New Crossen an der Oder als Teil der Mark Brandenburg...

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1. Die Eingliederung Crossens in die Neumark Gegen Ende des 15. Jahrhunderts kam es in Crossen zum Machtwechsel. Von nun an bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts war die Dynastie der Hohenzollern Herrscher über dieses Gebiet. Einer von ihnen war am Anfang des 16. Jahrhunderts der Kurfürst Joachim I., der in seinem Testament die Teilung seines Landbesitzes zwischen seinen beiden Söhnen festlegte. So kam es nach seinem Tode im Jahr 1535 dazu, dass der Herrscher über die Neu- mark, zu der nun auch Sternberg, Crossen, Züllichau, Sommerfeld und Cottbus gehörten, der Markgraf Johann wurde. Als Hauptstadt seines Territoriums wählte er Küstrin. 48 Aus der Chronik von Matthias geht hervor, dass die Stadt Crossen den beiden Söhnen Joachims I. im Jahr 1536 huldigte, wofür sie die Bestätigung ihrer Privilegien bekam. 49 Nach den langjährigen Kriegen und Konflikten begann nun endlich eine fried- lichere Zeit nicht nur in Crossen, sondern in ganz Brandenburg. Der Geist der Renaissance breitete sich in diesem Teil Europas aus, was durch die von Gutenberg gemachte Erfindung des Buchdrucks wesentlich beschleunigt wurde. Das geschriebene Wort war damit zugänglicher geworden. Dies löste ein Bedür- fnis nach Wissen und Bildung nicht nur beim Adel, sondern auch beim Bürgertum aus. Die Stelle der Kurpfuscher nahmen immer häufiger studierte Mediziner ein. Besonderen Einfluss darauf hatte die Gründung der Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) im Jahr 1506, an der unter anderem das Medi- zinstudium angeboten wurde. Theologie und Jura spielten zwar immer noch die Hauptrolle, großen Wert legte man aber auch auf die so genannten Freien Künste, zu denen Philosophie, Rhetorik und Poetik gehörten. Die von Martin Luther 1517 initiierte Reformation der katholischen Kirche gab Anlass zur Abrechnung mit Amtsmissbräuchen der kirchlichen Amtsträger. In kleinen Städten nahm diese Bewegung oft die Form brutaler Zerstörungen von Kirchenausstattungen, nicht selten auch von Kunstwerken, an. Die katho- lischen Priester, sobald sie sich der neuen Lehre nicht anschließen wollten, wurden vertrieben, an ihre Stelle kamen neue Prediger, die als Anhänger von Luther seine Thesen ver- breiteten. In der Wirtschaft ließ sich eine günstige Konjunkturentwicklung beobachten, die einen überregionalen Charakter trug und eine Belebung des gesellschaftlichen Lebens mit sich brachte. Diese Situation haben die brandenburgischen Herrscher ausgenutzt und durch kluges Regieren mehrere Reformen und Rechtsregelungen eingeführt, die zur Stabili- sierung des Staates und zur Steigerung der Produktion und des Handels beitrugen. Es ist heute schwer eindeutig zu beurteilen, wie die Bewohner von Crossen den Macht- wechsel und die Eingliederung in Brandenburg wahrgenommen haben. Eine-rseits findet man in den Geschichtsbüchern Berichte über den Crossen an der Oder als Teil der Mark Brandenburg (1482–1701) Die Mode der deutschen Renaissance um 1514 Przyk³ad strojów w epoce niemieckiego Renesansu, ok.1514 roku

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  • 1. Die Eingliederung Crossens in die Neumark

    Gegen Ende des 15. Jahrhunderts kam es inCrossen zum Machtwechsel. Von nun an biszum Beginn des 20. Jahrhunderts war dieDynastie der Hohenzollern Herrscher überdieses Gebiet. Einer von ihnen war am Anfangdes 16. Jahrhunderts der Kurfürst Joachim I.,der in seinem Testament die Teilung seinesLandbesitzes zwischen seinen beiden Söhnenfestlegte. So kam es nach seinem Tode im Jahr1535 dazu, dass der Herrscher über die Neu-mark, zu der nun auch Sternberg, Crossen,Züllichau, Sommerfeld und Cottbus gehörten,der Markgraf Johann wurde. Als Hauptstadtseines Territoriums wählte er Küstrin.48 Ausder Chronik von Matthias geht hervor, dass dieStadt Crossen den beiden Söhnen Joachims I.im Jahr 1536 huldigte, wofür sie dieBestätigung ihrer Privilegien bekam.49

    Nach den langjährigen Kriegen undKonflikten begann nun endlich eine fried-lichere Zeit nicht nur in Crossen, sondern inganz Brandenburg. Der Geist der Renaissancebreitete sich in diesem Teil Europas aus, wasdurch die von Gutenberg gemachte Erfindung

    des Buchdrucks wesentlich beschleunigtwurde. Das geschriebene Wort war damitzugänglicher geworden. Dies löste ein Bedür-fnis nach Wissen und Bildung nicht nur beimAdel, sondern auch beim Bürgertum aus. DieStelle der Kurpfuscher nahmen immerhäufiger studierte Mediziner ein. BesonderenEinfluss darauf hatte die Gründung derUniversität Viadrina in Frankfurt (Oder) imJahr 1506, an der unter anderem das Medi-zinstudium angeboten wurde. Theologie undJura spielten zwar immer noch die Hauptrolle,großen Wert legte man aber auch auf die sogenannten Freien Künste, zu denenPhilosophie, Rhetorik und Poetik gehörten.

    Die von Martin Luther 1517 initiierteReformation der katholischen Kirche gabAnlass zur Abrechnung mit Amtsmissbräuchender kirchlichen Amtsträger. In kleinen Städtennahm diese Bewegung oft die Form brutalerZerstörungen von Kirchenausstattungen, nichtselten auch von Kunstwerken, an. Die katho-lischen Priester, sobald sie sich der neuen Lehrenicht anschließen wollten, wurden vertrieben,an ihre Stelle kamen neue Prediger, die alsAnhänger von Luther seine Thesen ver-breiteten.

    In der Wirtschaft ließ sich eine günstigeKonjunkturentwicklung beobachten, die einenüberregionalen Charakter trug und eineBelebung des gesellschaftlichen Lebens mitsich brachte. Diese Situation haben diebrandenburgischen Herrscher ausgenutzt unddurch kluges Regieren mehrere Reformen undRechtsregelungen eingeführt, die zur Stabili-sierung des Staates und zur Steigerung derProduktion und des Handels beitrugen.

    Es ist heute schwer eindeutig zu beurteilen,wie die Bewohner von Crossen den Macht-wechsel und die Eingliederung in Brandenburgwahrgenommen haben. Eine-rseits findet manin den Geschichtsbüchern Berichte über den

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    Crossen an der Oder als Teil derMark Brandenburg (1482–1701)

    Die Mode der deutschen

    Renaissance um1514

    Przyk³ad strojów w epoce

    niemieckiegoRenesansu,

    ok.1514 roku

  • Jubel des Bürgertums. In mehreren Städtenwurden für den Kurfürsten am 13. Oktober1482 große Dankesfeste abgehalten, in denKirchen soll ein feierliches Tedeum anges-timmt worden sein.50 Von solchem Festeerfahren wir in Crossen nichts. Das kann damitzusammenhängen, dass die Stadt am 27. Julides gleichen Jahres von einem großen Feuererfasst wurde und in großen Teilen nieder-brannte. Als fünf Jahr später Kurfürst JohannCicero eine allgemeine Bierziese einführte,erhoben die Crossener, deren Hauptnahrung-szweig die Bierbrauerei war und welche solchedurchgreifenden Steuern unter ihren schle-sischen Herzögen nicht kennen gelernt hatten,gar bittere Klagen, die ihnen aber freilichnichts fruchteten.51

    2. Verordnungen und Privilegien — Crossen unter Johann von Küstrin

    Die oft kritischen Äußerungen polnischerHistoriker gegenüber den brandenburgischenHerrschern finden in der Person desMarkgrafen Johann von Küstrin eine großeAusnahme. Gerard Labuda urteilte über ihm:Johann von Küstrin war eine der hervorra-

    genden Persönlichkeiten in der Dynastie derHohenzollern dieses Jahrhunderts, obwohl diebegrenzten Möglichkeiten seines kleinesLandes ihm nicht erlaubten, eine bedeuten-dere Rolle in der mitteleuropäischen Politikzu spielen. Er ist für seine wirtscha-ftlich–administrative Tätigkeit bekannt und

    deswegen hat man ihn in der Geschichtssch-reibung den Ökonomen genannt.52

    Die von Kurfürst Joachim I. begonneneEinführung von neuen Rechtsregelungenwurde von seinem Sohn auf dem Gebiet derNeumark fortgesetzt. Er hat in seinem Landeneue, auf das römische Recht gegründeteOrdnungssysteme mit Hilfe von Steuerneingeführt und die Landesfinanzen geordnet.53

    Die neuen Regelungen bezogen sich auch aufdas gesellschaftliche, sogar auf das privateLeben der Bürger. So wurde zum Beispiel 1540die Polizei–Ordnung eingeführt, die nach derMeinung von Theodor Fontane das bürgerlicheLeben in die richtige Bahn lenkte.54 In dieserAnordnung wurden unter anderem Formen fürFamilienfeiern festgelegt, zum Beispiel wieviele Gäste zur Hochzeit oder zur Taufeeingeladen werden dürfen, oder wie man sichbei Besuchen verhalten soll. Außerdem wurdenPreise für alle Getränke, Lebensmittel undStoffe sowie die Höhe der Gehälter vonBeamten und der Arbeiterlöhne bestimmt. DenHandwerkern verbot man dagegen, in denBierhäusern zu frühstücken, um den über-mäßigen Genuss von Alkohol zu mindern.

    Um die Qualität von Getränken undLebensmitteln zu verbessern, wurden deta-

    illierte Hinweise zurHerstellung von Pro-dukten festgelegt. Inder Chronik vonKutschbach lesen wir:Bäcker, die nichtvollwichtiges undgesundes Brot; Fleis-cher, die nicht hin-reichend frischesFleisch; Gastwirte, dienicht gutes Bier undreinen Wein zu fest-

    gesetzten Preisen lieferten, sollten inGeldstrafe verfallen.55 Diese Städte–Ordnungbestimmte auch, dass die Einkünfte der Städtejährlich genau berechnet und nichtverschwendet werden sollten. Die Vorsteherder Kirchen und die Aufseher der Armen-häuser sollten dem Magistrat jährlich in

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    Das Innere eines Gasthauses, Holzschnitt von 1518

    Wnêtrze gospody, drzeworyt z 1518

  • Gegenwart des Pfarrers Rechnung ablegen.Wer wüste Plätze bebaute oder verfalleneGebäude wieder herstellte, sollte auf mehrereJahre frei von allen bürgerlichen Lasten sein.Es wäre ein interessantes Forschungsthema zuuntersuchen, inwiefern diese disziplinierendenMaßnahmen in den neumärkischen Städtenwirklich beachtet wurden.

    Kaufleute und Handwerker

    Diese Beispiele verdeutlichen die Rolle derKaufleute und Handwerker in der Stadt. DieVertreter einzelner Berufe waren in Zünftenvereint, die die Aufgabe hatten, ihre Interessenzu vertreten und Privilegien zu bewahren.56

    Sowohl die Kaufleute als auch die Handwerkergrenzten ihre Tätigkeit meistens ein auf dieVersorgung der Stadtbewohner und derMenschen aus den umliegenden Dörfern. Nichtwenige von ihnen pflegten aber auchüberregionale Handelskontakte und verkau-ften ihre Produkte im Ausland. Zu diesemZweck wurde meistens die Oder alsTransportweg benutzt. Sonst profitierte dieStadt von ihrer Lage am Fluss durch Erhebenvon Zoll auf der Oderbrücke und durch dieFischerei. Was den Handel in der Stadt betraf,so konnte sie mit Frankfurt an der Oder undLandsberg nicht Schritt halten, da dieseHandelsstädte durch ihr Niederlagsrecht eineMonopolstellung im Raum der mittleren Oder

    inne hatten. Nach diesem Recht durften dieKaufleute an diesen Städten nicht vorbei-fahren, ohne ihre Waren auf dem dortigenMarkt zum Verkauf anzubieten. Diese undandere Privilegien waren seit jeher Streit-punkte zwischen Frankfurt, Landsberg undvielen kleineren Städten der Region. Im Jahr1533 gelang es schließlich auch den Crossenernbestimmte Handelsbegünst-igungen für sich zuerlangen, zum Beispiel das Recht ihreTuchwaren auf eigenen Schiffen dreimal imJahr zu bestimmten Jahrmärkten nachFrankfurt zu bringen. Was die Handels-beziehungen mit Landsberg anging, so durftendie Crossener ihre Waren auf dem Landwegnach Landsberg bringen und dort verkaufen.Ausgenommen waren nur die, die in Stettineingekauft worden waren, denn diese musstenauf der Oder durch Frankfurt transportiertwerden. Trotz zahlreicher Beschränkungenmachten die Crossener Kaufleute guteGeschäfte und verkauften vor allem Tuch,Wein, Bier, Heringe und Salz in ganzBrandenburg, Schlesien und Großpolen.Kaufleute waren die wohlhabendsten Bürgerder Stadt und bildeten das so genanntestädtische Patriziat.

    Städtische Selbstverwaltung

    Aufgrund ihrer privilegierten Positionnahmen meistens die reichsten Bürger an der

    Stadtregierung teil. Unter Johann vonKüstrin erhielt Crossen wie die anderenStädte der Region ein neues Wahlrecht. Inder Chronik von Matthias ist das ganzeDokument, datiert Montags nach Okuli.Anno Domini 1540 (dritter Montag derFastenzeit) abgedruckt.57 Diese Wahlor-dnung ist insofern wichtig, weil nach ihrüber zweihundert Jahre lang (bis 1811) dieRatswahlen in Crossen erfolgten. Diewichtigste Änderung darin war dieAbschaffung des Bürgermeisteramtesauf Lebenszeiten und die Festlegungalljährlicher Neuwahlen jeweils am 13.Dezember. Der neue Bürgermeister sowieder alljährlich neu gewählte Rat musstenin ihrem Amt vom Kurfürsten bestätigt

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    Weber am Webstuhl und bei Herstellung von Garn,Holzschnitt von 1479

    Tkacze przy kroœnie oraz przy zwijaniu przêdzy,drzeworyt z 1479 roku

  • werden. Die Ratsmänner durften, wenn sie ihreAufgaben tüchtig erfüllt hatten, wiedergewählt werden, der Bürgermeister wardagegen im Prinzip nur für ein Jahr in seinemAmt. Nur unter besonderen Umständen durfteer wieder gewählt werden.58

    Wie bereits erwähnt, legte Markgraf Johanngroßen Wert auf die Ordnung des Finanz-wesens und auf die wirtschaftliche Ent-wicklung seines Landes. Er sorgte auch für eineVerbesserung der Verteidigungsanlagen in derNeumark und den dazugehörenden Gebieten.So ließ er nicht nur Küstrin zu einer Festungumbauen, sondern auch den Zustand derFestungsanlagen in anderen Städten ver-bessern. Auch Crossen, in der Gabelung vonOder und Bober gelegen und umgeben vonSümpfen und feuchten Wiesen, war damalseine Festung. Im Jahr 1540 hielt Johann eineMusterung der Crossener Wehranlage ab undordnete die so genannte Türkensteuer an, die

    mit der drohenden Gefahr eines Türken-überfalls in dieser Zeit zusammenhing.59 Umden Bürgern die Last der neuen Steuern zuerleichtern, denn die Bürger hätten sonst ihrenAnteil für den Bau der Festungen in Küstrin,Peitz und Spandau zahlen müssen,60 verlieh erder Stadt das Privileg ab 1536 den drittenJahrmarkt am Tag des Hl. Vincenti, den sogenannten kalten Markt, abzuhalten.

    Schützengilde

    Seit 1520 gab es auch in Crossen eineSchützengilde. Diese Vereinigung galt als eineder wichtigsten Gilden in den branden-burgischen Städten. Mitglieder waren hier diestädtischen Amtsträger sowie Hofleute desjeweiligen Herrscher und sonstige Stadtbürgersofern sie die Mitgliedsgebühren bezahlenkonnten. Sie alle übten sich im Schießen in denso genannten Schießhäusern. Die alljährlichenSchützenfeste gehörten zu den wichtigstenEreignissen im Stadtleben, zu denen auchwichtige Persönlichkeiten von außerhalbeingeladen wurden.61 Der Gewinner desSchießwettbewerbs wurde zum Schützenkönigund bekam vom Stadtrat den symbolischenGulden zum Hosentuch sowie eine Geld-summe, die meistens für den Wein und dasEssen während des Festes ausgegeben wurde.

    Crossener Wasserleitung — eine derersten in Brandenburg

    Viele der vom Markgrafen Johanneingeführten Veränderungen haben das Lebender Crossener und ihre Sicherheit verbessert.Um den häufigen Bränden vorzubeugen, bauteman nun innerhalb der Stadt nur ausZiegelsteinen, Holzgebäude durften nur nochaußerhalb der Stadtmauern gebaut werden.Zur Verbesserung der Stadthygiene trugebenfalls bei, dass man mehrere Straßenpflasterte und eine Wasserleitung gelegtwurde.62 Die Tatsache, dass Crossen bereits1538 eine eigene Wasserleitung bekam, machtedie Stadt zu einem Vorreiter in ganzBrandenburg.63 In der Hauptstadt Berlinwurden erste Versuche, eine Wasserleitung zulegen, erst in den 70er Jahren des 16.Jahrhunderts unternommen. Dieses Vorhabengelang nur zum Teil, da die Qualität desWassers nicht dem des Trinkwassers entsprachund es daher nur zum Haushaltsgebrauch undFeuerlöschen verwendet werden konnte.Ähnliches trifft auch auf Küstrin zu.64

    Crossen wagte diesen Schritt so früh, weil esschon länger mit Problemen der Trinkwass-erqualität in den städtischen Tiefbrunnen zu

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    Johann Markgraf von Brandenburg abgebildet auf einer Münze aus dem 16.Jh.

    Margrabia brandenburski Jan na monecie z XVI wieku

  • kämpfen hatte. Da die Stadt im Überflut-ungsgebiet lag, war sie fast alljährlich vonHochwasser bedroht, das oft in die Keller undniedriger gelegenen Gebäude eindrang.Dadurch konnte das Wasser in den Brunnenverseucht werden. Um dieser Gefahr zuentgehen, entschloss man sich, das Wasser vonden Rusdorfer Bergen herleiten zu lassen.Dieser Aufgabe stellte sich der WassermeisterJost aus Görlitz. Die Wasserleitung wurde ausEichenholz gefertigt, die Verbindung dereinzelnen Rohre erfolgte durch besonderskonstruierte Eisenringe, die so genannten„Rohrbuchsen”. Naturgemäß konntendiese Holzleitungen schnell verfaulen undes mussten daher sehr oft unbrauchbargewordene Stücke ausgewechselt werden.Deswegen musste die Stadt eine größereAnzahl Rohre auf Lager halten, dieallerdings nicht austrocknen durften. Siewurden daher in einem kleinen Tümpelgelagert. Die Crossener waren sehr schnellvon der wunderbaren Qualität des„Wassers aus den Bergen” überzeugt undschon 1544 wurde also eine weitereWasserleitung gelegt. Damals wurde dasWasser direkt zur Bierbrauerei geleitet.Ansonsten hat man das Wasserzapfenzuerst an drei Stellen, auf dem Markt,dem Salzmarkt und am Glogauer Tor,dann an fünf weiteren Stellen in der Stadtden Bürgern ermöglicht. Dabei istbesonders bemerkenswert, dass dieAnlage über 400 Jahre lang, bis zum Endedes Zweiten Weltkrieges, ununterbrochen inBetrieb war und die Altstadt mit einemausgezeichneten und sehr weichen Wasserversorgte.

    Moneta nova Crossnensis

    Zu den Stadtprivilegien gehörte auch diePrägung von Münzen. Die mit der AufschriftMoneta nova Crossnensis versehenen Stückedurften seit 1507 laut Privileg des KurfürstenJoachim I. in Crossen geprägt werden. Einebesondere Art von Münzen waren die sogenannten Dütchen,65 silbernes Geld, das demWert von 3 Schillingen oder 3 polnischen

    Groschen entsprach. Sie wurden in der Stadtseit 1544 geprägt, aufgrund einer Anordnungvon Johann von Küstin, der dafür das sich inden Crossener Kirchen befindliche Silberbeschlagnahmen und einschmelzen ließ. Zumgroßen Teil handelte es sich dabei um Gaben,die die Gläubigen aus Dank für ihre Genesungvor den Altar der Muttergottes gelegt hatten.So waren es vor allem lauter Hände, Beine,Füße und andere Körperteile in Silber, die,nachdem sie geweiht worden waren, sich in der

    Kirche befanden. Dieses besondere Silber ließJohann also beschlagnahmen und davon dieDütchen prägen.

    Nachdem sich Johann von Küstrin 1537offiziell für die Reformation ausgesprochenhatte und seinen Untertanen sich nach derLehre von Martin Luther zu richten befahl,begann man auch in Crossen gegen dieMissbräuche der katholischen Kirche zukämpfen. Die ersten Predigten im Geist derneuen Lehre hatten die Crossener jedoch schonfrüher zu hören bekommen. In der Chronikvon Obstfelder wurde sogar ein Briefabgedruckt, den Martin Luther selbst am

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    Münzwerkstätte, eine Zeichnung aus dem 16. Jh.

    Warsztat menniczy, ilustracja z XVI wieku

  • 17. April 1525 an den Stadtrat von Crossengeschrieben hatte.66 Ende der dreißiger Jahredes 16. Jahrhunderts waren dann bereits allePriester in Crossen lutheranisch. BestimmteGewohntheiten der Bevölkerung ließen sichjedoch nicht so schnell ändern. Dass derAberglaube immer noch stark war, bezeugtfolgende Geschichte: Das Volk glaubte, die ausgeweihtem Silber hergestellten Dütchen hätteneine besondere Kraft und Wirkung. Innerhalbvon kurzer Zeit wurden sie also zu einem sobegehrten Objekt, dass sie als Zahlungsmittelgar nicht mehr funktionieren konnten, da jeder,der in ihren Besitz kam, sie nicht mehrhergeben wollte.

    Das Erbe der katholischen Klöster

    Als weitere Konsequenz der Reformation istdie Schießung der katholischen Klöster zunennen. Auch in Crossen wurde der Besitz derbeiden Klöster von der Stadt übernommen undan private Personen weiterverkauft. DasFranziskanerkloster kam in die Hände vonHans von Knobelsdorf, ein Teil des Besitzeswar jedoch für die Einrichtung des Friedhofesund den Bau einer Kapelle bestimmt. Erst 1631errichtete man auf der Fischerei anstelle derKapelle eine kleine Kirche. Sie wurde von dendortigen Fischern gestiftet und bekam denNamen Heiliges Kreuz. Den Altar stifteteKurfürst Johann Siegmund. Nach demStadtbrand von 1631 ersetzte sie dann diePfarrkirche, bis zu deren Wiederaufbau.

    Das Dominikanerkloster wurde abgetragenund an dessen Stelle der spätere Lutherplatzangelegt. Einer Legende nach soll von diesemKloster aus ein unterirdischer Gang unter derOder durch bis in die Kienberge bei Hundsbellegeführt haben.67

    Die Geschichte von Franz Neumann

    Johann von Küstrin war zweifelsohne eingeschätzter und hoch verehrter Herrscher. Derihm so gut gesinnte Kutschbach versäumte esaber nicht, auch von den Nachteilen desMarkgrafen zu berichten. Seiner Meinung nachwaren das seine Habsucht in der Vermehrungseines Besitzes, so dass er sich auch vor

    unrechtmäßiger Übernahme des Kirchen-besitzes nicht scheute, und sein Rachedurst.Ein klassisches und oft genanntes Beispieldieses Handelns bei Ungehorsamkeit seinerUntertanen ist der Fall des Crossener Bürger-meisters Franz Neumann. Der verdienstvolleCrossener hatte einmal die Gelegenheit, vordem Markgrafen zu sprechen, wobei erAnerkennung und sogar Bewunderung für seinWissen und seine Klugheit bei dem Herrscherfand. Johann von Küstrin sah in ihm einentreuen Diener und ein nützliches Werkzeug inseiner Hand. Deswegen half er ihm, bei derErhebung in den Adelsstand, was 1530 inAugsburg aus der Hand Kaiser Karls V.geschah. Danach überließ ihm der Kürfürstwichtige Verwaltungsaufgaben im Land bis hinzur Leitung des Johanniterordens. Als Neu-mann sich dann aber dem Willen desHerrschers widersetzte und ihm die Lände-reien des Ordens nicht übergeben wollte, ließihn Johann von Küstrin festnehmen und in derSonnenburg gefangen halten. Neumann, dieAussichtslosigkeit seiner Situation ahnend,wagte die Flucht, zog ins Ausland und kehrtenie wieder in die Neumark zurück. Johann, ließdaraufhin die Wache in Sonnenburg so langefoltern, bis diese ihre Hilfe bei der Fluchteingestanden. Da der Kapitän von Winningaber kein Geständnis ablegen wollte undimmer wieder seine Unschuld beteuerte, ließ erihn zu Tode foltern. Der Rachedurst desKurfürsten war aber damit noch nicht gestillt.Er ließ ebenfalls den Schwiegersohn vonNeumann, Christoph von Döberitz, festsetzenund wegen Mithilfe bei der Flucht zum Todeverurteilen.68

    Katharina von Braunschweig–Wolfenbüttel auf der Crossener Burg

    Crossen blieb im 16. Jahrhundert mitKüstrin nicht nur durch die Person desMarkgrafen Johann, sondern auch die seinerGemahlin Katharina, Herzogin von Braun-schweig–Wolfenbüttel, verbunden. In denJahren 1537–1571 lebte sie gemeinsam mitdem Markgrafen auf dem Schloss zu Küstrin,

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  • nahm an der Regierung ihres Mannes aktiv teilund nach der Meinung von Kutschbachzeichnete sie sich durch höchste Wirt-schaftlichkeit und Ökonomie 69 aus. Nach demTod des Markgrafen nahm sie die Burg inCrossen als Witwensitz. Deswegen begann man1571 sowohl innen wie außen mit Reno-vierungsarbeiten. Außen bekam die Anlageeinen neuen Putz und im Südflügel entstanddamals die von zwei weit gespannten,mächtigen Rundbogen getragene zierlichePfeilergalerie.

    Erste Apotheke

    Im Jahr 1544 kam auf Bestellung desStadtrates ein Architekt aus Italien nachCrossen. Sein Name war Hans Sultano und erbekam die Aufgabe, auf dem Markplatz einneues Kaufhaus zu bauen. Sieben Jahre späterwurde in dem neuen Gebäude die ersteApotheke der Stadt eröffnet. Zu den Aufgabeneines Apothekers gehörte damals viel mehr, alswir es heute gewöhnt sind. Er war unteranderem für die Destillation von Alkohol, dieHerstellung von Wachs, Siegeln, Parfums undKandis verantwortlich. Im Jahr 1572 kaufte dieWitwe des Markgrafen die Apotheke von derStadt ab und verlieh ihr, ähnlich wie in Küstrin,das Privileg für den Ausschank von fremdemWein.

    Außerdem gründete sie in der Stadt eineStiftung „zum hausarmen Lazarus”, die vorallem für die Obdachlosen sorgte. Die Tätigkeitder Stiftung dauerte bis zum Stadtbrand von1631 an und wurde danach vom St. GeorgHospital übernommen.

    Ganz besonders engagierte sich Katharinavon Braunschweig–Wolfenbüttel für dieAusstattung der Marienkirchen, deren Turmmit durchbrochener Spitze 1568 neu mitSchiefer eingedeckt wurde. Sie ließ dasGotteshaus im Inneren weiß, rot und grün

    ausmalen, den Altarbogen und dieKruzifixe gründlich renovierenund den Ausgang zum Schloss hin(Nordseite) mit erheblichemMaterialaufwand bequem gestal-ten. Da der Rat der Stadt außer-dem 1538 von Lukas Cranach inWittenberg ein Bild dertrauernden Maria hatte malenlassen, dürfte die Haupt-pfarrkirche damals eine kün-stlerisch wertvolle Renaissa-nce–Innenausstattung gehabthaben.70

    Lateinschule

    Nachdem in allen Städten desbrandenburgischen Staates Mittedes 16. Jahrhunderts Kirchen-

    visitationen durchgeführt worden waren,wurden städtische Schulen, die so genanntenLateinschulen, gegründet. Sie bekamen einumfangreiches Unterrichtsprogramm, bei demneben Lesen und Schreiben, Religion undGesang großen Wert auf den Lateinunterrichtgelegt wurde. Finanziert wurden die Schulenaus einem Fonds, der nach der Übernahme desKirchenbesitzes durch den Staat gegründetworden war.71 Eine erste Erwähnung einesSchulrektors in Crossen findet man beiMatthias 1382, als ersten Rektornamen nennter um 1432 Nickel Czuchindorf.72 VonObstfelder dagegen erfahren wir, dass dieReformation in der Stadt sich auch auf „dasziemlich verwilderte Schulwesen erstreckte”.1538 soll die Schule einen zweiten Lehrer, den

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    Die Renaissance–Pfeilergalerie im Südflügel der Crossener Burg

    Renesansowe kru¿ganki w po³udniowym skrzydlekroœnieñskiego zamku

  • Konrektor Hellman, bekommen haben, außerihm unterrichteten noch der Kantor Hänleinund ein weiterer Lehrer Schulz.73 Aus diesenAngaben geht also hervor, dass die Schulreformin Crossen schon begonnen hatte, lange bevordie Kirch– und Schulvisitation in der Stadt1554 stattfand. Nach Meinung von Karl Weinist als Entstehungsjahr einer unter städtischerVerwaltung stehenden Lateinschule in Crossen1527 bzw. 1530 zu nennen.74 Auch die Herzo-gin Katharina trug zur Erhöhung desSchulniveaus in Crossen bei, indem sie Dr.Conrad Bergius aus Stettin überredete, dieRektorstelle in der Stadt an der Bober-mündung zu übernehmen. Sein Nachfolgerwar ab 1576 der berühmte WissenschaftlerNikolaus Leutinger, der das bis heute hochgeschätzte 30–bändige Werk Commentatiorumde Marchia brandenburgensi libros XXXverfasste und die Geschichte Brandenburgs bis1594 aufschrieb. Während seines Aufenthaltsin Crossen nutzte er bestimmt auch dieGelegenheit, die 1552 vom Stadtrat neugegründete Bibliothek im ersten Stock derPfarrkirche zu besuchen.

    Die Witwe des Markgrafen Johan ver-brachte in Crossen insgesamt nur drei Jahre,bevor sie am 16. Mai 1574 in der dortigen Burgstarb. Beigesetzt wurde sie in Küstrin.Obstfelder betont, dass ihr Testament einAusdruck ihrer Verbundenheit mit der Stadtund ihren Einwohnern ist. Die Herzoginübertrug der Stadt ihre Apotheke sowiegrößere Summen für die Unterstützung derHausarmen und für höhere Löhne der Schul–und Kirchenamtsträger.75

    3. Die Piastenburg als Witwensitz

    Kürfürstin Elisabeth

    Mit der Herzogin Katharina war dieCrossener Piastenburg zum Sitz der branden-burgischen Witwen geworden. 24 Jahre nachihrem Tod wurde die Burg erneut zur Residenz,diesmal für Elisabeth von Anhalt–Zerbst, dritteFrau des branden-burgischen KurfürstenJohann Georg, die von 1598 bis zu ihrem Tod

    1607 die Burg bewohnte. Nach dem Tode ihresMannes hielt sie hier ihren Einzug. Sie wardamals 35 und bereits zum 17. oder 18. Malschwanger.76 Da sie hier noch einen Sohn gebar,ist Crossen die Vaterstadt wenigstens einesHohenzollern–prinzen geworden. Sie ließschlichte Bürger der Stadt die Patenschaftübernehmen und wohnte nicht bloß derkirchlichen Taufe bei, sondern saß dannwährend des Taufmahls mit am Bürgertisch.Kurfürstin Elisabeth wurde infolge ihrergroßen Menschenfreundlichkeit gern zurSchiedsrichterin gewählt und bewährte sich alssolche bestens. Im Jahr 1599 ließ sie dasSchloss abermals innen und außen instan-dsetzen und eine neue Zugbrücke bauen.

    Kürfürstin Elisabeth Charlotte

    Am längsten, mehr als zehn Jahre, hielt sichauf der inzwischen in ein Schloss verwandeltenCrossener Burg die Kurfürstin ElisabethCharlotte, Prinzessin von der Pfalz und Witwedes Kurfürsten Georg Wilhelm sowie Mutter desGroßen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, auf.Nach dem Tode ihres Gemahls 1640 blieb siezunächst in Berlin und nahm noch nicht sofortihren festen Wohnsitz in Crossen, teils auf-grund des schlechten Zustandes des dortigen

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    Die Kurfürstin Elisabeth von Brandenburg,geb. von Anhalt (1563–1607)

    El¿bieta Brandenburska, ksiê¿niczka von Anhalt

  • Schlosses, das durch einen Brande 1631 sehrgelitten hatte, teils auch der Schwe-den wegen,die hier während des Dreißi-gjährigen Kriegesherrschten. Als 1644 die Schweden Crossenschließlich verlassen hatten, ließ sie im Schlossdie Kapelle für den reformierten Gottesdienstherrichten. Einge-weiht wurde die Kapellejedoch erst 1650. (Diese Kapelle wurde dann1887 in die neu gebaute Kirche im Heyneparkversetzt und wurde daher Schlosskirchegenannt.) Zu dieser Zeit war auch der Ausbaudes Schlosses beendet und die Kurfürstin nahmnun ihren ständigen Wohnsitz in Crossen.

    Da sie klug, liebevoll und tatkräftig war,handelte sie als wahre Mutter von Crossen undführte die Stadt aus dem Elend nach demDreißigjährigen Krieg heraus. Zum Ausbau derMarienkirche schenkte sie sowohl Holz als auchGeld und auf ihre Veranlassung hin wurde 1651auch der Andreaskirche auf dem Berge einegroße Glocke geschenkt, worauf sich ihr Nameeingraviert befand.

    Bei Elisabeth Charlotte im Schloss lebte ihreNichte Henriette, die von Crossen aus eineeifrige Korrespondenz mit dem berühmtenPhilosophen Cartesius (Descartes) unterhielt.77

    1651 ließ die Fürstin ihre Vermählung mit demBruder des regierenden Fürsten von Sieben-bürgen in Crossen feiern.

    Oft erhielt sie Besuche von ihrem Sohn, demGroßen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, welcherdie Tour von Berlin nach Crossen gewöhnlichmit untergelegten Pferden in achtzehn Stundenzurücklegte.78

    Die Kurfürstin Elisabeth Charlotte verstarbin Crossen am 16. April 1660. Ihre Leiche wurdeam 27. August 1660 nach Berlin überführt unddort begraben. Die Bewohner von Crossentrugen neunzehn Wochen lang Trauerkleider,von ihrem Tod bis zum Begräbnis in Berlin.

    4. Der Dreißigjährige Krieg(1618–1648)

    In die europäische Geschichte ging Crossenselten als Ort bedeutungsvoller kultureller undzivilisatorischer Leistungen ein, sondern eher

    in Verbindung mit kriegerischen Auseinanders-etzungen. Zu den schlimmsten und schrec-klichsten gehörte der Dreißigjährige Krieg, derin den Jahren 1618–48 große Teile Europasbeherrschte. Crossen wurde in diesem Kriegaufgrund seiner strategischen Lage, seinerFestungsanlagen sowie seiner seit 1610bestehenden Garnison zum begehrten Objekt.Es ist anzumerken, dass im Unterschied zufrüheren militärischen Konflikten in diesemKrieg vor allem die so genannten Berufssol-daten kämpften, für die vor allem ihr Soldwichtig war und die sich mit dem Land, für dassie kämpften, kaum verbunden fühlten. Dadieser Krieg sehr lange dauerte und großefinanzielle Anstrengungen für beide Seiten,also für Protestanten und Katholiken,bedeutete, kam es bald dazu, dass die Soldatenihren Sold nicht mehr regelmäßig erhielten. Indiesem Fall mussten sie sich dann selbstversorgen und es kam oft zu räuberischenÜberfällen und nicht selten Morden an derZivilbevölkerung. So litt unter dem Krieg vorallem die einfache Bevölkerung, die außerdemnoch der Willkür der Befehlshaber ausgesetztwar, die jede besetzte Stadt mit hohenKontributionen, Lebensmittelablieferungen

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    Crossener StadtchronistenZu den herausragenden Persön-

    lichkeiten dieser Zeit in Crossen zählen aufjeden Fall die drei Stadtchronisten:Johann Prokopius war Rektor derCrossener Schule um 1540 und ist 1552gestorben. Mit seinem Werk CrossnischeEphemerides und Haus–Chronika hat ergroße Verdienste um die Aufar-beitung derStadtgeschichte. Johann Puchnerdagegen war zuerst Stadt-schreiber, dannBürgermeister in den Jahren 1544, 1545,1552 und 1553 und anschließend Rektorder Lateinschule von 1577 bis 1585. SeinLebenswerk heißt Annales und Zeitbuch derStadt Crossen, das er 1557 beendete. BeideWerke bildeten die Hauptquelle für dennächsten Stadtchronisten JohannJoachim Möller (1659–1733), der derGeschichte von Crossen ganze 14 Bändeschenkte. Leider ist keines von diesenerwähnten Büchern bis heute erhaltengeblieben.

  • und Zwangsleistungen für das Heer belegten.Dies geschah unabhängig davon, ob es sichdabei um eigene oder feindliche Armeenhandelte. Als Beispiel kann hier Crossendienen, dass auf Erlaubnis des Kurfürsten imApril 1631 von den Schweden eingenommenwurde.

    Der Stadtbrand von 1631

    Obwohl die Schweden als Verbündete desKurfürsten galten, betrachteten sie Crossenals feindliches Gebiet und beuteten dieBevölkerung über alle Maßen aus. Die Stadtwurde zur Festung erklärt und von denfeindlichen kaiserlichen Truppen, den Katho-liken, belagert. Obwohl die Angreifer vielstärker waren, gelang es den Schweden dieFestung zu verteidigen. Dabei wurde nur dassich in der Vorstadt befindliche Hospital unddie St. Georgkirche zerstört. So könnte manmeinen, dass sich das Leiden der Bevölkerung,die darüber hinaus von verschiedenenKrankheiten geplagt war, in Grenzen gehaltenhabe. Es kam aber anders. Am 4. August 1631ereignete sich ein Unglück von bis dahinunbekanntem Ausmaß. Aus Unvorsichtigkeitder Schweden brach in der Stadtmitte einFeuer aus, das innerhalb von ein paar Stundendie ganze Stadt in Schutt und Asche legte. DerStadtchronist beschreibt das so:

    Hier hatten schwedische Soldaten noch spätam Abend gestohlene Karpfen und Entengesotten und gebraten, sich in (an?) gemau-stemWeine besoffen und sich, unbekümmert um dasFeuer, mit ihren Dirnen auf die Streu geworfen.In der Nacht war dieses dann zu Kräftengekommen und hatte bald so schnell undfürchterlich um sich gegriffen, dass binnen vierStunden die ganze Stadt samt Schloss, Kircheund allen öffentlichen Gebäude in Asche lag.79

    Matthias beschuldigte die Schweden, dassdiese, statt das Feuer zu löschen und die Stadtzu retten, raubten was sie nur in die Händebekommen konnten. Die Bürger konnten selbstnicht eingreifen, da sich nur wenige von ihnennoch in der Stadt aufhielten und die meistenaus Furcht vor den Besatzern und vor derPestgefahr schon früher geflohen waren. An

    diesem Tag verbrannten in Crossen 462Häuser. Gerettet werden konnten nur diekleine Fischerkirche und einige Wohnhäuserauf der Fischerei. Die Kirche der Fischer sowiedie Andreaskirche mit der sie umgebendenSiedlung auf dem Berg wurden dann drei Jahrespäter von den kaiserlichen Soldaten, die dieStadt 1634 eroberten, in Brand gesteckt. Zuden weiteren Verlusten in diesem Krieg zähltauch die Oderbrücke. Ihre Zerstörung warebenfalls das Werk der Schweden, die diesmalals Gegner der Brandenburger im November1634 Crossen erneut besetzten. Nach kurzenZeit wurden sie von den Kaiserlichen gez-wungen, die Stadt zu verlassen, um dann imMai 1639 mit einer größeren Truppe wieder zukehren und diesmal länger an der Bober-mündung zu bleiben.

    Crossen — eine schwedische Festung

    Unter dem Befehlshaber Johann Gunnunternahmen die Schweden 1639 Schritte, umdie Stadt in eine Festung zu verwandeln. Dazu

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    Festungsentwurf für Crossen aus der Zeit des 30–jährigen Krieges (die Oderbrücke ist unten rechts,

    das Schloss links zu sehen)

    Projekt umocnieñ dla Krosna z okresu wojnytrzydziestoleniej (most na Odrze znajduje siê w prawym

    dolnym rogu, zamek – po lewej stronie)

  • wurden um die Stadt herum tiefe und breiteGräben angelegt und vor allen Toren und aufder Fischerei erhoben sich gewaltige Schanzenund Bastionen aus Holz und Erde. Alle diesemWerk im Wege stehenden Häuser und Gärtenwurden weggerissen und eingeebnet. Das nunwieder aufgebaute Schloss wurde durch einenWall und einen Graben von der Stadt abget-rennt und zu einer Zitadelle ausgebaut. Alldiese Arbeiten hatten die Crossener selbst unddie Einwohner der umliegenden Dörfer unterAufsicht der schwedischen Soldaten auszuf-ühren. Von diesem Zeitpunkt an diente das soverwandelte Crossen den Schweden alsHauptstützpunkt in ihren Operationen gegenSchlesien und die Neumark.80 Im Jahr 1641schloss dann der neue Herrscher überBrandenburg, Friedrich Wilhelm, mit denSchweden einen Waffenstillstand. Er überließihnen die militärische Besetzung mehrererOrte und erhielt im Gegenzug von ihnen 1643die Zusage völliger Neutralität. Die schwe-dischen Soldaten blieben noch bis 1644 inCrossen und haben es erst vier Jahre vor demWestfälischen Frieden 1648 und dem damitverbundenen Ende des schrecklichen Kriegesverlassen.

    Die Politik von Friedrich Wilhelm, dem Großen Kurfürsten, nach Kriegsende

    Der junge Herrscher wendete seine ganzeAufmerksamkeit dem Wiederaufbau desLandes sowie dessen Verbesserung undHebung zu. Gleichzeitig beobachtete er dieEreignisse im Ausland und wusste geschickteigene Vorteile aus den Konflikten seinerNachbarn zu erzielen. In dem polnisch––schwedischen Kriege (1655–60) stellte er sichzum Beispiel zuerst auf die Seite der Schweden,jedoch nur solange, wie er davon profitierenkonnte. Sobald sich aber die Polen als dieStärkeren erwiesen, wechselte er die Seitenund erlangte bei den Friedensverhandlungenin Oliva 1660 den unabhängigen Besitz vonPreußen. Das war das Ziel seines Taktierensgewesen. Seine Politik war weiterhin gekenn-zeichnet von der Einmischung in fremde

    Konflikte, außer dem Kreis Schwiebus konnteer jedoch nicht viel mehrdazu gewinnen. Fürseine Untertanen bed-eutete seine Regie-rungszeit eine stän-dige Bedrohungdurch den Durch-marsch fremderArmeen und dasGefühl von Unsi-cherheit und Kriegs-gefahr.

    5. Die Anfänge des Absolutismus

    Im seinem letzten Jahrzehnt artete derDreißigjährige Krieg vollends aus und führtezum sozialen, wirtschaftlichen und sittlichenRuin des Landes, in dessen Folge dieBevölkerungszahl um die Hälfte zurückging.Durch die im Westfälischen Frieden 1648anerkannte Selbständigkeit der einzelnendeutschen Fürsten wurde die Reichseinheitimmer unbedeutender.81 Jedes Fürstenhauswar nun auf seine Eigeninteressen bedacht undsuchte seinen Machteinfluss zu vergrößern.Zum Muster einer neuen Staatsordnung wurdeFrankreich. Hier regierte ein absoluterMonarch, dem gegenüber die untergeordnetenStände ihren früher so entschiedenen Einflussverloren hatten und Adel sowie Bürgertum zumehr oder weniger machtlosen Untertanengeworden waren. Der absolute Monarch stütztesich auf ein wohl ausgebildetes Beamtentumund auf ein stehendes Heer. Beim Regie-rungsantritt des Großen Kurfürsten im Jahr1640 war Brandenburg noch ein unbe-deutendes Land, aber durch eine klugeAußenpolitik, Gebietserwerbungen und einestraffe innere Neuordnung wuchs seinemilitärische Bedeutung, so dass es allmählichzum stärksten deutschen Staate wurde.

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    Der Große KurfürstFriedrich Willhelm (1640–1688)

    Fryderyk Wilhelm,wielki elektor brandenburski

  • Der Salzhandel

    Ein gutes Beispiel für das Eingreifen desStaates in die Selbstverwaltung derStädte war die immer stärker werdendeBegrenzung des Salzhandels, bis zurvollständigen Übergabe dieses Wirtsch-aftszweiges in die Hände des staatlichenBeamtentums. Bis 1614 hatte derStadtrat das alleinige Recht auf denSalzhandel gehabt und vor allem dasLüneburger und Stettiner Salzverkauft. Diese Tätigkeit war einebedeutende Einnahmequelle für dieStadt und trug wesentlich zurBereicherung ihrer Einwohner bei. Derdamalige Kurfürst Georg Wilhelmsuchte jedoch nach Möglichkeiten, umseine Finanzen zu verbessern. Soerhöhte er zuerst die Steuer, die auf demSalzverkauf lag, und führte 1633 neueRegelungen ein, die ihm die Einstellung vonZwischen-händlern ermöglichten. Ein weitererSchritt war dann der Austausch dieserZwischen-händler durch eigene Beamte und,im Fall von Crossen, der Bau eines eigenenSalzmagazins. Auf diese Weise wurden dieEinkünfte der Stadt aus dem Salzhandel sehrstark eingegrenzt und schrittweise ein Staats-monopol in diesem Bereich aufgebaut.82

    Garnison seit 1610

    Der Entscheidung des Kurfürsten JohannSiegmund verdanken die Crossener, dass sichseit dem zweiten Jahrzehnt des 17.Jahrhunderts hier ein fester Sitz der Armeebefand und Crossen zu einer der elfGarnisonstädte in Brandenburg wurde.83 DieTatsache, dass auch in Friedenszeiten immerSoldaten in der Stadt stationiert waren, war fürdie Bürger zuerst ziemlich befremdlich. Dashing damit zusammen, dass die meistenSoldaten aus anderen Ländern kamen, inanderen Kulturen aufgewachsen waren undihre Verhaltensweise den Crossenern dahermanchmal unverständlich vorkam. Mit der Zeitjedoch konnten die Bürger auch Vorteile in derStationierung der Armee in der Stadt

    erkennen. Es wurden nämlich neue Arbeitss-tellen eingerichtet und örtliche Produzentensowie Bauern konnten ihre Produkte an die

    Armee verkaufen. Mitder Zeit engagiertensich vor allem Solda-ten höheren Rangesauch im gesellschaft-lichen Leben der Stadtund trugen zu derenEntwicklung bei.

    Der erste Anwalt, die erste Post und die Zeitung

    Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts bedientesich die Stadt in verwickelten oder bedeu-tenden gerichtlichen Angelegenheiten der Hilfeauswärtiger Rechtsgelehrter, vor allem ausFrankfurt an der Oder, Küstrin oderWittenberg. Erst 1658 siedelte sich der ersteAnwalt in Crossen an. Jeremias Pestler fandhier genügend Gerichtsfälle, um von seinemBeruf gut leben zu können. Verwunderlicherscheint jedoch die Angabe von Matthias, dass72 Jahre später die Zahl der Anwälte inCrossen auf 77 angestiegen war.84 War dasCrossener Volk so streitsüchtig, dass so vieleMenschen mit deren Hilfe ihre Ansprüchedurchsetzen wollten?

    Ein wichtiges Ereignis in der Geschichte derStadt war die Einrichtung der ersten fahrendenPost nach Frankfurt an der Oder und nachGrünberg im Oktober 1662. Zum erstenPostmeister wurde der damalige StadtschreiberMartin Thickau ernannt.

    Diese Tatsache ermöglichte dem RatsherrnJeremias Lorenz 1675 die erste handgesch-riebene Zeitung Newe und interessanteNachrichten herauszugeben. Er entnahm seineNachrichten der seit 1661 in Berlin gedruckten

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    LandesknechtFähnrich aus der Mitte des 17.Jh.

    ¯o³nierz najemnyzpierwszej po³owy

    XVII wieku

  • Zeitschrift Berliner Botenmeisterzeitung, die erper Post zugeschickt bekam. Die dorterschienenen Informationen aus der Regionund dem Ausland schmückte er zum Teil miteigenen Erfindungen aus, zum Teil ergänzte ersie auch durch lokale Nachrichten und gab sieseinen Schülern in vielen Exemplaren zumAbschreiben. In dieser Form fand dieZeitschrift unter den gebildeten Crossenernviele treue Leser. Dies erfahren wir aus denCrossnischen Annalen von Johann JoachimMöller, der als Schüler des örtlichen Gym-nasiums wahrscheinlich zu den tüchtigenHelfern von Lorenz gehört hatte.85

    Mit weniger Begeisterung begegneten dieCrossener 1684 der Gründung der erstenDruckerei in der Stadt. Der Gründer, der ausZüllichau stammende Michael Schwarz, warnämlich Autor von Seculum Brandenburgicum.Darin hatte er sich zu religiösen Fragen,insbesondere aber zur Reformation der Kirche,kritisch geäußert, wofür er zu einer Gefäng-nisstrafe verurteilt worden war. Danach war erzwölf Jahre lang als Buchdrucker in Crossentätig. Nach seinem Tode wurde die Druckereigeschlossen und erst mit dem Zuzug vonChristian Müller nach Crossen eine neueeröffnet. Von diesem Drucker sind bis heute dieLeichenpredigten erhalten, einige von ihnenbefinden sich heute im Stadtarchiv inFrankfurt (Oder).86 Die Tätigkeit von Müllerendete 1706 und seinen Platz nahm dannJohann Friedrich Liscovius ein, der mit demStadtchronisten Möller verwandt war. DieseDruckerei war ca. fünfzig Jahre lang tätig, bisder preußische König Friedrich II. einemanderen Drucker, Friedrich Grunow, dasMonopolrecht für die ganze Neumark erteilteund dem Crossener Liscovius 1761 keine neuenDruckrechte mehr erteilte.

    Erste polnische Äsop–Fabelnerscheinen in Crossen

    An diesem Punkt der Stadtgeschichte ist esangebracht, auf eine interessante Episodeaufmerksam zu machen, die in der von derdeutschen Kultur dominierten Stadt Platz fürein bedeutendes Ereignis in der polnischen

    Kulturgeschichte machte: Im Jahr 1658beschloss das polnische Parlament, diearianische Glaubensgemeinschaft, die sogenannten Polnischen Brüder, auszuweisen.Aufgrund dieser Entscheidung sahen sich vielepolnische Familien, unter ihnen zahlreichehoch gebildete und einflussreiche Menschen,gezwungen ihre Heimat zu verlassen. Derbrandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelmzeigte sich bereit, zahlreiche Familien inseinem Land aufzunehmen und bestimmteunter anderem das in der Nähe von Crossengelegene Dorf Griesel und das am linkenOderufer gelegene Gut Neudorf zu ihrerAnsiedlung. Auf diesem Gut fanden dieNiemirycz ihr neues Zuhause. Das Haupt derFamilie war der Diplomat Stefan Niemirycz. Erpflegte auch in den folgenden Jahren engeBeziehungen mit Polen und wurde sogar fürkurze Zeit polnischer Botschafter ambrandenburgischen Hof. Sein Sohn KrzysztofNiemirycz war Schriftsteller und verfasste dieerste polnische Märchensammlung, die sich anden berühmten Fabeln des Griechen Äsoporientierte. Dieses Buch wurde bei Müller inCrossen im Jahr 1699 gedruckt. Bemer-kenswert ist daran, dass in dieser Ausgabetypisch polnische Buchstaben fehlen. DieMüllerische Druckerei besaß offenbar nur diedeutschen Druckbuchstaben und ersetzte, wieman auf dem Titelblatt sehen kann, diefehlenden Druckbuchstaben durch andere.

    Diese Äsop–Fabeln von Niemirycz hattengroßen Einfluss auf die polnische Aufklärung.Ihre philosophischen und erzieherischenGedanken prägten den neuen Geist, der sich zudieser Zeit in Polen erst aus der Barockkulturzu entwickeln begann. Die Märchen hat derAutor dem aus Sachsen stammenden polnis-chen Thronfolger August III. gewidmet, der1699 erst drei Jahre alt war. Der Wunsch desAutors war, dass der künftige König mit Hilfedieser Märchen die polnische Sprache lernenmöge, was August III. nie getan hat. NachMeinung von Stanis³aw Fumaniak ist alseigentlicher Adressat wohl eher der damaligeKönig von Polen und Kurfürst von SachsenAugust II. anzusehen.87

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  • Weinanbau und Bierbrauereiin Crossen

    Mehrere Jahrhunderte lang warCrossen stolz darauf, der nördlichsteOrt in Europa zu sein, in dem nochWein angebaut wurde. In denStadtchroniken hat man mit großerSorgfalt alle guten und schlechtenWeinjahre notiert. Solche Angabenfindet man erstmals in Bezug aufdas 13. Jahrhundert, die erstenWeinstöcke sollen aber bereits 1154von Siedlern aus dem Rheinlandnach Crossen gebracht worden sein.Die Sonneneinstrahlung an derOder eignete sich sehr gut für diesenbesonderen Anbau. Die städtischen Weingärtenerstreckten sich daher über 6 Kilometer vonHundsbelle im Osten bis nach Merzdorf imWesten. Außerdem wurde Wein auch inmanchen umliegenden Dörfern angebaut.88

    Bis zum 16. Jahrhundert befanden sich dieWeinberge hauptsächlich im Besitz der Kircheund der Klöster. Mit der Reformation kamdann die Mehrheit in private Hände, man fingdamals auch an, rote Weinsorten um Crossenherum anzubauen. Mit der Zeit hörte der Weinauf, nur ein Genussmittel der reichen Leute zusei, und wurde auch breiteren Schichten desBürgertums zugänglich. Bei besonderenAnlässen ließ der Stadtrat die Bürger mit Weinbeköstigen. In dieser Zeit galt als besondersgute Weinjahr der 1594er Jahrgang, im Jahr1604 erreichte die Weinernte dann sogar das25fache der jährlichen Durchschnittsernte.Auch 1666 ist in der Stadtchronik als sehrgelungener Jahrgang notiert. Der Wein solldamals von so guter Qualität gewesen sein,dass die Väter ihn für die Aussteuer ihrerTöchter aufbewahrt haben. Als die Hoch-zeitsbitter dann meldeten, dass man 66ertrinken würde, war großer Zulauf vonHochzeitsgästen zu erwarten. Zum letzten Malhat man den Wein bei der Hochzeit desApothekers Rauers im Jahr 1689 getrunken.89

    In der Statistik aus dem Jahr 1749 hat man dieEinkünfte aus den städtischen Ländereien auf

    4250 Taler geschätzt, davon betrug der Anteilaus dem Weinanbau 1390 Taler.90 DieserProduktionszweig war neben der Tuchma-cherei bis Ende der 18. Jahrhunderts dieHaupteinnahmequelle der Crossener Bürger.

    Nach Tuchwaren und Wein war dasdrittwichtigste in Crossen hergestellte Produktdas Bier. Bereits im 15. Jahrhundert waren dieBürger im Besitz eines Privilegs, das ihnen dasausschließliche Recht am Bierausschank in derStadt und in den umliegenden Dörferneinräumte. Dieses Privileg wurde dann in denfolgenden Jahrhunderten zum Streitpunktzwischen den Crossenern und dem Landadel.Schrittweise gelang es letzterem immer neueTeilkonzessionen vom Kurfürsten zu erlangenund die Rechte der Stadt einzuschränken. Indiesem Konflikt stellte sich die bereitserwähnte Kurfürstin Elisabeth Charlotte aufdie Seite der Stadtbürger und verteidigte siegegenüber der Willkür des Landadels. Nachihrem Tod kam es aber wieder zu heftigemStreit. Da das Stadtbier nur noch in wenigenDörfern verkauft werden konnte, gerieten dieCrossener Brauer in immer größere finanzielleSchwierigkeiten. Dazu kam noch derStadtbrand von 1708, der das ganze Hab undGut der Einwohner in Schutt und Asche legte.Was für eine Rolle der Verzehr von Bier imdamaligen Alltag spielte, deutet eine Listelebensnotwendiger Mittel an, die nach dem

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    Weinprobe in Crossener Weingärten um 1928

    Degustacja wina w kroœ?nieñskich winnicach,zdjêcie z ok. 1928 roku

  • Brand zusammengestellt worden war. Es maguns heute vielleicht wundern, aber an ersterStelle auf der Nahrungsmittelliste stand ebenBier. Es wurde sogar höher geschätzt alsWasser, da man sich bei letzterem nie seinereinwandfreien Qualität sicher sein konnte.Trinkwasseraufbereitungsanlagen gab esdamals nicht, deswegen trank man lieber Bier,bei dem die Gefahr einer Vergiftung nicht mehrso groß war.91 Den größten Ruhm erlangte dasCrossener Bier gegen Ende des 17. Jahr-hunderts, als Johann Kranz die Schloss-brauerei pachtete. Sein Schlossbier sollbesonders schmackhaft gewesen sein, so dass erauch viele Kunden in Berlin fand.

    Zauberei– und Hexenprozesse

    In Crossen, ähnlich wie in ganz Europa,fanden Hexenprozesse statt. Zum Glück nimmtaber die seit dem 16. Jahrhundert protes-tantische Stadt in dieser Hinsicht keinenbesonderen Platz in der Geschichte ein. DieZahl der wegen Hexerei zum Tode verurteiltenPersonen war gering, in den Stadtchronikenwerden allerdings mehrere Personen erwähnt,die deswegen eine Strafe verbüßen mussten.Eine erste Erwähnung dieses Themas findenwir bei Obstfelder, der über eine Kuriosität imStrafverfahren berichtet: Der Rat der Stadt ließ1561 einen großen Korb anfertigen, um böseWeiber darein zu setzen.92 Von einer ersten

    solchen Anklage berichtet Matthias 1618: DerHexerei verdächtigt wurde damals eine alteFleischerin aus Drehnow, Rosina Pech. Manhat sie so lange im Keller des Rathausesgefoltert, um sie zum Geständnis zu zwingen,bis sich die verzweifelte Frau im Ratsgefängniserhängte Zu einer Verbrennung auf demScheiterhaufen kam es daher nicht mehr. ZweiJahre später gab es den nächsten Prozess,diesmal wurde die so genannte „schwarzeKäthe” verurteilt und wahrscheinlich imStadtgraben ertränkt.93

    Als 1625 in Crossen eine Epidemie ausbrachund den Tod von ca. 1500 Menschen mit sichbrachte, suchte man verzweifelt nach Ursachen

    oder eigentlich nach Verantwortlichenfür dieses Unglück. So verdächtigte maneine Frau, dass sie den Brunnenvergiftet habe. Obwohl sie sich fürunschuldig erklärte, folterte man sie zuTode. Da die Einwohner mit diesemErgebnis nicht zufrieden waren, richteteman die Anklage nun gegen ihren Mann.Noch während der Verhöre soll erwahnsinnig geworden sein und diessahen die Richter als einen Beweis dafür,dass er vom Teufel besessen war. DerMann wurde dann auf dem Scheit-erhaufen verbrannt. In Crossen gab esin diesen düsteren Zeiten einen Henker;die Todesstrafe — Enthauptung oderÖffnen der Adern — wurde öffentlich

    auf dem Markt vollstreckt. Sollte der/dieVerurteilte erhängt werden, wurde diese Artder Todesstrafe vor dem Glogauer Tor aus-geführt. In der zweiten Hälfte des 17. Jahr-hunderts wurden dann die Strafen wegen einerangeblichen „Teufelsliebschaft” bereits milder.Als 1666 ein Hirte aus Lagow diesesVerbrechens beschuldigt wurde, wurde erlediglich mit Rutenschlägen bestraft und desLandes verwiesen. Damit scheint für Crossendie Zeit der Hexenprozesse vorüber gewesen zusein. In anderen Städten fanden solche noch bisin die Mitte des 18. Jahrhunderts statt, obwohlsie in Preußen 1714 offiziell verboten wordenwaren.94

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    Das Etikett einer Flasche Crossener Wein, Jahrgang 1937 ,„Crosener Bischofsgarten”

    Etykieta butelki kroœnieñskiego wina, rocznik 1937 o nazwie„Kroœnieñski Ogród Biskupi”

  • Das Stadtpanorama anno domini 1680

    Nach den tragischen Ereignissen desDreißigjährigen Krieges und eigentlich nochvor Abschluss des Westfälischen Friedens von1648 begann man in Crossen bereits mit demWiederaufbau der Stadt. Ziemlich schnellwurden zahlreiche öffentliche Gebäudeerrichtet und neue Wohnhäuser gebaut. Heutefehlen uns leider detaillierte Überlieferungen,wie die neue Stadt damals ausgesehen hat, diemeisten historischen Quellen sind nämlichwährend des katastrophalen Stadtbrandes1708 verbrannt.

    Das älteste erhaltene Stadtbild stammt ausdem Jahr 1680 und wurde von einemholländischen Offizier namens Door von Callangefertigt. Er muss zu den Lehrmeisterngehört haben, die Kurfürst Friedrich Wilhelmaus der Heimat seiner Frau Louise Henriettevon Oranien herbeigerufen hatte, um beimWiederaufbau seines Landes zu helfen. Doorvan Call fertigte damals mehrere für dieTopographie der Stadt Crossen äußerstwichtige Ansichten an.95 Zwei von diesenkonnte die Autorin dieses Buches ausfindigmachen: Eine zeigt im Vordergrund dieBebauung auf der Bergseite um dieAndreaskirche herum und im Hintergrund dieAltstadt. Dieses ein bisschen verzerrt wirkende

    Panorama stellt auf der rechten Seite die Oderdar und ganz links im Bild, dort wo wir so gerndas alte Schloss sehen würden, steht imVordergrund eine große Fichte. Die Aufmer-ksamkeit des Betrachters richtet sich auf denhochragenden Turm der Pfarrkirche, derdeutlich höher ist als die anderen Gebäude.Seine Form ist vollkommen anders als die, dieer dann nach dem Brand von 1708 bekam.Auch die Andreaskirche ähnelt dem uns heutebekannten Gotteshaus nicht. Es ist einFachwerkgebäude, das erst 1634 wiederaufgebaut wurde und dann keinen Turm mehrhatte.

    Wie die Raumplanung der Stadt ausgesehenhaben könnte, erfahren wir, wenn auch invereinfachter Form, aus einer Skizze desStadtplanes aus dem Jahr 1650, die Matthiasaufgrund ihm zugänglicher Quellen 1849anfertigte. Die von den Schweden getroffenenVeränderungen sowie die so genanntenSchwedenschanzen sind hier ganz deutlich zuerkennen. Die Stadt bekam damit denCharakter einer Festung: von Mauernumgeben und mit einem Wassergrabenabgegrenzt macht sie den Eindruck einesuneinnehmbaren Bollwerks. Der Eingang indie Stadt wurde von drei Toren überwacht,deren hohe Türme die Silhouette von Crossenwesentlich prägten.

    Wie diese Tore ausgesehen haben, lässt sicham Stadtbild, das Daniel Petzold auf einemStich darstellte, erkennen. Dieses Bild ist auf1711 datiert, muss jedoch vor 1705 angefertigtworden sein. Das Odertor scheint kleiner alsdie anderen zu sein und hat eine scharfe Spitzemit Stern. Das Steintor besaß einen hohenTurm mit Satteldach. Das geräumige Innerebot Raum für Wachstuben und auch fürWohnräume. Das Glogauer Tor zierte einwuchtiger Turm, dessen übergebaute Krönungim Renaissancestil waagerecht abschloss.Alle Stadttore hatten Zugbrücken, die dieÜberquerung des Stadtgrabens ermöglichten.In der Mitte des Marktplatzes stand dasRenaissancerathaus mit seinem zierlichen,schlanken Turm, der dem Turm des Rathausesin Grünberg oder in Züllichau auf ein Haar

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    Stadtpanorama gezeichnet 1680 von Door van Call

    Panorama miasta autorstwa Doora van Calla z 1680

  • glich. Bis zum DreißigjährigenKriege ragte von dem Satteldachdes Rathauses dieser Turm mitUhr und kupferner Kuppel empor,der nach dem Brand von 1631zunächst nicht wieder aufgebautworden war und erst von einemSchweden, Peter Jonassohn, 1673neu angefertigt wurde. In seinemnördlichen Teil befand sich dasKaufhaus und anfänglich auch dieApotheke, die später verlegtwurde. Matthias beruft sich aufMöller und erzählt folgendeGeschichte dazu: Es war aberan der Schenkstube ein kleinKämmerlein in dem Turm angel-egt, nach einen Hut oder Schraubedarin zu verwahren. DiesesKämmerlein ließ ein Schenke demanderen erweitern durch Abbauender Ecken, das endlich gar etlicheSauf– und Spielbrüder darinincognito sitzen könnten. Dadurchwar der Grund geschwächtworden.96 Der Rathausturm stürzte am 10. Mai1705 mit gewaltigem Krach ein. Ehe man andie Wiederherstellung des Turmes denkenkonnte, brach dann das bereits erwähnte großeFeuer aus. Erst danach wurde das nun völligabgebrannte Rathaus an die Nordseite desMarktes verlegt und neu aufgebaut.97

    Auf dem Stich von Petzold ist auch derhöchste aller Türme gut zu sehen, der derMarienkirche.98 Das war ein gewaltiger,wuchtiger Steinkoloss, dessen vier geradeemporragende Seiten durch vier Simsegegliedert wurden. Jede Seite trug dreischmale, hohe Einbuchtungen, vielleichtFenster. Oben schloss ihn ein Zierrand ab. EinSatteldach mit zwei Fähnchen war darübersichtbar. Die Kirche wurde gleich nach demBrand von 1631 neu aufgebaut, der Turmjedoch bekam seine Form erst in der Mitte des17. Jahrhunderts. Bereits in den ersten Jahrendes 18. Jahrhunderts erwies sich die Kirche alszu klein und es wurden Pläne für deren Ausbauangefertigt. Mit den Arbeiten begann man im

    Jahr 1705. Da jedoch dieses Unternehmenfinanziell nicht gesichert war, wurden dieBauarbeiten unterbrochen und erst 1707wieder aufgenommen. Das damals aufgestellteBaugerüst brannte dann mitsamt der Kircheam 8. April des folgenden Jahres ab. Danachdauerten die Bauarbeiten weitere zwanzigJahre, bis die Pfarrkirche die uns heutebekannte, schöne barocke Form bekam.

    Das Crossener Schloss mit seinem Uhrturmzeigt sich auf dem Stich von Petzoldmajestätisch und seine Architektur unter-scheidet sich deutlich von der der Stadt. Infolgedes von den Schweden unternommenenUmbaus war es nun von allen Seiten mitWassergräben umgeben. Der Zugang zumSchloss erfolgte durch einen viereckigenTorturm und über eine Zugbrücke. Das Schlosshatte auch eine eigene Wassermühle und gegenEnde des 17. Jahrhunderts kamen imnördlichen Teil des Geländes noch zwei weitereWirtschaftsgebäude hinzu.

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    Stadtplan von Crossen im Jahr 1400 nach Matthias

    Plan miasta Krosna w 1650 wed³ug Matthiasa