wenn man unzufrieden mit seiner Arbeit ist Aber warum ist man

unzufrieden und wie kann positive Psychologie dabei helfen die Unzufriedenheit zu

uumlberwinden NeuLand hat mit dem Professor fuumlr Wirtschaftspsychologie Dr Ottmar L

Braun uumlber die Psychologie der positiven Dinge gesprochen

19NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Dabei wurden Studierende einen Tag lang in Techniken der positiven Psychologie un-terrichtet bdquoAuszligerdem haben sie ein Gluumlcks-tagebuch bekommen bei dem sie ihre Gluumlcksmomente niederschreiben koumlnnen und einiges uumlber Smalltalk und Networking gelerntldquo Die Ergebnisse wuumlrden zeigen dass sich die Zufriedenheit der Studieren-den kurzfristig aber auch langfristig positiv veraumlndere Zudem seien ihr Optimismus und die Studienmotivation angestiegen depressive Verstimmungen gesunken Braun verdeutlicht bdquoAlles so wie man sich das wuumlnschtldquo

In seiner Forschung versucht er eine Bruuml-cke zu schlagen zwischen Techniken der positiven Psychologie und Techniken des Selbstmanagements Das wuumlrde gut pas-sen denn auch in der positiven Psychologie wuumlrden oft Tipps gegeben wie man etwas angehen solle versichert Braun Eine ganz prominente Uumlbung beim Selbstmanage-ment und in der positiven Psychologie sei die bdquoWas ist gut gelaufen-Uumlbungldquo Dabei geht es darum dass man am Abend uumlber-legen soll welche drei Dinge am Tag gut gelaufen sind und welche seiner Staumlrken es waren die dazu beigetragen haben Das sei eine Uumlbung die in der gesamten Literatur empfohlen werde Der Namensgeber der positiven Psychologie Martin Seligman habe zeigen koumlnnen dass die Anwendung

dieser Uumlbung dazu fuumlhre dass Leute nach sechs Monaten weniger depressiv seien Seligman fuumlhre das darauf zuruumlck dass das eine selbstverstaumlrkende Wirkung habe so Braun bdquoDie Leute merken dass sie sich bes-ser fuumlhlen wenn sie daruumlber nachdenken was heute gut gelaufen ist und warum Und deshalb wiederholen sie den Vorgangldquo Es habe dadurch eine langfristige Wirkung

Brauns neuestes Aushaumlngeschild ist ein Brettspiel namens bdquoCareer Games ndash spie-lend trainierenldquo bdquoWir haben Seminare ent wickelt bei denen wir Selbstmanage-ment-Kompetenzen in verschiedenen Le-bens- oder Inhaltsbereichen von Personen staumlrken koumlnnen Dazu dient auch ein Brett-spiel bei dem die Teilnehmer verschiedene Inhaltsbereiche der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder auch Smalltalk und Networking spielend erlernenldquo Jeder Spieler bekomme im Spiel eine Figur und muumlsse seinen Weg durch das Spielfeld wuumlrfeln so Braun bdquoAuf den Fel-dern muumlssen sie dann Quizkarten ziehen die das im Seminar Gelernte noch einmal aufarbeitenldquo Dabei muumlssten sie beispiels-weise drei Dinge nennen die sie in ihrem Leben gluumlcklich machen bdquoDurch den Spiel-charakter lernt man mehr als nur uumlber Se-minareldquo Mit Erfolg Erste Untersuchungen zeigen positive langfristige Effekte durch die Seminar-Brettspiel-Kombination (dan)

Tipps fuumlr die positive Fuumlhrung von Ottmar Braun

Fuumlhrungskraumlfte muumlssen eine gute zwischenmensch-liche Beziehung zu jedem einzelnen Mitarbeiter unterhalten Sie muumlssen auch verbindliche Aussagen machen und zu diesen Aussagen stehen Des Weiteren sollte ein Chef seine Angestellten unterstuumltzen wenn es notwendig ist Wichtig ist auch keinen unnoumltigen Druck aufzubauen sondern Staumlrken von Mitarbeitern kennen zu lernen und zu foumlrdern Von Vorteil koumlnnen auch Begruumlszligungs- und Krankenruumlckkehrgespraumlche sein Es koumlnnte ja sein dass die Krankheit etwas mit den Arbeitsbedingungen zu tun hat Natuumlrlich sind auch Teamsitzungen und Teambildungsmaszlignahmen von groszliger Bedeutung um ein angenehmes Arbeits-klima herzustellen

Spielend lernen Mit dem Brettspiel bdquoCareer Gamesldquo erlernen die Spieler verschiedene Inhalte der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder Smalltalk und Networking

20 NeuLand 2014 03

Psychotherapie-Ambulanz

Wie eine Baustelle sieht die psychothera-peutische Uni-Ambulanz nicht mehr aus Den Abdeckplanen sind bunte Stuumlhle und Stofftiere gewichen im Eingangsbereich liegen Fachmagazine und das Buumlro von Professorin Dr Tina In-Albon ist bereits voller Buumlcher Und doch bdquoist hier noch alles Baustelleldquo so die Professorin fuumlr Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kin-des- und Jugendalters Nach Therapeuten werde noch gesucht die ersten Behandlun-gen seien angelaufen Forschungsprojekte in Planung bdquoEine spannende Phaseldquo bekraumlf-tigt die Ambulanzleiterin

Von nun an wird sich das zehnkoumlpfige Team um die Professorin In-Albon und Ge-schaumlftsfuumlhrerin Dr Daniela Schwarz mit den psychischen Erkrankungen der suumld-pfaumllzer Kinder und Jugendlichen befassen Die Kosten fuumlr die psychotherapeutische Behandlung uumlbernehmen bei Indikation die Krankenkassen Hinzu kommt ein wei-terbildender Studiengang zur Ausbildung in Kinder- und Jugendlichenpsychothe-rapie der im Wintersemester 201415 mit zwoumllf Teilnehmern pro Jahrgang startet In Rheinland-Pfalz ist die Universitaumlt Kob-lenz-Landau in diesem Bereich die einzige universitaumlre Ausbildungsstaumltte Neben der hauseigenen Ambulanz kooperiert der Studiengang mit dem Pfalzklinikum in Klin-genmuumlnster sowie anderen kinder- und ju-gendpsychiatrischen Kliniken in der Region

Kaum eroumlffnet schon stehen die ersten Forschungsprojekte an Derzeit liegt ein Fokus in der Behandlung von Angststoumlrun-gen und Depressionen bdquoVielen Depressio-nen gehen Aumlngste voraus Daher lohnt es diese beiden zusammen zu betrachtenldquo so

Tina In-Albon Laut Statistik leiden zirka 20 Prozent der Erwachsenen und zirka 10 Pro-zent der Kinder unter Angststoumlrungen bei Depressionen sind es sogar 40 Prozent der Erwachsenen und im Jugendalter auch be-reits zwischen 15 und 20 Prozent In Planung befindet sich daher eine Therapiestudie fuumlr Jugendliche mit Angst- und depressiven Stoumlrungen Ein weiterer Forschungsbereich ist das nicht-suizidale selbstverletzende Verhalten im Volksmund auch als bdquoRitzenldquo bekannt bdquoDa machen wir eher Grundla-genforschungldquo so die Professorin Ein spe-zifisches Therapieangebot gebe es derzeit noch nicht ndash bdquodas kann sich aber alles noch entwickelnldquo

Einen weiteren Forschungsschwerpunkt stellt die psychische Gesundheit bei Kindern mit Diabetes dar insbesondere bei Diabetes vom Typ I der im Gegensatz zum bdquoAltersdi-abetesldquo II auch bei Kindern und Jugendli-chen verbreitet ist bdquoHier wissen wir uumlber

Erste Forschungsprojekte stehen an

Ende Juni offiziell eingeweiht hat die Psychotherapie-Ambulanz fuumlr Kinder und Jugend-

liche die Arbeit aufgenommen Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen

haben nun in Landau eine neue Anlaufstation Und auch die Forschung profitiert von der

Einrichtung

die medizinische Forschung zwar schon eine Mengeldquo sagt Tina In-Albon aber aus psychologischer Sicht sei das Thema noch relatives Neuland Wie etwa sieht es bei der psychologischen Betreuung der Kinder aus aber auch der Eltern der Lehrer und sons-tiger zentraler Bezugspersonen Wird die Krankheit und deren Umgang akzeptiert Wie koumlnnen Psychotherapeuten helfen Auch hier schlummert ein Forschungspo-tenzial fuumlr In-Albon bdquoVieles ist im Aufbauldquo sagt sie beschwichtigend Und doch laumlsst sie im Gespraumlch mit NeuLand durchblicken dass sie auch auf diesem Gebiet noch inten-siver forschen moumlchte

Neben der Forschung ist die Hochschul-ambulanz auch in die Lehre im Rahmen des Masterstudiengangs Klinische Psychologie eingebunden So werden die Studierenden beispielsweise in die Diagnostik einbezogen und koumlnnen unter Supervision in Patienten-gespraumlchen Praxiserfahrung sammeln (kap)

In der neuen Universitaumltsambulanz fuumlr Kinder und Jugendliche wird die ganze Palette der psychischen Stoumlrungen behandelt

21NeuLand 2014 03

Wenn man sich seine Dozenten auszligerhalb der Universitaumlt vorstellt dann ist es wohl in einem Sessel vor einem uumlberfuumlllten Buumlcher-regal mit einem wissenschaftlichen Buch in der Hand vielleicht noch mit einem Hund zu den Fuumlszligen Wenige Studenten glauben dass ihre Dozenten moumlglicherweise eine spannendere Freizeitgestaltung haben als sie selbst

Bei Walter H Schreiber ist das aber so Seit dem Sommer 2013 ist er 3D-Bogenschuumltze 3D-Bogenschieszligen bedeutet nicht dass man mit einer 3D-Brille und einem virtu-ellen Bogen bewaffnet auf herannahende Tiere oder Aliens schieszligt Eigentlich ist das 3D-Bogenschieszligen vielmehr die Wieder-entdeckung des sportlichen Jagens mit Pfeil und Bogen ohne einem Tier Schaden zuzufuumlgen Es erinnert an eine Art Golf Der Schlaumlger wird zum Bogen der Ball zum Pfeil und statt eines Abschlags hat man einen Abschuss-Punkt Das Ziel ist aber kein Loch sondern zum Beispiel ein Fasan oder eine Riesenspinne welche von Vereinsmitglie-dern angefertigt und im Parcours platziert wurde

Schreiber ist seit Dezember Mitglied beim Verein Palatina Bogenschuumltzen eV in Ins-heim suumldlich von Landau Davor absolvierte er bereits einen Pfeil und Bogen-Intensiv-kurs in der Eifel bdquoDamit sich nicht bereits am Anfang grobe Fehler einschleichenldquo bekraumlf-tigt Schreiber Sein Sohn sei auch Bogen-schuumltze habe aber unabhaumlngig von ihm zur selben Zeit angefangen Auf die Frage wa-rum er nicht das klassische von Olympia be-kannte Bogenschieszligen ausuumlbe antwortet Schreiber bdquoDa gibt es zu viele Regelnldquo Au-szligerdem sei er ein intuitiver Schuumltze welcher ndash im Gegensatz zum strategischen Schuumltzen ndash sich voll und ganz auf seine Erfahrung und sein Bauchgefuumlhl verlasse Zwar ist Schrei-ber schon seit einem Jahr leidenschaftlicher Bogenschuumltze trotzdem gilt er im Verein

Entspannung vom AlltagWaumlhrend die Studierenden fast immer wissen ob ein Dozent freundlich oder streng ist

koumlnnen sich nur wenige vorstellen was diese mit ihrer Freizeit anfangen NeuLand war

einen Abend mit Dr Walter H Schreiber unterwegs Sein Hobby das 3D-Bogenschieszligen

noch als Anfaumlnger bdquoDeswegen behalte ich meine Ergebnisse bei Wettkaumlmpfen lieber fuumlr michldquo bemerkt er schmunzelnd

Sicherheit sei sehr wichtig betont Schrei-ber So muss sich jeder Schuumltze vorab in einem Schieszligbuch eintragen um zu sehen wie viele Leute auf dem Parcours unter-wegs sind Aus gutem Grund Auf dem 500 Meter langen und mit 28 Zielen bestuumlckten Parcours kann man leicht den Uumlberblick verlieren Zwei bis drei Stunden dauert die Durchquerung des Kurses Manchmal machen es abgeknickte Aumlste und ein rut-schiger Untergrund gar nicht so einfach die Ziele zu treffen Trotzdem wuumlrden die meisten Unfaumllle nicht beim Schieszligen selbst passieren sondern beim Herausziehen der Pfeile aus den Koumlrpern der Ziele meint Schreiber Ein Vereinskollege ergaumlnzt bdquoWich-

tig ist uns dass wir das 3D-Bogenschieszligen nicht als Vorstufe zur Jagd mit Pfeil und Bogen sehen Es ist vielmehr ein Sport bei dem man sich deutschlandweit mit anderen Schuumltzen messen kannldquo Im Gegensatz zum klassischen Bogenschieszligen schieszlige man nicht auf langweilige Zielscheiben sondern durchlaufe einen interessanten Parcours

Fuumlr Schreiber ist das Bogenschieszligen Ent-spannungskur vom alltaumlglichen Uni-Stress bdquoNach der Arbeit auf den Parcours zu gehen befreit meinen Kopfldquo Verstaumlndlich denn das leise Zischen des Pfeiles und die Ruhe im gruumlnen naturbelassenen Gelaumlnde hat etwas Erholendes Auszligerdem hat Schreiber beim Verein Palatina Freunde gefunden mit denen er an fast jedem Donnerstag und Sonntag durch den Parcours streift ndash auf der Jagd nach kuumlnstlichen Tieren (dan)

Hobby 3D-Bogenschieszligen

Beim 3D-Bogenschieszligen findet Walter H Schreiber Entspannung vom alltaumlglichen Uni-Stress

22 NeuLand 2014 03

Summer School

In der Reihe bdquoE-Mail aus hellipldquo berichtet Sozialwissenschafts-Student Daniel Schumacher

von der Summer School aus dem polnischen Wroclaw

Liebes NeuLandCześćaus Wroclaw Manchmal reicht ein

akademischer Kurz-Urlaub um ein Land und die

Leute lieben zu lernen

Zum Ende meiner akademischen Laufbahn wollte

ich das Studentendasein noch einmal voll und

ganz genieszligen und habe mich entschlossen eine

Summer School zu besuchen Fast jeder unserer

Fachbereiche bietet so etwas an Fuumlr mich ging die

Reise unter der Leitung von Professor Dr Siegmar

Schmidt (Politikwissenschaften) nach Wroclaw Polen

Erasmus-finanziert begann meine Hinfahrt in einem

Fernbus von Karlsruhe direkt nach Breslau so der alte

deutsche Name fuumlr Wroclaw

Hier angekommen bezogen wir ndash meine Wenigkeit

mit sieben anderen Deutschen ndash unsere Zimmer in

einem Studentenwohnheim oder wie ich es nenne

bdquoPlattenromantik-Hotelldquo Von auszligen neu gestrichen

verspruumlhte das Haus von innen den gesamten

Ostblock-Charme der Kalten-Krieg-Aumlra Das war

fuumlr mich aber auch das einzig Negative waumlhrend

meiner zweiwoumlchigen Summer School Bereits

am ersten Tag lernten wir beim bdquoget-togetherldquo

die anderen Teilnehmer kennen 70 Studenten

aus uumlber acht Laumlndern wollten mehr uumlber die

europaumlische Finanzkrise lernen und ndash wie ich ndash neue

Freundschaften knuumlpfen

Ab dem zweiten Tag war unser neues Zuhause ein

Houmlrsaal beim Institut fuumlr Politikwissenschaft Dort

E-Mail aus hellip Wroclaw

lernten wir wie verschiedene europaumlische Staaten mit

der Finanzkrise zu kaumlmpfen hatten und stellten jeweils

unsere Laumlnder selbst vor

Nach der ersten Woche wurden wir in verschiedene

Gruppen aufgeteilt um uumlber Innovation im

oumlffentlichen und privaten Sektor zu forschen

Forschen bedeutete dabei dass wir polnische

Buumlrger interviewten die entweder im privaten oder

oumlffentlichen Bereich taumltig sind Mein bdquoResearch-Haufenldquo

war bunt gemischt ndash von Belgiern uumlber Rumaumlnen

bis hin zu Ukrainern Ohne Verstaumlndigungsprobleme

meisterten wir unseren Arbeitsauftrag was am letzten

Tag feucht-froumlhlich mit allen gefeiert wurde

Am Ende moumlchte ich noch eine Lanze fuumlr die Stadt

Wroclaw und das Land Polen brechen Wir wurden

sehr herzlich aufgenommen Die Stadt mit ihrer

(deutschen) Geschichte war atemberaubend Nicht

nur die alten Gebaumlude haben es mir angetan sondern

die Atmosphaumlre rund um den historischen Stadtkern

Ich habe in diesen zwei Wochen sehr viele Menschen

kennen gelernt einige wuumlrde ich nun als enge Freunde

bezeichnen Das erste Wiedersehen mit Studenten aus

Belgien und Tschechien ist bereits geplant

Bis bald im guten alten Landau

euerDaniel Schumacher

23NeuLand 2014 03

Hochschulgruppe

Eigentlich kommt Cornelia Spengler aus einem ganz anderen Fachgebiet Nach ih-rem Biologiestudium am Karlsruher Insti-tut fuumlr Technologie promoviert sie derzeit in Landau im Fachbereich Natur- und Um-weltwissenschaften Aber auch an sozialer Arbeit hatte sie schon immer Interesse Sie wollte sich nicht nur mit der Wissenschaft beschaumlftigen sondern mit Menschen zu-sammenarbeiten So entdeckte sie fuumlr sich ein sensibles Thema die Integration und Bildungsgerechtigkeit

Cornelia Spengler wollte nicht nur reden sondern handeln In der SchuumllerNavi-Grup-pe in Aachen fand sie ein Vorbild nach dem sie am Campus Landau gemeinsam mit Stu-dentin Sylvia Klaus eine Hochschulgruppe aufbaute Ziel sollte es sein Schuumller zu foumlr-dern die durch ihre mangelnden Deutsch-kenntnisse in der Schule Probleme haben und deren Eltern das Geld fuumlr Nachhilfe nicht aufbringen koumlnnen bdquoWenn die Eltern zu Hause kaum Deutsch sprechen haben die Kinder dort auch wenig Unterstuumltzung fuumlr die Schule Diktate zu uumlben ist dann schlichtweg nicht moumlglichldquo erklaumlrt Speng-ler

SchuumllerNavi bietet neben Hausaufgaben-betreuung und Nachhilfeunterricht auch kulturellen Austausch Mittlerweile betei-ligen sich in der Hochschulgruppe uumlber 20 Studenten die den Schuumllern in schulischen

Aktive Arbeit statt bloszlige TheorieUumlber Integration zu reden bringt nicht viel Sie muss gelebt werden Darum gruumlndete die

Landauer Doktorandin Cornelia Spengler mit Studentin Sylvia Klaus die Hochschulgruppe

SchuumllerNavi die immer mehr Mitglieder zaumlhlt Wie man Integration foumlrdern kann und was

den Ehrenamtlichen ihre Arbeit bringt daruumlber sprach sie mit NeuLand

Belangen zur Seite stehen ihnen das Uni-Leben zeigen und ihnen zuhoumlren wenn sie Probleme haben

Spengler selbst betreut zwei Bruumlder mit tamilischen Wurzeln Um Beruumlhrungspunk-te zu schaffen die fuumlr den Aufbau eines Ver-trauensverhaumlltnisses wichtig sind hat sie mit den Jungs auf dem Campus beispiels-weise gemeinsam mikroskopiert Einer der beiden Bruumlder war stark versetzungsgefaumlhr-det und hat es nun in die naumlchste Klasse geschafft Ein Stuumlck weit schreibt sie diesen Erfolg SchuumllerNavi zu

bdquoSchwierig ist es zu unterscheiden welche Kinder wirklich der Foumlrderung beduumlrfenldquo so Spengler In Konkurrenz mit Nachhilfe-Firmen will die Gruppe nicht treten Ziel-gruppe sind Kinder die in der Schule haumlufig nicht ausreichend gefoumlrdert werden und deren Eltern sich keine professionelle Nach-hilfe leisten koumlnnen Daher hat SchuumllerNavi Kooperationen mit sozialen Institutionen Landaus die ihnen die Kontakte weiterver-mitteln bdquoDer Bedarf ist riesig Wir koumlnnen ihn gar nicht deckenldquo berichtet Spengler Daher ist die Hochschulgruppe auch staumln-dig dabei neue Mitglieder zu werben

Fuumlr die Zukunft plant die Hochschul-gruppe eine weitere Kooperation mit ELKE (Eltern Kompetenzen erlernen) um die El-tern weiterzuschulen beispielsweise mit Sprachkursen Dadurch sollen diese ihren

Kindern besser bei schulischen Aufgaben selbst helfen koumlnnen

Neben dem Gefuumlhl etwas Gutes zu tun sieht Spengler aber auch andere Vorteile fuumlr das Ehrenamt Gerade Lehramtsstu-denten koumlnnen sich hier ausprobieren und paumldagogische Konzepte umsetzen die sie aus der Theorie kennen Jeder koumlnne viel lernen erklaumlrt sie Man uumlbe hier nicht nur den Umgang mit Kindern und Jugendli-chen sondern lerne auch viel uumlber fremde Kulturen Sie selbst habe von ihren zwei Nachhilfeschuumllern bereits viel uumlber Feierta-ge und Sitten ihrer Kultur aber auch einzel-ne Vokabeln ihrer Sprache gelernt Und die Schuumller seien sehr interessiert an deutschen Gebraumluchen und Eigenarten

Fuumlr das ehrenamtliche Engagement hat SchuumllerNavi bereits Preise bekommen Bei der Initiative fuumlr Integration von bigFM be-legten sie den dritten Platz Das Preisgeld investierte die Gruppe unter anderem um mit ihren Schuumllern die Zooschule zu besu-chen In diesem Jahr erhaumllt SchuumllerNavi zu-dem den Campus-Kulturpreis des Campus Landau

bdquoMan redet immer uumlber Integration Von Menschen mit Migrationshintergrund wird erwartet sich hier zu integrieren Aber das liegt ja auch an uns Man muss sie auf die-sem Weg unterstuumltzenldquo erklaumlrt Doktorandin Spengler (rst)

Termine ImpressumHerausgeberReferat fuumlr Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit der Universitaumlt Koblenz-Landau Campus Landau Fortstraszlige 7 76829 Landau

RedaktionsteamKerstin Theilmann (ket) (verantw) Berend Barkela (bb) Wilfried Dorsch (wdo) Sebastian Kapp (kap) Daniel Schumacher (dan) Rosa Stecher (rst)

LayoutMedienzentrum Campus Landau Berend Barkela

FotosTitel Imago Fotoarena S 2 S 3 privat S 5 Imago Xinhua S 7 oben kanvag - Fotoliacom S 7 unten Medienzentrum Hiller S 9 Imago ITAR-TASS S 10 Imago Steinach S 11 Imago DeFodi S 13 Imago PPfotodesign S 15 JiSign - Fotoliacom S 17 Medienzentrum Hiller S 19 Medienzentrum Barkela S 20 Medienzentrum Hiller S 21 und 22 Daniel Schumacher

KontaktKerstin TheilmannTel 06341 280-32219 E-Mail theiluni-koblenz-landaude

Aus Gruumlnden der besseren Lesbarkeit verwenden wir in unseren Artikeln die maumlnnliche Form Damit sind stets Frauen und Maumlnner gemeint

Die Redaktion behaumllt sich die Kuumlrzung und Uumlberarbeitung von Texten vor Die Meinung einzelner AutorinnenAutoren gibt nicht immer die Meinung der Redaktion wieder

28101014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Florian Ostertag Atrium Infos unter wwwasta-landaude

05112014 ab 2130 Uhr Atriumsfete Infos unter wwwasta-landaude

06112014 20 Uhr Poetry Slam Landau Universum Kinocenter Infos unter wwwzkwuni-landaude

19112014 1930 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Friedensprojekt Europa in der Krise Mit Bundesministerin aD Heidemarie Wieczorek-Zeul und weiteren Gaumlsten Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

19112014 21 Uhr Konzert bdquoBeats und Pianoldquo Audimax Infos unter wwwasta-landaude

1122014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Unland Atrium Infos unter wwwasta-landaude

03122014 19 Uhr Hambacher Gespraumlch Meine Daten gehoumlren den Unternehmen Hambacher Schloss Infos unter wwwfliuni-landaude

05122014 1930 Uhr Reihe bdquoGroszlige Begegnungenldquo mit Sternekoch Alfons Schubeck Jugendstil-Festhalle Landau Infos unter wwwzkwuni-landaude

08122014 1900 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Frieden durch Demokratie Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

Ausblick 13 - 15012015 Poetik-Dozentur mit Rafik Schami Infos unter wwwzkwuni-landaude

Weitere Termine unter wwwuni-koblenz-landaudeaktuell wwwuni-koblenz-landaudeblog

Page 10: Neuland Ausgabe 3/2014

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Das Krisenexperiment ist eine soziolo-gische Methode mit der soziale Normen aufgedeckt werden koumlnnen die Akteuren nicht bewusst sind Das geschieht durch die absichtliche Missachtung von Ritualen Be-obachtet man wie die Menschen reagieren wenn ihre Wirklichkeit nicht wie gewohnt funktioniert zeigen sich unausgesproche-ne Uumlbereinkuumlnfte Soziologen sagen dann Hier werden Praktiken der impliziten Kon-struktion sozialer Wirklichkeit offenbar Durch die Reaktionen auf die Stoumlrung der Ordnung wird sichtbar wie die soziale Ord-nung konstruiert wird

In jeder sozialen Gruppe gibt es spezifi-sche Muster nach denen Dinge interpre-tiert werden Unterschiedliche Deutungen von Symbolen und Handlungen entschei-den uumlber Zugehoumlrigkeit und Abgrenzung Das erzeugt Realitaumlt und Wahrnehmung von Realitaumlt Diesen Mechanismus macht sich die Kunst des Performativen zunutze Ein Realitaumltsbruch wirft Fragen auf entfaltet womoumlglich Potenziale um die Ordnung zu aumlndern aber vor allem Er faumlllt auf und stellt somit Oumlffentlichkeit her

Die Kunstwissenschaft versteht dies als bdquoAktionskunstldquo ein kuumlnstlerischer Bereich der erst seit den 1960er Jahren praktiziert wird Bis dato hatte sich die Kunst bei Pro-testkultur eher auf die bildliche Darstellung als eine Illustration oder als eigenstaumlndige Anklage konzentriert Als Beispiel dient Dr Christoph Zuschlag Professor fuumlr Kunstge-schichte und Kunstvermittlung am Cam-pus Landau das Bild bdquoDie Freiheit fuumlhrt das Volkldquo von Delacroix aus dem Jahr 1830 das beruumlhmte Bild der barbusigen Marianne die ndash die Tricolore in der Hand ndash die Aufstaumln-dischen der Juli-Revolution anfuumlhrt Oder

auch Picassos bdquoGuernicaldquo (1937) bdquoEs waumlre fuumlr Picasso nicht denkbar gewesen in Spanien selbst auf die Barrikaden zu gehen und dies als Kunst zu deklarierenldquo sagt Zuschlag Doch bdquoAktionskuumlnstlerldquo tun genau dies set-zen waumlhrend der Aktion aumlsthetische Akzen-te bdquoEs sind Aktionen bei denen der Inhalt waumlhrend der Aktion auch gleich transpor-tiert wirdldquo Man schaut sich die Bilder nicht spaumlter im Museum an ndash sondern diese ge-schehen und wirken weitestgehend in Echt-zeit Schlieszliglich vergroumlszligert YouTube nur die Reichweite doch das Schneeballsystem startet schon mit dem ersten Beobachter auf der Straszlige

Aumlsthetik das bedeutet fuumlr den Kunsthis-toriker in diesem Zusammenhang all das was vom Menschen gestaltet wird was nicht nur eine funktionale sondern daruuml-ber hinaus eine gestalterische Komponen-te besitzt Ins Gruumlbeln kommt Zuschlag bei der Frage ob der legendaumlre Thesen-anschlag Martin Luthers Aktionskunst ge-wesen sei bdquoEs war ein hochsymbolischer und provokativer Akt das ja Aber Luther hat diesen Akt sicher nicht als Kunst schon gar nicht als Aktionskunst verstanden weil es dieses Phaumlnomen und den Begriff im 16 Jahrhundert noch gar nicht gabldquo Aber nicht zufaumlllig faumlllt der Thesenan-schlag in eine Zeit des medialen Wandels ndash schlieszliglich wurde nur ein knappes Jahr-hundert vorher der Buchdruck erfunden Flugblaumltter Pamphlete Kupferstiche und Holzschnitte praumlgten die Zeit bdquoMit der Er-findung des Rundfunks Ende des 19 Jahr-hunderts hat das natuumlrlich noch einmal ganz andere Dimensionen angenommenldquo so Zuschlag Die Aktionen wurden noch unmittelbarer transportiert

Ein medial erfolgreicher Realitaumltsbruch gelang der Gruppe Pussy Riot als sie im Februar 2012 den Altarraum der Christus-Erloumlser-Kathedrale in Moskau stuumlrmte ein Punk-Konzert inszenierte einige Aktivistin-nen vor dem Altar tanzten und respektlose Texte sangen Damit wollten sie gegen die enge Verbindung zwischen orthodoxer Kir-che und Putins System protestieren Ein von der Gruppe produziertes Video der Aktion wurde nach kurzer Zeit bei YouTube veroumlf-fentlicht Fuumlr ihren Auftritt verurteilte ein russisches Gericht drei beteiligte Frauen zu zwei Jahren Haft Das Video ging um die Welt und bescherte der Gruppe eine Solida-ritaumltswelle aus dem Westen

Symbole schaffen Verbindungen

bdquoPussy Riot stoumlrt Sehordnungenldquo sagt So-ziologin Marija Stanisavljevic ebenfalls am Campus Landau taumltig Sie untersucht wie aumlsthetische Kommunikation zum Mittel des Protests werden kann Aumlsthetik versteht sie als eine bdquoArt und Weise wie soziale Phaumlno-mene zum Vorschein gebracht werdenldquo und konzentriert sich dabei insbesondere auf Symbole in Bildern bdquoSymbole sind un-glaublich wichtig Sie schaffen Verbindun-gen zwischen verschiedenen Menschen Sie lassen unterschiedliche Deutungen zu und koumlnnen Gemeinschaft stiftenldquo Dass Pussy Riot vor allem im Westen erfolgreich sind liegt fuumlr Stanisavljevic an westlichen Sehordnungen Das russische System sei konservativ streng und autoritaumlr Pussy Riot seien bunt laut und punkig Sie bieten eine

Die fuumlr den Comic bdquoV for Vendettaldquo gezeichnete Guy-Fawkes-Maske trugen zunaumlchst Aktivisten der Anonymous-Bewegung Waumlhrend der Occupy-Proteste wurde sie auch international sichtbar und entwickelte sich zum Protest-Symbol

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

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Alternative zum russischen politischen Sys-tem bdquoDahinter steht die westeuropaumlische Sehn sucht nach Demokratie in Russlandldquo Trifft der Protest auf andere Sehordnungen hat er auch andere Konsequenzen bdquoDer Pro-test war gegen das System in Russland ge-richtet Tatsaumlchlich hilft er vermutlich dem System die eigenen konservativen Positio-nen zu festigenldquo

Mit der Erforschung aumlsthetischer Protest-kommunikation anhand von Bildern ar-beitet Stanisavljevic in einem noch jungen Bereich der Soziologie bdquoDie Beschaumlftigung mit Bildern und bewegten Bildern ist fuumlr die Soziologie ein relativ neues Phaumlnomenldquo Fuumlhrte die steigende Bedeutung des Visuel-len in geistes- und kulturwissenschaftlichen Traditionen in den 90er Jahren zum bdquoiconic turnldquo ist eine bdquovisuelle Soziologieldquo kaum etabliert Fuumlr eine soziologische Perspektive auf Bilder und Filme muumlssen Methoden und Theorien angepasst und entwickelt werden bdquoBilder haben ihren eigenen Sinn sie brau-chen eigene Zugaumlnge und Methodenldquo sagt Stanisavljevic und versteht ihre Dissertation als einen Beitrag dazu

Fuumlr ihre Bildanalyse begegnet sie Protest-darstellungen zunaumlchst isoliert Den Kon-text um die Situation blendet sie aus und entwickelt moumlgliche Lesarten Anschlie-szligend vergleicht sie diese Uumlberlegungen mit dem vollstaumlndigen Kontextwissen um das Bild Mit dieser Analyse moumlglicher und tatsaumlchlicher Lesarten will Stanisavljevic aufdecken wie durch Bilder in unterschied-lichen Kontexten Realitaumlt erzeugt wird und welche Sehordnungen fuumlr die Deutung die-ser Bilder relevant sind

Dabei unterscheidet sie aumlsthetische Pro-testkommunikation von anderen aumlstheti-

schen Formen Der Kuumlnstler Ai Weiwei zum Beispiel kritisiert in seiner Arbeit das chine-sische System und erlebte wie Pussy Riot staatliche Eingriffe Aber so Stanisavljevic bdquodie massenmediale Rezeption zu Ai Weiwei findet im Feuilleton statt die zu Pussy Riot im Politik-Teilldquo So schaffe Ai Weiwei Kunst die auch politische Kunst sei aumlsthetisierter Protest hingegen sei Politik die sich aumlstheti-scher Mittel bediene Und doch ist dies der vorlaumlufige Houmlhepunkt einer Entwicklung Die Liaison zwischen Protest und Kunst fin-det nicht nur auf der Straszlige statt sondern auch in Ausstellungen und Museen So wur-de bei der Berlin Biennale 2013 der Occupy-Bewegung ein Raum gegeben den die Protestbewegung selbst gestalten durfte bdquoDas wurde sehr kritisiertldquo merkt Zuschlag an Occupy und Kunst Das war fuumlr viele dann doch zu progressiv

Gestoumlrte Sehordnungen ndashProduzierte Sehstoumlrungen

Protestkommunikation will ein groszliges Publikum erreichen bdquoUm in den Massen-medien aufzufallen und in Erinnerung zu bleiben muss sie sich von klassischen Pro-testformen abgrenzenldquo betont Stanisavlje-vic Demonstrationen Transparente und Straszligenschlachten sind demnach ein ge-wohntes Bild in der Berichterstattung Sie entsprechen Sehordnungen Aumlsthetisierte Protestformen unterscheiden sich davon Sie produzieren Sehstoumlrungen Dabei sind sie nicht nur Teil einer Bewegung sondern auch selbststaumlndiges mediales Produkt Das gilt auch fuumlr Erdem Guumlnduumlz Stumm und

regungslos stand er im Juni 2013 auf dem Taksim-Platz nachdem die Proteste rund um den Gezi-Park in Istanbul eskaliert wa-ren Der bdquoStanding Manldquo wurde zu einem Symbol des Protestes

Diese Aumlsthetisierung ist keine Erfindung der Pop-Kultur wie Kunstwissenschaftler Zuschlag weiszlig bdquoDie Nationalsozialisten zum Beispiel hatten ein hohes Maszlig an Aumlstheti-sierung in ihren Auftrittenldquo NSDAP und Pro-test bdquoWir sprechen natuumlrlich von den 1920er und fruumlhen 30er Jahren als die Nazis noch in der Opposition warenldquo Hakenkreuze braune Hemden rote Armbinden all diese Symbolik hatte einen praktischen Zweck bdquoSymbole sind reduzierte abstrakte Bil-derldquo erklaumlrt Zuschlag die Wirkung Es geht um aumlsthetische Praumlgnanz es geht darum Aufmerksamkeit zu generieren und zu er-halten Das Hakenkreuz als bdquoMarkeldquo Binnen von Sekundenbruchteilen wusste jeder wer dort aufmarschierte

Die aumlsthetische Inszenierung schafft eine hohe Aufmerksamkeit wenn sie die ge-wohnte Wirklichkeit stoumlrt Aber wird der Protest durch seine Aumlsthetisierung nicht auch Marke Ist das uumlberhaupt noch Protest oder bereits Marketing bdquoEine Bewegung will an die Macht oder die Macht uumlberwaumll-tigen und braucht dafuumlr Sympathisantenldquo stellt Soziologin Stanisavljevic fest Wie Werbung und PR muumlssen Protestler sich ab-grenzen und anderen signalisieren wofuumlr (oder wogegen) sie stehen Das gilt fuumlr Pro-testbewegungen ebenso wie fuumlr Unterneh-men NGOs Politiker und Oppositionelle Das Buhlen um Aufmerksamkeit zum For-mulieren ihrer Ziele ist allen gemein Dass die Methoden sich aumlhneln ergibt sich von selbst (bbkap)

In Russland verfolgt im Westen gefeiert Waumlhrend drei Aktivistinnen in Russland zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden erhielt die Gruppe Pussy Riot im Dezember 2012 den Sonderpreis des Musikpreises bdquo1 Live Kroneldquo

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

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Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

Wir koumlnnen uns alle noch an die Bilder von Stuttgart 21 erinnern wuumltende Buumlrger Hundertschaften an Polizisten und ein noch groumlszligerer Medienrummel Viel wurde uumlber die sogenannten bdquoWutbuumlrgerldquo diskutierthellip Aber was treibt Menschen ganz allgemein dazu fuumlr Sachen einzutreten und dafuumlr auf die Straszlige zu gehen

Tobias Rothmund ist Junior-Professor fuumlr politische Psychologie am Campus Landau und erforscht Protestverhalten In seiner Forschung geht es vor allem um die Mo-tivation von Menschen an einem Protest teilzunehmen Dabei muumlsse man erst in der Gerechtigkeitspsychologie nach Ant-worten suchen also was Menschen fuumlr gerecht oder ungerecht erachten wuumlrden erklaumlrt er bdquoEs gibt Protestverhalten das aus dem Gefuumlhl persoumlnlicher Benachtei-ligung motiviert ist und es gibt die Pro-testmotivation aus der Beobachtung der Benachteiligung andererldquo Rothmund er-gaumlnzt bdquoWenn jemand nicht das bekommt was er glaubt zu verdienen dann wird es als ungerecht wahrgenommen Unge-rechtigkeit kann man aber nicht nur aus der Opferperspektive betrachten sondern auch als Beobachter von Ungerechtigkeitldquo Als Beispiel nennt Roth mund Proteste an der Universitaumlt Dabei wuumlrde man sich zum Beispiel als Studierender direkt benach-teiligt fuumlhlen Als Dozent koumlnne man als Beobachter zustimmen und Studierende deshalb unterstuumltzen Trotzdem sei man nicht in der Rolle des Benachteiligten er-laumlutert Rothmund

In der Forschung gibt es nach Tobias Roth-mund drei groszlige Theorien um (politischen) Protest oder Protestverhalten zu erklaumlren Theorie der sozialen Gerechtigkeit soziale Identitaumltstheorie und Rational Choice-The-orie Diese seien allerdings nicht getrennt voneinander zu betrachten sondern inei-nander verschraumlnkt bdquoAusloumlser von Protest ist in der Regel ein Gefuumlhl der Benachteili-gungldquo verdeutlicht Rothmund Man koumlnne das haumlufig beobachten bei Tarifverhandlun-gen Ob sich jemand unzureichend bezahlt fuumlhle haumlnge nicht unbedingt vom absolu-ten Einkommen ab sondern mit wem sich die Personen und Gruppen vergleichen wuumlrden bdquoInsofern kann es selbst bei Per-sonen zum Gefuumlhl der Benachteiligung kommen die von anderen als sehr privile-giert wahrgenommen werdenldquo In der Psy-chologie wuumlrde man deshalb von relativer Deprivation sprechen ndash also das Gefuumlhl der Benachteiligung relativ zu einem gewissen Vergleichsstandard

Eine wichtige Rolle spielt auch das Kol-lektiv und die soziale Gruppe die sich als protestierende Gruppe versteht Rothmund fuumlgt an bdquoMan sieht in der Regel keine ein-zelnen Personen protestieren Protest geht gewoumlhnlich von sozialen Bewegungen ausldquo Beispiele dafuumlr waumlren die Anti-Atom-Bewegung oder Gewerkschaften bdquoOftmals schlieszligen sich Personen in sozialen Grup-pen zusammen um ein politisches Ziel zu erreichenldquo Wichtig fuumlr die Motivation sei ein Gefuumlhl des Zusammenhalts und fuumlr ein ge-meinsames Ziel einzustehen bdquoDesto groumlszliger

eine Protestbewegung ist desto eher ist sie auch ein Selbstlaumluferldquo konkretisiert Roth-mund Oft sei es so dass ein Protest erst eine kritische Masse erreicht haben muumlsse damit Buumlrger dabei sein wollen bdquoDie Pro-testbewegung fungiert hier als sinnstiften-de soziale Gruppeldquo

Der dritte Strang ist eher aus der Rational Choice-Theorie also dem rationalen Den-ken abgeleitet bdquoDie Bereitschaft zu protes-tieren haumlngt immer auch davon ab ob die Leute glauben dass es etwas bringt und ob sie mit dem Protest etwas erreichen koumln-nenldquo versichert Rothmund Das haumlnge auch stark von der Groumlszlige der Protestbewegung ab weil natuumlrlich eine groumlszligere Protestbe-wegung meist die Erwartung ausloumlse dass man mit dem Protest etwas erreichen koumln-ne Als Beispiel veranschaulicht Rothmund bdquoWenn zehn Leute in der Landauer Innen-stadt protestieren wuumlrde sich niemand da-fuumlr interessieren Wenn sie dagegen einen studentischen Protest mit 1000 Studieren-den organisieren dann waumlre sicherlich die Hoffnung bei jedem Teilnehmer groumlszliger damit etwas bewirken zu koumlnnenldquo Eine weitere Motivation koumlnne aber auch die Ak-tualitaumlt von Themen sein bdquoWenn ein Thema oder Projekt einen ungewissen Ausgang hat wird man wahrscheinlich eine groumlszligere Erwartung haben durch einen Protest oder eine Aktion etwas veraumlndern zu koumlnnen als wenn man weiszlig man steht mit seiner Mei-nung allein auf weiter Flurldquo

Tobias Rothmund erklaumlrt weiter dass sich Menschen darin unterscheiden wodurch

Protestbewegungen ndash Von Gerechtigkeit uumlber Kollektiv bis zur Rationalitaumlt

Stuttgart 21 Anti-Atom- oder Occupy-Bewegung ndash Leute gehen immer wieder auf die

Straszlige um fuumlr eine Sache einzutreten Aber woher kommt das Passend zu unserem

Schwerpunkt berichtet Junior-Professor Dr Tobias Rothmund wie die Psychologie im

Bereich Protestkultur forscht und warum Gerechtigkeit eine zentrale Rolle dabei spielt

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sie zum Protest motiviert werden bdquoManche sind vielleicht rationaler und brauchen ein erreichbares Ziel andere moumlchten moumlgli-cherweise eher Teil einer Gruppe sein zu der ihr soziales Umfeld gehoumlrt Wieder an-dere sind besonders sensibel in Bezug auf Gerechtigkeit und Ungerechtigkeitldquo Man koumlnne diese oben angesprochenen drei Motivationen daher auch als Dimension fuumlr Persoumlnlichkeitseigenschaften verstehen die Menschen unterschiedlich stark moti-vieren koumlnnten

Der Wutbuumlrger von Stuttgart 21

Rothmund hat in diesem Jahr zusam-men mit den beiden Landauer Psycholo-gen Anna Baumert und Axel Zinkernagel einen wissenschaftlichen Artikel zu den durch Stuttgart 21 bekannt gewordenen bdquoWutbuumlrgernldquo publiziert bdquoWas wir bei Stutt-gart 21 untersucht haben betrifft vor allem die Dimension der Gerechtigkeitldquo erlaumlutert Rothmund Ausgehend von der generellen Annahme die bdquoWutbuumlrgerldquo seien eine kon-servative Personengruppe die in Stuttgart wohne sich vor allem um eigenen Besitz und egoistische Annehmlichkeiten sorge haben die drei Forscher bei einer Befragung Persoumlnlichkeitsmerkmale von Protestieren-den erfasst Dabei wollten sie die Persoumln-lichkeitsstruktur der Protestierenden besser verstehen Im Besonderen ging es ihnen um

die Frage inwiefern opfersensible Personen (also Menschen die sich selbst besonders leicht benachteiligt fuumlhlen) oder beobach-tersensible Personen (also Menschen die eher sensibel fuumlr die Benachteiligung ande-rer sind) eher protestierten Sie befragten zirka 1000 Buumlrger darunter Befuumlrworter Gegner und Unentschlossene von Stuttgart 21 Das Resultat bdquoLeute die opfersensibel sind haben gar nicht haumlufiger protestiert Das war interessanterweise genau umge-kehrt Es haben also eher Leute protestiert die sensibel dafuumlr sind dass andere benach-teiligt werdenldquo bemerkt Rothmund Das sei ein interessanter Befund da das eher darauf hindeuten wuumlrde dass Leute nicht nur ei-gennuumltzig fuumlr sich selbst engagiert sondern tatsaumlchlich fuumlr Mitbestimmung oder Ge-rechtigkeit in den Entscheidungsprozessen protestiert haumltten bdquoUnsere Ergebnisse ha-ben gezeigt dass die Leute die dort protes-tiert haben sich gegen ein intransparentes ungerechtes Verhalten der Autoritaumlten ge-wehrt haben und nicht gegen ihre eigene persoumlnliche Benachteiligungldquo verdeutlicht Rothmund

Auf die Frage ob zur Zeit eine Renaissance der Protestkultur vonstatten gehen wuumlrde stellt der Junior-Professor fest bdquoDas wird man erst spaumlter sagen koumlnnenldquo Eines wuumlr-de aber feststehen Durch das Internet sei die Organisation von Protesten sowie der Austausch von Informationen einfacher Da-durch wuumlrden Menschen viel schneller mo-bilisiert werden koumlnnen meint Rothmund(dan)

Wutbuumlrger

2010 kam zum ersten Mal das Schlagwort bdquoWutbuumlrgerldquoauf Gepraumlgt vom Spiegel-Journalisten Dirk Kurbjuweit beschreibt der Begriff eine vor-nehmlich aumlltere gebildetere und wohlhabende Personengruppe die sich mit Wut und Empoumlrung gegen politische Entscheidungstraumlger auflehnt

Demonstration auf dem Stuttgarter Schlossplatz am 18 Februar 2012

Literatur

Rothmund T Baumert A amp Zinkernagel A (2014) The German bdquoWutbuumlrgerldquo - How Justice Sensitivity Accounts for Individual Differences in Political Enga-gement Social Justice Research 27(1) 24-44

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Weiterbildung ist zentrales Thema fuumlr Claudia Ehrhardt Bei der Geschaumlftsfuumlhrerin der Arbeitsstelle der Weiterbildung der Wei-terbildenden (AWW) mit Sitz am Campus Landau laufen seit uumlber 14 Jahren die Faumlden der im Verein angeschlossenen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungseinrichtungen zusammen Fuumlr die Diplom-Paumldagogin sind die PIAAC-Ergeb-nisse ein eindeutiger Indikator dass bei der Grundbildung Erwachsener Handlungsbe-darf besteht Dass diese ndash ganz anders als die PISA-Ergebnisse ndash medial kaum aufgegriffen oder diskutiert wurden bilde den Stellen-wert der Weiterbildung in der Gesellschaft ab Dabei sind die dort getesteten Groumlszligen fuumlr ein erfolgreiches Arbeitsleben die Teilha-be an der heutigen Gesellschaft und die Pro-duktivitaumlt von Betrieben und Unternehmen bedeutsam

PIAAC (Programme for the International Assessment of Adult Competencies) ist die erste internationale Vergleichsstudie die zentrale Grundkompetenzen in der erwach-senen Bevoumllkerung beleuchtet Von Herbst 2011 bis Fruumlhjahr 2012 hat die Organisation fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Deutschland und uumlber 20 weiteren Laumlndern bei Erwachsenen im erwerbsfaumlhigen Alter von 16 bis 65 Jahren Lese- und alltagsmathematische Kompe-tenzen sowie technologiebasierte Problem-loumlsekompetenzen gemessen Das Ergebnis Deutschland liegt leicht unter dem OECD-Durchschnitt Allerdings schneiden juumlngere Erwachsene besser ab als aumlltere Vermutlich eine positive Folge der Bildungsanstrengun-gen nach PISA

PIAAC habe gezeigt dass auch im Erwach-senenalter gilt was fuumlr Schulkinder bittere Realitaumlt ist Das Bildungsniveau ist abhaumlngig von der Herkunftsfamilie bdquoWer uumlber keine gute Grundbildung verfuumlgt wird auch keine Weiterbildung machenldquo so Ehrhardt Und wer sich nicht weiterbildet faumlllt in der Ar-beitswelt zuruumlck Daher sei es erfreulich dass seit einigen Jahren verstaumlrkt in Projektfinan-zierungen im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung investiert werde so Ehrhardt

Moumlgliche Ruumlckschluumlsse aus den PIACC-Ergebnissen auf die Weiterbildung diskutier-ten Experten auf einer von Claudia Ehrhardt organisierten Fachtagung im Fruumlhjahr Der Tenor Die Professionalisierung der in der Weiterbildung taumltigen Paumldagogen Dozenten oder Trainer muss darauf setzen fuumlr die Ar-beit mit Bildungsverlierern entsprechend zu sensibilisieren ndash mit dem Ziel diesem abge-haumlngten Bereich eine Perspektive zu bieten Dieser Professionalisierungsaufgabe wird sich die AWW auch in Zukunft widmen

Weiterbildung ohne Raum und Zeit

Fuumlr die Arbeit des Zentrums fuumlr Fernstudi-en und Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) sieht Geschaumlftsfuumlhrer Dr Burkhard Lehmann aufgrund der PIACC-Ergebnisse keine unmit-telbaren Implikationen Denn die Teilnehmer der diversen Studiengang- und Kursangebo-te des ZFUW seien in der Regel die ohnehin bildungsaffinen Menschen die gewohnt sei-en sich zu qualifizieren Auf die Gruppe die

in PIAAC schlecht abgeschnitten habe seien die ZFUW-Bildungsangebote gar nicht zuge-schnitten

Das ZFUW hat als aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz seit uumlber 20 Jahren Erfahrung in der wissen-schaftlichen Weiterbildung bdquoWir haben uns mit dem Fernstudium und der Fernlehre fuumlr ein spezifisches Bildungsformat ent-schiedenldquo so Lehmann Denn dieses Format werde den Beduumlrfnissen der Bildungsinte-

Um die Kompetenzen Erwachsener beispielsweise im Lesen scheint es in Deutschland

nicht gut bestellt Das zumindest ist das Ergebnis der PIAAC-Studie Haben die Ergebnisse

Auswirkungen auf die Erwachsenenbildung NeuLand hat sich bei der Arbeitsstelle der

Weiterbildung der Weiterbildenden (AWW) und dem Zentrum fuumlr Fernstudien und

Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) erkundigt

Das ZFUW

Das Zentrum fuumlr Fernstudien und Universitaumlre Wei-terbildung (ZFUW) ist eine zentrale Einrichtung der Universitaumlt Koblenz-Landau Mit mehr als 21 Jahren Erfahrung ist das ZFUW die aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz Das ZFUW ist auf das Angebot postgradualer Fernstudien-gaumlnge spezialisiert veranstaltet daneben aber auch Weiterbildungen im Praumlsenzformat (z B Seminare)wwwuni-koblenz-landaudezfuw

Gute Grundbildung bedingt Weiterbildung

PIAAC-Studie

ressierten ohne Bindung an Raum und Zeit am meisten gerecht In Ballungsraumlumen wie Hamburg Muumlnchen oder Berlin wo sich die Kunden aus dem lokalen Umfeld akquirie-ren lassen funktionieren auch Praumlsenzan-gebote weiszlig Lehmann bdquoBefindet sich eine Einrichtung allerdings in einer Randlage operiert man besser auf der Ebene der Fern-lehre bei der die Organisation zum Teilneh-mer kommt und nicht der Teilnehmer zur Organisationldquo

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Nutzen und Folgen des Internets

Das Schnuumlren zeitgemaumlszliger Themen und Inhalte ist zentral um das ZFUW wettbe-werbsfaumlhig zu halten Derzeit unterhaumllt es die Programmbereiche Umwelt Energie und Management Expertise holt sich das ZFUW vorrangig aus den eigenen Reihen der Ko-

gogikldquo Damit sollen Lehrerinnen und Leh-rer fit gemacht werden fuumlr den schulischen Alltag in Zeiten der Inklusion bdquoDie Laumlnder stellen zwar den Finanzbedarf fuumlr Inklusion in der Schule allerdings fehlt eine profun-de Qualifizierung der Lehrkraumlfteldquo erklaumlrt Lehmann den Ansatz des neuen Weiterbil-dungsprogramms Mit einem Kooperati-onspartner bereitet das ZFUW ein weiteres Programm vor bdquoBusiness Communications and Rhetoricldquo

Weiterbildung heute so wichtig wie noch nie

Fuumlr das berufliche Weiterkommen ist Wei-terbildung heute so zentral wie noch nie bdquoDie Halbwertszeit des Wissens wird immer kuumlrzerldquo bekraumlftigt Claudia Ehrhardt Die PIAAC-Studie habe daher auch gezeigt wie wichtig Kompetenzaufbau -erhalt und -er-weiterung in der Berufswelt seien Die zahl-reichen Innovationswellen im beruflichen Kontext gerade im EDV- oder Produktions-kontext lassen den Bedarf an Weiterbildung kontinuierlich steigen versichert Burkhard Lehmann Warum Menschen letztendlich sich fuumlr eine Weiterbildung entscheiden da-fuumlr gebe es drei zentrale Gruumlnde Lehmann unterscheidet zwischen Selbstperfektionie-rern Tool-Suchern und Karriere- oder Ab-schlussorientierten Der ersten Gruppe liegt daran die eigene Persoumlnlichkeit weiterzu-entwickeln und sich fuumlr private Interessen mehr Wissen anzueignen Die Tool-Sucher erweitern gezielt ihre Kompetenzen um

Die AWW

Die Arbeitsstelle fuumlr die Weiterbildung der Weiterbil-denden (AWW) foumlrdert die Zusammenarbeit zwischen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungsorganisationen Der bundesweit einzigartige Verein ist eine wichtige Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis im Bereich der Weiterbildung Gegruumlndet wurde die AWW 1998 auf Initiative des Ministeriums fuumlr Bildung Wissenschaft Weiterbil-dung und Kultur Die AWW hat ihren Sitz in Landau und ist der Universitaumlt Koblenz-Landau angegliedert Unter dem Motto bdquoBesser lehren lernenldquo organisiert die AWW Workshops und Fachtagungen fuumlr Personen die in der Weiterbildung taumltig sind wwwaww-landaude

blenzer und Landauer Wissenschaftler bdquoWir arbeiten aber auch konsortialldquo so Lehmann bdquound halten somit ein bestimmtes Know-how vor das an den Standorten unserer Uni-versitaumlt nicht verfuumlgbar istldquo Selbst wenn die Flexibilitaumlt bestehe auch nicht einschlaumlgige Themen zu vertreten entwickele das ZFUW vornehmlich Angebote im Kernbereich der Universitaumlt Koblenz-Landau

Derzeit arbeiten Lehmann und sein Team an dem neuen Programm bdquoInklusionspaumlda-

berufliche Herausforderungen meistern zu koumlnnen Vertreter der dritten Gruppe tum-meln sich vorwiegend im akademischen Feld Da man fuumlr die Ausuumlbung bestimmter Funktionen im beruflichen Aufstieg meist Bescheinigungen uumlber entsprechendes Wissen oder Kompetenzen benoumltigt ori-entiert sich deren Weiterbildungsbedarf an Abschluumlssen

Entsprechend unterscheidet Lehmann auch zwischen drei Weiterbildungsberei-chen die klassische die betriebliche und die wissenschaftliche Weiterbildung Die klassische Weiterbildung wird beispiels-weise von Volkshochschulen betrieben und richtet sich an ein breites Publikum Im betrieblichen Kontext sollen Arbeitnehmer ihre Kompetenzen erweitern und ihr Wissen erhoumlhen beispielsweise wenn Vertriebs-mitarbeiter im Umgang mit einem neuen Produkt geschult werden muumlssen oder eine neue Software im Unternehmen eingefuumlhrt wird Die wissenschaftliche Weiterbildung ermoumlglicht akademisch vorqualifiziertem Personal sich auf neue Aufgaben etwa als Fuumlhrungskraft vorzubereiten

Die Zeiten in denen Lernen mit dem Verlassen der Schule dem Abschluss der Ausbildung oder dem Universitaumltsexamen beendet war sind definitiv vorbei Wer im Berufsleben bestehen will wird um regel-maumlszligige Weiterqualifizierung nicht umhin kommen PIACC soll in einem Rhythmus von zehn Jahren wiederholt werden um ein Laumlngsschnitt-Bild der Entwicklung zu er-halten Man darf gespannt sein wohin sich die Kompetenzen deutscher Erwerbstaumltiger entwickeln (ket)

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Sprachbedrohung und Sprachentod

Sprachbedrohung und Sprachentod sind ein weltweites Phaumlnomen Linguisten ge-hen davon aus dass etwa alle zwei Wochen eine Sprache stirbt In 100 Jahren so schaumlt-zen Sprachforscher werden im besten Fall noch die Haumllfte dieser Sprachen existieren vielleicht aber auch nur noch zehn Prozent von ihnen Waumlhrend die 20 groumlszligten der zir-ka 6800 lebenden Sprachen von der Haumllfte der Weltbevoumllkerung gesprochen werden weisen die meisten Sprachen eine Gemein-schaft von nur wenigen hundert oder tau-send Sprechern auf Von bevorstehendem Sprachentod spricht man wenn eine Spra-che aufhoumlrt Muttersprache oder Erstspra-che zu sein ndash also dann wenn sie nur noch sekundaumlr erlernt wird und damit die noumltige Sprachpflege verliert Der endguumlltige Tod tritt ein wenn es keine Sprecher mehr gibt

Sprachbedrohung und Sprachentod fin-den auf allen Kontinenten statt und neh-men ein immer schnelleres Tempo auf je weiter die Globalisierung voranschreitet Viele andere Faktoren wie unter anderem starke Migrationsbewegungen Zuwande-rung und Urbanisierung sowie ein hohes Alter der Sprecher oder die geringe wirt-schaftliche Staumlrke einer Sprache wirken zudem auf den Sprachbestand ein Stark gefaumlhrdete Sprachen sind vor allem in den Regionen Nord- und Suumldamerika Austra-lien Asien Westafrika und in Nord- und Ostsibirien vorzufinden In diesen Regio-nen kommt es zur massiven Verletzung von Sprachenrechten

Anglistik-Professor Dr Martin Puumltz ist Linguist und beschaumlftigt sich mit Sprache und ihren vielfaumlltigen sozialen kulturel-len und psychologischen Auspraumlgungen Zusammen mit seiner Kollegin Dr Monika Reif hat er im Fruumlhjahr 2014 das 36 Interna-tionale LAUD Symposium organisiert das sich rund um das Thema Sprachbedrohung und Sprachentod drehte (siehe Infokasten) Puumltz erklaumlrt Sprache sei relevant da sie ein einzigartiger Schatz an Wissen Ideen und Weltansichten sei bdquoMit den fast 7000

Bevor sie verstummen hellipWeltweit existieren etwa 6800 Sprachen doch die Vielfalt nimmt rasant ab Was

bedeutet es wenn Sprachen sterben Was bleibt von einer Kultur uumlbrig wenn ihre Art

die Welt zu beschreiben wegfaumlllt und die Urahnen verstummen

Sprachen auf unserer Welt gibt es auch fast 7000 Arten die Welt auf unterschiedliche Art wahrzunehmen und sie zu beschreibenldquo erlaumlutert der Linguist Beispielsweise haben einige Sprachen der Ureinwohner Amerikas ein komplett anderes Zeitsystem Dinge in der Zukunft oder Vergangenheit auszudruuml-cken gehe in diesen Sprachen nicht mit den uns bekannten grammatikalischen Moumlg-lichkeiten

Sprache ist also nicht nur ein Mittel der Kommunikation sondern bietet einen tiefen Einblick in die Einstellungen und Wahrnehmungen gegenuumlber der Welt kon-serviert Traditionen und Geschichte einer Kultur und gibt einzigartiges Wissen an die naumlchste Generation weiter beispielsweise uumlber Heilmittel und Pflanzen aber auch Ge-fuumlhle Spiritualitaumlt und soziale Einsichten Es gibt so etwas wie eine kulturelle Identitaumlt und die wird maszliggeblich von Sprache ge-praumlgt Warum aber verschwinden so viele Sprachen von der Bildflaumlche Natuumlrlich gibt es viele aumluszligere Umstaumlnde warum Sprachen ihre Sprecher verlieren Gerade in der Kolo-nialzeit haben die Besatzer eine Vielzahl an Sprachen marginalisiert und unterdruumlckt teilweise wurden ganze Voumllker durch Krieg vernichtet z B durch die Kolonialisierung und Besiedlung Nord- und Suumldamerikas die Ausrottung indigener Voumllker in Australi-en oder durch die im 17 Jahrhundert einset-zende Russifizierungspolitik in Osteuropa im Kaukasus und in Sibirien Auch Natur-katastrophen wie Erdbeben oder Vulkan-ausbruumlche koumlnnen stark regional gepraumlgte Sprachen toumlten

Auch wenn Sprachwissenschaftler versu-chen bedrohte Sprachen durch Aufzeich-nung Uumlbersetzung sowie die Bewahrung und Verbreitung von Sprachaufzeichnun-gen zu dokumentieren erwecken sie diese dadurch nicht mehr zum Leben Mit No-tizbloumlcken und Aufnahmegeraumlten kann man zwar einen Teil des Wortschatzes der Grammatik und Aussprache festhalten in geringerem Maszlige jedoch Redewendungen

Gebraumluche und Beschreibungsmodelle fuumlr die Welt einfangen Nur wer eine Sprache muttersprachlich spricht kann ihre zahlrei-chen Facetten begreifen Sprachrevitalisie-rung gelingt nur in den seltensten Faumlllen Gegluumlckt ist dies beispielsweise beim mo-dernen Hebraumlisch Iwrith genannt das er-folgreich wiederbelebt und zur offiziellen Amtssprache Israels erhoben wurde Zu-meist ist der Sprachtod aber unwiderruflich

In aktuellen Faumlllen der Sprachbedrohung liege das Problem haumlufig nicht an der Um-welt sondern an anderer Stelle erklaumlrt Puumltz Wer einer Minderheitensprache maumlchtig ist hat oftmals das Gefuumlhl damit auf dem Bildungsweg oder im Berufsleben schlech-tere Chancen zu haben Eltern bestehen daher oft darauf dass ihre Kinder die indi-gene Sprache vernachlaumlssigen und statt-dessen eine dominante und wirtschaftlich starke Sprache wie Englisch Spanisch oder Franzoumlsisch zuerst erlernen bdquoSie geben da-mit eine verstaumlrkt negative Einstellung zur Muttersprache an die naumlchste Generation weiterldquo verdeutlicht Puumltz die Problemlage Der Globalisierungseffekt ist somit nicht zu unterschaumltzen denn waumlhrend z B das Eng-lische immer dominanter wird nimmt die Geringschaumltzung und damit einhergehende Vernachlaumlssigung indigener Sprachen wei-ter zu Um den Sprachentod aufzuhalten benoumltigt es also weniger Dokumentation als vielmehr eine grundlegende Aumlnderung der Einstellung zu Minderheitensprachen und indigenen Sprachen (rst)

Linguistic Agency University of DuisburgTrierLandau (LAUD)

Seit 1973 finden unter diesem Namen alle zwei Jahre Konferenzen zum Thema Sprache statt ndash zunaumlchst in Trier und Duisburg und seit 2000 in Landau Das 36 LAUD Symposium wurde im Fruumlhjahr 2014 zum Thema bedrohte Sprachen und Sprachentod veranstaltet Uumlber 90 Teilnehmer aus 25 Laumlndern besuchten die Veranstaltung

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Kinder- und Jugendhospitzarbeit

Wie lassen sich die Arbeit und das Zu-sammenleben in Kinder- und Jugendhos-pizen verbessern Wie werden Kinder und Jugendliche wirkungsvoll begleitet die an einer unheilbaren Krankheit leiden oder die einen Trauerfall in der Familie verar-beiten muumlssen bdquoBislang konnten sich die Einrichtungen ausschlieszliglich durch ein Qua-litaumltssiegel bewerten lassenldquo sagt Sven Jen-nessen Das bedeute harte generalisierte Bewertungsfaktoren bdquoDabei unterscheiden sich die Einrichtungen teilweise gravierendldquo So sei etwa die Nachfrage nach tuumlrkischer Sprachkompetenz in einigen Einrichtungen zwar sehr hoch ndash es gebe aber auch Einrich-tungen bei denen der Bedarf schlicht nicht erkennbar sei Hier muumlsse man individuell auf die Beduumlrfnisse der Einrichtungen der Mitarbeiter der Kinder und Jugendlichen sowie der Familien eingehen Fuumlr Jennessen ist dies nur eines von vielen Beispielen bei dem sich die Schwaumlche starrer Bewertungs-

kriterien zeigt Immerhin muumlsse gerade in diesem sensiblen Bereich der Mensch im Mittelpunkt stehen ndash und keine Checkliste

Deshalb ist der Qualitaumltsindex fuumlr Kin-der- und Jugendhospizarbeit QuinK auch bdquoandersldquo Der Fokus liegt nicht nur auf den Antworten sondern auch auf der Kom-munikation zwischen den Beteiligten also zwischen haupt- und ehrenamtlichen Mit-arbeitern mit Eltern Kindern und auch Geschwistern bdquoNachhaltige Qualitaumltsent-wicklung funktioniert nur durch Kommuni-kation aller Beteiligtenldquo so der Ansatz von Sven Jennessen Und damit sind auch die Juumlngsten gemeint bdquoWir sehen die Kinder als Experten in eigener Sache anldquo erklaumlrt Stefanie Hurth Gerade die Einbeziehung der Geschwister stelle derzeit bei vielen Einrichtungen ein Problem dar Denn die muumlssten bei einer todbringenden Krank-heit der Schwester oder des Bruders haumlufig zuruumlckstecken Nur selten bleibe das ohne

Konflikte wodurch sie im schlimmsten Fall die Moumlglichkeit versaumlumten sich von ihren Geschwistern zu verabschieden bdquoHier gibt es kein Schema F Viel wichtiger ist dass die Betroffenen sich austauschen die Themen aufgreifen und dann Loumlsungen entwickelnldquo sagt Hurth

Der QuinK soll durch seine zur Reflexion anregenden Fragen diese Kommunikati-on ermoumlglichen und eine Art Diskussions-Agenda darstellen Daher wurde QuinK in den vergangenen Monaten in drei stationauml-ren Kinder- und Jugendhospizen und zwei ambulanten Kinderhospizdiensten getes-tet Jennessen und Hurth besuchten die Einrichtungen in Unna Duumlsseldorf Syke Darmstadt und Wiesbaden regelmaumlszligig bdquoDer QuinK ist nicht am gruumlnen Tisch ent-standenldquo sagt Sven Jennessen

Das Team aus Landauer Wissenschaftlern wurde unterstuumltzt vom Deutschen Hospiz- und Palliativverband (DHPV) Mit diesem zusammen wurden zwoumllf Grundsaumltze fuumlr die Arbeit von Kinder- und Jugendhospizen verfasst Das seien komplexe Themen von der Betreuung der Kinder bis zur Oumlffentlich-keitsarbeit fuumlr die jeweils ein aus den drei Kategorien Haltung Strukturen und Prak-tiken bestehender Fragebogen entstan-den ist bdquoEinige Fragen die wir als wichtig erachtet hatten wurden in der Praxis nicht angenommen Andere wiederum haben wir ergaumlnzt Jetzt ist der QuinK fitldquo ist Stefanie Hurth stolz auf das Ergebnis Und Sven Jen-nessen ergaumlnzt bdquoDie Ruumlckmeldungen waren insgesamt sehr positivldquo

Nun soll der QuinK Verbreitung finden Fachvortraumlge auf Konferenzen Artikel in Fachzeitschriften Die Arbeit des Jennessen-Teams ist noch laumlngst nicht abgeschlossen bdquoWir haben aber gute Startvoraussetzun-gen schlieszliglich waren die Praktiker vom DHPV von Anfang an an Bordldquo so Jennes-sen (kap)

QuinK neuer QualitaumltsindexEin neuer Index soll die Betreuung in Kinder- und Jugendhospizeinrichtungen verbessern

Dieser Aufgabe haben sich Professor Dr Sven Jennessen und Stefanie Hurth vom Institut

fuumlr Sonderpaumldagogik in den letzten Monaten gewidmet Nun praumlsentieren sie das

Ergebnis ihrer Arbeit den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit kurz QuinK

Ein Jahr lang hat Stefanie Hurth den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit getestet Nun ist der bdquoQuinKldquo fertig und soll im Oktober in die Praxis gehen

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Psychologie der positiven Dinge

Nach der neuen Gallup-Studie ist die Ar-beitszufriedenheit zwar im Vergleich zum letzten Jahr gestiegen trotzdem kritisch Nur wenige Menschen fuumlhlen sich bei ihrer Arbeit wertgeschaumltzt Sie suchen stattdes-sen ihr Gluumlck in der Freizeit Hinzu kommt ein dramatischer Anstieg von psychischen Erkrankungen wie dem Burnout-Syndrom Wie kann man mit diesen Gefahren umge-hen

Eine potenzielle Loumlsung liegt im Bereich der positiven Psychologie Sie befasst sich damit unter welchen Umstaumlnden Personen Wohlbefinden Gluumlck und Zufriedenheit erleben Waumlhrend sich vor den 90er Jahren die Sozial- und Verhaltenspsychologen vor allem mit den Defiziten beschaumlftigt haben untersucht man seit 1998 psychologische Prozesse die dazu fuumlhren dass Menschen zufrieden und gluumlcklich und dadurch leis-tungsfaumlhiger sind

Ottmar L Braun ist auszligerplanmaumlszligiger Professor in der Arbeitsgruppe Sozial- und Wirtschaftspsychologie am Campus Landau und befasst sich mit positiver Psycholo-gie Zur Thematik Unzufriedenheit im Job bekraumlftigt er bdquoDie Forschung hat deutlich gezeigt dass sich Techniken der positiven Psychologie vorteilhaft auf die Arbeits- und Lebenszufriedenheit auswirkenldquo Besonders interessant sei das fuumlr Krankenkassen da sie sich mit Krankheit und Gesundheit ausei-

nandersetzen und auch als erste die Kosten von langfristigen Ausfaumlllen zum Beispiel durch Burnout tragen muumlssen Braun wei-ter bdquoDann muumlssen die sich natuumlrlich fragen Wie kommt dasldquo

Braun meint Arbeit duumlrfe nicht krank machen Arbeit muumlsse eher die Moumlglich-keit bieten dass man sich positiv entfalten koumlnne Deshalb muumlssten sich Arbeitgeber darum bemuumlhen dass die Leute mit mehr Spaszlig zur Arbeit kommen bdquoDaruumlber hinaus muumlssen Arbeitnehmer Aufgaben bekom-men um ihre Staumlrken ausleben zu koumlnnenldquo Er konkretisiert bdquoSie brauchen Aufgaben an denen sie persoumlnlich wachsen wo sie quasi aufbluumlhen koumlnnenldquo

In der positiven Psychologie sei der Begriff bdquoaufbluumlhenldquo elementar denn bdquoWenn Per-sonen etwas geleistet haben sprich Ziele erreichen dann sind sie zufriedener und haben wenig handlungsirrelevante Kogniti-onen oder Ablenkung Sie koumlnnen sich wie-der auf ihre Aufgaben konzentrieren und dadurch mehr leistenldquo begruumlndet Braun Zufriedenheit am Arbeitsplatz habe aber auch immer etwas mit der Entwicklung von Fuumlhrungskraumlften zu tun Nach Braun muumlss-ten sie darauf achten dass sie ihr Team ge-sund fuumlhren bdquoKrankenkassen wie die AOK Rheinland-PfalzSaarland bieten deshalb extra Programme dafuumlr an an denen wir als Team der Universitaumlt Koblenz-Landau

beteiligt sindldquo Eine weitere Moumlglichkeit fuumlr Arbeitgeber sieht Braun in regelmaumlszligigen Mitarbeiterbefragungen bdquoIm Rahmen von Folgeprozessen kann man dafuumlr sorgen dass zufriedenstellende Arbeitsbedingun-gen vorhanden sind und Missstaumlnde abge-schafft werdenldquo

Allerdings sei die Schuld nicht nur beim Arbeitgeber zu suchen Auch die Mitar-beiter sollten darauf achten ob sie an der richtigen Stelle im Unternehmen eingesetzt oder ob sie vielleicht irgendwo anders bes-ser aufgehoben seien Braun stellt klar bdquoVor der innerlichen Kuumlndigung sollte Unzufrie-denheit konstruktiv zum Ausdruck gebracht werden um dann vielleicht an einer sinn-volleren Stelle eingesetzt zu werdenldquo

Der Professor bemerkt dass die positive Psychologie allerdings nichts Neues sei bdquoIn der Arbeits- und Organisationspsychologie in der wir uns hier bewegen haben Wissen-schaftler ja schon immer das Thema Arbeits-zufriedenheit untersuchtldquo Es sei von daher ein ganz altes Forschungsgebiet welches nun durch die positive Psychologie neu be-reichert werde

Spielend zum GluumlckBraun hat an der Universitaumlt eine eige-

ne Studie zur Zufriedenheit durchgefuumlhrt

Unzufrieden im Job Positive Psychologie kann helfen

Viele kennen es Wenn Montagmorgen der Wecker klingelt faumlllt das Aufstehen oft

schwer besonders wenn man unzufrieden mit seiner Arbeit ist Aber warum ist man

unzufrieden und wie kann positive Psychologie dabei helfen die Unzufriedenheit zu

uumlberwinden NeuLand hat mit dem Professor fuumlr Wirtschaftspsychologie Dr Ottmar L

Braun uumlber die Psychologie der positiven Dinge gesprochen

19NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Dabei wurden Studierende einen Tag lang in Techniken der positiven Psychologie un-terrichtet bdquoAuszligerdem haben sie ein Gluumlcks-tagebuch bekommen bei dem sie ihre Gluumlcksmomente niederschreiben koumlnnen und einiges uumlber Smalltalk und Networking gelerntldquo Die Ergebnisse wuumlrden zeigen dass sich die Zufriedenheit der Studieren-den kurzfristig aber auch langfristig positiv veraumlndere Zudem seien ihr Optimismus und die Studienmotivation angestiegen depressive Verstimmungen gesunken Braun verdeutlicht bdquoAlles so wie man sich das wuumlnschtldquo

In seiner Forschung versucht er eine Bruuml-cke zu schlagen zwischen Techniken der positiven Psychologie und Techniken des Selbstmanagements Das wuumlrde gut pas-sen denn auch in der positiven Psychologie wuumlrden oft Tipps gegeben wie man etwas angehen solle versichert Braun Eine ganz prominente Uumlbung beim Selbstmanage-ment und in der positiven Psychologie sei die bdquoWas ist gut gelaufen-Uumlbungldquo Dabei geht es darum dass man am Abend uumlber-legen soll welche drei Dinge am Tag gut gelaufen sind und welche seiner Staumlrken es waren die dazu beigetragen haben Das sei eine Uumlbung die in der gesamten Literatur empfohlen werde Der Namensgeber der positiven Psychologie Martin Seligman habe zeigen koumlnnen dass die Anwendung

dieser Uumlbung dazu fuumlhre dass Leute nach sechs Monaten weniger depressiv seien Seligman fuumlhre das darauf zuruumlck dass das eine selbstverstaumlrkende Wirkung habe so Braun bdquoDie Leute merken dass sie sich bes-ser fuumlhlen wenn sie daruumlber nachdenken was heute gut gelaufen ist und warum Und deshalb wiederholen sie den Vorgangldquo Es habe dadurch eine langfristige Wirkung

Brauns neuestes Aushaumlngeschild ist ein Brettspiel namens bdquoCareer Games ndash spie-lend trainierenldquo bdquoWir haben Seminare ent wickelt bei denen wir Selbstmanage-ment-Kompetenzen in verschiedenen Le-bens- oder Inhaltsbereichen von Personen staumlrken koumlnnen Dazu dient auch ein Brett-spiel bei dem die Teilnehmer verschiedene Inhaltsbereiche der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder auch Smalltalk und Networking spielend erlernenldquo Jeder Spieler bekomme im Spiel eine Figur und muumlsse seinen Weg durch das Spielfeld wuumlrfeln so Braun bdquoAuf den Fel-dern muumlssen sie dann Quizkarten ziehen die das im Seminar Gelernte noch einmal aufarbeitenldquo Dabei muumlssten sie beispiels-weise drei Dinge nennen die sie in ihrem Leben gluumlcklich machen bdquoDurch den Spiel-charakter lernt man mehr als nur uumlber Se-minareldquo Mit Erfolg Erste Untersuchungen zeigen positive langfristige Effekte durch die Seminar-Brettspiel-Kombination (dan)

Tipps fuumlr die positive Fuumlhrung von Ottmar Braun

Fuumlhrungskraumlfte muumlssen eine gute zwischenmensch-liche Beziehung zu jedem einzelnen Mitarbeiter unterhalten Sie muumlssen auch verbindliche Aussagen machen und zu diesen Aussagen stehen Des Weiteren sollte ein Chef seine Angestellten unterstuumltzen wenn es notwendig ist Wichtig ist auch keinen unnoumltigen Druck aufzubauen sondern Staumlrken von Mitarbeitern kennen zu lernen und zu foumlrdern Von Vorteil koumlnnen auch Begruumlszligungs- und Krankenruumlckkehrgespraumlche sein Es koumlnnte ja sein dass die Krankheit etwas mit den Arbeitsbedingungen zu tun hat Natuumlrlich sind auch Teamsitzungen und Teambildungsmaszlignahmen von groszliger Bedeutung um ein angenehmes Arbeits-klima herzustellen

Spielend lernen Mit dem Brettspiel bdquoCareer Gamesldquo erlernen die Spieler verschiedene Inhalte der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder Smalltalk und Networking

20 NeuLand 2014 03

Psychotherapie-Ambulanz

Wie eine Baustelle sieht die psychothera-peutische Uni-Ambulanz nicht mehr aus Den Abdeckplanen sind bunte Stuumlhle und Stofftiere gewichen im Eingangsbereich liegen Fachmagazine und das Buumlro von Professorin Dr Tina In-Albon ist bereits voller Buumlcher Und doch bdquoist hier noch alles Baustelleldquo so die Professorin fuumlr Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kin-des- und Jugendalters Nach Therapeuten werde noch gesucht die ersten Behandlun-gen seien angelaufen Forschungsprojekte in Planung bdquoEine spannende Phaseldquo bekraumlf-tigt die Ambulanzleiterin

Von nun an wird sich das zehnkoumlpfige Team um die Professorin In-Albon und Ge-schaumlftsfuumlhrerin Dr Daniela Schwarz mit den psychischen Erkrankungen der suumld-pfaumllzer Kinder und Jugendlichen befassen Die Kosten fuumlr die psychotherapeutische Behandlung uumlbernehmen bei Indikation die Krankenkassen Hinzu kommt ein wei-terbildender Studiengang zur Ausbildung in Kinder- und Jugendlichenpsychothe-rapie der im Wintersemester 201415 mit zwoumllf Teilnehmern pro Jahrgang startet In Rheinland-Pfalz ist die Universitaumlt Kob-lenz-Landau in diesem Bereich die einzige universitaumlre Ausbildungsstaumltte Neben der hauseigenen Ambulanz kooperiert der Studiengang mit dem Pfalzklinikum in Klin-genmuumlnster sowie anderen kinder- und ju-gendpsychiatrischen Kliniken in der Region

Kaum eroumlffnet schon stehen die ersten Forschungsprojekte an Derzeit liegt ein Fokus in der Behandlung von Angststoumlrun-gen und Depressionen bdquoVielen Depressio-nen gehen Aumlngste voraus Daher lohnt es diese beiden zusammen zu betrachtenldquo so

Tina In-Albon Laut Statistik leiden zirka 20 Prozent der Erwachsenen und zirka 10 Pro-zent der Kinder unter Angststoumlrungen bei Depressionen sind es sogar 40 Prozent der Erwachsenen und im Jugendalter auch be-reits zwischen 15 und 20 Prozent In Planung befindet sich daher eine Therapiestudie fuumlr Jugendliche mit Angst- und depressiven Stoumlrungen Ein weiterer Forschungsbereich ist das nicht-suizidale selbstverletzende Verhalten im Volksmund auch als bdquoRitzenldquo bekannt bdquoDa machen wir eher Grundla-genforschungldquo so die Professorin Ein spe-zifisches Therapieangebot gebe es derzeit noch nicht ndash bdquodas kann sich aber alles noch entwickelnldquo

Einen weiteren Forschungsschwerpunkt stellt die psychische Gesundheit bei Kindern mit Diabetes dar insbesondere bei Diabetes vom Typ I der im Gegensatz zum bdquoAltersdi-abetesldquo II auch bei Kindern und Jugendli-chen verbreitet ist bdquoHier wissen wir uumlber

Erste Forschungsprojekte stehen an

Ende Juni offiziell eingeweiht hat die Psychotherapie-Ambulanz fuumlr Kinder und Jugend-

liche die Arbeit aufgenommen Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen

haben nun in Landau eine neue Anlaufstation Und auch die Forschung profitiert von der

Einrichtung

die medizinische Forschung zwar schon eine Mengeldquo sagt Tina In-Albon aber aus psychologischer Sicht sei das Thema noch relatives Neuland Wie etwa sieht es bei der psychologischen Betreuung der Kinder aus aber auch der Eltern der Lehrer und sons-tiger zentraler Bezugspersonen Wird die Krankheit und deren Umgang akzeptiert Wie koumlnnen Psychotherapeuten helfen Auch hier schlummert ein Forschungspo-tenzial fuumlr In-Albon bdquoVieles ist im Aufbauldquo sagt sie beschwichtigend Und doch laumlsst sie im Gespraumlch mit NeuLand durchblicken dass sie auch auf diesem Gebiet noch inten-siver forschen moumlchte

Neben der Forschung ist die Hochschul-ambulanz auch in die Lehre im Rahmen des Masterstudiengangs Klinische Psychologie eingebunden So werden die Studierenden beispielsweise in die Diagnostik einbezogen und koumlnnen unter Supervision in Patienten-gespraumlchen Praxiserfahrung sammeln (kap)

In der neuen Universitaumltsambulanz fuumlr Kinder und Jugendliche wird die ganze Palette der psychischen Stoumlrungen behandelt

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Wenn man sich seine Dozenten auszligerhalb der Universitaumlt vorstellt dann ist es wohl in einem Sessel vor einem uumlberfuumlllten Buumlcher-regal mit einem wissenschaftlichen Buch in der Hand vielleicht noch mit einem Hund zu den Fuumlszligen Wenige Studenten glauben dass ihre Dozenten moumlglicherweise eine spannendere Freizeitgestaltung haben als sie selbst

Bei Walter H Schreiber ist das aber so Seit dem Sommer 2013 ist er 3D-Bogenschuumltze 3D-Bogenschieszligen bedeutet nicht dass man mit einer 3D-Brille und einem virtu-ellen Bogen bewaffnet auf herannahende Tiere oder Aliens schieszligt Eigentlich ist das 3D-Bogenschieszligen vielmehr die Wieder-entdeckung des sportlichen Jagens mit Pfeil und Bogen ohne einem Tier Schaden zuzufuumlgen Es erinnert an eine Art Golf Der Schlaumlger wird zum Bogen der Ball zum Pfeil und statt eines Abschlags hat man einen Abschuss-Punkt Das Ziel ist aber kein Loch sondern zum Beispiel ein Fasan oder eine Riesenspinne welche von Vereinsmitglie-dern angefertigt und im Parcours platziert wurde

Schreiber ist seit Dezember Mitglied beim Verein Palatina Bogenschuumltzen eV in Ins-heim suumldlich von Landau Davor absolvierte er bereits einen Pfeil und Bogen-Intensiv-kurs in der Eifel bdquoDamit sich nicht bereits am Anfang grobe Fehler einschleichenldquo bekraumlf-tigt Schreiber Sein Sohn sei auch Bogen-schuumltze habe aber unabhaumlngig von ihm zur selben Zeit angefangen Auf die Frage wa-rum er nicht das klassische von Olympia be-kannte Bogenschieszligen ausuumlbe antwortet Schreiber bdquoDa gibt es zu viele Regelnldquo Au-szligerdem sei er ein intuitiver Schuumltze welcher ndash im Gegensatz zum strategischen Schuumltzen ndash sich voll und ganz auf seine Erfahrung und sein Bauchgefuumlhl verlasse Zwar ist Schrei-ber schon seit einem Jahr leidenschaftlicher Bogenschuumltze trotzdem gilt er im Verein

Entspannung vom AlltagWaumlhrend die Studierenden fast immer wissen ob ein Dozent freundlich oder streng ist

koumlnnen sich nur wenige vorstellen was diese mit ihrer Freizeit anfangen NeuLand war

einen Abend mit Dr Walter H Schreiber unterwegs Sein Hobby das 3D-Bogenschieszligen

noch als Anfaumlnger bdquoDeswegen behalte ich meine Ergebnisse bei Wettkaumlmpfen lieber fuumlr michldquo bemerkt er schmunzelnd

Sicherheit sei sehr wichtig betont Schrei-ber So muss sich jeder Schuumltze vorab in einem Schieszligbuch eintragen um zu sehen wie viele Leute auf dem Parcours unter-wegs sind Aus gutem Grund Auf dem 500 Meter langen und mit 28 Zielen bestuumlckten Parcours kann man leicht den Uumlberblick verlieren Zwei bis drei Stunden dauert die Durchquerung des Kurses Manchmal machen es abgeknickte Aumlste und ein rut-schiger Untergrund gar nicht so einfach die Ziele zu treffen Trotzdem wuumlrden die meisten Unfaumllle nicht beim Schieszligen selbst passieren sondern beim Herausziehen der Pfeile aus den Koumlrpern der Ziele meint Schreiber Ein Vereinskollege ergaumlnzt bdquoWich-

tig ist uns dass wir das 3D-Bogenschieszligen nicht als Vorstufe zur Jagd mit Pfeil und Bogen sehen Es ist vielmehr ein Sport bei dem man sich deutschlandweit mit anderen Schuumltzen messen kannldquo Im Gegensatz zum klassischen Bogenschieszligen schieszlige man nicht auf langweilige Zielscheiben sondern durchlaufe einen interessanten Parcours

Fuumlr Schreiber ist das Bogenschieszligen Ent-spannungskur vom alltaumlglichen Uni-Stress bdquoNach der Arbeit auf den Parcours zu gehen befreit meinen Kopfldquo Verstaumlndlich denn das leise Zischen des Pfeiles und die Ruhe im gruumlnen naturbelassenen Gelaumlnde hat etwas Erholendes Auszligerdem hat Schreiber beim Verein Palatina Freunde gefunden mit denen er an fast jedem Donnerstag und Sonntag durch den Parcours streift ndash auf der Jagd nach kuumlnstlichen Tieren (dan)

Hobby 3D-Bogenschieszligen

Beim 3D-Bogenschieszligen findet Walter H Schreiber Entspannung vom alltaumlglichen Uni-Stress

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Summer School

In der Reihe bdquoE-Mail aus hellipldquo berichtet Sozialwissenschafts-Student Daniel Schumacher

von der Summer School aus dem polnischen Wroclaw

Liebes NeuLandCześćaus Wroclaw Manchmal reicht ein

akademischer Kurz-Urlaub um ein Land und die

Leute lieben zu lernen

Zum Ende meiner akademischen Laufbahn wollte

ich das Studentendasein noch einmal voll und

ganz genieszligen und habe mich entschlossen eine

Summer School zu besuchen Fast jeder unserer

Fachbereiche bietet so etwas an Fuumlr mich ging die

Reise unter der Leitung von Professor Dr Siegmar

Schmidt (Politikwissenschaften) nach Wroclaw Polen

Erasmus-finanziert begann meine Hinfahrt in einem

Fernbus von Karlsruhe direkt nach Breslau so der alte

deutsche Name fuumlr Wroclaw

Hier angekommen bezogen wir ndash meine Wenigkeit

mit sieben anderen Deutschen ndash unsere Zimmer in

einem Studentenwohnheim oder wie ich es nenne

bdquoPlattenromantik-Hotelldquo Von auszligen neu gestrichen

verspruumlhte das Haus von innen den gesamten

Ostblock-Charme der Kalten-Krieg-Aumlra Das war

fuumlr mich aber auch das einzig Negative waumlhrend

meiner zweiwoumlchigen Summer School Bereits

am ersten Tag lernten wir beim bdquoget-togetherldquo

die anderen Teilnehmer kennen 70 Studenten

aus uumlber acht Laumlndern wollten mehr uumlber die

europaumlische Finanzkrise lernen und ndash wie ich ndash neue

Freundschaften knuumlpfen

Ab dem zweiten Tag war unser neues Zuhause ein

Houmlrsaal beim Institut fuumlr Politikwissenschaft Dort

E-Mail aus hellip Wroclaw

lernten wir wie verschiedene europaumlische Staaten mit

der Finanzkrise zu kaumlmpfen hatten und stellten jeweils

unsere Laumlnder selbst vor

Nach der ersten Woche wurden wir in verschiedene

Gruppen aufgeteilt um uumlber Innovation im

oumlffentlichen und privaten Sektor zu forschen

Forschen bedeutete dabei dass wir polnische

Buumlrger interviewten die entweder im privaten oder

oumlffentlichen Bereich taumltig sind Mein bdquoResearch-Haufenldquo

war bunt gemischt ndash von Belgiern uumlber Rumaumlnen

bis hin zu Ukrainern Ohne Verstaumlndigungsprobleme

meisterten wir unseren Arbeitsauftrag was am letzten

Tag feucht-froumlhlich mit allen gefeiert wurde

Am Ende moumlchte ich noch eine Lanze fuumlr die Stadt

Wroclaw und das Land Polen brechen Wir wurden

sehr herzlich aufgenommen Die Stadt mit ihrer

(deutschen) Geschichte war atemberaubend Nicht

nur die alten Gebaumlude haben es mir angetan sondern

die Atmosphaumlre rund um den historischen Stadtkern

Ich habe in diesen zwei Wochen sehr viele Menschen

kennen gelernt einige wuumlrde ich nun als enge Freunde

bezeichnen Das erste Wiedersehen mit Studenten aus

Belgien und Tschechien ist bereits geplant

Bis bald im guten alten Landau

euerDaniel Schumacher

23NeuLand 2014 03

Hochschulgruppe

Eigentlich kommt Cornelia Spengler aus einem ganz anderen Fachgebiet Nach ih-rem Biologiestudium am Karlsruher Insti-tut fuumlr Technologie promoviert sie derzeit in Landau im Fachbereich Natur- und Um-weltwissenschaften Aber auch an sozialer Arbeit hatte sie schon immer Interesse Sie wollte sich nicht nur mit der Wissenschaft beschaumlftigen sondern mit Menschen zu-sammenarbeiten So entdeckte sie fuumlr sich ein sensibles Thema die Integration und Bildungsgerechtigkeit

Cornelia Spengler wollte nicht nur reden sondern handeln In der SchuumllerNavi-Grup-pe in Aachen fand sie ein Vorbild nach dem sie am Campus Landau gemeinsam mit Stu-dentin Sylvia Klaus eine Hochschulgruppe aufbaute Ziel sollte es sein Schuumller zu foumlr-dern die durch ihre mangelnden Deutsch-kenntnisse in der Schule Probleme haben und deren Eltern das Geld fuumlr Nachhilfe nicht aufbringen koumlnnen bdquoWenn die Eltern zu Hause kaum Deutsch sprechen haben die Kinder dort auch wenig Unterstuumltzung fuumlr die Schule Diktate zu uumlben ist dann schlichtweg nicht moumlglichldquo erklaumlrt Speng-ler

SchuumllerNavi bietet neben Hausaufgaben-betreuung und Nachhilfeunterricht auch kulturellen Austausch Mittlerweile betei-ligen sich in der Hochschulgruppe uumlber 20 Studenten die den Schuumllern in schulischen

Aktive Arbeit statt bloszlige TheorieUumlber Integration zu reden bringt nicht viel Sie muss gelebt werden Darum gruumlndete die

Landauer Doktorandin Cornelia Spengler mit Studentin Sylvia Klaus die Hochschulgruppe

SchuumllerNavi die immer mehr Mitglieder zaumlhlt Wie man Integration foumlrdern kann und was

den Ehrenamtlichen ihre Arbeit bringt daruumlber sprach sie mit NeuLand

Belangen zur Seite stehen ihnen das Uni-Leben zeigen und ihnen zuhoumlren wenn sie Probleme haben

Spengler selbst betreut zwei Bruumlder mit tamilischen Wurzeln Um Beruumlhrungspunk-te zu schaffen die fuumlr den Aufbau eines Ver-trauensverhaumlltnisses wichtig sind hat sie mit den Jungs auf dem Campus beispiels-weise gemeinsam mikroskopiert Einer der beiden Bruumlder war stark versetzungsgefaumlhr-det und hat es nun in die naumlchste Klasse geschafft Ein Stuumlck weit schreibt sie diesen Erfolg SchuumllerNavi zu

bdquoSchwierig ist es zu unterscheiden welche Kinder wirklich der Foumlrderung beduumlrfenldquo so Spengler In Konkurrenz mit Nachhilfe-Firmen will die Gruppe nicht treten Ziel-gruppe sind Kinder die in der Schule haumlufig nicht ausreichend gefoumlrdert werden und deren Eltern sich keine professionelle Nach-hilfe leisten koumlnnen Daher hat SchuumllerNavi Kooperationen mit sozialen Institutionen Landaus die ihnen die Kontakte weiterver-mitteln bdquoDer Bedarf ist riesig Wir koumlnnen ihn gar nicht deckenldquo berichtet Spengler Daher ist die Hochschulgruppe auch staumln-dig dabei neue Mitglieder zu werben

Fuumlr die Zukunft plant die Hochschul-gruppe eine weitere Kooperation mit ELKE (Eltern Kompetenzen erlernen) um die El-tern weiterzuschulen beispielsweise mit Sprachkursen Dadurch sollen diese ihren

Kindern besser bei schulischen Aufgaben selbst helfen koumlnnen

Neben dem Gefuumlhl etwas Gutes zu tun sieht Spengler aber auch andere Vorteile fuumlr das Ehrenamt Gerade Lehramtsstu-denten koumlnnen sich hier ausprobieren und paumldagogische Konzepte umsetzen die sie aus der Theorie kennen Jeder koumlnne viel lernen erklaumlrt sie Man uumlbe hier nicht nur den Umgang mit Kindern und Jugendli-chen sondern lerne auch viel uumlber fremde Kulturen Sie selbst habe von ihren zwei Nachhilfeschuumllern bereits viel uumlber Feierta-ge und Sitten ihrer Kultur aber auch einzel-ne Vokabeln ihrer Sprache gelernt Und die Schuumller seien sehr interessiert an deutschen Gebraumluchen und Eigenarten

Fuumlr das ehrenamtliche Engagement hat SchuumllerNavi bereits Preise bekommen Bei der Initiative fuumlr Integration von bigFM be-legten sie den dritten Platz Das Preisgeld investierte die Gruppe unter anderem um mit ihren Schuumllern die Zooschule zu besu-chen In diesem Jahr erhaumllt SchuumllerNavi zu-dem den Campus-Kulturpreis des Campus Landau

bdquoMan redet immer uumlber Integration Von Menschen mit Migrationshintergrund wird erwartet sich hier zu integrieren Aber das liegt ja auch an uns Man muss sie auf die-sem Weg unterstuumltzenldquo erklaumlrt Doktorandin Spengler (rst)

Termine ImpressumHerausgeberReferat fuumlr Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit der Universitaumlt Koblenz-Landau Campus Landau Fortstraszlige 7 76829 Landau

RedaktionsteamKerstin Theilmann (ket) (verantw) Berend Barkela (bb) Wilfried Dorsch (wdo) Sebastian Kapp (kap) Daniel Schumacher (dan) Rosa Stecher (rst)

LayoutMedienzentrum Campus Landau Berend Barkela

FotosTitel Imago Fotoarena S 2 S 3 privat S 5 Imago Xinhua S 7 oben kanvag - Fotoliacom S 7 unten Medienzentrum Hiller S 9 Imago ITAR-TASS S 10 Imago Steinach S 11 Imago DeFodi S 13 Imago PPfotodesign S 15 JiSign - Fotoliacom S 17 Medienzentrum Hiller S 19 Medienzentrum Barkela S 20 Medienzentrum Hiller S 21 und 22 Daniel Schumacher

KontaktKerstin TheilmannTel 06341 280-32219 E-Mail theiluni-koblenz-landaude

Aus Gruumlnden der besseren Lesbarkeit verwenden wir in unseren Artikeln die maumlnnliche Form Damit sind stets Frauen und Maumlnner gemeint

Die Redaktion behaumllt sich die Kuumlrzung und Uumlberarbeitung von Texten vor Die Meinung einzelner AutorinnenAutoren gibt nicht immer die Meinung der Redaktion wieder

28101014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Florian Ostertag Atrium Infos unter wwwasta-landaude

05112014 ab 2130 Uhr Atriumsfete Infos unter wwwasta-landaude

06112014 20 Uhr Poetry Slam Landau Universum Kinocenter Infos unter wwwzkwuni-landaude

19112014 1930 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Friedensprojekt Europa in der Krise Mit Bundesministerin aD Heidemarie Wieczorek-Zeul und weiteren Gaumlsten Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

19112014 21 Uhr Konzert bdquoBeats und Pianoldquo Audimax Infos unter wwwasta-landaude

1122014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Unland Atrium Infos unter wwwasta-landaude

03122014 19 Uhr Hambacher Gespraumlch Meine Daten gehoumlren den Unternehmen Hambacher Schloss Infos unter wwwfliuni-landaude

05122014 1930 Uhr Reihe bdquoGroszlige Begegnungenldquo mit Sternekoch Alfons Schubeck Jugendstil-Festhalle Landau Infos unter wwwzkwuni-landaude

08122014 1900 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Frieden durch Demokratie Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

Ausblick 13 - 15012015 Poetik-Dozentur mit Rafik Schami Infos unter wwwzkwuni-landaude

Weitere Termine unter wwwuni-koblenz-landaudeaktuell wwwuni-koblenz-landaudeblog

Page 11: Neuland Ausgabe 3/2014

11NeuLand 2014 03

Alternative zum russischen politischen Sys-tem bdquoDahinter steht die westeuropaumlische Sehn sucht nach Demokratie in Russlandldquo Trifft der Protest auf andere Sehordnungen hat er auch andere Konsequenzen bdquoDer Pro-test war gegen das System in Russland ge-richtet Tatsaumlchlich hilft er vermutlich dem System die eigenen konservativen Positio-nen zu festigenldquo

Mit der Erforschung aumlsthetischer Protest-kommunikation anhand von Bildern ar-beitet Stanisavljevic in einem noch jungen Bereich der Soziologie bdquoDie Beschaumlftigung mit Bildern und bewegten Bildern ist fuumlr die Soziologie ein relativ neues Phaumlnomenldquo Fuumlhrte die steigende Bedeutung des Visuel-len in geistes- und kulturwissenschaftlichen Traditionen in den 90er Jahren zum bdquoiconic turnldquo ist eine bdquovisuelle Soziologieldquo kaum etabliert Fuumlr eine soziologische Perspektive auf Bilder und Filme muumlssen Methoden und Theorien angepasst und entwickelt werden bdquoBilder haben ihren eigenen Sinn sie brau-chen eigene Zugaumlnge und Methodenldquo sagt Stanisavljevic und versteht ihre Dissertation als einen Beitrag dazu

Fuumlr ihre Bildanalyse begegnet sie Protest-darstellungen zunaumlchst isoliert Den Kon-text um die Situation blendet sie aus und entwickelt moumlgliche Lesarten Anschlie-szligend vergleicht sie diese Uumlberlegungen mit dem vollstaumlndigen Kontextwissen um das Bild Mit dieser Analyse moumlglicher und tatsaumlchlicher Lesarten will Stanisavljevic aufdecken wie durch Bilder in unterschied-lichen Kontexten Realitaumlt erzeugt wird und welche Sehordnungen fuumlr die Deutung die-ser Bilder relevant sind

Dabei unterscheidet sie aumlsthetische Pro-testkommunikation von anderen aumlstheti-

schen Formen Der Kuumlnstler Ai Weiwei zum Beispiel kritisiert in seiner Arbeit das chine-sische System und erlebte wie Pussy Riot staatliche Eingriffe Aber so Stanisavljevic bdquodie massenmediale Rezeption zu Ai Weiwei findet im Feuilleton statt die zu Pussy Riot im Politik-Teilldquo So schaffe Ai Weiwei Kunst die auch politische Kunst sei aumlsthetisierter Protest hingegen sei Politik die sich aumlstheti-scher Mittel bediene Und doch ist dies der vorlaumlufige Houmlhepunkt einer Entwicklung Die Liaison zwischen Protest und Kunst fin-det nicht nur auf der Straszlige statt sondern auch in Ausstellungen und Museen So wur-de bei der Berlin Biennale 2013 der Occupy-Bewegung ein Raum gegeben den die Protestbewegung selbst gestalten durfte bdquoDas wurde sehr kritisiertldquo merkt Zuschlag an Occupy und Kunst Das war fuumlr viele dann doch zu progressiv

Gestoumlrte Sehordnungen ndashProduzierte Sehstoumlrungen

Protestkommunikation will ein groszliges Publikum erreichen bdquoUm in den Massen-medien aufzufallen und in Erinnerung zu bleiben muss sie sich von klassischen Pro-testformen abgrenzenldquo betont Stanisavlje-vic Demonstrationen Transparente und Straszligenschlachten sind demnach ein ge-wohntes Bild in der Berichterstattung Sie entsprechen Sehordnungen Aumlsthetisierte Protestformen unterscheiden sich davon Sie produzieren Sehstoumlrungen Dabei sind sie nicht nur Teil einer Bewegung sondern auch selbststaumlndiges mediales Produkt Das gilt auch fuumlr Erdem Guumlnduumlz Stumm und

regungslos stand er im Juni 2013 auf dem Taksim-Platz nachdem die Proteste rund um den Gezi-Park in Istanbul eskaliert wa-ren Der bdquoStanding Manldquo wurde zu einem Symbol des Protestes

Diese Aumlsthetisierung ist keine Erfindung der Pop-Kultur wie Kunstwissenschaftler Zuschlag weiszlig bdquoDie Nationalsozialisten zum Beispiel hatten ein hohes Maszlig an Aumlstheti-sierung in ihren Auftrittenldquo NSDAP und Pro-test bdquoWir sprechen natuumlrlich von den 1920er und fruumlhen 30er Jahren als die Nazis noch in der Opposition warenldquo Hakenkreuze braune Hemden rote Armbinden all diese Symbolik hatte einen praktischen Zweck bdquoSymbole sind reduzierte abstrakte Bil-derldquo erklaumlrt Zuschlag die Wirkung Es geht um aumlsthetische Praumlgnanz es geht darum Aufmerksamkeit zu generieren und zu er-halten Das Hakenkreuz als bdquoMarkeldquo Binnen von Sekundenbruchteilen wusste jeder wer dort aufmarschierte

Die aumlsthetische Inszenierung schafft eine hohe Aufmerksamkeit wenn sie die ge-wohnte Wirklichkeit stoumlrt Aber wird der Protest durch seine Aumlsthetisierung nicht auch Marke Ist das uumlberhaupt noch Protest oder bereits Marketing bdquoEine Bewegung will an die Macht oder die Macht uumlberwaumll-tigen und braucht dafuumlr Sympathisantenldquo stellt Soziologin Stanisavljevic fest Wie Werbung und PR muumlssen Protestler sich ab-grenzen und anderen signalisieren wofuumlr (oder wogegen) sie stehen Das gilt fuumlr Pro-testbewegungen ebenso wie fuumlr Unterneh-men NGOs Politiker und Oppositionelle Das Buhlen um Aufmerksamkeit zum For-mulieren ihrer Ziele ist allen gemein Dass die Methoden sich aumlhneln ergibt sich von selbst (bbkap)

In Russland verfolgt im Westen gefeiert Waumlhrend drei Aktivistinnen in Russland zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden erhielt die Gruppe Pussy Riot im Dezember 2012 den Sonderpreis des Musikpreises bdquo1 Live Kroneldquo

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

12 NeuLand 2014 03

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

Wir koumlnnen uns alle noch an die Bilder von Stuttgart 21 erinnern wuumltende Buumlrger Hundertschaften an Polizisten und ein noch groumlszligerer Medienrummel Viel wurde uumlber die sogenannten bdquoWutbuumlrgerldquo diskutierthellip Aber was treibt Menschen ganz allgemein dazu fuumlr Sachen einzutreten und dafuumlr auf die Straszlige zu gehen

Tobias Rothmund ist Junior-Professor fuumlr politische Psychologie am Campus Landau und erforscht Protestverhalten In seiner Forschung geht es vor allem um die Mo-tivation von Menschen an einem Protest teilzunehmen Dabei muumlsse man erst in der Gerechtigkeitspsychologie nach Ant-worten suchen also was Menschen fuumlr gerecht oder ungerecht erachten wuumlrden erklaumlrt er bdquoEs gibt Protestverhalten das aus dem Gefuumlhl persoumlnlicher Benachtei-ligung motiviert ist und es gibt die Pro-testmotivation aus der Beobachtung der Benachteiligung andererldquo Rothmund er-gaumlnzt bdquoWenn jemand nicht das bekommt was er glaubt zu verdienen dann wird es als ungerecht wahrgenommen Unge-rechtigkeit kann man aber nicht nur aus der Opferperspektive betrachten sondern auch als Beobachter von Ungerechtigkeitldquo Als Beispiel nennt Roth mund Proteste an der Universitaumlt Dabei wuumlrde man sich zum Beispiel als Studierender direkt benach-teiligt fuumlhlen Als Dozent koumlnne man als Beobachter zustimmen und Studierende deshalb unterstuumltzen Trotzdem sei man nicht in der Rolle des Benachteiligten er-laumlutert Rothmund

In der Forschung gibt es nach Tobias Roth-mund drei groszlige Theorien um (politischen) Protest oder Protestverhalten zu erklaumlren Theorie der sozialen Gerechtigkeit soziale Identitaumltstheorie und Rational Choice-The-orie Diese seien allerdings nicht getrennt voneinander zu betrachten sondern inei-nander verschraumlnkt bdquoAusloumlser von Protest ist in der Regel ein Gefuumlhl der Benachteili-gungldquo verdeutlicht Rothmund Man koumlnne das haumlufig beobachten bei Tarifverhandlun-gen Ob sich jemand unzureichend bezahlt fuumlhle haumlnge nicht unbedingt vom absolu-ten Einkommen ab sondern mit wem sich die Personen und Gruppen vergleichen wuumlrden bdquoInsofern kann es selbst bei Per-sonen zum Gefuumlhl der Benachteiligung kommen die von anderen als sehr privile-giert wahrgenommen werdenldquo In der Psy-chologie wuumlrde man deshalb von relativer Deprivation sprechen ndash also das Gefuumlhl der Benachteiligung relativ zu einem gewissen Vergleichsstandard

Eine wichtige Rolle spielt auch das Kol-lektiv und die soziale Gruppe die sich als protestierende Gruppe versteht Rothmund fuumlgt an bdquoMan sieht in der Regel keine ein-zelnen Personen protestieren Protest geht gewoumlhnlich von sozialen Bewegungen ausldquo Beispiele dafuumlr waumlren die Anti-Atom-Bewegung oder Gewerkschaften bdquoOftmals schlieszligen sich Personen in sozialen Grup-pen zusammen um ein politisches Ziel zu erreichenldquo Wichtig fuumlr die Motivation sei ein Gefuumlhl des Zusammenhalts und fuumlr ein ge-meinsames Ziel einzustehen bdquoDesto groumlszliger

eine Protestbewegung ist desto eher ist sie auch ein Selbstlaumluferldquo konkretisiert Roth-mund Oft sei es so dass ein Protest erst eine kritische Masse erreicht haben muumlsse damit Buumlrger dabei sein wollen bdquoDie Pro-testbewegung fungiert hier als sinnstiften-de soziale Gruppeldquo

Der dritte Strang ist eher aus der Rational Choice-Theorie also dem rationalen Den-ken abgeleitet bdquoDie Bereitschaft zu protes-tieren haumlngt immer auch davon ab ob die Leute glauben dass es etwas bringt und ob sie mit dem Protest etwas erreichen koumln-nenldquo versichert Rothmund Das haumlnge auch stark von der Groumlszlige der Protestbewegung ab weil natuumlrlich eine groumlszligere Protestbe-wegung meist die Erwartung ausloumlse dass man mit dem Protest etwas erreichen koumln-ne Als Beispiel veranschaulicht Rothmund bdquoWenn zehn Leute in der Landauer Innen-stadt protestieren wuumlrde sich niemand da-fuumlr interessieren Wenn sie dagegen einen studentischen Protest mit 1000 Studieren-den organisieren dann waumlre sicherlich die Hoffnung bei jedem Teilnehmer groumlszliger damit etwas bewirken zu koumlnnenldquo Eine weitere Motivation koumlnne aber auch die Ak-tualitaumlt von Themen sein bdquoWenn ein Thema oder Projekt einen ungewissen Ausgang hat wird man wahrscheinlich eine groumlszligere Erwartung haben durch einen Protest oder eine Aktion etwas veraumlndern zu koumlnnen als wenn man weiszlig man steht mit seiner Mei-nung allein auf weiter Flurldquo

Tobias Rothmund erklaumlrt weiter dass sich Menschen darin unterscheiden wodurch

Protestbewegungen ndash Von Gerechtigkeit uumlber Kollektiv bis zur Rationalitaumlt

Stuttgart 21 Anti-Atom- oder Occupy-Bewegung ndash Leute gehen immer wieder auf die

Straszlige um fuumlr eine Sache einzutreten Aber woher kommt das Passend zu unserem

Schwerpunkt berichtet Junior-Professor Dr Tobias Rothmund wie die Psychologie im

Bereich Protestkultur forscht und warum Gerechtigkeit eine zentrale Rolle dabei spielt

13NeuLand 2014 03

sie zum Protest motiviert werden bdquoManche sind vielleicht rationaler und brauchen ein erreichbares Ziel andere moumlchten moumlgli-cherweise eher Teil einer Gruppe sein zu der ihr soziales Umfeld gehoumlrt Wieder an-dere sind besonders sensibel in Bezug auf Gerechtigkeit und Ungerechtigkeitldquo Man koumlnne diese oben angesprochenen drei Motivationen daher auch als Dimension fuumlr Persoumlnlichkeitseigenschaften verstehen die Menschen unterschiedlich stark moti-vieren koumlnnten

Der Wutbuumlrger von Stuttgart 21

Rothmund hat in diesem Jahr zusam-men mit den beiden Landauer Psycholo-gen Anna Baumert und Axel Zinkernagel einen wissenschaftlichen Artikel zu den durch Stuttgart 21 bekannt gewordenen bdquoWutbuumlrgernldquo publiziert bdquoWas wir bei Stutt-gart 21 untersucht haben betrifft vor allem die Dimension der Gerechtigkeitldquo erlaumlutert Rothmund Ausgehend von der generellen Annahme die bdquoWutbuumlrgerldquo seien eine kon-servative Personengruppe die in Stuttgart wohne sich vor allem um eigenen Besitz und egoistische Annehmlichkeiten sorge haben die drei Forscher bei einer Befragung Persoumlnlichkeitsmerkmale von Protestieren-den erfasst Dabei wollten sie die Persoumln-lichkeitsstruktur der Protestierenden besser verstehen Im Besonderen ging es ihnen um

die Frage inwiefern opfersensible Personen (also Menschen die sich selbst besonders leicht benachteiligt fuumlhlen) oder beobach-tersensible Personen (also Menschen die eher sensibel fuumlr die Benachteiligung ande-rer sind) eher protestierten Sie befragten zirka 1000 Buumlrger darunter Befuumlrworter Gegner und Unentschlossene von Stuttgart 21 Das Resultat bdquoLeute die opfersensibel sind haben gar nicht haumlufiger protestiert Das war interessanterweise genau umge-kehrt Es haben also eher Leute protestiert die sensibel dafuumlr sind dass andere benach-teiligt werdenldquo bemerkt Rothmund Das sei ein interessanter Befund da das eher darauf hindeuten wuumlrde dass Leute nicht nur ei-gennuumltzig fuumlr sich selbst engagiert sondern tatsaumlchlich fuumlr Mitbestimmung oder Ge-rechtigkeit in den Entscheidungsprozessen protestiert haumltten bdquoUnsere Ergebnisse ha-ben gezeigt dass die Leute die dort protes-tiert haben sich gegen ein intransparentes ungerechtes Verhalten der Autoritaumlten ge-wehrt haben und nicht gegen ihre eigene persoumlnliche Benachteiligungldquo verdeutlicht Rothmund

Auf die Frage ob zur Zeit eine Renaissance der Protestkultur vonstatten gehen wuumlrde stellt der Junior-Professor fest bdquoDas wird man erst spaumlter sagen koumlnnenldquo Eines wuumlr-de aber feststehen Durch das Internet sei die Organisation von Protesten sowie der Austausch von Informationen einfacher Da-durch wuumlrden Menschen viel schneller mo-bilisiert werden koumlnnen meint Rothmund(dan)

Wutbuumlrger

2010 kam zum ersten Mal das Schlagwort bdquoWutbuumlrgerldquoauf Gepraumlgt vom Spiegel-Journalisten Dirk Kurbjuweit beschreibt der Begriff eine vor-nehmlich aumlltere gebildetere und wohlhabende Personengruppe die sich mit Wut und Empoumlrung gegen politische Entscheidungstraumlger auflehnt

Demonstration auf dem Stuttgarter Schlossplatz am 18 Februar 2012

Literatur

Rothmund T Baumert A amp Zinkernagel A (2014) The German bdquoWutbuumlrgerldquo - How Justice Sensitivity Accounts for Individual Differences in Political Enga-gement Social Justice Research 27(1) 24-44

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Weiterbildung ist zentrales Thema fuumlr Claudia Ehrhardt Bei der Geschaumlftsfuumlhrerin der Arbeitsstelle der Weiterbildung der Wei-terbildenden (AWW) mit Sitz am Campus Landau laufen seit uumlber 14 Jahren die Faumlden der im Verein angeschlossenen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungseinrichtungen zusammen Fuumlr die Diplom-Paumldagogin sind die PIAAC-Ergeb-nisse ein eindeutiger Indikator dass bei der Grundbildung Erwachsener Handlungsbe-darf besteht Dass diese ndash ganz anders als die PISA-Ergebnisse ndash medial kaum aufgegriffen oder diskutiert wurden bilde den Stellen-wert der Weiterbildung in der Gesellschaft ab Dabei sind die dort getesteten Groumlszligen fuumlr ein erfolgreiches Arbeitsleben die Teilha-be an der heutigen Gesellschaft und die Pro-duktivitaumlt von Betrieben und Unternehmen bedeutsam

PIAAC (Programme for the International Assessment of Adult Competencies) ist die erste internationale Vergleichsstudie die zentrale Grundkompetenzen in der erwach-senen Bevoumllkerung beleuchtet Von Herbst 2011 bis Fruumlhjahr 2012 hat die Organisation fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Deutschland und uumlber 20 weiteren Laumlndern bei Erwachsenen im erwerbsfaumlhigen Alter von 16 bis 65 Jahren Lese- und alltagsmathematische Kompe-tenzen sowie technologiebasierte Problem-loumlsekompetenzen gemessen Das Ergebnis Deutschland liegt leicht unter dem OECD-Durchschnitt Allerdings schneiden juumlngere Erwachsene besser ab als aumlltere Vermutlich eine positive Folge der Bildungsanstrengun-gen nach PISA

PIAAC habe gezeigt dass auch im Erwach-senenalter gilt was fuumlr Schulkinder bittere Realitaumlt ist Das Bildungsniveau ist abhaumlngig von der Herkunftsfamilie bdquoWer uumlber keine gute Grundbildung verfuumlgt wird auch keine Weiterbildung machenldquo so Ehrhardt Und wer sich nicht weiterbildet faumlllt in der Ar-beitswelt zuruumlck Daher sei es erfreulich dass seit einigen Jahren verstaumlrkt in Projektfinan-zierungen im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung investiert werde so Ehrhardt

Moumlgliche Ruumlckschluumlsse aus den PIACC-Ergebnissen auf die Weiterbildung diskutier-ten Experten auf einer von Claudia Ehrhardt organisierten Fachtagung im Fruumlhjahr Der Tenor Die Professionalisierung der in der Weiterbildung taumltigen Paumldagogen Dozenten oder Trainer muss darauf setzen fuumlr die Ar-beit mit Bildungsverlierern entsprechend zu sensibilisieren ndash mit dem Ziel diesem abge-haumlngten Bereich eine Perspektive zu bieten Dieser Professionalisierungsaufgabe wird sich die AWW auch in Zukunft widmen

Weiterbildung ohne Raum und Zeit

Fuumlr die Arbeit des Zentrums fuumlr Fernstudi-en und Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) sieht Geschaumlftsfuumlhrer Dr Burkhard Lehmann aufgrund der PIACC-Ergebnisse keine unmit-telbaren Implikationen Denn die Teilnehmer der diversen Studiengang- und Kursangebo-te des ZFUW seien in der Regel die ohnehin bildungsaffinen Menschen die gewohnt sei-en sich zu qualifizieren Auf die Gruppe die

in PIAAC schlecht abgeschnitten habe seien die ZFUW-Bildungsangebote gar nicht zuge-schnitten

Das ZFUW hat als aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz seit uumlber 20 Jahren Erfahrung in der wissen-schaftlichen Weiterbildung bdquoWir haben uns mit dem Fernstudium und der Fernlehre fuumlr ein spezifisches Bildungsformat ent-schiedenldquo so Lehmann Denn dieses Format werde den Beduumlrfnissen der Bildungsinte-

Um die Kompetenzen Erwachsener beispielsweise im Lesen scheint es in Deutschland

nicht gut bestellt Das zumindest ist das Ergebnis der PIAAC-Studie Haben die Ergebnisse

Auswirkungen auf die Erwachsenenbildung NeuLand hat sich bei der Arbeitsstelle der

Weiterbildung der Weiterbildenden (AWW) und dem Zentrum fuumlr Fernstudien und

Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) erkundigt

Das ZFUW

Das Zentrum fuumlr Fernstudien und Universitaumlre Wei-terbildung (ZFUW) ist eine zentrale Einrichtung der Universitaumlt Koblenz-Landau Mit mehr als 21 Jahren Erfahrung ist das ZFUW die aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz Das ZFUW ist auf das Angebot postgradualer Fernstudien-gaumlnge spezialisiert veranstaltet daneben aber auch Weiterbildungen im Praumlsenzformat (z B Seminare)wwwuni-koblenz-landaudezfuw

Gute Grundbildung bedingt Weiterbildung

PIAAC-Studie

ressierten ohne Bindung an Raum und Zeit am meisten gerecht In Ballungsraumlumen wie Hamburg Muumlnchen oder Berlin wo sich die Kunden aus dem lokalen Umfeld akquirie-ren lassen funktionieren auch Praumlsenzan-gebote weiszlig Lehmann bdquoBefindet sich eine Einrichtung allerdings in einer Randlage operiert man besser auf der Ebene der Fern-lehre bei der die Organisation zum Teilneh-mer kommt und nicht der Teilnehmer zur Organisationldquo

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Nutzen und Folgen des Internets

Das Schnuumlren zeitgemaumlszliger Themen und Inhalte ist zentral um das ZFUW wettbe-werbsfaumlhig zu halten Derzeit unterhaumllt es die Programmbereiche Umwelt Energie und Management Expertise holt sich das ZFUW vorrangig aus den eigenen Reihen der Ko-

gogikldquo Damit sollen Lehrerinnen und Leh-rer fit gemacht werden fuumlr den schulischen Alltag in Zeiten der Inklusion bdquoDie Laumlnder stellen zwar den Finanzbedarf fuumlr Inklusion in der Schule allerdings fehlt eine profun-de Qualifizierung der Lehrkraumlfteldquo erklaumlrt Lehmann den Ansatz des neuen Weiterbil-dungsprogramms Mit einem Kooperati-onspartner bereitet das ZFUW ein weiteres Programm vor bdquoBusiness Communications and Rhetoricldquo

Weiterbildung heute so wichtig wie noch nie

Fuumlr das berufliche Weiterkommen ist Wei-terbildung heute so zentral wie noch nie bdquoDie Halbwertszeit des Wissens wird immer kuumlrzerldquo bekraumlftigt Claudia Ehrhardt Die PIAAC-Studie habe daher auch gezeigt wie wichtig Kompetenzaufbau -erhalt und -er-weiterung in der Berufswelt seien Die zahl-reichen Innovationswellen im beruflichen Kontext gerade im EDV- oder Produktions-kontext lassen den Bedarf an Weiterbildung kontinuierlich steigen versichert Burkhard Lehmann Warum Menschen letztendlich sich fuumlr eine Weiterbildung entscheiden da-fuumlr gebe es drei zentrale Gruumlnde Lehmann unterscheidet zwischen Selbstperfektionie-rern Tool-Suchern und Karriere- oder Ab-schlussorientierten Der ersten Gruppe liegt daran die eigene Persoumlnlichkeit weiterzu-entwickeln und sich fuumlr private Interessen mehr Wissen anzueignen Die Tool-Sucher erweitern gezielt ihre Kompetenzen um

Die AWW

Die Arbeitsstelle fuumlr die Weiterbildung der Weiterbil-denden (AWW) foumlrdert die Zusammenarbeit zwischen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungsorganisationen Der bundesweit einzigartige Verein ist eine wichtige Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis im Bereich der Weiterbildung Gegruumlndet wurde die AWW 1998 auf Initiative des Ministeriums fuumlr Bildung Wissenschaft Weiterbil-dung und Kultur Die AWW hat ihren Sitz in Landau und ist der Universitaumlt Koblenz-Landau angegliedert Unter dem Motto bdquoBesser lehren lernenldquo organisiert die AWW Workshops und Fachtagungen fuumlr Personen die in der Weiterbildung taumltig sind wwwaww-landaude

blenzer und Landauer Wissenschaftler bdquoWir arbeiten aber auch konsortialldquo so Lehmann bdquound halten somit ein bestimmtes Know-how vor das an den Standorten unserer Uni-versitaumlt nicht verfuumlgbar istldquo Selbst wenn die Flexibilitaumlt bestehe auch nicht einschlaumlgige Themen zu vertreten entwickele das ZFUW vornehmlich Angebote im Kernbereich der Universitaumlt Koblenz-Landau

Derzeit arbeiten Lehmann und sein Team an dem neuen Programm bdquoInklusionspaumlda-

berufliche Herausforderungen meistern zu koumlnnen Vertreter der dritten Gruppe tum-meln sich vorwiegend im akademischen Feld Da man fuumlr die Ausuumlbung bestimmter Funktionen im beruflichen Aufstieg meist Bescheinigungen uumlber entsprechendes Wissen oder Kompetenzen benoumltigt ori-entiert sich deren Weiterbildungsbedarf an Abschluumlssen

Entsprechend unterscheidet Lehmann auch zwischen drei Weiterbildungsberei-chen die klassische die betriebliche und die wissenschaftliche Weiterbildung Die klassische Weiterbildung wird beispiels-weise von Volkshochschulen betrieben und richtet sich an ein breites Publikum Im betrieblichen Kontext sollen Arbeitnehmer ihre Kompetenzen erweitern und ihr Wissen erhoumlhen beispielsweise wenn Vertriebs-mitarbeiter im Umgang mit einem neuen Produkt geschult werden muumlssen oder eine neue Software im Unternehmen eingefuumlhrt wird Die wissenschaftliche Weiterbildung ermoumlglicht akademisch vorqualifiziertem Personal sich auf neue Aufgaben etwa als Fuumlhrungskraft vorzubereiten

Die Zeiten in denen Lernen mit dem Verlassen der Schule dem Abschluss der Ausbildung oder dem Universitaumltsexamen beendet war sind definitiv vorbei Wer im Berufsleben bestehen will wird um regel-maumlszligige Weiterqualifizierung nicht umhin kommen PIACC soll in einem Rhythmus von zehn Jahren wiederholt werden um ein Laumlngsschnitt-Bild der Entwicklung zu er-halten Man darf gespannt sein wohin sich die Kompetenzen deutscher Erwerbstaumltiger entwickeln (ket)

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Sprachbedrohung und Sprachentod

Sprachbedrohung und Sprachentod sind ein weltweites Phaumlnomen Linguisten ge-hen davon aus dass etwa alle zwei Wochen eine Sprache stirbt In 100 Jahren so schaumlt-zen Sprachforscher werden im besten Fall noch die Haumllfte dieser Sprachen existieren vielleicht aber auch nur noch zehn Prozent von ihnen Waumlhrend die 20 groumlszligten der zir-ka 6800 lebenden Sprachen von der Haumllfte der Weltbevoumllkerung gesprochen werden weisen die meisten Sprachen eine Gemein-schaft von nur wenigen hundert oder tau-send Sprechern auf Von bevorstehendem Sprachentod spricht man wenn eine Spra-che aufhoumlrt Muttersprache oder Erstspra-che zu sein ndash also dann wenn sie nur noch sekundaumlr erlernt wird und damit die noumltige Sprachpflege verliert Der endguumlltige Tod tritt ein wenn es keine Sprecher mehr gibt

Sprachbedrohung und Sprachentod fin-den auf allen Kontinenten statt und neh-men ein immer schnelleres Tempo auf je weiter die Globalisierung voranschreitet Viele andere Faktoren wie unter anderem starke Migrationsbewegungen Zuwande-rung und Urbanisierung sowie ein hohes Alter der Sprecher oder die geringe wirt-schaftliche Staumlrke einer Sprache wirken zudem auf den Sprachbestand ein Stark gefaumlhrdete Sprachen sind vor allem in den Regionen Nord- und Suumldamerika Austra-lien Asien Westafrika und in Nord- und Ostsibirien vorzufinden In diesen Regio-nen kommt es zur massiven Verletzung von Sprachenrechten

Anglistik-Professor Dr Martin Puumltz ist Linguist und beschaumlftigt sich mit Sprache und ihren vielfaumlltigen sozialen kulturel-len und psychologischen Auspraumlgungen Zusammen mit seiner Kollegin Dr Monika Reif hat er im Fruumlhjahr 2014 das 36 Interna-tionale LAUD Symposium organisiert das sich rund um das Thema Sprachbedrohung und Sprachentod drehte (siehe Infokasten) Puumltz erklaumlrt Sprache sei relevant da sie ein einzigartiger Schatz an Wissen Ideen und Weltansichten sei bdquoMit den fast 7000

Bevor sie verstummen hellipWeltweit existieren etwa 6800 Sprachen doch die Vielfalt nimmt rasant ab Was

bedeutet es wenn Sprachen sterben Was bleibt von einer Kultur uumlbrig wenn ihre Art

die Welt zu beschreiben wegfaumlllt und die Urahnen verstummen

Sprachen auf unserer Welt gibt es auch fast 7000 Arten die Welt auf unterschiedliche Art wahrzunehmen und sie zu beschreibenldquo erlaumlutert der Linguist Beispielsweise haben einige Sprachen der Ureinwohner Amerikas ein komplett anderes Zeitsystem Dinge in der Zukunft oder Vergangenheit auszudruuml-cken gehe in diesen Sprachen nicht mit den uns bekannten grammatikalischen Moumlg-lichkeiten

Sprache ist also nicht nur ein Mittel der Kommunikation sondern bietet einen tiefen Einblick in die Einstellungen und Wahrnehmungen gegenuumlber der Welt kon-serviert Traditionen und Geschichte einer Kultur und gibt einzigartiges Wissen an die naumlchste Generation weiter beispielsweise uumlber Heilmittel und Pflanzen aber auch Ge-fuumlhle Spiritualitaumlt und soziale Einsichten Es gibt so etwas wie eine kulturelle Identitaumlt und die wird maszliggeblich von Sprache ge-praumlgt Warum aber verschwinden so viele Sprachen von der Bildflaumlche Natuumlrlich gibt es viele aumluszligere Umstaumlnde warum Sprachen ihre Sprecher verlieren Gerade in der Kolo-nialzeit haben die Besatzer eine Vielzahl an Sprachen marginalisiert und unterdruumlckt teilweise wurden ganze Voumllker durch Krieg vernichtet z B durch die Kolonialisierung und Besiedlung Nord- und Suumldamerikas die Ausrottung indigener Voumllker in Australi-en oder durch die im 17 Jahrhundert einset-zende Russifizierungspolitik in Osteuropa im Kaukasus und in Sibirien Auch Natur-katastrophen wie Erdbeben oder Vulkan-ausbruumlche koumlnnen stark regional gepraumlgte Sprachen toumlten

Auch wenn Sprachwissenschaftler versu-chen bedrohte Sprachen durch Aufzeich-nung Uumlbersetzung sowie die Bewahrung und Verbreitung von Sprachaufzeichnun-gen zu dokumentieren erwecken sie diese dadurch nicht mehr zum Leben Mit No-tizbloumlcken und Aufnahmegeraumlten kann man zwar einen Teil des Wortschatzes der Grammatik und Aussprache festhalten in geringerem Maszlige jedoch Redewendungen

Gebraumluche und Beschreibungsmodelle fuumlr die Welt einfangen Nur wer eine Sprache muttersprachlich spricht kann ihre zahlrei-chen Facetten begreifen Sprachrevitalisie-rung gelingt nur in den seltensten Faumlllen Gegluumlckt ist dies beispielsweise beim mo-dernen Hebraumlisch Iwrith genannt das er-folgreich wiederbelebt und zur offiziellen Amtssprache Israels erhoben wurde Zu-meist ist der Sprachtod aber unwiderruflich

In aktuellen Faumlllen der Sprachbedrohung liege das Problem haumlufig nicht an der Um-welt sondern an anderer Stelle erklaumlrt Puumltz Wer einer Minderheitensprache maumlchtig ist hat oftmals das Gefuumlhl damit auf dem Bildungsweg oder im Berufsleben schlech-tere Chancen zu haben Eltern bestehen daher oft darauf dass ihre Kinder die indi-gene Sprache vernachlaumlssigen und statt-dessen eine dominante und wirtschaftlich starke Sprache wie Englisch Spanisch oder Franzoumlsisch zuerst erlernen bdquoSie geben da-mit eine verstaumlrkt negative Einstellung zur Muttersprache an die naumlchste Generation weiterldquo verdeutlicht Puumltz die Problemlage Der Globalisierungseffekt ist somit nicht zu unterschaumltzen denn waumlhrend z B das Eng-lische immer dominanter wird nimmt die Geringschaumltzung und damit einhergehende Vernachlaumlssigung indigener Sprachen wei-ter zu Um den Sprachentod aufzuhalten benoumltigt es also weniger Dokumentation als vielmehr eine grundlegende Aumlnderung der Einstellung zu Minderheitensprachen und indigenen Sprachen (rst)

Linguistic Agency University of DuisburgTrierLandau (LAUD)

Seit 1973 finden unter diesem Namen alle zwei Jahre Konferenzen zum Thema Sprache statt ndash zunaumlchst in Trier und Duisburg und seit 2000 in Landau Das 36 LAUD Symposium wurde im Fruumlhjahr 2014 zum Thema bedrohte Sprachen und Sprachentod veranstaltet Uumlber 90 Teilnehmer aus 25 Laumlndern besuchten die Veranstaltung

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Kinder- und Jugendhospitzarbeit

Wie lassen sich die Arbeit und das Zu-sammenleben in Kinder- und Jugendhos-pizen verbessern Wie werden Kinder und Jugendliche wirkungsvoll begleitet die an einer unheilbaren Krankheit leiden oder die einen Trauerfall in der Familie verar-beiten muumlssen bdquoBislang konnten sich die Einrichtungen ausschlieszliglich durch ein Qua-litaumltssiegel bewerten lassenldquo sagt Sven Jen-nessen Das bedeute harte generalisierte Bewertungsfaktoren bdquoDabei unterscheiden sich die Einrichtungen teilweise gravierendldquo So sei etwa die Nachfrage nach tuumlrkischer Sprachkompetenz in einigen Einrichtungen zwar sehr hoch ndash es gebe aber auch Einrich-tungen bei denen der Bedarf schlicht nicht erkennbar sei Hier muumlsse man individuell auf die Beduumlrfnisse der Einrichtungen der Mitarbeiter der Kinder und Jugendlichen sowie der Familien eingehen Fuumlr Jennessen ist dies nur eines von vielen Beispielen bei dem sich die Schwaumlche starrer Bewertungs-

kriterien zeigt Immerhin muumlsse gerade in diesem sensiblen Bereich der Mensch im Mittelpunkt stehen ndash und keine Checkliste

Deshalb ist der Qualitaumltsindex fuumlr Kin-der- und Jugendhospizarbeit QuinK auch bdquoandersldquo Der Fokus liegt nicht nur auf den Antworten sondern auch auf der Kom-munikation zwischen den Beteiligten also zwischen haupt- und ehrenamtlichen Mit-arbeitern mit Eltern Kindern und auch Geschwistern bdquoNachhaltige Qualitaumltsent-wicklung funktioniert nur durch Kommuni-kation aller Beteiligtenldquo so der Ansatz von Sven Jennessen Und damit sind auch die Juumlngsten gemeint bdquoWir sehen die Kinder als Experten in eigener Sache anldquo erklaumlrt Stefanie Hurth Gerade die Einbeziehung der Geschwister stelle derzeit bei vielen Einrichtungen ein Problem dar Denn die muumlssten bei einer todbringenden Krank-heit der Schwester oder des Bruders haumlufig zuruumlckstecken Nur selten bleibe das ohne

Konflikte wodurch sie im schlimmsten Fall die Moumlglichkeit versaumlumten sich von ihren Geschwistern zu verabschieden bdquoHier gibt es kein Schema F Viel wichtiger ist dass die Betroffenen sich austauschen die Themen aufgreifen und dann Loumlsungen entwickelnldquo sagt Hurth

Der QuinK soll durch seine zur Reflexion anregenden Fragen diese Kommunikati-on ermoumlglichen und eine Art Diskussions-Agenda darstellen Daher wurde QuinK in den vergangenen Monaten in drei stationauml-ren Kinder- und Jugendhospizen und zwei ambulanten Kinderhospizdiensten getes-tet Jennessen und Hurth besuchten die Einrichtungen in Unna Duumlsseldorf Syke Darmstadt und Wiesbaden regelmaumlszligig bdquoDer QuinK ist nicht am gruumlnen Tisch ent-standenldquo sagt Sven Jennessen

Das Team aus Landauer Wissenschaftlern wurde unterstuumltzt vom Deutschen Hospiz- und Palliativverband (DHPV) Mit diesem zusammen wurden zwoumllf Grundsaumltze fuumlr die Arbeit von Kinder- und Jugendhospizen verfasst Das seien komplexe Themen von der Betreuung der Kinder bis zur Oumlffentlich-keitsarbeit fuumlr die jeweils ein aus den drei Kategorien Haltung Strukturen und Prak-tiken bestehender Fragebogen entstan-den ist bdquoEinige Fragen die wir als wichtig erachtet hatten wurden in der Praxis nicht angenommen Andere wiederum haben wir ergaumlnzt Jetzt ist der QuinK fitldquo ist Stefanie Hurth stolz auf das Ergebnis Und Sven Jen-nessen ergaumlnzt bdquoDie Ruumlckmeldungen waren insgesamt sehr positivldquo

Nun soll der QuinK Verbreitung finden Fachvortraumlge auf Konferenzen Artikel in Fachzeitschriften Die Arbeit des Jennessen-Teams ist noch laumlngst nicht abgeschlossen bdquoWir haben aber gute Startvoraussetzun-gen schlieszliglich waren die Praktiker vom DHPV von Anfang an an Bordldquo so Jennes-sen (kap)

QuinK neuer QualitaumltsindexEin neuer Index soll die Betreuung in Kinder- und Jugendhospizeinrichtungen verbessern

Dieser Aufgabe haben sich Professor Dr Sven Jennessen und Stefanie Hurth vom Institut

fuumlr Sonderpaumldagogik in den letzten Monaten gewidmet Nun praumlsentieren sie das

Ergebnis ihrer Arbeit den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit kurz QuinK

Ein Jahr lang hat Stefanie Hurth den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit getestet Nun ist der bdquoQuinKldquo fertig und soll im Oktober in die Praxis gehen

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Psychologie der positiven Dinge

Nach der neuen Gallup-Studie ist die Ar-beitszufriedenheit zwar im Vergleich zum letzten Jahr gestiegen trotzdem kritisch Nur wenige Menschen fuumlhlen sich bei ihrer Arbeit wertgeschaumltzt Sie suchen stattdes-sen ihr Gluumlck in der Freizeit Hinzu kommt ein dramatischer Anstieg von psychischen Erkrankungen wie dem Burnout-Syndrom Wie kann man mit diesen Gefahren umge-hen

Eine potenzielle Loumlsung liegt im Bereich der positiven Psychologie Sie befasst sich damit unter welchen Umstaumlnden Personen Wohlbefinden Gluumlck und Zufriedenheit erleben Waumlhrend sich vor den 90er Jahren die Sozial- und Verhaltenspsychologen vor allem mit den Defiziten beschaumlftigt haben untersucht man seit 1998 psychologische Prozesse die dazu fuumlhren dass Menschen zufrieden und gluumlcklich und dadurch leis-tungsfaumlhiger sind

Ottmar L Braun ist auszligerplanmaumlszligiger Professor in der Arbeitsgruppe Sozial- und Wirtschaftspsychologie am Campus Landau und befasst sich mit positiver Psycholo-gie Zur Thematik Unzufriedenheit im Job bekraumlftigt er bdquoDie Forschung hat deutlich gezeigt dass sich Techniken der positiven Psychologie vorteilhaft auf die Arbeits- und Lebenszufriedenheit auswirkenldquo Besonders interessant sei das fuumlr Krankenkassen da sie sich mit Krankheit und Gesundheit ausei-

nandersetzen und auch als erste die Kosten von langfristigen Ausfaumlllen zum Beispiel durch Burnout tragen muumlssen Braun wei-ter bdquoDann muumlssen die sich natuumlrlich fragen Wie kommt dasldquo

Braun meint Arbeit duumlrfe nicht krank machen Arbeit muumlsse eher die Moumlglich-keit bieten dass man sich positiv entfalten koumlnne Deshalb muumlssten sich Arbeitgeber darum bemuumlhen dass die Leute mit mehr Spaszlig zur Arbeit kommen bdquoDaruumlber hinaus muumlssen Arbeitnehmer Aufgaben bekom-men um ihre Staumlrken ausleben zu koumlnnenldquo Er konkretisiert bdquoSie brauchen Aufgaben an denen sie persoumlnlich wachsen wo sie quasi aufbluumlhen koumlnnenldquo

In der positiven Psychologie sei der Begriff bdquoaufbluumlhenldquo elementar denn bdquoWenn Per-sonen etwas geleistet haben sprich Ziele erreichen dann sind sie zufriedener und haben wenig handlungsirrelevante Kogniti-onen oder Ablenkung Sie koumlnnen sich wie-der auf ihre Aufgaben konzentrieren und dadurch mehr leistenldquo begruumlndet Braun Zufriedenheit am Arbeitsplatz habe aber auch immer etwas mit der Entwicklung von Fuumlhrungskraumlften zu tun Nach Braun muumlss-ten sie darauf achten dass sie ihr Team ge-sund fuumlhren bdquoKrankenkassen wie die AOK Rheinland-PfalzSaarland bieten deshalb extra Programme dafuumlr an an denen wir als Team der Universitaumlt Koblenz-Landau

beteiligt sindldquo Eine weitere Moumlglichkeit fuumlr Arbeitgeber sieht Braun in regelmaumlszligigen Mitarbeiterbefragungen bdquoIm Rahmen von Folgeprozessen kann man dafuumlr sorgen dass zufriedenstellende Arbeitsbedingun-gen vorhanden sind und Missstaumlnde abge-schafft werdenldquo

Allerdings sei die Schuld nicht nur beim Arbeitgeber zu suchen Auch die Mitar-beiter sollten darauf achten ob sie an der richtigen Stelle im Unternehmen eingesetzt oder ob sie vielleicht irgendwo anders bes-ser aufgehoben seien Braun stellt klar bdquoVor der innerlichen Kuumlndigung sollte Unzufrie-denheit konstruktiv zum Ausdruck gebracht werden um dann vielleicht an einer sinn-volleren Stelle eingesetzt zu werdenldquo

Der Professor bemerkt dass die positive Psychologie allerdings nichts Neues sei bdquoIn der Arbeits- und Organisationspsychologie in der wir uns hier bewegen haben Wissen-schaftler ja schon immer das Thema Arbeits-zufriedenheit untersuchtldquo Es sei von daher ein ganz altes Forschungsgebiet welches nun durch die positive Psychologie neu be-reichert werde

Spielend zum GluumlckBraun hat an der Universitaumlt eine eige-

ne Studie zur Zufriedenheit durchgefuumlhrt

Unzufrieden im Job Positive Psychologie kann helfen

Viele kennen es Wenn Montagmorgen der Wecker klingelt faumlllt das Aufstehen oft

schwer besonders wenn man unzufrieden mit seiner Arbeit ist Aber warum ist man

unzufrieden und wie kann positive Psychologie dabei helfen die Unzufriedenheit zu

uumlberwinden NeuLand hat mit dem Professor fuumlr Wirtschaftspsychologie Dr Ottmar L

Braun uumlber die Psychologie der positiven Dinge gesprochen

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Psychologie der positiven Dinge

Dabei wurden Studierende einen Tag lang in Techniken der positiven Psychologie un-terrichtet bdquoAuszligerdem haben sie ein Gluumlcks-tagebuch bekommen bei dem sie ihre Gluumlcksmomente niederschreiben koumlnnen und einiges uumlber Smalltalk und Networking gelerntldquo Die Ergebnisse wuumlrden zeigen dass sich die Zufriedenheit der Studieren-den kurzfristig aber auch langfristig positiv veraumlndere Zudem seien ihr Optimismus und die Studienmotivation angestiegen depressive Verstimmungen gesunken Braun verdeutlicht bdquoAlles so wie man sich das wuumlnschtldquo

In seiner Forschung versucht er eine Bruuml-cke zu schlagen zwischen Techniken der positiven Psychologie und Techniken des Selbstmanagements Das wuumlrde gut pas-sen denn auch in der positiven Psychologie wuumlrden oft Tipps gegeben wie man etwas angehen solle versichert Braun Eine ganz prominente Uumlbung beim Selbstmanage-ment und in der positiven Psychologie sei die bdquoWas ist gut gelaufen-Uumlbungldquo Dabei geht es darum dass man am Abend uumlber-legen soll welche drei Dinge am Tag gut gelaufen sind und welche seiner Staumlrken es waren die dazu beigetragen haben Das sei eine Uumlbung die in der gesamten Literatur empfohlen werde Der Namensgeber der positiven Psychologie Martin Seligman habe zeigen koumlnnen dass die Anwendung

dieser Uumlbung dazu fuumlhre dass Leute nach sechs Monaten weniger depressiv seien Seligman fuumlhre das darauf zuruumlck dass das eine selbstverstaumlrkende Wirkung habe so Braun bdquoDie Leute merken dass sie sich bes-ser fuumlhlen wenn sie daruumlber nachdenken was heute gut gelaufen ist und warum Und deshalb wiederholen sie den Vorgangldquo Es habe dadurch eine langfristige Wirkung

Brauns neuestes Aushaumlngeschild ist ein Brettspiel namens bdquoCareer Games ndash spie-lend trainierenldquo bdquoWir haben Seminare ent wickelt bei denen wir Selbstmanage-ment-Kompetenzen in verschiedenen Le-bens- oder Inhaltsbereichen von Personen staumlrken koumlnnen Dazu dient auch ein Brett-spiel bei dem die Teilnehmer verschiedene Inhaltsbereiche der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder auch Smalltalk und Networking spielend erlernenldquo Jeder Spieler bekomme im Spiel eine Figur und muumlsse seinen Weg durch das Spielfeld wuumlrfeln so Braun bdquoAuf den Fel-dern muumlssen sie dann Quizkarten ziehen die das im Seminar Gelernte noch einmal aufarbeitenldquo Dabei muumlssten sie beispiels-weise drei Dinge nennen die sie in ihrem Leben gluumlcklich machen bdquoDurch den Spiel-charakter lernt man mehr als nur uumlber Se-minareldquo Mit Erfolg Erste Untersuchungen zeigen positive langfristige Effekte durch die Seminar-Brettspiel-Kombination (dan)

Tipps fuumlr die positive Fuumlhrung von Ottmar Braun

Fuumlhrungskraumlfte muumlssen eine gute zwischenmensch-liche Beziehung zu jedem einzelnen Mitarbeiter unterhalten Sie muumlssen auch verbindliche Aussagen machen und zu diesen Aussagen stehen Des Weiteren sollte ein Chef seine Angestellten unterstuumltzen wenn es notwendig ist Wichtig ist auch keinen unnoumltigen Druck aufzubauen sondern Staumlrken von Mitarbeitern kennen zu lernen und zu foumlrdern Von Vorteil koumlnnen auch Begruumlszligungs- und Krankenruumlckkehrgespraumlche sein Es koumlnnte ja sein dass die Krankheit etwas mit den Arbeitsbedingungen zu tun hat Natuumlrlich sind auch Teamsitzungen und Teambildungsmaszlignahmen von groszliger Bedeutung um ein angenehmes Arbeits-klima herzustellen

Spielend lernen Mit dem Brettspiel bdquoCareer Gamesldquo erlernen die Spieler verschiedene Inhalte der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder Smalltalk und Networking

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Psychotherapie-Ambulanz

Wie eine Baustelle sieht die psychothera-peutische Uni-Ambulanz nicht mehr aus Den Abdeckplanen sind bunte Stuumlhle und Stofftiere gewichen im Eingangsbereich liegen Fachmagazine und das Buumlro von Professorin Dr Tina In-Albon ist bereits voller Buumlcher Und doch bdquoist hier noch alles Baustelleldquo so die Professorin fuumlr Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kin-des- und Jugendalters Nach Therapeuten werde noch gesucht die ersten Behandlun-gen seien angelaufen Forschungsprojekte in Planung bdquoEine spannende Phaseldquo bekraumlf-tigt die Ambulanzleiterin

Von nun an wird sich das zehnkoumlpfige Team um die Professorin In-Albon und Ge-schaumlftsfuumlhrerin Dr Daniela Schwarz mit den psychischen Erkrankungen der suumld-pfaumllzer Kinder und Jugendlichen befassen Die Kosten fuumlr die psychotherapeutische Behandlung uumlbernehmen bei Indikation die Krankenkassen Hinzu kommt ein wei-terbildender Studiengang zur Ausbildung in Kinder- und Jugendlichenpsychothe-rapie der im Wintersemester 201415 mit zwoumllf Teilnehmern pro Jahrgang startet In Rheinland-Pfalz ist die Universitaumlt Kob-lenz-Landau in diesem Bereich die einzige universitaumlre Ausbildungsstaumltte Neben der hauseigenen Ambulanz kooperiert der Studiengang mit dem Pfalzklinikum in Klin-genmuumlnster sowie anderen kinder- und ju-gendpsychiatrischen Kliniken in der Region

Kaum eroumlffnet schon stehen die ersten Forschungsprojekte an Derzeit liegt ein Fokus in der Behandlung von Angststoumlrun-gen und Depressionen bdquoVielen Depressio-nen gehen Aumlngste voraus Daher lohnt es diese beiden zusammen zu betrachtenldquo so

Tina In-Albon Laut Statistik leiden zirka 20 Prozent der Erwachsenen und zirka 10 Pro-zent der Kinder unter Angststoumlrungen bei Depressionen sind es sogar 40 Prozent der Erwachsenen und im Jugendalter auch be-reits zwischen 15 und 20 Prozent In Planung befindet sich daher eine Therapiestudie fuumlr Jugendliche mit Angst- und depressiven Stoumlrungen Ein weiterer Forschungsbereich ist das nicht-suizidale selbstverletzende Verhalten im Volksmund auch als bdquoRitzenldquo bekannt bdquoDa machen wir eher Grundla-genforschungldquo so die Professorin Ein spe-zifisches Therapieangebot gebe es derzeit noch nicht ndash bdquodas kann sich aber alles noch entwickelnldquo

Einen weiteren Forschungsschwerpunkt stellt die psychische Gesundheit bei Kindern mit Diabetes dar insbesondere bei Diabetes vom Typ I der im Gegensatz zum bdquoAltersdi-abetesldquo II auch bei Kindern und Jugendli-chen verbreitet ist bdquoHier wissen wir uumlber

Erste Forschungsprojekte stehen an

Ende Juni offiziell eingeweiht hat die Psychotherapie-Ambulanz fuumlr Kinder und Jugend-

liche die Arbeit aufgenommen Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen

haben nun in Landau eine neue Anlaufstation Und auch die Forschung profitiert von der

Einrichtung

die medizinische Forschung zwar schon eine Mengeldquo sagt Tina In-Albon aber aus psychologischer Sicht sei das Thema noch relatives Neuland Wie etwa sieht es bei der psychologischen Betreuung der Kinder aus aber auch der Eltern der Lehrer und sons-tiger zentraler Bezugspersonen Wird die Krankheit und deren Umgang akzeptiert Wie koumlnnen Psychotherapeuten helfen Auch hier schlummert ein Forschungspo-tenzial fuumlr In-Albon bdquoVieles ist im Aufbauldquo sagt sie beschwichtigend Und doch laumlsst sie im Gespraumlch mit NeuLand durchblicken dass sie auch auf diesem Gebiet noch inten-siver forschen moumlchte

Neben der Forschung ist die Hochschul-ambulanz auch in die Lehre im Rahmen des Masterstudiengangs Klinische Psychologie eingebunden So werden die Studierenden beispielsweise in die Diagnostik einbezogen und koumlnnen unter Supervision in Patienten-gespraumlchen Praxiserfahrung sammeln (kap)

In der neuen Universitaumltsambulanz fuumlr Kinder und Jugendliche wird die ganze Palette der psychischen Stoumlrungen behandelt

21NeuLand 2014 03

Wenn man sich seine Dozenten auszligerhalb der Universitaumlt vorstellt dann ist es wohl in einem Sessel vor einem uumlberfuumlllten Buumlcher-regal mit einem wissenschaftlichen Buch in der Hand vielleicht noch mit einem Hund zu den Fuumlszligen Wenige Studenten glauben dass ihre Dozenten moumlglicherweise eine spannendere Freizeitgestaltung haben als sie selbst

Bei Walter H Schreiber ist das aber so Seit dem Sommer 2013 ist er 3D-Bogenschuumltze 3D-Bogenschieszligen bedeutet nicht dass man mit einer 3D-Brille und einem virtu-ellen Bogen bewaffnet auf herannahende Tiere oder Aliens schieszligt Eigentlich ist das 3D-Bogenschieszligen vielmehr die Wieder-entdeckung des sportlichen Jagens mit Pfeil und Bogen ohne einem Tier Schaden zuzufuumlgen Es erinnert an eine Art Golf Der Schlaumlger wird zum Bogen der Ball zum Pfeil und statt eines Abschlags hat man einen Abschuss-Punkt Das Ziel ist aber kein Loch sondern zum Beispiel ein Fasan oder eine Riesenspinne welche von Vereinsmitglie-dern angefertigt und im Parcours platziert wurde

Schreiber ist seit Dezember Mitglied beim Verein Palatina Bogenschuumltzen eV in Ins-heim suumldlich von Landau Davor absolvierte er bereits einen Pfeil und Bogen-Intensiv-kurs in der Eifel bdquoDamit sich nicht bereits am Anfang grobe Fehler einschleichenldquo bekraumlf-tigt Schreiber Sein Sohn sei auch Bogen-schuumltze habe aber unabhaumlngig von ihm zur selben Zeit angefangen Auf die Frage wa-rum er nicht das klassische von Olympia be-kannte Bogenschieszligen ausuumlbe antwortet Schreiber bdquoDa gibt es zu viele Regelnldquo Au-szligerdem sei er ein intuitiver Schuumltze welcher ndash im Gegensatz zum strategischen Schuumltzen ndash sich voll und ganz auf seine Erfahrung und sein Bauchgefuumlhl verlasse Zwar ist Schrei-ber schon seit einem Jahr leidenschaftlicher Bogenschuumltze trotzdem gilt er im Verein

Entspannung vom AlltagWaumlhrend die Studierenden fast immer wissen ob ein Dozent freundlich oder streng ist

koumlnnen sich nur wenige vorstellen was diese mit ihrer Freizeit anfangen NeuLand war

einen Abend mit Dr Walter H Schreiber unterwegs Sein Hobby das 3D-Bogenschieszligen

noch als Anfaumlnger bdquoDeswegen behalte ich meine Ergebnisse bei Wettkaumlmpfen lieber fuumlr michldquo bemerkt er schmunzelnd

Sicherheit sei sehr wichtig betont Schrei-ber So muss sich jeder Schuumltze vorab in einem Schieszligbuch eintragen um zu sehen wie viele Leute auf dem Parcours unter-wegs sind Aus gutem Grund Auf dem 500 Meter langen und mit 28 Zielen bestuumlckten Parcours kann man leicht den Uumlberblick verlieren Zwei bis drei Stunden dauert die Durchquerung des Kurses Manchmal machen es abgeknickte Aumlste und ein rut-schiger Untergrund gar nicht so einfach die Ziele zu treffen Trotzdem wuumlrden die meisten Unfaumllle nicht beim Schieszligen selbst passieren sondern beim Herausziehen der Pfeile aus den Koumlrpern der Ziele meint Schreiber Ein Vereinskollege ergaumlnzt bdquoWich-

tig ist uns dass wir das 3D-Bogenschieszligen nicht als Vorstufe zur Jagd mit Pfeil und Bogen sehen Es ist vielmehr ein Sport bei dem man sich deutschlandweit mit anderen Schuumltzen messen kannldquo Im Gegensatz zum klassischen Bogenschieszligen schieszlige man nicht auf langweilige Zielscheiben sondern durchlaufe einen interessanten Parcours

Fuumlr Schreiber ist das Bogenschieszligen Ent-spannungskur vom alltaumlglichen Uni-Stress bdquoNach der Arbeit auf den Parcours zu gehen befreit meinen Kopfldquo Verstaumlndlich denn das leise Zischen des Pfeiles und die Ruhe im gruumlnen naturbelassenen Gelaumlnde hat etwas Erholendes Auszligerdem hat Schreiber beim Verein Palatina Freunde gefunden mit denen er an fast jedem Donnerstag und Sonntag durch den Parcours streift ndash auf der Jagd nach kuumlnstlichen Tieren (dan)

Hobby 3D-Bogenschieszligen

Beim 3D-Bogenschieszligen findet Walter H Schreiber Entspannung vom alltaumlglichen Uni-Stress

22 NeuLand 2014 03

Summer School

In der Reihe bdquoE-Mail aus hellipldquo berichtet Sozialwissenschafts-Student Daniel Schumacher

von der Summer School aus dem polnischen Wroclaw

Liebes NeuLandCześćaus Wroclaw Manchmal reicht ein

akademischer Kurz-Urlaub um ein Land und die

Leute lieben zu lernen

Zum Ende meiner akademischen Laufbahn wollte

ich das Studentendasein noch einmal voll und

ganz genieszligen und habe mich entschlossen eine

Summer School zu besuchen Fast jeder unserer

Fachbereiche bietet so etwas an Fuumlr mich ging die

Reise unter der Leitung von Professor Dr Siegmar

Schmidt (Politikwissenschaften) nach Wroclaw Polen

Erasmus-finanziert begann meine Hinfahrt in einem

Fernbus von Karlsruhe direkt nach Breslau so der alte

deutsche Name fuumlr Wroclaw

Hier angekommen bezogen wir ndash meine Wenigkeit

mit sieben anderen Deutschen ndash unsere Zimmer in

einem Studentenwohnheim oder wie ich es nenne

bdquoPlattenromantik-Hotelldquo Von auszligen neu gestrichen

verspruumlhte das Haus von innen den gesamten

Ostblock-Charme der Kalten-Krieg-Aumlra Das war

fuumlr mich aber auch das einzig Negative waumlhrend

meiner zweiwoumlchigen Summer School Bereits

am ersten Tag lernten wir beim bdquoget-togetherldquo

die anderen Teilnehmer kennen 70 Studenten

aus uumlber acht Laumlndern wollten mehr uumlber die

europaumlische Finanzkrise lernen und ndash wie ich ndash neue

Freundschaften knuumlpfen

Ab dem zweiten Tag war unser neues Zuhause ein

Houmlrsaal beim Institut fuumlr Politikwissenschaft Dort

E-Mail aus hellip Wroclaw

lernten wir wie verschiedene europaumlische Staaten mit

der Finanzkrise zu kaumlmpfen hatten und stellten jeweils

unsere Laumlnder selbst vor

Nach der ersten Woche wurden wir in verschiedene

Gruppen aufgeteilt um uumlber Innovation im

oumlffentlichen und privaten Sektor zu forschen

Forschen bedeutete dabei dass wir polnische

Buumlrger interviewten die entweder im privaten oder

oumlffentlichen Bereich taumltig sind Mein bdquoResearch-Haufenldquo

war bunt gemischt ndash von Belgiern uumlber Rumaumlnen

bis hin zu Ukrainern Ohne Verstaumlndigungsprobleme

meisterten wir unseren Arbeitsauftrag was am letzten

Tag feucht-froumlhlich mit allen gefeiert wurde

Am Ende moumlchte ich noch eine Lanze fuumlr die Stadt

Wroclaw und das Land Polen brechen Wir wurden

sehr herzlich aufgenommen Die Stadt mit ihrer

(deutschen) Geschichte war atemberaubend Nicht

nur die alten Gebaumlude haben es mir angetan sondern

die Atmosphaumlre rund um den historischen Stadtkern

Ich habe in diesen zwei Wochen sehr viele Menschen

kennen gelernt einige wuumlrde ich nun als enge Freunde

bezeichnen Das erste Wiedersehen mit Studenten aus

Belgien und Tschechien ist bereits geplant

Bis bald im guten alten Landau

euerDaniel Schumacher

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Hochschulgruppe

Eigentlich kommt Cornelia Spengler aus einem ganz anderen Fachgebiet Nach ih-rem Biologiestudium am Karlsruher Insti-tut fuumlr Technologie promoviert sie derzeit in Landau im Fachbereich Natur- und Um-weltwissenschaften Aber auch an sozialer Arbeit hatte sie schon immer Interesse Sie wollte sich nicht nur mit der Wissenschaft beschaumlftigen sondern mit Menschen zu-sammenarbeiten So entdeckte sie fuumlr sich ein sensibles Thema die Integration und Bildungsgerechtigkeit

Cornelia Spengler wollte nicht nur reden sondern handeln In der SchuumllerNavi-Grup-pe in Aachen fand sie ein Vorbild nach dem sie am Campus Landau gemeinsam mit Stu-dentin Sylvia Klaus eine Hochschulgruppe aufbaute Ziel sollte es sein Schuumller zu foumlr-dern die durch ihre mangelnden Deutsch-kenntnisse in der Schule Probleme haben und deren Eltern das Geld fuumlr Nachhilfe nicht aufbringen koumlnnen bdquoWenn die Eltern zu Hause kaum Deutsch sprechen haben die Kinder dort auch wenig Unterstuumltzung fuumlr die Schule Diktate zu uumlben ist dann schlichtweg nicht moumlglichldquo erklaumlrt Speng-ler

SchuumllerNavi bietet neben Hausaufgaben-betreuung und Nachhilfeunterricht auch kulturellen Austausch Mittlerweile betei-ligen sich in der Hochschulgruppe uumlber 20 Studenten die den Schuumllern in schulischen

Aktive Arbeit statt bloszlige TheorieUumlber Integration zu reden bringt nicht viel Sie muss gelebt werden Darum gruumlndete die

Landauer Doktorandin Cornelia Spengler mit Studentin Sylvia Klaus die Hochschulgruppe

SchuumllerNavi die immer mehr Mitglieder zaumlhlt Wie man Integration foumlrdern kann und was

den Ehrenamtlichen ihre Arbeit bringt daruumlber sprach sie mit NeuLand

Belangen zur Seite stehen ihnen das Uni-Leben zeigen und ihnen zuhoumlren wenn sie Probleme haben

Spengler selbst betreut zwei Bruumlder mit tamilischen Wurzeln Um Beruumlhrungspunk-te zu schaffen die fuumlr den Aufbau eines Ver-trauensverhaumlltnisses wichtig sind hat sie mit den Jungs auf dem Campus beispiels-weise gemeinsam mikroskopiert Einer der beiden Bruumlder war stark versetzungsgefaumlhr-det und hat es nun in die naumlchste Klasse geschafft Ein Stuumlck weit schreibt sie diesen Erfolg SchuumllerNavi zu

bdquoSchwierig ist es zu unterscheiden welche Kinder wirklich der Foumlrderung beduumlrfenldquo so Spengler In Konkurrenz mit Nachhilfe-Firmen will die Gruppe nicht treten Ziel-gruppe sind Kinder die in der Schule haumlufig nicht ausreichend gefoumlrdert werden und deren Eltern sich keine professionelle Nach-hilfe leisten koumlnnen Daher hat SchuumllerNavi Kooperationen mit sozialen Institutionen Landaus die ihnen die Kontakte weiterver-mitteln bdquoDer Bedarf ist riesig Wir koumlnnen ihn gar nicht deckenldquo berichtet Spengler Daher ist die Hochschulgruppe auch staumln-dig dabei neue Mitglieder zu werben

Fuumlr die Zukunft plant die Hochschul-gruppe eine weitere Kooperation mit ELKE (Eltern Kompetenzen erlernen) um die El-tern weiterzuschulen beispielsweise mit Sprachkursen Dadurch sollen diese ihren

Kindern besser bei schulischen Aufgaben selbst helfen koumlnnen

Neben dem Gefuumlhl etwas Gutes zu tun sieht Spengler aber auch andere Vorteile fuumlr das Ehrenamt Gerade Lehramtsstu-denten koumlnnen sich hier ausprobieren und paumldagogische Konzepte umsetzen die sie aus der Theorie kennen Jeder koumlnne viel lernen erklaumlrt sie Man uumlbe hier nicht nur den Umgang mit Kindern und Jugendli-chen sondern lerne auch viel uumlber fremde Kulturen Sie selbst habe von ihren zwei Nachhilfeschuumllern bereits viel uumlber Feierta-ge und Sitten ihrer Kultur aber auch einzel-ne Vokabeln ihrer Sprache gelernt Und die Schuumller seien sehr interessiert an deutschen Gebraumluchen und Eigenarten

Fuumlr das ehrenamtliche Engagement hat SchuumllerNavi bereits Preise bekommen Bei der Initiative fuumlr Integration von bigFM be-legten sie den dritten Platz Das Preisgeld investierte die Gruppe unter anderem um mit ihren Schuumllern die Zooschule zu besu-chen In diesem Jahr erhaumllt SchuumllerNavi zu-dem den Campus-Kulturpreis des Campus Landau

bdquoMan redet immer uumlber Integration Von Menschen mit Migrationshintergrund wird erwartet sich hier zu integrieren Aber das liegt ja auch an uns Man muss sie auf die-sem Weg unterstuumltzenldquo erklaumlrt Doktorandin Spengler (rst)

Termine ImpressumHerausgeberReferat fuumlr Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit der Universitaumlt Koblenz-Landau Campus Landau Fortstraszlige 7 76829 Landau

RedaktionsteamKerstin Theilmann (ket) (verantw) Berend Barkela (bb) Wilfried Dorsch (wdo) Sebastian Kapp (kap) Daniel Schumacher (dan) Rosa Stecher (rst)

LayoutMedienzentrum Campus Landau Berend Barkela

FotosTitel Imago Fotoarena S 2 S 3 privat S 5 Imago Xinhua S 7 oben kanvag - Fotoliacom S 7 unten Medienzentrum Hiller S 9 Imago ITAR-TASS S 10 Imago Steinach S 11 Imago DeFodi S 13 Imago PPfotodesign S 15 JiSign - Fotoliacom S 17 Medienzentrum Hiller S 19 Medienzentrum Barkela S 20 Medienzentrum Hiller S 21 und 22 Daniel Schumacher

KontaktKerstin TheilmannTel 06341 280-32219 E-Mail theiluni-koblenz-landaude

Aus Gruumlnden der besseren Lesbarkeit verwenden wir in unseren Artikeln die maumlnnliche Form Damit sind stets Frauen und Maumlnner gemeint

Die Redaktion behaumllt sich die Kuumlrzung und Uumlberarbeitung von Texten vor Die Meinung einzelner AutorinnenAutoren gibt nicht immer die Meinung der Redaktion wieder

28101014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Florian Ostertag Atrium Infos unter wwwasta-landaude

05112014 ab 2130 Uhr Atriumsfete Infos unter wwwasta-landaude

06112014 20 Uhr Poetry Slam Landau Universum Kinocenter Infos unter wwwzkwuni-landaude

19112014 1930 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Friedensprojekt Europa in der Krise Mit Bundesministerin aD Heidemarie Wieczorek-Zeul und weiteren Gaumlsten Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

19112014 21 Uhr Konzert bdquoBeats und Pianoldquo Audimax Infos unter wwwasta-landaude

1122014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Unland Atrium Infos unter wwwasta-landaude

03122014 19 Uhr Hambacher Gespraumlch Meine Daten gehoumlren den Unternehmen Hambacher Schloss Infos unter wwwfliuni-landaude

05122014 1930 Uhr Reihe bdquoGroszlige Begegnungenldquo mit Sternekoch Alfons Schubeck Jugendstil-Festhalle Landau Infos unter wwwzkwuni-landaude

08122014 1900 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Frieden durch Demokratie Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

Ausblick 13 - 15012015 Poetik-Dozentur mit Rafik Schami Infos unter wwwzkwuni-landaude

Weitere Termine unter wwwuni-koblenz-landaudeaktuell wwwuni-koblenz-landaudeblog

Page 12: Neuland Ausgabe 3/2014

12 NeuLand 2014 03

Schwerpunkt Protest und Gerechtigkeit

Wir koumlnnen uns alle noch an die Bilder von Stuttgart 21 erinnern wuumltende Buumlrger Hundertschaften an Polizisten und ein noch groumlszligerer Medienrummel Viel wurde uumlber die sogenannten bdquoWutbuumlrgerldquo diskutierthellip Aber was treibt Menschen ganz allgemein dazu fuumlr Sachen einzutreten und dafuumlr auf die Straszlige zu gehen

Tobias Rothmund ist Junior-Professor fuumlr politische Psychologie am Campus Landau und erforscht Protestverhalten In seiner Forschung geht es vor allem um die Mo-tivation von Menschen an einem Protest teilzunehmen Dabei muumlsse man erst in der Gerechtigkeitspsychologie nach Ant-worten suchen also was Menschen fuumlr gerecht oder ungerecht erachten wuumlrden erklaumlrt er bdquoEs gibt Protestverhalten das aus dem Gefuumlhl persoumlnlicher Benachtei-ligung motiviert ist und es gibt die Pro-testmotivation aus der Beobachtung der Benachteiligung andererldquo Rothmund er-gaumlnzt bdquoWenn jemand nicht das bekommt was er glaubt zu verdienen dann wird es als ungerecht wahrgenommen Unge-rechtigkeit kann man aber nicht nur aus der Opferperspektive betrachten sondern auch als Beobachter von Ungerechtigkeitldquo Als Beispiel nennt Roth mund Proteste an der Universitaumlt Dabei wuumlrde man sich zum Beispiel als Studierender direkt benach-teiligt fuumlhlen Als Dozent koumlnne man als Beobachter zustimmen und Studierende deshalb unterstuumltzen Trotzdem sei man nicht in der Rolle des Benachteiligten er-laumlutert Rothmund

In der Forschung gibt es nach Tobias Roth-mund drei groszlige Theorien um (politischen) Protest oder Protestverhalten zu erklaumlren Theorie der sozialen Gerechtigkeit soziale Identitaumltstheorie und Rational Choice-The-orie Diese seien allerdings nicht getrennt voneinander zu betrachten sondern inei-nander verschraumlnkt bdquoAusloumlser von Protest ist in der Regel ein Gefuumlhl der Benachteili-gungldquo verdeutlicht Rothmund Man koumlnne das haumlufig beobachten bei Tarifverhandlun-gen Ob sich jemand unzureichend bezahlt fuumlhle haumlnge nicht unbedingt vom absolu-ten Einkommen ab sondern mit wem sich die Personen und Gruppen vergleichen wuumlrden bdquoInsofern kann es selbst bei Per-sonen zum Gefuumlhl der Benachteiligung kommen die von anderen als sehr privile-giert wahrgenommen werdenldquo In der Psy-chologie wuumlrde man deshalb von relativer Deprivation sprechen ndash also das Gefuumlhl der Benachteiligung relativ zu einem gewissen Vergleichsstandard

Eine wichtige Rolle spielt auch das Kol-lektiv und die soziale Gruppe die sich als protestierende Gruppe versteht Rothmund fuumlgt an bdquoMan sieht in der Regel keine ein-zelnen Personen protestieren Protest geht gewoumlhnlich von sozialen Bewegungen ausldquo Beispiele dafuumlr waumlren die Anti-Atom-Bewegung oder Gewerkschaften bdquoOftmals schlieszligen sich Personen in sozialen Grup-pen zusammen um ein politisches Ziel zu erreichenldquo Wichtig fuumlr die Motivation sei ein Gefuumlhl des Zusammenhalts und fuumlr ein ge-meinsames Ziel einzustehen bdquoDesto groumlszliger

eine Protestbewegung ist desto eher ist sie auch ein Selbstlaumluferldquo konkretisiert Roth-mund Oft sei es so dass ein Protest erst eine kritische Masse erreicht haben muumlsse damit Buumlrger dabei sein wollen bdquoDie Pro-testbewegung fungiert hier als sinnstiften-de soziale Gruppeldquo

Der dritte Strang ist eher aus der Rational Choice-Theorie also dem rationalen Den-ken abgeleitet bdquoDie Bereitschaft zu protes-tieren haumlngt immer auch davon ab ob die Leute glauben dass es etwas bringt und ob sie mit dem Protest etwas erreichen koumln-nenldquo versichert Rothmund Das haumlnge auch stark von der Groumlszlige der Protestbewegung ab weil natuumlrlich eine groumlszligere Protestbe-wegung meist die Erwartung ausloumlse dass man mit dem Protest etwas erreichen koumln-ne Als Beispiel veranschaulicht Rothmund bdquoWenn zehn Leute in der Landauer Innen-stadt protestieren wuumlrde sich niemand da-fuumlr interessieren Wenn sie dagegen einen studentischen Protest mit 1000 Studieren-den organisieren dann waumlre sicherlich die Hoffnung bei jedem Teilnehmer groumlszliger damit etwas bewirken zu koumlnnenldquo Eine weitere Motivation koumlnne aber auch die Ak-tualitaumlt von Themen sein bdquoWenn ein Thema oder Projekt einen ungewissen Ausgang hat wird man wahrscheinlich eine groumlszligere Erwartung haben durch einen Protest oder eine Aktion etwas veraumlndern zu koumlnnen als wenn man weiszlig man steht mit seiner Mei-nung allein auf weiter Flurldquo

Tobias Rothmund erklaumlrt weiter dass sich Menschen darin unterscheiden wodurch

Protestbewegungen ndash Von Gerechtigkeit uumlber Kollektiv bis zur Rationalitaumlt

Stuttgart 21 Anti-Atom- oder Occupy-Bewegung ndash Leute gehen immer wieder auf die

Straszlige um fuumlr eine Sache einzutreten Aber woher kommt das Passend zu unserem

Schwerpunkt berichtet Junior-Professor Dr Tobias Rothmund wie die Psychologie im

Bereich Protestkultur forscht und warum Gerechtigkeit eine zentrale Rolle dabei spielt

13NeuLand 2014 03

sie zum Protest motiviert werden bdquoManche sind vielleicht rationaler und brauchen ein erreichbares Ziel andere moumlchten moumlgli-cherweise eher Teil einer Gruppe sein zu der ihr soziales Umfeld gehoumlrt Wieder an-dere sind besonders sensibel in Bezug auf Gerechtigkeit und Ungerechtigkeitldquo Man koumlnne diese oben angesprochenen drei Motivationen daher auch als Dimension fuumlr Persoumlnlichkeitseigenschaften verstehen die Menschen unterschiedlich stark moti-vieren koumlnnten

Der Wutbuumlrger von Stuttgart 21

Rothmund hat in diesem Jahr zusam-men mit den beiden Landauer Psycholo-gen Anna Baumert und Axel Zinkernagel einen wissenschaftlichen Artikel zu den durch Stuttgart 21 bekannt gewordenen bdquoWutbuumlrgernldquo publiziert bdquoWas wir bei Stutt-gart 21 untersucht haben betrifft vor allem die Dimension der Gerechtigkeitldquo erlaumlutert Rothmund Ausgehend von der generellen Annahme die bdquoWutbuumlrgerldquo seien eine kon-servative Personengruppe die in Stuttgart wohne sich vor allem um eigenen Besitz und egoistische Annehmlichkeiten sorge haben die drei Forscher bei einer Befragung Persoumlnlichkeitsmerkmale von Protestieren-den erfasst Dabei wollten sie die Persoumln-lichkeitsstruktur der Protestierenden besser verstehen Im Besonderen ging es ihnen um

die Frage inwiefern opfersensible Personen (also Menschen die sich selbst besonders leicht benachteiligt fuumlhlen) oder beobach-tersensible Personen (also Menschen die eher sensibel fuumlr die Benachteiligung ande-rer sind) eher protestierten Sie befragten zirka 1000 Buumlrger darunter Befuumlrworter Gegner und Unentschlossene von Stuttgart 21 Das Resultat bdquoLeute die opfersensibel sind haben gar nicht haumlufiger protestiert Das war interessanterweise genau umge-kehrt Es haben also eher Leute protestiert die sensibel dafuumlr sind dass andere benach-teiligt werdenldquo bemerkt Rothmund Das sei ein interessanter Befund da das eher darauf hindeuten wuumlrde dass Leute nicht nur ei-gennuumltzig fuumlr sich selbst engagiert sondern tatsaumlchlich fuumlr Mitbestimmung oder Ge-rechtigkeit in den Entscheidungsprozessen protestiert haumltten bdquoUnsere Ergebnisse ha-ben gezeigt dass die Leute die dort protes-tiert haben sich gegen ein intransparentes ungerechtes Verhalten der Autoritaumlten ge-wehrt haben und nicht gegen ihre eigene persoumlnliche Benachteiligungldquo verdeutlicht Rothmund

Auf die Frage ob zur Zeit eine Renaissance der Protestkultur vonstatten gehen wuumlrde stellt der Junior-Professor fest bdquoDas wird man erst spaumlter sagen koumlnnenldquo Eines wuumlr-de aber feststehen Durch das Internet sei die Organisation von Protesten sowie der Austausch von Informationen einfacher Da-durch wuumlrden Menschen viel schneller mo-bilisiert werden koumlnnen meint Rothmund(dan)

Wutbuumlrger

2010 kam zum ersten Mal das Schlagwort bdquoWutbuumlrgerldquoauf Gepraumlgt vom Spiegel-Journalisten Dirk Kurbjuweit beschreibt der Begriff eine vor-nehmlich aumlltere gebildetere und wohlhabende Personengruppe die sich mit Wut und Empoumlrung gegen politische Entscheidungstraumlger auflehnt

Demonstration auf dem Stuttgarter Schlossplatz am 18 Februar 2012

Literatur

Rothmund T Baumert A amp Zinkernagel A (2014) The German bdquoWutbuumlrgerldquo - How Justice Sensitivity Accounts for Individual Differences in Political Enga-gement Social Justice Research 27(1) 24-44

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Weiterbildung ist zentrales Thema fuumlr Claudia Ehrhardt Bei der Geschaumlftsfuumlhrerin der Arbeitsstelle der Weiterbildung der Wei-terbildenden (AWW) mit Sitz am Campus Landau laufen seit uumlber 14 Jahren die Faumlden der im Verein angeschlossenen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungseinrichtungen zusammen Fuumlr die Diplom-Paumldagogin sind die PIAAC-Ergeb-nisse ein eindeutiger Indikator dass bei der Grundbildung Erwachsener Handlungsbe-darf besteht Dass diese ndash ganz anders als die PISA-Ergebnisse ndash medial kaum aufgegriffen oder diskutiert wurden bilde den Stellen-wert der Weiterbildung in der Gesellschaft ab Dabei sind die dort getesteten Groumlszligen fuumlr ein erfolgreiches Arbeitsleben die Teilha-be an der heutigen Gesellschaft und die Pro-duktivitaumlt von Betrieben und Unternehmen bedeutsam

PIAAC (Programme for the International Assessment of Adult Competencies) ist die erste internationale Vergleichsstudie die zentrale Grundkompetenzen in der erwach-senen Bevoumllkerung beleuchtet Von Herbst 2011 bis Fruumlhjahr 2012 hat die Organisation fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Deutschland und uumlber 20 weiteren Laumlndern bei Erwachsenen im erwerbsfaumlhigen Alter von 16 bis 65 Jahren Lese- und alltagsmathematische Kompe-tenzen sowie technologiebasierte Problem-loumlsekompetenzen gemessen Das Ergebnis Deutschland liegt leicht unter dem OECD-Durchschnitt Allerdings schneiden juumlngere Erwachsene besser ab als aumlltere Vermutlich eine positive Folge der Bildungsanstrengun-gen nach PISA

PIAAC habe gezeigt dass auch im Erwach-senenalter gilt was fuumlr Schulkinder bittere Realitaumlt ist Das Bildungsniveau ist abhaumlngig von der Herkunftsfamilie bdquoWer uumlber keine gute Grundbildung verfuumlgt wird auch keine Weiterbildung machenldquo so Ehrhardt Und wer sich nicht weiterbildet faumlllt in der Ar-beitswelt zuruumlck Daher sei es erfreulich dass seit einigen Jahren verstaumlrkt in Projektfinan-zierungen im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung investiert werde so Ehrhardt

Moumlgliche Ruumlckschluumlsse aus den PIACC-Ergebnissen auf die Weiterbildung diskutier-ten Experten auf einer von Claudia Ehrhardt organisierten Fachtagung im Fruumlhjahr Der Tenor Die Professionalisierung der in der Weiterbildung taumltigen Paumldagogen Dozenten oder Trainer muss darauf setzen fuumlr die Ar-beit mit Bildungsverlierern entsprechend zu sensibilisieren ndash mit dem Ziel diesem abge-haumlngten Bereich eine Perspektive zu bieten Dieser Professionalisierungsaufgabe wird sich die AWW auch in Zukunft widmen

Weiterbildung ohne Raum und Zeit

Fuumlr die Arbeit des Zentrums fuumlr Fernstudi-en und Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) sieht Geschaumlftsfuumlhrer Dr Burkhard Lehmann aufgrund der PIACC-Ergebnisse keine unmit-telbaren Implikationen Denn die Teilnehmer der diversen Studiengang- und Kursangebo-te des ZFUW seien in der Regel die ohnehin bildungsaffinen Menschen die gewohnt sei-en sich zu qualifizieren Auf die Gruppe die

in PIAAC schlecht abgeschnitten habe seien die ZFUW-Bildungsangebote gar nicht zuge-schnitten

Das ZFUW hat als aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz seit uumlber 20 Jahren Erfahrung in der wissen-schaftlichen Weiterbildung bdquoWir haben uns mit dem Fernstudium und der Fernlehre fuumlr ein spezifisches Bildungsformat ent-schiedenldquo so Lehmann Denn dieses Format werde den Beduumlrfnissen der Bildungsinte-

Um die Kompetenzen Erwachsener beispielsweise im Lesen scheint es in Deutschland

nicht gut bestellt Das zumindest ist das Ergebnis der PIAAC-Studie Haben die Ergebnisse

Auswirkungen auf die Erwachsenenbildung NeuLand hat sich bei der Arbeitsstelle der

Weiterbildung der Weiterbildenden (AWW) und dem Zentrum fuumlr Fernstudien und

Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) erkundigt

Das ZFUW

Das Zentrum fuumlr Fernstudien und Universitaumlre Wei-terbildung (ZFUW) ist eine zentrale Einrichtung der Universitaumlt Koblenz-Landau Mit mehr als 21 Jahren Erfahrung ist das ZFUW die aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz Das ZFUW ist auf das Angebot postgradualer Fernstudien-gaumlnge spezialisiert veranstaltet daneben aber auch Weiterbildungen im Praumlsenzformat (z B Seminare)wwwuni-koblenz-landaudezfuw

Gute Grundbildung bedingt Weiterbildung

PIAAC-Studie

ressierten ohne Bindung an Raum und Zeit am meisten gerecht In Ballungsraumlumen wie Hamburg Muumlnchen oder Berlin wo sich die Kunden aus dem lokalen Umfeld akquirie-ren lassen funktionieren auch Praumlsenzan-gebote weiszlig Lehmann bdquoBefindet sich eine Einrichtung allerdings in einer Randlage operiert man besser auf der Ebene der Fern-lehre bei der die Organisation zum Teilneh-mer kommt und nicht der Teilnehmer zur Organisationldquo

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Nutzen und Folgen des Internets

Das Schnuumlren zeitgemaumlszliger Themen und Inhalte ist zentral um das ZFUW wettbe-werbsfaumlhig zu halten Derzeit unterhaumllt es die Programmbereiche Umwelt Energie und Management Expertise holt sich das ZFUW vorrangig aus den eigenen Reihen der Ko-

gogikldquo Damit sollen Lehrerinnen und Leh-rer fit gemacht werden fuumlr den schulischen Alltag in Zeiten der Inklusion bdquoDie Laumlnder stellen zwar den Finanzbedarf fuumlr Inklusion in der Schule allerdings fehlt eine profun-de Qualifizierung der Lehrkraumlfteldquo erklaumlrt Lehmann den Ansatz des neuen Weiterbil-dungsprogramms Mit einem Kooperati-onspartner bereitet das ZFUW ein weiteres Programm vor bdquoBusiness Communications and Rhetoricldquo

Weiterbildung heute so wichtig wie noch nie

Fuumlr das berufliche Weiterkommen ist Wei-terbildung heute so zentral wie noch nie bdquoDie Halbwertszeit des Wissens wird immer kuumlrzerldquo bekraumlftigt Claudia Ehrhardt Die PIAAC-Studie habe daher auch gezeigt wie wichtig Kompetenzaufbau -erhalt und -er-weiterung in der Berufswelt seien Die zahl-reichen Innovationswellen im beruflichen Kontext gerade im EDV- oder Produktions-kontext lassen den Bedarf an Weiterbildung kontinuierlich steigen versichert Burkhard Lehmann Warum Menschen letztendlich sich fuumlr eine Weiterbildung entscheiden da-fuumlr gebe es drei zentrale Gruumlnde Lehmann unterscheidet zwischen Selbstperfektionie-rern Tool-Suchern und Karriere- oder Ab-schlussorientierten Der ersten Gruppe liegt daran die eigene Persoumlnlichkeit weiterzu-entwickeln und sich fuumlr private Interessen mehr Wissen anzueignen Die Tool-Sucher erweitern gezielt ihre Kompetenzen um

Die AWW

Die Arbeitsstelle fuumlr die Weiterbildung der Weiterbil-denden (AWW) foumlrdert die Zusammenarbeit zwischen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungsorganisationen Der bundesweit einzigartige Verein ist eine wichtige Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis im Bereich der Weiterbildung Gegruumlndet wurde die AWW 1998 auf Initiative des Ministeriums fuumlr Bildung Wissenschaft Weiterbil-dung und Kultur Die AWW hat ihren Sitz in Landau und ist der Universitaumlt Koblenz-Landau angegliedert Unter dem Motto bdquoBesser lehren lernenldquo organisiert die AWW Workshops und Fachtagungen fuumlr Personen die in der Weiterbildung taumltig sind wwwaww-landaude

blenzer und Landauer Wissenschaftler bdquoWir arbeiten aber auch konsortialldquo so Lehmann bdquound halten somit ein bestimmtes Know-how vor das an den Standorten unserer Uni-versitaumlt nicht verfuumlgbar istldquo Selbst wenn die Flexibilitaumlt bestehe auch nicht einschlaumlgige Themen zu vertreten entwickele das ZFUW vornehmlich Angebote im Kernbereich der Universitaumlt Koblenz-Landau

Derzeit arbeiten Lehmann und sein Team an dem neuen Programm bdquoInklusionspaumlda-

berufliche Herausforderungen meistern zu koumlnnen Vertreter der dritten Gruppe tum-meln sich vorwiegend im akademischen Feld Da man fuumlr die Ausuumlbung bestimmter Funktionen im beruflichen Aufstieg meist Bescheinigungen uumlber entsprechendes Wissen oder Kompetenzen benoumltigt ori-entiert sich deren Weiterbildungsbedarf an Abschluumlssen

Entsprechend unterscheidet Lehmann auch zwischen drei Weiterbildungsberei-chen die klassische die betriebliche und die wissenschaftliche Weiterbildung Die klassische Weiterbildung wird beispiels-weise von Volkshochschulen betrieben und richtet sich an ein breites Publikum Im betrieblichen Kontext sollen Arbeitnehmer ihre Kompetenzen erweitern und ihr Wissen erhoumlhen beispielsweise wenn Vertriebs-mitarbeiter im Umgang mit einem neuen Produkt geschult werden muumlssen oder eine neue Software im Unternehmen eingefuumlhrt wird Die wissenschaftliche Weiterbildung ermoumlglicht akademisch vorqualifiziertem Personal sich auf neue Aufgaben etwa als Fuumlhrungskraft vorzubereiten

Die Zeiten in denen Lernen mit dem Verlassen der Schule dem Abschluss der Ausbildung oder dem Universitaumltsexamen beendet war sind definitiv vorbei Wer im Berufsleben bestehen will wird um regel-maumlszligige Weiterqualifizierung nicht umhin kommen PIACC soll in einem Rhythmus von zehn Jahren wiederholt werden um ein Laumlngsschnitt-Bild der Entwicklung zu er-halten Man darf gespannt sein wohin sich die Kompetenzen deutscher Erwerbstaumltiger entwickeln (ket)

16 NeuLand 2014 03

Sprachbedrohung und Sprachentod

Sprachbedrohung und Sprachentod sind ein weltweites Phaumlnomen Linguisten ge-hen davon aus dass etwa alle zwei Wochen eine Sprache stirbt In 100 Jahren so schaumlt-zen Sprachforscher werden im besten Fall noch die Haumllfte dieser Sprachen existieren vielleicht aber auch nur noch zehn Prozent von ihnen Waumlhrend die 20 groumlszligten der zir-ka 6800 lebenden Sprachen von der Haumllfte der Weltbevoumllkerung gesprochen werden weisen die meisten Sprachen eine Gemein-schaft von nur wenigen hundert oder tau-send Sprechern auf Von bevorstehendem Sprachentod spricht man wenn eine Spra-che aufhoumlrt Muttersprache oder Erstspra-che zu sein ndash also dann wenn sie nur noch sekundaumlr erlernt wird und damit die noumltige Sprachpflege verliert Der endguumlltige Tod tritt ein wenn es keine Sprecher mehr gibt

Sprachbedrohung und Sprachentod fin-den auf allen Kontinenten statt und neh-men ein immer schnelleres Tempo auf je weiter die Globalisierung voranschreitet Viele andere Faktoren wie unter anderem starke Migrationsbewegungen Zuwande-rung und Urbanisierung sowie ein hohes Alter der Sprecher oder die geringe wirt-schaftliche Staumlrke einer Sprache wirken zudem auf den Sprachbestand ein Stark gefaumlhrdete Sprachen sind vor allem in den Regionen Nord- und Suumldamerika Austra-lien Asien Westafrika und in Nord- und Ostsibirien vorzufinden In diesen Regio-nen kommt es zur massiven Verletzung von Sprachenrechten

Anglistik-Professor Dr Martin Puumltz ist Linguist und beschaumlftigt sich mit Sprache und ihren vielfaumlltigen sozialen kulturel-len und psychologischen Auspraumlgungen Zusammen mit seiner Kollegin Dr Monika Reif hat er im Fruumlhjahr 2014 das 36 Interna-tionale LAUD Symposium organisiert das sich rund um das Thema Sprachbedrohung und Sprachentod drehte (siehe Infokasten) Puumltz erklaumlrt Sprache sei relevant da sie ein einzigartiger Schatz an Wissen Ideen und Weltansichten sei bdquoMit den fast 7000

Bevor sie verstummen hellipWeltweit existieren etwa 6800 Sprachen doch die Vielfalt nimmt rasant ab Was

bedeutet es wenn Sprachen sterben Was bleibt von einer Kultur uumlbrig wenn ihre Art

die Welt zu beschreiben wegfaumlllt und die Urahnen verstummen

Sprachen auf unserer Welt gibt es auch fast 7000 Arten die Welt auf unterschiedliche Art wahrzunehmen und sie zu beschreibenldquo erlaumlutert der Linguist Beispielsweise haben einige Sprachen der Ureinwohner Amerikas ein komplett anderes Zeitsystem Dinge in der Zukunft oder Vergangenheit auszudruuml-cken gehe in diesen Sprachen nicht mit den uns bekannten grammatikalischen Moumlg-lichkeiten

Sprache ist also nicht nur ein Mittel der Kommunikation sondern bietet einen tiefen Einblick in die Einstellungen und Wahrnehmungen gegenuumlber der Welt kon-serviert Traditionen und Geschichte einer Kultur und gibt einzigartiges Wissen an die naumlchste Generation weiter beispielsweise uumlber Heilmittel und Pflanzen aber auch Ge-fuumlhle Spiritualitaumlt und soziale Einsichten Es gibt so etwas wie eine kulturelle Identitaumlt und die wird maszliggeblich von Sprache ge-praumlgt Warum aber verschwinden so viele Sprachen von der Bildflaumlche Natuumlrlich gibt es viele aumluszligere Umstaumlnde warum Sprachen ihre Sprecher verlieren Gerade in der Kolo-nialzeit haben die Besatzer eine Vielzahl an Sprachen marginalisiert und unterdruumlckt teilweise wurden ganze Voumllker durch Krieg vernichtet z B durch die Kolonialisierung und Besiedlung Nord- und Suumldamerikas die Ausrottung indigener Voumllker in Australi-en oder durch die im 17 Jahrhundert einset-zende Russifizierungspolitik in Osteuropa im Kaukasus und in Sibirien Auch Natur-katastrophen wie Erdbeben oder Vulkan-ausbruumlche koumlnnen stark regional gepraumlgte Sprachen toumlten

Auch wenn Sprachwissenschaftler versu-chen bedrohte Sprachen durch Aufzeich-nung Uumlbersetzung sowie die Bewahrung und Verbreitung von Sprachaufzeichnun-gen zu dokumentieren erwecken sie diese dadurch nicht mehr zum Leben Mit No-tizbloumlcken und Aufnahmegeraumlten kann man zwar einen Teil des Wortschatzes der Grammatik und Aussprache festhalten in geringerem Maszlige jedoch Redewendungen

Gebraumluche und Beschreibungsmodelle fuumlr die Welt einfangen Nur wer eine Sprache muttersprachlich spricht kann ihre zahlrei-chen Facetten begreifen Sprachrevitalisie-rung gelingt nur in den seltensten Faumlllen Gegluumlckt ist dies beispielsweise beim mo-dernen Hebraumlisch Iwrith genannt das er-folgreich wiederbelebt und zur offiziellen Amtssprache Israels erhoben wurde Zu-meist ist der Sprachtod aber unwiderruflich

In aktuellen Faumlllen der Sprachbedrohung liege das Problem haumlufig nicht an der Um-welt sondern an anderer Stelle erklaumlrt Puumltz Wer einer Minderheitensprache maumlchtig ist hat oftmals das Gefuumlhl damit auf dem Bildungsweg oder im Berufsleben schlech-tere Chancen zu haben Eltern bestehen daher oft darauf dass ihre Kinder die indi-gene Sprache vernachlaumlssigen und statt-dessen eine dominante und wirtschaftlich starke Sprache wie Englisch Spanisch oder Franzoumlsisch zuerst erlernen bdquoSie geben da-mit eine verstaumlrkt negative Einstellung zur Muttersprache an die naumlchste Generation weiterldquo verdeutlicht Puumltz die Problemlage Der Globalisierungseffekt ist somit nicht zu unterschaumltzen denn waumlhrend z B das Eng-lische immer dominanter wird nimmt die Geringschaumltzung und damit einhergehende Vernachlaumlssigung indigener Sprachen wei-ter zu Um den Sprachentod aufzuhalten benoumltigt es also weniger Dokumentation als vielmehr eine grundlegende Aumlnderung der Einstellung zu Minderheitensprachen und indigenen Sprachen (rst)

Linguistic Agency University of DuisburgTrierLandau (LAUD)

Seit 1973 finden unter diesem Namen alle zwei Jahre Konferenzen zum Thema Sprache statt ndash zunaumlchst in Trier und Duisburg und seit 2000 in Landau Das 36 LAUD Symposium wurde im Fruumlhjahr 2014 zum Thema bedrohte Sprachen und Sprachentod veranstaltet Uumlber 90 Teilnehmer aus 25 Laumlndern besuchten die Veranstaltung

17NeuLand 2014 03

Kinder- und Jugendhospitzarbeit

Wie lassen sich die Arbeit und das Zu-sammenleben in Kinder- und Jugendhos-pizen verbessern Wie werden Kinder und Jugendliche wirkungsvoll begleitet die an einer unheilbaren Krankheit leiden oder die einen Trauerfall in der Familie verar-beiten muumlssen bdquoBislang konnten sich die Einrichtungen ausschlieszliglich durch ein Qua-litaumltssiegel bewerten lassenldquo sagt Sven Jen-nessen Das bedeute harte generalisierte Bewertungsfaktoren bdquoDabei unterscheiden sich die Einrichtungen teilweise gravierendldquo So sei etwa die Nachfrage nach tuumlrkischer Sprachkompetenz in einigen Einrichtungen zwar sehr hoch ndash es gebe aber auch Einrich-tungen bei denen der Bedarf schlicht nicht erkennbar sei Hier muumlsse man individuell auf die Beduumlrfnisse der Einrichtungen der Mitarbeiter der Kinder und Jugendlichen sowie der Familien eingehen Fuumlr Jennessen ist dies nur eines von vielen Beispielen bei dem sich die Schwaumlche starrer Bewertungs-

kriterien zeigt Immerhin muumlsse gerade in diesem sensiblen Bereich der Mensch im Mittelpunkt stehen ndash und keine Checkliste

Deshalb ist der Qualitaumltsindex fuumlr Kin-der- und Jugendhospizarbeit QuinK auch bdquoandersldquo Der Fokus liegt nicht nur auf den Antworten sondern auch auf der Kom-munikation zwischen den Beteiligten also zwischen haupt- und ehrenamtlichen Mit-arbeitern mit Eltern Kindern und auch Geschwistern bdquoNachhaltige Qualitaumltsent-wicklung funktioniert nur durch Kommuni-kation aller Beteiligtenldquo so der Ansatz von Sven Jennessen Und damit sind auch die Juumlngsten gemeint bdquoWir sehen die Kinder als Experten in eigener Sache anldquo erklaumlrt Stefanie Hurth Gerade die Einbeziehung der Geschwister stelle derzeit bei vielen Einrichtungen ein Problem dar Denn die muumlssten bei einer todbringenden Krank-heit der Schwester oder des Bruders haumlufig zuruumlckstecken Nur selten bleibe das ohne

Konflikte wodurch sie im schlimmsten Fall die Moumlglichkeit versaumlumten sich von ihren Geschwistern zu verabschieden bdquoHier gibt es kein Schema F Viel wichtiger ist dass die Betroffenen sich austauschen die Themen aufgreifen und dann Loumlsungen entwickelnldquo sagt Hurth

Der QuinK soll durch seine zur Reflexion anregenden Fragen diese Kommunikati-on ermoumlglichen und eine Art Diskussions-Agenda darstellen Daher wurde QuinK in den vergangenen Monaten in drei stationauml-ren Kinder- und Jugendhospizen und zwei ambulanten Kinderhospizdiensten getes-tet Jennessen und Hurth besuchten die Einrichtungen in Unna Duumlsseldorf Syke Darmstadt und Wiesbaden regelmaumlszligig bdquoDer QuinK ist nicht am gruumlnen Tisch ent-standenldquo sagt Sven Jennessen

Das Team aus Landauer Wissenschaftlern wurde unterstuumltzt vom Deutschen Hospiz- und Palliativverband (DHPV) Mit diesem zusammen wurden zwoumllf Grundsaumltze fuumlr die Arbeit von Kinder- und Jugendhospizen verfasst Das seien komplexe Themen von der Betreuung der Kinder bis zur Oumlffentlich-keitsarbeit fuumlr die jeweils ein aus den drei Kategorien Haltung Strukturen und Prak-tiken bestehender Fragebogen entstan-den ist bdquoEinige Fragen die wir als wichtig erachtet hatten wurden in der Praxis nicht angenommen Andere wiederum haben wir ergaumlnzt Jetzt ist der QuinK fitldquo ist Stefanie Hurth stolz auf das Ergebnis Und Sven Jen-nessen ergaumlnzt bdquoDie Ruumlckmeldungen waren insgesamt sehr positivldquo

Nun soll der QuinK Verbreitung finden Fachvortraumlge auf Konferenzen Artikel in Fachzeitschriften Die Arbeit des Jennessen-Teams ist noch laumlngst nicht abgeschlossen bdquoWir haben aber gute Startvoraussetzun-gen schlieszliglich waren die Praktiker vom DHPV von Anfang an an Bordldquo so Jennes-sen (kap)

QuinK neuer QualitaumltsindexEin neuer Index soll die Betreuung in Kinder- und Jugendhospizeinrichtungen verbessern

Dieser Aufgabe haben sich Professor Dr Sven Jennessen und Stefanie Hurth vom Institut

fuumlr Sonderpaumldagogik in den letzten Monaten gewidmet Nun praumlsentieren sie das

Ergebnis ihrer Arbeit den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit kurz QuinK

Ein Jahr lang hat Stefanie Hurth den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit getestet Nun ist der bdquoQuinKldquo fertig und soll im Oktober in die Praxis gehen

18 NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Nach der neuen Gallup-Studie ist die Ar-beitszufriedenheit zwar im Vergleich zum letzten Jahr gestiegen trotzdem kritisch Nur wenige Menschen fuumlhlen sich bei ihrer Arbeit wertgeschaumltzt Sie suchen stattdes-sen ihr Gluumlck in der Freizeit Hinzu kommt ein dramatischer Anstieg von psychischen Erkrankungen wie dem Burnout-Syndrom Wie kann man mit diesen Gefahren umge-hen

Eine potenzielle Loumlsung liegt im Bereich der positiven Psychologie Sie befasst sich damit unter welchen Umstaumlnden Personen Wohlbefinden Gluumlck und Zufriedenheit erleben Waumlhrend sich vor den 90er Jahren die Sozial- und Verhaltenspsychologen vor allem mit den Defiziten beschaumlftigt haben untersucht man seit 1998 psychologische Prozesse die dazu fuumlhren dass Menschen zufrieden und gluumlcklich und dadurch leis-tungsfaumlhiger sind

Ottmar L Braun ist auszligerplanmaumlszligiger Professor in der Arbeitsgruppe Sozial- und Wirtschaftspsychologie am Campus Landau und befasst sich mit positiver Psycholo-gie Zur Thematik Unzufriedenheit im Job bekraumlftigt er bdquoDie Forschung hat deutlich gezeigt dass sich Techniken der positiven Psychologie vorteilhaft auf die Arbeits- und Lebenszufriedenheit auswirkenldquo Besonders interessant sei das fuumlr Krankenkassen da sie sich mit Krankheit und Gesundheit ausei-

nandersetzen und auch als erste die Kosten von langfristigen Ausfaumlllen zum Beispiel durch Burnout tragen muumlssen Braun wei-ter bdquoDann muumlssen die sich natuumlrlich fragen Wie kommt dasldquo

Braun meint Arbeit duumlrfe nicht krank machen Arbeit muumlsse eher die Moumlglich-keit bieten dass man sich positiv entfalten koumlnne Deshalb muumlssten sich Arbeitgeber darum bemuumlhen dass die Leute mit mehr Spaszlig zur Arbeit kommen bdquoDaruumlber hinaus muumlssen Arbeitnehmer Aufgaben bekom-men um ihre Staumlrken ausleben zu koumlnnenldquo Er konkretisiert bdquoSie brauchen Aufgaben an denen sie persoumlnlich wachsen wo sie quasi aufbluumlhen koumlnnenldquo

In der positiven Psychologie sei der Begriff bdquoaufbluumlhenldquo elementar denn bdquoWenn Per-sonen etwas geleistet haben sprich Ziele erreichen dann sind sie zufriedener und haben wenig handlungsirrelevante Kogniti-onen oder Ablenkung Sie koumlnnen sich wie-der auf ihre Aufgaben konzentrieren und dadurch mehr leistenldquo begruumlndet Braun Zufriedenheit am Arbeitsplatz habe aber auch immer etwas mit der Entwicklung von Fuumlhrungskraumlften zu tun Nach Braun muumlss-ten sie darauf achten dass sie ihr Team ge-sund fuumlhren bdquoKrankenkassen wie die AOK Rheinland-PfalzSaarland bieten deshalb extra Programme dafuumlr an an denen wir als Team der Universitaumlt Koblenz-Landau

beteiligt sindldquo Eine weitere Moumlglichkeit fuumlr Arbeitgeber sieht Braun in regelmaumlszligigen Mitarbeiterbefragungen bdquoIm Rahmen von Folgeprozessen kann man dafuumlr sorgen dass zufriedenstellende Arbeitsbedingun-gen vorhanden sind und Missstaumlnde abge-schafft werdenldquo

Allerdings sei die Schuld nicht nur beim Arbeitgeber zu suchen Auch die Mitar-beiter sollten darauf achten ob sie an der richtigen Stelle im Unternehmen eingesetzt oder ob sie vielleicht irgendwo anders bes-ser aufgehoben seien Braun stellt klar bdquoVor der innerlichen Kuumlndigung sollte Unzufrie-denheit konstruktiv zum Ausdruck gebracht werden um dann vielleicht an einer sinn-volleren Stelle eingesetzt zu werdenldquo

Der Professor bemerkt dass die positive Psychologie allerdings nichts Neues sei bdquoIn der Arbeits- und Organisationspsychologie in der wir uns hier bewegen haben Wissen-schaftler ja schon immer das Thema Arbeits-zufriedenheit untersuchtldquo Es sei von daher ein ganz altes Forschungsgebiet welches nun durch die positive Psychologie neu be-reichert werde

Spielend zum GluumlckBraun hat an der Universitaumlt eine eige-

ne Studie zur Zufriedenheit durchgefuumlhrt

Unzufrieden im Job Positive Psychologie kann helfen

Viele kennen es Wenn Montagmorgen der Wecker klingelt faumlllt das Aufstehen oft

schwer besonders wenn man unzufrieden mit seiner Arbeit ist Aber warum ist man

unzufrieden und wie kann positive Psychologie dabei helfen die Unzufriedenheit zu

uumlberwinden NeuLand hat mit dem Professor fuumlr Wirtschaftspsychologie Dr Ottmar L

Braun uumlber die Psychologie der positiven Dinge gesprochen

19NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Dabei wurden Studierende einen Tag lang in Techniken der positiven Psychologie un-terrichtet bdquoAuszligerdem haben sie ein Gluumlcks-tagebuch bekommen bei dem sie ihre Gluumlcksmomente niederschreiben koumlnnen und einiges uumlber Smalltalk und Networking gelerntldquo Die Ergebnisse wuumlrden zeigen dass sich die Zufriedenheit der Studieren-den kurzfristig aber auch langfristig positiv veraumlndere Zudem seien ihr Optimismus und die Studienmotivation angestiegen depressive Verstimmungen gesunken Braun verdeutlicht bdquoAlles so wie man sich das wuumlnschtldquo

In seiner Forschung versucht er eine Bruuml-cke zu schlagen zwischen Techniken der positiven Psychologie und Techniken des Selbstmanagements Das wuumlrde gut pas-sen denn auch in der positiven Psychologie wuumlrden oft Tipps gegeben wie man etwas angehen solle versichert Braun Eine ganz prominente Uumlbung beim Selbstmanage-ment und in der positiven Psychologie sei die bdquoWas ist gut gelaufen-Uumlbungldquo Dabei geht es darum dass man am Abend uumlber-legen soll welche drei Dinge am Tag gut gelaufen sind und welche seiner Staumlrken es waren die dazu beigetragen haben Das sei eine Uumlbung die in der gesamten Literatur empfohlen werde Der Namensgeber der positiven Psychologie Martin Seligman habe zeigen koumlnnen dass die Anwendung

dieser Uumlbung dazu fuumlhre dass Leute nach sechs Monaten weniger depressiv seien Seligman fuumlhre das darauf zuruumlck dass das eine selbstverstaumlrkende Wirkung habe so Braun bdquoDie Leute merken dass sie sich bes-ser fuumlhlen wenn sie daruumlber nachdenken was heute gut gelaufen ist und warum Und deshalb wiederholen sie den Vorgangldquo Es habe dadurch eine langfristige Wirkung

Brauns neuestes Aushaumlngeschild ist ein Brettspiel namens bdquoCareer Games ndash spie-lend trainierenldquo bdquoWir haben Seminare ent wickelt bei denen wir Selbstmanage-ment-Kompetenzen in verschiedenen Le-bens- oder Inhaltsbereichen von Personen staumlrken koumlnnen Dazu dient auch ein Brett-spiel bei dem die Teilnehmer verschiedene Inhaltsbereiche der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder auch Smalltalk und Networking spielend erlernenldquo Jeder Spieler bekomme im Spiel eine Figur und muumlsse seinen Weg durch das Spielfeld wuumlrfeln so Braun bdquoAuf den Fel-dern muumlssen sie dann Quizkarten ziehen die das im Seminar Gelernte noch einmal aufarbeitenldquo Dabei muumlssten sie beispiels-weise drei Dinge nennen die sie in ihrem Leben gluumlcklich machen bdquoDurch den Spiel-charakter lernt man mehr als nur uumlber Se-minareldquo Mit Erfolg Erste Untersuchungen zeigen positive langfristige Effekte durch die Seminar-Brettspiel-Kombination (dan)

Tipps fuumlr die positive Fuumlhrung von Ottmar Braun

Fuumlhrungskraumlfte muumlssen eine gute zwischenmensch-liche Beziehung zu jedem einzelnen Mitarbeiter unterhalten Sie muumlssen auch verbindliche Aussagen machen und zu diesen Aussagen stehen Des Weiteren sollte ein Chef seine Angestellten unterstuumltzen wenn es notwendig ist Wichtig ist auch keinen unnoumltigen Druck aufzubauen sondern Staumlrken von Mitarbeitern kennen zu lernen und zu foumlrdern Von Vorteil koumlnnen auch Begruumlszligungs- und Krankenruumlckkehrgespraumlche sein Es koumlnnte ja sein dass die Krankheit etwas mit den Arbeitsbedingungen zu tun hat Natuumlrlich sind auch Teamsitzungen und Teambildungsmaszlignahmen von groszliger Bedeutung um ein angenehmes Arbeits-klima herzustellen

Spielend lernen Mit dem Brettspiel bdquoCareer Gamesldquo erlernen die Spieler verschiedene Inhalte der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder Smalltalk und Networking

20 NeuLand 2014 03

Psychotherapie-Ambulanz

Wie eine Baustelle sieht die psychothera-peutische Uni-Ambulanz nicht mehr aus Den Abdeckplanen sind bunte Stuumlhle und Stofftiere gewichen im Eingangsbereich liegen Fachmagazine und das Buumlro von Professorin Dr Tina In-Albon ist bereits voller Buumlcher Und doch bdquoist hier noch alles Baustelleldquo so die Professorin fuumlr Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kin-des- und Jugendalters Nach Therapeuten werde noch gesucht die ersten Behandlun-gen seien angelaufen Forschungsprojekte in Planung bdquoEine spannende Phaseldquo bekraumlf-tigt die Ambulanzleiterin

Von nun an wird sich das zehnkoumlpfige Team um die Professorin In-Albon und Ge-schaumlftsfuumlhrerin Dr Daniela Schwarz mit den psychischen Erkrankungen der suumld-pfaumllzer Kinder und Jugendlichen befassen Die Kosten fuumlr die psychotherapeutische Behandlung uumlbernehmen bei Indikation die Krankenkassen Hinzu kommt ein wei-terbildender Studiengang zur Ausbildung in Kinder- und Jugendlichenpsychothe-rapie der im Wintersemester 201415 mit zwoumllf Teilnehmern pro Jahrgang startet In Rheinland-Pfalz ist die Universitaumlt Kob-lenz-Landau in diesem Bereich die einzige universitaumlre Ausbildungsstaumltte Neben der hauseigenen Ambulanz kooperiert der Studiengang mit dem Pfalzklinikum in Klin-genmuumlnster sowie anderen kinder- und ju-gendpsychiatrischen Kliniken in der Region

Kaum eroumlffnet schon stehen die ersten Forschungsprojekte an Derzeit liegt ein Fokus in der Behandlung von Angststoumlrun-gen und Depressionen bdquoVielen Depressio-nen gehen Aumlngste voraus Daher lohnt es diese beiden zusammen zu betrachtenldquo so

Tina In-Albon Laut Statistik leiden zirka 20 Prozent der Erwachsenen und zirka 10 Pro-zent der Kinder unter Angststoumlrungen bei Depressionen sind es sogar 40 Prozent der Erwachsenen und im Jugendalter auch be-reits zwischen 15 und 20 Prozent In Planung befindet sich daher eine Therapiestudie fuumlr Jugendliche mit Angst- und depressiven Stoumlrungen Ein weiterer Forschungsbereich ist das nicht-suizidale selbstverletzende Verhalten im Volksmund auch als bdquoRitzenldquo bekannt bdquoDa machen wir eher Grundla-genforschungldquo so die Professorin Ein spe-zifisches Therapieangebot gebe es derzeit noch nicht ndash bdquodas kann sich aber alles noch entwickelnldquo

Einen weiteren Forschungsschwerpunkt stellt die psychische Gesundheit bei Kindern mit Diabetes dar insbesondere bei Diabetes vom Typ I der im Gegensatz zum bdquoAltersdi-abetesldquo II auch bei Kindern und Jugendli-chen verbreitet ist bdquoHier wissen wir uumlber

Erste Forschungsprojekte stehen an

Ende Juni offiziell eingeweiht hat die Psychotherapie-Ambulanz fuumlr Kinder und Jugend-

liche die Arbeit aufgenommen Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen

haben nun in Landau eine neue Anlaufstation Und auch die Forschung profitiert von der

Einrichtung

die medizinische Forschung zwar schon eine Mengeldquo sagt Tina In-Albon aber aus psychologischer Sicht sei das Thema noch relatives Neuland Wie etwa sieht es bei der psychologischen Betreuung der Kinder aus aber auch der Eltern der Lehrer und sons-tiger zentraler Bezugspersonen Wird die Krankheit und deren Umgang akzeptiert Wie koumlnnen Psychotherapeuten helfen Auch hier schlummert ein Forschungspo-tenzial fuumlr In-Albon bdquoVieles ist im Aufbauldquo sagt sie beschwichtigend Und doch laumlsst sie im Gespraumlch mit NeuLand durchblicken dass sie auch auf diesem Gebiet noch inten-siver forschen moumlchte

Neben der Forschung ist die Hochschul-ambulanz auch in die Lehre im Rahmen des Masterstudiengangs Klinische Psychologie eingebunden So werden die Studierenden beispielsweise in die Diagnostik einbezogen und koumlnnen unter Supervision in Patienten-gespraumlchen Praxiserfahrung sammeln (kap)

In der neuen Universitaumltsambulanz fuumlr Kinder und Jugendliche wird die ganze Palette der psychischen Stoumlrungen behandelt

21NeuLand 2014 03

Wenn man sich seine Dozenten auszligerhalb der Universitaumlt vorstellt dann ist es wohl in einem Sessel vor einem uumlberfuumlllten Buumlcher-regal mit einem wissenschaftlichen Buch in der Hand vielleicht noch mit einem Hund zu den Fuumlszligen Wenige Studenten glauben dass ihre Dozenten moumlglicherweise eine spannendere Freizeitgestaltung haben als sie selbst

Bei Walter H Schreiber ist das aber so Seit dem Sommer 2013 ist er 3D-Bogenschuumltze 3D-Bogenschieszligen bedeutet nicht dass man mit einer 3D-Brille und einem virtu-ellen Bogen bewaffnet auf herannahende Tiere oder Aliens schieszligt Eigentlich ist das 3D-Bogenschieszligen vielmehr die Wieder-entdeckung des sportlichen Jagens mit Pfeil und Bogen ohne einem Tier Schaden zuzufuumlgen Es erinnert an eine Art Golf Der Schlaumlger wird zum Bogen der Ball zum Pfeil und statt eines Abschlags hat man einen Abschuss-Punkt Das Ziel ist aber kein Loch sondern zum Beispiel ein Fasan oder eine Riesenspinne welche von Vereinsmitglie-dern angefertigt und im Parcours platziert wurde

Schreiber ist seit Dezember Mitglied beim Verein Palatina Bogenschuumltzen eV in Ins-heim suumldlich von Landau Davor absolvierte er bereits einen Pfeil und Bogen-Intensiv-kurs in der Eifel bdquoDamit sich nicht bereits am Anfang grobe Fehler einschleichenldquo bekraumlf-tigt Schreiber Sein Sohn sei auch Bogen-schuumltze habe aber unabhaumlngig von ihm zur selben Zeit angefangen Auf die Frage wa-rum er nicht das klassische von Olympia be-kannte Bogenschieszligen ausuumlbe antwortet Schreiber bdquoDa gibt es zu viele Regelnldquo Au-szligerdem sei er ein intuitiver Schuumltze welcher ndash im Gegensatz zum strategischen Schuumltzen ndash sich voll und ganz auf seine Erfahrung und sein Bauchgefuumlhl verlasse Zwar ist Schrei-ber schon seit einem Jahr leidenschaftlicher Bogenschuumltze trotzdem gilt er im Verein

Entspannung vom AlltagWaumlhrend die Studierenden fast immer wissen ob ein Dozent freundlich oder streng ist

koumlnnen sich nur wenige vorstellen was diese mit ihrer Freizeit anfangen NeuLand war

einen Abend mit Dr Walter H Schreiber unterwegs Sein Hobby das 3D-Bogenschieszligen

noch als Anfaumlnger bdquoDeswegen behalte ich meine Ergebnisse bei Wettkaumlmpfen lieber fuumlr michldquo bemerkt er schmunzelnd

Sicherheit sei sehr wichtig betont Schrei-ber So muss sich jeder Schuumltze vorab in einem Schieszligbuch eintragen um zu sehen wie viele Leute auf dem Parcours unter-wegs sind Aus gutem Grund Auf dem 500 Meter langen und mit 28 Zielen bestuumlckten Parcours kann man leicht den Uumlberblick verlieren Zwei bis drei Stunden dauert die Durchquerung des Kurses Manchmal machen es abgeknickte Aumlste und ein rut-schiger Untergrund gar nicht so einfach die Ziele zu treffen Trotzdem wuumlrden die meisten Unfaumllle nicht beim Schieszligen selbst passieren sondern beim Herausziehen der Pfeile aus den Koumlrpern der Ziele meint Schreiber Ein Vereinskollege ergaumlnzt bdquoWich-

tig ist uns dass wir das 3D-Bogenschieszligen nicht als Vorstufe zur Jagd mit Pfeil und Bogen sehen Es ist vielmehr ein Sport bei dem man sich deutschlandweit mit anderen Schuumltzen messen kannldquo Im Gegensatz zum klassischen Bogenschieszligen schieszlige man nicht auf langweilige Zielscheiben sondern durchlaufe einen interessanten Parcours

Fuumlr Schreiber ist das Bogenschieszligen Ent-spannungskur vom alltaumlglichen Uni-Stress bdquoNach der Arbeit auf den Parcours zu gehen befreit meinen Kopfldquo Verstaumlndlich denn das leise Zischen des Pfeiles und die Ruhe im gruumlnen naturbelassenen Gelaumlnde hat etwas Erholendes Auszligerdem hat Schreiber beim Verein Palatina Freunde gefunden mit denen er an fast jedem Donnerstag und Sonntag durch den Parcours streift ndash auf der Jagd nach kuumlnstlichen Tieren (dan)

Hobby 3D-Bogenschieszligen

Beim 3D-Bogenschieszligen findet Walter H Schreiber Entspannung vom alltaumlglichen Uni-Stress

22 NeuLand 2014 03

Summer School

In der Reihe bdquoE-Mail aus hellipldquo berichtet Sozialwissenschafts-Student Daniel Schumacher

von der Summer School aus dem polnischen Wroclaw

Liebes NeuLandCześćaus Wroclaw Manchmal reicht ein

akademischer Kurz-Urlaub um ein Land und die

Leute lieben zu lernen

Zum Ende meiner akademischen Laufbahn wollte

ich das Studentendasein noch einmal voll und

ganz genieszligen und habe mich entschlossen eine

Summer School zu besuchen Fast jeder unserer

Fachbereiche bietet so etwas an Fuumlr mich ging die

Reise unter der Leitung von Professor Dr Siegmar

Schmidt (Politikwissenschaften) nach Wroclaw Polen

Erasmus-finanziert begann meine Hinfahrt in einem

Fernbus von Karlsruhe direkt nach Breslau so der alte

deutsche Name fuumlr Wroclaw

Hier angekommen bezogen wir ndash meine Wenigkeit

mit sieben anderen Deutschen ndash unsere Zimmer in

einem Studentenwohnheim oder wie ich es nenne

bdquoPlattenromantik-Hotelldquo Von auszligen neu gestrichen

verspruumlhte das Haus von innen den gesamten

Ostblock-Charme der Kalten-Krieg-Aumlra Das war

fuumlr mich aber auch das einzig Negative waumlhrend

meiner zweiwoumlchigen Summer School Bereits

am ersten Tag lernten wir beim bdquoget-togetherldquo

die anderen Teilnehmer kennen 70 Studenten

aus uumlber acht Laumlndern wollten mehr uumlber die

europaumlische Finanzkrise lernen und ndash wie ich ndash neue

Freundschaften knuumlpfen

Ab dem zweiten Tag war unser neues Zuhause ein

Houmlrsaal beim Institut fuumlr Politikwissenschaft Dort

E-Mail aus hellip Wroclaw

lernten wir wie verschiedene europaumlische Staaten mit

der Finanzkrise zu kaumlmpfen hatten und stellten jeweils

unsere Laumlnder selbst vor

Nach der ersten Woche wurden wir in verschiedene

Gruppen aufgeteilt um uumlber Innovation im

oumlffentlichen und privaten Sektor zu forschen

Forschen bedeutete dabei dass wir polnische

Buumlrger interviewten die entweder im privaten oder

oumlffentlichen Bereich taumltig sind Mein bdquoResearch-Haufenldquo

war bunt gemischt ndash von Belgiern uumlber Rumaumlnen

bis hin zu Ukrainern Ohne Verstaumlndigungsprobleme

meisterten wir unseren Arbeitsauftrag was am letzten

Tag feucht-froumlhlich mit allen gefeiert wurde

Am Ende moumlchte ich noch eine Lanze fuumlr die Stadt

Wroclaw und das Land Polen brechen Wir wurden

sehr herzlich aufgenommen Die Stadt mit ihrer

(deutschen) Geschichte war atemberaubend Nicht

nur die alten Gebaumlude haben es mir angetan sondern

die Atmosphaumlre rund um den historischen Stadtkern

Ich habe in diesen zwei Wochen sehr viele Menschen

kennen gelernt einige wuumlrde ich nun als enge Freunde

bezeichnen Das erste Wiedersehen mit Studenten aus

Belgien und Tschechien ist bereits geplant

Bis bald im guten alten Landau

euerDaniel Schumacher

23NeuLand 2014 03

Hochschulgruppe

Eigentlich kommt Cornelia Spengler aus einem ganz anderen Fachgebiet Nach ih-rem Biologiestudium am Karlsruher Insti-tut fuumlr Technologie promoviert sie derzeit in Landau im Fachbereich Natur- und Um-weltwissenschaften Aber auch an sozialer Arbeit hatte sie schon immer Interesse Sie wollte sich nicht nur mit der Wissenschaft beschaumlftigen sondern mit Menschen zu-sammenarbeiten So entdeckte sie fuumlr sich ein sensibles Thema die Integration und Bildungsgerechtigkeit

Cornelia Spengler wollte nicht nur reden sondern handeln In der SchuumllerNavi-Grup-pe in Aachen fand sie ein Vorbild nach dem sie am Campus Landau gemeinsam mit Stu-dentin Sylvia Klaus eine Hochschulgruppe aufbaute Ziel sollte es sein Schuumller zu foumlr-dern die durch ihre mangelnden Deutsch-kenntnisse in der Schule Probleme haben und deren Eltern das Geld fuumlr Nachhilfe nicht aufbringen koumlnnen bdquoWenn die Eltern zu Hause kaum Deutsch sprechen haben die Kinder dort auch wenig Unterstuumltzung fuumlr die Schule Diktate zu uumlben ist dann schlichtweg nicht moumlglichldquo erklaumlrt Speng-ler

SchuumllerNavi bietet neben Hausaufgaben-betreuung und Nachhilfeunterricht auch kulturellen Austausch Mittlerweile betei-ligen sich in der Hochschulgruppe uumlber 20 Studenten die den Schuumllern in schulischen

Aktive Arbeit statt bloszlige TheorieUumlber Integration zu reden bringt nicht viel Sie muss gelebt werden Darum gruumlndete die

Landauer Doktorandin Cornelia Spengler mit Studentin Sylvia Klaus die Hochschulgruppe

SchuumllerNavi die immer mehr Mitglieder zaumlhlt Wie man Integration foumlrdern kann und was

den Ehrenamtlichen ihre Arbeit bringt daruumlber sprach sie mit NeuLand

Belangen zur Seite stehen ihnen das Uni-Leben zeigen und ihnen zuhoumlren wenn sie Probleme haben

Spengler selbst betreut zwei Bruumlder mit tamilischen Wurzeln Um Beruumlhrungspunk-te zu schaffen die fuumlr den Aufbau eines Ver-trauensverhaumlltnisses wichtig sind hat sie mit den Jungs auf dem Campus beispiels-weise gemeinsam mikroskopiert Einer der beiden Bruumlder war stark versetzungsgefaumlhr-det und hat es nun in die naumlchste Klasse geschafft Ein Stuumlck weit schreibt sie diesen Erfolg SchuumllerNavi zu

bdquoSchwierig ist es zu unterscheiden welche Kinder wirklich der Foumlrderung beduumlrfenldquo so Spengler In Konkurrenz mit Nachhilfe-Firmen will die Gruppe nicht treten Ziel-gruppe sind Kinder die in der Schule haumlufig nicht ausreichend gefoumlrdert werden und deren Eltern sich keine professionelle Nach-hilfe leisten koumlnnen Daher hat SchuumllerNavi Kooperationen mit sozialen Institutionen Landaus die ihnen die Kontakte weiterver-mitteln bdquoDer Bedarf ist riesig Wir koumlnnen ihn gar nicht deckenldquo berichtet Spengler Daher ist die Hochschulgruppe auch staumln-dig dabei neue Mitglieder zu werben

Fuumlr die Zukunft plant die Hochschul-gruppe eine weitere Kooperation mit ELKE (Eltern Kompetenzen erlernen) um die El-tern weiterzuschulen beispielsweise mit Sprachkursen Dadurch sollen diese ihren

Kindern besser bei schulischen Aufgaben selbst helfen koumlnnen

Neben dem Gefuumlhl etwas Gutes zu tun sieht Spengler aber auch andere Vorteile fuumlr das Ehrenamt Gerade Lehramtsstu-denten koumlnnen sich hier ausprobieren und paumldagogische Konzepte umsetzen die sie aus der Theorie kennen Jeder koumlnne viel lernen erklaumlrt sie Man uumlbe hier nicht nur den Umgang mit Kindern und Jugendli-chen sondern lerne auch viel uumlber fremde Kulturen Sie selbst habe von ihren zwei Nachhilfeschuumllern bereits viel uumlber Feierta-ge und Sitten ihrer Kultur aber auch einzel-ne Vokabeln ihrer Sprache gelernt Und die Schuumller seien sehr interessiert an deutschen Gebraumluchen und Eigenarten

Fuumlr das ehrenamtliche Engagement hat SchuumllerNavi bereits Preise bekommen Bei der Initiative fuumlr Integration von bigFM be-legten sie den dritten Platz Das Preisgeld investierte die Gruppe unter anderem um mit ihren Schuumllern die Zooschule zu besu-chen In diesem Jahr erhaumllt SchuumllerNavi zu-dem den Campus-Kulturpreis des Campus Landau

bdquoMan redet immer uumlber Integration Von Menschen mit Migrationshintergrund wird erwartet sich hier zu integrieren Aber das liegt ja auch an uns Man muss sie auf die-sem Weg unterstuumltzenldquo erklaumlrt Doktorandin Spengler (rst)

Termine ImpressumHerausgeberReferat fuumlr Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit der Universitaumlt Koblenz-Landau Campus Landau Fortstraszlige 7 76829 Landau

RedaktionsteamKerstin Theilmann (ket) (verantw) Berend Barkela (bb) Wilfried Dorsch (wdo) Sebastian Kapp (kap) Daniel Schumacher (dan) Rosa Stecher (rst)

LayoutMedienzentrum Campus Landau Berend Barkela

FotosTitel Imago Fotoarena S 2 S 3 privat S 5 Imago Xinhua S 7 oben kanvag - Fotoliacom S 7 unten Medienzentrum Hiller S 9 Imago ITAR-TASS S 10 Imago Steinach S 11 Imago DeFodi S 13 Imago PPfotodesign S 15 JiSign - Fotoliacom S 17 Medienzentrum Hiller S 19 Medienzentrum Barkela S 20 Medienzentrum Hiller S 21 und 22 Daniel Schumacher

KontaktKerstin TheilmannTel 06341 280-32219 E-Mail theiluni-koblenz-landaude

Aus Gruumlnden der besseren Lesbarkeit verwenden wir in unseren Artikeln die maumlnnliche Form Damit sind stets Frauen und Maumlnner gemeint

Die Redaktion behaumllt sich die Kuumlrzung und Uumlberarbeitung von Texten vor Die Meinung einzelner AutorinnenAutoren gibt nicht immer die Meinung der Redaktion wieder

28101014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Florian Ostertag Atrium Infos unter wwwasta-landaude

05112014 ab 2130 Uhr Atriumsfete Infos unter wwwasta-landaude

06112014 20 Uhr Poetry Slam Landau Universum Kinocenter Infos unter wwwzkwuni-landaude

19112014 1930 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Friedensprojekt Europa in der Krise Mit Bundesministerin aD Heidemarie Wieczorek-Zeul und weiteren Gaumlsten Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

19112014 21 Uhr Konzert bdquoBeats und Pianoldquo Audimax Infos unter wwwasta-landaude

1122014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Unland Atrium Infos unter wwwasta-landaude

03122014 19 Uhr Hambacher Gespraumlch Meine Daten gehoumlren den Unternehmen Hambacher Schloss Infos unter wwwfliuni-landaude

05122014 1930 Uhr Reihe bdquoGroszlige Begegnungenldquo mit Sternekoch Alfons Schubeck Jugendstil-Festhalle Landau Infos unter wwwzkwuni-landaude

08122014 1900 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Frieden durch Demokratie Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

Ausblick 13 - 15012015 Poetik-Dozentur mit Rafik Schami Infos unter wwwzkwuni-landaude

Weitere Termine unter wwwuni-koblenz-landaudeaktuell wwwuni-koblenz-landaudeblog

Page 13: Neuland Ausgabe 3/2014

13NeuLand 2014 03

sie zum Protest motiviert werden bdquoManche sind vielleicht rationaler und brauchen ein erreichbares Ziel andere moumlchten moumlgli-cherweise eher Teil einer Gruppe sein zu der ihr soziales Umfeld gehoumlrt Wieder an-dere sind besonders sensibel in Bezug auf Gerechtigkeit und Ungerechtigkeitldquo Man koumlnne diese oben angesprochenen drei Motivationen daher auch als Dimension fuumlr Persoumlnlichkeitseigenschaften verstehen die Menschen unterschiedlich stark moti-vieren koumlnnten

Der Wutbuumlrger von Stuttgart 21

Rothmund hat in diesem Jahr zusam-men mit den beiden Landauer Psycholo-gen Anna Baumert und Axel Zinkernagel einen wissenschaftlichen Artikel zu den durch Stuttgart 21 bekannt gewordenen bdquoWutbuumlrgernldquo publiziert bdquoWas wir bei Stutt-gart 21 untersucht haben betrifft vor allem die Dimension der Gerechtigkeitldquo erlaumlutert Rothmund Ausgehend von der generellen Annahme die bdquoWutbuumlrgerldquo seien eine kon-servative Personengruppe die in Stuttgart wohne sich vor allem um eigenen Besitz und egoistische Annehmlichkeiten sorge haben die drei Forscher bei einer Befragung Persoumlnlichkeitsmerkmale von Protestieren-den erfasst Dabei wollten sie die Persoumln-lichkeitsstruktur der Protestierenden besser verstehen Im Besonderen ging es ihnen um

die Frage inwiefern opfersensible Personen (also Menschen die sich selbst besonders leicht benachteiligt fuumlhlen) oder beobach-tersensible Personen (also Menschen die eher sensibel fuumlr die Benachteiligung ande-rer sind) eher protestierten Sie befragten zirka 1000 Buumlrger darunter Befuumlrworter Gegner und Unentschlossene von Stuttgart 21 Das Resultat bdquoLeute die opfersensibel sind haben gar nicht haumlufiger protestiert Das war interessanterweise genau umge-kehrt Es haben also eher Leute protestiert die sensibel dafuumlr sind dass andere benach-teiligt werdenldquo bemerkt Rothmund Das sei ein interessanter Befund da das eher darauf hindeuten wuumlrde dass Leute nicht nur ei-gennuumltzig fuumlr sich selbst engagiert sondern tatsaumlchlich fuumlr Mitbestimmung oder Ge-rechtigkeit in den Entscheidungsprozessen protestiert haumltten bdquoUnsere Ergebnisse ha-ben gezeigt dass die Leute die dort protes-tiert haben sich gegen ein intransparentes ungerechtes Verhalten der Autoritaumlten ge-wehrt haben und nicht gegen ihre eigene persoumlnliche Benachteiligungldquo verdeutlicht Rothmund

Auf die Frage ob zur Zeit eine Renaissance der Protestkultur vonstatten gehen wuumlrde stellt der Junior-Professor fest bdquoDas wird man erst spaumlter sagen koumlnnenldquo Eines wuumlr-de aber feststehen Durch das Internet sei die Organisation von Protesten sowie der Austausch von Informationen einfacher Da-durch wuumlrden Menschen viel schneller mo-bilisiert werden koumlnnen meint Rothmund(dan)

Wutbuumlrger

2010 kam zum ersten Mal das Schlagwort bdquoWutbuumlrgerldquoauf Gepraumlgt vom Spiegel-Journalisten Dirk Kurbjuweit beschreibt der Begriff eine vor-nehmlich aumlltere gebildetere und wohlhabende Personengruppe die sich mit Wut und Empoumlrung gegen politische Entscheidungstraumlger auflehnt

Demonstration auf dem Stuttgarter Schlossplatz am 18 Februar 2012

Literatur

Rothmund T Baumert A amp Zinkernagel A (2014) The German bdquoWutbuumlrgerldquo - How Justice Sensitivity Accounts for Individual Differences in Political Enga-gement Social Justice Research 27(1) 24-44

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Weiterbildung ist zentrales Thema fuumlr Claudia Ehrhardt Bei der Geschaumlftsfuumlhrerin der Arbeitsstelle der Weiterbildung der Wei-terbildenden (AWW) mit Sitz am Campus Landau laufen seit uumlber 14 Jahren die Faumlden der im Verein angeschlossenen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungseinrichtungen zusammen Fuumlr die Diplom-Paumldagogin sind die PIAAC-Ergeb-nisse ein eindeutiger Indikator dass bei der Grundbildung Erwachsener Handlungsbe-darf besteht Dass diese ndash ganz anders als die PISA-Ergebnisse ndash medial kaum aufgegriffen oder diskutiert wurden bilde den Stellen-wert der Weiterbildung in der Gesellschaft ab Dabei sind die dort getesteten Groumlszligen fuumlr ein erfolgreiches Arbeitsleben die Teilha-be an der heutigen Gesellschaft und die Pro-duktivitaumlt von Betrieben und Unternehmen bedeutsam

PIAAC (Programme for the International Assessment of Adult Competencies) ist die erste internationale Vergleichsstudie die zentrale Grundkompetenzen in der erwach-senen Bevoumllkerung beleuchtet Von Herbst 2011 bis Fruumlhjahr 2012 hat die Organisation fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Deutschland und uumlber 20 weiteren Laumlndern bei Erwachsenen im erwerbsfaumlhigen Alter von 16 bis 65 Jahren Lese- und alltagsmathematische Kompe-tenzen sowie technologiebasierte Problem-loumlsekompetenzen gemessen Das Ergebnis Deutschland liegt leicht unter dem OECD-Durchschnitt Allerdings schneiden juumlngere Erwachsene besser ab als aumlltere Vermutlich eine positive Folge der Bildungsanstrengun-gen nach PISA

PIAAC habe gezeigt dass auch im Erwach-senenalter gilt was fuumlr Schulkinder bittere Realitaumlt ist Das Bildungsniveau ist abhaumlngig von der Herkunftsfamilie bdquoWer uumlber keine gute Grundbildung verfuumlgt wird auch keine Weiterbildung machenldquo so Ehrhardt Und wer sich nicht weiterbildet faumlllt in der Ar-beitswelt zuruumlck Daher sei es erfreulich dass seit einigen Jahren verstaumlrkt in Projektfinan-zierungen im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung investiert werde so Ehrhardt

Moumlgliche Ruumlckschluumlsse aus den PIACC-Ergebnissen auf die Weiterbildung diskutier-ten Experten auf einer von Claudia Ehrhardt organisierten Fachtagung im Fruumlhjahr Der Tenor Die Professionalisierung der in der Weiterbildung taumltigen Paumldagogen Dozenten oder Trainer muss darauf setzen fuumlr die Ar-beit mit Bildungsverlierern entsprechend zu sensibilisieren ndash mit dem Ziel diesem abge-haumlngten Bereich eine Perspektive zu bieten Dieser Professionalisierungsaufgabe wird sich die AWW auch in Zukunft widmen

Weiterbildung ohne Raum und Zeit

Fuumlr die Arbeit des Zentrums fuumlr Fernstudi-en und Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) sieht Geschaumlftsfuumlhrer Dr Burkhard Lehmann aufgrund der PIACC-Ergebnisse keine unmit-telbaren Implikationen Denn die Teilnehmer der diversen Studiengang- und Kursangebo-te des ZFUW seien in der Regel die ohnehin bildungsaffinen Menschen die gewohnt sei-en sich zu qualifizieren Auf die Gruppe die

in PIAAC schlecht abgeschnitten habe seien die ZFUW-Bildungsangebote gar nicht zuge-schnitten

Das ZFUW hat als aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz seit uumlber 20 Jahren Erfahrung in der wissen-schaftlichen Weiterbildung bdquoWir haben uns mit dem Fernstudium und der Fernlehre fuumlr ein spezifisches Bildungsformat ent-schiedenldquo so Lehmann Denn dieses Format werde den Beduumlrfnissen der Bildungsinte-

Um die Kompetenzen Erwachsener beispielsweise im Lesen scheint es in Deutschland

nicht gut bestellt Das zumindest ist das Ergebnis der PIAAC-Studie Haben die Ergebnisse

Auswirkungen auf die Erwachsenenbildung NeuLand hat sich bei der Arbeitsstelle der

Weiterbildung der Weiterbildenden (AWW) und dem Zentrum fuumlr Fernstudien und

Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) erkundigt

Das ZFUW

Das Zentrum fuumlr Fernstudien und Universitaumlre Wei-terbildung (ZFUW) ist eine zentrale Einrichtung der Universitaumlt Koblenz-Landau Mit mehr als 21 Jahren Erfahrung ist das ZFUW die aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz Das ZFUW ist auf das Angebot postgradualer Fernstudien-gaumlnge spezialisiert veranstaltet daneben aber auch Weiterbildungen im Praumlsenzformat (z B Seminare)wwwuni-koblenz-landaudezfuw

Gute Grundbildung bedingt Weiterbildung

PIAAC-Studie

ressierten ohne Bindung an Raum und Zeit am meisten gerecht In Ballungsraumlumen wie Hamburg Muumlnchen oder Berlin wo sich die Kunden aus dem lokalen Umfeld akquirie-ren lassen funktionieren auch Praumlsenzan-gebote weiszlig Lehmann bdquoBefindet sich eine Einrichtung allerdings in einer Randlage operiert man besser auf der Ebene der Fern-lehre bei der die Organisation zum Teilneh-mer kommt und nicht der Teilnehmer zur Organisationldquo

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Nutzen und Folgen des Internets

Das Schnuumlren zeitgemaumlszliger Themen und Inhalte ist zentral um das ZFUW wettbe-werbsfaumlhig zu halten Derzeit unterhaumllt es die Programmbereiche Umwelt Energie und Management Expertise holt sich das ZFUW vorrangig aus den eigenen Reihen der Ko-

gogikldquo Damit sollen Lehrerinnen und Leh-rer fit gemacht werden fuumlr den schulischen Alltag in Zeiten der Inklusion bdquoDie Laumlnder stellen zwar den Finanzbedarf fuumlr Inklusion in der Schule allerdings fehlt eine profun-de Qualifizierung der Lehrkraumlfteldquo erklaumlrt Lehmann den Ansatz des neuen Weiterbil-dungsprogramms Mit einem Kooperati-onspartner bereitet das ZFUW ein weiteres Programm vor bdquoBusiness Communications and Rhetoricldquo

Weiterbildung heute so wichtig wie noch nie

Fuumlr das berufliche Weiterkommen ist Wei-terbildung heute so zentral wie noch nie bdquoDie Halbwertszeit des Wissens wird immer kuumlrzerldquo bekraumlftigt Claudia Ehrhardt Die PIAAC-Studie habe daher auch gezeigt wie wichtig Kompetenzaufbau -erhalt und -er-weiterung in der Berufswelt seien Die zahl-reichen Innovationswellen im beruflichen Kontext gerade im EDV- oder Produktions-kontext lassen den Bedarf an Weiterbildung kontinuierlich steigen versichert Burkhard Lehmann Warum Menschen letztendlich sich fuumlr eine Weiterbildung entscheiden da-fuumlr gebe es drei zentrale Gruumlnde Lehmann unterscheidet zwischen Selbstperfektionie-rern Tool-Suchern und Karriere- oder Ab-schlussorientierten Der ersten Gruppe liegt daran die eigene Persoumlnlichkeit weiterzu-entwickeln und sich fuumlr private Interessen mehr Wissen anzueignen Die Tool-Sucher erweitern gezielt ihre Kompetenzen um

Die AWW

Die Arbeitsstelle fuumlr die Weiterbildung der Weiterbil-denden (AWW) foumlrdert die Zusammenarbeit zwischen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungsorganisationen Der bundesweit einzigartige Verein ist eine wichtige Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis im Bereich der Weiterbildung Gegruumlndet wurde die AWW 1998 auf Initiative des Ministeriums fuumlr Bildung Wissenschaft Weiterbil-dung und Kultur Die AWW hat ihren Sitz in Landau und ist der Universitaumlt Koblenz-Landau angegliedert Unter dem Motto bdquoBesser lehren lernenldquo organisiert die AWW Workshops und Fachtagungen fuumlr Personen die in der Weiterbildung taumltig sind wwwaww-landaude

blenzer und Landauer Wissenschaftler bdquoWir arbeiten aber auch konsortialldquo so Lehmann bdquound halten somit ein bestimmtes Know-how vor das an den Standorten unserer Uni-versitaumlt nicht verfuumlgbar istldquo Selbst wenn die Flexibilitaumlt bestehe auch nicht einschlaumlgige Themen zu vertreten entwickele das ZFUW vornehmlich Angebote im Kernbereich der Universitaumlt Koblenz-Landau

Derzeit arbeiten Lehmann und sein Team an dem neuen Programm bdquoInklusionspaumlda-

berufliche Herausforderungen meistern zu koumlnnen Vertreter der dritten Gruppe tum-meln sich vorwiegend im akademischen Feld Da man fuumlr die Ausuumlbung bestimmter Funktionen im beruflichen Aufstieg meist Bescheinigungen uumlber entsprechendes Wissen oder Kompetenzen benoumltigt ori-entiert sich deren Weiterbildungsbedarf an Abschluumlssen

Entsprechend unterscheidet Lehmann auch zwischen drei Weiterbildungsberei-chen die klassische die betriebliche und die wissenschaftliche Weiterbildung Die klassische Weiterbildung wird beispiels-weise von Volkshochschulen betrieben und richtet sich an ein breites Publikum Im betrieblichen Kontext sollen Arbeitnehmer ihre Kompetenzen erweitern und ihr Wissen erhoumlhen beispielsweise wenn Vertriebs-mitarbeiter im Umgang mit einem neuen Produkt geschult werden muumlssen oder eine neue Software im Unternehmen eingefuumlhrt wird Die wissenschaftliche Weiterbildung ermoumlglicht akademisch vorqualifiziertem Personal sich auf neue Aufgaben etwa als Fuumlhrungskraft vorzubereiten

Die Zeiten in denen Lernen mit dem Verlassen der Schule dem Abschluss der Ausbildung oder dem Universitaumltsexamen beendet war sind definitiv vorbei Wer im Berufsleben bestehen will wird um regel-maumlszligige Weiterqualifizierung nicht umhin kommen PIACC soll in einem Rhythmus von zehn Jahren wiederholt werden um ein Laumlngsschnitt-Bild der Entwicklung zu er-halten Man darf gespannt sein wohin sich die Kompetenzen deutscher Erwerbstaumltiger entwickeln (ket)

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Sprachbedrohung und Sprachentod

Sprachbedrohung und Sprachentod sind ein weltweites Phaumlnomen Linguisten ge-hen davon aus dass etwa alle zwei Wochen eine Sprache stirbt In 100 Jahren so schaumlt-zen Sprachforscher werden im besten Fall noch die Haumllfte dieser Sprachen existieren vielleicht aber auch nur noch zehn Prozent von ihnen Waumlhrend die 20 groumlszligten der zir-ka 6800 lebenden Sprachen von der Haumllfte der Weltbevoumllkerung gesprochen werden weisen die meisten Sprachen eine Gemein-schaft von nur wenigen hundert oder tau-send Sprechern auf Von bevorstehendem Sprachentod spricht man wenn eine Spra-che aufhoumlrt Muttersprache oder Erstspra-che zu sein ndash also dann wenn sie nur noch sekundaumlr erlernt wird und damit die noumltige Sprachpflege verliert Der endguumlltige Tod tritt ein wenn es keine Sprecher mehr gibt

Sprachbedrohung und Sprachentod fin-den auf allen Kontinenten statt und neh-men ein immer schnelleres Tempo auf je weiter die Globalisierung voranschreitet Viele andere Faktoren wie unter anderem starke Migrationsbewegungen Zuwande-rung und Urbanisierung sowie ein hohes Alter der Sprecher oder die geringe wirt-schaftliche Staumlrke einer Sprache wirken zudem auf den Sprachbestand ein Stark gefaumlhrdete Sprachen sind vor allem in den Regionen Nord- und Suumldamerika Austra-lien Asien Westafrika und in Nord- und Ostsibirien vorzufinden In diesen Regio-nen kommt es zur massiven Verletzung von Sprachenrechten

Anglistik-Professor Dr Martin Puumltz ist Linguist und beschaumlftigt sich mit Sprache und ihren vielfaumlltigen sozialen kulturel-len und psychologischen Auspraumlgungen Zusammen mit seiner Kollegin Dr Monika Reif hat er im Fruumlhjahr 2014 das 36 Interna-tionale LAUD Symposium organisiert das sich rund um das Thema Sprachbedrohung und Sprachentod drehte (siehe Infokasten) Puumltz erklaumlrt Sprache sei relevant da sie ein einzigartiger Schatz an Wissen Ideen und Weltansichten sei bdquoMit den fast 7000

Bevor sie verstummen hellipWeltweit existieren etwa 6800 Sprachen doch die Vielfalt nimmt rasant ab Was

bedeutet es wenn Sprachen sterben Was bleibt von einer Kultur uumlbrig wenn ihre Art

die Welt zu beschreiben wegfaumlllt und die Urahnen verstummen

Sprachen auf unserer Welt gibt es auch fast 7000 Arten die Welt auf unterschiedliche Art wahrzunehmen und sie zu beschreibenldquo erlaumlutert der Linguist Beispielsweise haben einige Sprachen der Ureinwohner Amerikas ein komplett anderes Zeitsystem Dinge in der Zukunft oder Vergangenheit auszudruuml-cken gehe in diesen Sprachen nicht mit den uns bekannten grammatikalischen Moumlg-lichkeiten

Sprache ist also nicht nur ein Mittel der Kommunikation sondern bietet einen tiefen Einblick in die Einstellungen und Wahrnehmungen gegenuumlber der Welt kon-serviert Traditionen und Geschichte einer Kultur und gibt einzigartiges Wissen an die naumlchste Generation weiter beispielsweise uumlber Heilmittel und Pflanzen aber auch Ge-fuumlhle Spiritualitaumlt und soziale Einsichten Es gibt so etwas wie eine kulturelle Identitaumlt und die wird maszliggeblich von Sprache ge-praumlgt Warum aber verschwinden so viele Sprachen von der Bildflaumlche Natuumlrlich gibt es viele aumluszligere Umstaumlnde warum Sprachen ihre Sprecher verlieren Gerade in der Kolo-nialzeit haben die Besatzer eine Vielzahl an Sprachen marginalisiert und unterdruumlckt teilweise wurden ganze Voumllker durch Krieg vernichtet z B durch die Kolonialisierung und Besiedlung Nord- und Suumldamerikas die Ausrottung indigener Voumllker in Australi-en oder durch die im 17 Jahrhundert einset-zende Russifizierungspolitik in Osteuropa im Kaukasus und in Sibirien Auch Natur-katastrophen wie Erdbeben oder Vulkan-ausbruumlche koumlnnen stark regional gepraumlgte Sprachen toumlten

Auch wenn Sprachwissenschaftler versu-chen bedrohte Sprachen durch Aufzeich-nung Uumlbersetzung sowie die Bewahrung und Verbreitung von Sprachaufzeichnun-gen zu dokumentieren erwecken sie diese dadurch nicht mehr zum Leben Mit No-tizbloumlcken und Aufnahmegeraumlten kann man zwar einen Teil des Wortschatzes der Grammatik und Aussprache festhalten in geringerem Maszlige jedoch Redewendungen

Gebraumluche und Beschreibungsmodelle fuumlr die Welt einfangen Nur wer eine Sprache muttersprachlich spricht kann ihre zahlrei-chen Facetten begreifen Sprachrevitalisie-rung gelingt nur in den seltensten Faumlllen Gegluumlckt ist dies beispielsweise beim mo-dernen Hebraumlisch Iwrith genannt das er-folgreich wiederbelebt und zur offiziellen Amtssprache Israels erhoben wurde Zu-meist ist der Sprachtod aber unwiderruflich

In aktuellen Faumlllen der Sprachbedrohung liege das Problem haumlufig nicht an der Um-welt sondern an anderer Stelle erklaumlrt Puumltz Wer einer Minderheitensprache maumlchtig ist hat oftmals das Gefuumlhl damit auf dem Bildungsweg oder im Berufsleben schlech-tere Chancen zu haben Eltern bestehen daher oft darauf dass ihre Kinder die indi-gene Sprache vernachlaumlssigen und statt-dessen eine dominante und wirtschaftlich starke Sprache wie Englisch Spanisch oder Franzoumlsisch zuerst erlernen bdquoSie geben da-mit eine verstaumlrkt negative Einstellung zur Muttersprache an die naumlchste Generation weiterldquo verdeutlicht Puumltz die Problemlage Der Globalisierungseffekt ist somit nicht zu unterschaumltzen denn waumlhrend z B das Eng-lische immer dominanter wird nimmt die Geringschaumltzung und damit einhergehende Vernachlaumlssigung indigener Sprachen wei-ter zu Um den Sprachentod aufzuhalten benoumltigt es also weniger Dokumentation als vielmehr eine grundlegende Aumlnderung der Einstellung zu Minderheitensprachen und indigenen Sprachen (rst)

Linguistic Agency University of DuisburgTrierLandau (LAUD)

Seit 1973 finden unter diesem Namen alle zwei Jahre Konferenzen zum Thema Sprache statt ndash zunaumlchst in Trier und Duisburg und seit 2000 in Landau Das 36 LAUD Symposium wurde im Fruumlhjahr 2014 zum Thema bedrohte Sprachen und Sprachentod veranstaltet Uumlber 90 Teilnehmer aus 25 Laumlndern besuchten die Veranstaltung

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Kinder- und Jugendhospitzarbeit

Wie lassen sich die Arbeit und das Zu-sammenleben in Kinder- und Jugendhos-pizen verbessern Wie werden Kinder und Jugendliche wirkungsvoll begleitet die an einer unheilbaren Krankheit leiden oder die einen Trauerfall in der Familie verar-beiten muumlssen bdquoBislang konnten sich die Einrichtungen ausschlieszliglich durch ein Qua-litaumltssiegel bewerten lassenldquo sagt Sven Jen-nessen Das bedeute harte generalisierte Bewertungsfaktoren bdquoDabei unterscheiden sich die Einrichtungen teilweise gravierendldquo So sei etwa die Nachfrage nach tuumlrkischer Sprachkompetenz in einigen Einrichtungen zwar sehr hoch ndash es gebe aber auch Einrich-tungen bei denen der Bedarf schlicht nicht erkennbar sei Hier muumlsse man individuell auf die Beduumlrfnisse der Einrichtungen der Mitarbeiter der Kinder und Jugendlichen sowie der Familien eingehen Fuumlr Jennessen ist dies nur eines von vielen Beispielen bei dem sich die Schwaumlche starrer Bewertungs-

kriterien zeigt Immerhin muumlsse gerade in diesem sensiblen Bereich der Mensch im Mittelpunkt stehen ndash und keine Checkliste

Deshalb ist der Qualitaumltsindex fuumlr Kin-der- und Jugendhospizarbeit QuinK auch bdquoandersldquo Der Fokus liegt nicht nur auf den Antworten sondern auch auf der Kom-munikation zwischen den Beteiligten also zwischen haupt- und ehrenamtlichen Mit-arbeitern mit Eltern Kindern und auch Geschwistern bdquoNachhaltige Qualitaumltsent-wicklung funktioniert nur durch Kommuni-kation aller Beteiligtenldquo so der Ansatz von Sven Jennessen Und damit sind auch die Juumlngsten gemeint bdquoWir sehen die Kinder als Experten in eigener Sache anldquo erklaumlrt Stefanie Hurth Gerade die Einbeziehung der Geschwister stelle derzeit bei vielen Einrichtungen ein Problem dar Denn die muumlssten bei einer todbringenden Krank-heit der Schwester oder des Bruders haumlufig zuruumlckstecken Nur selten bleibe das ohne

Konflikte wodurch sie im schlimmsten Fall die Moumlglichkeit versaumlumten sich von ihren Geschwistern zu verabschieden bdquoHier gibt es kein Schema F Viel wichtiger ist dass die Betroffenen sich austauschen die Themen aufgreifen und dann Loumlsungen entwickelnldquo sagt Hurth

Der QuinK soll durch seine zur Reflexion anregenden Fragen diese Kommunikati-on ermoumlglichen und eine Art Diskussions-Agenda darstellen Daher wurde QuinK in den vergangenen Monaten in drei stationauml-ren Kinder- und Jugendhospizen und zwei ambulanten Kinderhospizdiensten getes-tet Jennessen und Hurth besuchten die Einrichtungen in Unna Duumlsseldorf Syke Darmstadt und Wiesbaden regelmaumlszligig bdquoDer QuinK ist nicht am gruumlnen Tisch ent-standenldquo sagt Sven Jennessen

Das Team aus Landauer Wissenschaftlern wurde unterstuumltzt vom Deutschen Hospiz- und Palliativverband (DHPV) Mit diesem zusammen wurden zwoumllf Grundsaumltze fuumlr die Arbeit von Kinder- und Jugendhospizen verfasst Das seien komplexe Themen von der Betreuung der Kinder bis zur Oumlffentlich-keitsarbeit fuumlr die jeweils ein aus den drei Kategorien Haltung Strukturen und Prak-tiken bestehender Fragebogen entstan-den ist bdquoEinige Fragen die wir als wichtig erachtet hatten wurden in der Praxis nicht angenommen Andere wiederum haben wir ergaumlnzt Jetzt ist der QuinK fitldquo ist Stefanie Hurth stolz auf das Ergebnis Und Sven Jen-nessen ergaumlnzt bdquoDie Ruumlckmeldungen waren insgesamt sehr positivldquo

Nun soll der QuinK Verbreitung finden Fachvortraumlge auf Konferenzen Artikel in Fachzeitschriften Die Arbeit des Jennessen-Teams ist noch laumlngst nicht abgeschlossen bdquoWir haben aber gute Startvoraussetzun-gen schlieszliglich waren die Praktiker vom DHPV von Anfang an an Bordldquo so Jennes-sen (kap)

QuinK neuer QualitaumltsindexEin neuer Index soll die Betreuung in Kinder- und Jugendhospizeinrichtungen verbessern

Dieser Aufgabe haben sich Professor Dr Sven Jennessen und Stefanie Hurth vom Institut

fuumlr Sonderpaumldagogik in den letzten Monaten gewidmet Nun praumlsentieren sie das

Ergebnis ihrer Arbeit den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit kurz QuinK

Ein Jahr lang hat Stefanie Hurth den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit getestet Nun ist der bdquoQuinKldquo fertig und soll im Oktober in die Praxis gehen

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Psychologie der positiven Dinge

Nach der neuen Gallup-Studie ist die Ar-beitszufriedenheit zwar im Vergleich zum letzten Jahr gestiegen trotzdem kritisch Nur wenige Menschen fuumlhlen sich bei ihrer Arbeit wertgeschaumltzt Sie suchen stattdes-sen ihr Gluumlck in der Freizeit Hinzu kommt ein dramatischer Anstieg von psychischen Erkrankungen wie dem Burnout-Syndrom Wie kann man mit diesen Gefahren umge-hen

Eine potenzielle Loumlsung liegt im Bereich der positiven Psychologie Sie befasst sich damit unter welchen Umstaumlnden Personen Wohlbefinden Gluumlck und Zufriedenheit erleben Waumlhrend sich vor den 90er Jahren die Sozial- und Verhaltenspsychologen vor allem mit den Defiziten beschaumlftigt haben untersucht man seit 1998 psychologische Prozesse die dazu fuumlhren dass Menschen zufrieden und gluumlcklich und dadurch leis-tungsfaumlhiger sind

Ottmar L Braun ist auszligerplanmaumlszligiger Professor in der Arbeitsgruppe Sozial- und Wirtschaftspsychologie am Campus Landau und befasst sich mit positiver Psycholo-gie Zur Thematik Unzufriedenheit im Job bekraumlftigt er bdquoDie Forschung hat deutlich gezeigt dass sich Techniken der positiven Psychologie vorteilhaft auf die Arbeits- und Lebenszufriedenheit auswirkenldquo Besonders interessant sei das fuumlr Krankenkassen da sie sich mit Krankheit und Gesundheit ausei-

nandersetzen und auch als erste die Kosten von langfristigen Ausfaumlllen zum Beispiel durch Burnout tragen muumlssen Braun wei-ter bdquoDann muumlssen die sich natuumlrlich fragen Wie kommt dasldquo

Braun meint Arbeit duumlrfe nicht krank machen Arbeit muumlsse eher die Moumlglich-keit bieten dass man sich positiv entfalten koumlnne Deshalb muumlssten sich Arbeitgeber darum bemuumlhen dass die Leute mit mehr Spaszlig zur Arbeit kommen bdquoDaruumlber hinaus muumlssen Arbeitnehmer Aufgaben bekom-men um ihre Staumlrken ausleben zu koumlnnenldquo Er konkretisiert bdquoSie brauchen Aufgaben an denen sie persoumlnlich wachsen wo sie quasi aufbluumlhen koumlnnenldquo

In der positiven Psychologie sei der Begriff bdquoaufbluumlhenldquo elementar denn bdquoWenn Per-sonen etwas geleistet haben sprich Ziele erreichen dann sind sie zufriedener und haben wenig handlungsirrelevante Kogniti-onen oder Ablenkung Sie koumlnnen sich wie-der auf ihre Aufgaben konzentrieren und dadurch mehr leistenldquo begruumlndet Braun Zufriedenheit am Arbeitsplatz habe aber auch immer etwas mit der Entwicklung von Fuumlhrungskraumlften zu tun Nach Braun muumlss-ten sie darauf achten dass sie ihr Team ge-sund fuumlhren bdquoKrankenkassen wie die AOK Rheinland-PfalzSaarland bieten deshalb extra Programme dafuumlr an an denen wir als Team der Universitaumlt Koblenz-Landau

beteiligt sindldquo Eine weitere Moumlglichkeit fuumlr Arbeitgeber sieht Braun in regelmaumlszligigen Mitarbeiterbefragungen bdquoIm Rahmen von Folgeprozessen kann man dafuumlr sorgen dass zufriedenstellende Arbeitsbedingun-gen vorhanden sind und Missstaumlnde abge-schafft werdenldquo

Allerdings sei die Schuld nicht nur beim Arbeitgeber zu suchen Auch die Mitar-beiter sollten darauf achten ob sie an der richtigen Stelle im Unternehmen eingesetzt oder ob sie vielleicht irgendwo anders bes-ser aufgehoben seien Braun stellt klar bdquoVor der innerlichen Kuumlndigung sollte Unzufrie-denheit konstruktiv zum Ausdruck gebracht werden um dann vielleicht an einer sinn-volleren Stelle eingesetzt zu werdenldquo

Der Professor bemerkt dass die positive Psychologie allerdings nichts Neues sei bdquoIn der Arbeits- und Organisationspsychologie in der wir uns hier bewegen haben Wissen-schaftler ja schon immer das Thema Arbeits-zufriedenheit untersuchtldquo Es sei von daher ein ganz altes Forschungsgebiet welches nun durch die positive Psychologie neu be-reichert werde

Spielend zum GluumlckBraun hat an der Universitaumlt eine eige-

ne Studie zur Zufriedenheit durchgefuumlhrt

Unzufrieden im Job Positive Psychologie kann helfen

Viele kennen es Wenn Montagmorgen der Wecker klingelt faumlllt das Aufstehen oft

schwer besonders wenn man unzufrieden mit seiner Arbeit ist Aber warum ist man

unzufrieden und wie kann positive Psychologie dabei helfen die Unzufriedenheit zu

uumlberwinden NeuLand hat mit dem Professor fuumlr Wirtschaftspsychologie Dr Ottmar L

Braun uumlber die Psychologie der positiven Dinge gesprochen

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Psychologie der positiven Dinge

Dabei wurden Studierende einen Tag lang in Techniken der positiven Psychologie un-terrichtet bdquoAuszligerdem haben sie ein Gluumlcks-tagebuch bekommen bei dem sie ihre Gluumlcksmomente niederschreiben koumlnnen und einiges uumlber Smalltalk und Networking gelerntldquo Die Ergebnisse wuumlrden zeigen dass sich die Zufriedenheit der Studieren-den kurzfristig aber auch langfristig positiv veraumlndere Zudem seien ihr Optimismus und die Studienmotivation angestiegen depressive Verstimmungen gesunken Braun verdeutlicht bdquoAlles so wie man sich das wuumlnschtldquo

In seiner Forschung versucht er eine Bruuml-cke zu schlagen zwischen Techniken der positiven Psychologie und Techniken des Selbstmanagements Das wuumlrde gut pas-sen denn auch in der positiven Psychologie wuumlrden oft Tipps gegeben wie man etwas angehen solle versichert Braun Eine ganz prominente Uumlbung beim Selbstmanage-ment und in der positiven Psychologie sei die bdquoWas ist gut gelaufen-Uumlbungldquo Dabei geht es darum dass man am Abend uumlber-legen soll welche drei Dinge am Tag gut gelaufen sind und welche seiner Staumlrken es waren die dazu beigetragen haben Das sei eine Uumlbung die in der gesamten Literatur empfohlen werde Der Namensgeber der positiven Psychologie Martin Seligman habe zeigen koumlnnen dass die Anwendung

dieser Uumlbung dazu fuumlhre dass Leute nach sechs Monaten weniger depressiv seien Seligman fuumlhre das darauf zuruumlck dass das eine selbstverstaumlrkende Wirkung habe so Braun bdquoDie Leute merken dass sie sich bes-ser fuumlhlen wenn sie daruumlber nachdenken was heute gut gelaufen ist und warum Und deshalb wiederholen sie den Vorgangldquo Es habe dadurch eine langfristige Wirkung

Brauns neuestes Aushaumlngeschild ist ein Brettspiel namens bdquoCareer Games ndash spie-lend trainierenldquo bdquoWir haben Seminare ent wickelt bei denen wir Selbstmanage-ment-Kompetenzen in verschiedenen Le-bens- oder Inhaltsbereichen von Personen staumlrken koumlnnen Dazu dient auch ein Brett-spiel bei dem die Teilnehmer verschiedene Inhaltsbereiche der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder auch Smalltalk und Networking spielend erlernenldquo Jeder Spieler bekomme im Spiel eine Figur und muumlsse seinen Weg durch das Spielfeld wuumlrfeln so Braun bdquoAuf den Fel-dern muumlssen sie dann Quizkarten ziehen die das im Seminar Gelernte noch einmal aufarbeitenldquo Dabei muumlssten sie beispiels-weise drei Dinge nennen die sie in ihrem Leben gluumlcklich machen bdquoDurch den Spiel-charakter lernt man mehr als nur uumlber Se-minareldquo Mit Erfolg Erste Untersuchungen zeigen positive langfristige Effekte durch die Seminar-Brettspiel-Kombination (dan)

Tipps fuumlr die positive Fuumlhrung von Ottmar Braun

Fuumlhrungskraumlfte muumlssen eine gute zwischenmensch-liche Beziehung zu jedem einzelnen Mitarbeiter unterhalten Sie muumlssen auch verbindliche Aussagen machen und zu diesen Aussagen stehen Des Weiteren sollte ein Chef seine Angestellten unterstuumltzen wenn es notwendig ist Wichtig ist auch keinen unnoumltigen Druck aufzubauen sondern Staumlrken von Mitarbeitern kennen zu lernen und zu foumlrdern Von Vorteil koumlnnen auch Begruumlszligungs- und Krankenruumlckkehrgespraumlche sein Es koumlnnte ja sein dass die Krankheit etwas mit den Arbeitsbedingungen zu tun hat Natuumlrlich sind auch Teamsitzungen und Teambildungsmaszlignahmen von groszliger Bedeutung um ein angenehmes Arbeits-klima herzustellen

Spielend lernen Mit dem Brettspiel bdquoCareer Gamesldquo erlernen die Spieler verschiedene Inhalte der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder Smalltalk und Networking

20 NeuLand 2014 03

Psychotherapie-Ambulanz

Wie eine Baustelle sieht die psychothera-peutische Uni-Ambulanz nicht mehr aus Den Abdeckplanen sind bunte Stuumlhle und Stofftiere gewichen im Eingangsbereich liegen Fachmagazine und das Buumlro von Professorin Dr Tina In-Albon ist bereits voller Buumlcher Und doch bdquoist hier noch alles Baustelleldquo so die Professorin fuumlr Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kin-des- und Jugendalters Nach Therapeuten werde noch gesucht die ersten Behandlun-gen seien angelaufen Forschungsprojekte in Planung bdquoEine spannende Phaseldquo bekraumlf-tigt die Ambulanzleiterin

Von nun an wird sich das zehnkoumlpfige Team um die Professorin In-Albon und Ge-schaumlftsfuumlhrerin Dr Daniela Schwarz mit den psychischen Erkrankungen der suumld-pfaumllzer Kinder und Jugendlichen befassen Die Kosten fuumlr die psychotherapeutische Behandlung uumlbernehmen bei Indikation die Krankenkassen Hinzu kommt ein wei-terbildender Studiengang zur Ausbildung in Kinder- und Jugendlichenpsychothe-rapie der im Wintersemester 201415 mit zwoumllf Teilnehmern pro Jahrgang startet In Rheinland-Pfalz ist die Universitaumlt Kob-lenz-Landau in diesem Bereich die einzige universitaumlre Ausbildungsstaumltte Neben der hauseigenen Ambulanz kooperiert der Studiengang mit dem Pfalzklinikum in Klin-genmuumlnster sowie anderen kinder- und ju-gendpsychiatrischen Kliniken in der Region

Kaum eroumlffnet schon stehen die ersten Forschungsprojekte an Derzeit liegt ein Fokus in der Behandlung von Angststoumlrun-gen und Depressionen bdquoVielen Depressio-nen gehen Aumlngste voraus Daher lohnt es diese beiden zusammen zu betrachtenldquo so

Tina In-Albon Laut Statistik leiden zirka 20 Prozent der Erwachsenen und zirka 10 Pro-zent der Kinder unter Angststoumlrungen bei Depressionen sind es sogar 40 Prozent der Erwachsenen und im Jugendalter auch be-reits zwischen 15 und 20 Prozent In Planung befindet sich daher eine Therapiestudie fuumlr Jugendliche mit Angst- und depressiven Stoumlrungen Ein weiterer Forschungsbereich ist das nicht-suizidale selbstverletzende Verhalten im Volksmund auch als bdquoRitzenldquo bekannt bdquoDa machen wir eher Grundla-genforschungldquo so die Professorin Ein spe-zifisches Therapieangebot gebe es derzeit noch nicht ndash bdquodas kann sich aber alles noch entwickelnldquo

Einen weiteren Forschungsschwerpunkt stellt die psychische Gesundheit bei Kindern mit Diabetes dar insbesondere bei Diabetes vom Typ I der im Gegensatz zum bdquoAltersdi-abetesldquo II auch bei Kindern und Jugendli-chen verbreitet ist bdquoHier wissen wir uumlber

Erste Forschungsprojekte stehen an

Ende Juni offiziell eingeweiht hat die Psychotherapie-Ambulanz fuumlr Kinder und Jugend-

liche die Arbeit aufgenommen Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen

haben nun in Landau eine neue Anlaufstation Und auch die Forschung profitiert von der

Einrichtung

die medizinische Forschung zwar schon eine Mengeldquo sagt Tina In-Albon aber aus psychologischer Sicht sei das Thema noch relatives Neuland Wie etwa sieht es bei der psychologischen Betreuung der Kinder aus aber auch der Eltern der Lehrer und sons-tiger zentraler Bezugspersonen Wird die Krankheit und deren Umgang akzeptiert Wie koumlnnen Psychotherapeuten helfen Auch hier schlummert ein Forschungspo-tenzial fuumlr In-Albon bdquoVieles ist im Aufbauldquo sagt sie beschwichtigend Und doch laumlsst sie im Gespraumlch mit NeuLand durchblicken dass sie auch auf diesem Gebiet noch inten-siver forschen moumlchte

Neben der Forschung ist die Hochschul-ambulanz auch in die Lehre im Rahmen des Masterstudiengangs Klinische Psychologie eingebunden So werden die Studierenden beispielsweise in die Diagnostik einbezogen und koumlnnen unter Supervision in Patienten-gespraumlchen Praxiserfahrung sammeln (kap)

In der neuen Universitaumltsambulanz fuumlr Kinder und Jugendliche wird die ganze Palette der psychischen Stoumlrungen behandelt

21NeuLand 2014 03

Wenn man sich seine Dozenten auszligerhalb der Universitaumlt vorstellt dann ist es wohl in einem Sessel vor einem uumlberfuumlllten Buumlcher-regal mit einem wissenschaftlichen Buch in der Hand vielleicht noch mit einem Hund zu den Fuumlszligen Wenige Studenten glauben dass ihre Dozenten moumlglicherweise eine spannendere Freizeitgestaltung haben als sie selbst

Bei Walter H Schreiber ist das aber so Seit dem Sommer 2013 ist er 3D-Bogenschuumltze 3D-Bogenschieszligen bedeutet nicht dass man mit einer 3D-Brille und einem virtu-ellen Bogen bewaffnet auf herannahende Tiere oder Aliens schieszligt Eigentlich ist das 3D-Bogenschieszligen vielmehr die Wieder-entdeckung des sportlichen Jagens mit Pfeil und Bogen ohne einem Tier Schaden zuzufuumlgen Es erinnert an eine Art Golf Der Schlaumlger wird zum Bogen der Ball zum Pfeil und statt eines Abschlags hat man einen Abschuss-Punkt Das Ziel ist aber kein Loch sondern zum Beispiel ein Fasan oder eine Riesenspinne welche von Vereinsmitglie-dern angefertigt und im Parcours platziert wurde

Schreiber ist seit Dezember Mitglied beim Verein Palatina Bogenschuumltzen eV in Ins-heim suumldlich von Landau Davor absolvierte er bereits einen Pfeil und Bogen-Intensiv-kurs in der Eifel bdquoDamit sich nicht bereits am Anfang grobe Fehler einschleichenldquo bekraumlf-tigt Schreiber Sein Sohn sei auch Bogen-schuumltze habe aber unabhaumlngig von ihm zur selben Zeit angefangen Auf die Frage wa-rum er nicht das klassische von Olympia be-kannte Bogenschieszligen ausuumlbe antwortet Schreiber bdquoDa gibt es zu viele Regelnldquo Au-szligerdem sei er ein intuitiver Schuumltze welcher ndash im Gegensatz zum strategischen Schuumltzen ndash sich voll und ganz auf seine Erfahrung und sein Bauchgefuumlhl verlasse Zwar ist Schrei-ber schon seit einem Jahr leidenschaftlicher Bogenschuumltze trotzdem gilt er im Verein

Entspannung vom AlltagWaumlhrend die Studierenden fast immer wissen ob ein Dozent freundlich oder streng ist

koumlnnen sich nur wenige vorstellen was diese mit ihrer Freizeit anfangen NeuLand war

einen Abend mit Dr Walter H Schreiber unterwegs Sein Hobby das 3D-Bogenschieszligen

noch als Anfaumlnger bdquoDeswegen behalte ich meine Ergebnisse bei Wettkaumlmpfen lieber fuumlr michldquo bemerkt er schmunzelnd

Sicherheit sei sehr wichtig betont Schrei-ber So muss sich jeder Schuumltze vorab in einem Schieszligbuch eintragen um zu sehen wie viele Leute auf dem Parcours unter-wegs sind Aus gutem Grund Auf dem 500 Meter langen und mit 28 Zielen bestuumlckten Parcours kann man leicht den Uumlberblick verlieren Zwei bis drei Stunden dauert die Durchquerung des Kurses Manchmal machen es abgeknickte Aumlste und ein rut-schiger Untergrund gar nicht so einfach die Ziele zu treffen Trotzdem wuumlrden die meisten Unfaumllle nicht beim Schieszligen selbst passieren sondern beim Herausziehen der Pfeile aus den Koumlrpern der Ziele meint Schreiber Ein Vereinskollege ergaumlnzt bdquoWich-

tig ist uns dass wir das 3D-Bogenschieszligen nicht als Vorstufe zur Jagd mit Pfeil und Bogen sehen Es ist vielmehr ein Sport bei dem man sich deutschlandweit mit anderen Schuumltzen messen kannldquo Im Gegensatz zum klassischen Bogenschieszligen schieszlige man nicht auf langweilige Zielscheiben sondern durchlaufe einen interessanten Parcours

Fuumlr Schreiber ist das Bogenschieszligen Ent-spannungskur vom alltaumlglichen Uni-Stress bdquoNach der Arbeit auf den Parcours zu gehen befreit meinen Kopfldquo Verstaumlndlich denn das leise Zischen des Pfeiles und die Ruhe im gruumlnen naturbelassenen Gelaumlnde hat etwas Erholendes Auszligerdem hat Schreiber beim Verein Palatina Freunde gefunden mit denen er an fast jedem Donnerstag und Sonntag durch den Parcours streift ndash auf der Jagd nach kuumlnstlichen Tieren (dan)

Hobby 3D-Bogenschieszligen

Beim 3D-Bogenschieszligen findet Walter H Schreiber Entspannung vom alltaumlglichen Uni-Stress

22 NeuLand 2014 03

Summer School

In der Reihe bdquoE-Mail aus hellipldquo berichtet Sozialwissenschafts-Student Daniel Schumacher

von der Summer School aus dem polnischen Wroclaw

Liebes NeuLandCześćaus Wroclaw Manchmal reicht ein

akademischer Kurz-Urlaub um ein Land und die

Leute lieben zu lernen

Zum Ende meiner akademischen Laufbahn wollte

ich das Studentendasein noch einmal voll und

ganz genieszligen und habe mich entschlossen eine

Summer School zu besuchen Fast jeder unserer

Fachbereiche bietet so etwas an Fuumlr mich ging die

Reise unter der Leitung von Professor Dr Siegmar

Schmidt (Politikwissenschaften) nach Wroclaw Polen

Erasmus-finanziert begann meine Hinfahrt in einem

Fernbus von Karlsruhe direkt nach Breslau so der alte

deutsche Name fuumlr Wroclaw

Hier angekommen bezogen wir ndash meine Wenigkeit

mit sieben anderen Deutschen ndash unsere Zimmer in

einem Studentenwohnheim oder wie ich es nenne

bdquoPlattenromantik-Hotelldquo Von auszligen neu gestrichen

verspruumlhte das Haus von innen den gesamten

Ostblock-Charme der Kalten-Krieg-Aumlra Das war

fuumlr mich aber auch das einzig Negative waumlhrend

meiner zweiwoumlchigen Summer School Bereits

am ersten Tag lernten wir beim bdquoget-togetherldquo

die anderen Teilnehmer kennen 70 Studenten

aus uumlber acht Laumlndern wollten mehr uumlber die

europaumlische Finanzkrise lernen und ndash wie ich ndash neue

Freundschaften knuumlpfen

Ab dem zweiten Tag war unser neues Zuhause ein

Houmlrsaal beim Institut fuumlr Politikwissenschaft Dort

E-Mail aus hellip Wroclaw

lernten wir wie verschiedene europaumlische Staaten mit

der Finanzkrise zu kaumlmpfen hatten und stellten jeweils

unsere Laumlnder selbst vor

Nach der ersten Woche wurden wir in verschiedene

Gruppen aufgeteilt um uumlber Innovation im

oumlffentlichen und privaten Sektor zu forschen

Forschen bedeutete dabei dass wir polnische

Buumlrger interviewten die entweder im privaten oder

oumlffentlichen Bereich taumltig sind Mein bdquoResearch-Haufenldquo

war bunt gemischt ndash von Belgiern uumlber Rumaumlnen

bis hin zu Ukrainern Ohne Verstaumlndigungsprobleme

meisterten wir unseren Arbeitsauftrag was am letzten

Tag feucht-froumlhlich mit allen gefeiert wurde

Am Ende moumlchte ich noch eine Lanze fuumlr die Stadt

Wroclaw und das Land Polen brechen Wir wurden

sehr herzlich aufgenommen Die Stadt mit ihrer

(deutschen) Geschichte war atemberaubend Nicht

nur die alten Gebaumlude haben es mir angetan sondern

die Atmosphaumlre rund um den historischen Stadtkern

Ich habe in diesen zwei Wochen sehr viele Menschen

kennen gelernt einige wuumlrde ich nun als enge Freunde

bezeichnen Das erste Wiedersehen mit Studenten aus

Belgien und Tschechien ist bereits geplant

Bis bald im guten alten Landau

euerDaniel Schumacher

23NeuLand 2014 03

Hochschulgruppe

Eigentlich kommt Cornelia Spengler aus einem ganz anderen Fachgebiet Nach ih-rem Biologiestudium am Karlsruher Insti-tut fuumlr Technologie promoviert sie derzeit in Landau im Fachbereich Natur- und Um-weltwissenschaften Aber auch an sozialer Arbeit hatte sie schon immer Interesse Sie wollte sich nicht nur mit der Wissenschaft beschaumlftigen sondern mit Menschen zu-sammenarbeiten So entdeckte sie fuumlr sich ein sensibles Thema die Integration und Bildungsgerechtigkeit

Cornelia Spengler wollte nicht nur reden sondern handeln In der SchuumllerNavi-Grup-pe in Aachen fand sie ein Vorbild nach dem sie am Campus Landau gemeinsam mit Stu-dentin Sylvia Klaus eine Hochschulgruppe aufbaute Ziel sollte es sein Schuumller zu foumlr-dern die durch ihre mangelnden Deutsch-kenntnisse in der Schule Probleme haben und deren Eltern das Geld fuumlr Nachhilfe nicht aufbringen koumlnnen bdquoWenn die Eltern zu Hause kaum Deutsch sprechen haben die Kinder dort auch wenig Unterstuumltzung fuumlr die Schule Diktate zu uumlben ist dann schlichtweg nicht moumlglichldquo erklaumlrt Speng-ler

SchuumllerNavi bietet neben Hausaufgaben-betreuung und Nachhilfeunterricht auch kulturellen Austausch Mittlerweile betei-ligen sich in der Hochschulgruppe uumlber 20 Studenten die den Schuumllern in schulischen

Aktive Arbeit statt bloszlige TheorieUumlber Integration zu reden bringt nicht viel Sie muss gelebt werden Darum gruumlndete die

Landauer Doktorandin Cornelia Spengler mit Studentin Sylvia Klaus die Hochschulgruppe

SchuumllerNavi die immer mehr Mitglieder zaumlhlt Wie man Integration foumlrdern kann und was

den Ehrenamtlichen ihre Arbeit bringt daruumlber sprach sie mit NeuLand

Belangen zur Seite stehen ihnen das Uni-Leben zeigen und ihnen zuhoumlren wenn sie Probleme haben

Spengler selbst betreut zwei Bruumlder mit tamilischen Wurzeln Um Beruumlhrungspunk-te zu schaffen die fuumlr den Aufbau eines Ver-trauensverhaumlltnisses wichtig sind hat sie mit den Jungs auf dem Campus beispiels-weise gemeinsam mikroskopiert Einer der beiden Bruumlder war stark versetzungsgefaumlhr-det und hat es nun in die naumlchste Klasse geschafft Ein Stuumlck weit schreibt sie diesen Erfolg SchuumllerNavi zu

bdquoSchwierig ist es zu unterscheiden welche Kinder wirklich der Foumlrderung beduumlrfenldquo so Spengler In Konkurrenz mit Nachhilfe-Firmen will die Gruppe nicht treten Ziel-gruppe sind Kinder die in der Schule haumlufig nicht ausreichend gefoumlrdert werden und deren Eltern sich keine professionelle Nach-hilfe leisten koumlnnen Daher hat SchuumllerNavi Kooperationen mit sozialen Institutionen Landaus die ihnen die Kontakte weiterver-mitteln bdquoDer Bedarf ist riesig Wir koumlnnen ihn gar nicht deckenldquo berichtet Spengler Daher ist die Hochschulgruppe auch staumln-dig dabei neue Mitglieder zu werben

Fuumlr die Zukunft plant die Hochschul-gruppe eine weitere Kooperation mit ELKE (Eltern Kompetenzen erlernen) um die El-tern weiterzuschulen beispielsweise mit Sprachkursen Dadurch sollen diese ihren

Kindern besser bei schulischen Aufgaben selbst helfen koumlnnen

Neben dem Gefuumlhl etwas Gutes zu tun sieht Spengler aber auch andere Vorteile fuumlr das Ehrenamt Gerade Lehramtsstu-denten koumlnnen sich hier ausprobieren und paumldagogische Konzepte umsetzen die sie aus der Theorie kennen Jeder koumlnne viel lernen erklaumlrt sie Man uumlbe hier nicht nur den Umgang mit Kindern und Jugendli-chen sondern lerne auch viel uumlber fremde Kulturen Sie selbst habe von ihren zwei Nachhilfeschuumllern bereits viel uumlber Feierta-ge und Sitten ihrer Kultur aber auch einzel-ne Vokabeln ihrer Sprache gelernt Und die Schuumller seien sehr interessiert an deutschen Gebraumluchen und Eigenarten

Fuumlr das ehrenamtliche Engagement hat SchuumllerNavi bereits Preise bekommen Bei der Initiative fuumlr Integration von bigFM be-legten sie den dritten Platz Das Preisgeld investierte die Gruppe unter anderem um mit ihren Schuumllern die Zooschule zu besu-chen In diesem Jahr erhaumllt SchuumllerNavi zu-dem den Campus-Kulturpreis des Campus Landau

bdquoMan redet immer uumlber Integration Von Menschen mit Migrationshintergrund wird erwartet sich hier zu integrieren Aber das liegt ja auch an uns Man muss sie auf die-sem Weg unterstuumltzenldquo erklaumlrt Doktorandin Spengler (rst)

Termine ImpressumHerausgeberReferat fuumlr Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit der Universitaumlt Koblenz-Landau Campus Landau Fortstraszlige 7 76829 Landau

RedaktionsteamKerstin Theilmann (ket) (verantw) Berend Barkela (bb) Wilfried Dorsch (wdo) Sebastian Kapp (kap) Daniel Schumacher (dan) Rosa Stecher (rst)

LayoutMedienzentrum Campus Landau Berend Barkela

FotosTitel Imago Fotoarena S 2 S 3 privat S 5 Imago Xinhua S 7 oben kanvag - Fotoliacom S 7 unten Medienzentrum Hiller S 9 Imago ITAR-TASS S 10 Imago Steinach S 11 Imago DeFodi S 13 Imago PPfotodesign S 15 JiSign - Fotoliacom S 17 Medienzentrum Hiller S 19 Medienzentrum Barkela S 20 Medienzentrum Hiller S 21 und 22 Daniel Schumacher

KontaktKerstin TheilmannTel 06341 280-32219 E-Mail theiluni-koblenz-landaude

Aus Gruumlnden der besseren Lesbarkeit verwenden wir in unseren Artikeln die maumlnnliche Form Damit sind stets Frauen und Maumlnner gemeint

Die Redaktion behaumllt sich die Kuumlrzung und Uumlberarbeitung von Texten vor Die Meinung einzelner AutorinnenAutoren gibt nicht immer die Meinung der Redaktion wieder

28101014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Florian Ostertag Atrium Infos unter wwwasta-landaude

05112014 ab 2130 Uhr Atriumsfete Infos unter wwwasta-landaude

06112014 20 Uhr Poetry Slam Landau Universum Kinocenter Infos unter wwwzkwuni-landaude

19112014 1930 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Friedensprojekt Europa in der Krise Mit Bundesministerin aD Heidemarie Wieczorek-Zeul und weiteren Gaumlsten Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

19112014 21 Uhr Konzert bdquoBeats und Pianoldquo Audimax Infos unter wwwasta-landaude

1122014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Unland Atrium Infos unter wwwasta-landaude

03122014 19 Uhr Hambacher Gespraumlch Meine Daten gehoumlren den Unternehmen Hambacher Schloss Infos unter wwwfliuni-landaude

05122014 1930 Uhr Reihe bdquoGroszlige Begegnungenldquo mit Sternekoch Alfons Schubeck Jugendstil-Festhalle Landau Infos unter wwwzkwuni-landaude

08122014 1900 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Frieden durch Demokratie Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

Ausblick 13 - 15012015 Poetik-Dozentur mit Rafik Schami Infos unter wwwzkwuni-landaude

Weitere Termine unter wwwuni-koblenz-landaudeaktuell wwwuni-koblenz-landaudeblog

Page 14: Neuland Ausgabe 3/2014

14 NeuLand 2014 03

Weiterbildung ist zentrales Thema fuumlr Claudia Ehrhardt Bei der Geschaumlftsfuumlhrerin der Arbeitsstelle der Weiterbildung der Wei-terbildenden (AWW) mit Sitz am Campus Landau laufen seit uumlber 14 Jahren die Faumlden der im Verein angeschlossenen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungseinrichtungen zusammen Fuumlr die Diplom-Paumldagogin sind die PIAAC-Ergeb-nisse ein eindeutiger Indikator dass bei der Grundbildung Erwachsener Handlungsbe-darf besteht Dass diese ndash ganz anders als die PISA-Ergebnisse ndash medial kaum aufgegriffen oder diskutiert wurden bilde den Stellen-wert der Weiterbildung in der Gesellschaft ab Dabei sind die dort getesteten Groumlszligen fuumlr ein erfolgreiches Arbeitsleben die Teilha-be an der heutigen Gesellschaft und die Pro-duktivitaumlt von Betrieben und Unternehmen bedeutsam

PIAAC (Programme for the International Assessment of Adult Competencies) ist die erste internationale Vergleichsstudie die zentrale Grundkompetenzen in der erwach-senen Bevoumllkerung beleuchtet Von Herbst 2011 bis Fruumlhjahr 2012 hat die Organisation fuumlr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Deutschland und uumlber 20 weiteren Laumlndern bei Erwachsenen im erwerbsfaumlhigen Alter von 16 bis 65 Jahren Lese- und alltagsmathematische Kompe-tenzen sowie technologiebasierte Problem-loumlsekompetenzen gemessen Das Ergebnis Deutschland liegt leicht unter dem OECD-Durchschnitt Allerdings schneiden juumlngere Erwachsene besser ab als aumlltere Vermutlich eine positive Folge der Bildungsanstrengun-gen nach PISA

PIAAC habe gezeigt dass auch im Erwach-senenalter gilt was fuumlr Schulkinder bittere Realitaumlt ist Das Bildungsniveau ist abhaumlngig von der Herkunftsfamilie bdquoWer uumlber keine gute Grundbildung verfuumlgt wird auch keine Weiterbildung machenldquo so Ehrhardt Und wer sich nicht weiterbildet faumlllt in der Ar-beitswelt zuruumlck Daher sei es erfreulich dass seit einigen Jahren verstaumlrkt in Projektfinan-zierungen im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung investiert werde so Ehrhardt

Moumlgliche Ruumlckschluumlsse aus den PIACC-Ergebnissen auf die Weiterbildung diskutier-ten Experten auf einer von Claudia Ehrhardt organisierten Fachtagung im Fruumlhjahr Der Tenor Die Professionalisierung der in der Weiterbildung taumltigen Paumldagogen Dozenten oder Trainer muss darauf setzen fuumlr die Ar-beit mit Bildungsverlierern entsprechend zu sensibilisieren ndash mit dem Ziel diesem abge-haumlngten Bereich eine Perspektive zu bieten Dieser Professionalisierungsaufgabe wird sich die AWW auch in Zukunft widmen

Weiterbildung ohne Raum und Zeit

Fuumlr die Arbeit des Zentrums fuumlr Fernstudi-en und Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) sieht Geschaumlftsfuumlhrer Dr Burkhard Lehmann aufgrund der PIACC-Ergebnisse keine unmit-telbaren Implikationen Denn die Teilnehmer der diversen Studiengang- und Kursangebo-te des ZFUW seien in der Regel die ohnehin bildungsaffinen Menschen die gewohnt sei-en sich zu qualifizieren Auf die Gruppe die

in PIAAC schlecht abgeschnitten habe seien die ZFUW-Bildungsangebote gar nicht zuge-schnitten

Das ZFUW hat als aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz seit uumlber 20 Jahren Erfahrung in der wissen-schaftlichen Weiterbildung bdquoWir haben uns mit dem Fernstudium und der Fernlehre fuumlr ein spezifisches Bildungsformat ent-schiedenldquo so Lehmann Denn dieses Format werde den Beduumlrfnissen der Bildungsinte-

Um die Kompetenzen Erwachsener beispielsweise im Lesen scheint es in Deutschland

nicht gut bestellt Das zumindest ist das Ergebnis der PIAAC-Studie Haben die Ergebnisse

Auswirkungen auf die Erwachsenenbildung NeuLand hat sich bei der Arbeitsstelle der

Weiterbildung der Weiterbildenden (AWW) und dem Zentrum fuumlr Fernstudien und

Universitaumlre Weiterbildung (ZFUW) erkundigt

Das ZFUW

Das Zentrum fuumlr Fernstudien und Universitaumlre Wei-terbildung (ZFUW) ist eine zentrale Einrichtung der Universitaumlt Koblenz-Landau Mit mehr als 21 Jahren Erfahrung ist das ZFUW die aumllteste Fernstudienein-richtung an Hochschulen in Rheinland-Pfalz Das ZFUW ist auf das Angebot postgradualer Fernstudien-gaumlnge spezialisiert veranstaltet daneben aber auch Weiterbildungen im Praumlsenzformat (z B Seminare)wwwuni-koblenz-landaudezfuw

Gute Grundbildung bedingt Weiterbildung

PIAAC-Studie

ressierten ohne Bindung an Raum und Zeit am meisten gerecht In Ballungsraumlumen wie Hamburg Muumlnchen oder Berlin wo sich die Kunden aus dem lokalen Umfeld akquirie-ren lassen funktionieren auch Praumlsenzan-gebote weiszlig Lehmann bdquoBefindet sich eine Einrichtung allerdings in einer Randlage operiert man besser auf der Ebene der Fern-lehre bei der die Organisation zum Teilneh-mer kommt und nicht der Teilnehmer zur Organisationldquo

15NeuLand 2014 03

Nutzen und Folgen des Internets

Das Schnuumlren zeitgemaumlszliger Themen und Inhalte ist zentral um das ZFUW wettbe-werbsfaumlhig zu halten Derzeit unterhaumllt es die Programmbereiche Umwelt Energie und Management Expertise holt sich das ZFUW vorrangig aus den eigenen Reihen der Ko-

gogikldquo Damit sollen Lehrerinnen und Leh-rer fit gemacht werden fuumlr den schulischen Alltag in Zeiten der Inklusion bdquoDie Laumlnder stellen zwar den Finanzbedarf fuumlr Inklusion in der Schule allerdings fehlt eine profun-de Qualifizierung der Lehrkraumlfteldquo erklaumlrt Lehmann den Ansatz des neuen Weiterbil-dungsprogramms Mit einem Kooperati-onspartner bereitet das ZFUW ein weiteres Programm vor bdquoBusiness Communications and Rhetoricldquo

Weiterbildung heute so wichtig wie noch nie

Fuumlr das berufliche Weiterkommen ist Wei-terbildung heute so zentral wie noch nie bdquoDie Halbwertszeit des Wissens wird immer kuumlrzerldquo bekraumlftigt Claudia Ehrhardt Die PIAAC-Studie habe daher auch gezeigt wie wichtig Kompetenzaufbau -erhalt und -er-weiterung in der Berufswelt seien Die zahl-reichen Innovationswellen im beruflichen Kontext gerade im EDV- oder Produktions-kontext lassen den Bedarf an Weiterbildung kontinuierlich steigen versichert Burkhard Lehmann Warum Menschen letztendlich sich fuumlr eine Weiterbildung entscheiden da-fuumlr gebe es drei zentrale Gruumlnde Lehmann unterscheidet zwischen Selbstperfektionie-rern Tool-Suchern und Karriere- oder Ab-schlussorientierten Der ersten Gruppe liegt daran die eigene Persoumlnlichkeit weiterzu-entwickeln und sich fuumlr private Interessen mehr Wissen anzueignen Die Tool-Sucher erweitern gezielt ihre Kompetenzen um

Die AWW

Die Arbeitsstelle fuumlr die Weiterbildung der Weiterbil-denden (AWW) foumlrdert die Zusammenarbeit zwischen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungsorganisationen Der bundesweit einzigartige Verein ist eine wichtige Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis im Bereich der Weiterbildung Gegruumlndet wurde die AWW 1998 auf Initiative des Ministeriums fuumlr Bildung Wissenschaft Weiterbil-dung und Kultur Die AWW hat ihren Sitz in Landau und ist der Universitaumlt Koblenz-Landau angegliedert Unter dem Motto bdquoBesser lehren lernenldquo organisiert die AWW Workshops und Fachtagungen fuumlr Personen die in der Weiterbildung taumltig sind wwwaww-landaude

blenzer und Landauer Wissenschaftler bdquoWir arbeiten aber auch konsortialldquo so Lehmann bdquound halten somit ein bestimmtes Know-how vor das an den Standorten unserer Uni-versitaumlt nicht verfuumlgbar istldquo Selbst wenn die Flexibilitaumlt bestehe auch nicht einschlaumlgige Themen zu vertreten entwickele das ZFUW vornehmlich Angebote im Kernbereich der Universitaumlt Koblenz-Landau

Derzeit arbeiten Lehmann und sein Team an dem neuen Programm bdquoInklusionspaumlda-

berufliche Herausforderungen meistern zu koumlnnen Vertreter der dritten Gruppe tum-meln sich vorwiegend im akademischen Feld Da man fuumlr die Ausuumlbung bestimmter Funktionen im beruflichen Aufstieg meist Bescheinigungen uumlber entsprechendes Wissen oder Kompetenzen benoumltigt ori-entiert sich deren Weiterbildungsbedarf an Abschluumlssen

Entsprechend unterscheidet Lehmann auch zwischen drei Weiterbildungsberei-chen die klassische die betriebliche und die wissenschaftliche Weiterbildung Die klassische Weiterbildung wird beispiels-weise von Volkshochschulen betrieben und richtet sich an ein breites Publikum Im betrieblichen Kontext sollen Arbeitnehmer ihre Kompetenzen erweitern und ihr Wissen erhoumlhen beispielsweise wenn Vertriebs-mitarbeiter im Umgang mit einem neuen Produkt geschult werden muumlssen oder eine neue Software im Unternehmen eingefuumlhrt wird Die wissenschaftliche Weiterbildung ermoumlglicht akademisch vorqualifiziertem Personal sich auf neue Aufgaben etwa als Fuumlhrungskraft vorzubereiten

Die Zeiten in denen Lernen mit dem Verlassen der Schule dem Abschluss der Ausbildung oder dem Universitaumltsexamen beendet war sind definitiv vorbei Wer im Berufsleben bestehen will wird um regel-maumlszligige Weiterqualifizierung nicht umhin kommen PIACC soll in einem Rhythmus von zehn Jahren wiederholt werden um ein Laumlngsschnitt-Bild der Entwicklung zu er-halten Man darf gespannt sein wohin sich die Kompetenzen deutscher Erwerbstaumltiger entwickeln (ket)

16 NeuLand 2014 03

Sprachbedrohung und Sprachentod

Sprachbedrohung und Sprachentod sind ein weltweites Phaumlnomen Linguisten ge-hen davon aus dass etwa alle zwei Wochen eine Sprache stirbt In 100 Jahren so schaumlt-zen Sprachforscher werden im besten Fall noch die Haumllfte dieser Sprachen existieren vielleicht aber auch nur noch zehn Prozent von ihnen Waumlhrend die 20 groumlszligten der zir-ka 6800 lebenden Sprachen von der Haumllfte der Weltbevoumllkerung gesprochen werden weisen die meisten Sprachen eine Gemein-schaft von nur wenigen hundert oder tau-send Sprechern auf Von bevorstehendem Sprachentod spricht man wenn eine Spra-che aufhoumlrt Muttersprache oder Erstspra-che zu sein ndash also dann wenn sie nur noch sekundaumlr erlernt wird und damit die noumltige Sprachpflege verliert Der endguumlltige Tod tritt ein wenn es keine Sprecher mehr gibt

Sprachbedrohung und Sprachentod fin-den auf allen Kontinenten statt und neh-men ein immer schnelleres Tempo auf je weiter die Globalisierung voranschreitet Viele andere Faktoren wie unter anderem starke Migrationsbewegungen Zuwande-rung und Urbanisierung sowie ein hohes Alter der Sprecher oder die geringe wirt-schaftliche Staumlrke einer Sprache wirken zudem auf den Sprachbestand ein Stark gefaumlhrdete Sprachen sind vor allem in den Regionen Nord- und Suumldamerika Austra-lien Asien Westafrika und in Nord- und Ostsibirien vorzufinden In diesen Regio-nen kommt es zur massiven Verletzung von Sprachenrechten

Anglistik-Professor Dr Martin Puumltz ist Linguist und beschaumlftigt sich mit Sprache und ihren vielfaumlltigen sozialen kulturel-len und psychologischen Auspraumlgungen Zusammen mit seiner Kollegin Dr Monika Reif hat er im Fruumlhjahr 2014 das 36 Interna-tionale LAUD Symposium organisiert das sich rund um das Thema Sprachbedrohung und Sprachentod drehte (siehe Infokasten) Puumltz erklaumlrt Sprache sei relevant da sie ein einzigartiger Schatz an Wissen Ideen und Weltansichten sei bdquoMit den fast 7000

Bevor sie verstummen hellipWeltweit existieren etwa 6800 Sprachen doch die Vielfalt nimmt rasant ab Was

bedeutet es wenn Sprachen sterben Was bleibt von einer Kultur uumlbrig wenn ihre Art

die Welt zu beschreiben wegfaumlllt und die Urahnen verstummen

Sprachen auf unserer Welt gibt es auch fast 7000 Arten die Welt auf unterschiedliche Art wahrzunehmen und sie zu beschreibenldquo erlaumlutert der Linguist Beispielsweise haben einige Sprachen der Ureinwohner Amerikas ein komplett anderes Zeitsystem Dinge in der Zukunft oder Vergangenheit auszudruuml-cken gehe in diesen Sprachen nicht mit den uns bekannten grammatikalischen Moumlg-lichkeiten

Sprache ist also nicht nur ein Mittel der Kommunikation sondern bietet einen tiefen Einblick in die Einstellungen und Wahrnehmungen gegenuumlber der Welt kon-serviert Traditionen und Geschichte einer Kultur und gibt einzigartiges Wissen an die naumlchste Generation weiter beispielsweise uumlber Heilmittel und Pflanzen aber auch Ge-fuumlhle Spiritualitaumlt und soziale Einsichten Es gibt so etwas wie eine kulturelle Identitaumlt und die wird maszliggeblich von Sprache ge-praumlgt Warum aber verschwinden so viele Sprachen von der Bildflaumlche Natuumlrlich gibt es viele aumluszligere Umstaumlnde warum Sprachen ihre Sprecher verlieren Gerade in der Kolo-nialzeit haben die Besatzer eine Vielzahl an Sprachen marginalisiert und unterdruumlckt teilweise wurden ganze Voumllker durch Krieg vernichtet z B durch die Kolonialisierung und Besiedlung Nord- und Suumldamerikas die Ausrottung indigener Voumllker in Australi-en oder durch die im 17 Jahrhundert einset-zende Russifizierungspolitik in Osteuropa im Kaukasus und in Sibirien Auch Natur-katastrophen wie Erdbeben oder Vulkan-ausbruumlche koumlnnen stark regional gepraumlgte Sprachen toumlten

Auch wenn Sprachwissenschaftler versu-chen bedrohte Sprachen durch Aufzeich-nung Uumlbersetzung sowie die Bewahrung und Verbreitung von Sprachaufzeichnun-gen zu dokumentieren erwecken sie diese dadurch nicht mehr zum Leben Mit No-tizbloumlcken und Aufnahmegeraumlten kann man zwar einen Teil des Wortschatzes der Grammatik und Aussprache festhalten in geringerem Maszlige jedoch Redewendungen

Gebraumluche und Beschreibungsmodelle fuumlr die Welt einfangen Nur wer eine Sprache muttersprachlich spricht kann ihre zahlrei-chen Facetten begreifen Sprachrevitalisie-rung gelingt nur in den seltensten Faumlllen Gegluumlckt ist dies beispielsweise beim mo-dernen Hebraumlisch Iwrith genannt das er-folgreich wiederbelebt und zur offiziellen Amtssprache Israels erhoben wurde Zu-meist ist der Sprachtod aber unwiderruflich

In aktuellen Faumlllen der Sprachbedrohung liege das Problem haumlufig nicht an der Um-welt sondern an anderer Stelle erklaumlrt Puumltz Wer einer Minderheitensprache maumlchtig ist hat oftmals das Gefuumlhl damit auf dem Bildungsweg oder im Berufsleben schlech-tere Chancen zu haben Eltern bestehen daher oft darauf dass ihre Kinder die indi-gene Sprache vernachlaumlssigen und statt-dessen eine dominante und wirtschaftlich starke Sprache wie Englisch Spanisch oder Franzoumlsisch zuerst erlernen bdquoSie geben da-mit eine verstaumlrkt negative Einstellung zur Muttersprache an die naumlchste Generation weiterldquo verdeutlicht Puumltz die Problemlage Der Globalisierungseffekt ist somit nicht zu unterschaumltzen denn waumlhrend z B das Eng-lische immer dominanter wird nimmt die Geringschaumltzung und damit einhergehende Vernachlaumlssigung indigener Sprachen wei-ter zu Um den Sprachentod aufzuhalten benoumltigt es also weniger Dokumentation als vielmehr eine grundlegende Aumlnderung der Einstellung zu Minderheitensprachen und indigenen Sprachen (rst)

Linguistic Agency University of DuisburgTrierLandau (LAUD)

Seit 1973 finden unter diesem Namen alle zwei Jahre Konferenzen zum Thema Sprache statt ndash zunaumlchst in Trier und Duisburg und seit 2000 in Landau Das 36 LAUD Symposium wurde im Fruumlhjahr 2014 zum Thema bedrohte Sprachen und Sprachentod veranstaltet Uumlber 90 Teilnehmer aus 25 Laumlndern besuchten die Veranstaltung

17NeuLand 2014 03

Kinder- und Jugendhospitzarbeit

Wie lassen sich die Arbeit und das Zu-sammenleben in Kinder- und Jugendhos-pizen verbessern Wie werden Kinder und Jugendliche wirkungsvoll begleitet die an einer unheilbaren Krankheit leiden oder die einen Trauerfall in der Familie verar-beiten muumlssen bdquoBislang konnten sich die Einrichtungen ausschlieszliglich durch ein Qua-litaumltssiegel bewerten lassenldquo sagt Sven Jen-nessen Das bedeute harte generalisierte Bewertungsfaktoren bdquoDabei unterscheiden sich die Einrichtungen teilweise gravierendldquo So sei etwa die Nachfrage nach tuumlrkischer Sprachkompetenz in einigen Einrichtungen zwar sehr hoch ndash es gebe aber auch Einrich-tungen bei denen der Bedarf schlicht nicht erkennbar sei Hier muumlsse man individuell auf die Beduumlrfnisse der Einrichtungen der Mitarbeiter der Kinder und Jugendlichen sowie der Familien eingehen Fuumlr Jennessen ist dies nur eines von vielen Beispielen bei dem sich die Schwaumlche starrer Bewertungs-

kriterien zeigt Immerhin muumlsse gerade in diesem sensiblen Bereich der Mensch im Mittelpunkt stehen ndash und keine Checkliste

Deshalb ist der Qualitaumltsindex fuumlr Kin-der- und Jugendhospizarbeit QuinK auch bdquoandersldquo Der Fokus liegt nicht nur auf den Antworten sondern auch auf der Kom-munikation zwischen den Beteiligten also zwischen haupt- und ehrenamtlichen Mit-arbeitern mit Eltern Kindern und auch Geschwistern bdquoNachhaltige Qualitaumltsent-wicklung funktioniert nur durch Kommuni-kation aller Beteiligtenldquo so der Ansatz von Sven Jennessen Und damit sind auch die Juumlngsten gemeint bdquoWir sehen die Kinder als Experten in eigener Sache anldquo erklaumlrt Stefanie Hurth Gerade die Einbeziehung der Geschwister stelle derzeit bei vielen Einrichtungen ein Problem dar Denn die muumlssten bei einer todbringenden Krank-heit der Schwester oder des Bruders haumlufig zuruumlckstecken Nur selten bleibe das ohne

Konflikte wodurch sie im schlimmsten Fall die Moumlglichkeit versaumlumten sich von ihren Geschwistern zu verabschieden bdquoHier gibt es kein Schema F Viel wichtiger ist dass die Betroffenen sich austauschen die Themen aufgreifen und dann Loumlsungen entwickelnldquo sagt Hurth

Der QuinK soll durch seine zur Reflexion anregenden Fragen diese Kommunikati-on ermoumlglichen und eine Art Diskussions-Agenda darstellen Daher wurde QuinK in den vergangenen Monaten in drei stationauml-ren Kinder- und Jugendhospizen und zwei ambulanten Kinderhospizdiensten getes-tet Jennessen und Hurth besuchten die Einrichtungen in Unna Duumlsseldorf Syke Darmstadt und Wiesbaden regelmaumlszligig bdquoDer QuinK ist nicht am gruumlnen Tisch ent-standenldquo sagt Sven Jennessen

Das Team aus Landauer Wissenschaftlern wurde unterstuumltzt vom Deutschen Hospiz- und Palliativverband (DHPV) Mit diesem zusammen wurden zwoumllf Grundsaumltze fuumlr die Arbeit von Kinder- und Jugendhospizen verfasst Das seien komplexe Themen von der Betreuung der Kinder bis zur Oumlffentlich-keitsarbeit fuumlr die jeweils ein aus den drei Kategorien Haltung Strukturen und Prak-tiken bestehender Fragebogen entstan-den ist bdquoEinige Fragen die wir als wichtig erachtet hatten wurden in der Praxis nicht angenommen Andere wiederum haben wir ergaumlnzt Jetzt ist der QuinK fitldquo ist Stefanie Hurth stolz auf das Ergebnis Und Sven Jen-nessen ergaumlnzt bdquoDie Ruumlckmeldungen waren insgesamt sehr positivldquo

Nun soll der QuinK Verbreitung finden Fachvortraumlge auf Konferenzen Artikel in Fachzeitschriften Die Arbeit des Jennessen-Teams ist noch laumlngst nicht abgeschlossen bdquoWir haben aber gute Startvoraussetzun-gen schlieszliglich waren die Praktiker vom DHPV von Anfang an an Bordldquo so Jennes-sen (kap)

QuinK neuer QualitaumltsindexEin neuer Index soll die Betreuung in Kinder- und Jugendhospizeinrichtungen verbessern

Dieser Aufgabe haben sich Professor Dr Sven Jennessen und Stefanie Hurth vom Institut

fuumlr Sonderpaumldagogik in den letzten Monaten gewidmet Nun praumlsentieren sie das

Ergebnis ihrer Arbeit den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit kurz QuinK

Ein Jahr lang hat Stefanie Hurth den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit getestet Nun ist der bdquoQuinKldquo fertig und soll im Oktober in die Praxis gehen

18 NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Nach der neuen Gallup-Studie ist die Ar-beitszufriedenheit zwar im Vergleich zum letzten Jahr gestiegen trotzdem kritisch Nur wenige Menschen fuumlhlen sich bei ihrer Arbeit wertgeschaumltzt Sie suchen stattdes-sen ihr Gluumlck in der Freizeit Hinzu kommt ein dramatischer Anstieg von psychischen Erkrankungen wie dem Burnout-Syndrom Wie kann man mit diesen Gefahren umge-hen

Eine potenzielle Loumlsung liegt im Bereich der positiven Psychologie Sie befasst sich damit unter welchen Umstaumlnden Personen Wohlbefinden Gluumlck und Zufriedenheit erleben Waumlhrend sich vor den 90er Jahren die Sozial- und Verhaltenspsychologen vor allem mit den Defiziten beschaumlftigt haben untersucht man seit 1998 psychologische Prozesse die dazu fuumlhren dass Menschen zufrieden und gluumlcklich und dadurch leis-tungsfaumlhiger sind

Ottmar L Braun ist auszligerplanmaumlszligiger Professor in der Arbeitsgruppe Sozial- und Wirtschaftspsychologie am Campus Landau und befasst sich mit positiver Psycholo-gie Zur Thematik Unzufriedenheit im Job bekraumlftigt er bdquoDie Forschung hat deutlich gezeigt dass sich Techniken der positiven Psychologie vorteilhaft auf die Arbeits- und Lebenszufriedenheit auswirkenldquo Besonders interessant sei das fuumlr Krankenkassen da sie sich mit Krankheit und Gesundheit ausei-

nandersetzen und auch als erste die Kosten von langfristigen Ausfaumlllen zum Beispiel durch Burnout tragen muumlssen Braun wei-ter bdquoDann muumlssen die sich natuumlrlich fragen Wie kommt dasldquo

Braun meint Arbeit duumlrfe nicht krank machen Arbeit muumlsse eher die Moumlglich-keit bieten dass man sich positiv entfalten koumlnne Deshalb muumlssten sich Arbeitgeber darum bemuumlhen dass die Leute mit mehr Spaszlig zur Arbeit kommen bdquoDaruumlber hinaus muumlssen Arbeitnehmer Aufgaben bekom-men um ihre Staumlrken ausleben zu koumlnnenldquo Er konkretisiert bdquoSie brauchen Aufgaben an denen sie persoumlnlich wachsen wo sie quasi aufbluumlhen koumlnnenldquo

In der positiven Psychologie sei der Begriff bdquoaufbluumlhenldquo elementar denn bdquoWenn Per-sonen etwas geleistet haben sprich Ziele erreichen dann sind sie zufriedener und haben wenig handlungsirrelevante Kogniti-onen oder Ablenkung Sie koumlnnen sich wie-der auf ihre Aufgaben konzentrieren und dadurch mehr leistenldquo begruumlndet Braun Zufriedenheit am Arbeitsplatz habe aber auch immer etwas mit der Entwicklung von Fuumlhrungskraumlften zu tun Nach Braun muumlss-ten sie darauf achten dass sie ihr Team ge-sund fuumlhren bdquoKrankenkassen wie die AOK Rheinland-PfalzSaarland bieten deshalb extra Programme dafuumlr an an denen wir als Team der Universitaumlt Koblenz-Landau

beteiligt sindldquo Eine weitere Moumlglichkeit fuumlr Arbeitgeber sieht Braun in regelmaumlszligigen Mitarbeiterbefragungen bdquoIm Rahmen von Folgeprozessen kann man dafuumlr sorgen dass zufriedenstellende Arbeitsbedingun-gen vorhanden sind und Missstaumlnde abge-schafft werdenldquo

Allerdings sei die Schuld nicht nur beim Arbeitgeber zu suchen Auch die Mitar-beiter sollten darauf achten ob sie an der richtigen Stelle im Unternehmen eingesetzt oder ob sie vielleicht irgendwo anders bes-ser aufgehoben seien Braun stellt klar bdquoVor der innerlichen Kuumlndigung sollte Unzufrie-denheit konstruktiv zum Ausdruck gebracht werden um dann vielleicht an einer sinn-volleren Stelle eingesetzt zu werdenldquo

Der Professor bemerkt dass die positive Psychologie allerdings nichts Neues sei bdquoIn der Arbeits- und Organisationspsychologie in der wir uns hier bewegen haben Wissen-schaftler ja schon immer das Thema Arbeits-zufriedenheit untersuchtldquo Es sei von daher ein ganz altes Forschungsgebiet welches nun durch die positive Psychologie neu be-reichert werde

Spielend zum GluumlckBraun hat an der Universitaumlt eine eige-

ne Studie zur Zufriedenheit durchgefuumlhrt

Unzufrieden im Job Positive Psychologie kann helfen

Viele kennen es Wenn Montagmorgen der Wecker klingelt faumlllt das Aufstehen oft

schwer besonders wenn man unzufrieden mit seiner Arbeit ist Aber warum ist man

unzufrieden und wie kann positive Psychologie dabei helfen die Unzufriedenheit zu

uumlberwinden NeuLand hat mit dem Professor fuumlr Wirtschaftspsychologie Dr Ottmar L

Braun uumlber die Psychologie der positiven Dinge gesprochen

19NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Dabei wurden Studierende einen Tag lang in Techniken der positiven Psychologie un-terrichtet bdquoAuszligerdem haben sie ein Gluumlcks-tagebuch bekommen bei dem sie ihre Gluumlcksmomente niederschreiben koumlnnen und einiges uumlber Smalltalk und Networking gelerntldquo Die Ergebnisse wuumlrden zeigen dass sich die Zufriedenheit der Studieren-den kurzfristig aber auch langfristig positiv veraumlndere Zudem seien ihr Optimismus und die Studienmotivation angestiegen depressive Verstimmungen gesunken Braun verdeutlicht bdquoAlles so wie man sich das wuumlnschtldquo

In seiner Forschung versucht er eine Bruuml-cke zu schlagen zwischen Techniken der positiven Psychologie und Techniken des Selbstmanagements Das wuumlrde gut pas-sen denn auch in der positiven Psychologie wuumlrden oft Tipps gegeben wie man etwas angehen solle versichert Braun Eine ganz prominente Uumlbung beim Selbstmanage-ment und in der positiven Psychologie sei die bdquoWas ist gut gelaufen-Uumlbungldquo Dabei geht es darum dass man am Abend uumlber-legen soll welche drei Dinge am Tag gut gelaufen sind und welche seiner Staumlrken es waren die dazu beigetragen haben Das sei eine Uumlbung die in der gesamten Literatur empfohlen werde Der Namensgeber der positiven Psychologie Martin Seligman habe zeigen koumlnnen dass die Anwendung

dieser Uumlbung dazu fuumlhre dass Leute nach sechs Monaten weniger depressiv seien Seligman fuumlhre das darauf zuruumlck dass das eine selbstverstaumlrkende Wirkung habe so Braun bdquoDie Leute merken dass sie sich bes-ser fuumlhlen wenn sie daruumlber nachdenken was heute gut gelaufen ist und warum Und deshalb wiederholen sie den Vorgangldquo Es habe dadurch eine langfristige Wirkung

Brauns neuestes Aushaumlngeschild ist ein Brettspiel namens bdquoCareer Games ndash spie-lend trainierenldquo bdquoWir haben Seminare ent wickelt bei denen wir Selbstmanage-ment-Kompetenzen in verschiedenen Le-bens- oder Inhaltsbereichen von Personen staumlrken koumlnnen Dazu dient auch ein Brett-spiel bei dem die Teilnehmer verschiedene Inhaltsbereiche der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder auch Smalltalk und Networking spielend erlernenldquo Jeder Spieler bekomme im Spiel eine Figur und muumlsse seinen Weg durch das Spielfeld wuumlrfeln so Braun bdquoAuf den Fel-dern muumlssen sie dann Quizkarten ziehen die das im Seminar Gelernte noch einmal aufarbeitenldquo Dabei muumlssten sie beispiels-weise drei Dinge nennen die sie in ihrem Leben gluumlcklich machen bdquoDurch den Spiel-charakter lernt man mehr als nur uumlber Se-minareldquo Mit Erfolg Erste Untersuchungen zeigen positive langfristige Effekte durch die Seminar-Brettspiel-Kombination (dan)

Tipps fuumlr die positive Fuumlhrung von Ottmar Braun

Fuumlhrungskraumlfte muumlssen eine gute zwischenmensch-liche Beziehung zu jedem einzelnen Mitarbeiter unterhalten Sie muumlssen auch verbindliche Aussagen machen und zu diesen Aussagen stehen Des Weiteren sollte ein Chef seine Angestellten unterstuumltzen wenn es notwendig ist Wichtig ist auch keinen unnoumltigen Druck aufzubauen sondern Staumlrken von Mitarbeitern kennen zu lernen und zu foumlrdern Von Vorteil koumlnnen auch Begruumlszligungs- und Krankenruumlckkehrgespraumlche sein Es koumlnnte ja sein dass die Krankheit etwas mit den Arbeitsbedingungen zu tun hat Natuumlrlich sind auch Teamsitzungen und Teambildungsmaszlignahmen von groszliger Bedeutung um ein angenehmes Arbeits-klima herzustellen

Spielend lernen Mit dem Brettspiel bdquoCareer Gamesldquo erlernen die Spieler verschiedene Inhalte der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder Smalltalk und Networking

20 NeuLand 2014 03

Psychotherapie-Ambulanz

Wie eine Baustelle sieht die psychothera-peutische Uni-Ambulanz nicht mehr aus Den Abdeckplanen sind bunte Stuumlhle und Stofftiere gewichen im Eingangsbereich liegen Fachmagazine und das Buumlro von Professorin Dr Tina In-Albon ist bereits voller Buumlcher Und doch bdquoist hier noch alles Baustelleldquo so die Professorin fuumlr Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kin-des- und Jugendalters Nach Therapeuten werde noch gesucht die ersten Behandlun-gen seien angelaufen Forschungsprojekte in Planung bdquoEine spannende Phaseldquo bekraumlf-tigt die Ambulanzleiterin

Von nun an wird sich das zehnkoumlpfige Team um die Professorin In-Albon und Ge-schaumlftsfuumlhrerin Dr Daniela Schwarz mit den psychischen Erkrankungen der suumld-pfaumllzer Kinder und Jugendlichen befassen Die Kosten fuumlr die psychotherapeutische Behandlung uumlbernehmen bei Indikation die Krankenkassen Hinzu kommt ein wei-terbildender Studiengang zur Ausbildung in Kinder- und Jugendlichenpsychothe-rapie der im Wintersemester 201415 mit zwoumllf Teilnehmern pro Jahrgang startet In Rheinland-Pfalz ist die Universitaumlt Kob-lenz-Landau in diesem Bereich die einzige universitaumlre Ausbildungsstaumltte Neben der hauseigenen Ambulanz kooperiert der Studiengang mit dem Pfalzklinikum in Klin-genmuumlnster sowie anderen kinder- und ju-gendpsychiatrischen Kliniken in der Region

Kaum eroumlffnet schon stehen die ersten Forschungsprojekte an Derzeit liegt ein Fokus in der Behandlung von Angststoumlrun-gen und Depressionen bdquoVielen Depressio-nen gehen Aumlngste voraus Daher lohnt es diese beiden zusammen zu betrachtenldquo so

Tina In-Albon Laut Statistik leiden zirka 20 Prozent der Erwachsenen und zirka 10 Pro-zent der Kinder unter Angststoumlrungen bei Depressionen sind es sogar 40 Prozent der Erwachsenen und im Jugendalter auch be-reits zwischen 15 und 20 Prozent In Planung befindet sich daher eine Therapiestudie fuumlr Jugendliche mit Angst- und depressiven Stoumlrungen Ein weiterer Forschungsbereich ist das nicht-suizidale selbstverletzende Verhalten im Volksmund auch als bdquoRitzenldquo bekannt bdquoDa machen wir eher Grundla-genforschungldquo so die Professorin Ein spe-zifisches Therapieangebot gebe es derzeit noch nicht ndash bdquodas kann sich aber alles noch entwickelnldquo

Einen weiteren Forschungsschwerpunkt stellt die psychische Gesundheit bei Kindern mit Diabetes dar insbesondere bei Diabetes vom Typ I der im Gegensatz zum bdquoAltersdi-abetesldquo II auch bei Kindern und Jugendli-chen verbreitet ist bdquoHier wissen wir uumlber

Erste Forschungsprojekte stehen an

Ende Juni offiziell eingeweiht hat die Psychotherapie-Ambulanz fuumlr Kinder und Jugend-

liche die Arbeit aufgenommen Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen

haben nun in Landau eine neue Anlaufstation Und auch die Forschung profitiert von der

Einrichtung

die medizinische Forschung zwar schon eine Mengeldquo sagt Tina In-Albon aber aus psychologischer Sicht sei das Thema noch relatives Neuland Wie etwa sieht es bei der psychologischen Betreuung der Kinder aus aber auch der Eltern der Lehrer und sons-tiger zentraler Bezugspersonen Wird die Krankheit und deren Umgang akzeptiert Wie koumlnnen Psychotherapeuten helfen Auch hier schlummert ein Forschungspo-tenzial fuumlr In-Albon bdquoVieles ist im Aufbauldquo sagt sie beschwichtigend Und doch laumlsst sie im Gespraumlch mit NeuLand durchblicken dass sie auch auf diesem Gebiet noch inten-siver forschen moumlchte

Neben der Forschung ist die Hochschul-ambulanz auch in die Lehre im Rahmen des Masterstudiengangs Klinische Psychologie eingebunden So werden die Studierenden beispielsweise in die Diagnostik einbezogen und koumlnnen unter Supervision in Patienten-gespraumlchen Praxiserfahrung sammeln (kap)

In der neuen Universitaumltsambulanz fuumlr Kinder und Jugendliche wird die ganze Palette der psychischen Stoumlrungen behandelt

21NeuLand 2014 03

Wenn man sich seine Dozenten auszligerhalb der Universitaumlt vorstellt dann ist es wohl in einem Sessel vor einem uumlberfuumlllten Buumlcher-regal mit einem wissenschaftlichen Buch in der Hand vielleicht noch mit einem Hund zu den Fuumlszligen Wenige Studenten glauben dass ihre Dozenten moumlglicherweise eine spannendere Freizeitgestaltung haben als sie selbst

Bei Walter H Schreiber ist das aber so Seit dem Sommer 2013 ist er 3D-Bogenschuumltze 3D-Bogenschieszligen bedeutet nicht dass man mit einer 3D-Brille und einem virtu-ellen Bogen bewaffnet auf herannahende Tiere oder Aliens schieszligt Eigentlich ist das 3D-Bogenschieszligen vielmehr die Wieder-entdeckung des sportlichen Jagens mit Pfeil und Bogen ohne einem Tier Schaden zuzufuumlgen Es erinnert an eine Art Golf Der Schlaumlger wird zum Bogen der Ball zum Pfeil und statt eines Abschlags hat man einen Abschuss-Punkt Das Ziel ist aber kein Loch sondern zum Beispiel ein Fasan oder eine Riesenspinne welche von Vereinsmitglie-dern angefertigt und im Parcours platziert wurde

Schreiber ist seit Dezember Mitglied beim Verein Palatina Bogenschuumltzen eV in Ins-heim suumldlich von Landau Davor absolvierte er bereits einen Pfeil und Bogen-Intensiv-kurs in der Eifel bdquoDamit sich nicht bereits am Anfang grobe Fehler einschleichenldquo bekraumlf-tigt Schreiber Sein Sohn sei auch Bogen-schuumltze habe aber unabhaumlngig von ihm zur selben Zeit angefangen Auf die Frage wa-rum er nicht das klassische von Olympia be-kannte Bogenschieszligen ausuumlbe antwortet Schreiber bdquoDa gibt es zu viele Regelnldquo Au-szligerdem sei er ein intuitiver Schuumltze welcher ndash im Gegensatz zum strategischen Schuumltzen ndash sich voll und ganz auf seine Erfahrung und sein Bauchgefuumlhl verlasse Zwar ist Schrei-ber schon seit einem Jahr leidenschaftlicher Bogenschuumltze trotzdem gilt er im Verein

Entspannung vom AlltagWaumlhrend die Studierenden fast immer wissen ob ein Dozent freundlich oder streng ist

koumlnnen sich nur wenige vorstellen was diese mit ihrer Freizeit anfangen NeuLand war

einen Abend mit Dr Walter H Schreiber unterwegs Sein Hobby das 3D-Bogenschieszligen

noch als Anfaumlnger bdquoDeswegen behalte ich meine Ergebnisse bei Wettkaumlmpfen lieber fuumlr michldquo bemerkt er schmunzelnd

Sicherheit sei sehr wichtig betont Schrei-ber So muss sich jeder Schuumltze vorab in einem Schieszligbuch eintragen um zu sehen wie viele Leute auf dem Parcours unter-wegs sind Aus gutem Grund Auf dem 500 Meter langen und mit 28 Zielen bestuumlckten Parcours kann man leicht den Uumlberblick verlieren Zwei bis drei Stunden dauert die Durchquerung des Kurses Manchmal machen es abgeknickte Aumlste und ein rut-schiger Untergrund gar nicht so einfach die Ziele zu treffen Trotzdem wuumlrden die meisten Unfaumllle nicht beim Schieszligen selbst passieren sondern beim Herausziehen der Pfeile aus den Koumlrpern der Ziele meint Schreiber Ein Vereinskollege ergaumlnzt bdquoWich-

tig ist uns dass wir das 3D-Bogenschieszligen nicht als Vorstufe zur Jagd mit Pfeil und Bogen sehen Es ist vielmehr ein Sport bei dem man sich deutschlandweit mit anderen Schuumltzen messen kannldquo Im Gegensatz zum klassischen Bogenschieszligen schieszlige man nicht auf langweilige Zielscheiben sondern durchlaufe einen interessanten Parcours

Fuumlr Schreiber ist das Bogenschieszligen Ent-spannungskur vom alltaumlglichen Uni-Stress bdquoNach der Arbeit auf den Parcours zu gehen befreit meinen Kopfldquo Verstaumlndlich denn das leise Zischen des Pfeiles und die Ruhe im gruumlnen naturbelassenen Gelaumlnde hat etwas Erholendes Auszligerdem hat Schreiber beim Verein Palatina Freunde gefunden mit denen er an fast jedem Donnerstag und Sonntag durch den Parcours streift ndash auf der Jagd nach kuumlnstlichen Tieren (dan)

Hobby 3D-Bogenschieszligen

Beim 3D-Bogenschieszligen findet Walter H Schreiber Entspannung vom alltaumlglichen Uni-Stress

22 NeuLand 2014 03

Summer School

In der Reihe bdquoE-Mail aus hellipldquo berichtet Sozialwissenschafts-Student Daniel Schumacher

von der Summer School aus dem polnischen Wroclaw

Liebes NeuLandCześćaus Wroclaw Manchmal reicht ein

akademischer Kurz-Urlaub um ein Land und die

Leute lieben zu lernen

Zum Ende meiner akademischen Laufbahn wollte

ich das Studentendasein noch einmal voll und

ganz genieszligen und habe mich entschlossen eine

Summer School zu besuchen Fast jeder unserer

Fachbereiche bietet so etwas an Fuumlr mich ging die

Reise unter der Leitung von Professor Dr Siegmar

Schmidt (Politikwissenschaften) nach Wroclaw Polen

Erasmus-finanziert begann meine Hinfahrt in einem

Fernbus von Karlsruhe direkt nach Breslau so der alte

deutsche Name fuumlr Wroclaw

Hier angekommen bezogen wir ndash meine Wenigkeit

mit sieben anderen Deutschen ndash unsere Zimmer in

einem Studentenwohnheim oder wie ich es nenne

bdquoPlattenromantik-Hotelldquo Von auszligen neu gestrichen

verspruumlhte das Haus von innen den gesamten

Ostblock-Charme der Kalten-Krieg-Aumlra Das war

fuumlr mich aber auch das einzig Negative waumlhrend

meiner zweiwoumlchigen Summer School Bereits

am ersten Tag lernten wir beim bdquoget-togetherldquo

die anderen Teilnehmer kennen 70 Studenten

aus uumlber acht Laumlndern wollten mehr uumlber die

europaumlische Finanzkrise lernen und ndash wie ich ndash neue

Freundschaften knuumlpfen

Ab dem zweiten Tag war unser neues Zuhause ein

Houmlrsaal beim Institut fuumlr Politikwissenschaft Dort

E-Mail aus hellip Wroclaw

lernten wir wie verschiedene europaumlische Staaten mit

der Finanzkrise zu kaumlmpfen hatten und stellten jeweils

unsere Laumlnder selbst vor

Nach der ersten Woche wurden wir in verschiedene

Gruppen aufgeteilt um uumlber Innovation im

oumlffentlichen und privaten Sektor zu forschen

Forschen bedeutete dabei dass wir polnische

Buumlrger interviewten die entweder im privaten oder

oumlffentlichen Bereich taumltig sind Mein bdquoResearch-Haufenldquo

war bunt gemischt ndash von Belgiern uumlber Rumaumlnen

bis hin zu Ukrainern Ohne Verstaumlndigungsprobleme

meisterten wir unseren Arbeitsauftrag was am letzten

Tag feucht-froumlhlich mit allen gefeiert wurde

Am Ende moumlchte ich noch eine Lanze fuumlr die Stadt

Wroclaw und das Land Polen brechen Wir wurden

sehr herzlich aufgenommen Die Stadt mit ihrer

(deutschen) Geschichte war atemberaubend Nicht

nur die alten Gebaumlude haben es mir angetan sondern

die Atmosphaumlre rund um den historischen Stadtkern

Ich habe in diesen zwei Wochen sehr viele Menschen

kennen gelernt einige wuumlrde ich nun als enge Freunde

bezeichnen Das erste Wiedersehen mit Studenten aus

Belgien und Tschechien ist bereits geplant

Bis bald im guten alten Landau

euerDaniel Schumacher

23NeuLand 2014 03

Hochschulgruppe

Eigentlich kommt Cornelia Spengler aus einem ganz anderen Fachgebiet Nach ih-rem Biologiestudium am Karlsruher Insti-tut fuumlr Technologie promoviert sie derzeit in Landau im Fachbereich Natur- und Um-weltwissenschaften Aber auch an sozialer Arbeit hatte sie schon immer Interesse Sie wollte sich nicht nur mit der Wissenschaft beschaumlftigen sondern mit Menschen zu-sammenarbeiten So entdeckte sie fuumlr sich ein sensibles Thema die Integration und Bildungsgerechtigkeit

Cornelia Spengler wollte nicht nur reden sondern handeln In der SchuumllerNavi-Grup-pe in Aachen fand sie ein Vorbild nach dem sie am Campus Landau gemeinsam mit Stu-dentin Sylvia Klaus eine Hochschulgruppe aufbaute Ziel sollte es sein Schuumller zu foumlr-dern die durch ihre mangelnden Deutsch-kenntnisse in der Schule Probleme haben und deren Eltern das Geld fuumlr Nachhilfe nicht aufbringen koumlnnen bdquoWenn die Eltern zu Hause kaum Deutsch sprechen haben die Kinder dort auch wenig Unterstuumltzung fuumlr die Schule Diktate zu uumlben ist dann schlichtweg nicht moumlglichldquo erklaumlrt Speng-ler

SchuumllerNavi bietet neben Hausaufgaben-betreuung und Nachhilfeunterricht auch kulturellen Austausch Mittlerweile betei-ligen sich in der Hochschulgruppe uumlber 20 Studenten die den Schuumllern in schulischen

Aktive Arbeit statt bloszlige TheorieUumlber Integration zu reden bringt nicht viel Sie muss gelebt werden Darum gruumlndete die

Landauer Doktorandin Cornelia Spengler mit Studentin Sylvia Klaus die Hochschulgruppe

SchuumllerNavi die immer mehr Mitglieder zaumlhlt Wie man Integration foumlrdern kann und was

den Ehrenamtlichen ihre Arbeit bringt daruumlber sprach sie mit NeuLand

Belangen zur Seite stehen ihnen das Uni-Leben zeigen und ihnen zuhoumlren wenn sie Probleme haben

Spengler selbst betreut zwei Bruumlder mit tamilischen Wurzeln Um Beruumlhrungspunk-te zu schaffen die fuumlr den Aufbau eines Ver-trauensverhaumlltnisses wichtig sind hat sie mit den Jungs auf dem Campus beispiels-weise gemeinsam mikroskopiert Einer der beiden Bruumlder war stark versetzungsgefaumlhr-det und hat es nun in die naumlchste Klasse geschafft Ein Stuumlck weit schreibt sie diesen Erfolg SchuumllerNavi zu

bdquoSchwierig ist es zu unterscheiden welche Kinder wirklich der Foumlrderung beduumlrfenldquo so Spengler In Konkurrenz mit Nachhilfe-Firmen will die Gruppe nicht treten Ziel-gruppe sind Kinder die in der Schule haumlufig nicht ausreichend gefoumlrdert werden und deren Eltern sich keine professionelle Nach-hilfe leisten koumlnnen Daher hat SchuumllerNavi Kooperationen mit sozialen Institutionen Landaus die ihnen die Kontakte weiterver-mitteln bdquoDer Bedarf ist riesig Wir koumlnnen ihn gar nicht deckenldquo berichtet Spengler Daher ist die Hochschulgruppe auch staumln-dig dabei neue Mitglieder zu werben

Fuumlr die Zukunft plant die Hochschul-gruppe eine weitere Kooperation mit ELKE (Eltern Kompetenzen erlernen) um die El-tern weiterzuschulen beispielsweise mit Sprachkursen Dadurch sollen diese ihren

Kindern besser bei schulischen Aufgaben selbst helfen koumlnnen

Neben dem Gefuumlhl etwas Gutes zu tun sieht Spengler aber auch andere Vorteile fuumlr das Ehrenamt Gerade Lehramtsstu-denten koumlnnen sich hier ausprobieren und paumldagogische Konzepte umsetzen die sie aus der Theorie kennen Jeder koumlnne viel lernen erklaumlrt sie Man uumlbe hier nicht nur den Umgang mit Kindern und Jugendli-chen sondern lerne auch viel uumlber fremde Kulturen Sie selbst habe von ihren zwei Nachhilfeschuumllern bereits viel uumlber Feierta-ge und Sitten ihrer Kultur aber auch einzel-ne Vokabeln ihrer Sprache gelernt Und die Schuumller seien sehr interessiert an deutschen Gebraumluchen und Eigenarten

Fuumlr das ehrenamtliche Engagement hat SchuumllerNavi bereits Preise bekommen Bei der Initiative fuumlr Integration von bigFM be-legten sie den dritten Platz Das Preisgeld investierte die Gruppe unter anderem um mit ihren Schuumllern die Zooschule zu besu-chen In diesem Jahr erhaumllt SchuumllerNavi zu-dem den Campus-Kulturpreis des Campus Landau

bdquoMan redet immer uumlber Integration Von Menschen mit Migrationshintergrund wird erwartet sich hier zu integrieren Aber das liegt ja auch an uns Man muss sie auf die-sem Weg unterstuumltzenldquo erklaumlrt Doktorandin Spengler (rst)

Termine ImpressumHerausgeberReferat fuumlr Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit der Universitaumlt Koblenz-Landau Campus Landau Fortstraszlige 7 76829 Landau

RedaktionsteamKerstin Theilmann (ket) (verantw) Berend Barkela (bb) Wilfried Dorsch (wdo) Sebastian Kapp (kap) Daniel Schumacher (dan) Rosa Stecher (rst)

LayoutMedienzentrum Campus Landau Berend Barkela

FotosTitel Imago Fotoarena S 2 S 3 privat S 5 Imago Xinhua S 7 oben kanvag - Fotoliacom S 7 unten Medienzentrum Hiller S 9 Imago ITAR-TASS S 10 Imago Steinach S 11 Imago DeFodi S 13 Imago PPfotodesign S 15 JiSign - Fotoliacom S 17 Medienzentrum Hiller S 19 Medienzentrum Barkela S 20 Medienzentrum Hiller S 21 und 22 Daniel Schumacher

KontaktKerstin TheilmannTel 06341 280-32219 E-Mail theiluni-koblenz-landaude

Aus Gruumlnden der besseren Lesbarkeit verwenden wir in unseren Artikeln die maumlnnliche Form Damit sind stets Frauen und Maumlnner gemeint

Die Redaktion behaumllt sich die Kuumlrzung und Uumlberarbeitung von Texten vor Die Meinung einzelner AutorinnenAutoren gibt nicht immer die Meinung der Redaktion wieder

28101014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Florian Ostertag Atrium Infos unter wwwasta-landaude

05112014 ab 2130 Uhr Atriumsfete Infos unter wwwasta-landaude

06112014 20 Uhr Poetry Slam Landau Universum Kinocenter Infos unter wwwzkwuni-landaude

19112014 1930 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Friedensprojekt Europa in der Krise Mit Bundesministerin aD Heidemarie Wieczorek-Zeul und weiteren Gaumlsten Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

19112014 21 Uhr Konzert bdquoBeats und Pianoldquo Audimax Infos unter wwwasta-landaude

1122014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Unland Atrium Infos unter wwwasta-landaude

03122014 19 Uhr Hambacher Gespraumlch Meine Daten gehoumlren den Unternehmen Hambacher Schloss Infos unter wwwfliuni-landaude

05122014 1930 Uhr Reihe bdquoGroszlige Begegnungenldquo mit Sternekoch Alfons Schubeck Jugendstil-Festhalle Landau Infos unter wwwzkwuni-landaude

08122014 1900 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Frieden durch Demokratie Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

Ausblick 13 - 15012015 Poetik-Dozentur mit Rafik Schami Infos unter wwwzkwuni-landaude

Weitere Termine unter wwwuni-koblenz-landaudeaktuell wwwuni-koblenz-landaudeblog

Page 15: Neuland Ausgabe 3/2014

15NeuLand 2014 03

Nutzen und Folgen des Internets

Das Schnuumlren zeitgemaumlszliger Themen und Inhalte ist zentral um das ZFUW wettbe-werbsfaumlhig zu halten Derzeit unterhaumllt es die Programmbereiche Umwelt Energie und Management Expertise holt sich das ZFUW vorrangig aus den eigenen Reihen der Ko-

gogikldquo Damit sollen Lehrerinnen und Leh-rer fit gemacht werden fuumlr den schulischen Alltag in Zeiten der Inklusion bdquoDie Laumlnder stellen zwar den Finanzbedarf fuumlr Inklusion in der Schule allerdings fehlt eine profun-de Qualifizierung der Lehrkraumlfteldquo erklaumlrt Lehmann den Ansatz des neuen Weiterbil-dungsprogramms Mit einem Kooperati-onspartner bereitet das ZFUW ein weiteres Programm vor bdquoBusiness Communications and Rhetoricldquo

Weiterbildung heute so wichtig wie noch nie

Fuumlr das berufliche Weiterkommen ist Wei-terbildung heute so zentral wie noch nie bdquoDie Halbwertszeit des Wissens wird immer kuumlrzerldquo bekraumlftigt Claudia Ehrhardt Die PIAAC-Studie habe daher auch gezeigt wie wichtig Kompetenzaufbau -erhalt und -er-weiterung in der Berufswelt seien Die zahl-reichen Innovationswellen im beruflichen Kontext gerade im EDV- oder Produktions-kontext lassen den Bedarf an Weiterbildung kontinuierlich steigen versichert Burkhard Lehmann Warum Menschen letztendlich sich fuumlr eine Weiterbildung entscheiden da-fuumlr gebe es drei zentrale Gruumlnde Lehmann unterscheidet zwischen Selbstperfektionie-rern Tool-Suchern und Karriere- oder Ab-schlussorientierten Der ersten Gruppe liegt daran die eigene Persoumlnlichkeit weiterzu-entwickeln und sich fuumlr private Interessen mehr Wissen anzueignen Die Tool-Sucher erweitern gezielt ihre Kompetenzen um

Die AWW

Die Arbeitsstelle fuumlr die Weiterbildung der Weiterbil-denden (AWW) foumlrdert die Zusammenarbeit zwischen rheinland-pfaumllzischen Hochschulen und Weiterbil-dungsorganisationen Der bundesweit einzigartige Verein ist eine wichtige Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis im Bereich der Weiterbildung Gegruumlndet wurde die AWW 1998 auf Initiative des Ministeriums fuumlr Bildung Wissenschaft Weiterbil-dung und Kultur Die AWW hat ihren Sitz in Landau und ist der Universitaumlt Koblenz-Landau angegliedert Unter dem Motto bdquoBesser lehren lernenldquo organisiert die AWW Workshops und Fachtagungen fuumlr Personen die in der Weiterbildung taumltig sind wwwaww-landaude

blenzer und Landauer Wissenschaftler bdquoWir arbeiten aber auch konsortialldquo so Lehmann bdquound halten somit ein bestimmtes Know-how vor das an den Standorten unserer Uni-versitaumlt nicht verfuumlgbar istldquo Selbst wenn die Flexibilitaumlt bestehe auch nicht einschlaumlgige Themen zu vertreten entwickele das ZFUW vornehmlich Angebote im Kernbereich der Universitaumlt Koblenz-Landau

Derzeit arbeiten Lehmann und sein Team an dem neuen Programm bdquoInklusionspaumlda-

berufliche Herausforderungen meistern zu koumlnnen Vertreter der dritten Gruppe tum-meln sich vorwiegend im akademischen Feld Da man fuumlr die Ausuumlbung bestimmter Funktionen im beruflichen Aufstieg meist Bescheinigungen uumlber entsprechendes Wissen oder Kompetenzen benoumltigt ori-entiert sich deren Weiterbildungsbedarf an Abschluumlssen

Entsprechend unterscheidet Lehmann auch zwischen drei Weiterbildungsberei-chen die klassische die betriebliche und die wissenschaftliche Weiterbildung Die klassische Weiterbildung wird beispiels-weise von Volkshochschulen betrieben und richtet sich an ein breites Publikum Im betrieblichen Kontext sollen Arbeitnehmer ihre Kompetenzen erweitern und ihr Wissen erhoumlhen beispielsweise wenn Vertriebs-mitarbeiter im Umgang mit einem neuen Produkt geschult werden muumlssen oder eine neue Software im Unternehmen eingefuumlhrt wird Die wissenschaftliche Weiterbildung ermoumlglicht akademisch vorqualifiziertem Personal sich auf neue Aufgaben etwa als Fuumlhrungskraft vorzubereiten

Die Zeiten in denen Lernen mit dem Verlassen der Schule dem Abschluss der Ausbildung oder dem Universitaumltsexamen beendet war sind definitiv vorbei Wer im Berufsleben bestehen will wird um regel-maumlszligige Weiterqualifizierung nicht umhin kommen PIACC soll in einem Rhythmus von zehn Jahren wiederholt werden um ein Laumlngsschnitt-Bild der Entwicklung zu er-halten Man darf gespannt sein wohin sich die Kompetenzen deutscher Erwerbstaumltiger entwickeln (ket)

16 NeuLand 2014 03

Sprachbedrohung und Sprachentod

Sprachbedrohung und Sprachentod sind ein weltweites Phaumlnomen Linguisten ge-hen davon aus dass etwa alle zwei Wochen eine Sprache stirbt In 100 Jahren so schaumlt-zen Sprachforscher werden im besten Fall noch die Haumllfte dieser Sprachen existieren vielleicht aber auch nur noch zehn Prozent von ihnen Waumlhrend die 20 groumlszligten der zir-ka 6800 lebenden Sprachen von der Haumllfte der Weltbevoumllkerung gesprochen werden weisen die meisten Sprachen eine Gemein-schaft von nur wenigen hundert oder tau-send Sprechern auf Von bevorstehendem Sprachentod spricht man wenn eine Spra-che aufhoumlrt Muttersprache oder Erstspra-che zu sein ndash also dann wenn sie nur noch sekundaumlr erlernt wird und damit die noumltige Sprachpflege verliert Der endguumlltige Tod tritt ein wenn es keine Sprecher mehr gibt

Sprachbedrohung und Sprachentod fin-den auf allen Kontinenten statt und neh-men ein immer schnelleres Tempo auf je weiter die Globalisierung voranschreitet Viele andere Faktoren wie unter anderem starke Migrationsbewegungen Zuwande-rung und Urbanisierung sowie ein hohes Alter der Sprecher oder die geringe wirt-schaftliche Staumlrke einer Sprache wirken zudem auf den Sprachbestand ein Stark gefaumlhrdete Sprachen sind vor allem in den Regionen Nord- und Suumldamerika Austra-lien Asien Westafrika und in Nord- und Ostsibirien vorzufinden In diesen Regio-nen kommt es zur massiven Verletzung von Sprachenrechten

Anglistik-Professor Dr Martin Puumltz ist Linguist und beschaumlftigt sich mit Sprache und ihren vielfaumlltigen sozialen kulturel-len und psychologischen Auspraumlgungen Zusammen mit seiner Kollegin Dr Monika Reif hat er im Fruumlhjahr 2014 das 36 Interna-tionale LAUD Symposium organisiert das sich rund um das Thema Sprachbedrohung und Sprachentod drehte (siehe Infokasten) Puumltz erklaumlrt Sprache sei relevant da sie ein einzigartiger Schatz an Wissen Ideen und Weltansichten sei bdquoMit den fast 7000

Bevor sie verstummen hellipWeltweit existieren etwa 6800 Sprachen doch die Vielfalt nimmt rasant ab Was

bedeutet es wenn Sprachen sterben Was bleibt von einer Kultur uumlbrig wenn ihre Art

die Welt zu beschreiben wegfaumlllt und die Urahnen verstummen

Sprachen auf unserer Welt gibt es auch fast 7000 Arten die Welt auf unterschiedliche Art wahrzunehmen und sie zu beschreibenldquo erlaumlutert der Linguist Beispielsweise haben einige Sprachen der Ureinwohner Amerikas ein komplett anderes Zeitsystem Dinge in der Zukunft oder Vergangenheit auszudruuml-cken gehe in diesen Sprachen nicht mit den uns bekannten grammatikalischen Moumlg-lichkeiten

Sprache ist also nicht nur ein Mittel der Kommunikation sondern bietet einen tiefen Einblick in die Einstellungen und Wahrnehmungen gegenuumlber der Welt kon-serviert Traditionen und Geschichte einer Kultur und gibt einzigartiges Wissen an die naumlchste Generation weiter beispielsweise uumlber Heilmittel und Pflanzen aber auch Ge-fuumlhle Spiritualitaumlt und soziale Einsichten Es gibt so etwas wie eine kulturelle Identitaumlt und die wird maszliggeblich von Sprache ge-praumlgt Warum aber verschwinden so viele Sprachen von der Bildflaumlche Natuumlrlich gibt es viele aumluszligere Umstaumlnde warum Sprachen ihre Sprecher verlieren Gerade in der Kolo-nialzeit haben die Besatzer eine Vielzahl an Sprachen marginalisiert und unterdruumlckt teilweise wurden ganze Voumllker durch Krieg vernichtet z B durch die Kolonialisierung und Besiedlung Nord- und Suumldamerikas die Ausrottung indigener Voumllker in Australi-en oder durch die im 17 Jahrhundert einset-zende Russifizierungspolitik in Osteuropa im Kaukasus und in Sibirien Auch Natur-katastrophen wie Erdbeben oder Vulkan-ausbruumlche koumlnnen stark regional gepraumlgte Sprachen toumlten

Auch wenn Sprachwissenschaftler versu-chen bedrohte Sprachen durch Aufzeich-nung Uumlbersetzung sowie die Bewahrung und Verbreitung von Sprachaufzeichnun-gen zu dokumentieren erwecken sie diese dadurch nicht mehr zum Leben Mit No-tizbloumlcken und Aufnahmegeraumlten kann man zwar einen Teil des Wortschatzes der Grammatik und Aussprache festhalten in geringerem Maszlige jedoch Redewendungen

Gebraumluche und Beschreibungsmodelle fuumlr die Welt einfangen Nur wer eine Sprache muttersprachlich spricht kann ihre zahlrei-chen Facetten begreifen Sprachrevitalisie-rung gelingt nur in den seltensten Faumlllen Gegluumlckt ist dies beispielsweise beim mo-dernen Hebraumlisch Iwrith genannt das er-folgreich wiederbelebt und zur offiziellen Amtssprache Israels erhoben wurde Zu-meist ist der Sprachtod aber unwiderruflich

In aktuellen Faumlllen der Sprachbedrohung liege das Problem haumlufig nicht an der Um-welt sondern an anderer Stelle erklaumlrt Puumltz Wer einer Minderheitensprache maumlchtig ist hat oftmals das Gefuumlhl damit auf dem Bildungsweg oder im Berufsleben schlech-tere Chancen zu haben Eltern bestehen daher oft darauf dass ihre Kinder die indi-gene Sprache vernachlaumlssigen und statt-dessen eine dominante und wirtschaftlich starke Sprache wie Englisch Spanisch oder Franzoumlsisch zuerst erlernen bdquoSie geben da-mit eine verstaumlrkt negative Einstellung zur Muttersprache an die naumlchste Generation weiterldquo verdeutlicht Puumltz die Problemlage Der Globalisierungseffekt ist somit nicht zu unterschaumltzen denn waumlhrend z B das Eng-lische immer dominanter wird nimmt die Geringschaumltzung und damit einhergehende Vernachlaumlssigung indigener Sprachen wei-ter zu Um den Sprachentod aufzuhalten benoumltigt es also weniger Dokumentation als vielmehr eine grundlegende Aumlnderung der Einstellung zu Minderheitensprachen und indigenen Sprachen (rst)

Linguistic Agency University of DuisburgTrierLandau (LAUD)

Seit 1973 finden unter diesem Namen alle zwei Jahre Konferenzen zum Thema Sprache statt ndash zunaumlchst in Trier und Duisburg und seit 2000 in Landau Das 36 LAUD Symposium wurde im Fruumlhjahr 2014 zum Thema bedrohte Sprachen und Sprachentod veranstaltet Uumlber 90 Teilnehmer aus 25 Laumlndern besuchten die Veranstaltung

17NeuLand 2014 03

Kinder- und Jugendhospitzarbeit

Wie lassen sich die Arbeit und das Zu-sammenleben in Kinder- und Jugendhos-pizen verbessern Wie werden Kinder und Jugendliche wirkungsvoll begleitet die an einer unheilbaren Krankheit leiden oder die einen Trauerfall in der Familie verar-beiten muumlssen bdquoBislang konnten sich die Einrichtungen ausschlieszliglich durch ein Qua-litaumltssiegel bewerten lassenldquo sagt Sven Jen-nessen Das bedeute harte generalisierte Bewertungsfaktoren bdquoDabei unterscheiden sich die Einrichtungen teilweise gravierendldquo So sei etwa die Nachfrage nach tuumlrkischer Sprachkompetenz in einigen Einrichtungen zwar sehr hoch ndash es gebe aber auch Einrich-tungen bei denen der Bedarf schlicht nicht erkennbar sei Hier muumlsse man individuell auf die Beduumlrfnisse der Einrichtungen der Mitarbeiter der Kinder und Jugendlichen sowie der Familien eingehen Fuumlr Jennessen ist dies nur eines von vielen Beispielen bei dem sich die Schwaumlche starrer Bewertungs-

kriterien zeigt Immerhin muumlsse gerade in diesem sensiblen Bereich der Mensch im Mittelpunkt stehen ndash und keine Checkliste

Deshalb ist der Qualitaumltsindex fuumlr Kin-der- und Jugendhospizarbeit QuinK auch bdquoandersldquo Der Fokus liegt nicht nur auf den Antworten sondern auch auf der Kom-munikation zwischen den Beteiligten also zwischen haupt- und ehrenamtlichen Mit-arbeitern mit Eltern Kindern und auch Geschwistern bdquoNachhaltige Qualitaumltsent-wicklung funktioniert nur durch Kommuni-kation aller Beteiligtenldquo so der Ansatz von Sven Jennessen Und damit sind auch die Juumlngsten gemeint bdquoWir sehen die Kinder als Experten in eigener Sache anldquo erklaumlrt Stefanie Hurth Gerade die Einbeziehung der Geschwister stelle derzeit bei vielen Einrichtungen ein Problem dar Denn die muumlssten bei einer todbringenden Krank-heit der Schwester oder des Bruders haumlufig zuruumlckstecken Nur selten bleibe das ohne

Konflikte wodurch sie im schlimmsten Fall die Moumlglichkeit versaumlumten sich von ihren Geschwistern zu verabschieden bdquoHier gibt es kein Schema F Viel wichtiger ist dass die Betroffenen sich austauschen die Themen aufgreifen und dann Loumlsungen entwickelnldquo sagt Hurth

Der QuinK soll durch seine zur Reflexion anregenden Fragen diese Kommunikati-on ermoumlglichen und eine Art Diskussions-Agenda darstellen Daher wurde QuinK in den vergangenen Monaten in drei stationauml-ren Kinder- und Jugendhospizen und zwei ambulanten Kinderhospizdiensten getes-tet Jennessen und Hurth besuchten die Einrichtungen in Unna Duumlsseldorf Syke Darmstadt und Wiesbaden regelmaumlszligig bdquoDer QuinK ist nicht am gruumlnen Tisch ent-standenldquo sagt Sven Jennessen

Das Team aus Landauer Wissenschaftlern wurde unterstuumltzt vom Deutschen Hospiz- und Palliativverband (DHPV) Mit diesem zusammen wurden zwoumllf Grundsaumltze fuumlr die Arbeit von Kinder- und Jugendhospizen verfasst Das seien komplexe Themen von der Betreuung der Kinder bis zur Oumlffentlich-keitsarbeit fuumlr die jeweils ein aus den drei Kategorien Haltung Strukturen und Prak-tiken bestehender Fragebogen entstan-den ist bdquoEinige Fragen die wir als wichtig erachtet hatten wurden in der Praxis nicht angenommen Andere wiederum haben wir ergaumlnzt Jetzt ist der QuinK fitldquo ist Stefanie Hurth stolz auf das Ergebnis Und Sven Jen-nessen ergaumlnzt bdquoDie Ruumlckmeldungen waren insgesamt sehr positivldquo

Nun soll der QuinK Verbreitung finden Fachvortraumlge auf Konferenzen Artikel in Fachzeitschriften Die Arbeit des Jennessen-Teams ist noch laumlngst nicht abgeschlossen bdquoWir haben aber gute Startvoraussetzun-gen schlieszliglich waren die Praktiker vom DHPV von Anfang an an Bordldquo so Jennes-sen (kap)

QuinK neuer QualitaumltsindexEin neuer Index soll die Betreuung in Kinder- und Jugendhospizeinrichtungen verbessern

Dieser Aufgabe haben sich Professor Dr Sven Jennessen und Stefanie Hurth vom Institut

fuumlr Sonderpaumldagogik in den letzten Monaten gewidmet Nun praumlsentieren sie das

Ergebnis ihrer Arbeit den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit kurz QuinK

Ein Jahr lang hat Stefanie Hurth den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit getestet Nun ist der bdquoQuinKldquo fertig und soll im Oktober in die Praxis gehen

18 NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Nach der neuen Gallup-Studie ist die Ar-beitszufriedenheit zwar im Vergleich zum letzten Jahr gestiegen trotzdem kritisch Nur wenige Menschen fuumlhlen sich bei ihrer Arbeit wertgeschaumltzt Sie suchen stattdes-sen ihr Gluumlck in der Freizeit Hinzu kommt ein dramatischer Anstieg von psychischen Erkrankungen wie dem Burnout-Syndrom Wie kann man mit diesen Gefahren umge-hen

Eine potenzielle Loumlsung liegt im Bereich der positiven Psychologie Sie befasst sich damit unter welchen Umstaumlnden Personen Wohlbefinden Gluumlck und Zufriedenheit erleben Waumlhrend sich vor den 90er Jahren die Sozial- und Verhaltenspsychologen vor allem mit den Defiziten beschaumlftigt haben untersucht man seit 1998 psychologische Prozesse die dazu fuumlhren dass Menschen zufrieden und gluumlcklich und dadurch leis-tungsfaumlhiger sind

Ottmar L Braun ist auszligerplanmaumlszligiger Professor in der Arbeitsgruppe Sozial- und Wirtschaftspsychologie am Campus Landau und befasst sich mit positiver Psycholo-gie Zur Thematik Unzufriedenheit im Job bekraumlftigt er bdquoDie Forschung hat deutlich gezeigt dass sich Techniken der positiven Psychologie vorteilhaft auf die Arbeits- und Lebenszufriedenheit auswirkenldquo Besonders interessant sei das fuumlr Krankenkassen da sie sich mit Krankheit und Gesundheit ausei-

nandersetzen und auch als erste die Kosten von langfristigen Ausfaumlllen zum Beispiel durch Burnout tragen muumlssen Braun wei-ter bdquoDann muumlssen die sich natuumlrlich fragen Wie kommt dasldquo

Braun meint Arbeit duumlrfe nicht krank machen Arbeit muumlsse eher die Moumlglich-keit bieten dass man sich positiv entfalten koumlnne Deshalb muumlssten sich Arbeitgeber darum bemuumlhen dass die Leute mit mehr Spaszlig zur Arbeit kommen bdquoDaruumlber hinaus muumlssen Arbeitnehmer Aufgaben bekom-men um ihre Staumlrken ausleben zu koumlnnenldquo Er konkretisiert bdquoSie brauchen Aufgaben an denen sie persoumlnlich wachsen wo sie quasi aufbluumlhen koumlnnenldquo

In der positiven Psychologie sei der Begriff bdquoaufbluumlhenldquo elementar denn bdquoWenn Per-sonen etwas geleistet haben sprich Ziele erreichen dann sind sie zufriedener und haben wenig handlungsirrelevante Kogniti-onen oder Ablenkung Sie koumlnnen sich wie-der auf ihre Aufgaben konzentrieren und dadurch mehr leistenldquo begruumlndet Braun Zufriedenheit am Arbeitsplatz habe aber auch immer etwas mit der Entwicklung von Fuumlhrungskraumlften zu tun Nach Braun muumlss-ten sie darauf achten dass sie ihr Team ge-sund fuumlhren bdquoKrankenkassen wie die AOK Rheinland-PfalzSaarland bieten deshalb extra Programme dafuumlr an an denen wir als Team der Universitaumlt Koblenz-Landau

beteiligt sindldquo Eine weitere Moumlglichkeit fuumlr Arbeitgeber sieht Braun in regelmaumlszligigen Mitarbeiterbefragungen bdquoIm Rahmen von Folgeprozessen kann man dafuumlr sorgen dass zufriedenstellende Arbeitsbedingun-gen vorhanden sind und Missstaumlnde abge-schafft werdenldquo

Allerdings sei die Schuld nicht nur beim Arbeitgeber zu suchen Auch die Mitar-beiter sollten darauf achten ob sie an der richtigen Stelle im Unternehmen eingesetzt oder ob sie vielleicht irgendwo anders bes-ser aufgehoben seien Braun stellt klar bdquoVor der innerlichen Kuumlndigung sollte Unzufrie-denheit konstruktiv zum Ausdruck gebracht werden um dann vielleicht an einer sinn-volleren Stelle eingesetzt zu werdenldquo

Der Professor bemerkt dass die positive Psychologie allerdings nichts Neues sei bdquoIn der Arbeits- und Organisationspsychologie in der wir uns hier bewegen haben Wissen-schaftler ja schon immer das Thema Arbeits-zufriedenheit untersuchtldquo Es sei von daher ein ganz altes Forschungsgebiet welches nun durch die positive Psychologie neu be-reichert werde

Spielend zum GluumlckBraun hat an der Universitaumlt eine eige-

ne Studie zur Zufriedenheit durchgefuumlhrt

Unzufrieden im Job Positive Psychologie kann helfen

Viele kennen es Wenn Montagmorgen der Wecker klingelt faumlllt das Aufstehen oft

schwer besonders wenn man unzufrieden mit seiner Arbeit ist Aber warum ist man

unzufrieden und wie kann positive Psychologie dabei helfen die Unzufriedenheit zu

uumlberwinden NeuLand hat mit dem Professor fuumlr Wirtschaftspsychologie Dr Ottmar L

Braun uumlber die Psychologie der positiven Dinge gesprochen

19NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Dabei wurden Studierende einen Tag lang in Techniken der positiven Psychologie un-terrichtet bdquoAuszligerdem haben sie ein Gluumlcks-tagebuch bekommen bei dem sie ihre Gluumlcksmomente niederschreiben koumlnnen und einiges uumlber Smalltalk und Networking gelerntldquo Die Ergebnisse wuumlrden zeigen dass sich die Zufriedenheit der Studieren-den kurzfristig aber auch langfristig positiv veraumlndere Zudem seien ihr Optimismus und die Studienmotivation angestiegen depressive Verstimmungen gesunken Braun verdeutlicht bdquoAlles so wie man sich das wuumlnschtldquo

In seiner Forschung versucht er eine Bruuml-cke zu schlagen zwischen Techniken der positiven Psychologie und Techniken des Selbstmanagements Das wuumlrde gut pas-sen denn auch in der positiven Psychologie wuumlrden oft Tipps gegeben wie man etwas angehen solle versichert Braun Eine ganz prominente Uumlbung beim Selbstmanage-ment und in der positiven Psychologie sei die bdquoWas ist gut gelaufen-Uumlbungldquo Dabei geht es darum dass man am Abend uumlber-legen soll welche drei Dinge am Tag gut gelaufen sind und welche seiner Staumlrken es waren die dazu beigetragen haben Das sei eine Uumlbung die in der gesamten Literatur empfohlen werde Der Namensgeber der positiven Psychologie Martin Seligman habe zeigen koumlnnen dass die Anwendung

dieser Uumlbung dazu fuumlhre dass Leute nach sechs Monaten weniger depressiv seien Seligman fuumlhre das darauf zuruumlck dass das eine selbstverstaumlrkende Wirkung habe so Braun bdquoDie Leute merken dass sie sich bes-ser fuumlhlen wenn sie daruumlber nachdenken was heute gut gelaufen ist und warum Und deshalb wiederholen sie den Vorgangldquo Es habe dadurch eine langfristige Wirkung

Brauns neuestes Aushaumlngeschild ist ein Brettspiel namens bdquoCareer Games ndash spie-lend trainierenldquo bdquoWir haben Seminare ent wickelt bei denen wir Selbstmanage-ment-Kompetenzen in verschiedenen Le-bens- oder Inhaltsbereichen von Personen staumlrken koumlnnen Dazu dient auch ein Brett-spiel bei dem die Teilnehmer verschiedene Inhaltsbereiche der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder auch Smalltalk und Networking spielend erlernenldquo Jeder Spieler bekomme im Spiel eine Figur und muumlsse seinen Weg durch das Spielfeld wuumlrfeln so Braun bdquoAuf den Fel-dern muumlssen sie dann Quizkarten ziehen die das im Seminar Gelernte noch einmal aufarbeitenldquo Dabei muumlssten sie beispiels-weise drei Dinge nennen die sie in ihrem Leben gluumlcklich machen bdquoDurch den Spiel-charakter lernt man mehr als nur uumlber Se-minareldquo Mit Erfolg Erste Untersuchungen zeigen positive langfristige Effekte durch die Seminar-Brettspiel-Kombination (dan)

Tipps fuumlr die positive Fuumlhrung von Ottmar Braun

Fuumlhrungskraumlfte muumlssen eine gute zwischenmensch-liche Beziehung zu jedem einzelnen Mitarbeiter unterhalten Sie muumlssen auch verbindliche Aussagen machen und zu diesen Aussagen stehen Des Weiteren sollte ein Chef seine Angestellten unterstuumltzen wenn es notwendig ist Wichtig ist auch keinen unnoumltigen Druck aufzubauen sondern Staumlrken von Mitarbeitern kennen zu lernen und zu foumlrdern Von Vorteil koumlnnen auch Begruumlszligungs- und Krankenruumlckkehrgespraumlche sein Es koumlnnte ja sein dass die Krankheit etwas mit den Arbeitsbedingungen zu tun hat Natuumlrlich sind auch Teamsitzungen und Teambildungsmaszlignahmen von groszliger Bedeutung um ein angenehmes Arbeits-klima herzustellen

Spielend lernen Mit dem Brettspiel bdquoCareer Gamesldquo erlernen die Spieler verschiedene Inhalte der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder Smalltalk und Networking

20 NeuLand 2014 03

Psychotherapie-Ambulanz

Wie eine Baustelle sieht die psychothera-peutische Uni-Ambulanz nicht mehr aus Den Abdeckplanen sind bunte Stuumlhle und Stofftiere gewichen im Eingangsbereich liegen Fachmagazine und das Buumlro von Professorin Dr Tina In-Albon ist bereits voller Buumlcher Und doch bdquoist hier noch alles Baustelleldquo so die Professorin fuumlr Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kin-des- und Jugendalters Nach Therapeuten werde noch gesucht die ersten Behandlun-gen seien angelaufen Forschungsprojekte in Planung bdquoEine spannende Phaseldquo bekraumlf-tigt die Ambulanzleiterin

Von nun an wird sich das zehnkoumlpfige Team um die Professorin In-Albon und Ge-schaumlftsfuumlhrerin Dr Daniela Schwarz mit den psychischen Erkrankungen der suumld-pfaumllzer Kinder und Jugendlichen befassen Die Kosten fuumlr die psychotherapeutische Behandlung uumlbernehmen bei Indikation die Krankenkassen Hinzu kommt ein wei-terbildender Studiengang zur Ausbildung in Kinder- und Jugendlichenpsychothe-rapie der im Wintersemester 201415 mit zwoumllf Teilnehmern pro Jahrgang startet In Rheinland-Pfalz ist die Universitaumlt Kob-lenz-Landau in diesem Bereich die einzige universitaumlre Ausbildungsstaumltte Neben der hauseigenen Ambulanz kooperiert der Studiengang mit dem Pfalzklinikum in Klin-genmuumlnster sowie anderen kinder- und ju-gendpsychiatrischen Kliniken in der Region

Kaum eroumlffnet schon stehen die ersten Forschungsprojekte an Derzeit liegt ein Fokus in der Behandlung von Angststoumlrun-gen und Depressionen bdquoVielen Depressio-nen gehen Aumlngste voraus Daher lohnt es diese beiden zusammen zu betrachtenldquo so

Tina In-Albon Laut Statistik leiden zirka 20 Prozent der Erwachsenen und zirka 10 Pro-zent der Kinder unter Angststoumlrungen bei Depressionen sind es sogar 40 Prozent der Erwachsenen und im Jugendalter auch be-reits zwischen 15 und 20 Prozent In Planung befindet sich daher eine Therapiestudie fuumlr Jugendliche mit Angst- und depressiven Stoumlrungen Ein weiterer Forschungsbereich ist das nicht-suizidale selbstverletzende Verhalten im Volksmund auch als bdquoRitzenldquo bekannt bdquoDa machen wir eher Grundla-genforschungldquo so die Professorin Ein spe-zifisches Therapieangebot gebe es derzeit noch nicht ndash bdquodas kann sich aber alles noch entwickelnldquo

Einen weiteren Forschungsschwerpunkt stellt die psychische Gesundheit bei Kindern mit Diabetes dar insbesondere bei Diabetes vom Typ I der im Gegensatz zum bdquoAltersdi-abetesldquo II auch bei Kindern und Jugendli-chen verbreitet ist bdquoHier wissen wir uumlber

Erste Forschungsprojekte stehen an

Ende Juni offiziell eingeweiht hat die Psychotherapie-Ambulanz fuumlr Kinder und Jugend-

liche die Arbeit aufgenommen Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen

haben nun in Landau eine neue Anlaufstation Und auch die Forschung profitiert von der

Einrichtung

die medizinische Forschung zwar schon eine Mengeldquo sagt Tina In-Albon aber aus psychologischer Sicht sei das Thema noch relatives Neuland Wie etwa sieht es bei der psychologischen Betreuung der Kinder aus aber auch der Eltern der Lehrer und sons-tiger zentraler Bezugspersonen Wird die Krankheit und deren Umgang akzeptiert Wie koumlnnen Psychotherapeuten helfen Auch hier schlummert ein Forschungspo-tenzial fuumlr In-Albon bdquoVieles ist im Aufbauldquo sagt sie beschwichtigend Und doch laumlsst sie im Gespraumlch mit NeuLand durchblicken dass sie auch auf diesem Gebiet noch inten-siver forschen moumlchte

Neben der Forschung ist die Hochschul-ambulanz auch in die Lehre im Rahmen des Masterstudiengangs Klinische Psychologie eingebunden So werden die Studierenden beispielsweise in die Diagnostik einbezogen und koumlnnen unter Supervision in Patienten-gespraumlchen Praxiserfahrung sammeln (kap)

In der neuen Universitaumltsambulanz fuumlr Kinder und Jugendliche wird die ganze Palette der psychischen Stoumlrungen behandelt

21NeuLand 2014 03

Wenn man sich seine Dozenten auszligerhalb der Universitaumlt vorstellt dann ist es wohl in einem Sessel vor einem uumlberfuumlllten Buumlcher-regal mit einem wissenschaftlichen Buch in der Hand vielleicht noch mit einem Hund zu den Fuumlszligen Wenige Studenten glauben dass ihre Dozenten moumlglicherweise eine spannendere Freizeitgestaltung haben als sie selbst

Bei Walter H Schreiber ist das aber so Seit dem Sommer 2013 ist er 3D-Bogenschuumltze 3D-Bogenschieszligen bedeutet nicht dass man mit einer 3D-Brille und einem virtu-ellen Bogen bewaffnet auf herannahende Tiere oder Aliens schieszligt Eigentlich ist das 3D-Bogenschieszligen vielmehr die Wieder-entdeckung des sportlichen Jagens mit Pfeil und Bogen ohne einem Tier Schaden zuzufuumlgen Es erinnert an eine Art Golf Der Schlaumlger wird zum Bogen der Ball zum Pfeil und statt eines Abschlags hat man einen Abschuss-Punkt Das Ziel ist aber kein Loch sondern zum Beispiel ein Fasan oder eine Riesenspinne welche von Vereinsmitglie-dern angefertigt und im Parcours platziert wurde

Schreiber ist seit Dezember Mitglied beim Verein Palatina Bogenschuumltzen eV in Ins-heim suumldlich von Landau Davor absolvierte er bereits einen Pfeil und Bogen-Intensiv-kurs in der Eifel bdquoDamit sich nicht bereits am Anfang grobe Fehler einschleichenldquo bekraumlf-tigt Schreiber Sein Sohn sei auch Bogen-schuumltze habe aber unabhaumlngig von ihm zur selben Zeit angefangen Auf die Frage wa-rum er nicht das klassische von Olympia be-kannte Bogenschieszligen ausuumlbe antwortet Schreiber bdquoDa gibt es zu viele Regelnldquo Au-szligerdem sei er ein intuitiver Schuumltze welcher ndash im Gegensatz zum strategischen Schuumltzen ndash sich voll und ganz auf seine Erfahrung und sein Bauchgefuumlhl verlasse Zwar ist Schrei-ber schon seit einem Jahr leidenschaftlicher Bogenschuumltze trotzdem gilt er im Verein

Entspannung vom AlltagWaumlhrend die Studierenden fast immer wissen ob ein Dozent freundlich oder streng ist

koumlnnen sich nur wenige vorstellen was diese mit ihrer Freizeit anfangen NeuLand war

einen Abend mit Dr Walter H Schreiber unterwegs Sein Hobby das 3D-Bogenschieszligen

noch als Anfaumlnger bdquoDeswegen behalte ich meine Ergebnisse bei Wettkaumlmpfen lieber fuumlr michldquo bemerkt er schmunzelnd

Sicherheit sei sehr wichtig betont Schrei-ber So muss sich jeder Schuumltze vorab in einem Schieszligbuch eintragen um zu sehen wie viele Leute auf dem Parcours unter-wegs sind Aus gutem Grund Auf dem 500 Meter langen und mit 28 Zielen bestuumlckten Parcours kann man leicht den Uumlberblick verlieren Zwei bis drei Stunden dauert die Durchquerung des Kurses Manchmal machen es abgeknickte Aumlste und ein rut-schiger Untergrund gar nicht so einfach die Ziele zu treffen Trotzdem wuumlrden die meisten Unfaumllle nicht beim Schieszligen selbst passieren sondern beim Herausziehen der Pfeile aus den Koumlrpern der Ziele meint Schreiber Ein Vereinskollege ergaumlnzt bdquoWich-

tig ist uns dass wir das 3D-Bogenschieszligen nicht als Vorstufe zur Jagd mit Pfeil und Bogen sehen Es ist vielmehr ein Sport bei dem man sich deutschlandweit mit anderen Schuumltzen messen kannldquo Im Gegensatz zum klassischen Bogenschieszligen schieszlige man nicht auf langweilige Zielscheiben sondern durchlaufe einen interessanten Parcours

Fuumlr Schreiber ist das Bogenschieszligen Ent-spannungskur vom alltaumlglichen Uni-Stress bdquoNach der Arbeit auf den Parcours zu gehen befreit meinen Kopfldquo Verstaumlndlich denn das leise Zischen des Pfeiles und die Ruhe im gruumlnen naturbelassenen Gelaumlnde hat etwas Erholendes Auszligerdem hat Schreiber beim Verein Palatina Freunde gefunden mit denen er an fast jedem Donnerstag und Sonntag durch den Parcours streift ndash auf der Jagd nach kuumlnstlichen Tieren (dan)

Hobby 3D-Bogenschieszligen

Beim 3D-Bogenschieszligen findet Walter H Schreiber Entspannung vom alltaumlglichen Uni-Stress

22 NeuLand 2014 03

Summer School

In der Reihe bdquoE-Mail aus hellipldquo berichtet Sozialwissenschafts-Student Daniel Schumacher

von der Summer School aus dem polnischen Wroclaw

Liebes NeuLandCześćaus Wroclaw Manchmal reicht ein

akademischer Kurz-Urlaub um ein Land und die

Leute lieben zu lernen

Zum Ende meiner akademischen Laufbahn wollte

ich das Studentendasein noch einmal voll und

ganz genieszligen und habe mich entschlossen eine

Summer School zu besuchen Fast jeder unserer

Fachbereiche bietet so etwas an Fuumlr mich ging die

Reise unter der Leitung von Professor Dr Siegmar

Schmidt (Politikwissenschaften) nach Wroclaw Polen

Erasmus-finanziert begann meine Hinfahrt in einem

Fernbus von Karlsruhe direkt nach Breslau so der alte

deutsche Name fuumlr Wroclaw

Hier angekommen bezogen wir ndash meine Wenigkeit

mit sieben anderen Deutschen ndash unsere Zimmer in

einem Studentenwohnheim oder wie ich es nenne

bdquoPlattenromantik-Hotelldquo Von auszligen neu gestrichen

verspruumlhte das Haus von innen den gesamten

Ostblock-Charme der Kalten-Krieg-Aumlra Das war

fuumlr mich aber auch das einzig Negative waumlhrend

meiner zweiwoumlchigen Summer School Bereits

am ersten Tag lernten wir beim bdquoget-togetherldquo

die anderen Teilnehmer kennen 70 Studenten

aus uumlber acht Laumlndern wollten mehr uumlber die

europaumlische Finanzkrise lernen und ndash wie ich ndash neue

Freundschaften knuumlpfen

Ab dem zweiten Tag war unser neues Zuhause ein

Houmlrsaal beim Institut fuumlr Politikwissenschaft Dort

E-Mail aus hellip Wroclaw

lernten wir wie verschiedene europaumlische Staaten mit

der Finanzkrise zu kaumlmpfen hatten und stellten jeweils

unsere Laumlnder selbst vor

Nach der ersten Woche wurden wir in verschiedene

Gruppen aufgeteilt um uumlber Innovation im

oumlffentlichen und privaten Sektor zu forschen

Forschen bedeutete dabei dass wir polnische

Buumlrger interviewten die entweder im privaten oder

oumlffentlichen Bereich taumltig sind Mein bdquoResearch-Haufenldquo

war bunt gemischt ndash von Belgiern uumlber Rumaumlnen

bis hin zu Ukrainern Ohne Verstaumlndigungsprobleme

meisterten wir unseren Arbeitsauftrag was am letzten

Tag feucht-froumlhlich mit allen gefeiert wurde

Am Ende moumlchte ich noch eine Lanze fuumlr die Stadt

Wroclaw und das Land Polen brechen Wir wurden

sehr herzlich aufgenommen Die Stadt mit ihrer

(deutschen) Geschichte war atemberaubend Nicht

nur die alten Gebaumlude haben es mir angetan sondern

die Atmosphaumlre rund um den historischen Stadtkern

Ich habe in diesen zwei Wochen sehr viele Menschen

kennen gelernt einige wuumlrde ich nun als enge Freunde

bezeichnen Das erste Wiedersehen mit Studenten aus

Belgien und Tschechien ist bereits geplant

Bis bald im guten alten Landau

euerDaniel Schumacher

23NeuLand 2014 03

Hochschulgruppe

Eigentlich kommt Cornelia Spengler aus einem ganz anderen Fachgebiet Nach ih-rem Biologiestudium am Karlsruher Insti-tut fuumlr Technologie promoviert sie derzeit in Landau im Fachbereich Natur- und Um-weltwissenschaften Aber auch an sozialer Arbeit hatte sie schon immer Interesse Sie wollte sich nicht nur mit der Wissenschaft beschaumlftigen sondern mit Menschen zu-sammenarbeiten So entdeckte sie fuumlr sich ein sensibles Thema die Integration und Bildungsgerechtigkeit

Cornelia Spengler wollte nicht nur reden sondern handeln In der SchuumllerNavi-Grup-pe in Aachen fand sie ein Vorbild nach dem sie am Campus Landau gemeinsam mit Stu-dentin Sylvia Klaus eine Hochschulgruppe aufbaute Ziel sollte es sein Schuumller zu foumlr-dern die durch ihre mangelnden Deutsch-kenntnisse in der Schule Probleme haben und deren Eltern das Geld fuumlr Nachhilfe nicht aufbringen koumlnnen bdquoWenn die Eltern zu Hause kaum Deutsch sprechen haben die Kinder dort auch wenig Unterstuumltzung fuumlr die Schule Diktate zu uumlben ist dann schlichtweg nicht moumlglichldquo erklaumlrt Speng-ler

SchuumllerNavi bietet neben Hausaufgaben-betreuung und Nachhilfeunterricht auch kulturellen Austausch Mittlerweile betei-ligen sich in der Hochschulgruppe uumlber 20 Studenten die den Schuumllern in schulischen

Aktive Arbeit statt bloszlige TheorieUumlber Integration zu reden bringt nicht viel Sie muss gelebt werden Darum gruumlndete die

Landauer Doktorandin Cornelia Spengler mit Studentin Sylvia Klaus die Hochschulgruppe

SchuumllerNavi die immer mehr Mitglieder zaumlhlt Wie man Integration foumlrdern kann und was

den Ehrenamtlichen ihre Arbeit bringt daruumlber sprach sie mit NeuLand

Belangen zur Seite stehen ihnen das Uni-Leben zeigen und ihnen zuhoumlren wenn sie Probleme haben

Spengler selbst betreut zwei Bruumlder mit tamilischen Wurzeln Um Beruumlhrungspunk-te zu schaffen die fuumlr den Aufbau eines Ver-trauensverhaumlltnisses wichtig sind hat sie mit den Jungs auf dem Campus beispiels-weise gemeinsam mikroskopiert Einer der beiden Bruumlder war stark versetzungsgefaumlhr-det und hat es nun in die naumlchste Klasse geschafft Ein Stuumlck weit schreibt sie diesen Erfolg SchuumllerNavi zu

bdquoSchwierig ist es zu unterscheiden welche Kinder wirklich der Foumlrderung beduumlrfenldquo so Spengler In Konkurrenz mit Nachhilfe-Firmen will die Gruppe nicht treten Ziel-gruppe sind Kinder die in der Schule haumlufig nicht ausreichend gefoumlrdert werden und deren Eltern sich keine professionelle Nach-hilfe leisten koumlnnen Daher hat SchuumllerNavi Kooperationen mit sozialen Institutionen Landaus die ihnen die Kontakte weiterver-mitteln bdquoDer Bedarf ist riesig Wir koumlnnen ihn gar nicht deckenldquo berichtet Spengler Daher ist die Hochschulgruppe auch staumln-dig dabei neue Mitglieder zu werben

Fuumlr die Zukunft plant die Hochschul-gruppe eine weitere Kooperation mit ELKE (Eltern Kompetenzen erlernen) um die El-tern weiterzuschulen beispielsweise mit Sprachkursen Dadurch sollen diese ihren

Kindern besser bei schulischen Aufgaben selbst helfen koumlnnen

Neben dem Gefuumlhl etwas Gutes zu tun sieht Spengler aber auch andere Vorteile fuumlr das Ehrenamt Gerade Lehramtsstu-denten koumlnnen sich hier ausprobieren und paumldagogische Konzepte umsetzen die sie aus der Theorie kennen Jeder koumlnne viel lernen erklaumlrt sie Man uumlbe hier nicht nur den Umgang mit Kindern und Jugendli-chen sondern lerne auch viel uumlber fremde Kulturen Sie selbst habe von ihren zwei Nachhilfeschuumllern bereits viel uumlber Feierta-ge und Sitten ihrer Kultur aber auch einzel-ne Vokabeln ihrer Sprache gelernt Und die Schuumller seien sehr interessiert an deutschen Gebraumluchen und Eigenarten

Fuumlr das ehrenamtliche Engagement hat SchuumllerNavi bereits Preise bekommen Bei der Initiative fuumlr Integration von bigFM be-legten sie den dritten Platz Das Preisgeld investierte die Gruppe unter anderem um mit ihren Schuumllern die Zooschule zu besu-chen In diesem Jahr erhaumllt SchuumllerNavi zu-dem den Campus-Kulturpreis des Campus Landau

bdquoMan redet immer uumlber Integration Von Menschen mit Migrationshintergrund wird erwartet sich hier zu integrieren Aber das liegt ja auch an uns Man muss sie auf die-sem Weg unterstuumltzenldquo erklaumlrt Doktorandin Spengler (rst)

Termine ImpressumHerausgeberReferat fuumlr Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit der Universitaumlt Koblenz-Landau Campus Landau Fortstraszlige 7 76829 Landau

RedaktionsteamKerstin Theilmann (ket) (verantw) Berend Barkela (bb) Wilfried Dorsch (wdo) Sebastian Kapp (kap) Daniel Schumacher (dan) Rosa Stecher (rst)

LayoutMedienzentrum Campus Landau Berend Barkela

FotosTitel Imago Fotoarena S 2 S 3 privat S 5 Imago Xinhua S 7 oben kanvag - Fotoliacom S 7 unten Medienzentrum Hiller S 9 Imago ITAR-TASS S 10 Imago Steinach S 11 Imago DeFodi S 13 Imago PPfotodesign S 15 JiSign - Fotoliacom S 17 Medienzentrum Hiller S 19 Medienzentrum Barkela S 20 Medienzentrum Hiller S 21 und 22 Daniel Schumacher

KontaktKerstin TheilmannTel 06341 280-32219 E-Mail theiluni-koblenz-landaude

Aus Gruumlnden der besseren Lesbarkeit verwenden wir in unseren Artikeln die maumlnnliche Form Damit sind stets Frauen und Maumlnner gemeint

Die Redaktion behaumllt sich die Kuumlrzung und Uumlberarbeitung von Texten vor Die Meinung einzelner AutorinnenAutoren gibt nicht immer die Meinung der Redaktion wieder

28101014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Florian Ostertag Atrium Infos unter wwwasta-landaude

05112014 ab 2130 Uhr Atriumsfete Infos unter wwwasta-landaude

06112014 20 Uhr Poetry Slam Landau Universum Kinocenter Infos unter wwwzkwuni-landaude

19112014 1930 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Friedensprojekt Europa in der Krise Mit Bundesministerin aD Heidemarie Wieczorek-Zeul und weiteren Gaumlsten Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

19112014 21 Uhr Konzert bdquoBeats und Pianoldquo Audimax Infos unter wwwasta-landaude

1122014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Unland Atrium Infos unter wwwasta-landaude

03122014 19 Uhr Hambacher Gespraumlch Meine Daten gehoumlren den Unternehmen Hambacher Schloss Infos unter wwwfliuni-landaude

05122014 1930 Uhr Reihe bdquoGroszlige Begegnungenldquo mit Sternekoch Alfons Schubeck Jugendstil-Festhalle Landau Infos unter wwwzkwuni-landaude

08122014 1900 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Frieden durch Demokratie Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

Ausblick 13 - 15012015 Poetik-Dozentur mit Rafik Schami Infos unter wwwzkwuni-landaude

Weitere Termine unter wwwuni-koblenz-landaudeaktuell wwwuni-koblenz-landaudeblog

Page 16: Neuland Ausgabe 3/2014

16 NeuLand 2014 03

Sprachbedrohung und Sprachentod

Sprachbedrohung und Sprachentod sind ein weltweites Phaumlnomen Linguisten ge-hen davon aus dass etwa alle zwei Wochen eine Sprache stirbt In 100 Jahren so schaumlt-zen Sprachforscher werden im besten Fall noch die Haumllfte dieser Sprachen existieren vielleicht aber auch nur noch zehn Prozent von ihnen Waumlhrend die 20 groumlszligten der zir-ka 6800 lebenden Sprachen von der Haumllfte der Weltbevoumllkerung gesprochen werden weisen die meisten Sprachen eine Gemein-schaft von nur wenigen hundert oder tau-send Sprechern auf Von bevorstehendem Sprachentod spricht man wenn eine Spra-che aufhoumlrt Muttersprache oder Erstspra-che zu sein ndash also dann wenn sie nur noch sekundaumlr erlernt wird und damit die noumltige Sprachpflege verliert Der endguumlltige Tod tritt ein wenn es keine Sprecher mehr gibt

Sprachbedrohung und Sprachentod fin-den auf allen Kontinenten statt und neh-men ein immer schnelleres Tempo auf je weiter die Globalisierung voranschreitet Viele andere Faktoren wie unter anderem starke Migrationsbewegungen Zuwande-rung und Urbanisierung sowie ein hohes Alter der Sprecher oder die geringe wirt-schaftliche Staumlrke einer Sprache wirken zudem auf den Sprachbestand ein Stark gefaumlhrdete Sprachen sind vor allem in den Regionen Nord- und Suumldamerika Austra-lien Asien Westafrika und in Nord- und Ostsibirien vorzufinden In diesen Regio-nen kommt es zur massiven Verletzung von Sprachenrechten

Anglistik-Professor Dr Martin Puumltz ist Linguist und beschaumlftigt sich mit Sprache und ihren vielfaumlltigen sozialen kulturel-len und psychologischen Auspraumlgungen Zusammen mit seiner Kollegin Dr Monika Reif hat er im Fruumlhjahr 2014 das 36 Interna-tionale LAUD Symposium organisiert das sich rund um das Thema Sprachbedrohung und Sprachentod drehte (siehe Infokasten) Puumltz erklaumlrt Sprache sei relevant da sie ein einzigartiger Schatz an Wissen Ideen und Weltansichten sei bdquoMit den fast 7000

Bevor sie verstummen hellipWeltweit existieren etwa 6800 Sprachen doch die Vielfalt nimmt rasant ab Was

bedeutet es wenn Sprachen sterben Was bleibt von einer Kultur uumlbrig wenn ihre Art

die Welt zu beschreiben wegfaumlllt und die Urahnen verstummen

Sprachen auf unserer Welt gibt es auch fast 7000 Arten die Welt auf unterschiedliche Art wahrzunehmen und sie zu beschreibenldquo erlaumlutert der Linguist Beispielsweise haben einige Sprachen der Ureinwohner Amerikas ein komplett anderes Zeitsystem Dinge in der Zukunft oder Vergangenheit auszudruuml-cken gehe in diesen Sprachen nicht mit den uns bekannten grammatikalischen Moumlg-lichkeiten

Sprache ist also nicht nur ein Mittel der Kommunikation sondern bietet einen tiefen Einblick in die Einstellungen und Wahrnehmungen gegenuumlber der Welt kon-serviert Traditionen und Geschichte einer Kultur und gibt einzigartiges Wissen an die naumlchste Generation weiter beispielsweise uumlber Heilmittel und Pflanzen aber auch Ge-fuumlhle Spiritualitaumlt und soziale Einsichten Es gibt so etwas wie eine kulturelle Identitaumlt und die wird maszliggeblich von Sprache ge-praumlgt Warum aber verschwinden so viele Sprachen von der Bildflaumlche Natuumlrlich gibt es viele aumluszligere Umstaumlnde warum Sprachen ihre Sprecher verlieren Gerade in der Kolo-nialzeit haben die Besatzer eine Vielzahl an Sprachen marginalisiert und unterdruumlckt teilweise wurden ganze Voumllker durch Krieg vernichtet z B durch die Kolonialisierung und Besiedlung Nord- und Suumldamerikas die Ausrottung indigener Voumllker in Australi-en oder durch die im 17 Jahrhundert einset-zende Russifizierungspolitik in Osteuropa im Kaukasus und in Sibirien Auch Natur-katastrophen wie Erdbeben oder Vulkan-ausbruumlche koumlnnen stark regional gepraumlgte Sprachen toumlten

Auch wenn Sprachwissenschaftler versu-chen bedrohte Sprachen durch Aufzeich-nung Uumlbersetzung sowie die Bewahrung und Verbreitung von Sprachaufzeichnun-gen zu dokumentieren erwecken sie diese dadurch nicht mehr zum Leben Mit No-tizbloumlcken und Aufnahmegeraumlten kann man zwar einen Teil des Wortschatzes der Grammatik und Aussprache festhalten in geringerem Maszlige jedoch Redewendungen

Gebraumluche und Beschreibungsmodelle fuumlr die Welt einfangen Nur wer eine Sprache muttersprachlich spricht kann ihre zahlrei-chen Facetten begreifen Sprachrevitalisie-rung gelingt nur in den seltensten Faumlllen Gegluumlckt ist dies beispielsweise beim mo-dernen Hebraumlisch Iwrith genannt das er-folgreich wiederbelebt und zur offiziellen Amtssprache Israels erhoben wurde Zu-meist ist der Sprachtod aber unwiderruflich

In aktuellen Faumlllen der Sprachbedrohung liege das Problem haumlufig nicht an der Um-welt sondern an anderer Stelle erklaumlrt Puumltz Wer einer Minderheitensprache maumlchtig ist hat oftmals das Gefuumlhl damit auf dem Bildungsweg oder im Berufsleben schlech-tere Chancen zu haben Eltern bestehen daher oft darauf dass ihre Kinder die indi-gene Sprache vernachlaumlssigen und statt-dessen eine dominante und wirtschaftlich starke Sprache wie Englisch Spanisch oder Franzoumlsisch zuerst erlernen bdquoSie geben da-mit eine verstaumlrkt negative Einstellung zur Muttersprache an die naumlchste Generation weiterldquo verdeutlicht Puumltz die Problemlage Der Globalisierungseffekt ist somit nicht zu unterschaumltzen denn waumlhrend z B das Eng-lische immer dominanter wird nimmt die Geringschaumltzung und damit einhergehende Vernachlaumlssigung indigener Sprachen wei-ter zu Um den Sprachentod aufzuhalten benoumltigt es also weniger Dokumentation als vielmehr eine grundlegende Aumlnderung der Einstellung zu Minderheitensprachen und indigenen Sprachen (rst)

Linguistic Agency University of DuisburgTrierLandau (LAUD)

Seit 1973 finden unter diesem Namen alle zwei Jahre Konferenzen zum Thema Sprache statt ndash zunaumlchst in Trier und Duisburg und seit 2000 in Landau Das 36 LAUD Symposium wurde im Fruumlhjahr 2014 zum Thema bedrohte Sprachen und Sprachentod veranstaltet Uumlber 90 Teilnehmer aus 25 Laumlndern besuchten die Veranstaltung

17NeuLand 2014 03

Kinder- und Jugendhospitzarbeit

Wie lassen sich die Arbeit und das Zu-sammenleben in Kinder- und Jugendhos-pizen verbessern Wie werden Kinder und Jugendliche wirkungsvoll begleitet die an einer unheilbaren Krankheit leiden oder die einen Trauerfall in der Familie verar-beiten muumlssen bdquoBislang konnten sich die Einrichtungen ausschlieszliglich durch ein Qua-litaumltssiegel bewerten lassenldquo sagt Sven Jen-nessen Das bedeute harte generalisierte Bewertungsfaktoren bdquoDabei unterscheiden sich die Einrichtungen teilweise gravierendldquo So sei etwa die Nachfrage nach tuumlrkischer Sprachkompetenz in einigen Einrichtungen zwar sehr hoch ndash es gebe aber auch Einrich-tungen bei denen der Bedarf schlicht nicht erkennbar sei Hier muumlsse man individuell auf die Beduumlrfnisse der Einrichtungen der Mitarbeiter der Kinder und Jugendlichen sowie der Familien eingehen Fuumlr Jennessen ist dies nur eines von vielen Beispielen bei dem sich die Schwaumlche starrer Bewertungs-

kriterien zeigt Immerhin muumlsse gerade in diesem sensiblen Bereich der Mensch im Mittelpunkt stehen ndash und keine Checkliste

Deshalb ist der Qualitaumltsindex fuumlr Kin-der- und Jugendhospizarbeit QuinK auch bdquoandersldquo Der Fokus liegt nicht nur auf den Antworten sondern auch auf der Kom-munikation zwischen den Beteiligten also zwischen haupt- und ehrenamtlichen Mit-arbeitern mit Eltern Kindern und auch Geschwistern bdquoNachhaltige Qualitaumltsent-wicklung funktioniert nur durch Kommuni-kation aller Beteiligtenldquo so der Ansatz von Sven Jennessen Und damit sind auch die Juumlngsten gemeint bdquoWir sehen die Kinder als Experten in eigener Sache anldquo erklaumlrt Stefanie Hurth Gerade die Einbeziehung der Geschwister stelle derzeit bei vielen Einrichtungen ein Problem dar Denn die muumlssten bei einer todbringenden Krank-heit der Schwester oder des Bruders haumlufig zuruumlckstecken Nur selten bleibe das ohne

Konflikte wodurch sie im schlimmsten Fall die Moumlglichkeit versaumlumten sich von ihren Geschwistern zu verabschieden bdquoHier gibt es kein Schema F Viel wichtiger ist dass die Betroffenen sich austauschen die Themen aufgreifen und dann Loumlsungen entwickelnldquo sagt Hurth

Der QuinK soll durch seine zur Reflexion anregenden Fragen diese Kommunikati-on ermoumlglichen und eine Art Diskussions-Agenda darstellen Daher wurde QuinK in den vergangenen Monaten in drei stationauml-ren Kinder- und Jugendhospizen und zwei ambulanten Kinderhospizdiensten getes-tet Jennessen und Hurth besuchten die Einrichtungen in Unna Duumlsseldorf Syke Darmstadt und Wiesbaden regelmaumlszligig bdquoDer QuinK ist nicht am gruumlnen Tisch ent-standenldquo sagt Sven Jennessen

Das Team aus Landauer Wissenschaftlern wurde unterstuumltzt vom Deutschen Hospiz- und Palliativverband (DHPV) Mit diesem zusammen wurden zwoumllf Grundsaumltze fuumlr die Arbeit von Kinder- und Jugendhospizen verfasst Das seien komplexe Themen von der Betreuung der Kinder bis zur Oumlffentlich-keitsarbeit fuumlr die jeweils ein aus den drei Kategorien Haltung Strukturen und Prak-tiken bestehender Fragebogen entstan-den ist bdquoEinige Fragen die wir als wichtig erachtet hatten wurden in der Praxis nicht angenommen Andere wiederum haben wir ergaumlnzt Jetzt ist der QuinK fitldquo ist Stefanie Hurth stolz auf das Ergebnis Und Sven Jen-nessen ergaumlnzt bdquoDie Ruumlckmeldungen waren insgesamt sehr positivldquo

Nun soll der QuinK Verbreitung finden Fachvortraumlge auf Konferenzen Artikel in Fachzeitschriften Die Arbeit des Jennessen-Teams ist noch laumlngst nicht abgeschlossen bdquoWir haben aber gute Startvoraussetzun-gen schlieszliglich waren die Praktiker vom DHPV von Anfang an an Bordldquo so Jennes-sen (kap)

QuinK neuer QualitaumltsindexEin neuer Index soll die Betreuung in Kinder- und Jugendhospizeinrichtungen verbessern

Dieser Aufgabe haben sich Professor Dr Sven Jennessen und Stefanie Hurth vom Institut

fuumlr Sonderpaumldagogik in den letzten Monaten gewidmet Nun praumlsentieren sie das

Ergebnis ihrer Arbeit den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit kurz QuinK

Ein Jahr lang hat Stefanie Hurth den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit getestet Nun ist der bdquoQuinKldquo fertig und soll im Oktober in die Praxis gehen

18 NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Nach der neuen Gallup-Studie ist die Ar-beitszufriedenheit zwar im Vergleich zum letzten Jahr gestiegen trotzdem kritisch Nur wenige Menschen fuumlhlen sich bei ihrer Arbeit wertgeschaumltzt Sie suchen stattdes-sen ihr Gluumlck in der Freizeit Hinzu kommt ein dramatischer Anstieg von psychischen Erkrankungen wie dem Burnout-Syndrom Wie kann man mit diesen Gefahren umge-hen

Eine potenzielle Loumlsung liegt im Bereich der positiven Psychologie Sie befasst sich damit unter welchen Umstaumlnden Personen Wohlbefinden Gluumlck und Zufriedenheit erleben Waumlhrend sich vor den 90er Jahren die Sozial- und Verhaltenspsychologen vor allem mit den Defiziten beschaumlftigt haben untersucht man seit 1998 psychologische Prozesse die dazu fuumlhren dass Menschen zufrieden und gluumlcklich und dadurch leis-tungsfaumlhiger sind

Ottmar L Braun ist auszligerplanmaumlszligiger Professor in der Arbeitsgruppe Sozial- und Wirtschaftspsychologie am Campus Landau und befasst sich mit positiver Psycholo-gie Zur Thematik Unzufriedenheit im Job bekraumlftigt er bdquoDie Forschung hat deutlich gezeigt dass sich Techniken der positiven Psychologie vorteilhaft auf die Arbeits- und Lebenszufriedenheit auswirkenldquo Besonders interessant sei das fuumlr Krankenkassen da sie sich mit Krankheit und Gesundheit ausei-

nandersetzen und auch als erste die Kosten von langfristigen Ausfaumlllen zum Beispiel durch Burnout tragen muumlssen Braun wei-ter bdquoDann muumlssen die sich natuumlrlich fragen Wie kommt dasldquo

Braun meint Arbeit duumlrfe nicht krank machen Arbeit muumlsse eher die Moumlglich-keit bieten dass man sich positiv entfalten koumlnne Deshalb muumlssten sich Arbeitgeber darum bemuumlhen dass die Leute mit mehr Spaszlig zur Arbeit kommen bdquoDaruumlber hinaus muumlssen Arbeitnehmer Aufgaben bekom-men um ihre Staumlrken ausleben zu koumlnnenldquo Er konkretisiert bdquoSie brauchen Aufgaben an denen sie persoumlnlich wachsen wo sie quasi aufbluumlhen koumlnnenldquo

In der positiven Psychologie sei der Begriff bdquoaufbluumlhenldquo elementar denn bdquoWenn Per-sonen etwas geleistet haben sprich Ziele erreichen dann sind sie zufriedener und haben wenig handlungsirrelevante Kogniti-onen oder Ablenkung Sie koumlnnen sich wie-der auf ihre Aufgaben konzentrieren und dadurch mehr leistenldquo begruumlndet Braun Zufriedenheit am Arbeitsplatz habe aber auch immer etwas mit der Entwicklung von Fuumlhrungskraumlften zu tun Nach Braun muumlss-ten sie darauf achten dass sie ihr Team ge-sund fuumlhren bdquoKrankenkassen wie die AOK Rheinland-PfalzSaarland bieten deshalb extra Programme dafuumlr an an denen wir als Team der Universitaumlt Koblenz-Landau

beteiligt sindldquo Eine weitere Moumlglichkeit fuumlr Arbeitgeber sieht Braun in regelmaumlszligigen Mitarbeiterbefragungen bdquoIm Rahmen von Folgeprozessen kann man dafuumlr sorgen dass zufriedenstellende Arbeitsbedingun-gen vorhanden sind und Missstaumlnde abge-schafft werdenldquo

Allerdings sei die Schuld nicht nur beim Arbeitgeber zu suchen Auch die Mitar-beiter sollten darauf achten ob sie an der richtigen Stelle im Unternehmen eingesetzt oder ob sie vielleicht irgendwo anders bes-ser aufgehoben seien Braun stellt klar bdquoVor der innerlichen Kuumlndigung sollte Unzufrie-denheit konstruktiv zum Ausdruck gebracht werden um dann vielleicht an einer sinn-volleren Stelle eingesetzt zu werdenldquo

Der Professor bemerkt dass die positive Psychologie allerdings nichts Neues sei bdquoIn der Arbeits- und Organisationspsychologie in der wir uns hier bewegen haben Wissen-schaftler ja schon immer das Thema Arbeits-zufriedenheit untersuchtldquo Es sei von daher ein ganz altes Forschungsgebiet welches nun durch die positive Psychologie neu be-reichert werde

Spielend zum GluumlckBraun hat an der Universitaumlt eine eige-

ne Studie zur Zufriedenheit durchgefuumlhrt

Unzufrieden im Job Positive Psychologie kann helfen

Viele kennen es Wenn Montagmorgen der Wecker klingelt faumlllt das Aufstehen oft

schwer besonders wenn man unzufrieden mit seiner Arbeit ist Aber warum ist man

unzufrieden und wie kann positive Psychologie dabei helfen die Unzufriedenheit zu

uumlberwinden NeuLand hat mit dem Professor fuumlr Wirtschaftspsychologie Dr Ottmar L

Braun uumlber die Psychologie der positiven Dinge gesprochen

19NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Dabei wurden Studierende einen Tag lang in Techniken der positiven Psychologie un-terrichtet bdquoAuszligerdem haben sie ein Gluumlcks-tagebuch bekommen bei dem sie ihre Gluumlcksmomente niederschreiben koumlnnen und einiges uumlber Smalltalk und Networking gelerntldquo Die Ergebnisse wuumlrden zeigen dass sich die Zufriedenheit der Studieren-den kurzfristig aber auch langfristig positiv veraumlndere Zudem seien ihr Optimismus und die Studienmotivation angestiegen depressive Verstimmungen gesunken Braun verdeutlicht bdquoAlles so wie man sich das wuumlnschtldquo

In seiner Forschung versucht er eine Bruuml-cke zu schlagen zwischen Techniken der positiven Psychologie und Techniken des Selbstmanagements Das wuumlrde gut pas-sen denn auch in der positiven Psychologie wuumlrden oft Tipps gegeben wie man etwas angehen solle versichert Braun Eine ganz prominente Uumlbung beim Selbstmanage-ment und in der positiven Psychologie sei die bdquoWas ist gut gelaufen-Uumlbungldquo Dabei geht es darum dass man am Abend uumlber-legen soll welche drei Dinge am Tag gut gelaufen sind und welche seiner Staumlrken es waren die dazu beigetragen haben Das sei eine Uumlbung die in der gesamten Literatur empfohlen werde Der Namensgeber der positiven Psychologie Martin Seligman habe zeigen koumlnnen dass die Anwendung

dieser Uumlbung dazu fuumlhre dass Leute nach sechs Monaten weniger depressiv seien Seligman fuumlhre das darauf zuruumlck dass das eine selbstverstaumlrkende Wirkung habe so Braun bdquoDie Leute merken dass sie sich bes-ser fuumlhlen wenn sie daruumlber nachdenken was heute gut gelaufen ist und warum Und deshalb wiederholen sie den Vorgangldquo Es habe dadurch eine langfristige Wirkung

Brauns neuestes Aushaumlngeschild ist ein Brettspiel namens bdquoCareer Games ndash spie-lend trainierenldquo bdquoWir haben Seminare ent wickelt bei denen wir Selbstmanage-ment-Kompetenzen in verschiedenen Le-bens- oder Inhaltsbereichen von Personen staumlrken koumlnnen Dazu dient auch ein Brett-spiel bei dem die Teilnehmer verschiedene Inhaltsbereiche der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder auch Smalltalk und Networking spielend erlernenldquo Jeder Spieler bekomme im Spiel eine Figur und muumlsse seinen Weg durch das Spielfeld wuumlrfeln so Braun bdquoAuf den Fel-dern muumlssen sie dann Quizkarten ziehen die das im Seminar Gelernte noch einmal aufarbeitenldquo Dabei muumlssten sie beispiels-weise drei Dinge nennen die sie in ihrem Leben gluumlcklich machen bdquoDurch den Spiel-charakter lernt man mehr als nur uumlber Se-minareldquo Mit Erfolg Erste Untersuchungen zeigen positive langfristige Effekte durch die Seminar-Brettspiel-Kombination (dan)

Tipps fuumlr die positive Fuumlhrung von Ottmar Braun

Fuumlhrungskraumlfte muumlssen eine gute zwischenmensch-liche Beziehung zu jedem einzelnen Mitarbeiter unterhalten Sie muumlssen auch verbindliche Aussagen machen und zu diesen Aussagen stehen Des Weiteren sollte ein Chef seine Angestellten unterstuumltzen wenn es notwendig ist Wichtig ist auch keinen unnoumltigen Druck aufzubauen sondern Staumlrken von Mitarbeitern kennen zu lernen und zu foumlrdern Von Vorteil koumlnnen auch Begruumlszligungs- und Krankenruumlckkehrgespraumlche sein Es koumlnnte ja sein dass die Krankheit etwas mit den Arbeitsbedingungen zu tun hat Natuumlrlich sind auch Teamsitzungen und Teambildungsmaszlignahmen von groszliger Bedeutung um ein angenehmes Arbeits-klima herzustellen

Spielend lernen Mit dem Brettspiel bdquoCareer Gamesldquo erlernen die Spieler verschiedene Inhalte der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder Smalltalk und Networking

20 NeuLand 2014 03

Psychotherapie-Ambulanz

Wie eine Baustelle sieht die psychothera-peutische Uni-Ambulanz nicht mehr aus Den Abdeckplanen sind bunte Stuumlhle und Stofftiere gewichen im Eingangsbereich liegen Fachmagazine und das Buumlro von Professorin Dr Tina In-Albon ist bereits voller Buumlcher Und doch bdquoist hier noch alles Baustelleldquo so die Professorin fuumlr Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kin-des- und Jugendalters Nach Therapeuten werde noch gesucht die ersten Behandlun-gen seien angelaufen Forschungsprojekte in Planung bdquoEine spannende Phaseldquo bekraumlf-tigt die Ambulanzleiterin

Von nun an wird sich das zehnkoumlpfige Team um die Professorin In-Albon und Ge-schaumlftsfuumlhrerin Dr Daniela Schwarz mit den psychischen Erkrankungen der suumld-pfaumllzer Kinder und Jugendlichen befassen Die Kosten fuumlr die psychotherapeutische Behandlung uumlbernehmen bei Indikation die Krankenkassen Hinzu kommt ein wei-terbildender Studiengang zur Ausbildung in Kinder- und Jugendlichenpsychothe-rapie der im Wintersemester 201415 mit zwoumllf Teilnehmern pro Jahrgang startet In Rheinland-Pfalz ist die Universitaumlt Kob-lenz-Landau in diesem Bereich die einzige universitaumlre Ausbildungsstaumltte Neben der hauseigenen Ambulanz kooperiert der Studiengang mit dem Pfalzklinikum in Klin-genmuumlnster sowie anderen kinder- und ju-gendpsychiatrischen Kliniken in der Region

Kaum eroumlffnet schon stehen die ersten Forschungsprojekte an Derzeit liegt ein Fokus in der Behandlung von Angststoumlrun-gen und Depressionen bdquoVielen Depressio-nen gehen Aumlngste voraus Daher lohnt es diese beiden zusammen zu betrachtenldquo so

Tina In-Albon Laut Statistik leiden zirka 20 Prozent der Erwachsenen und zirka 10 Pro-zent der Kinder unter Angststoumlrungen bei Depressionen sind es sogar 40 Prozent der Erwachsenen und im Jugendalter auch be-reits zwischen 15 und 20 Prozent In Planung befindet sich daher eine Therapiestudie fuumlr Jugendliche mit Angst- und depressiven Stoumlrungen Ein weiterer Forschungsbereich ist das nicht-suizidale selbstverletzende Verhalten im Volksmund auch als bdquoRitzenldquo bekannt bdquoDa machen wir eher Grundla-genforschungldquo so die Professorin Ein spe-zifisches Therapieangebot gebe es derzeit noch nicht ndash bdquodas kann sich aber alles noch entwickelnldquo

Einen weiteren Forschungsschwerpunkt stellt die psychische Gesundheit bei Kindern mit Diabetes dar insbesondere bei Diabetes vom Typ I der im Gegensatz zum bdquoAltersdi-abetesldquo II auch bei Kindern und Jugendli-chen verbreitet ist bdquoHier wissen wir uumlber

Erste Forschungsprojekte stehen an

Ende Juni offiziell eingeweiht hat die Psychotherapie-Ambulanz fuumlr Kinder und Jugend-

liche die Arbeit aufgenommen Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen

haben nun in Landau eine neue Anlaufstation Und auch die Forschung profitiert von der

Einrichtung

die medizinische Forschung zwar schon eine Mengeldquo sagt Tina In-Albon aber aus psychologischer Sicht sei das Thema noch relatives Neuland Wie etwa sieht es bei der psychologischen Betreuung der Kinder aus aber auch der Eltern der Lehrer und sons-tiger zentraler Bezugspersonen Wird die Krankheit und deren Umgang akzeptiert Wie koumlnnen Psychotherapeuten helfen Auch hier schlummert ein Forschungspo-tenzial fuumlr In-Albon bdquoVieles ist im Aufbauldquo sagt sie beschwichtigend Und doch laumlsst sie im Gespraumlch mit NeuLand durchblicken dass sie auch auf diesem Gebiet noch inten-siver forschen moumlchte

Neben der Forschung ist die Hochschul-ambulanz auch in die Lehre im Rahmen des Masterstudiengangs Klinische Psychologie eingebunden So werden die Studierenden beispielsweise in die Diagnostik einbezogen und koumlnnen unter Supervision in Patienten-gespraumlchen Praxiserfahrung sammeln (kap)

In der neuen Universitaumltsambulanz fuumlr Kinder und Jugendliche wird die ganze Palette der psychischen Stoumlrungen behandelt

21NeuLand 2014 03

Wenn man sich seine Dozenten auszligerhalb der Universitaumlt vorstellt dann ist es wohl in einem Sessel vor einem uumlberfuumlllten Buumlcher-regal mit einem wissenschaftlichen Buch in der Hand vielleicht noch mit einem Hund zu den Fuumlszligen Wenige Studenten glauben dass ihre Dozenten moumlglicherweise eine spannendere Freizeitgestaltung haben als sie selbst

Bei Walter H Schreiber ist das aber so Seit dem Sommer 2013 ist er 3D-Bogenschuumltze 3D-Bogenschieszligen bedeutet nicht dass man mit einer 3D-Brille und einem virtu-ellen Bogen bewaffnet auf herannahende Tiere oder Aliens schieszligt Eigentlich ist das 3D-Bogenschieszligen vielmehr die Wieder-entdeckung des sportlichen Jagens mit Pfeil und Bogen ohne einem Tier Schaden zuzufuumlgen Es erinnert an eine Art Golf Der Schlaumlger wird zum Bogen der Ball zum Pfeil und statt eines Abschlags hat man einen Abschuss-Punkt Das Ziel ist aber kein Loch sondern zum Beispiel ein Fasan oder eine Riesenspinne welche von Vereinsmitglie-dern angefertigt und im Parcours platziert wurde

Schreiber ist seit Dezember Mitglied beim Verein Palatina Bogenschuumltzen eV in Ins-heim suumldlich von Landau Davor absolvierte er bereits einen Pfeil und Bogen-Intensiv-kurs in der Eifel bdquoDamit sich nicht bereits am Anfang grobe Fehler einschleichenldquo bekraumlf-tigt Schreiber Sein Sohn sei auch Bogen-schuumltze habe aber unabhaumlngig von ihm zur selben Zeit angefangen Auf die Frage wa-rum er nicht das klassische von Olympia be-kannte Bogenschieszligen ausuumlbe antwortet Schreiber bdquoDa gibt es zu viele Regelnldquo Au-szligerdem sei er ein intuitiver Schuumltze welcher ndash im Gegensatz zum strategischen Schuumltzen ndash sich voll und ganz auf seine Erfahrung und sein Bauchgefuumlhl verlasse Zwar ist Schrei-ber schon seit einem Jahr leidenschaftlicher Bogenschuumltze trotzdem gilt er im Verein

Entspannung vom AlltagWaumlhrend die Studierenden fast immer wissen ob ein Dozent freundlich oder streng ist

koumlnnen sich nur wenige vorstellen was diese mit ihrer Freizeit anfangen NeuLand war

einen Abend mit Dr Walter H Schreiber unterwegs Sein Hobby das 3D-Bogenschieszligen

noch als Anfaumlnger bdquoDeswegen behalte ich meine Ergebnisse bei Wettkaumlmpfen lieber fuumlr michldquo bemerkt er schmunzelnd

Sicherheit sei sehr wichtig betont Schrei-ber So muss sich jeder Schuumltze vorab in einem Schieszligbuch eintragen um zu sehen wie viele Leute auf dem Parcours unter-wegs sind Aus gutem Grund Auf dem 500 Meter langen und mit 28 Zielen bestuumlckten Parcours kann man leicht den Uumlberblick verlieren Zwei bis drei Stunden dauert die Durchquerung des Kurses Manchmal machen es abgeknickte Aumlste und ein rut-schiger Untergrund gar nicht so einfach die Ziele zu treffen Trotzdem wuumlrden die meisten Unfaumllle nicht beim Schieszligen selbst passieren sondern beim Herausziehen der Pfeile aus den Koumlrpern der Ziele meint Schreiber Ein Vereinskollege ergaumlnzt bdquoWich-

tig ist uns dass wir das 3D-Bogenschieszligen nicht als Vorstufe zur Jagd mit Pfeil und Bogen sehen Es ist vielmehr ein Sport bei dem man sich deutschlandweit mit anderen Schuumltzen messen kannldquo Im Gegensatz zum klassischen Bogenschieszligen schieszlige man nicht auf langweilige Zielscheiben sondern durchlaufe einen interessanten Parcours

Fuumlr Schreiber ist das Bogenschieszligen Ent-spannungskur vom alltaumlglichen Uni-Stress bdquoNach der Arbeit auf den Parcours zu gehen befreit meinen Kopfldquo Verstaumlndlich denn das leise Zischen des Pfeiles und die Ruhe im gruumlnen naturbelassenen Gelaumlnde hat etwas Erholendes Auszligerdem hat Schreiber beim Verein Palatina Freunde gefunden mit denen er an fast jedem Donnerstag und Sonntag durch den Parcours streift ndash auf der Jagd nach kuumlnstlichen Tieren (dan)

Hobby 3D-Bogenschieszligen

Beim 3D-Bogenschieszligen findet Walter H Schreiber Entspannung vom alltaumlglichen Uni-Stress

22 NeuLand 2014 03

Summer School

In der Reihe bdquoE-Mail aus hellipldquo berichtet Sozialwissenschafts-Student Daniel Schumacher

von der Summer School aus dem polnischen Wroclaw

Liebes NeuLandCześćaus Wroclaw Manchmal reicht ein

akademischer Kurz-Urlaub um ein Land und die

Leute lieben zu lernen

Zum Ende meiner akademischen Laufbahn wollte

ich das Studentendasein noch einmal voll und

ganz genieszligen und habe mich entschlossen eine

Summer School zu besuchen Fast jeder unserer

Fachbereiche bietet so etwas an Fuumlr mich ging die

Reise unter der Leitung von Professor Dr Siegmar

Schmidt (Politikwissenschaften) nach Wroclaw Polen

Erasmus-finanziert begann meine Hinfahrt in einem

Fernbus von Karlsruhe direkt nach Breslau so der alte

deutsche Name fuumlr Wroclaw

Hier angekommen bezogen wir ndash meine Wenigkeit

mit sieben anderen Deutschen ndash unsere Zimmer in

einem Studentenwohnheim oder wie ich es nenne

bdquoPlattenromantik-Hotelldquo Von auszligen neu gestrichen

verspruumlhte das Haus von innen den gesamten

Ostblock-Charme der Kalten-Krieg-Aumlra Das war

fuumlr mich aber auch das einzig Negative waumlhrend

meiner zweiwoumlchigen Summer School Bereits

am ersten Tag lernten wir beim bdquoget-togetherldquo

die anderen Teilnehmer kennen 70 Studenten

aus uumlber acht Laumlndern wollten mehr uumlber die

europaumlische Finanzkrise lernen und ndash wie ich ndash neue

Freundschaften knuumlpfen

Ab dem zweiten Tag war unser neues Zuhause ein

Houmlrsaal beim Institut fuumlr Politikwissenschaft Dort

E-Mail aus hellip Wroclaw

lernten wir wie verschiedene europaumlische Staaten mit

der Finanzkrise zu kaumlmpfen hatten und stellten jeweils

unsere Laumlnder selbst vor

Nach der ersten Woche wurden wir in verschiedene

Gruppen aufgeteilt um uumlber Innovation im

oumlffentlichen und privaten Sektor zu forschen

Forschen bedeutete dabei dass wir polnische

Buumlrger interviewten die entweder im privaten oder

oumlffentlichen Bereich taumltig sind Mein bdquoResearch-Haufenldquo

war bunt gemischt ndash von Belgiern uumlber Rumaumlnen

bis hin zu Ukrainern Ohne Verstaumlndigungsprobleme

meisterten wir unseren Arbeitsauftrag was am letzten

Tag feucht-froumlhlich mit allen gefeiert wurde

Am Ende moumlchte ich noch eine Lanze fuumlr die Stadt

Wroclaw und das Land Polen brechen Wir wurden

sehr herzlich aufgenommen Die Stadt mit ihrer

(deutschen) Geschichte war atemberaubend Nicht

nur die alten Gebaumlude haben es mir angetan sondern

die Atmosphaumlre rund um den historischen Stadtkern

Ich habe in diesen zwei Wochen sehr viele Menschen

kennen gelernt einige wuumlrde ich nun als enge Freunde

bezeichnen Das erste Wiedersehen mit Studenten aus

Belgien und Tschechien ist bereits geplant

Bis bald im guten alten Landau

euerDaniel Schumacher

23NeuLand 2014 03

Hochschulgruppe

Eigentlich kommt Cornelia Spengler aus einem ganz anderen Fachgebiet Nach ih-rem Biologiestudium am Karlsruher Insti-tut fuumlr Technologie promoviert sie derzeit in Landau im Fachbereich Natur- und Um-weltwissenschaften Aber auch an sozialer Arbeit hatte sie schon immer Interesse Sie wollte sich nicht nur mit der Wissenschaft beschaumlftigen sondern mit Menschen zu-sammenarbeiten So entdeckte sie fuumlr sich ein sensibles Thema die Integration und Bildungsgerechtigkeit

Cornelia Spengler wollte nicht nur reden sondern handeln In der SchuumllerNavi-Grup-pe in Aachen fand sie ein Vorbild nach dem sie am Campus Landau gemeinsam mit Stu-dentin Sylvia Klaus eine Hochschulgruppe aufbaute Ziel sollte es sein Schuumller zu foumlr-dern die durch ihre mangelnden Deutsch-kenntnisse in der Schule Probleme haben und deren Eltern das Geld fuumlr Nachhilfe nicht aufbringen koumlnnen bdquoWenn die Eltern zu Hause kaum Deutsch sprechen haben die Kinder dort auch wenig Unterstuumltzung fuumlr die Schule Diktate zu uumlben ist dann schlichtweg nicht moumlglichldquo erklaumlrt Speng-ler

SchuumllerNavi bietet neben Hausaufgaben-betreuung und Nachhilfeunterricht auch kulturellen Austausch Mittlerweile betei-ligen sich in der Hochschulgruppe uumlber 20 Studenten die den Schuumllern in schulischen

Aktive Arbeit statt bloszlige TheorieUumlber Integration zu reden bringt nicht viel Sie muss gelebt werden Darum gruumlndete die

Landauer Doktorandin Cornelia Spengler mit Studentin Sylvia Klaus die Hochschulgruppe

SchuumllerNavi die immer mehr Mitglieder zaumlhlt Wie man Integration foumlrdern kann und was

den Ehrenamtlichen ihre Arbeit bringt daruumlber sprach sie mit NeuLand

Belangen zur Seite stehen ihnen das Uni-Leben zeigen und ihnen zuhoumlren wenn sie Probleme haben

Spengler selbst betreut zwei Bruumlder mit tamilischen Wurzeln Um Beruumlhrungspunk-te zu schaffen die fuumlr den Aufbau eines Ver-trauensverhaumlltnisses wichtig sind hat sie mit den Jungs auf dem Campus beispiels-weise gemeinsam mikroskopiert Einer der beiden Bruumlder war stark versetzungsgefaumlhr-det und hat es nun in die naumlchste Klasse geschafft Ein Stuumlck weit schreibt sie diesen Erfolg SchuumllerNavi zu

bdquoSchwierig ist es zu unterscheiden welche Kinder wirklich der Foumlrderung beduumlrfenldquo so Spengler In Konkurrenz mit Nachhilfe-Firmen will die Gruppe nicht treten Ziel-gruppe sind Kinder die in der Schule haumlufig nicht ausreichend gefoumlrdert werden und deren Eltern sich keine professionelle Nach-hilfe leisten koumlnnen Daher hat SchuumllerNavi Kooperationen mit sozialen Institutionen Landaus die ihnen die Kontakte weiterver-mitteln bdquoDer Bedarf ist riesig Wir koumlnnen ihn gar nicht deckenldquo berichtet Spengler Daher ist die Hochschulgruppe auch staumln-dig dabei neue Mitglieder zu werben

Fuumlr die Zukunft plant die Hochschul-gruppe eine weitere Kooperation mit ELKE (Eltern Kompetenzen erlernen) um die El-tern weiterzuschulen beispielsweise mit Sprachkursen Dadurch sollen diese ihren

Kindern besser bei schulischen Aufgaben selbst helfen koumlnnen

Neben dem Gefuumlhl etwas Gutes zu tun sieht Spengler aber auch andere Vorteile fuumlr das Ehrenamt Gerade Lehramtsstu-denten koumlnnen sich hier ausprobieren und paumldagogische Konzepte umsetzen die sie aus der Theorie kennen Jeder koumlnne viel lernen erklaumlrt sie Man uumlbe hier nicht nur den Umgang mit Kindern und Jugendli-chen sondern lerne auch viel uumlber fremde Kulturen Sie selbst habe von ihren zwei Nachhilfeschuumllern bereits viel uumlber Feierta-ge und Sitten ihrer Kultur aber auch einzel-ne Vokabeln ihrer Sprache gelernt Und die Schuumller seien sehr interessiert an deutschen Gebraumluchen und Eigenarten

Fuumlr das ehrenamtliche Engagement hat SchuumllerNavi bereits Preise bekommen Bei der Initiative fuumlr Integration von bigFM be-legten sie den dritten Platz Das Preisgeld investierte die Gruppe unter anderem um mit ihren Schuumllern die Zooschule zu besu-chen In diesem Jahr erhaumllt SchuumllerNavi zu-dem den Campus-Kulturpreis des Campus Landau

bdquoMan redet immer uumlber Integration Von Menschen mit Migrationshintergrund wird erwartet sich hier zu integrieren Aber das liegt ja auch an uns Man muss sie auf die-sem Weg unterstuumltzenldquo erklaumlrt Doktorandin Spengler (rst)

Termine ImpressumHerausgeberReferat fuumlr Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit der Universitaumlt Koblenz-Landau Campus Landau Fortstraszlige 7 76829 Landau

RedaktionsteamKerstin Theilmann (ket) (verantw) Berend Barkela (bb) Wilfried Dorsch (wdo) Sebastian Kapp (kap) Daniel Schumacher (dan) Rosa Stecher (rst)

LayoutMedienzentrum Campus Landau Berend Barkela

FotosTitel Imago Fotoarena S 2 S 3 privat S 5 Imago Xinhua S 7 oben kanvag - Fotoliacom S 7 unten Medienzentrum Hiller S 9 Imago ITAR-TASS S 10 Imago Steinach S 11 Imago DeFodi S 13 Imago PPfotodesign S 15 JiSign - Fotoliacom S 17 Medienzentrum Hiller S 19 Medienzentrum Barkela S 20 Medienzentrum Hiller S 21 und 22 Daniel Schumacher

KontaktKerstin TheilmannTel 06341 280-32219 E-Mail theiluni-koblenz-landaude

Aus Gruumlnden der besseren Lesbarkeit verwenden wir in unseren Artikeln die maumlnnliche Form Damit sind stets Frauen und Maumlnner gemeint

Die Redaktion behaumllt sich die Kuumlrzung und Uumlberarbeitung von Texten vor Die Meinung einzelner AutorinnenAutoren gibt nicht immer die Meinung der Redaktion wieder

28101014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Florian Ostertag Atrium Infos unter wwwasta-landaude

05112014 ab 2130 Uhr Atriumsfete Infos unter wwwasta-landaude

06112014 20 Uhr Poetry Slam Landau Universum Kinocenter Infos unter wwwzkwuni-landaude

19112014 1930 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Friedensprojekt Europa in der Krise Mit Bundesministerin aD Heidemarie Wieczorek-Zeul und weiteren Gaumlsten Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

19112014 21 Uhr Konzert bdquoBeats und Pianoldquo Audimax Infos unter wwwasta-landaude

1122014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Unland Atrium Infos unter wwwasta-landaude

03122014 19 Uhr Hambacher Gespraumlch Meine Daten gehoumlren den Unternehmen Hambacher Schloss Infos unter wwwfliuni-landaude

05122014 1930 Uhr Reihe bdquoGroszlige Begegnungenldquo mit Sternekoch Alfons Schubeck Jugendstil-Festhalle Landau Infos unter wwwzkwuni-landaude

08122014 1900 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Frieden durch Demokratie Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

Ausblick 13 - 15012015 Poetik-Dozentur mit Rafik Schami Infos unter wwwzkwuni-landaude

Weitere Termine unter wwwuni-koblenz-landaudeaktuell wwwuni-koblenz-landaudeblog

Page 17: Neuland Ausgabe 3/2014

17NeuLand 2014 03

Kinder- und Jugendhospitzarbeit

Wie lassen sich die Arbeit und das Zu-sammenleben in Kinder- und Jugendhos-pizen verbessern Wie werden Kinder und Jugendliche wirkungsvoll begleitet die an einer unheilbaren Krankheit leiden oder die einen Trauerfall in der Familie verar-beiten muumlssen bdquoBislang konnten sich die Einrichtungen ausschlieszliglich durch ein Qua-litaumltssiegel bewerten lassenldquo sagt Sven Jen-nessen Das bedeute harte generalisierte Bewertungsfaktoren bdquoDabei unterscheiden sich die Einrichtungen teilweise gravierendldquo So sei etwa die Nachfrage nach tuumlrkischer Sprachkompetenz in einigen Einrichtungen zwar sehr hoch ndash es gebe aber auch Einrich-tungen bei denen der Bedarf schlicht nicht erkennbar sei Hier muumlsse man individuell auf die Beduumlrfnisse der Einrichtungen der Mitarbeiter der Kinder und Jugendlichen sowie der Familien eingehen Fuumlr Jennessen ist dies nur eines von vielen Beispielen bei dem sich die Schwaumlche starrer Bewertungs-

kriterien zeigt Immerhin muumlsse gerade in diesem sensiblen Bereich der Mensch im Mittelpunkt stehen ndash und keine Checkliste

Deshalb ist der Qualitaumltsindex fuumlr Kin-der- und Jugendhospizarbeit QuinK auch bdquoandersldquo Der Fokus liegt nicht nur auf den Antworten sondern auch auf der Kom-munikation zwischen den Beteiligten also zwischen haupt- und ehrenamtlichen Mit-arbeitern mit Eltern Kindern und auch Geschwistern bdquoNachhaltige Qualitaumltsent-wicklung funktioniert nur durch Kommuni-kation aller Beteiligtenldquo so der Ansatz von Sven Jennessen Und damit sind auch die Juumlngsten gemeint bdquoWir sehen die Kinder als Experten in eigener Sache anldquo erklaumlrt Stefanie Hurth Gerade die Einbeziehung der Geschwister stelle derzeit bei vielen Einrichtungen ein Problem dar Denn die muumlssten bei einer todbringenden Krank-heit der Schwester oder des Bruders haumlufig zuruumlckstecken Nur selten bleibe das ohne

Konflikte wodurch sie im schlimmsten Fall die Moumlglichkeit versaumlumten sich von ihren Geschwistern zu verabschieden bdquoHier gibt es kein Schema F Viel wichtiger ist dass die Betroffenen sich austauschen die Themen aufgreifen und dann Loumlsungen entwickelnldquo sagt Hurth

Der QuinK soll durch seine zur Reflexion anregenden Fragen diese Kommunikati-on ermoumlglichen und eine Art Diskussions-Agenda darstellen Daher wurde QuinK in den vergangenen Monaten in drei stationauml-ren Kinder- und Jugendhospizen und zwei ambulanten Kinderhospizdiensten getes-tet Jennessen und Hurth besuchten die Einrichtungen in Unna Duumlsseldorf Syke Darmstadt und Wiesbaden regelmaumlszligig bdquoDer QuinK ist nicht am gruumlnen Tisch ent-standenldquo sagt Sven Jennessen

Das Team aus Landauer Wissenschaftlern wurde unterstuumltzt vom Deutschen Hospiz- und Palliativverband (DHPV) Mit diesem zusammen wurden zwoumllf Grundsaumltze fuumlr die Arbeit von Kinder- und Jugendhospizen verfasst Das seien komplexe Themen von der Betreuung der Kinder bis zur Oumlffentlich-keitsarbeit fuumlr die jeweils ein aus den drei Kategorien Haltung Strukturen und Prak-tiken bestehender Fragebogen entstan-den ist bdquoEinige Fragen die wir als wichtig erachtet hatten wurden in der Praxis nicht angenommen Andere wiederum haben wir ergaumlnzt Jetzt ist der QuinK fitldquo ist Stefanie Hurth stolz auf das Ergebnis Und Sven Jen-nessen ergaumlnzt bdquoDie Ruumlckmeldungen waren insgesamt sehr positivldquo

Nun soll der QuinK Verbreitung finden Fachvortraumlge auf Konferenzen Artikel in Fachzeitschriften Die Arbeit des Jennessen-Teams ist noch laumlngst nicht abgeschlossen bdquoWir haben aber gute Startvoraussetzun-gen schlieszliglich waren die Praktiker vom DHPV von Anfang an an Bordldquo so Jennes-sen (kap)

QuinK neuer QualitaumltsindexEin neuer Index soll die Betreuung in Kinder- und Jugendhospizeinrichtungen verbessern

Dieser Aufgabe haben sich Professor Dr Sven Jennessen und Stefanie Hurth vom Institut

fuumlr Sonderpaumldagogik in den letzten Monaten gewidmet Nun praumlsentieren sie das

Ergebnis ihrer Arbeit den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit kurz QuinK

Ein Jahr lang hat Stefanie Hurth den Qualitaumltsindex fuumlr Kinder- und Jugendhospizarbeit getestet Nun ist der bdquoQuinKldquo fertig und soll im Oktober in die Praxis gehen

18 NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Nach der neuen Gallup-Studie ist die Ar-beitszufriedenheit zwar im Vergleich zum letzten Jahr gestiegen trotzdem kritisch Nur wenige Menschen fuumlhlen sich bei ihrer Arbeit wertgeschaumltzt Sie suchen stattdes-sen ihr Gluumlck in der Freizeit Hinzu kommt ein dramatischer Anstieg von psychischen Erkrankungen wie dem Burnout-Syndrom Wie kann man mit diesen Gefahren umge-hen

Eine potenzielle Loumlsung liegt im Bereich der positiven Psychologie Sie befasst sich damit unter welchen Umstaumlnden Personen Wohlbefinden Gluumlck und Zufriedenheit erleben Waumlhrend sich vor den 90er Jahren die Sozial- und Verhaltenspsychologen vor allem mit den Defiziten beschaumlftigt haben untersucht man seit 1998 psychologische Prozesse die dazu fuumlhren dass Menschen zufrieden und gluumlcklich und dadurch leis-tungsfaumlhiger sind

Ottmar L Braun ist auszligerplanmaumlszligiger Professor in der Arbeitsgruppe Sozial- und Wirtschaftspsychologie am Campus Landau und befasst sich mit positiver Psycholo-gie Zur Thematik Unzufriedenheit im Job bekraumlftigt er bdquoDie Forschung hat deutlich gezeigt dass sich Techniken der positiven Psychologie vorteilhaft auf die Arbeits- und Lebenszufriedenheit auswirkenldquo Besonders interessant sei das fuumlr Krankenkassen da sie sich mit Krankheit und Gesundheit ausei-

nandersetzen und auch als erste die Kosten von langfristigen Ausfaumlllen zum Beispiel durch Burnout tragen muumlssen Braun wei-ter bdquoDann muumlssen die sich natuumlrlich fragen Wie kommt dasldquo

Braun meint Arbeit duumlrfe nicht krank machen Arbeit muumlsse eher die Moumlglich-keit bieten dass man sich positiv entfalten koumlnne Deshalb muumlssten sich Arbeitgeber darum bemuumlhen dass die Leute mit mehr Spaszlig zur Arbeit kommen bdquoDaruumlber hinaus muumlssen Arbeitnehmer Aufgaben bekom-men um ihre Staumlrken ausleben zu koumlnnenldquo Er konkretisiert bdquoSie brauchen Aufgaben an denen sie persoumlnlich wachsen wo sie quasi aufbluumlhen koumlnnenldquo

In der positiven Psychologie sei der Begriff bdquoaufbluumlhenldquo elementar denn bdquoWenn Per-sonen etwas geleistet haben sprich Ziele erreichen dann sind sie zufriedener und haben wenig handlungsirrelevante Kogniti-onen oder Ablenkung Sie koumlnnen sich wie-der auf ihre Aufgaben konzentrieren und dadurch mehr leistenldquo begruumlndet Braun Zufriedenheit am Arbeitsplatz habe aber auch immer etwas mit der Entwicklung von Fuumlhrungskraumlften zu tun Nach Braun muumlss-ten sie darauf achten dass sie ihr Team ge-sund fuumlhren bdquoKrankenkassen wie die AOK Rheinland-PfalzSaarland bieten deshalb extra Programme dafuumlr an an denen wir als Team der Universitaumlt Koblenz-Landau

beteiligt sindldquo Eine weitere Moumlglichkeit fuumlr Arbeitgeber sieht Braun in regelmaumlszligigen Mitarbeiterbefragungen bdquoIm Rahmen von Folgeprozessen kann man dafuumlr sorgen dass zufriedenstellende Arbeitsbedingun-gen vorhanden sind und Missstaumlnde abge-schafft werdenldquo

Allerdings sei die Schuld nicht nur beim Arbeitgeber zu suchen Auch die Mitar-beiter sollten darauf achten ob sie an der richtigen Stelle im Unternehmen eingesetzt oder ob sie vielleicht irgendwo anders bes-ser aufgehoben seien Braun stellt klar bdquoVor der innerlichen Kuumlndigung sollte Unzufrie-denheit konstruktiv zum Ausdruck gebracht werden um dann vielleicht an einer sinn-volleren Stelle eingesetzt zu werdenldquo

Der Professor bemerkt dass die positive Psychologie allerdings nichts Neues sei bdquoIn der Arbeits- und Organisationspsychologie in der wir uns hier bewegen haben Wissen-schaftler ja schon immer das Thema Arbeits-zufriedenheit untersuchtldquo Es sei von daher ein ganz altes Forschungsgebiet welches nun durch die positive Psychologie neu be-reichert werde

Spielend zum GluumlckBraun hat an der Universitaumlt eine eige-

ne Studie zur Zufriedenheit durchgefuumlhrt

Unzufrieden im Job Positive Psychologie kann helfen

Viele kennen es Wenn Montagmorgen der Wecker klingelt faumlllt das Aufstehen oft

schwer besonders wenn man unzufrieden mit seiner Arbeit ist Aber warum ist man

unzufrieden und wie kann positive Psychologie dabei helfen die Unzufriedenheit zu

uumlberwinden NeuLand hat mit dem Professor fuumlr Wirtschaftspsychologie Dr Ottmar L

Braun uumlber die Psychologie der positiven Dinge gesprochen

19NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Dabei wurden Studierende einen Tag lang in Techniken der positiven Psychologie un-terrichtet bdquoAuszligerdem haben sie ein Gluumlcks-tagebuch bekommen bei dem sie ihre Gluumlcksmomente niederschreiben koumlnnen und einiges uumlber Smalltalk und Networking gelerntldquo Die Ergebnisse wuumlrden zeigen dass sich die Zufriedenheit der Studieren-den kurzfristig aber auch langfristig positiv veraumlndere Zudem seien ihr Optimismus und die Studienmotivation angestiegen depressive Verstimmungen gesunken Braun verdeutlicht bdquoAlles so wie man sich das wuumlnschtldquo

In seiner Forschung versucht er eine Bruuml-cke zu schlagen zwischen Techniken der positiven Psychologie und Techniken des Selbstmanagements Das wuumlrde gut pas-sen denn auch in der positiven Psychologie wuumlrden oft Tipps gegeben wie man etwas angehen solle versichert Braun Eine ganz prominente Uumlbung beim Selbstmanage-ment und in der positiven Psychologie sei die bdquoWas ist gut gelaufen-Uumlbungldquo Dabei geht es darum dass man am Abend uumlber-legen soll welche drei Dinge am Tag gut gelaufen sind und welche seiner Staumlrken es waren die dazu beigetragen haben Das sei eine Uumlbung die in der gesamten Literatur empfohlen werde Der Namensgeber der positiven Psychologie Martin Seligman habe zeigen koumlnnen dass die Anwendung

dieser Uumlbung dazu fuumlhre dass Leute nach sechs Monaten weniger depressiv seien Seligman fuumlhre das darauf zuruumlck dass das eine selbstverstaumlrkende Wirkung habe so Braun bdquoDie Leute merken dass sie sich bes-ser fuumlhlen wenn sie daruumlber nachdenken was heute gut gelaufen ist und warum Und deshalb wiederholen sie den Vorgangldquo Es habe dadurch eine langfristige Wirkung

Brauns neuestes Aushaumlngeschild ist ein Brettspiel namens bdquoCareer Games ndash spie-lend trainierenldquo bdquoWir haben Seminare ent wickelt bei denen wir Selbstmanage-ment-Kompetenzen in verschiedenen Le-bens- oder Inhaltsbereichen von Personen staumlrken koumlnnen Dazu dient auch ein Brett-spiel bei dem die Teilnehmer verschiedene Inhaltsbereiche der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder auch Smalltalk und Networking spielend erlernenldquo Jeder Spieler bekomme im Spiel eine Figur und muumlsse seinen Weg durch das Spielfeld wuumlrfeln so Braun bdquoAuf den Fel-dern muumlssen sie dann Quizkarten ziehen die das im Seminar Gelernte noch einmal aufarbeitenldquo Dabei muumlssten sie beispiels-weise drei Dinge nennen die sie in ihrem Leben gluumlcklich machen bdquoDurch den Spiel-charakter lernt man mehr als nur uumlber Se-minareldquo Mit Erfolg Erste Untersuchungen zeigen positive langfristige Effekte durch die Seminar-Brettspiel-Kombination (dan)

Tipps fuumlr die positive Fuumlhrung von Ottmar Braun

Fuumlhrungskraumlfte muumlssen eine gute zwischenmensch-liche Beziehung zu jedem einzelnen Mitarbeiter unterhalten Sie muumlssen auch verbindliche Aussagen machen und zu diesen Aussagen stehen Des Weiteren sollte ein Chef seine Angestellten unterstuumltzen wenn es notwendig ist Wichtig ist auch keinen unnoumltigen Druck aufzubauen sondern Staumlrken von Mitarbeitern kennen zu lernen und zu foumlrdern Von Vorteil koumlnnen auch Begruumlszligungs- und Krankenruumlckkehrgespraumlche sein Es koumlnnte ja sein dass die Krankheit etwas mit den Arbeitsbedingungen zu tun hat Natuumlrlich sind auch Teamsitzungen und Teambildungsmaszlignahmen von groszliger Bedeutung um ein angenehmes Arbeits-klima herzustellen

Spielend lernen Mit dem Brettspiel bdquoCareer Gamesldquo erlernen die Spieler verschiedene Inhalte der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder Smalltalk und Networking

20 NeuLand 2014 03

Psychotherapie-Ambulanz

Wie eine Baustelle sieht die psychothera-peutische Uni-Ambulanz nicht mehr aus Den Abdeckplanen sind bunte Stuumlhle und Stofftiere gewichen im Eingangsbereich liegen Fachmagazine und das Buumlro von Professorin Dr Tina In-Albon ist bereits voller Buumlcher Und doch bdquoist hier noch alles Baustelleldquo so die Professorin fuumlr Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kin-des- und Jugendalters Nach Therapeuten werde noch gesucht die ersten Behandlun-gen seien angelaufen Forschungsprojekte in Planung bdquoEine spannende Phaseldquo bekraumlf-tigt die Ambulanzleiterin

Von nun an wird sich das zehnkoumlpfige Team um die Professorin In-Albon und Ge-schaumlftsfuumlhrerin Dr Daniela Schwarz mit den psychischen Erkrankungen der suumld-pfaumllzer Kinder und Jugendlichen befassen Die Kosten fuumlr die psychotherapeutische Behandlung uumlbernehmen bei Indikation die Krankenkassen Hinzu kommt ein wei-terbildender Studiengang zur Ausbildung in Kinder- und Jugendlichenpsychothe-rapie der im Wintersemester 201415 mit zwoumllf Teilnehmern pro Jahrgang startet In Rheinland-Pfalz ist die Universitaumlt Kob-lenz-Landau in diesem Bereich die einzige universitaumlre Ausbildungsstaumltte Neben der hauseigenen Ambulanz kooperiert der Studiengang mit dem Pfalzklinikum in Klin-genmuumlnster sowie anderen kinder- und ju-gendpsychiatrischen Kliniken in der Region

Kaum eroumlffnet schon stehen die ersten Forschungsprojekte an Derzeit liegt ein Fokus in der Behandlung von Angststoumlrun-gen und Depressionen bdquoVielen Depressio-nen gehen Aumlngste voraus Daher lohnt es diese beiden zusammen zu betrachtenldquo so

Tina In-Albon Laut Statistik leiden zirka 20 Prozent der Erwachsenen und zirka 10 Pro-zent der Kinder unter Angststoumlrungen bei Depressionen sind es sogar 40 Prozent der Erwachsenen und im Jugendalter auch be-reits zwischen 15 und 20 Prozent In Planung befindet sich daher eine Therapiestudie fuumlr Jugendliche mit Angst- und depressiven Stoumlrungen Ein weiterer Forschungsbereich ist das nicht-suizidale selbstverletzende Verhalten im Volksmund auch als bdquoRitzenldquo bekannt bdquoDa machen wir eher Grundla-genforschungldquo so die Professorin Ein spe-zifisches Therapieangebot gebe es derzeit noch nicht ndash bdquodas kann sich aber alles noch entwickelnldquo

Einen weiteren Forschungsschwerpunkt stellt die psychische Gesundheit bei Kindern mit Diabetes dar insbesondere bei Diabetes vom Typ I der im Gegensatz zum bdquoAltersdi-abetesldquo II auch bei Kindern und Jugendli-chen verbreitet ist bdquoHier wissen wir uumlber

Erste Forschungsprojekte stehen an

Ende Juni offiziell eingeweiht hat die Psychotherapie-Ambulanz fuumlr Kinder und Jugend-

liche die Arbeit aufgenommen Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen

haben nun in Landau eine neue Anlaufstation Und auch die Forschung profitiert von der

Einrichtung

die medizinische Forschung zwar schon eine Mengeldquo sagt Tina In-Albon aber aus psychologischer Sicht sei das Thema noch relatives Neuland Wie etwa sieht es bei der psychologischen Betreuung der Kinder aus aber auch der Eltern der Lehrer und sons-tiger zentraler Bezugspersonen Wird die Krankheit und deren Umgang akzeptiert Wie koumlnnen Psychotherapeuten helfen Auch hier schlummert ein Forschungspo-tenzial fuumlr In-Albon bdquoVieles ist im Aufbauldquo sagt sie beschwichtigend Und doch laumlsst sie im Gespraumlch mit NeuLand durchblicken dass sie auch auf diesem Gebiet noch inten-siver forschen moumlchte

Neben der Forschung ist die Hochschul-ambulanz auch in die Lehre im Rahmen des Masterstudiengangs Klinische Psychologie eingebunden So werden die Studierenden beispielsweise in die Diagnostik einbezogen und koumlnnen unter Supervision in Patienten-gespraumlchen Praxiserfahrung sammeln (kap)

In der neuen Universitaumltsambulanz fuumlr Kinder und Jugendliche wird die ganze Palette der psychischen Stoumlrungen behandelt

21NeuLand 2014 03

Wenn man sich seine Dozenten auszligerhalb der Universitaumlt vorstellt dann ist es wohl in einem Sessel vor einem uumlberfuumlllten Buumlcher-regal mit einem wissenschaftlichen Buch in der Hand vielleicht noch mit einem Hund zu den Fuumlszligen Wenige Studenten glauben dass ihre Dozenten moumlglicherweise eine spannendere Freizeitgestaltung haben als sie selbst

Bei Walter H Schreiber ist das aber so Seit dem Sommer 2013 ist er 3D-Bogenschuumltze 3D-Bogenschieszligen bedeutet nicht dass man mit einer 3D-Brille und einem virtu-ellen Bogen bewaffnet auf herannahende Tiere oder Aliens schieszligt Eigentlich ist das 3D-Bogenschieszligen vielmehr die Wieder-entdeckung des sportlichen Jagens mit Pfeil und Bogen ohne einem Tier Schaden zuzufuumlgen Es erinnert an eine Art Golf Der Schlaumlger wird zum Bogen der Ball zum Pfeil und statt eines Abschlags hat man einen Abschuss-Punkt Das Ziel ist aber kein Loch sondern zum Beispiel ein Fasan oder eine Riesenspinne welche von Vereinsmitglie-dern angefertigt und im Parcours platziert wurde

Schreiber ist seit Dezember Mitglied beim Verein Palatina Bogenschuumltzen eV in Ins-heim suumldlich von Landau Davor absolvierte er bereits einen Pfeil und Bogen-Intensiv-kurs in der Eifel bdquoDamit sich nicht bereits am Anfang grobe Fehler einschleichenldquo bekraumlf-tigt Schreiber Sein Sohn sei auch Bogen-schuumltze habe aber unabhaumlngig von ihm zur selben Zeit angefangen Auf die Frage wa-rum er nicht das klassische von Olympia be-kannte Bogenschieszligen ausuumlbe antwortet Schreiber bdquoDa gibt es zu viele Regelnldquo Au-szligerdem sei er ein intuitiver Schuumltze welcher ndash im Gegensatz zum strategischen Schuumltzen ndash sich voll und ganz auf seine Erfahrung und sein Bauchgefuumlhl verlasse Zwar ist Schrei-ber schon seit einem Jahr leidenschaftlicher Bogenschuumltze trotzdem gilt er im Verein

Entspannung vom AlltagWaumlhrend die Studierenden fast immer wissen ob ein Dozent freundlich oder streng ist

koumlnnen sich nur wenige vorstellen was diese mit ihrer Freizeit anfangen NeuLand war

einen Abend mit Dr Walter H Schreiber unterwegs Sein Hobby das 3D-Bogenschieszligen

noch als Anfaumlnger bdquoDeswegen behalte ich meine Ergebnisse bei Wettkaumlmpfen lieber fuumlr michldquo bemerkt er schmunzelnd

Sicherheit sei sehr wichtig betont Schrei-ber So muss sich jeder Schuumltze vorab in einem Schieszligbuch eintragen um zu sehen wie viele Leute auf dem Parcours unter-wegs sind Aus gutem Grund Auf dem 500 Meter langen und mit 28 Zielen bestuumlckten Parcours kann man leicht den Uumlberblick verlieren Zwei bis drei Stunden dauert die Durchquerung des Kurses Manchmal machen es abgeknickte Aumlste und ein rut-schiger Untergrund gar nicht so einfach die Ziele zu treffen Trotzdem wuumlrden die meisten Unfaumllle nicht beim Schieszligen selbst passieren sondern beim Herausziehen der Pfeile aus den Koumlrpern der Ziele meint Schreiber Ein Vereinskollege ergaumlnzt bdquoWich-

tig ist uns dass wir das 3D-Bogenschieszligen nicht als Vorstufe zur Jagd mit Pfeil und Bogen sehen Es ist vielmehr ein Sport bei dem man sich deutschlandweit mit anderen Schuumltzen messen kannldquo Im Gegensatz zum klassischen Bogenschieszligen schieszlige man nicht auf langweilige Zielscheiben sondern durchlaufe einen interessanten Parcours

Fuumlr Schreiber ist das Bogenschieszligen Ent-spannungskur vom alltaumlglichen Uni-Stress bdquoNach der Arbeit auf den Parcours zu gehen befreit meinen Kopfldquo Verstaumlndlich denn das leise Zischen des Pfeiles und die Ruhe im gruumlnen naturbelassenen Gelaumlnde hat etwas Erholendes Auszligerdem hat Schreiber beim Verein Palatina Freunde gefunden mit denen er an fast jedem Donnerstag und Sonntag durch den Parcours streift ndash auf der Jagd nach kuumlnstlichen Tieren (dan)

Hobby 3D-Bogenschieszligen

Beim 3D-Bogenschieszligen findet Walter H Schreiber Entspannung vom alltaumlglichen Uni-Stress

22 NeuLand 2014 03

Summer School

In der Reihe bdquoE-Mail aus hellipldquo berichtet Sozialwissenschafts-Student Daniel Schumacher

von der Summer School aus dem polnischen Wroclaw

Liebes NeuLandCześćaus Wroclaw Manchmal reicht ein

akademischer Kurz-Urlaub um ein Land und die

Leute lieben zu lernen

Zum Ende meiner akademischen Laufbahn wollte

ich das Studentendasein noch einmal voll und

ganz genieszligen und habe mich entschlossen eine

Summer School zu besuchen Fast jeder unserer

Fachbereiche bietet so etwas an Fuumlr mich ging die

Reise unter der Leitung von Professor Dr Siegmar

Schmidt (Politikwissenschaften) nach Wroclaw Polen

Erasmus-finanziert begann meine Hinfahrt in einem

Fernbus von Karlsruhe direkt nach Breslau so der alte

deutsche Name fuumlr Wroclaw

Hier angekommen bezogen wir ndash meine Wenigkeit

mit sieben anderen Deutschen ndash unsere Zimmer in

einem Studentenwohnheim oder wie ich es nenne

bdquoPlattenromantik-Hotelldquo Von auszligen neu gestrichen

verspruumlhte das Haus von innen den gesamten

Ostblock-Charme der Kalten-Krieg-Aumlra Das war

fuumlr mich aber auch das einzig Negative waumlhrend

meiner zweiwoumlchigen Summer School Bereits

am ersten Tag lernten wir beim bdquoget-togetherldquo

die anderen Teilnehmer kennen 70 Studenten

aus uumlber acht Laumlndern wollten mehr uumlber die

europaumlische Finanzkrise lernen und ndash wie ich ndash neue

Freundschaften knuumlpfen

Ab dem zweiten Tag war unser neues Zuhause ein

Houmlrsaal beim Institut fuumlr Politikwissenschaft Dort

E-Mail aus hellip Wroclaw

lernten wir wie verschiedene europaumlische Staaten mit

der Finanzkrise zu kaumlmpfen hatten und stellten jeweils

unsere Laumlnder selbst vor

Nach der ersten Woche wurden wir in verschiedene

Gruppen aufgeteilt um uumlber Innovation im

oumlffentlichen und privaten Sektor zu forschen

Forschen bedeutete dabei dass wir polnische

Buumlrger interviewten die entweder im privaten oder

oumlffentlichen Bereich taumltig sind Mein bdquoResearch-Haufenldquo

war bunt gemischt ndash von Belgiern uumlber Rumaumlnen

bis hin zu Ukrainern Ohne Verstaumlndigungsprobleme

meisterten wir unseren Arbeitsauftrag was am letzten

Tag feucht-froumlhlich mit allen gefeiert wurde

Am Ende moumlchte ich noch eine Lanze fuumlr die Stadt

Wroclaw und das Land Polen brechen Wir wurden

sehr herzlich aufgenommen Die Stadt mit ihrer

(deutschen) Geschichte war atemberaubend Nicht

nur die alten Gebaumlude haben es mir angetan sondern

die Atmosphaumlre rund um den historischen Stadtkern

Ich habe in diesen zwei Wochen sehr viele Menschen

kennen gelernt einige wuumlrde ich nun als enge Freunde

bezeichnen Das erste Wiedersehen mit Studenten aus

Belgien und Tschechien ist bereits geplant

Bis bald im guten alten Landau

euerDaniel Schumacher

23NeuLand 2014 03

Hochschulgruppe

Eigentlich kommt Cornelia Spengler aus einem ganz anderen Fachgebiet Nach ih-rem Biologiestudium am Karlsruher Insti-tut fuumlr Technologie promoviert sie derzeit in Landau im Fachbereich Natur- und Um-weltwissenschaften Aber auch an sozialer Arbeit hatte sie schon immer Interesse Sie wollte sich nicht nur mit der Wissenschaft beschaumlftigen sondern mit Menschen zu-sammenarbeiten So entdeckte sie fuumlr sich ein sensibles Thema die Integration und Bildungsgerechtigkeit

Cornelia Spengler wollte nicht nur reden sondern handeln In der SchuumllerNavi-Grup-pe in Aachen fand sie ein Vorbild nach dem sie am Campus Landau gemeinsam mit Stu-dentin Sylvia Klaus eine Hochschulgruppe aufbaute Ziel sollte es sein Schuumller zu foumlr-dern die durch ihre mangelnden Deutsch-kenntnisse in der Schule Probleme haben und deren Eltern das Geld fuumlr Nachhilfe nicht aufbringen koumlnnen bdquoWenn die Eltern zu Hause kaum Deutsch sprechen haben die Kinder dort auch wenig Unterstuumltzung fuumlr die Schule Diktate zu uumlben ist dann schlichtweg nicht moumlglichldquo erklaumlrt Speng-ler

SchuumllerNavi bietet neben Hausaufgaben-betreuung und Nachhilfeunterricht auch kulturellen Austausch Mittlerweile betei-ligen sich in der Hochschulgruppe uumlber 20 Studenten die den Schuumllern in schulischen

Aktive Arbeit statt bloszlige TheorieUumlber Integration zu reden bringt nicht viel Sie muss gelebt werden Darum gruumlndete die

Landauer Doktorandin Cornelia Spengler mit Studentin Sylvia Klaus die Hochschulgruppe

SchuumllerNavi die immer mehr Mitglieder zaumlhlt Wie man Integration foumlrdern kann und was

den Ehrenamtlichen ihre Arbeit bringt daruumlber sprach sie mit NeuLand

Belangen zur Seite stehen ihnen das Uni-Leben zeigen und ihnen zuhoumlren wenn sie Probleme haben

Spengler selbst betreut zwei Bruumlder mit tamilischen Wurzeln Um Beruumlhrungspunk-te zu schaffen die fuumlr den Aufbau eines Ver-trauensverhaumlltnisses wichtig sind hat sie mit den Jungs auf dem Campus beispiels-weise gemeinsam mikroskopiert Einer der beiden Bruumlder war stark versetzungsgefaumlhr-det und hat es nun in die naumlchste Klasse geschafft Ein Stuumlck weit schreibt sie diesen Erfolg SchuumllerNavi zu

bdquoSchwierig ist es zu unterscheiden welche Kinder wirklich der Foumlrderung beduumlrfenldquo so Spengler In Konkurrenz mit Nachhilfe-Firmen will die Gruppe nicht treten Ziel-gruppe sind Kinder die in der Schule haumlufig nicht ausreichend gefoumlrdert werden und deren Eltern sich keine professionelle Nach-hilfe leisten koumlnnen Daher hat SchuumllerNavi Kooperationen mit sozialen Institutionen Landaus die ihnen die Kontakte weiterver-mitteln bdquoDer Bedarf ist riesig Wir koumlnnen ihn gar nicht deckenldquo berichtet Spengler Daher ist die Hochschulgruppe auch staumln-dig dabei neue Mitglieder zu werben

Fuumlr die Zukunft plant die Hochschul-gruppe eine weitere Kooperation mit ELKE (Eltern Kompetenzen erlernen) um die El-tern weiterzuschulen beispielsweise mit Sprachkursen Dadurch sollen diese ihren

Kindern besser bei schulischen Aufgaben selbst helfen koumlnnen

Neben dem Gefuumlhl etwas Gutes zu tun sieht Spengler aber auch andere Vorteile fuumlr das Ehrenamt Gerade Lehramtsstu-denten koumlnnen sich hier ausprobieren und paumldagogische Konzepte umsetzen die sie aus der Theorie kennen Jeder koumlnne viel lernen erklaumlrt sie Man uumlbe hier nicht nur den Umgang mit Kindern und Jugendli-chen sondern lerne auch viel uumlber fremde Kulturen Sie selbst habe von ihren zwei Nachhilfeschuumllern bereits viel uumlber Feierta-ge und Sitten ihrer Kultur aber auch einzel-ne Vokabeln ihrer Sprache gelernt Und die Schuumller seien sehr interessiert an deutschen Gebraumluchen und Eigenarten

Fuumlr das ehrenamtliche Engagement hat SchuumllerNavi bereits Preise bekommen Bei der Initiative fuumlr Integration von bigFM be-legten sie den dritten Platz Das Preisgeld investierte die Gruppe unter anderem um mit ihren Schuumllern die Zooschule zu besu-chen In diesem Jahr erhaumllt SchuumllerNavi zu-dem den Campus-Kulturpreis des Campus Landau

bdquoMan redet immer uumlber Integration Von Menschen mit Migrationshintergrund wird erwartet sich hier zu integrieren Aber das liegt ja auch an uns Man muss sie auf die-sem Weg unterstuumltzenldquo erklaumlrt Doktorandin Spengler (rst)

Termine ImpressumHerausgeberReferat fuumlr Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit der Universitaumlt Koblenz-Landau Campus Landau Fortstraszlige 7 76829 Landau

RedaktionsteamKerstin Theilmann (ket) (verantw) Berend Barkela (bb) Wilfried Dorsch (wdo) Sebastian Kapp (kap) Daniel Schumacher (dan) Rosa Stecher (rst)

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KontaktKerstin TheilmannTel 06341 280-32219 E-Mail theiluni-koblenz-landaude

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Die Redaktion behaumllt sich die Kuumlrzung und Uumlberarbeitung von Texten vor Die Meinung einzelner AutorinnenAutoren gibt nicht immer die Meinung der Redaktion wieder

28101014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Florian Ostertag Atrium Infos unter wwwasta-landaude

05112014 ab 2130 Uhr Atriumsfete Infos unter wwwasta-landaude

06112014 20 Uhr Poetry Slam Landau Universum Kinocenter Infos unter wwwzkwuni-landaude

19112014 1930 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Friedensprojekt Europa in der Krise Mit Bundesministerin aD Heidemarie Wieczorek-Zeul und weiteren Gaumlsten Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

19112014 21 Uhr Konzert bdquoBeats und Pianoldquo Audimax Infos unter wwwasta-landaude

1122014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Unland Atrium Infos unter wwwasta-landaude

03122014 19 Uhr Hambacher Gespraumlch Meine Daten gehoumlren den Unternehmen Hambacher Schloss Infos unter wwwfliuni-landaude

05122014 1930 Uhr Reihe bdquoGroszlige Begegnungenldquo mit Sternekoch Alfons Schubeck Jugendstil-Festhalle Landau Infos unter wwwzkwuni-landaude

08122014 1900 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Frieden durch Demokratie Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

Ausblick 13 - 15012015 Poetik-Dozentur mit Rafik Schami Infos unter wwwzkwuni-landaude

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Page 18: Neuland Ausgabe 3/2014

18 NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Nach der neuen Gallup-Studie ist die Ar-beitszufriedenheit zwar im Vergleich zum letzten Jahr gestiegen trotzdem kritisch Nur wenige Menschen fuumlhlen sich bei ihrer Arbeit wertgeschaumltzt Sie suchen stattdes-sen ihr Gluumlck in der Freizeit Hinzu kommt ein dramatischer Anstieg von psychischen Erkrankungen wie dem Burnout-Syndrom Wie kann man mit diesen Gefahren umge-hen

Eine potenzielle Loumlsung liegt im Bereich der positiven Psychologie Sie befasst sich damit unter welchen Umstaumlnden Personen Wohlbefinden Gluumlck und Zufriedenheit erleben Waumlhrend sich vor den 90er Jahren die Sozial- und Verhaltenspsychologen vor allem mit den Defiziten beschaumlftigt haben untersucht man seit 1998 psychologische Prozesse die dazu fuumlhren dass Menschen zufrieden und gluumlcklich und dadurch leis-tungsfaumlhiger sind

Ottmar L Braun ist auszligerplanmaumlszligiger Professor in der Arbeitsgruppe Sozial- und Wirtschaftspsychologie am Campus Landau und befasst sich mit positiver Psycholo-gie Zur Thematik Unzufriedenheit im Job bekraumlftigt er bdquoDie Forschung hat deutlich gezeigt dass sich Techniken der positiven Psychologie vorteilhaft auf die Arbeits- und Lebenszufriedenheit auswirkenldquo Besonders interessant sei das fuumlr Krankenkassen da sie sich mit Krankheit und Gesundheit ausei-

nandersetzen und auch als erste die Kosten von langfristigen Ausfaumlllen zum Beispiel durch Burnout tragen muumlssen Braun wei-ter bdquoDann muumlssen die sich natuumlrlich fragen Wie kommt dasldquo

Braun meint Arbeit duumlrfe nicht krank machen Arbeit muumlsse eher die Moumlglich-keit bieten dass man sich positiv entfalten koumlnne Deshalb muumlssten sich Arbeitgeber darum bemuumlhen dass die Leute mit mehr Spaszlig zur Arbeit kommen bdquoDaruumlber hinaus muumlssen Arbeitnehmer Aufgaben bekom-men um ihre Staumlrken ausleben zu koumlnnenldquo Er konkretisiert bdquoSie brauchen Aufgaben an denen sie persoumlnlich wachsen wo sie quasi aufbluumlhen koumlnnenldquo

In der positiven Psychologie sei der Begriff bdquoaufbluumlhenldquo elementar denn bdquoWenn Per-sonen etwas geleistet haben sprich Ziele erreichen dann sind sie zufriedener und haben wenig handlungsirrelevante Kogniti-onen oder Ablenkung Sie koumlnnen sich wie-der auf ihre Aufgaben konzentrieren und dadurch mehr leistenldquo begruumlndet Braun Zufriedenheit am Arbeitsplatz habe aber auch immer etwas mit der Entwicklung von Fuumlhrungskraumlften zu tun Nach Braun muumlss-ten sie darauf achten dass sie ihr Team ge-sund fuumlhren bdquoKrankenkassen wie die AOK Rheinland-PfalzSaarland bieten deshalb extra Programme dafuumlr an an denen wir als Team der Universitaumlt Koblenz-Landau

beteiligt sindldquo Eine weitere Moumlglichkeit fuumlr Arbeitgeber sieht Braun in regelmaumlszligigen Mitarbeiterbefragungen bdquoIm Rahmen von Folgeprozessen kann man dafuumlr sorgen dass zufriedenstellende Arbeitsbedingun-gen vorhanden sind und Missstaumlnde abge-schafft werdenldquo

Allerdings sei die Schuld nicht nur beim Arbeitgeber zu suchen Auch die Mitar-beiter sollten darauf achten ob sie an der richtigen Stelle im Unternehmen eingesetzt oder ob sie vielleicht irgendwo anders bes-ser aufgehoben seien Braun stellt klar bdquoVor der innerlichen Kuumlndigung sollte Unzufrie-denheit konstruktiv zum Ausdruck gebracht werden um dann vielleicht an einer sinn-volleren Stelle eingesetzt zu werdenldquo

Der Professor bemerkt dass die positive Psychologie allerdings nichts Neues sei bdquoIn der Arbeits- und Organisationspsychologie in der wir uns hier bewegen haben Wissen-schaftler ja schon immer das Thema Arbeits-zufriedenheit untersuchtldquo Es sei von daher ein ganz altes Forschungsgebiet welches nun durch die positive Psychologie neu be-reichert werde

Spielend zum GluumlckBraun hat an der Universitaumlt eine eige-

ne Studie zur Zufriedenheit durchgefuumlhrt

Unzufrieden im Job Positive Psychologie kann helfen

Viele kennen es Wenn Montagmorgen der Wecker klingelt faumlllt das Aufstehen oft

schwer besonders wenn man unzufrieden mit seiner Arbeit ist Aber warum ist man

unzufrieden und wie kann positive Psychologie dabei helfen die Unzufriedenheit zu

uumlberwinden NeuLand hat mit dem Professor fuumlr Wirtschaftspsychologie Dr Ottmar L

Braun uumlber die Psychologie der positiven Dinge gesprochen

19NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Dabei wurden Studierende einen Tag lang in Techniken der positiven Psychologie un-terrichtet bdquoAuszligerdem haben sie ein Gluumlcks-tagebuch bekommen bei dem sie ihre Gluumlcksmomente niederschreiben koumlnnen und einiges uumlber Smalltalk und Networking gelerntldquo Die Ergebnisse wuumlrden zeigen dass sich die Zufriedenheit der Studieren-den kurzfristig aber auch langfristig positiv veraumlndere Zudem seien ihr Optimismus und die Studienmotivation angestiegen depressive Verstimmungen gesunken Braun verdeutlicht bdquoAlles so wie man sich das wuumlnschtldquo

In seiner Forschung versucht er eine Bruuml-cke zu schlagen zwischen Techniken der positiven Psychologie und Techniken des Selbstmanagements Das wuumlrde gut pas-sen denn auch in der positiven Psychologie wuumlrden oft Tipps gegeben wie man etwas angehen solle versichert Braun Eine ganz prominente Uumlbung beim Selbstmanage-ment und in der positiven Psychologie sei die bdquoWas ist gut gelaufen-Uumlbungldquo Dabei geht es darum dass man am Abend uumlber-legen soll welche drei Dinge am Tag gut gelaufen sind und welche seiner Staumlrken es waren die dazu beigetragen haben Das sei eine Uumlbung die in der gesamten Literatur empfohlen werde Der Namensgeber der positiven Psychologie Martin Seligman habe zeigen koumlnnen dass die Anwendung

dieser Uumlbung dazu fuumlhre dass Leute nach sechs Monaten weniger depressiv seien Seligman fuumlhre das darauf zuruumlck dass das eine selbstverstaumlrkende Wirkung habe so Braun bdquoDie Leute merken dass sie sich bes-ser fuumlhlen wenn sie daruumlber nachdenken was heute gut gelaufen ist und warum Und deshalb wiederholen sie den Vorgangldquo Es habe dadurch eine langfristige Wirkung

Brauns neuestes Aushaumlngeschild ist ein Brettspiel namens bdquoCareer Games ndash spie-lend trainierenldquo bdquoWir haben Seminare ent wickelt bei denen wir Selbstmanage-ment-Kompetenzen in verschiedenen Le-bens- oder Inhaltsbereichen von Personen staumlrken koumlnnen Dazu dient auch ein Brett-spiel bei dem die Teilnehmer verschiedene Inhaltsbereiche der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder auch Smalltalk und Networking spielend erlernenldquo Jeder Spieler bekomme im Spiel eine Figur und muumlsse seinen Weg durch das Spielfeld wuumlrfeln so Braun bdquoAuf den Fel-dern muumlssen sie dann Quizkarten ziehen die das im Seminar Gelernte noch einmal aufarbeitenldquo Dabei muumlssten sie beispiels-weise drei Dinge nennen die sie in ihrem Leben gluumlcklich machen bdquoDurch den Spiel-charakter lernt man mehr als nur uumlber Se-minareldquo Mit Erfolg Erste Untersuchungen zeigen positive langfristige Effekte durch die Seminar-Brettspiel-Kombination (dan)

Tipps fuumlr die positive Fuumlhrung von Ottmar Braun

Fuumlhrungskraumlfte muumlssen eine gute zwischenmensch-liche Beziehung zu jedem einzelnen Mitarbeiter unterhalten Sie muumlssen auch verbindliche Aussagen machen und zu diesen Aussagen stehen Des Weiteren sollte ein Chef seine Angestellten unterstuumltzen wenn es notwendig ist Wichtig ist auch keinen unnoumltigen Druck aufzubauen sondern Staumlrken von Mitarbeitern kennen zu lernen und zu foumlrdern Von Vorteil koumlnnen auch Begruumlszligungs- und Krankenruumlckkehrgespraumlche sein Es koumlnnte ja sein dass die Krankheit etwas mit den Arbeitsbedingungen zu tun hat Natuumlrlich sind auch Teamsitzungen und Teambildungsmaszlignahmen von groszliger Bedeutung um ein angenehmes Arbeits-klima herzustellen

Spielend lernen Mit dem Brettspiel bdquoCareer Gamesldquo erlernen die Spieler verschiedene Inhalte der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder Smalltalk und Networking

20 NeuLand 2014 03

Psychotherapie-Ambulanz

Wie eine Baustelle sieht die psychothera-peutische Uni-Ambulanz nicht mehr aus Den Abdeckplanen sind bunte Stuumlhle und Stofftiere gewichen im Eingangsbereich liegen Fachmagazine und das Buumlro von Professorin Dr Tina In-Albon ist bereits voller Buumlcher Und doch bdquoist hier noch alles Baustelleldquo so die Professorin fuumlr Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kin-des- und Jugendalters Nach Therapeuten werde noch gesucht die ersten Behandlun-gen seien angelaufen Forschungsprojekte in Planung bdquoEine spannende Phaseldquo bekraumlf-tigt die Ambulanzleiterin

Von nun an wird sich das zehnkoumlpfige Team um die Professorin In-Albon und Ge-schaumlftsfuumlhrerin Dr Daniela Schwarz mit den psychischen Erkrankungen der suumld-pfaumllzer Kinder und Jugendlichen befassen Die Kosten fuumlr die psychotherapeutische Behandlung uumlbernehmen bei Indikation die Krankenkassen Hinzu kommt ein wei-terbildender Studiengang zur Ausbildung in Kinder- und Jugendlichenpsychothe-rapie der im Wintersemester 201415 mit zwoumllf Teilnehmern pro Jahrgang startet In Rheinland-Pfalz ist die Universitaumlt Kob-lenz-Landau in diesem Bereich die einzige universitaumlre Ausbildungsstaumltte Neben der hauseigenen Ambulanz kooperiert der Studiengang mit dem Pfalzklinikum in Klin-genmuumlnster sowie anderen kinder- und ju-gendpsychiatrischen Kliniken in der Region

Kaum eroumlffnet schon stehen die ersten Forschungsprojekte an Derzeit liegt ein Fokus in der Behandlung von Angststoumlrun-gen und Depressionen bdquoVielen Depressio-nen gehen Aumlngste voraus Daher lohnt es diese beiden zusammen zu betrachtenldquo so

Tina In-Albon Laut Statistik leiden zirka 20 Prozent der Erwachsenen und zirka 10 Pro-zent der Kinder unter Angststoumlrungen bei Depressionen sind es sogar 40 Prozent der Erwachsenen und im Jugendalter auch be-reits zwischen 15 und 20 Prozent In Planung befindet sich daher eine Therapiestudie fuumlr Jugendliche mit Angst- und depressiven Stoumlrungen Ein weiterer Forschungsbereich ist das nicht-suizidale selbstverletzende Verhalten im Volksmund auch als bdquoRitzenldquo bekannt bdquoDa machen wir eher Grundla-genforschungldquo so die Professorin Ein spe-zifisches Therapieangebot gebe es derzeit noch nicht ndash bdquodas kann sich aber alles noch entwickelnldquo

Einen weiteren Forschungsschwerpunkt stellt die psychische Gesundheit bei Kindern mit Diabetes dar insbesondere bei Diabetes vom Typ I der im Gegensatz zum bdquoAltersdi-abetesldquo II auch bei Kindern und Jugendli-chen verbreitet ist bdquoHier wissen wir uumlber

Erste Forschungsprojekte stehen an

Ende Juni offiziell eingeweiht hat die Psychotherapie-Ambulanz fuumlr Kinder und Jugend-

liche die Arbeit aufgenommen Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen

haben nun in Landau eine neue Anlaufstation Und auch die Forschung profitiert von der

Einrichtung

die medizinische Forschung zwar schon eine Mengeldquo sagt Tina In-Albon aber aus psychologischer Sicht sei das Thema noch relatives Neuland Wie etwa sieht es bei der psychologischen Betreuung der Kinder aus aber auch der Eltern der Lehrer und sons-tiger zentraler Bezugspersonen Wird die Krankheit und deren Umgang akzeptiert Wie koumlnnen Psychotherapeuten helfen Auch hier schlummert ein Forschungspo-tenzial fuumlr In-Albon bdquoVieles ist im Aufbauldquo sagt sie beschwichtigend Und doch laumlsst sie im Gespraumlch mit NeuLand durchblicken dass sie auch auf diesem Gebiet noch inten-siver forschen moumlchte

Neben der Forschung ist die Hochschul-ambulanz auch in die Lehre im Rahmen des Masterstudiengangs Klinische Psychologie eingebunden So werden die Studierenden beispielsweise in die Diagnostik einbezogen und koumlnnen unter Supervision in Patienten-gespraumlchen Praxiserfahrung sammeln (kap)

In der neuen Universitaumltsambulanz fuumlr Kinder und Jugendliche wird die ganze Palette der psychischen Stoumlrungen behandelt

21NeuLand 2014 03

Wenn man sich seine Dozenten auszligerhalb der Universitaumlt vorstellt dann ist es wohl in einem Sessel vor einem uumlberfuumlllten Buumlcher-regal mit einem wissenschaftlichen Buch in der Hand vielleicht noch mit einem Hund zu den Fuumlszligen Wenige Studenten glauben dass ihre Dozenten moumlglicherweise eine spannendere Freizeitgestaltung haben als sie selbst

Bei Walter H Schreiber ist das aber so Seit dem Sommer 2013 ist er 3D-Bogenschuumltze 3D-Bogenschieszligen bedeutet nicht dass man mit einer 3D-Brille und einem virtu-ellen Bogen bewaffnet auf herannahende Tiere oder Aliens schieszligt Eigentlich ist das 3D-Bogenschieszligen vielmehr die Wieder-entdeckung des sportlichen Jagens mit Pfeil und Bogen ohne einem Tier Schaden zuzufuumlgen Es erinnert an eine Art Golf Der Schlaumlger wird zum Bogen der Ball zum Pfeil und statt eines Abschlags hat man einen Abschuss-Punkt Das Ziel ist aber kein Loch sondern zum Beispiel ein Fasan oder eine Riesenspinne welche von Vereinsmitglie-dern angefertigt und im Parcours platziert wurde

Schreiber ist seit Dezember Mitglied beim Verein Palatina Bogenschuumltzen eV in Ins-heim suumldlich von Landau Davor absolvierte er bereits einen Pfeil und Bogen-Intensiv-kurs in der Eifel bdquoDamit sich nicht bereits am Anfang grobe Fehler einschleichenldquo bekraumlf-tigt Schreiber Sein Sohn sei auch Bogen-schuumltze habe aber unabhaumlngig von ihm zur selben Zeit angefangen Auf die Frage wa-rum er nicht das klassische von Olympia be-kannte Bogenschieszligen ausuumlbe antwortet Schreiber bdquoDa gibt es zu viele Regelnldquo Au-szligerdem sei er ein intuitiver Schuumltze welcher ndash im Gegensatz zum strategischen Schuumltzen ndash sich voll und ganz auf seine Erfahrung und sein Bauchgefuumlhl verlasse Zwar ist Schrei-ber schon seit einem Jahr leidenschaftlicher Bogenschuumltze trotzdem gilt er im Verein

Entspannung vom AlltagWaumlhrend die Studierenden fast immer wissen ob ein Dozent freundlich oder streng ist

koumlnnen sich nur wenige vorstellen was diese mit ihrer Freizeit anfangen NeuLand war

einen Abend mit Dr Walter H Schreiber unterwegs Sein Hobby das 3D-Bogenschieszligen

noch als Anfaumlnger bdquoDeswegen behalte ich meine Ergebnisse bei Wettkaumlmpfen lieber fuumlr michldquo bemerkt er schmunzelnd

Sicherheit sei sehr wichtig betont Schrei-ber So muss sich jeder Schuumltze vorab in einem Schieszligbuch eintragen um zu sehen wie viele Leute auf dem Parcours unter-wegs sind Aus gutem Grund Auf dem 500 Meter langen und mit 28 Zielen bestuumlckten Parcours kann man leicht den Uumlberblick verlieren Zwei bis drei Stunden dauert die Durchquerung des Kurses Manchmal machen es abgeknickte Aumlste und ein rut-schiger Untergrund gar nicht so einfach die Ziele zu treffen Trotzdem wuumlrden die meisten Unfaumllle nicht beim Schieszligen selbst passieren sondern beim Herausziehen der Pfeile aus den Koumlrpern der Ziele meint Schreiber Ein Vereinskollege ergaumlnzt bdquoWich-

tig ist uns dass wir das 3D-Bogenschieszligen nicht als Vorstufe zur Jagd mit Pfeil und Bogen sehen Es ist vielmehr ein Sport bei dem man sich deutschlandweit mit anderen Schuumltzen messen kannldquo Im Gegensatz zum klassischen Bogenschieszligen schieszlige man nicht auf langweilige Zielscheiben sondern durchlaufe einen interessanten Parcours

Fuumlr Schreiber ist das Bogenschieszligen Ent-spannungskur vom alltaumlglichen Uni-Stress bdquoNach der Arbeit auf den Parcours zu gehen befreit meinen Kopfldquo Verstaumlndlich denn das leise Zischen des Pfeiles und die Ruhe im gruumlnen naturbelassenen Gelaumlnde hat etwas Erholendes Auszligerdem hat Schreiber beim Verein Palatina Freunde gefunden mit denen er an fast jedem Donnerstag und Sonntag durch den Parcours streift ndash auf der Jagd nach kuumlnstlichen Tieren (dan)

Hobby 3D-Bogenschieszligen

Beim 3D-Bogenschieszligen findet Walter H Schreiber Entspannung vom alltaumlglichen Uni-Stress

22 NeuLand 2014 03

Summer School

In der Reihe bdquoE-Mail aus hellipldquo berichtet Sozialwissenschafts-Student Daniel Schumacher

von der Summer School aus dem polnischen Wroclaw

Liebes NeuLandCześćaus Wroclaw Manchmal reicht ein

akademischer Kurz-Urlaub um ein Land und die

Leute lieben zu lernen

Zum Ende meiner akademischen Laufbahn wollte

ich das Studentendasein noch einmal voll und

ganz genieszligen und habe mich entschlossen eine

Summer School zu besuchen Fast jeder unserer

Fachbereiche bietet so etwas an Fuumlr mich ging die

Reise unter der Leitung von Professor Dr Siegmar

Schmidt (Politikwissenschaften) nach Wroclaw Polen

Erasmus-finanziert begann meine Hinfahrt in einem

Fernbus von Karlsruhe direkt nach Breslau so der alte

deutsche Name fuumlr Wroclaw

Hier angekommen bezogen wir ndash meine Wenigkeit

mit sieben anderen Deutschen ndash unsere Zimmer in

einem Studentenwohnheim oder wie ich es nenne

bdquoPlattenromantik-Hotelldquo Von auszligen neu gestrichen

verspruumlhte das Haus von innen den gesamten

Ostblock-Charme der Kalten-Krieg-Aumlra Das war

fuumlr mich aber auch das einzig Negative waumlhrend

meiner zweiwoumlchigen Summer School Bereits

am ersten Tag lernten wir beim bdquoget-togetherldquo

die anderen Teilnehmer kennen 70 Studenten

aus uumlber acht Laumlndern wollten mehr uumlber die

europaumlische Finanzkrise lernen und ndash wie ich ndash neue

Freundschaften knuumlpfen

Ab dem zweiten Tag war unser neues Zuhause ein

Houmlrsaal beim Institut fuumlr Politikwissenschaft Dort

E-Mail aus hellip Wroclaw

lernten wir wie verschiedene europaumlische Staaten mit

der Finanzkrise zu kaumlmpfen hatten und stellten jeweils

unsere Laumlnder selbst vor

Nach der ersten Woche wurden wir in verschiedene

Gruppen aufgeteilt um uumlber Innovation im

oumlffentlichen und privaten Sektor zu forschen

Forschen bedeutete dabei dass wir polnische

Buumlrger interviewten die entweder im privaten oder

oumlffentlichen Bereich taumltig sind Mein bdquoResearch-Haufenldquo

war bunt gemischt ndash von Belgiern uumlber Rumaumlnen

bis hin zu Ukrainern Ohne Verstaumlndigungsprobleme

meisterten wir unseren Arbeitsauftrag was am letzten

Tag feucht-froumlhlich mit allen gefeiert wurde

Am Ende moumlchte ich noch eine Lanze fuumlr die Stadt

Wroclaw und das Land Polen brechen Wir wurden

sehr herzlich aufgenommen Die Stadt mit ihrer

(deutschen) Geschichte war atemberaubend Nicht

nur die alten Gebaumlude haben es mir angetan sondern

die Atmosphaumlre rund um den historischen Stadtkern

Ich habe in diesen zwei Wochen sehr viele Menschen

kennen gelernt einige wuumlrde ich nun als enge Freunde

bezeichnen Das erste Wiedersehen mit Studenten aus

Belgien und Tschechien ist bereits geplant

Bis bald im guten alten Landau

euerDaniel Schumacher

23NeuLand 2014 03

Hochschulgruppe

Eigentlich kommt Cornelia Spengler aus einem ganz anderen Fachgebiet Nach ih-rem Biologiestudium am Karlsruher Insti-tut fuumlr Technologie promoviert sie derzeit in Landau im Fachbereich Natur- und Um-weltwissenschaften Aber auch an sozialer Arbeit hatte sie schon immer Interesse Sie wollte sich nicht nur mit der Wissenschaft beschaumlftigen sondern mit Menschen zu-sammenarbeiten So entdeckte sie fuumlr sich ein sensibles Thema die Integration und Bildungsgerechtigkeit

Cornelia Spengler wollte nicht nur reden sondern handeln In der SchuumllerNavi-Grup-pe in Aachen fand sie ein Vorbild nach dem sie am Campus Landau gemeinsam mit Stu-dentin Sylvia Klaus eine Hochschulgruppe aufbaute Ziel sollte es sein Schuumller zu foumlr-dern die durch ihre mangelnden Deutsch-kenntnisse in der Schule Probleme haben und deren Eltern das Geld fuumlr Nachhilfe nicht aufbringen koumlnnen bdquoWenn die Eltern zu Hause kaum Deutsch sprechen haben die Kinder dort auch wenig Unterstuumltzung fuumlr die Schule Diktate zu uumlben ist dann schlichtweg nicht moumlglichldquo erklaumlrt Speng-ler

SchuumllerNavi bietet neben Hausaufgaben-betreuung und Nachhilfeunterricht auch kulturellen Austausch Mittlerweile betei-ligen sich in der Hochschulgruppe uumlber 20 Studenten die den Schuumllern in schulischen

Aktive Arbeit statt bloszlige TheorieUumlber Integration zu reden bringt nicht viel Sie muss gelebt werden Darum gruumlndete die

Landauer Doktorandin Cornelia Spengler mit Studentin Sylvia Klaus die Hochschulgruppe

SchuumllerNavi die immer mehr Mitglieder zaumlhlt Wie man Integration foumlrdern kann und was

den Ehrenamtlichen ihre Arbeit bringt daruumlber sprach sie mit NeuLand

Belangen zur Seite stehen ihnen das Uni-Leben zeigen und ihnen zuhoumlren wenn sie Probleme haben

Spengler selbst betreut zwei Bruumlder mit tamilischen Wurzeln Um Beruumlhrungspunk-te zu schaffen die fuumlr den Aufbau eines Ver-trauensverhaumlltnisses wichtig sind hat sie mit den Jungs auf dem Campus beispiels-weise gemeinsam mikroskopiert Einer der beiden Bruumlder war stark versetzungsgefaumlhr-det und hat es nun in die naumlchste Klasse geschafft Ein Stuumlck weit schreibt sie diesen Erfolg SchuumllerNavi zu

bdquoSchwierig ist es zu unterscheiden welche Kinder wirklich der Foumlrderung beduumlrfenldquo so Spengler In Konkurrenz mit Nachhilfe-Firmen will die Gruppe nicht treten Ziel-gruppe sind Kinder die in der Schule haumlufig nicht ausreichend gefoumlrdert werden und deren Eltern sich keine professionelle Nach-hilfe leisten koumlnnen Daher hat SchuumllerNavi Kooperationen mit sozialen Institutionen Landaus die ihnen die Kontakte weiterver-mitteln bdquoDer Bedarf ist riesig Wir koumlnnen ihn gar nicht deckenldquo berichtet Spengler Daher ist die Hochschulgruppe auch staumln-dig dabei neue Mitglieder zu werben

Fuumlr die Zukunft plant die Hochschul-gruppe eine weitere Kooperation mit ELKE (Eltern Kompetenzen erlernen) um die El-tern weiterzuschulen beispielsweise mit Sprachkursen Dadurch sollen diese ihren

Kindern besser bei schulischen Aufgaben selbst helfen koumlnnen

Neben dem Gefuumlhl etwas Gutes zu tun sieht Spengler aber auch andere Vorteile fuumlr das Ehrenamt Gerade Lehramtsstu-denten koumlnnen sich hier ausprobieren und paumldagogische Konzepte umsetzen die sie aus der Theorie kennen Jeder koumlnne viel lernen erklaumlrt sie Man uumlbe hier nicht nur den Umgang mit Kindern und Jugendli-chen sondern lerne auch viel uumlber fremde Kulturen Sie selbst habe von ihren zwei Nachhilfeschuumllern bereits viel uumlber Feierta-ge und Sitten ihrer Kultur aber auch einzel-ne Vokabeln ihrer Sprache gelernt Und die Schuumller seien sehr interessiert an deutschen Gebraumluchen und Eigenarten

Fuumlr das ehrenamtliche Engagement hat SchuumllerNavi bereits Preise bekommen Bei der Initiative fuumlr Integration von bigFM be-legten sie den dritten Platz Das Preisgeld investierte die Gruppe unter anderem um mit ihren Schuumllern die Zooschule zu besu-chen In diesem Jahr erhaumllt SchuumllerNavi zu-dem den Campus-Kulturpreis des Campus Landau

bdquoMan redet immer uumlber Integration Von Menschen mit Migrationshintergrund wird erwartet sich hier zu integrieren Aber das liegt ja auch an uns Man muss sie auf die-sem Weg unterstuumltzenldquo erklaumlrt Doktorandin Spengler (rst)

Termine ImpressumHerausgeberReferat fuumlr Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit der Universitaumlt Koblenz-Landau Campus Landau Fortstraszlige 7 76829 Landau

RedaktionsteamKerstin Theilmann (ket) (verantw) Berend Barkela (bb) Wilfried Dorsch (wdo) Sebastian Kapp (kap) Daniel Schumacher (dan) Rosa Stecher (rst)

LayoutMedienzentrum Campus Landau Berend Barkela

FotosTitel Imago Fotoarena S 2 S 3 privat S 5 Imago Xinhua S 7 oben kanvag - Fotoliacom S 7 unten Medienzentrum Hiller S 9 Imago ITAR-TASS S 10 Imago Steinach S 11 Imago DeFodi S 13 Imago PPfotodesign S 15 JiSign - Fotoliacom S 17 Medienzentrum Hiller S 19 Medienzentrum Barkela S 20 Medienzentrum Hiller S 21 und 22 Daniel Schumacher

KontaktKerstin TheilmannTel 06341 280-32219 E-Mail theiluni-koblenz-landaude

Aus Gruumlnden der besseren Lesbarkeit verwenden wir in unseren Artikeln die maumlnnliche Form Damit sind stets Frauen und Maumlnner gemeint

Die Redaktion behaumllt sich die Kuumlrzung und Uumlberarbeitung von Texten vor Die Meinung einzelner AutorinnenAutoren gibt nicht immer die Meinung der Redaktion wieder

28101014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Florian Ostertag Atrium Infos unter wwwasta-landaude

05112014 ab 2130 Uhr Atriumsfete Infos unter wwwasta-landaude

06112014 20 Uhr Poetry Slam Landau Universum Kinocenter Infos unter wwwzkwuni-landaude

19112014 1930 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Friedensprojekt Europa in der Krise Mit Bundesministerin aD Heidemarie Wieczorek-Zeul und weiteren Gaumlsten Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

19112014 21 Uhr Konzert bdquoBeats und Pianoldquo Audimax Infos unter wwwasta-landaude

1122014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Unland Atrium Infos unter wwwasta-landaude

03122014 19 Uhr Hambacher Gespraumlch Meine Daten gehoumlren den Unternehmen Hambacher Schloss Infos unter wwwfliuni-landaude

05122014 1930 Uhr Reihe bdquoGroszlige Begegnungenldquo mit Sternekoch Alfons Schubeck Jugendstil-Festhalle Landau Infos unter wwwzkwuni-landaude

08122014 1900 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Frieden durch Demokratie Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

Ausblick 13 - 15012015 Poetik-Dozentur mit Rafik Schami Infos unter wwwzkwuni-landaude

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Page 19: Neuland Ausgabe 3/2014

19NeuLand 2014 03

Psychologie der positiven Dinge

Dabei wurden Studierende einen Tag lang in Techniken der positiven Psychologie un-terrichtet bdquoAuszligerdem haben sie ein Gluumlcks-tagebuch bekommen bei dem sie ihre Gluumlcksmomente niederschreiben koumlnnen und einiges uumlber Smalltalk und Networking gelerntldquo Die Ergebnisse wuumlrden zeigen dass sich die Zufriedenheit der Studieren-den kurzfristig aber auch langfristig positiv veraumlndere Zudem seien ihr Optimismus und die Studienmotivation angestiegen depressive Verstimmungen gesunken Braun verdeutlicht bdquoAlles so wie man sich das wuumlnschtldquo

In seiner Forschung versucht er eine Bruuml-cke zu schlagen zwischen Techniken der positiven Psychologie und Techniken des Selbstmanagements Das wuumlrde gut pas-sen denn auch in der positiven Psychologie wuumlrden oft Tipps gegeben wie man etwas angehen solle versichert Braun Eine ganz prominente Uumlbung beim Selbstmanage-ment und in der positiven Psychologie sei die bdquoWas ist gut gelaufen-Uumlbungldquo Dabei geht es darum dass man am Abend uumlber-legen soll welche drei Dinge am Tag gut gelaufen sind und welche seiner Staumlrken es waren die dazu beigetragen haben Das sei eine Uumlbung die in der gesamten Literatur empfohlen werde Der Namensgeber der positiven Psychologie Martin Seligman habe zeigen koumlnnen dass die Anwendung

dieser Uumlbung dazu fuumlhre dass Leute nach sechs Monaten weniger depressiv seien Seligman fuumlhre das darauf zuruumlck dass das eine selbstverstaumlrkende Wirkung habe so Braun bdquoDie Leute merken dass sie sich bes-ser fuumlhlen wenn sie daruumlber nachdenken was heute gut gelaufen ist und warum Und deshalb wiederholen sie den Vorgangldquo Es habe dadurch eine langfristige Wirkung

Brauns neuestes Aushaumlngeschild ist ein Brettspiel namens bdquoCareer Games ndash spie-lend trainierenldquo bdquoWir haben Seminare ent wickelt bei denen wir Selbstmanage-ment-Kompetenzen in verschiedenen Le-bens- oder Inhaltsbereichen von Personen staumlrken koumlnnen Dazu dient auch ein Brett-spiel bei dem die Teilnehmer verschiedene Inhaltsbereiche der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder auch Smalltalk und Networking spielend erlernenldquo Jeder Spieler bekomme im Spiel eine Figur und muumlsse seinen Weg durch das Spielfeld wuumlrfeln so Braun bdquoAuf den Fel-dern muumlssen sie dann Quizkarten ziehen die das im Seminar Gelernte noch einmal aufarbeitenldquo Dabei muumlssten sie beispiels-weise drei Dinge nennen die sie in ihrem Leben gluumlcklich machen bdquoDurch den Spiel-charakter lernt man mehr als nur uumlber Se-minareldquo Mit Erfolg Erste Untersuchungen zeigen positive langfristige Effekte durch die Seminar-Brettspiel-Kombination (dan)

Tipps fuumlr die positive Fuumlhrung von Ottmar Braun

Fuumlhrungskraumlfte muumlssen eine gute zwischenmensch-liche Beziehung zu jedem einzelnen Mitarbeiter unterhalten Sie muumlssen auch verbindliche Aussagen machen und zu diesen Aussagen stehen Des Weiteren sollte ein Chef seine Angestellten unterstuumltzen wenn es notwendig ist Wichtig ist auch keinen unnoumltigen Druck aufzubauen sondern Staumlrken von Mitarbeitern kennen zu lernen und zu foumlrdern Von Vorteil koumlnnen auch Begruumlszligungs- und Krankenruumlckkehrgespraumlche sein Es koumlnnte ja sein dass die Krankheit etwas mit den Arbeitsbedingungen zu tun hat Natuumlrlich sind auch Teamsitzungen und Teambildungsmaszlignahmen von groszliger Bedeutung um ein angenehmes Arbeits-klima herzustellen

Spielend lernen Mit dem Brettspiel bdquoCareer Gamesldquo erlernen die Spieler verschiedene Inhalte der positiven Psychologie wie Selbstdisziplin Zeitmanagement oder Smalltalk und Networking

20 NeuLand 2014 03

Psychotherapie-Ambulanz

Wie eine Baustelle sieht die psychothera-peutische Uni-Ambulanz nicht mehr aus Den Abdeckplanen sind bunte Stuumlhle und Stofftiere gewichen im Eingangsbereich liegen Fachmagazine und das Buumlro von Professorin Dr Tina In-Albon ist bereits voller Buumlcher Und doch bdquoist hier noch alles Baustelleldquo so die Professorin fuumlr Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kin-des- und Jugendalters Nach Therapeuten werde noch gesucht die ersten Behandlun-gen seien angelaufen Forschungsprojekte in Planung bdquoEine spannende Phaseldquo bekraumlf-tigt die Ambulanzleiterin

Von nun an wird sich das zehnkoumlpfige Team um die Professorin In-Albon und Ge-schaumlftsfuumlhrerin Dr Daniela Schwarz mit den psychischen Erkrankungen der suumld-pfaumllzer Kinder und Jugendlichen befassen Die Kosten fuumlr die psychotherapeutische Behandlung uumlbernehmen bei Indikation die Krankenkassen Hinzu kommt ein wei-terbildender Studiengang zur Ausbildung in Kinder- und Jugendlichenpsychothe-rapie der im Wintersemester 201415 mit zwoumllf Teilnehmern pro Jahrgang startet In Rheinland-Pfalz ist die Universitaumlt Kob-lenz-Landau in diesem Bereich die einzige universitaumlre Ausbildungsstaumltte Neben der hauseigenen Ambulanz kooperiert der Studiengang mit dem Pfalzklinikum in Klin-genmuumlnster sowie anderen kinder- und ju-gendpsychiatrischen Kliniken in der Region

Kaum eroumlffnet schon stehen die ersten Forschungsprojekte an Derzeit liegt ein Fokus in der Behandlung von Angststoumlrun-gen und Depressionen bdquoVielen Depressio-nen gehen Aumlngste voraus Daher lohnt es diese beiden zusammen zu betrachtenldquo so

Tina In-Albon Laut Statistik leiden zirka 20 Prozent der Erwachsenen und zirka 10 Pro-zent der Kinder unter Angststoumlrungen bei Depressionen sind es sogar 40 Prozent der Erwachsenen und im Jugendalter auch be-reits zwischen 15 und 20 Prozent In Planung befindet sich daher eine Therapiestudie fuumlr Jugendliche mit Angst- und depressiven Stoumlrungen Ein weiterer Forschungsbereich ist das nicht-suizidale selbstverletzende Verhalten im Volksmund auch als bdquoRitzenldquo bekannt bdquoDa machen wir eher Grundla-genforschungldquo so die Professorin Ein spe-zifisches Therapieangebot gebe es derzeit noch nicht ndash bdquodas kann sich aber alles noch entwickelnldquo

Einen weiteren Forschungsschwerpunkt stellt die psychische Gesundheit bei Kindern mit Diabetes dar insbesondere bei Diabetes vom Typ I der im Gegensatz zum bdquoAltersdi-abetesldquo II auch bei Kindern und Jugendli-chen verbreitet ist bdquoHier wissen wir uumlber

Erste Forschungsprojekte stehen an

Ende Juni offiziell eingeweiht hat die Psychotherapie-Ambulanz fuumlr Kinder und Jugend-

liche die Arbeit aufgenommen Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen

haben nun in Landau eine neue Anlaufstation Und auch die Forschung profitiert von der

Einrichtung

die medizinische Forschung zwar schon eine Mengeldquo sagt Tina In-Albon aber aus psychologischer Sicht sei das Thema noch relatives Neuland Wie etwa sieht es bei der psychologischen Betreuung der Kinder aus aber auch der Eltern der Lehrer und sons-tiger zentraler Bezugspersonen Wird die Krankheit und deren Umgang akzeptiert Wie koumlnnen Psychotherapeuten helfen Auch hier schlummert ein Forschungspo-tenzial fuumlr In-Albon bdquoVieles ist im Aufbauldquo sagt sie beschwichtigend Und doch laumlsst sie im Gespraumlch mit NeuLand durchblicken dass sie auch auf diesem Gebiet noch inten-siver forschen moumlchte

Neben der Forschung ist die Hochschul-ambulanz auch in die Lehre im Rahmen des Masterstudiengangs Klinische Psychologie eingebunden So werden die Studierenden beispielsweise in die Diagnostik einbezogen und koumlnnen unter Supervision in Patienten-gespraumlchen Praxiserfahrung sammeln (kap)

In der neuen Universitaumltsambulanz fuumlr Kinder und Jugendliche wird die ganze Palette der psychischen Stoumlrungen behandelt

21NeuLand 2014 03

Wenn man sich seine Dozenten auszligerhalb der Universitaumlt vorstellt dann ist es wohl in einem Sessel vor einem uumlberfuumlllten Buumlcher-regal mit einem wissenschaftlichen Buch in der Hand vielleicht noch mit einem Hund zu den Fuumlszligen Wenige Studenten glauben dass ihre Dozenten moumlglicherweise eine spannendere Freizeitgestaltung haben als sie selbst

Bei Walter H Schreiber ist das aber so Seit dem Sommer 2013 ist er 3D-Bogenschuumltze 3D-Bogenschieszligen bedeutet nicht dass man mit einer 3D-Brille und einem virtu-ellen Bogen bewaffnet auf herannahende Tiere oder Aliens schieszligt Eigentlich ist das 3D-Bogenschieszligen vielmehr die Wieder-entdeckung des sportlichen Jagens mit Pfeil und Bogen ohne einem Tier Schaden zuzufuumlgen Es erinnert an eine Art Golf Der Schlaumlger wird zum Bogen der Ball zum Pfeil und statt eines Abschlags hat man einen Abschuss-Punkt Das Ziel ist aber kein Loch sondern zum Beispiel ein Fasan oder eine Riesenspinne welche von Vereinsmitglie-dern angefertigt und im Parcours platziert wurde

Schreiber ist seit Dezember Mitglied beim Verein Palatina Bogenschuumltzen eV in Ins-heim suumldlich von Landau Davor absolvierte er bereits einen Pfeil und Bogen-Intensiv-kurs in der Eifel bdquoDamit sich nicht bereits am Anfang grobe Fehler einschleichenldquo bekraumlf-tigt Schreiber Sein Sohn sei auch Bogen-schuumltze habe aber unabhaumlngig von ihm zur selben Zeit angefangen Auf die Frage wa-rum er nicht das klassische von Olympia be-kannte Bogenschieszligen ausuumlbe antwortet Schreiber bdquoDa gibt es zu viele Regelnldquo Au-szligerdem sei er ein intuitiver Schuumltze welcher ndash im Gegensatz zum strategischen Schuumltzen ndash sich voll und ganz auf seine Erfahrung und sein Bauchgefuumlhl verlasse Zwar ist Schrei-ber schon seit einem Jahr leidenschaftlicher Bogenschuumltze trotzdem gilt er im Verein

Entspannung vom AlltagWaumlhrend die Studierenden fast immer wissen ob ein Dozent freundlich oder streng ist

koumlnnen sich nur wenige vorstellen was diese mit ihrer Freizeit anfangen NeuLand war

einen Abend mit Dr Walter H Schreiber unterwegs Sein Hobby das 3D-Bogenschieszligen

noch als Anfaumlnger bdquoDeswegen behalte ich meine Ergebnisse bei Wettkaumlmpfen lieber fuumlr michldquo bemerkt er schmunzelnd

Sicherheit sei sehr wichtig betont Schrei-ber So muss sich jeder Schuumltze vorab in einem Schieszligbuch eintragen um zu sehen wie viele Leute auf dem Parcours unter-wegs sind Aus gutem Grund Auf dem 500 Meter langen und mit 28 Zielen bestuumlckten Parcours kann man leicht den Uumlberblick verlieren Zwei bis drei Stunden dauert die Durchquerung des Kurses Manchmal machen es abgeknickte Aumlste und ein rut-schiger Untergrund gar nicht so einfach die Ziele zu treffen Trotzdem wuumlrden die meisten Unfaumllle nicht beim Schieszligen selbst passieren sondern beim Herausziehen der Pfeile aus den Koumlrpern der Ziele meint Schreiber Ein Vereinskollege ergaumlnzt bdquoWich-

tig ist uns dass wir das 3D-Bogenschieszligen nicht als Vorstufe zur Jagd mit Pfeil und Bogen sehen Es ist vielmehr ein Sport bei dem man sich deutschlandweit mit anderen Schuumltzen messen kannldquo Im Gegensatz zum klassischen Bogenschieszligen schieszlige man nicht auf langweilige Zielscheiben sondern durchlaufe einen interessanten Parcours

Fuumlr Schreiber ist das Bogenschieszligen Ent-spannungskur vom alltaumlglichen Uni-Stress bdquoNach der Arbeit auf den Parcours zu gehen befreit meinen Kopfldquo Verstaumlndlich denn das leise Zischen des Pfeiles und die Ruhe im gruumlnen naturbelassenen Gelaumlnde hat etwas Erholendes Auszligerdem hat Schreiber beim Verein Palatina Freunde gefunden mit denen er an fast jedem Donnerstag und Sonntag durch den Parcours streift ndash auf der Jagd nach kuumlnstlichen Tieren (dan)

Hobby 3D-Bogenschieszligen

Beim 3D-Bogenschieszligen findet Walter H Schreiber Entspannung vom alltaumlglichen Uni-Stress

22 NeuLand 2014 03

Summer School

In der Reihe bdquoE-Mail aus hellipldquo berichtet Sozialwissenschafts-Student Daniel Schumacher

von der Summer School aus dem polnischen Wroclaw

Liebes NeuLandCześćaus Wroclaw Manchmal reicht ein

akademischer Kurz-Urlaub um ein Land und die

Leute lieben zu lernen

Zum Ende meiner akademischen Laufbahn wollte

ich das Studentendasein noch einmal voll und

ganz genieszligen und habe mich entschlossen eine

Summer School zu besuchen Fast jeder unserer

Fachbereiche bietet so etwas an Fuumlr mich ging die

Reise unter der Leitung von Professor Dr Siegmar

Schmidt (Politikwissenschaften) nach Wroclaw Polen

Erasmus-finanziert begann meine Hinfahrt in einem

Fernbus von Karlsruhe direkt nach Breslau so der alte

deutsche Name fuumlr Wroclaw

Hier angekommen bezogen wir ndash meine Wenigkeit

mit sieben anderen Deutschen ndash unsere Zimmer in

einem Studentenwohnheim oder wie ich es nenne

bdquoPlattenromantik-Hotelldquo Von auszligen neu gestrichen

verspruumlhte das Haus von innen den gesamten

Ostblock-Charme der Kalten-Krieg-Aumlra Das war

fuumlr mich aber auch das einzig Negative waumlhrend

meiner zweiwoumlchigen Summer School Bereits

am ersten Tag lernten wir beim bdquoget-togetherldquo

die anderen Teilnehmer kennen 70 Studenten

aus uumlber acht Laumlndern wollten mehr uumlber die

europaumlische Finanzkrise lernen und ndash wie ich ndash neue

Freundschaften knuumlpfen

Ab dem zweiten Tag war unser neues Zuhause ein

Houmlrsaal beim Institut fuumlr Politikwissenschaft Dort

E-Mail aus hellip Wroclaw

lernten wir wie verschiedene europaumlische Staaten mit

der Finanzkrise zu kaumlmpfen hatten und stellten jeweils

unsere Laumlnder selbst vor

Nach der ersten Woche wurden wir in verschiedene

Gruppen aufgeteilt um uumlber Innovation im

oumlffentlichen und privaten Sektor zu forschen

Forschen bedeutete dabei dass wir polnische

Buumlrger interviewten die entweder im privaten oder

oumlffentlichen Bereich taumltig sind Mein bdquoResearch-Haufenldquo

war bunt gemischt ndash von Belgiern uumlber Rumaumlnen

bis hin zu Ukrainern Ohne Verstaumlndigungsprobleme

meisterten wir unseren Arbeitsauftrag was am letzten

Tag feucht-froumlhlich mit allen gefeiert wurde

Am Ende moumlchte ich noch eine Lanze fuumlr die Stadt

Wroclaw und das Land Polen brechen Wir wurden

sehr herzlich aufgenommen Die Stadt mit ihrer

(deutschen) Geschichte war atemberaubend Nicht

nur die alten Gebaumlude haben es mir angetan sondern

die Atmosphaumlre rund um den historischen Stadtkern

Ich habe in diesen zwei Wochen sehr viele Menschen

kennen gelernt einige wuumlrde ich nun als enge Freunde

bezeichnen Das erste Wiedersehen mit Studenten aus

Belgien und Tschechien ist bereits geplant

Bis bald im guten alten Landau

euerDaniel Schumacher

23NeuLand 2014 03

Hochschulgruppe

Eigentlich kommt Cornelia Spengler aus einem ganz anderen Fachgebiet Nach ih-rem Biologiestudium am Karlsruher Insti-tut fuumlr Technologie promoviert sie derzeit in Landau im Fachbereich Natur- und Um-weltwissenschaften Aber auch an sozialer Arbeit hatte sie schon immer Interesse Sie wollte sich nicht nur mit der Wissenschaft beschaumlftigen sondern mit Menschen zu-sammenarbeiten So entdeckte sie fuumlr sich ein sensibles Thema die Integration und Bildungsgerechtigkeit

Cornelia Spengler wollte nicht nur reden sondern handeln In der SchuumllerNavi-Grup-pe in Aachen fand sie ein Vorbild nach dem sie am Campus Landau gemeinsam mit Stu-dentin Sylvia Klaus eine Hochschulgruppe aufbaute Ziel sollte es sein Schuumller zu foumlr-dern die durch ihre mangelnden Deutsch-kenntnisse in der Schule Probleme haben und deren Eltern das Geld fuumlr Nachhilfe nicht aufbringen koumlnnen bdquoWenn die Eltern zu Hause kaum Deutsch sprechen haben die Kinder dort auch wenig Unterstuumltzung fuumlr die Schule Diktate zu uumlben ist dann schlichtweg nicht moumlglichldquo erklaumlrt Speng-ler

SchuumllerNavi bietet neben Hausaufgaben-betreuung und Nachhilfeunterricht auch kulturellen Austausch Mittlerweile betei-ligen sich in der Hochschulgruppe uumlber 20 Studenten die den Schuumllern in schulischen

Aktive Arbeit statt bloszlige TheorieUumlber Integration zu reden bringt nicht viel Sie muss gelebt werden Darum gruumlndete die

Landauer Doktorandin Cornelia Spengler mit Studentin Sylvia Klaus die Hochschulgruppe

SchuumllerNavi die immer mehr Mitglieder zaumlhlt Wie man Integration foumlrdern kann und was

den Ehrenamtlichen ihre Arbeit bringt daruumlber sprach sie mit NeuLand

Belangen zur Seite stehen ihnen das Uni-Leben zeigen und ihnen zuhoumlren wenn sie Probleme haben

Spengler selbst betreut zwei Bruumlder mit tamilischen Wurzeln Um Beruumlhrungspunk-te zu schaffen die fuumlr den Aufbau eines Ver-trauensverhaumlltnisses wichtig sind hat sie mit den Jungs auf dem Campus beispiels-weise gemeinsam mikroskopiert Einer der beiden Bruumlder war stark versetzungsgefaumlhr-det und hat es nun in die naumlchste Klasse geschafft Ein Stuumlck weit schreibt sie diesen Erfolg SchuumllerNavi zu

bdquoSchwierig ist es zu unterscheiden welche Kinder wirklich der Foumlrderung beduumlrfenldquo so Spengler In Konkurrenz mit Nachhilfe-Firmen will die Gruppe nicht treten Ziel-gruppe sind Kinder die in der Schule haumlufig nicht ausreichend gefoumlrdert werden und deren Eltern sich keine professionelle Nach-hilfe leisten koumlnnen Daher hat SchuumllerNavi Kooperationen mit sozialen Institutionen Landaus die ihnen die Kontakte weiterver-mitteln bdquoDer Bedarf ist riesig Wir koumlnnen ihn gar nicht deckenldquo berichtet Spengler Daher ist die Hochschulgruppe auch staumln-dig dabei neue Mitglieder zu werben

Fuumlr die Zukunft plant die Hochschul-gruppe eine weitere Kooperation mit ELKE (Eltern Kompetenzen erlernen) um die El-tern weiterzuschulen beispielsweise mit Sprachkursen Dadurch sollen diese ihren

Kindern besser bei schulischen Aufgaben selbst helfen koumlnnen

Neben dem Gefuumlhl etwas Gutes zu tun sieht Spengler aber auch andere Vorteile fuumlr das Ehrenamt Gerade Lehramtsstu-denten koumlnnen sich hier ausprobieren und paumldagogische Konzepte umsetzen die sie aus der Theorie kennen Jeder koumlnne viel lernen erklaumlrt sie Man uumlbe hier nicht nur den Umgang mit Kindern und Jugendli-chen sondern lerne auch viel uumlber fremde Kulturen Sie selbst habe von ihren zwei Nachhilfeschuumllern bereits viel uumlber Feierta-ge und Sitten ihrer Kultur aber auch einzel-ne Vokabeln ihrer Sprache gelernt Und die Schuumller seien sehr interessiert an deutschen Gebraumluchen und Eigenarten

Fuumlr das ehrenamtliche Engagement hat SchuumllerNavi bereits Preise bekommen Bei der Initiative fuumlr Integration von bigFM be-legten sie den dritten Platz Das Preisgeld investierte die Gruppe unter anderem um mit ihren Schuumllern die Zooschule zu besu-chen In diesem Jahr erhaumllt SchuumllerNavi zu-dem den Campus-Kulturpreis des Campus Landau

bdquoMan redet immer uumlber Integration Von Menschen mit Migrationshintergrund wird erwartet sich hier zu integrieren Aber das liegt ja auch an uns Man muss sie auf die-sem Weg unterstuumltzenldquo erklaumlrt Doktorandin Spengler (rst)

Termine ImpressumHerausgeberReferat fuumlr Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit der Universitaumlt Koblenz-Landau Campus Landau Fortstraszlige 7 76829 Landau

RedaktionsteamKerstin Theilmann (ket) (verantw) Berend Barkela (bb) Wilfried Dorsch (wdo) Sebastian Kapp (kap) Daniel Schumacher (dan) Rosa Stecher (rst)

LayoutMedienzentrum Campus Landau Berend Barkela

FotosTitel Imago Fotoarena S 2 S 3 privat S 5 Imago Xinhua S 7 oben kanvag - Fotoliacom S 7 unten Medienzentrum Hiller S 9 Imago ITAR-TASS S 10 Imago Steinach S 11 Imago DeFodi S 13 Imago PPfotodesign S 15 JiSign - Fotoliacom S 17 Medienzentrum Hiller S 19 Medienzentrum Barkela S 20 Medienzentrum Hiller S 21 und 22 Daniel Schumacher

KontaktKerstin TheilmannTel 06341 280-32219 E-Mail theiluni-koblenz-landaude

Aus Gruumlnden der besseren Lesbarkeit verwenden wir in unseren Artikeln die maumlnnliche Form Damit sind stets Frauen und Maumlnner gemeint

Die Redaktion behaumllt sich die Kuumlrzung und Uumlberarbeitung von Texten vor Die Meinung einzelner AutorinnenAutoren gibt nicht immer die Meinung der Redaktion wieder

28101014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Florian Ostertag Atrium Infos unter wwwasta-landaude

05112014 ab 2130 Uhr Atriumsfete Infos unter wwwasta-landaude

06112014 20 Uhr Poetry Slam Landau Universum Kinocenter Infos unter wwwzkwuni-landaude

19112014 1930 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Friedensprojekt Europa in der Krise Mit Bundesministerin aD Heidemarie Wieczorek-Zeul und weiteren Gaumlsten Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

19112014 21 Uhr Konzert bdquoBeats und Pianoldquo Audimax Infos unter wwwasta-landaude

1122014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Unland Atrium Infos unter wwwasta-landaude

03122014 19 Uhr Hambacher Gespraumlch Meine Daten gehoumlren den Unternehmen Hambacher Schloss Infos unter wwwfliuni-landaude

05122014 1930 Uhr Reihe bdquoGroszlige Begegnungenldquo mit Sternekoch Alfons Schubeck Jugendstil-Festhalle Landau Infos unter wwwzkwuni-landaude

08122014 1900 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Frieden durch Demokratie Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

Ausblick 13 - 15012015 Poetik-Dozentur mit Rafik Schami Infos unter wwwzkwuni-landaude

Weitere Termine unter wwwuni-koblenz-landaudeaktuell wwwuni-koblenz-landaudeblog

Page 20: Neuland Ausgabe 3/2014

20 NeuLand 2014 03

Psychotherapie-Ambulanz

Wie eine Baustelle sieht die psychothera-peutische Uni-Ambulanz nicht mehr aus Den Abdeckplanen sind bunte Stuumlhle und Stofftiere gewichen im Eingangsbereich liegen Fachmagazine und das Buumlro von Professorin Dr Tina In-Albon ist bereits voller Buumlcher Und doch bdquoist hier noch alles Baustelleldquo so die Professorin fuumlr Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kin-des- und Jugendalters Nach Therapeuten werde noch gesucht die ersten Behandlun-gen seien angelaufen Forschungsprojekte in Planung bdquoEine spannende Phaseldquo bekraumlf-tigt die Ambulanzleiterin

Von nun an wird sich das zehnkoumlpfige Team um die Professorin In-Albon und Ge-schaumlftsfuumlhrerin Dr Daniela Schwarz mit den psychischen Erkrankungen der suumld-pfaumllzer Kinder und Jugendlichen befassen Die Kosten fuumlr die psychotherapeutische Behandlung uumlbernehmen bei Indikation die Krankenkassen Hinzu kommt ein wei-terbildender Studiengang zur Ausbildung in Kinder- und Jugendlichenpsychothe-rapie der im Wintersemester 201415 mit zwoumllf Teilnehmern pro Jahrgang startet In Rheinland-Pfalz ist die Universitaumlt Kob-lenz-Landau in diesem Bereich die einzige universitaumlre Ausbildungsstaumltte Neben der hauseigenen Ambulanz kooperiert der Studiengang mit dem Pfalzklinikum in Klin-genmuumlnster sowie anderen kinder- und ju-gendpsychiatrischen Kliniken in der Region

Kaum eroumlffnet schon stehen die ersten Forschungsprojekte an Derzeit liegt ein Fokus in der Behandlung von Angststoumlrun-gen und Depressionen bdquoVielen Depressio-nen gehen Aumlngste voraus Daher lohnt es diese beiden zusammen zu betrachtenldquo so

Tina In-Albon Laut Statistik leiden zirka 20 Prozent der Erwachsenen und zirka 10 Pro-zent der Kinder unter Angststoumlrungen bei Depressionen sind es sogar 40 Prozent der Erwachsenen und im Jugendalter auch be-reits zwischen 15 und 20 Prozent In Planung befindet sich daher eine Therapiestudie fuumlr Jugendliche mit Angst- und depressiven Stoumlrungen Ein weiterer Forschungsbereich ist das nicht-suizidale selbstverletzende Verhalten im Volksmund auch als bdquoRitzenldquo bekannt bdquoDa machen wir eher Grundla-genforschungldquo so die Professorin Ein spe-zifisches Therapieangebot gebe es derzeit noch nicht ndash bdquodas kann sich aber alles noch entwickelnldquo

Einen weiteren Forschungsschwerpunkt stellt die psychische Gesundheit bei Kindern mit Diabetes dar insbesondere bei Diabetes vom Typ I der im Gegensatz zum bdquoAltersdi-abetesldquo II auch bei Kindern und Jugendli-chen verbreitet ist bdquoHier wissen wir uumlber

Erste Forschungsprojekte stehen an

Ende Juni offiziell eingeweiht hat die Psychotherapie-Ambulanz fuumlr Kinder und Jugend-

liche die Arbeit aufgenommen Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen

haben nun in Landau eine neue Anlaufstation Und auch die Forschung profitiert von der

Einrichtung

die medizinische Forschung zwar schon eine Mengeldquo sagt Tina In-Albon aber aus psychologischer Sicht sei das Thema noch relatives Neuland Wie etwa sieht es bei der psychologischen Betreuung der Kinder aus aber auch der Eltern der Lehrer und sons-tiger zentraler Bezugspersonen Wird die Krankheit und deren Umgang akzeptiert Wie koumlnnen Psychotherapeuten helfen Auch hier schlummert ein Forschungspo-tenzial fuumlr In-Albon bdquoVieles ist im Aufbauldquo sagt sie beschwichtigend Und doch laumlsst sie im Gespraumlch mit NeuLand durchblicken dass sie auch auf diesem Gebiet noch inten-siver forschen moumlchte

Neben der Forschung ist die Hochschul-ambulanz auch in die Lehre im Rahmen des Masterstudiengangs Klinische Psychologie eingebunden So werden die Studierenden beispielsweise in die Diagnostik einbezogen und koumlnnen unter Supervision in Patienten-gespraumlchen Praxiserfahrung sammeln (kap)

In der neuen Universitaumltsambulanz fuumlr Kinder und Jugendliche wird die ganze Palette der psychischen Stoumlrungen behandelt

21NeuLand 2014 03

Wenn man sich seine Dozenten auszligerhalb der Universitaumlt vorstellt dann ist es wohl in einem Sessel vor einem uumlberfuumlllten Buumlcher-regal mit einem wissenschaftlichen Buch in der Hand vielleicht noch mit einem Hund zu den Fuumlszligen Wenige Studenten glauben dass ihre Dozenten moumlglicherweise eine spannendere Freizeitgestaltung haben als sie selbst

Bei Walter H Schreiber ist das aber so Seit dem Sommer 2013 ist er 3D-Bogenschuumltze 3D-Bogenschieszligen bedeutet nicht dass man mit einer 3D-Brille und einem virtu-ellen Bogen bewaffnet auf herannahende Tiere oder Aliens schieszligt Eigentlich ist das 3D-Bogenschieszligen vielmehr die Wieder-entdeckung des sportlichen Jagens mit Pfeil und Bogen ohne einem Tier Schaden zuzufuumlgen Es erinnert an eine Art Golf Der Schlaumlger wird zum Bogen der Ball zum Pfeil und statt eines Abschlags hat man einen Abschuss-Punkt Das Ziel ist aber kein Loch sondern zum Beispiel ein Fasan oder eine Riesenspinne welche von Vereinsmitglie-dern angefertigt und im Parcours platziert wurde

Schreiber ist seit Dezember Mitglied beim Verein Palatina Bogenschuumltzen eV in Ins-heim suumldlich von Landau Davor absolvierte er bereits einen Pfeil und Bogen-Intensiv-kurs in der Eifel bdquoDamit sich nicht bereits am Anfang grobe Fehler einschleichenldquo bekraumlf-tigt Schreiber Sein Sohn sei auch Bogen-schuumltze habe aber unabhaumlngig von ihm zur selben Zeit angefangen Auf die Frage wa-rum er nicht das klassische von Olympia be-kannte Bogenschieszligen ausuumlbe antwortet Schreiber bdquoDa gibt es zu viele Regelnldquo Au-szligerdem sei er ein intuitiver Schuumltze welcher ndash im Gegensatz zum strategischen Schuumltzen ndash sich voll und ganz auf seine Erfahrung und sein Bauchgefuumlhl verlasse Zwar ist Schrei-ber schon seit einem Jahr leidenschaftlicher Bogenschuumltze trotzdem gilt er im Verein

Entspannung vom AlltagWaumlhrend die Studierenden fast immer wissen ob ein Dozent freundlich oder streng ist

koumlnnen sich nur wenige vorstellen was diese mit ihrer Freizeit anfangen NeuLand war

einen Abend mit Dr Walter H Schreiber unterwegs Sein Hobby das 3D-Bogenschieszligen

noch als Anfaumlnger bdquoDeswegen behalte ich meine Ergebnisse bei Wettkaumlmpfen lieber fuumlr michldquo bemerkt er schmunzelnd

Sicherheit sei sehr wichtig betont Schrei-ber So muss sich jeder Schuumltze vorab in einem Schieszligbuch eintragen um zu sehen wie viele Leute auf dem Parcours unter-wegs sind Aus gutem Grund Auf dem 500 Meter langen und mit 28 Zielen bestuumlckten Parcours kann man leicht den Uumlberblick verlieren Zwei bis drei Stunden dauert die Durchquerung des Kurses Manchmal machen es abgeknickte Aumlste und ein rut-schiger Untergrund gar nicht so einfach die Ziele zu treffen Trotzdem wuumlrden die meisten Unfaumllle nicht beim Schieszligen selbst passieren sondern beim Herausziehen der Pfeile aus den Koumlrpern der Ziele meint Schreiber Ein Vereinskollege ergaumlnzt bdquoWich-

tig ist uns dass wir das 3D-Bogenschieszligen nicht als Vorstufe zur Jagd mit Pfeil und Bogen sehen Es ist vielmehr ein Sport bei dem man sich deutschlandweit mit anderen Schuumltzen messen kannldquo Im Gegensatz zum klassischen Bogenschieszligen schieszlige man nicht auf langweilige Zielscheiben sondern durchlaufe einen interessanten Parcours

Fuumlr Schreiber ist das Bogenschieszligen Ent-spannungskur vom alltaumlglichen Uni-Stress bdquoNach der Arbeit auf den Parcours zu gehen befreit meinen Kopfldquo Verstaumlndlich denn das leise Zischen des Pfeiles und die Ruhe im gruumlnen naturbelassenen Gelaumlnde hat etwas Erholendes Auszligerdem hat Schreiber beim Verein Palatina Freunde gefunden mit denen er an fast jedem Donnerstag und Sonntag durch den Parcours streift ndash auf der Jagd nach kuumlnstlichen Tieren (dan)

Hobby 3D-Bogenschieszligen

Beim 3D-Bogenschieszligen findet Walter H Schreiber Entspannung vom alltaumlglichen Uni-Stress

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Summer School

In der Reihe bdquoE-Mail aus hellipldquo berichtet Sozialwissenschafts-Student Daniel Schumacher

von der Summer School aus dem polnischen Wroclaw

Liebes NeuLandCześćaus Wroclaw Manchmal reicht ein

akademischer Kurz-Urlaub um ein Land und die

Leute lieben zu lernen

Zum Ende meiner akademischen Laufbahn wollte

ich das Studentendasein noch einmal voll und

ganz genieszligen und habe mich entschlossen eine

Summer School zu besuchen Fast jeder unserer

Fachbereiche bietet so etwas an Fuumlr mich ging die

Reise unter der Leitung von Professor Dr Siegmar

Schmidt (Politikwissenschaften) nach Wroclaw Polen

Erasmus-finanziert begann meine Hinfahrt in einem

Fernbus von Karlsruhe direkt nach Breslau so der alte

deutsche Name fuumlr Wroclaw

Hier angekommen bezogen wir ndash meine Wenigkeit

mit sieben anderen Deutschen ndash unsere Zimmer in

einem Studentenwohnheim oder wie ich es nenne

bdquoPlattenromantik-Hotelldquo Von auszligen neu gestrichen

verspruumlhte das Haus von innen den gesamten

Ostblock-Charme der Kalten-Krieg-Aumlra Das war

fuumlr mich aber auch das einzig Negative waumlhrend

meiner zweiwoumlchigen Summer School Bereits

am ersten Tag lernten wir beim bdquoget-togetherldquo

die anderen Teilnehmer kennen 70 Studenten

aus uumlber acht Laumlndern wollten mehr uumlber die

europaumlische Finanzkrise lernen und ndash wie ich ndash neue

Freundschaften knuumlpfen

Ab dem zweiten Tag war unser neues Zuhause ein

Houmlrsaal beim Institut fuumlr Politikwissenschaft Dort

E-Mail aus hellip Wroclaw

lernten wir wie verschiedene europaumlische Staaten mit

der Finanzkrise zu kaumlmpfen hatten und stellten jeweils

unsere Laumlnder selbst vor

Nach der ersten Woche wurden wir in verschiedene

Gruppen aufgeteilt um uumlber Innovation im

oumlffentlichen und privaten Sektor zu forschen

Forschen bedeutete dabei dass wir polnische

Buumlrger interviewten die entweder im privaten oder

oumlffentlichen Bereich taumltig sind Mein bdquoResearch-Haufenldquo

war bunt gemischt ndash von Belgiern uumlber Rumaumlnen

bis hin zu Ukrainern Ohne Verstaumlndigungsprobleme

meisterten wir unseren Arbeitsauftrag was am letzten

Tag feucht-froumlhlich mit allen gefeiert wurde

Am Ende moumlchte ich noch eine Lanze fuumlr die Stadt

Wroclaw und das Land Polen brechen Wir wurden

sehr herzlich aufgenommen Die Stadt mit ihrer

(deutschen) Geschichte war atemberaubend Nicht

nur die alten Gebaumlude haben es mir angetan sondern

die Atmosphaumlre rund um den historischen Stadtkern

Ich habe in diesen zwei Wochen sehr viele Menschen

kennen gelernt einige wuumlrde ich nun als enge Freunde

bezeichnen Das erste Wiedersehen mit Studenten aus

Belgien und Tschechien ist bereits geplant

Bis bald im guten alten Landau

euerDaniel Schumacher

23NeuLand 2014 03

Hochschulgruppe

Eigentlich kommt Cornelia Spengler aus einem ganz anderen Fachgebiet Nach ih-rem Biologiestudium am Karlsruher Insti-tut fuumlr Technologie promoviert sie derzeit in Landau im Fachbereich Natur- und Um-weltwissenschaften Aber auch an sozialer Arbeit hatte sie schon immer Interesse Sie wollte sich nicht nur mit der Wissenschaft beschaumlftigen sondern mit Menschen zu-sammenarbeiten So entdeckte sie fuumlr sich ein sensibles Thema die Integration und Bildungsgerechtigkeit

Cornelia Spengler wollte nicht nur reden sondern handeln In der SchuumllerNavi-Grup-pe in Aachen fand sie ein Vorbild nach dem sie am Campus Landau gemeinsam mit Stu-dentin Sylvia Klaus eine Hochschulgruppe aufbaute Ziel sollte es sein Schuumller zu foumlr-dern die durch ihre mangelnden Deutsch-kenntnisse in der Schule Probleme haben und deren Eltern das Geld fuumlr Nachhilfe nicht aufbringen koumlnnen bdquoWenn die Eltern zu Hause kaum Deutsch sprechen haben die Kinder dort auch wenig Unterstuumltzung fuumlr die Schule Diktate zu uumlben ist dann schlichtweg nicht moumlglichldquo erklaumlrt Speng-ler

SchuumllerNavi bietet neben Hausaufgaben-betreuung und Nachhilfeunterricht auch kulturellen Austausch Mittlerweile betei-ligen sich in der Hochschulgruppe uumlber 20 Studenten die den Schuumllern in schulischen

Aktive Arbeit statt bloszlige TheorieUumlber Integration zu reden bringt nicht viel Sie muss gelebt werden Darum gruumlndete die

Landauer Doktorandin Cornelia Spengler mit Studentin Sylvia Klaus die Hochschulgruppe

SchuumllerNavi die immer mehr Mitglieder zaumlhlt Wie man Integration foumlrdern kann und was

den Ehrenamtlichen ihre Arbeit bringt daruumlber sprach sie mit NeuLand

Belangen zur Seite stehen ihnen das Uni-Leben zeigen und ihnen zuhoumlren wenn sie Probleme haben

Spengler selbst betreut zwei Bruumlder mit tamilischen Wurzeln Um Beruumlhrungspunk-te zu schaffen die fuumlr den Aufbau eines Ver-trauensverhaumlltnisses wichtig sind hat sie mit den Jungs auf dem Campus beispiels-weise gemeinsam mikroskopiert Einer der beiden Bruumlder war stark versetzungsgefaumlhr-det und hat es nun in die naumlchste Klasse geschafft Ein Stuumlck weit schreibt sie diesen Erfolg SchuumllerNavi zu

bdquoSchwierig ist es zu unterscheiden welche Kinder wirklich der Foumlrderung beduumlrfenldquo so Spengler In Konkurrenz mit Nachhilfe-Firmen will die Gruppe nicht treten Ziel-gruppe sind Kinder die in der Schule haumlufig nicht ausreichend gefoumlrdert werden und deren Eltern sich keine professionelle Nach-hilfe leisten koumlnnen Daher hat SchuumllerNavi Kooperationen mit sozialen Institutionen Landaus die ihnen die Kontakte weiterver-mitteln bdquoDer Bedarf ist riesig Wir koumlnnen ihn gar nicht deckenldquo berichtet Spengler Daher ist die Hochschulgruppe auch staumln-dig dabei neue Mitglieder zu werben

Fuumlr die Zukunft plant die Hochschul-gruppe eine weitere Kooperation mit ELKE (Eltern Kompetenzen erlernen) um die El-tern weiterzuschulen beispielsweise mit Sprachkursen Dadurch sollen diese ihren

Kindern besser bei schulischen Aufgaben selbst helfen koumlnnen

Neben dem Gefuumlhl etwas Gutes zu tun sieht Spengler aber auch andere Vorteile fuumlr das Ehrenamt Gerade Lehramtsstu-denten koumlnnen sich hier ausprobieren und paumldagogische Konzepte umsetzen die sie aus der Theorie kennen Jeder koumlnne viel lernen erklaumlrt sie Man uumlbe hier nicht nur den Umgang mit Kindern und Jugendli-chen sondern lerne auch viel uumlber fremde Kulturen Sie selbst habe von ihren zwei Nachhilfeschuumllern bereits viel uumlber Feierta-ge und Sitten ihrer Kultur aber auch einzel-ne Vokabeln ihrer Sprache gelernt Und die Schuumller seien sehr interessiert an deutschen Gebraumluchen und Eigenarten

Fuumlr das ehrenamtliche Engagement hat SchuumllerNavi bereits Preise bekommen Bei der Initiative fuumlr Integration von bigFM be-legten sie den dritten Platz Das Preisgeld investierte die Gruppe unter anderem um mit ihren Schuumllern die Zooschule zu besu-chen In diesem Jahr erhaumllt SchuumllerNavi zu-dem den Campus-Kulturpreis des Campus Landau

bdquoMan redet immer uumlber Integration Von Menschen mit Migrationshintergrund wird erwartet sich hier zu integrieren Aber das liegt ja auch an uns Man muss sie auf die-sem Weg unterstuumltzenldquo erklaumlrt Doktorandin Spengler (rst)

Termine ImpressumHerausgeberReferat fuumlr Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit der Universitaumlt Koblenz-Landau Campus Landau Fortstraszlige 7 76829 Landau

RedaktionsteamKerstin Theilmann (ket) (verantw) Berend Barkela (bb) Wilfried Dorsch (wdo) Sebastian Kapp (kap) Daniel Schumacher (dan) Rosa Stecher (rst)

LayoutMedienzentrum Campus Landau Berend Barkela

FotosTitel Imago Fotoarena S 2 S 3 privat S 5 Imago Xinhua S 7 oben kanvag - Fotoliacom S 7 unten Medienzentrum Hiller S 9 Imago ITAR-TASS S 10 Imago Steinach S 11 Imago DeFodi S 13 Imago PPfotodesign S 15 JiSign - Fotoliacom S 17 Medienzentrum Hiller S 19 Medienzentrum Barkela S 20 Medienzentrum Hiller S 21 und 22 Daniel Schumacher

KontaktKerstin TheilmannTel 06341 280-32219 E-Mail theiluni-koblenz-landaude

Aus Gruumlnden der besseren Lesbarkeit verwenden wir in unseren Artikeln die maumlnnliche Form Damit sind stets Frauen und Maumlnner gemeint

Die Redaktion behaumllt sich die Kuumlrzung und Uumlberarbeitung von Texten vor Die Meinung einzelner AutorinnenAutoren gibt nicht immer die Meinung der Redaktion wieder

28101014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Florian Ostertag Atrium Infos unter wwwasta-landaude

05112014 ab 2130 Uhr Atriumsfete Infos unter wwwasta-landaude

06112014 20 Uhr Poetry Slam Landau Universum Kinocenter Infos unter wwwzkwuni-landaude

19112014 1930 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Friedensprojekt Europa in der Krise Mit Bundesministerin aD Heidemarie Wieczorek-Zeul und weiteren Gaumlsten Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

19112014 21 Uhr Konzert bdquoBeats und Pianoldquo Audimax Infos unter wwwasta-landaude

1122014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Unland Atrium Infos unter wwwasta-landaude

03122014 19 Uhr Hambacher Gespraumlch Meine Daten gehoumlren den Unternehmen Hambacher Schloss Infos unter wwwfliuni-landaude

05122014 1930 Uhr Reihe bdquoGroszlige Begegnungenldquo mit Sternekoch Alfons Schubeck Jugendstil-Festhalle Landau Infos unter wwwzkwuni-landaude

08122014 1900 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Frieden durch Demokratie Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

Ausblick 13 - 15012015 Poetik-Dozentur mit Rafik Schami Infos unter wwwzkwuni-landaude

Weitere Termine unter wwwuni-koblenz-landaudeaktuell wwwuni-koblenz-landaudeblog

Page 21: Neuland Ausgabe 3/2014

21NeuLand 2014 03

Wenn man sich seine Dozenten auszligerhalb der Universitaumlt vorstellt dann ist es wohl in einem Sessel vor einem uumlberfuumlllten Buumlcher-regal mit einem wissenschaftlichen Buch in der Hand vielleicht noch mit einem Hund zu den Fuumlszligen Wenige Studenten glauben dass ihre Dozenten moumlglicherweise eine spannendere Freizeitgestaltung haben als sie selbst

Bei Walter H Schreiber ist das aber so Seit dem Sommer 2013 ist er 3D-Bogenschuumltze 3D-Bogenschieszligen bedeutet nicht dass man mit einer 3D-Brille und einem virtu-ellen Bogen bewaffnet auf herannahende Tiere oder Aliens schieszligt Eigentlich ist das 3D-Bogenschieszligen vielmehr die Wieder-entdeckung des sportlichen Jagens mit Pfeil und Bogen ohne einem Tier Schaden zuzufuumlgen Es erinnert an eine Art Golf Der Schlaumlger wird zum Bogen der Ball zum Pfeil und statt eines Abschlags hat man einen Abschuss-Punkt Das Ziel ist aber kein Loch sondern zum Beispiel ein Fasan oder eine Riesenspinne welche von Vereinsmitglie-dern angefertigt und im Parcours platziert wurde

Schreiber ist seit Dezember Mitglied beim Verein Palatina Bogenschuumltzen eV in Ins-heim suumldlich von Landau Davor absolvierte er bereits einen Pfeil und Bogen-Intensiv-kurs in der Eifel bdquoDamit sich nicht bereits am Anfang grobe Fehler einschleichenldquo bekraumlf-tigt Schreiber Sein Sohn sei auch Bogen-schuumltze habe aber unabhaumlngig von ihm zur selben Zeit angefangen Auf die Frage wa-rum er nicht das klassische von Olympia be-kannte Bogenschieszligen ausuumlbe antwortet Schreiber bdquoDa gibt es zu viele Regelnldquo Au-szligerdem sei er ein intuitiver Schuumltze welcher ndash im Gegensatz zum strategischen Schuumltzen ndash sich voll und ganz auf seine Erfahrung und sein Bauchgefuumlhl verlasse Zwar ist Schrei-ber schon seit einem Jahr leidenschaftlicher Bogenschuumltze trotzdem gilt er im Verein

Entspannung vom AlltagWaumlhrend die Studierenden fast immer wissen ob ein Dozent freundlich oder streng ist

koumlnnen sich nur wenige vorstellen was diese mit ihrer Freizeit anfangen NeuLand war

einen Abend mit Dr Walter H Schreiber unterwegs Sein Hobby das 3D-Bogenschieszligen

noch als Anfaumlnger bdquoDeswegen behalte ich meine Ergebnisse bei Wettkaumlmpfen lieber fuumlr michldquo bemerkt er schmunzelnd

Sicherheit sei sehr wichtig betont Schrei-ber So muss sich jeder Schuumltze vorab in einem Schieszligbuch eintragen um zu sehen wie viele Leute auf dem Parcours unter-wegs sind Aus gutem Grund Auf dem 500 Meter langen und mit 28 Zielen bestuumlckten Parcours kann man leicht den Uumlberblick verlieren Zwei bis drei Stunden dauert die Durchquerung des Kurses Manchmal machen es abgeknickte Aumlste und ein rut-schiger Untergrund gar nicht so einfach die Ziele zu treffen Trotzdem wuumlrden die meisten Unfaumllle nicht beim Schieszligen selbst passieren sondern beim Herausziehen der Pfeile aus den Koumlrpern der Ziele meint Schreiber Ein Vereinskollege ergaumlnzt bdquoWich-

tig ist uns dass wir das 3D-Bogenschieszligen nicht als Vorstufe zur Jagd mit Pfeil und Bogen sehen Es ist vielmehr ein Sport bei dem man sich deutschlandweit mit anderen Schuumltzen messen kannldquo Im Gegensatz zum klassischen Bogenschieszligen schieszlige man nicht auf langweilige Zielscheiben sondern durchlaufe einen interessanten Parcours

Fuumlr Schreiber ist das Bogenschieszligen Ent-spannungskur vom alltaumlglichen Uni-Stress bdquoNach der Arbeit auf den Parcours zu gehen befreit meinen Kopfldquo Verstaumlndlich denn das leise Zischen des Pfeiles und die Ruhe im gruumlnen naturbelassenen Gelaumlnde hat etwas Erholendes Auszligerdem hat Schreiber beim Verein Palatina Freunde gefunden mit denen er an fast jedem Donnerstag und Sonntag durch den Parcours streift ndash auf der Jagd nach kuumlnstlichen Tieren (dan)

Hobby 3D-Bogenschieszligen

Beim 3D-Bogenschieszligen findet Walter H Schreiber Entspannung vom alltaumlglichen Uni-Stress

22 NeuLand 2014 03

Summer School

In der Reihe bdquoE-Mail aus hellipldquo berichtet Sozialwissenschafts-Student Daniel Schumacher

von der Summer School aus dem polnischen Wroclaw

Liebes NeuLandCześćaus Wroclaw Manchmal reicht ein

akademischer Kurz-Urlaub um ein Land und die

Leute lieben zu lernen

Zum Ende meiner akademischen Laufbahn wollte

ich das Studentendasein noch einmal voll und

ganz genieszligen und habe mich entschlossen eine

Summer School zu besuchen Fast jeder unserer

Fachbereiche bietet so etwas an Fuumlr mich ging die

Reise unter der Leitung von Professor Dr Siegmar

Schmidt (Politikwissenschaften) nach Wroclaw Polen

Erasmus-finanziert begann meine Hinfahrt in einem

Fernbus von Karlsruhe direkt nach Breslau so der alte

deutsche Name fuumlr Wroclaw

Hier angekommen bezogen wir ndash meine Wenigkeit

mit sieben anderen Deutschen ndash unsere Zimmer in

einem Studentenwohnheim oder wie ich es nenne

bdquoPlattenromantik-Hotelldquo Von auszligen neu gestrichen

verspruumlhte das Haus von innen den gesamten

Ostblock-Charme der Kalten-Krieg-Aumlra Das war

fuumlr mich aber auch das einzig Negative waumlhrend

meiner zweiwoumlchigen Summer School Bereits

am ersten Tag lernten wir beim bdquoget-togetherldquo

die anderen Teilnehmer kennen 70 Studenten

aus uumlber acht Laumlndern wollten mehr uumlber die

europaumlische Finanzkrise lernen und ndash wie ich ndash neue

Freundschaften knuumlpfen

Ab dem zweiten Tag war unser neues Zuhause ein

Houmlrsaal beim Institut fuumlr Politikwissenschaft Dort

E-Mail aus hellip Wroclaw

lernten wir wie verschiedene europaumlische Staaten mit

der Finanzkrise zu kaumlmpfen hatten und stellten jeweils

unsere Laumlnder selbst vor

Nach der ersten Woche wurden wir in verschiedene

Gruppen aufgeteilt um uumlber Innovation im

oumlffentlichen und privaten Sektor zu forschen

Forschen bedeutete dabei dass wir polnische

Buumlrger interviewten die entweder im privaten oder

oumlffentlichen Bereich taumltig sind Mein bdquoResearch-Haufenldquo

war bunt gemischt ndash von Belgiern uumlber Rumaumlnen

bis hin zu Ukrainern Ohne Verstaumlndigungsprobleme

meisterten wir unseren Arbeitsauftrag was am letzten

Tag feucht-froumlhlich mit allen gefeiert wurde

Am Ende moumlchte ich noch eine Lanze fuumlr die Stadt

Wroclaw und das Land Polen brechen Wir wurden

sehr herzlich aufgenommen Die Stadt mit ihrer

(deutschen) Geschichte war atemberaubend Nicht

nur die alten Gebaumlude haben es mir angetan sondern

die Atmosphaumlre rund um den historischen Stadtkern

Ich habe in diesen zwei Wochen sehr viele Menschen

kennen gelernt einige wuumlrde ich nun als enge Freunde

bezeichnen Das erste Wiedersehen mit Studenten aus

Belgien und Tschechien ist bereits geplant

Bis bald im guten alten Landau

euerDaniel Schumacher

23NeuLand 2014 03

Hochschulgruppe

Eigentlich kommt Cornelia Spengler aus einem ganz anderen Fachgebiet Nach ih-rem Biologiestudium am Karlsruher Insti-tut fuumlr Technologie promoviert sie derzeit in Landau im Fachbereich Natur- und Um-weltwissenschaften Aber auch an sozialer Arbeit hatte sie schon immer Interesse Sie wollte sich nicht nur mit der Wissenschaft beschaumlftigen sondern mit Menschen zu-sammenarbeiten So entdeckte sie fuumlr sich ein sensibles Thema die Integration und Bildungsgerechtigkeit

Cornelia Spengler wollte nicht nur reden sondern handeln In der SchuumllerNavi-Grup-pe in Aachen fand sie ein Vorbild nach dem sie am Campus Landau gemeinsam mit Stu-dentin Sylvia Klaus eine Hochschulgruppe aufbaute Ziel sollte es sein Schuumller zu foumlr-dern die durch ihre mangelnden Deutsch-kenntnisse in der Schule Probleme haben und deren Eltern das Geld fuumlr Nachhilfe nicht aufbringen koumlnnen bdquoWenn die Eltern zu Hause kaum Deutsch sprechen haben die Kinder dort auch wenig Unterstuumltzung fuumlr die Schule Diktate zu uumlben ist dann schlichtweg nicht moumlglichldquo erklaumlrt Speng-ler

SchuumllerNavi bietet neben Hausaufgaben-betreuung und Nachhilfeunterricht auch kulturellen Austausch Mittlerweile betei-ligen sich in der Hochschulgruppe uumlber 20 Studenten die den Schuumllern in schulischen

Aktive Arbeit statt bloszlige TheorieUumlber Integration zu reden bringt nicht viel Sie muss gelebt werden Darum gruumlndete die

Landauer Doktorandin Cornelia Spengler mit Studentin Sylvia Klaus die Hochschulgruppe

SchuumllerNavi die immer mehr Mitglieder zaumlhlt Wie man Integration foumlrdern kann und was

den Ehrenamtlichen ihre Arbeit bringt daruumlber sprach sie mit NeuLand

Belangen zur Seite stehen ihnen das Uni-Leben zeigen und ihnen zuhoumlren wenn sie Probleme haben

Spengler selbst betreut zwei Bruumlder mit tamilischen Wurzeln Um Beruumlhrungspunk-te zu schaffen die fuumlr den Aufbau eines Ver-trauensverhaumlltnisses wichtig sind hat sie mit den Jungs auf dem Campus beispiels-weise gemeinsam mikroskopiert Einer der beiden Bruumlder war stark versetzungsgefaumlhr-det und hat es nun in die naumlchste Klasse geschafft Ein Stuumlck weit schreibt sie diesen Erfolg SchuumllerNavi zu

bdquoSchwierig ist es zu unterscheiden welche Kinder wirklich der Foumlrderung beduumlrfenldquo so Spengler In Konkurrenz mit Nachhilfe-Firmen will die Gruppe nicht treten Ziel-gruppe sind Kinder die in der Schule haumlufig nicht ausreichend gefoumlrdert werden und deren Eltern sich keine professionelle Nach-hilfe leisten koumlnnen Daher hat SchuumllerNavi Kooperationen mit sozialen Institutionen Landaus die ihnen die Kontakte weiterver-mitteln bdquoDer Bedarf ist riesig Wir koumlnnen ihn gar nicht deckenldquo berichtet Spengler Daher ist die Hochschulgruppe auch staumln-dig dabei neue Mitglieder zu werben

Fuumlr die Zukunft plant die Hochschul-gruppe eine weitere Kooperation mit ELKE (Eltern Kompetenzen erlernen) um die El-tern weiterzuschulen beispielsweise mit Sprachkursen Dadurch sollen diese ihren

Kindern besser bei schulischen Aufgaben selbst helfen koumlnnen

Neben dem Gefuumlhl etwas Gutes zu tun sieht Spengler aber auch andere Vorteile fuumlr das Ehrenamt Gerade Lehramtsstu-denten koumlnnen sich hier ausprobieren und paumldagogische Konzepte umsetzen die sie aus der Theorie kennen Jeder koumlnne viel lernen erklaumlrt sie Man uumlbe hier nicht nur den Umgang mit Kindern und Jugendli-chen sondern lerne auch viel uumlber fremde Kulturen Sie selbst habe von ihren zwei Nachhilfeschuumllern bereits viel uumlber Feierta-ge und Sitten ihrer Kultur aber auch einzel-ne Vokabeln ihrer Sprache gelernt Und die Schuumller seien sehr interessiert an deutschen Gebraumluchen und Eigenarten

Fuumlr das ehrenamtliche Engagement hat SchuumllerNavi bereits Preise bekommen Bei der Initiative fuumlr Integration von bigFM be-legten sie den dritten Platz Das Preisgeld investierte die Gruppe unter anderem um mit ihren Schuumllern die Zooschule zu besu-chen In diesem Jahr erhaumllt SchuumllerNavi zu-dem den Campus-Kulturpreis des Campus Landau

bdquoMan redet immer uumlber Integration Von Menschen mit Migrationshintergrund wird erwartet sich hier zu integrieren Aber das liegt ja auch an uns Man muss sie auf die-sem Weg unterstuumltzenldquo erklaumlrt Doktorandin Spengler (rst)

Termine ImpressumHerausgeberReferat fuumlr Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit der Universitaumlt Koblenz-Landau Campus Landau Fortstraszlige 7 76829 Landau

RedaktionsteamKerstin Theilmann (ket) (verantw) Berend Barkela (bb) Wilfried Dorsch (wdo) Sebastian Kapp (kap) Daniel Schumacher (dan) Rosa Stecher (rst)

LayoutMedienzentrum Campus Landau Berend Barkela

FotosTitel Imago Fotoarena S 2 S 3 privat S 5 Imago Xinhua S 7 oben kanvag - Fotoliacom S 7 unten Medienzentrum Hiller S 9 Imago ITAR-TASS S 10 Imago Steinach S 11 Imago DeFodi S 13 Imago PPfotodesign S 15 JiSign - Fotoliacom S 17 Medienzentrum Hiller S 19 Medienzentrum Barkela S 20 Medienzentrum Hiller S 21 und 22 Daniel Schumacher

KontaktKerstin TheilmannTel 06341 280-32219 E-Mail theiluni-koblenz-landaude

Aus Gruumlnden der besseren Lesbarkeit verwenden wir in unseren Artikeln die maumlnnliche Form Damit sind stets Frauen und Maumlnner gemeint

Die Redaktion behaumllt sich die Kuumlrzung und Uumlberarbeitung von Texten vor Die Meinung einzelner AutorinnenAutoren gibt nicht immer die Meinung der Redaktion wieder

28101014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Florian Ostertag Atrium Infos unter wwwasta-landaude

05112014 ab 2130 Uhr Atriumsfete Infos unter wwwasta-landaude

06112014 20 Uhr Poetry Slam Landau Universum Kinocenter Infos unter wwwzkwuni-landaude

19112014 1930 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Friedensprojekt Europa in der Krise Mit Bundesministerin aD Heidemarie Wieczorek-Zeul und weiteren Gaumlsten Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

19112014 21 Uhr Konzert bdquoBeats und Pianoldquo Audimax Infos unter wwwasta-landaude

1122014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Unland Atrium Infos unter wwwasta-landaude

03122014 19 Uhr Hambacher Gespraumlch Meine Daten gehoumlren den Unternehmen Hambacher Schloss Infos unter wwwfliuni-landaude

05122014 1930 Uhr Reihe bdquoGroszlige Begegnungenldquo mit Sternekoch Alfons Schubeck Jugendstil-Festhalle Landau Infos unter wwwzkwuni-landaude

08122014 1900 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Frieden durch Demokratie Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

Ausblick 13 - 15012015 Poetik-Dozentur mit Rafik Schami Infos unter wwwzkwuni-landaude

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22 NeuLand 2014 03

Summer School

In der Reihe bdquoE-Mail aus hellipldquo berichtet Sozialwissenschafts-Student Daniel Schumacher

von der Summer School aus dem polnischen Wroclaw

Liebes NeuLandCześćaus Wroclaw Manchmal reicht ein

akademischer Kurz-Urlaub um ein Land und die

Leute lieben zu lernen

Zum Ende meiner akademischen Laufbahn wollte

ich das Studentendasein noch einmal voll und

ganz genieszligen und habe mich entschlossen eine

Summer School zu besuchen Fast jeder unserer

Fachbereiche bietet so etwas an Fuumlr mich ging die

Reise unter der Leitung von Professor Dr Siegmar

Schmidt (Politikwissenschaften) nach Wroclaw Polen

Erasmus-finanziert begann meine Hinfahrt in einem

Fernbus von Karlsruhe direkt nach Breslau so der alte

deutsche Name fuumlr Wroclaw

Hier angekommen bezogen wir ndash meine Wenigkeit

mit sieben anderen Deutschen ndash unsere Zimmer in

einem Studentenwohnheim oder wie ich es nenne

bdquoPlattenromantik-Hotelldquo Von auszligen neu gestrichen

verspruumlhte das Haus von innen den gesamten

Ostblock-Charme der Kalten-Krieg-Aumlra Das war

fuumlr mich aber auch das einzig Negative waumlhrend

meiner zweiwoumlchigen Summer School Bereits

am ersten Tag lernten wir beim bdquoget-togetherldquo

die anderen Teilnehmer kennen 70 Studenten

aus uumlber acht Laumlndern wollten mehr uumlber die

europaumlische Finanzkrise lernen und ndash wie ich ndash neue

Freundschaften knuumlpfen

Ab dem zweiten Tag war unser neues Zuhause ein

Houmlrsaal beim Institut fuumlr Politikwissenschaft Dort

E-Mail aus hellip Wroclaw

lernten wir wie verschiedene europaumlische Staaten mit

der Finanzkrise zu kaumlmpfen hatten und stellten jeweils

unsere Laumlnder selbst vor

Nach der ersten Woche wurden wir in verschiedene

Gruppen aufgeteilt um uumlber Innovation im

oumlffentlichen und privaten Sektor zu forschen

Forschen bedeutete dabei dass wir polnische

Buumlrger interviewten die entweder im privaten oder

oumlffentlichen Bereich taumltig sind Mein bdquoResearch-Haufenldquo

war bunt gemischt ndash von Belgiern uumlber Rumaumlnen

bis hin zu Ukrainern Ohne Verstaumlndigungsprobleme

meisterten wir unseren Arbeitsauftrag was am letzten

Tag feucht-froumlhlich mit allen gefeiert wurde

Am Ende moumlchte ich noch eine Lanze fuumlr die Stadt

Wroclaw und das Land Polen brechen Wir wurden

sehr herzlich aufgenommen Die Stadt mit ihrer

(deutschen) Geschichte war atemberaubend Nicht

nur die alten Gebaumlude haben es mir angetan sondern

die Atmosphaumlre rund um den historischen Stadtkern

Ich habe in diesen zwei Wochen sehr viele Menschen

kennen gelernt einige wuumlrde ich nun als enge Freunde

bezeichnen Das erste Wiedersehen mit Studenten aus

Belgien und Tschechien ist bereits geplant

Bis bald im guten alten Landau

euerDaniel Schumacher

23NeuLand 2014 03

Hochschulgruppe

Eigentlich kommt Cornelia Spengler aus einem ganz anderen Fachgebiet Nach ih-rem Biologiestudium am Karlsruher Insti-tut fuumlr Technologie promoviert sie derzeit in Landau im Fachbereich Natur- und Um-weltwissenschaften Aber auch an sozialer Arbeit hatte sie schon immer Interesse Sie wollte sich nicht nur mit der Wissenschaft beschaumlftigen sondern mit Menschen zu-sammenarbeiten So entdeckte sie fuumlr sich ein sensibles Thema die Integration und Bildungsgerechtigkeit

Cornelia Spengler wollte nicht nur reden sondern handeln In der SchuumllerNavi-Grup-pe in Aachen fand sie ein Vorbild nach dem sie am Campus Landau gemeinsam mit Stu-dentin Sylvia Klaus eine Hochschulgruppe aufbaute Ziel sollte es sein Schuumller zu foumlr-dern die durch ihre mangelnden Deutsch-kenntnisse in der Schule Probleme haben und deren Eltern das Geld fuumlr Nachhilfe nicht aufbringen koumlnnen bdquoWenn die Eltern zu Hause kaum Deutsch sprechen haben die Kinder dort auch wenig Unterstuumltzung fuumlr die Schule Diktate zu uumlben ist dann schlichtweg nicht moumlglichldquo erklaumlrt Speng-ler

SchuumllerNavi bietet neben Hausaufgaben-betreuung und Nachhilfeunterricht auch kulturellen Austausch Mittlerweile betei-ligen sich in der Hochschulgruppe uumlber 20 Studenten die den Schuumllern in schulischen

Aktive Arbeit statt bloszlige TheorieUumlber Integration zu reden bringt nicht viel Sie muss gelebt werden Darum gruumlndete die

Landauer Doktorandin Cornelia Spengler mit Studentin Sylvia Klaus die Hochschulgruppe

SchuumllerNavi die immer mehr Mitglieder zaumlhlt Wie man Integration foumlrdern kann und was

den Ehrenamtlichen ihre Arbeit bringt daruumlber sprach sie mit NeuLand

Belangen zur Seite stehen ihnen das Uni-Leben zeigen und ihnen zuhoumlren wenn sie Probleme haben

Spengler selbst betreut zwei Bruumlder mit tamilischen Wurzeln Um Beruumlhrungspunk-te zu schaffen die fuumlr den Aufbau eines Ver-trauensverhaumlltnisses wichtig sind hat sie mit den Jungs auf dem Campus beispiels-weise gemeinsam mikroskopiert Einer der beiden Bruumlder war stark versetzungsgefaumlhr-det und hat es nun in die naumlchste Klasse geschafft Ein Stuumlck weit schreibt sie diesen Erfolg SchuumllerNavi zu

bdquoSchwierig ist es zu unterscheiden welche Kinder wirklich der Foumlrderung beduumlrfenldquo so Spengler In Konkurrenz mit Nachhilfe-Firmen will die Gruppe nicht treten Ziel-gruppe sind Kinder die in der Schule haumlufig nicht ausreichend gefoumlrdert werden und deren Eltern sich keine professionelle Nach-hilfe leisten koumlnnen Daher hat SchuumllerNavi Kooperationen mit sozialen Institutionen Landaus die ihnen die Kontakte weiterver-mitteln bdquoDer Bedarf ist riesig Wir koumlnnen ihn gar nicht deckenldquo berichtet Spengler Daher ist die Hochschulgruppe auch staumln-dig dabei neue Mitglieder zu werben

Fuumlr die Zukunft plant die Hochschul-gruppe eine weitere Kooperation mit ELKE (Eltern Kompetenzen erlernen) um die El-tern weiterzuschulen beispielsweise mit Sprachkursen Dadurch sollen diese ihren

Kindern besser bei schulischen Aufgaben selbst helfen koumlnnen

Neben dem Gefuumlhl etwas Gutes zu tun sieht Spengler aber auch andere Vorteile fuumlr das Ehrenamt Gerade Lehramtsstu-denten koumlnnen sich hier ausprobieren und paumldagogische Konzepte umsetzen die sie aus der Theorie kennen Jeder koumlnne viel lernen erklaumlrt sie Man uumlbe hier nicht nur den Umgang mit Kindern und Jugendli-chen sondern lerne auch viel uumlber fremde Kulturen Sie selbst habe von ihren zwei Nachhilfeschuumllern bereits viel uumlber Feierta-ge und Sitten ihrer Kultur aber auch einzel-ne Vokabeln ihrer Sprache gelernt Und die Schuumller seien sehr interessiert an deutschen Gebraumluchen und Eigenarten

Fuumlr das ehrenamtliche Engagement hat SchuumllerNavi bereits Preise bekommen Bei der Initiative fuumlr Integration von bigFM be-legten sie den dritten Platz Das Preisgeld investierte die Gruppe unter anderem um mit ihren Schuumllern die Zooschule zu besu-chen In diesem Jahr erhaumllt SchuumllerNavi zu-dem den Campus-Kulturpreis des Campus Landau

bdquoMan redet immer uumlber Integration Von Menschen mit Migrationshintergrund wird erwartet sich hier zu integrieren Aber das liegt ja auch an uns Man muss sie auf die-sem Weg unterstuumltzenldquo erklaumlrt Doktorandin Spengler (rst)

Termine ImpressumHerausgeberReferat fuumlr Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit der Universitaumlt Koblenz-Landau Campus Landau Fortstraszlige 7 76829 Landau

RedaktionsteamKerstin Theilmann (ket) (verantw) Berend Barkela (bb) Wilfried Dorsch (wdo) Sebastian Kapp (kap) Daniel Schumacher (dan) Rosa Stecher (rst)

LayoutMedienzentrum Campus Landau Berend Barkela

FotosTitel Imago Fotoarena S 2 S 3 privat S 5 Imago Xinhua S 7 oben kanvag - Fotoliacom S 7 unten Medienzentrum Hiller S 9 Imago ITAR-TASS S 10 Imago Steinach S 11 Imago DeFodi S 13 Imago PPfotodesign S 15 JiSign - Fotoliacom S 17 Medienzentrum Hiller S 19 Medienzentrum Barkela S 20 Medienzentrum Hiller S 21 und 22 Daniel Schumacher

KontaktKerstin TheilmannTel 06341 280-32219 E-Mail theiluni-koblenz-landaude

Aus Gruumlnden der besseren Lesbarkeit verwenden wir in unseren Artikeln die maumlnnliche Form Damit sind stets Frauen und Maumlnner gemeint

Die Redaktion behaumllt sich die Kuumlrzung und Uumlberarbeitung von Texten vor Die Meinung einzelner AutorinnenAutoren gibt nicht immer die Meinung der Redaktion wieder

28101014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Florian Ostertag Atrium Infos unter wwwasta-landaude

05112014 ab 2130 Uhr Atriumsfete Infos unter wwwasta-landaude

06112014 20 Uhr Poetry Slam Landau Universum Kinocenter Infos unter wwwzkwuni-landaude

19112014 1930 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Friedensprojekt Europa in der Krise Mit Bundesministerin aD Heidemarie Wieczorek-Zeul und weiteren Gaumlsten Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

19112014 21 Uhr Konzert bdquoBeats und Pianoldquo Audimax Infos unter wwwasta-landaude

1122014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Unland Atrium Infos unter wwwasta-landaude

03122014 19 Uhr Hambacher Gespraumlch Meine Daten gehoumlren den Unternehmen Hambacher Schloss Infos unter wwwfliuni-landaude

05122014 1930 Uhr Reihe bdquoGroszlige Begegnungenldquo mit Sternekoch Alfons Schubeck Jugendstil-Festhalle Landau Infos unter wwwzkwuni-landaude

08122014 1900 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Frieden durch Demokratie Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

Ausblick 13 - 15012015 Poetik-Dozentur mit Rafik Schami Infos unter wwwzkwuni-landaude

Weitere Termine unter wwwuni-koblenz-landaudeaktuell wwwuni-koblenz-landaudeblog

Page 23: Neuland Ausgabe 3/2014

23NeuLand 2014 03

Hochschulgruppe

Eigentlich kommt Cornelia Spengler aus einem ganz anderen Fachgebiet Nach ih-rem Biologiestudium am Karlsruher Insti-tut fuumlr Technologie promoviert sie derzeit in Landau im Fachbereich Natur- und Um-weltwissenschaften Aber auch an sozialer Arbeit hatte sie schon immer Interesse Sie wollte sich nicht nur mit der Wissenschaft beschaumlftigen sondern mit Menschen zu-sammenarbeiten So entdeckte sie fuumlr sich ein sensibles Thema die Integration und Bildungsgerechtigkeit

Cornelia Spengler wollte nicht nur reden sondern handeln In der SchuumllerNavi-Grup-pe in Aachen fand sie ein Vorbild nach dem sie am Campus Landau gemeinsam mit Stu-dentin Sylvia Klaus eine Hochschulgruppe aufbaute Ziel sollte es sein Schuumller zu foumlr-dern die durch ihre mangelnden Deutsch-kenntnisse in der Schule Probleme haben und deren Eltern das Geld fuumlr Nachhilfe nicht aufbringen koumlnnen bdquoWenn die Eltern zu Hause kaum Deutsch sprechen haben die Kinder dort auch wenig Unterstuumltzung fuumlr die Schule Diktate zu uumlben ist dann schlichtweg nicht moumlglichldquo erklaumlrt Speng-ler

SchuumllerNavi bietet neben Hausaufgaben-betreuung und Nachhilfeunterricht auch kulturellen Austausch Mittlerweile betei-ligen sich in der Hochschulgruppe uumlber 20 Studenten die den Schuumllern in schulischen

Aktive Arbeit statt bloszlige TheorieUumlber Integration zu reden bringt nicht viel Sie muss gelebt werden Darum gruumlndete die

Landauer Doktorandin Cornelia Spengler mit Studentin Sylvia Klaus die Hochschulgruppe

SchuumllerNavi die immer mehr Mitglieder zaumlhlt Wie man Integration foumlrdern kann und was

den Ehrenamtlichen ihre Arbeit bringt daruumlber sprach sie mit NeuLand

Belangen zur Seite stehen ihnen das Uni-Leben zeigen und ihnen zuhoumlren wenn sie Probleme haben

Spengler selbst betreut zwei Bruumlder mit tamilischen Wurzeln Um Beruumlhrungspunk-te zu schaffen die fuumlr den Aufbau eines Ver-trauensverhaumlltnisses wichtig sind hat sie mit den Jungs auf dem Campus beispiels-weise gemeinsam mikroskopiert Einer der beiden Bruumlder war stark versetzungsgefaumlhr-det und hat es nun in die naumlchste Klasse geschafft Ein Stuumlck weit schreibt sie diesen Erfolg SchuumllerNavi zu

bdquoSchwierig ist es zu unterscheiden welche Kinder wirklich der Foumlrderung beduumlrfenldquo so Spengler In Konkurrenz mit Nachhilfe-Firmen will die Gruppe nicht treten Ziel-gruppe sind Kinder die in der Schule haumlufig nicht ausreichend gefoumlrdert werden und deren Eltern sich keine professionelle Nach-hilfe leisten koumlnnen Daher hat SchuumllerNavi Kooperationen mit sozialen Institutionen Landaus die ihnen die Kontakte weiterver-mitteln bdquoDer Bedarf ist riesig Wir koumlnnen ihn gar nicht deckenldquo berichtet Spengler Daher ist die Hochschulgruppe auch staumln-dig dabei neue Mitglieder zu werben

Fuumlr die Zukunft plant die Hochschul-gruppe eine weitere Kooperation mit ELKE (Eltern Kompetenzen erlernen) um die El-tern weiterzuschulen beispielsweise mit Sprachkursen Dadurch sollen diese ihren

Kindern besser bei schulischen Aufgaben selbst helfen koumlnnen

Neben dem Gefuumlhl etwas Gutes zu tun sieht Spengler aber auch andere Vorteile fuumlr das Ehrenamt Gerade Lehramtsstu-denten koumlnnen sich hier ausprobieren und paumldagogische Konzepte umsetzen die sie aus der Theorie kennen Jeder koumlnne viel lernen erklaumlrt sie Man uumlbe hier nicht nur den Umgang mit Kindern und Jugendli-chen sondern lerne auch viel uumlber fremde Kulturen Sie selbst habe von ihren zwei Nachhilfeschuumllern bereits viel uumlber Feierta-ge und Sitten ihrer Kultur aber auch einzel-ne Vokabeln ihrer Sprache gelernt Und die Schuumller seien sehr interessiert an deutschen Gebraumluchen und Eigenarten

Fuumlr das ehrenamtliche Engagement hat SchuumllerNavi bereits Preise bekommen Bei der Initiative fuumlr Integration von bigFM be-legten sie den dritten Platz Das Preisgeld investierte die Gruppe unter anderem um mit ihren Schuumllern die Zooschule zu besu-chen In diesem Jahr erhaumllt SchuumllerNavi zu-dem den Campus-Kulturpreis des Campus Landau

bdquoMan redet immer uumlber Integration Von Menschen mit Migrationshintergrund wird erwartet sich hier zu integrieren Aber das liegt ja auch an uns Man muss sie auf die-sem Weg unterstuumltzenldquo erklaumlrt Doktorandin Spengler (rst)

Termine ImpressumHerausgeberReferat fuumlr Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit der Universitaumlt Koblenz-Landau Campus Landau Fortstraszlige 7 76829 Landau

RedaktionsteamKerstin Theilmann (ket) (verantw) Berend Barkela (bb) Wilfried Dorsch (wdo) Sebastian Kapp (kap) Daniel Schumacher (dan) Rosa Stecher (rst)

LayoutMedienzentrum Campus Landau Berend Barkela

FotosTitel Imago Fotoarena S 2 S 3 privat S 5 Imago Xinhua S 7 oben kanvag - Fotoliacom S 7 unten Medienzentrum Hiller S 9 Imago ITAR-TASS S 10 Imago Steinach S 11 Imago DeFodi S 13 Imago PPfotodesign S 15 JiSign - Fotoliacom S 17 Medienzentrum Hiller S 19 Medienzentrum Barkela S 20 Medienzentrum Hiller S 21 und 22 Daniel Schumacher

KontaktKerstin TheilmannTel 06341 280-32219 E-Mail theiluni-koblenz-landaude

Aus Gruumlnden der besseren Lesbarkeit verwenden wir in unseren Artikeln die maumlnnliche Form Damit sind stets Frauen und Maumlnner gemeint

Die Redaktion behaumllt sich die Kuumlrzung und Uumlberarbeitung von Texten vor Die Meinung einzelner AutorinnenAutoren gibt nicht immer die Meinung der Redaktion wieder

28101014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Florian Ostertag Atrium Infos unter wwwasta-landaude

05112014 ab 2130 Uhr Atriumsfete Infos unter wwwasta-landaude

06112014 20 Uhr Poetry Slam Landau Universum Kinocenter Infos unter wwwzkwuni-landaude

19112014 1930 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Friedensprojekt Europa in der Krise Mit Bundesministerin aD Heidemarie Wieczorek-Zeul und weiteren Gaumlsten Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

19112014 21 Uhr Konzert bdquoBeats und Pianoldquo Audimax Infos unter wwwasta-landaude

1122014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Unland Atrium Infos unter wwwasta-landaude

03122014 19 Uhr Hambacher Gespraumlch Meine Daten gehoumlren den Unternehmen Hambacher Schloss Infos unter wwwfliuni-landaude

05122014 1930 Uhr Reihe bdquoGroszlige Begegnungenldquo mit Sternekoch Alfons Schubeck Jugendstil-Festhalle Landau Infos unter wwwzkwuni-landaude

08122014 1900 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Frieden durch Demokratie Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

Ausblick 13 - 15012015 Poetik-Dozentur mit Rafik Schami Infos unter wwwzkwuni-landaude

Weitere Termine unter wwwuni-koblenz-landaudeaktuell wwwuni-koblenz-landaudeblog

Page 24: Neuland Ausgabe 3/2014

Termine ImpressumHerausgeberReferat fuumlr Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit der Universitaumlt Koblenz-Landau Campus Landau Fortstraszlige 7 76829 Landau

RedaktionsteamKerstin Theilmann (ket) (verantw) Berend Barkela (bb) Wilfried Dorsch (wdo) Sebastian Kapp (kap) Daniel Schumacher (dan) Rosa Stecher (rst)

LayoutMedienzentrum Campus Landau Berend Barkela

FotosTitel Imago Fotoarena S 2 S 3 privat S 5 Imago Xinhua S 7 oben kanvag - Fotoliacom S 7 unten Medienzentrum Hiller S 9 Imago ITAR-TASS S 10 Imago Steinach S 11 Imago DeFodi S 13 Imago PPfotodesign S 15 JiSign - Fotoliacom S 17 Medienzentrum Hiller S 19 Medienzentrum Barkela S 20 Medienzentrum Hiller S 21 und 22 Daniel Schumacher

KontaktKerstin TheilmannTel 06341 280-32219 E-Mail theiluni-koblenz-landaude

Aus Gruumlnden der besseren Lesbarkeit verwenden wir in unseren Artikeln die maumlnnliche Form Damit sind stets Frauen und Maumlnner gemeint

Die Redaktion behaumllt sich die Kuumlrzung und Uumlberarbeitung von Texten vor Die Meinung einzelner AutorinnenAutoren gibt nicht immer die Meinung der Redaktion wieder

28101014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Florian Ostertag Atrium Infos unter wwwasta-landaude

05112014 ab 2130 Uhr Atriumsfete Infos unter wwwasta-landaude

06112014 20 Uhr Poetry Slam Landau Universum Kinocenter Infos unter wwwzkwuni-landaude

19112014 1930 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Friedensprojekt Europa in der Krise Mit Bundesministerin aD Heidemarie Wieczorek-Zeul und weiteren Gaumlsten Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

19112014 21 Uhr Konzert bdquoBeats und Pianoldquo Audimax Infos unter wwwasta-landaude

1122014 20 Uhr Grauflaumlchenkultivierung mit Unland Atrium Infos unter wwwasta-landaude

03122014 19 Uhr Hambacher Gespraumlch Meine Daten gehoumlren den Unternehmen Hambacher Schloss Infos unter wwwfliuni-landaude

05122014 1930 Uhr Reihe bdquoGroszlige Begegnungenldquo mit Sternekoch Alfons Schubeck Jugendstil-Festhalle Landau Infos unter wwwzkwuni-landaude

08122014 1900 Uhr Landauer Akademiegespraumlch Frieden durch Demokratie Kulturzentrum Altes Kaufhaus Infos unter wwwfliuni-landaude

Ausblick 13 - 15012015 Poetik-Dozentur mit Rafik Schami Infos unter wwwzkwuni-landaude

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