New Bilder der Barbarei - SPIELKINDspiel-kind.com/wp-content/uploads/2013/06/DerSpiegel_BMK... ·...

7
42 der spiegel 37/2008 Bilder der Barbarei Am 25. September startet der Film von Bernd Eichinger und Uli Edel zum „Baader-Meinhof-Komplex“. Er lenkt den Blick auf die grausamen Taten und wird die Debatte über den deutschen Terrorismus verändern. Von Dirk Kurbjuweit Vinzenz Kiefer als Peter-Jürgen Boock (v.), Daniel Lommatzsch als Christian Klar Johanna Wokalek als Gudrun Ensslin Martina Gedeck als Ulrike Meinhof Moritz Bleibtreu als Andreas Baader Darsteller in „Der Baader-Meinhof-Komplex“: Ihr Zugang zu den Terroristen zeigt einen neuen Umgang mit der RAF Titel

Transcript of New Bilder der Barbarei - SPIELKINDspiel-kind.com/wp-content/uploads/2013/06/DerSpiegel_BMK... ·...

Page 1: New Bilder der Barbarei - SPIELKINDspiel-kind.com/wp-content/uploads/2013/06/DerSpiegel_BMK... · 2017. 8. 30. · 42 d e r s p i e g e l 3 7 / 2 0 0 8 Bilder der Barbarei A m 25.

42 d e r s p i e g e l 3 7 / 2 0 0 8

Bilder der BarbareiAm 25. September startet der Film von Bernd Eichinger und Uli Edel zum

„Baader-Meinhof-Komplex“. Er lenkt den Blick auf die grausamen Taten und wird dieDebatte über den deutschen Terrorismus verändern. Von Dirk Kurbjuweit

Vinzenz Kiefer als Peter-Jürgen Boock (v.), Daniel Lommatzsch als Christian KlarJohanna Wokalek als Gudrun Ensslin

Martina Gedeck als Ulrike Meinhof

Moritz Bleibtreu als Andreas Baader

Darsteller in „Der Baader-Meinhof-Komplex“: Ihr Zugang zu den Terroristen zeigt einen neuen Umgang mit der RAF

Titel

Page 2: New Bilder der Barbarei - SPIELKINDspiel-kind.com/wp-content/uploads/2013/06/DerSpiegel_BMK... · 2017. 8. 30. · 42 d e r s p i e g e l 3 7 / 2 0 0 8 Bilder der Barbarei A m 25.

Vor dem großen Töten sitzt VinzenzKiefer in einem Wohnwagen undbittet um Verzeihung. Es ist nie-

mand bei ihm, er führt ein stummes Ge-spräch mit sich selbst. Ohnehin gibt es nie-manden, an den er sich mit seiner Bittewenden könnte, weil er niemandem etwasantun wird. Er ist Schauspieler. Er spieltdas große Töten.

Gleich wird er Peter-Jürgen Boock sein,Mitglied der RAF. Er wird eine Heckler &Koch nehmen und sich an die Kreuzungstellen. Das ist sein Job, die Kreuzungdecken. Dann kommt der Konvoi vonHanns Martin Schleyer, und der Überfallbeginnt. Wenn die Terroristin, die den Kin-derwagen geschoben hat, in die Knie geht,weil sie nachladen will, marschiert Kieferlos und feuert, feuert, feuert. So steht es imDrehbuch, so hat er es geübt.

Im Wohnwagen geht er gedanklich seineSchrittfolge durch. Ihm ist nicht wohl, es ist alles so seltsam. Schleyer wurde in derVincenz-Statz-Straße entführt, und KiefersVorname ist Vinzenz. Und gleich wird erauf einen Menschen zielen, auf den Kame-ramann, der dicht vor ihm hergeht, hintereinem Schutzschild, weil auch eine Waffe,die mit Platzpatronen geladen ist, verletzenkann, durch das Mündungsfeuer, durch dieherausfliegenden Hülsen. Und dann ist erirgendwie dieser Boock, ein Mörder.

Kiefer will seine Sache gut machen. Erwill ein guter Mörder sein, aber er suchtnoch einen Satz, der ihm das erträglichmacht. „Was ich gleich empfinden werde,ist nur gespielt“, denkt Kiefer. Er bittetstumm um Verzeihung, dann geht er rausund mordet.

Vom 25. September an wird Vinzenz Kie-fer in den deutschen Kinos zu sehen sein.Dann startet der Film „Der Baader-Mein-hof-Komplex“, die Regie führt Uli Edel,Produzent und Autor des Drehbuchs istBernd Eichinger. Dem Film liegt das gleich-namige Buch von Stefan Aust, ehemalsChefredakteur des SPIEGEL, zugrunde.

Schon wieder Baader-Meinhof, schonwieder RAF? Schon wieder die Geschich-te von Andreas Baader, Gudrun Ensslinund Ulrike Meinhof, die entsetzt sind von der Bundesrepublik und dem Krieg in Vietnam und deshalb das Bomben anfan-gen, die ins Gefängnis kommen, weshalbeine zweite Generation von Terroristen einBlutbad anrichtet, um sie zu befreien? Tau-sendmal erzählt, tausendmal gedeutet.

Nichts wurde in der Geschichte der Bun-desrepublik so beleuchtet wie die RAF, einZeichen für die Ruhe in diesem Land. 33 Menschen wurden getötet, einfacheBürger und hohe Repräsentanten von Staatund Wirtschaft. Die Bundesregierung rea-gierte mit schärferen Gesetzen. Als imHerbst 1977 Arbeitgeberpräsident HannsMartin Schleyer und die Passagiermaschi-ne „Landshut“ entführt wurden, stand dieRegierung von Helmut Schmidt auf derKippe. Die „Landshut“ wurde befreit,

d e r s p i e g e l 3 7 / 2 0 0 8 43

FO

TO

S:

JÜR

GEN

OLC

ZYK

/ C

ON

STAN

TIN

FIL

M

Tatort der Schleyer-Entführung in Köln 1977

DPA

Page 3: New Bilder der Barbarei - SPIELKINDspiel-kind.com/wp-content/uploads/2013/06/DerSpiegel_BMK... · 2017. 8. 30. · 42 d e r s p i e g e l 3 7 / 2 0 0 8 Bilder der Barbarei A m 25.

Schleyer ermordet. Mit diesem Mord endetEichingers Film.

Will man es noch mal erzählt bekom-men? Ist nicht alles gesagt? Das ist dasWagnis, das Bernd Eichinger eingegangenist. Er muss etwas Neues zeigen, er mussdie ewige Debatte um die RAF neu ausrüs-ten, sonst ist da nur Langeweile.

Ein Kino in Hamburg, der Film beginnt.Er beginnt am Strand von Sylt, UlrikeMeinhof macht Urlaub mit ihrer Familie. Inden folgenden Minuten wird Benno Oh-nesorg von einem Polizisten erschossen,und Rudi Dutschke wird von einem rechts-radikalen Spinner angeschossen, und mankennt das alles. Noch zwei Stunden. Aber

dann passiert etwas mit diesem Film, undam Ende stellt sich das Gefühl ein, dass esein Gewinn war, ihn gesehen zu haben,nicht nur wegen der großartigen Darsteller.

Es ist die erste Garde der deutschenSchauspieler, und wegen dieses Films ha-ben sie in den vergangenen Monaten einenZugang zu den Terroristen finden müssen.Ihr Umgang mit der RAF wirft ein Lichtauf einen neuen Umgang mit der RAF ins-gesamt.

Moritz Bleibtreu, der mit seinen Figureneinen gemeinsamen emotionalen Nennerfinden muss, überwand seine Distanz, in-dem er in Andreas Baader auch einen Lie-

* Oben die historischen Bilder, unten die entsprechendenSzenen aus dem Film „Der Baader-Meinhof-Komplex“.

benden sah. Für Bleibtreu ist die Liebezwischen Baader und Ensslin eine roman-tische Liebe, da kann er sich reinfühlen, dahat er eine Tür zu Baader.

Johanna Wokalek saß in der Maske, unddas Make-up wurde probiert, und ihre Au-gen wurden dunkel geschminkt, wie es da-mals Mode war, und Eichinger rief: „Mehr,mehr!“, und ihre Augen wurden immerdunkler, und dann sah sie im Spiegel dieAugen der Gudrun Ensslin. Jeden Morgenbegann so ihr Einfühlen in die Rolle. „Eswar wie eine Kriegsbemalung“, sagt sie.

Martina Gedeck erlebte einen Moment,wo sie nicht mehr aus der Rolle der UlrikeMeinhof rauskam, wo sie, als die Kamera

nicht mehr lief, so argumentierte, wie dieMeinhof argumentiert hätte. Sie erschrak.

Nadja Uhl hat erst gar nicht versucht,Brigitte Mohnhaupt zu verkörpern. Sie er-schloss sich die Rolle, indem sie die Mör-derin in sich suchte und fand.

Alle vier haben sich ihren Figuren ausgroßer Ferne genähert. Sie kannten dieNamen, sie wussten ungefähr, was die RAFwar, aber dieses Kapitel deutscher Ge-schichte war ihnen, die damals Kinder wa-ren, nicht wichtig.

Uli Edel dagegen, der Regisseur, wurdevon Eichinger mit dem Satz gewonnen:„Den Film musst du machen, das ist unse-re Generation.“

Edel ist 61, er sitzt in einem Büro derConstantin in München, er trägt einen

Bart, eine Jeans und ein olivgrünes Hemd.Er ist ernst und von einer gewissen Schwe-re, ein Mann in einer Zwischenzeit, nachder Arbeit, vor den Kritiken.

In den sechziger Jahren war Edel auf ei-nem Jesuiteninternat, in dem „militärischeRichtlinien“ galten. Man bezog Prügel unddurfte nur dreimal im Jahr nach Hause.Edel rettete sich mit der Filmgruppe, diesich jeden zweiten Sonntag traf und amliebsten Western sah. „Wir waren einge-sperrt, und da war der weite Horizont“,sagt Edel. „Die Filme haben uns geholfenzu überleben.“

Er ging nach München und erlebte das,was später „68“ genannt wurde, eine „auf-

gewühlte Uniwelt“, einen Aufbruch, eineBefreiung. Er zog mit Leuten vom ultralin-ken Spartakus-Bund herum und schraubtean einem VW-Bus, der sie nach Indien brin-gen sollte. 1970 fuhr der Bus los, aber Edelsaß nicht drin. „Sonst wären meine Film-pläne in einer Haschwolke verraucht.“ Ander Filmhochschule traf er einen Mann, dereinen Karmann Ghia fuhr und nicht so ra-dikal links sein wollte wie Edel. Das warBernd Eichinger.

Edel besuchte Kurse zum „Kapital“ vonMarx. Er hat kein Wort verstanden, aberer fand, dass der Krieg der Amerikaner inVietnam eine Schweinerei war, er litt anden Ungerechtigkeiten der Welt, und inDeutschland sah er noch immer einige Nazis am Werk. Uli Edel war absolut

44 d e r s p i e g e l 3 7 / 2 0 0 8

Titel

Todesopfer Ohnesorg 1967*

Etwas passiert mit diesem FilmAngeklagte Baader, Ensslin 1968

Romantische LiebeRedner Dutschke 1968

Es drängen sich zornige Studenten

BER

NAR

D L

AR

SS

ON

/ B

PK

(L.)

; K

LAU

S L

EH

NAR

ZT (

R.)

ULLS

TEIN

BIL

D

JÜR

GEN

OLC

ZYK

/ C

ON

STAN

TIN

FIL

M (

L./

R.)

JÜR

GEN

OLC

ZYK

/ C

ON

STAN

TIN

FIL

M

Page 4: New Bilder der Barbarei - SPIELKINDspiel-kind.com/wp-content/uploads/2013/06/DerSpiegel_BMK... · 2017. 8. 30. · 42 d e r s p i e g e l 3 7 / 2 0 0 8 Bilder der Barbarei A m 25.

dafür, dass man das alles ändert. „Natür-lich waren wir Revolutionsromantiker“,sagt er.

Er las die Kolumnen von Ulrike Meinhofin der Zeitschrift „konkret“. Da stand das,was er auch gedacht hat, nur besser for-muliert. Dann, 1970, sah er ihr Gesicht aufFahndungsplakaten. Sie hatte mitgeholfen,Andreas Baader aus der Haft zu befreien,und war in den Untergrund gegangen. „Dalassen sich welche was nicht gefallen“,dachte Uli Edel.

Als im folgenden Jahr die Terroristin Pe-tra Schelm erschossen wurde, nachdem sieauf einen Polizisten gefeuert hatte, sagtesich Edel: „Vielleicht ist der Staat doch fa-

schistisch.“ Aber dann kam 1972 die soge-nannte Mai-Offensive der RAF, an sechsOrten gingen Bomben hoch, vier Men-schen wurden getötet, 74 verletzt, und dahat die RAF das Verständnis von Uli Edelverloren. „Bomben legen“, dachte er, „hatso etwas Feiges, Hinterhältiges.“

Das Jahr 1977, als die zweite Generationder RAF in Deutschland wütete, um Baa-der, Ensslin und andere aus dem Gefängniszu holen, empfand Edel „als ganz grauen-hafte Zeit, deprimierend“.

Mit diesem Leben im Rücken ging erseinen Film an, noch immer ein Linker,noch immer mit den alten Spartakus-Freunden verbunden, aber frei von jederRevolutionsromantik. Er wollte einen Filmmachen über das, was wirklich war.

Es gibt einige Spielfilme zum deutschenTerrorismus, „Die Stille nach dem Schuss“von Volker Schlöndorff, „Die Innere Si-cherheit“ von Christian Petzold oder „Baa-der“ von Christopher Roth. All diese Filmeschauen mit einer gewissen Sympathie aufihre Protagonisten. Bei Schlöndorff undPetzold sind sie nicht so sehr Täter, son-dern Leidende. Roths Baader ist ein coolerHund, schick.

Diese Filme, als Kunstwerke in sichdurchaus gelungen, haben den Diskurs derLinken gestützt, sie schaffen erträglicheBilder für ein unerträgliches Geschehen. Esist ein Diskurs, der gern das Monströse derTaten ausblendet und über die Beweg-

gründe der Täter räsoniert. Eine Ikone die-ses Diskurses ist Ulrike Meinhof, einst einebürgerliche Intellektuelle, in deren Gesell-schaftskritik sich Intellektuelle gern wie-derfinden, da ihr unterstellt wird, sie habeeine Rückkehr des Nazismus in Deutsch-land verhindern wollen.

Zuletzt hat ihr Carolin Emcke, Journalis-tin und ehemalige SPIEGEL-Redakteurin,in ihrem Buch „Stumme Gewalt – Nach-

denken über die RAF“ bescheinigt, dass sie„eine moralische Herausforderung“ war und„die Frage der Dissidenz eine ethische“. Ineiner Hinsicht, „der Bezugnahme auf dieShoah, war und blieb sie auch mir nah“.

Sympathien für die Meinhof haben sichoft auf die RAF insgesamt übertragen, ha-ben Verständnis gefördert. Vor allem übersie wurde aus einer Bande von Verbre-chern ein Mythos für das Linksbürgertum.

Es war die große Frage, wie Eichingerund Edel in diesen Diskurs eingreifen wür-den. Die erste wichtige Entscheidung trafEichinger. Er wollte einen realistischenFilm, keine künstlerische Dramaturgie, kei-nen Versuch, einen eigenen Spannungs-

bogen zu schaffen, keinen Versuch, Iden-tifikationsfiguren zu erfinden wie beiSchlöndorff oder Petzold, irgendwie netteTerroristen. Eichinger will die Personenzeigen, wie sie wahrscheinlich waren, undreiht die Ereignisse schlicht aneinander. Er schafft weniger ein Kunst- als ein Ge-schichtswerk. Illustrierte Geschichte.

Schon der Dreh wird so realistisch, dasses Uli Edel manchmal nicht aushaltenkann. Er steht im Audimax der TU Berlin,es drängen sich die zornigen Studenten,und Rudi Dutschke redet, und rote Plaka-te prangern den Krieg in Vietnam an, undEdel kann nicht mehr. Er muss raus, derAssistent übernimmt.

Edel hat nah am Wasser gebaut, und erkann nicht mehr, als Benno Ohnesorg vor

d e r s p i e g e l 3 7 / 2 0 0 8 45

Bislang gibt essehr viele Wortezur RAF, aber noch nicht die wichtigsten Bilder.

Entführter Schleyer 1977

Kein Stoff für einen MythosZellentrakt des RAF-Prozessgebäudes

Illustrierte GeschichteToter Baader 1977

Sehr viel Schmerz in krassen Bildern

SPIE

GEL T

V (

L.)

; G

AM

MA /

STU

DIO

X (

R.)

JÜR

GEN

OLC

ZYK

/ C

ON

STAN

TIN

FIL

M (

L./

R.)

JÜR

GEN

OLC

ZYK

/ C

ON

STAN

TIN

FIL

M

Page 5: New Bilder der Barbarei - SPIELKINDspiel-kind.com/wp-content/uploads/2013/06/DerSpiegel_BMK... · 2017. 8. 30. · 42 d e r s p i e g e l 3 7 / 2 0 0 8 Bilder der Barbarei A m 25.

der Deutschen Oper in Berlin in seinemBlut liegt, erschossen von einem Polizistenbei einer Demonstration gegen den Schahvon Persien am 2. Juni 1967. Der Assistentübernimmt.

Der Film erzählt all diese Ereignisse, erbebildert die Gründe, warum man damalszornig gewesen sein kann, die gleichenGründe, warum Uli Edel zornig gewesenist. Und wie in Edels Leben findet auch inseinem Film Ulrike Meinhof die deutlichs-ten Worte dafür. Er nennt sie in einemdreistündigen Gespräch immer nur „dieUlrike“. Zunächst dominiert sie diesenFilm, und das liegt auch an einer großarti-gen Leistung von Martina Gedeck.

Das Café Bazar in Salzburg ist ein Café,wie es sein muss. Helles Holz, Kronleuch-ter, ein Ständer mit einem großen Straußvon Zeitungen, die in Holzleisten ge-klemmt sind. Stille, nur manchmal fauchtdie Espressomaschine. Es stört allein diegroße Uhr, die daran erinnert, dass dieZeit, die man in diesem Café verbringenkann, nicht endlos ist. Sie zeigt 13.38 Uhr,als Martina Gedeck das Café betritt. Ho-senanzug, Spitzenbluse, Sommersprossen.

Sie sieht überhaupt nicht aus wie Ulri-ke Meinhof, Martina Gedecks Gesicht istschmaler, spitzer, aber im Kino hat mannie Zweifel, dass die Gedeck die Mein-hof ist.

Es gibt unendlich viel Material über Ul-rike Meinhof: Filme, Tonbänder, Biogra-fien, Texte. Es gibt ein ziemlich klares Bildvon dieser Frau, und Martina Gedeck hatschnell entschieden, dass sie diesem Bildnicht entkommen kann, nicht entkommenwill. „Ich wollte sie möglichst wenig inter-pretieren, sondern verkörpern“, sagt sie.„Ich habe mich mit ihr sehr verbunden.“

Martina Gedeck guckt die Filme, hörtdie Tönbänder, liest die Biografien, beidenen ihr auffällt, wie positiv sie UlrikeMeinhof schildern, und liest die Texte, diesie geschrieben hat, in „konkret“, später inKassibern aus dem Gefängnis.

Sie kann den Zorn der frühen Meinhofnachvollziehen, ihr gefällt dieser Wort-kampf für Gerechtigkeit, aber in den Fern-sehbildern sieht sie eine sanfte, freundlicheFrau, die sich entschuldigt, wenn sie ande-ren ins Wort fällt, und dazu findet MartinaGedeck nicht leicht Zugang.

An die spätere Meinhof, deren „Kratz-bürstigkeit“, deren Härte, daran kann siebesser anknüpfen.

Weil sie selbst so ist?Sie lacht.

Aber an der späteren Meinhof gefallenihr die Worte nicht mehr, der Hass, die Ge-walt. „Ich konnte ihren Gedanken nichtmehr folgen, es war erschreckend, wie ab-gekapselt das war, fern von jeder Realität.“Es fällt ihr schwer, diese Texte zu lernen: dasGrauen in verrenkten Sätzen. So pendeltMartina Gedeck zwischen Nähe und Fernezu dieser Person, zwischen Verständnis undErschrecken. Aber als Schauspielerin nimmtsie die ganze Meinhof an, und das Wichtigs-te werden dabei die Tonbänder. „Über dieStimme habe ich sie reingeholt zu mir.“

In den Szenen mit Ulrike Meinhof be-wegt sich der Film in der Tradition vonSchlöndorff und Petzold. Er zeigt das Leideiner Täterin, die Isolation im Gefängnis inKöln, den Krieg gegen Gudrun Ensslin imGefängnis von Stammheim, eine zuneh-mend einsame und verzweifelte Meinhof,eine zerstörte Frau.

Die Uhr im Café Bazar zeigt 15.42 Uhr,als das Gespräch zum Ende kommt. Mar-tina Gedeck will aufstehen, aber dann fälltihr noch etwas ein. Sie erzählt von dendrei Drehtagen in Stammheim, vom Pro-zess gegen Baader, Ensslin, Raspe undMeinhof, der in der Mehrzweckhalle desGefängnisses abgehalten wurde. Dort wirdauch gedreht.

Die Halle ist voll mit Zuschauern, davorn sind die Richter, die Staatsanwälte,und Martina Gedeck sitzt auf dem Platz,auf dem Ulrike Meinhof gesessen hat, undin einer Drehpause fängt sie an, UlrikeMeinhof gegenüber Bernd Eichinger inSchutz zu nehmen. Sie sieht plötzlich einOpfer in ihr. „Hör auf, Martina, du bist inder Rolle“, knurrt Eichinger. Aber siekommt da nicht raus, argumentiert weiter,bis Eichinger das Gespräch abbricht.

Er habe recht gehabt, sagt sie im CaféBazar und tupft mit einem Finger Milch-schaum aus ihrer Tasse.

Martina Gedeck hat sich gefragt, wie ihrdas passieren konnte, und sie kam auf ihreSchulzeit. Da hätten die Älteren mal einenAufstand gemacht, nieder mit den eta-blierten Mächten, warum überhaupt nocheine Klassenarbeit schreiben, weg mit demKapitalismus und so weiter. Sie habe daein Gedankengut aufgenommen, das viel-leicht in Stammheim neu belebt wurde,ein Gedankengut, das mit einer einfachenLogik arbeite. Wenn A dann B dann C,und dann ist irgendwann auch Gewalt okayund der Gewalttäter ein Opfer.

Es liege eine Verführung darin, sagtMartina Gedeck, die auch sagt, dass sieGewalt vollkommen ablehnt.

Wenn man den Film sieht, kann maneine Zeitlang das Gefühl haben, dass erdieser Verführung erliegen könnte. Dochdann tritt Nadja Uhl auf. Sie ist BrigitteMohnhaupt, sie hat ihre Strafe abgesessen

und verlässt Anfang 1977 das Gefängnis inStammheim, wo sie ein halbes Jahr täglichvier Stunden mit Baader und Ensslin zu-sammen war. Nun beginnt „Big Raushole“.

Nadja Uhl sitzt auf einem Sofa im „Va-rieté Walhalla“ in Potsdam und bedanktsich wortreich, dass man gekommen ist,und entschuldigt sich für alles Mögliche,zum Beispiel, dass der Raum, ein Restau-rant, leer ist, eine Renovierung.

Kaffee? Wasser? Was anderes? Ein Tischwird herbeigeschleppt und unter einenKronleuchter gestellt, Kaffee, Cola, eineKerze, ihre Augen, warm, sprechend.

Ihr Lebensgefährte setzt sich dazu, erleitet ein Projekt, das jugendlichen Straf-tätern ins normale Leben helfen soll. Siehaben dieses Restaurant renoviert, Steinegeklopft, hart gearbeitet, Zuspruch be-kommen. Nadja Uhl macht da mit.

In ihrer Nähe ist man sofort umfangenvom Guten, Lieben. Es ist ein weiterSprung von Nadja Uhl unter dem Kron-

46 d e r s p i e g e l 3 7 / 2 0 0 8

Partner Edel, Eichinger: „Den Film musst du machen, das ist unsere Generation“

Titel

Mit Nadja Uhl hältdas schiere TötenEinzug, der Blut-rausch, von Begrün-dungen entkoppelt.

CO

NS

TAN

TIN

FIL

M

Page 6: New Bilder der Barbarei - SPIELKINDspiel-kind.com/wp-content/uploads/2013/06/DerSpiegel_BMK... · 2017. 8. 30. · 42 d e r s p i e g e l 3 7 / 2 0 0 8 Bilder der Barbarei A m 25.

leuchter bis zur Brigitte Mohnhaupt desFilms, aber sie hat ihn geschafft. Wie?

Sie trifft eine andere Entscheidung alsMartina Gedeck. Nadja Uhl will das Lebenvon Brigitte Mohnhaupt nicht in seinerGanzheit ergründen, will nicht nach Wor-ten und Ideen schauen. Sie kümmert sichum das, was sie für wesentlich hält an die-ser Frau: die Taten. „Ich muss versuchen,das Töten zu verstehen“, hat sie sich gesagt.

Ihr ist bange. Liebe, Pazifismus, das sinddie Prinzipien ihres Lebens. Nun soll siedas Gegenteil davon in sich finden. „Wirreden von Menschen, die aus tiefsterÜberzeugung handeln, dafür Morde be-gehen und sie legitimieren“, sagt sie. „Daszu erkunden ist eine Art Grenzgänger-tum.“ Sie fragt sich, wie sie ein Gleichge-wicht finden kann, wenn sie nun „diesezerstörerische Kraft“ in sich aufnimmt.Die Antwort ist ihr Kind. Sie ist gerade

Mutter geworden, es geht ihr gut. Sienimmt die Rolle an.

Nadja Uhl erinnert sich an ein Buch, dassie mal gelesen hat: „Täter“ von dem So-zialpsychologen Harald Welzer. Es gehtviel um die Täter von Holocaust und Welt-krieg, aber es sind kaum Frauen dabei.Nadja Uhl will in dieser Rolle ganz Fraubleiben, weiblich sein. Sie denkt an dieGeburt, „diesen martialischen Moment desLebengebens“. Vielleicht könne sie mit„derselben Kraft auch Leben nehmen“.

Marianne Bachmeier, die Frau, die denMörder ihres Kindes erschoss, ist der nächs-te Schlüssel zu ihrer Rolle. Das ist eine Be-gründung für das Töten, die Uhl nachvollzie-hen kann. So hat sie das Töten in sich gefun-den, und dann hat sie es von der Begrün-dung gelöst, nur noch den Willen und dieKraft zum Töten mit in die Rolle genommen.

* Gespielt von Nadja Uhl, Moritz Bleibtreu, JohannaWokalek.

Bald steht sie im Wohnzimmer JürgenPontos, und sie schießt ihm aus kurzer Di-stanz in den Kopf, und ihre Augen sind sokalt, und abends füttert sie ihr Baby. Es ist nicht ganz leicht, das Gleichgewicht zufinden, aber es geht schon, und dann ver-pflichtet sie die ganze Bande darauf, beimÜberfall auf Schleyer niemanden zu scho-nen, auch den unbewaffneten Fahrer nicht,und so kommt der Film langsam in eineBalance. Mit Nadja Uhl hält das schiereTöten Einzug, der Blutrausch, der sich vonden Begründungen entkoppelt.

Das Gespräch im „Varieté Walhalla“ istzu Ende, ihr Lebensgefährte ist längst weg.Sie entschuldigt sich noch einmal für Un-annehmlichkeiten, die es gar nicht gegebenhat, und dann stellt sie fest, dass die Tür zurStraße abgeschlossen ist. Kein Problem, esgibt eine Seitentür, aber die ist auch abge-schlossen. Eingesperrt mit Nadja Uhl.

Sie lächelt, sie kann sehr schön lächeln.Im nächsten Moment wird ihr Gesicht hart,und sie duckt sich zur Attacke. „Sie wollendie Mohnhaupt, Sie kriegen die Mohn-haupt“, faucht sie, und der Wille zum Tö-ten steht stumpf in ihren Augen. Sie lächeltwieder, es findet sich eine dritte Tür, unddie ist offen.

Nadja Uhls Umgang mit der Figur Bri-gitte Mohnhaupt, das Weglassen einer bio-grafischen Recherche, die Konzentrationdarauf, das Töten in ihr Gesicht zu kriegen,ist ein Meilenstein für den deutschen Um-gang mit der RAF. Bislang wählten Künst-ler und Intellektuelle eher den Ansatz vonMartina Gedeck, das Hineindenken, Hin-einfühlen in eine spannende Person, diesich gegen die unterstellte Fürchterlichkeitder Verhältnisse stemmt. Viele sind derVerführung erlegen.

Aber das Killen der Mohnhaupt ist auchein Ergebnis des Denkens der Meinhof. AmEnde steht die Barbarei, und vom Ende ge-

sehen ist Ulrike Meinhof eine Textlieferantinfür die Barbarei (überdies hat sie selbst einenAnschlag auf den Springer-Verlag organi-siert). Erst aus Gedecks Meinhof und UhlsMohnhaupt wird die ganze Geschichte.

Bislang gibt es sehr viele Worte zur RAF,aber noch nicht die wichtigsten Bilder, unddas sind die Bilder von den Taten. Hiersetzt Bernd Eichinger an. „Die Menschenzeigen sich über die Tat, die sie tun“, sagter. „Entscheidend ist, dass sie es tun, nicht,warum sie es tun.“ Und so hat er vor allemeinen Film über Taten gemacht.

Demnächst werden die Deutschen se-hen können, wie ein Motorrad neben demAuto des Generalbundesanwalts SiegfriedBuback hält, und der Sozius metzelt alleInsassen nieder. Der Fahrer fällt heraus,aber das Auto rollt weiter, eine Geister-fahrt mit einem Sterbenden und einemSchwerverletzten.

Die Deutschen werden sehen, wie esgewesen sein könnte, als Jürgen Ponto,Chef der Dresdner Bank, ermordet wurde.Sie werden sehen, wie es gewesen seinkönnte, als Schleyer entführt wurde. Siewerden sehr viel Blut sehen, sehr vielSchmerz in krassen Bildern.

Bei der Rekonstruktion des Überfallsauf Schleyers Konvoi wird klar, dass dieTäter aus nächster Nähe geschossen ha-ben. Edel kann das so nicht drehen, weildie Mündungsfeuer und die herumfliegen-den Hülsen der Platzpatronen die Männerin den Autos, die Opfer, verletzen könnten.

Er könnte die Distanz vergrößern, dieMörder einen Schritt zurückschicken, aberdann wäre die Tat nicht die Tat, die ge-meint ist. Er könnte nur aus Sicht der Mör-der filmen, dann sieht das Publikum nicht,wie weit entfernt sie stehen. Aber das willer nicht.

Edel weiß ohnehin, was man seinemFilm vorwerfen wird. Es ist wieder eine

d e r s p i e g e l 3 7 / 2 0 0 8 47

Filmfiguren Mohnhaupt, Baader, Ensslin*: Es ist wieder eine Geschichte der Täter, nicht der Opfer

JÜR

GEN

OLC

ZYK

/ C

ON

STAN

TIN

FIL

M (

L./

R.)

Page 7: New Bilder der Barbarei - SPIELKINDspiel-kind.com/wp-content/uploads/2013/06/DerSpiegel_BMK... · 2017. 8. 30. · 42 d e r s p i e g e l 3 7 / 2 0 0 8 Bilder der Barbarei A m 25.

Geschichte der Täter, nicht der Opfer. Dasist generell ein Problem bei der Aufarbei-tung des Baader-Meinhof-Komplexes. DasFaszinosum liegt bei den Tätern, ihremWeg zur Tat und ihrem Sein nach der Tat.Dabei wird oft vergessen, dass zum Tötenein Sterben gehört. Die Opfer sind nicht sointeressant, weil sie aus normalen Lebenherausgerissen wurden. Und das Leid derToten ist nicht bekannt.

Deshalb will Edel wenigstens die Ge-schichte des Mordens aus Sicht der Opfererzählen. „Ich bin mit der Kamera bei denOpfern im Auto“, wenigstens das.“ Er lässtdie Kamera im Auto festzurren, schickt dieDarsteller der Opfer raus und filmt denAngriff aus ihrer Sicht. Dann setzt er sierein und filmt ihr Sterben, die 12, 20, 50Einschläge in den Körper. Am Computerwird später alles zusammengefügt.

So entstehen Bilder, die gefehlt haben.Heinrich Breloer hat den Überfall imDoku-Drama „Todesspiel“ auch gezeigt,aber eben aus größerer Distanz, mit Scho-nung für den Betrachter und ohne die Mor-de an Buback und Ponto. Diese Schonunggibt es im „Baader-Meinhof-Komplex“nicht, im hinteren Teil ist der Film vor allemGemetzel, und das ist ein Verdienst.

Erst mit diesem Film hat die Debatteüber die RAF eine ausreichende Grund-lage. Es war immer klar, dass es diese Ge-metzel gegeben hat, aber es war ins Reichder Vorstellung verwiesen, und da konntesich ein jeder nach Gutdünken beschum-meln, bis hin zum Ausklammern.

Die Bilder aus dem Kulturbetrieb zurRAF, das ist bislang Gerhard Richters Zyklus „18. Oktober 1977“, der sich vorallem mit dem Tod der Täter befasst unddamit zum Mythos beiträgt, wenn auchwomöglich ungewollt. Daneben stehennun Edels Bilder von den Überfällen, undsie sollten die Gewichte der Debatte ver-schieben, weg von den Absichten undWorten der Täter, hin zu den Taten. Dennam Ende ist die RAF nichts anderes als „Selbstfaszination durch die Selbst-ermächtigung zur Gewalttat“, wie das JanPhilipp Reemtsma in seinem neuen Buch„Vertrauen und Gewalt“ ausdrückt. KeinStoff für einen Mythos, wenn man nochbei Trost ist.

Martina Gedeck, die bei ihrer Arbeit Ul-rike Meinhof sehr nahe war, kommt an-ders aus diesem Film heraus, als sie hin-eingegangen ist. Aber es ist nicht Nähe zurMeinhof geblieben, sondern mehr Näheentstanden zu dem Staat, den Ulrike Mein-hof wegbomben wollte. Sie findet, dass sieletzten Endes in „paradiesischen Zustän-den“ lebt und meint vor allem einen funk-tionierenden Rechtsstaat.

Martina Gedeck, die ganz wunderbarUlrike Meinhof sein kann, denkt jetzt, dasssie eigentlich etwas tun müsste, damit die-se Zustände erhalten bleiben. „Ich sehemich stärker als Bürgerin dieses Staates“,sagt sie.

Die Nachricht von der EntführungHanns Martin Schleyers erreichteHelmut Schmidt mitten in einer Be-

sprechung, ungefähr eine halbe Stundenach der Tat. Sofort eilten sein Kanzler-amtsminister Hans-Jürgen Wischnewskiund Justizminister Hans-Jochen Vogel indie Vincenz-Statz-Straße in Köln, wo sichihnen ein „grauenhafter Anblick“ (Vogel)bot: Die mit Planen abgedeckten Leichender drei Leibwächter und des Fahrers lagenauf der Straße und dem Bürgersteig. Dort,wo die Opfer starben. Dazwischen derKinderwagen, den die Mörder auf dieFahrbahn gerollt hatten, um den WagenSchleyers zu stoppen.

Noch am selben Abend telefonierte einsichtlich mitgenommener Kanzler mit Hel-mut Kohl, dem Oppositionsführer der CDU.Der weilte gerade in West-Berlin. BeideMänner verabredeten sich für den nächstenTag, den 6. September 1977, in Bonn.

In dem Vier-Augen-Gespräch war dannviel von Taktik die Rede, denn inzwischenhatten die Terroristen gefordert, elf „Ge-fangene aus der RAF“ auf freien Fuß zusetzen und in „ein Land ihrer Wahl“ reisenzu lassen, jeden mit 100000 Mark versorgt.Schmidt plädierte für Zeitgewinn. KeinAustausch, harte Linie. Kohl war einver-standen. Es ging ums große Ganze, um die „Gemeinsamkeit der Demokraten“(Schmidt), um eine einheitlich starke Frontgegen die RAF.

Viereinhalb Stunden später war es offi-ziell: Kurz vor Mitternacht traf sich im

Kanzleramt das erste Mal der parteiüber-greifende „Große Politische Beratungs-kreis“, vulgo „Großer Krisenstab“ – einGremium, das die bundesdeutsche Verfas-sung nicht kennt und über dem bis heuteein Schleier der Geheimhaltung liegt.

Über 43 Tage hinweg, bis zum Auffindender Leiche Schleyers, wurden hier die we-sentlichen Entscheidungen getroffen: keinAustausch, keine Geldübergabe, auchnicht, als ein arabisches Terrorkommandodie Lufthansa-Maschine „Landshut“ mit91 Menschen an Bord kaperte, um den For-derungen der Schleyer-Entführer Nach-druck zu verleihen.

Doch was in der Runde beredet wurde,ist weiterhin Verschlusssache. Und wenn esnach dem Willen der Mächtigen in diesemLand geht, soll das auch so bleiben. Denndas einzige Exemplar des Protokolls – einReferatsleiter hat es gefertigt, entgegen al-ler Gepflogenheit wurde es den Beteiligtennicht zum Gegenlesen vorgelegt – befindetsich noch heute im Kanzleramt, geheimwie eh und je. Eine Freigabe sei „nichtmöglich“, erklärt Amtschef Thomas deMaizière.

Nur die Grundzüge sind bekannt: DiePartei- und Fraktionsvorsitzenden warenversammelt, auch die Ministerpräsidentenjener vier Bundesländer, in deren Gefäng-nissen jene RAF-Terroristen einsaßen, diefreigepresst werden sollten. Hier hatten zu-dem Schmidts engste Berater eine Stim-me. Sie waren zugleich Mitglieder des an-deren, in der Verfassung ebenfalls nicht

48 d e r s p i e g e l 3 7 / 2 0 0 8

„Massive Gegendrohung“Während der Entführung Schleyers 1977 regierten Krisenstäbe

die Republik. Der SPIEGEL hat die geheimen Abläufe rekonstruiert: Es ging auch um die Todesstrafe für RAF-Terroristen.

Entführte Lufthansa-Maschine „Landshut“ (in Dubai, 1977): Situation dramatisch zugespitzt

NO

RD

ISK

/ P

ICTU

RE-A

LLIA

NC

E /

DPA

Titel