NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen...

29
Kommunales Netzwerk für Qualitätsmanagement in der Kindertagesbetreuung Institut für angewandte Familien-, Kindheits- und Jugendforschung e.V. NEWSLETTER Nr.4/2015 Der Umgang mit Flüchtlingskindern in Kindertagesstätten © IFK e.V. 1. Denkanstöße zum Thema Anlässlich der aktuellen Flüchtlingssitua- tion werfen wir in diesem Newsletter einen genaueren Blick auf den Umgang mit Flüchtlingskindern in Kindertagesstätten. Denn Flüchtlingskinder haben ab dem voll- endeten 1. Lebensjahr denselben Rechts- anspruch auf einen Kitaplatz wie alle ande- ren Kinder in Deutschland. Dieser Rechts- anspruch gilt, sobald die Familie (spätes- tens nach drei Monaten) aus der Erstauf- nahmeeinrichtung in eine Anschlussunter- kunft zieht. Dasselbe Prinzip besteht für die Schulpflicht. Mit der Anmeldung an dem Ort, der der Familie durch die Erstaufnah- meeinrichtung zugewiesen wurde, beginnt die Schulpflicht. Somit haben die Kinder ei- nen Anspruch auf einen Hort-Platz. Sobald die Familie in einer Anschlussunterkunft aufgenommen wurde, hat sie außerdem ei- nen Anspruch auf die Übernahme der El- ternbeiträge durch das Jugendamt bei feh- lender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit (§ 90 SGB VIII). Der Umgang mit Flüchtlingskindern in Kindertagesstätten 1. Denkanstöße zum Thema 2. Diskurs Kita – Wissenschaft 3. Eine Kita stellt sich vor 4. Aktuelles aus Recht, Politik und pädagogischer Praxis 5. KomNet-QuaKi-News Die Genfer Flüchtlingskonvention definiert einen Flüchtling als eine Person, die „...aus der begründe- ten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Reli- gion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimm- ten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in An- spruch nehmen will“ (Art. 1A Nr. 2). Ein Mensch wird erst dann zu einem Flüchtling, wenn er eine Staatsgrenze übertreten hat. Menschen, die inner- halb ihres Landes auf der Flucht sind, gelten als Bin- nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht- lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Eritrea Syrien, Arabische Republik Serbien Albanien Afgahnistan Irak Mazedonien Pakistan Nigeria ungeklärt staatenlos sonstige Hauptherkunftsländer Oktober 2015 (in %)

Transcript of NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen...

Page 1: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

Kommunales Netzwerk für Qualitätsmanagement in der Kindertagesbetreuung

Institut für angewandte Familien-, Kindheits- und Jugendforschung e.V.

NEWSLETTER Nr.4/2015

Der Umgang mit Flüchtlingskindern in Kindertagesstätten

© IFK e.V.

1. Denkanstöße zum Thema

Anlässlich der aktuellen Flüchtlingssitua-tion werfen wir in diesem Newsletter einen genaueren Blick auf den Umgang mit Flüchtlingskindern in Kindertagesstätten. Denn Flüchtlingskinder haben ab dem voll-endeten 1. Lebensjahr denselben Rechts-anspruch auf einen Kitaplatz wie alle ande-ren Kinder in Deutschland. Dieser Rechts-anspruch gilt, sobald die Familie (spätes-tens nach drei Monaten) aus der Erstauf-nahmeeinrichtung in eine Anschlussunter-kunft zieht. Dasselbe Prinzip besteht für die Schulpflicht. Mit der Anmeldung an dem Ort, der der Familie durch die Erstaufnah-meeinrichtung zugewiesen wurde, beginnt die Schulpflicht. Somit haben die Kinder ei-nen Anspruch auf einen Hort-Platz. Sobald die Familie in einer Anschlussunterkunft

aufgenommen wurde, hat sie außerdem ei-nen Anspruch auf die Übernahme der El-ternbeiträge durch das Jugendamt bei feh-lender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit (§ 90 SGB VIII).

Der Umgang mit Flüchtlingskindern in Kindertagesstätten 1. Denkanstöße zum Thema 2. Diskurs Kita – Wissenschaft 3. Eine Kita stellt sich vor 4. Aktuelles aus Recht, Politik und pädagogischer Praxis 5. KomNet-QuaKi-News

Die Genfer Flüchtlingskonvention definiert einen Flüchtling als eine Person, die „...aus der begründe-ten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Reli-gion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimm-ten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in An-spruch nehmen will“ (Art. 1A Nr. 2). Ein Mensch wird erst dann zu einem Flüchtling, wenn er eine Staatsgrenze übertreten hat. Menschen, die inner-halb ihres Landes auf der Flucht sind, gelten als Bin-nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz.

2,3

53,5

1,6

8,6

7,1

7,71,3

1,91,8

2,2

1,3

12,5

Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Eritrea

Syrien, Arabische Republik

Serbien

Albanien

Afgahnistan

Irak

Mazedonien

Pakistan

Nigeria

ungeklärt

staatenlos

sonstige

Hauptherkunftsländer Oktober 2015 (in %)

Page 2: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

2

© IFK e.V.

Die Mehrheit der Flüchtlinge kommt aktu-ell aus Syrien, Albanien, Irak und Afghanis-tan (siehe Grafik auf Seite 1). Davon ist je-der siebte Flüchtling, der nach Deutschland einreist, laut Bundesinnenministerium jün-ger als sechs Jahre. Ein Drittel der Einwan-derer insgesamt sind Kinder. Die Hälfte der Menschen, die täglich zu uns kommen, wird nach Schätzungen auch hier bleiben. Umso wichtiger für ihre Eingliederung und ihr Wohlbefinden ist die frühe Integration von Flüchtlingskindern in Kindertagesstät-ten und Schulen. Der Zugang zu einer Kita

wird jedoch oftmals erschwert, da die Flüchtlingsunterkünfte vielerorts weit ab-gelegen liegen und die erforderliche Mobi-lität für einen Kita- oder Schulbesuch (keine Fahrräder, kein Geld für die öffentlichen Verkehrsmittel etc.) nicht vorhanden ist.

Wie sieht die rechtliche Situation von Flüchtlingskindern aus?

Das deutsche Ausländergesetz regelt den rechtlichen Status von Flüchtlingen, kennt aber keine spezifischen Bestimmungen für Kinder. Hingegen enthält die UN-Kinder-rechtskonvention (siehe Kasten links), die auch Deutschland unterschrieben hat, Ver-einbarungen zum Umgang mit Flüchtlings-kindern – leider wird diese aber zumeist nicht beachtet und hat daher auch keinen Eingang in die Aufnahmekriterien und Richtlinien der Asylgesetze gefunden. So werden bspw. Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren nach dem deutschen Asyl-recht immer noch wie Erwachsene behan-delt. Diese enorme Benachteiligung von Flüchtlingskindern in Deutschland sowie das Zuwiderhandeln deutscher Behörden gegen die Kinderrechtskonvention hat auch die 2014 erschienene Unicef-Studie „In erster Linie Kinder“ aufgezeigt.

Wichtig ist zu beachten, dass Flüchtling nicht gleich Flüchtling ist. Die in Deutsch-land lebenden Flüchtlinge unterscheiden sich u.a. hin-sichtlich ihres Fluchthinter-grundes, ihres Aufenthaltssta-tus und ihrer damit verbun-den Rechte. Aber auch schon die Dauer, die eine Familie im Asyl-verfahren verbringt – d.h. die Überprüfung des Asylantrages – variiert je nach Her-kunftsland stark. So betrug z.B. 2014 die Bearbeitungszeit für afghanische Anträge

UN-Kinderrechtskonvention, Artikel 22

(1) Die Vertragsstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um sicherzustellen, dass ein Kind, das die Rechtsstellung eines Flüchtlings begehrt oder nach Maßgabe der anzuwen-denden Regeln und Verfahren des Völker-rechts oder des innerstaatlichen Rechts als Flüchtling angesehen wird, angemessenen Schutz und humanitäre Hilfe bei der Wahr-nehmung der Rechte erhält, die in diesem Übereinkommen oder in anderen internati-onalen Übereinkünften über Menschen-rechte oder über humanitäre Fragen, denen die genannten Staaten als Vertragsparteien angehören, festgelegt sind, und zwar unab-hängig davon, ob es sich in Begleitung seiner Eltern oder einer anderen Person befindet o-der nicht. (2) Zu diesem Zweck wirken die Vertrags-staaten in der ihnen angemessen erschei-nenden Weise bei allen Bemühungen mit, welche die Vereinten Nationen (…) unter-nehmen, um ein solches Kind zu schützen, um ihm zu helfen und um die Eltern oder an-dere Familienangehörige eines Flüchtlings-kinds ausfindig zu machen mit dem Ziel, die für eine Familienzusammenführung not-wendigen Informationen zu erlangen. Kön-nen die Eltern oder andere Familienangehö-rige nicht ausfindig gemacht werden, so ist dem Kind im Einklang mit den in diesem Übereinkommen enthaltenen Grundsätzen derselbe Schutz zu gewähren wie jedem an-deren Kind, das aus irgendeinem Grund dau-ernd oder vorübergehend aus seiner famili-ären Umgebung herausgelöst ist.

Page 3: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

3

© IFK e.V.

15,9 Monate, für syrische Anträge 4 Mo-nate.

Die Asylverfahren berücksichtigen bisher nur unzureichend bis gar nicht das Recht der Kinder auf Beteiligung an den sie be-treffenden Angelegenheiten oder das Kin-deswohls. Im Verfahren werden die Kinder, die mit ihren Familien kommen, dement-sprechend nicht befragt oder ihre Eltern beteiligen sie nicht am Verfahren, auch wenn häufig die Fluchtgründe mit den Kin-dern zu tun haben können (drohende Rek-rutierung als Kindersoldaten, drohende Zwangsheirat/Menschenhandel, Sippen-haft, Beschneidung, Kinderhandel, Kinder-prostitution). Dabei könnten solche kind-bezogenen Fluchtgründe auch Eltern den Aufenthalt sichern. Die bedrohte Zukunft des Kindes wird jedoch nur selten in die Entscheidungsfindung eingeschlossen.

Der Aufenthaltsstatus wird in dauerhaft si-cher, (EU-Aufenthaltsrecht, Niederlas-sungserlaubnis), vorübergehend sicher (Aufenthaltserlaubnis – ist immer befristet, wird aber bei weiteren Vorliegen der Gründe verlängert) bis hin zum unsicheren Status (Duldung) unterteilt. Die Ergebnisse der Asylanträge sind stark an die Herkunfts-länder gebunden. Syrische Flüchtlinge er-halten mit hoher Wahrscheinlichkeit einen sicheren Aufenthaltsstatus, wohingegen Personen aus den Balkanstaaten – die als sichere Herkunftsstaaten gelten – nur mini-male Chancen auf ein Bleiberecht haben.

Wird dem Asylantrag nicht stattgegeben, droht der Familie die Abschiebung. Aber selbst diese kann vorübergehend ausge-setzt werden, d.h. die Familie wird „gedul-det“, da auf Grund von Hindernissen die Ausreise nicht möglich ist (z. B. Krankheit, keine Identitätspapiere, keine Rücknahme durch das Herkunftsland etc.). Duldungen werden immer nur für kurze Fristen (1 bis 3 Monate) erteilt und müssen dann wieder verlängert werden. Mindestens 200.000 Menschen leben derzeit als Geduldete in Deutschland, zum Teil seit mehr als zehn

Jahren. Duldungen gehen mit vielen Ein-schränkungen hinsichtlich der Freizügig-keit, der Arbeitsberechtigung oder dem Zu-gang zu Bildung und medizinischer Versor-gung einher. Zumeist leben „Geduldete“ dauerhaft in Gemeinschaftsunterkünften und wissen nicht, ob sie Morgen schon ab-geschoben werden oder vielleicht doch noch dauerhaft in Deutschland bleiben können.

Einen „Sonderstatus“ nehmen die unbe-gleiteten minderjährigen Flüchtlinge ein, die zumeist über zehn Jahre alt sind und etwa drei Prozent (3.000-4.000 pro Jahr) der Flüchtlinge ausmachen. Diese Kinder unterstehen nach ihrer Ankunft in Deutsch-land dem Jugendamt, erhalten einen Vor-mund und sind rechtlich dem Kinder- und Jugendhilfesystem (SGB VIII) unterstellt. Dadurch sind die unbegleiteten minderjäh-rigen Flüchtlinge in einigen Aspekten, z. B. der Gesundheitsfürsorge, besser gestellt, als Kinder, die mit ihren Eltern nach Deutschland kommen. Auch können sie sich in Asylanhörungen äußern und haben im günstigsten Fall einen Dolmetscher.

Wie leben Flüchtlingskinder in Deutschland?

Innerhalb des Asylverfahrens können Flüchtlinge ihren Wohnort nicht frei wäh-len, sondern werden nach ihrer Ankunft in Deutschland in sogenannten Erstaufnah-melagern untergebracht. Wieviel Zeit sie dort verbringen ist von Bundesland zu Bun-desland unterschiedlich. Danach werden sie häufig auf Gemeinschaftsunterkünfte verteilt, je nach Aufenthaltsstatus können sie eigene Wohnungen beziehen oder zu

Page 4: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

4

© IFK e.V.

Verwandten ziehen. Bezahlbarer Wohn-raum ist jedoch knapp, insbesondere im ländlichen Raum. Darüber hinaus müssen Vermieter gefunden werden, die Wohnun-gen an Flüchtlinge vermieten. Der Haupt-teilt der Flüchtlinge lebt aber in Erstaufnah-melagern oder Gemeinschaftsunterkünf-ten – dies oftmals über Jahre. Für die Kin-der bedeutet das fehlende Rückzugsmög-lichkeiten, mangelnde Privatsphäre und fehlende Ruhezeiten während der Nacht. Auch fehlen geeignete Räume zum Spielen und es herrschen nur mangelnde Freizeit-möglichkeiten. Möglichkeiten, um Eltern und Kinder über die durch die Kinder-rechtskonvention garantierten Rechte und deren Inanspruchnahme aufzuklären, be-stehen in den Erstaufnahmelagern kaum.

Auch erhalten Flüchtlinge im Asylverfahren oder Geduldete – auf der Grundlage des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) – geringere Sozialleistungen als Deutsche, die ALG II („Hartz IV“) beziehen. In der Re-gel erhalten Asylbewerber und Geduldete auch kein Kindergeld, Kinderzuschlag oder Elterngeld.

Medizinische Versorgungen werden nur bei akuten Erkrankungen oder Schmerzzu-ständen, bei unaufschiebbaren zahnärztli-chen Maßnahmen oder bei Schwanger-schaft und Geburt vorgenommen. Diese Maßnahmen müssen aber zuvor von den Ämtern genehmigt werden. Im Sinne des Infektionsschutzgesetzes werden die Flüchtlinge in den Erstaufnahmelagern aber auf ansteckende Krankheiten hin un-tersucht. Das Kind ist dann bei Vorliegen ei-ner entsprechenden Erkrankung (bei sich oder einem Mitglied seiner Familie) vorerst vom Kitabesuch ausgeschlossen. Impfun-gen, entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission, werden i.d.R. in den Erstaufnahmeeinrichtungen vorge-nommen. Ein Anspruch auf Notfallversor-gung, bspw. bei einem Unfall oder Erkran-kung in der Kita, besteht aber von Anfang

an, sodass die Kita in diesen Fällen wie ge-wohnt vorgehen kann.

Eine gesunde Versorgung für die Kinder ist aber erschwert, da die Essenspakete, die zumeist an die Familien ausgeteilt werden, nur unzureichend eine kindgerechte Ernäh-rung gewährleisten. Weiterhin ist der Zu-gang zu öffentlich geförderten Sprachkur-sen oder dem Arbeitsmarkt eingeschränkt. Hinzu kommt die Angst vor Rückführungen. Diese wird verstärkt, wenn die Abschie-bung anderer Flüchtlinge miterlebt wird.

Große Benachteiligungen gibt es für Kinder im Bereich der Bildung. Viele Flüchtlings-kinder werden außerhalb der Regelschulen in den Flüchtlingslagern unterrichtet, was einen gleichwertigen Zugang zu Bildung und eine soziale Integration verhindert. Zu-dem ist es in einigen Bundesländern gän-gige Praxis, das Flüchtlingskinder aufgrund ihrer mangelnden Deutschkenntnisse in Haupt- oder Förderschulen unterrichtet werden, auch wenn sie über gute Vorbil-dung verfügen. Prekär ist die Lage für die Kinder ohne Aufenthaltspapiere. In einigen Bundesländern sind Kitas und Schulen im-mer noch verpflichtet, den Behörden zu melden, wenn sie erfahren, dass ein Kind keine Aufenthaltspapiere hat. Aufgrund der Angst entdeckt zu werden, schicken viele Eltern ihre Kinder erst gar nicht in die Kita oder Schule.

Page 5: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

5

© IFK e.V.

Wie geht es Flüchtlingskindern, wenn Sie nach Deutschland kommen?

Flüchtlingskinder kommen laut einer Un-tersuchung der TU München vermehrt mit Karies, Atemwegserkrankungen und Infek-tionen nach Deutschland. Weitaus häufiger sind sie aber traumatisiert.

Das Miterleben von Krieg, Tod, Folter und die z.T. monatelange Flucht können bei den Kindern zu Traumata führen. Auch die sozi-ale Isolation und Diskriminierung im An-kunftsland können dazu beitragen.

Ein Trauma ist ein Erlebnis, das für den Menschen (oder ihm nahestehenden Per-sonen) eine unmittelbare Lebensbedro-hung darstellt, bei dem die bestehenden Bewältigungsstrategien versagen und der Mensch die Kontrolle über die Situation verliert. Verbunden ist ein traumatisches Ereignis mit Gefühlen von Hilflosigkeit, To-desangst, extremer Panik und existentieller Angst. Kinder machen dabei die fundamen-tale Erfahrung, nirgendwo sicher zu sein – oft ist für sie nicht mehr erkennbar wer Freund und wer Feind ist. Aber selbst im Ankunftsland können ihre Eltern sie nur be-dingt auffangen, da sie oft selber hilflos der Bürokratie, dem fremden Land und der fremden Sprache, der Arbeitslosigkeit und der finanziell schwierigen Situation ausge-setzt sind. Diese Not kann sich noch zusätz-lich auf die Kinder übertragen.

Während der traumatischen Erlebnisse (und auch danach) aktiviert das Gehirn ein Notfallprogramm, um weitere Verletzun-gen zu vermeiden. Die erhöhte Reizbarkeit, Angst und Aggressivität dienen dabei als Verhaltensweisen, um sich vor weiteren Gefahrensituationen zu schützen. Diese Verhaltensweisen bestehen aber auch dann weiter, wenn sich der Mensch wieder in Sicherheit befindet und können von die-sem nicht ohne weiteres bewusst gesteu-ert oder verändert werden.

Die Folgen einer Traumatisierung können sein:

PTBS (Posttraumatische Belastungsstö-rung)

Angststörungen,

Depressionen,

andauernde Persönlichkeitsverände-rung,

körperliche Beschwerden (Magen- und Darmprobleme, Müdigkeit, Essstörun-gen)

Verhaltensauffälligkeiten (ängstlich, traurig, unruhig, zappelig, schreckhaft, aggressiv, in sich zurückgezogen)

Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist hierbei eine verzögerte psychi-sche Reaktion auf die erlebten Ereignisse (Traumata), die vor allem durch das Wie-dererleben der traumatischen Ereignisse geprägt ist. Weitere Kennzeichen können sein:

Verringerte Reizschwelle (Angst vor lau-ten Geräuschen, Dunkelheit oder Allein-sein, erhöhte Wachsamkeit)

Beeinträchtigung der Affektwahrneh-mung und -differenzierung (z. B. können an sich positive Gefühlsbotschaften wie Freude oder emotionale Zuwendung ne-gativ aufgefasst werden)

Impulssteuerungsprobleme (z. B. Jäh-zorn, überschießende Reaktionen, allge-meine Reizbarkeit, unkontrollierte Ge-fühlsäußerungen wie Wut- oder Wein-anfälle)

„Ein Trauma ist dadurch gekennzeichnet,

dass die dem Individuum zur Verfügung ste-

henden Bewältigungsmechanismen in Be-

zug auf den von außen kommenden Angriff

versagen. Ein Gefühl des Überwältigtseins

stellt sich ein, die Kontrolle über die Situa-

tion und das psychische Gleichgewicht bre-

chen zusammen. Der Handlungsspielraum

ist stark eingeschränkt, die inneren Bilder

von sich selbst und von der Welt sind be-

droht.“ (Maywald 2013, S. 22)

Page 6: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

6

© IFK e.V.

Körperliche Beschwerden

Erinnerungsverlust, Verleugnung

Starkes Klammern an Bezugspersonen

Hohe Fürsorglichkeit und Schuldgefühle den Eltern gegenüber

Zu beachten ist dabei, dass die Symptome eine sinnvolle („normale“) Reaktion auf eine in hohem Maße schädigende („unnor-male“) Umwelt darstellen. Treten mehrere dieser Symptome oder einzelne Symptome über längere Zeit (d.h. über mehrere Wo-chen) auf, sollte in Absprache mit den El-tern der Kontakt zu einem psychologischen Fachdienst hergestellt werden.

Traumatisierte Kinder können auch ein so-genanntes Entwicklungstraumata entwi-ckeln, für welches verzögerte Entwicklun-gen oder Bindungsstörungen typisch sind. Laut der herkömmlichen Bindungstheorie reagieren Kinder mit unsicher-vermeiden-dem Bindungstyp in Stresssituationen eher gefühlskalt, unnahbar und sie verhalten sich z.T. aggressiv. Zuwendung lehnen sie vorwiegend ab. Kinder mit unsicher-ambi-valentem Verhalten dagegen können sich in stressreichen Situationen einerseits an ihre Bezugspersonen klammern, aber ag-gressiv auf Tröstungsversuche reagieren. Diese Verhaltensweisen können sich ver-stärken und zu Bindungsstörungen entwi-ckeln, wenn die Eltern aufgrund eigener Belastungen, nicht angemessen auf die Sig-nale der Kinder eingehen können. Anzei-chen dafür können einerseits ausgeprägtes aggressives und selbstverletzendes Verhal-ten sein, aber auch – und das bleibt schnel-ler unbemerkt - ein sehr braves, angepass-tes und unauffälliges Verhalten der Kinder. Es bedarf in einem solchen Fall einer um-fangreichen Beobachtung durch die Fach-kräfte.

Doch nicht jedes Kind oder jeder Erwach-sene erleidet ein Trauma – die konkreten Gründe der Vertreibung und die Erleb-nisse/Umstände der Flucht und deren In-tensität beeinflussen das Auftreten bzw.

das Ausmaß des Traumas. Hinzu kommt, dass sowohl der Entwicklungsstand als auch das Vorhandensein schützender Fak-toren (Resilienz) – wie z. B. unterstützende Bezugspersonen – darauf Einfluss nehmen. Schätzungen gehen davon aus, dass in etwa ein Drittel der Flüchtlinge bereits traumati-siert ist. Alle weiteren haben ein erhöhtes Risiko ein Trauma zu entwickeln.

Entsprechend dem Konzept der „Sequenti-ellen Traumatisierung“ nach Hans Keilson ist die Heilung eines Traumas entscheidend davon abhängig, ob der Mensch direkt nach den traumatischen Erlebnissen Unter-stützung und Wertschätzung oder Ableh-nung und Diskriminierung erfährt. Keilson versteht das Trauma als sozialen Prozess, der sich nach und nach entwickelt. Bei Flüchtlingskindern ist ein Trauma durch drei zeitliche Sequenzen gekennzeichnet:

Sequenz 1 – Aufbruch: In dieser Phase ist entscheidend, welche Beweggründe zur Flucht geführt haben und wie der Aufbruch erlebt wurde: Wie erleben Kinder die Ent-scheidung zur Flucht? Wie plötzlich kam diese Entscheidung für sie? Verstehen Sie die elterlichen Beweggründe? Konnten Sie sich von Freunden/Freundinnen oder Ver-wandten verabschieden? Welche Erleb-nisse führten zur Flucht und wie extrem waren diese? Fühlen sie sich von den Eltern geschützt? Der Verlust vertrauter Men-schen und Orte äußert sich z. T. über Ver-haltensweisen wie Wut und Aggression, da andere Verhaltensweisen nicht zur Verfü-gung stehen.

Diskriminierung (lateinisch: discriminare:

trennen, abgrenzen, unterscheiden): Per-

sonen oder Gruppen werden diskriminiert,

wenn sie aufgrund von bestimmten Merk-

malen wie Herkunft, Hautfarbe usw. be-

nachteiligt oder herabgewürdigt werden.

Page 7: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

7

© IFK e.V.

Sequenz 2 – Flucht: Diese Sequenz kann unterschiedlich lange dauern und birgt neue traumatische Erlebnisse: Wie lange dauert die Flucht? Flieht die Familie alleine oder in einer Gruppe? Wird die Flucht „pro-fessionell“ organisiert? Welchen Gefahren, Erlebnissen sind die Kinder während der Flucht ausgesetzt?

Sequenz 3 – Ankunft: Diese Phase umfasst den Zeitraum der Ankunft, die Aufnahme im Erstaufnahmelager und die Orientie-rung im neuen Land. Alles ist neu und un-bekannt. Wichtig in dieser Phase sind das

Gefühl der Sicherheit, Stabilität und die ge-sellschaftliche Integration. Die Kita hat hier vielfältige Möglichkeiten, positiv auf den Heilungsprozess einzuwirken.

Jedoch kann alles, was erneut Ohnmachts-gefühle auslöst, zu einer Retraumatisie-rung führen. Dazu zählen unter anderem die Bedingungen des Asylverfahrens wie Anhörungen, Ablehnung, fremdbestimmte Unterbringung, Arbeitsverbot, Abhängig-keit, Isolation, Warten, Abschiebedrohung etc.

2. Diskurs Kita – Praxis

Eine klassische Kitabetreuung ist nicht für jedes Flüchtlingskind angebracht, da eine – auch nur zeitweise – Trennung von ihren El-tern erneut traumatisierend wirken kann. In solchen Fällen würden sich dann soge-nannte Eltern-Kind-Gruppen anbieten.

Wenn aber die Aufnahme eines Flüchtlings-kindes in einer Kita bevorsteht, werden sich bei den pädagogischen Fachkräften wohl viele Fragen einstellen: Wie können wir uns mit dem Kind verständigen? Mit welchen Beschwerden/Traumata kommt das Kind zu uns? Wie können wir eine gelingende Eingewöhnung gestalten? Wie können wir

das Kind im Kompetenz- und Zweitsprach-erwerb unterstützen? Auf welche kulturel-len Unterschiede müssen wir achten (Was darf es essen? Darf es im Sommer nackt durch den Garten laufen?) etc.

Welche Möglichkeiten gibt es, traumatisierte Kinder im Kita-Alltag zu unterstützen?

Im Umgang mit Flüchtlingskindern ist es zu-allererst bedeutsam, den Kindern ein Ge-fühl von innerer und äußerer Sicherheit zu vermitteln und Überforderungen zu ver-meiden. Danach erst können dem Kind Kompetenzen vermittelt werden, um das eigene Leben verstehen und wieder eigen-ständig handhaben zu können – Selbstwirk-samkeit, Handlungssicherheit und Emoti-onsregulation müssen wieder aufgebaut werden. Dafür muss der Blick weg vom Op-ferstatus hin zur Ressourcenorientierung erfolgen und positive Erfahrungen und Er-lebnisse – insbesondere auch in der Ge-meinschaft anderer Kinder – ermöglicht werden.

Förderung des Bewusstseins von

Einzigartigkeit: Das-bin-ich-Collage

Die Kinder richten ihre Aufmerksamkeit auf

ihre individuellen Besonderheiten, Interes-

sen und Empfindungen: „Das bin ich, diese

Interessen habe ich, ich bin eben ich“. In

der Mitte eines großen Pappkartons klebt

das Kind ein Foto von sich selber. Um dieses

herum kommen Dinge, die es besonders

mag: seine Geschwister, seine Hobbies,

seine Haustiere oder seine Lieblingsspiel-

zeuge. Hier ist auch Platz für seine Wün-

sche, wie etwa den Berufswunsch oder

auch ein ganz besonderer Weihnachts-

wunsch.

Page 8: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

8

© IFK e.V.

Eingewöhnung und Willkommenskultur

Die Eingewöhnung von Flüchtlingskindern stellt noch einmal besondere Ansprüche an die pädagogischen Fachkräfte. Denn die Eingewöhnungsphase kann, entsprechend der Bedürfnisse der Kinder und Eltern, ei-nen längeren Zeitraum als bei deutschen Kindern einnehmen. Auch sollten wenn möglich Hintergrundinformationen zum Land und zur Fluchtgeschichte eingeholt werden. Hierzu ist es wichtig, selbstver-ständliches im Eingewöhnungsprozess zu hinterfragen. So sollten Informationsblät-ter in mehreren Sprachen vorliegen (für Brandenburg zu finden unter: http://www.mbjs.brandenburg.de/sixcms/de-

tail.php/bb1.c.358366.de), mit Bildern gear-beitet werden (die einzelnen Bereiche wie Büro etc. sollten bildhaft dargestellt wer-den), den Eltern auch später angeboten werden, zu hospitieren oder einfach mal am Kitaalltag teilzunehmen. Hierbei ist es bedeutend, die Eltern in ihrer Handlungsfä-higkeit zu stärken und ihnen nicht alles ab-zunehmen.

Installieren Sie respektvoll aber offensiv eine Willkommenskultur. Die Gruppenein-führung der Kinder sollte daher sehr be-wusst gestaltet werden, damit ihnen das Ankommen erleichtert wird:

Zunächst kann das Kind von allen Kin-dern aktiv begrüßt werden. Dann kann mit den Kindern anhand einer Kinder-weltkarte besprochen werden, aus wel-chem Land das Kind kommt, welche Sprache dort gesprochen wird, welche Gewohnheiten es dort gibt (Essgewohn-heiten, Lebensweisen) und welchen Weg bis nach Deutschland das Kind mit seiner Familie zurückgelegt hat.

Ältere Kinder können als Paten/Patin-nen für die neuankommenden Kinder dienen. Sie zeigen ihnen die verschiede-nen Spielbereiche, das Spiel- und Bastel-material und sind für sie Ansprechpart-ner/in und Bezugsperson. So lernen die Kinder von anderen Kindern und erhal-ten neben den Fachkräften auch eine si-chere Basis zu den Kindern, von der aus sie die neue Umgebung erkunden kön-nen.

Auch ein Willkommensritual für das Kind (und die Eltern) kann das Ankom-men erleichtern. Hier ist darauf zu ach-ten, die Menschen nicht zu überrum-peln und sie auch erst einmal ankom-men zu lassen. Ideal wäre, sie in die Or-ganisation des Willkommensfestes zu integrieren.

Eine Weltkarte kann in der Kita ange-bracht werden und mit Einstecknadeln, die Länder markiert werden, aus denen die Kinder kommen.

Förderung des Bewusstseins eigener

Kompetenzen - Gedicht:

„Was ich alles kann“ Mit den Füßen kann ich gehen,

mit den Augen kann ich sehen.

Auf den Knien kann ich kriechen,

mit der Nase kann ich riechen.

Meinen Hals, den kann ich drehen

und auf einem Bein nur stehen.

Mit den Händen kann ich winken,

mit dem Mund essen und trinken.

Mit den Lippen kann ich spucken,

und mein Rücken kann sich ducken.

Mit der Zunge kann ich lecken,

mit den Armen mich hochstrecken.

Mit den Zähnen kann ich kauen,

zwischen Fingern hindurchschauen.

Ich kann auf meinem Popo sitzen

oder steh’n auf Zehenspitzen.

Mit den Beinen kann ich springen,

mit der Stimme sehr schön singen.

Damit kann ich dich gut stören,

deine Ohren müssen’s hören.

Page 9: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

9

© IFK e.V.

Die Kita als sicheren Ort gestalten

Bei jedem Kind muss individuell geschaut bzw. mit dem Kind/den Eltern ausgehan-delt werden, was für ihn Sicherheit bedeu-tet. Das eine Kind kann so bspw. besondere Rückzugsorte benötigen; für das andere Kind müssen die Heißklebepistolen ver-bannt werden, weil diese es an Waffen er-innert; ein weiteres Kind benötigt in den Übergangssituationen verstärkte Beglei-tung etc. Wichtig ist es, die individuellen angstauslösenden Situationen/Elemente zu erkennen und diese zu vermeiden. Auch

die Unterstützung des Kindes in der Emoti-ons- und Stressregulation ist hier entschei-dend und schafft Sicherheit. Hierfür sind stabile Beziehungen für das Kind von hoher Bedeutung.

Aber auch die Tagesgestaltung muss dem Kind Sicherheit vermitteln. Dafür besitzen viele Kitas bereits einen guten Rahmen. Eine Reflexion der eigenen Strukturen bie-tet sich aber für jede Einrichtung an:

Wie transparent und nachvollziehbar gestalten wir unsere Tagesgestaltung?

Wie kündigen wir Übergänge im Tages-verlauf an und wie begleiten wir das Kind bei diesen Übergängen?

Welche wiederkehrenden Rituale geben dem Kind Sicherheit?

Welche (individuell) verbindlichen Ab-sprachen und Regeln bestehen mit dem Kind?

Wie können wir Gewohnheiten des Kin-des in unseren Kita-Alltag integrieren (Spiele, Lieblingsessen, Feste), damit das Kind Vertrautes erlebt und sich gebor-gen fühlt?

Welche Geschichten, Lieder kann es uns erzählen/beibringen?

Indianer-Regen zur Stress- und Emotionsregulation

Diese Methode zielt darauf ab, erregte Kinder

in eine angenehme Stimmung zu versetzen und

durch volle, harmonische Klänge zur Entspan-

nung zu führen. Während Worte oft abprallen,

dringt Musik zu ihnen vor: Sie können sich den

Tönen nicht verschließen, horchen auf, öffnen

sich ihnen und werden ruhiger. Das Regenrohr

(Alternativ: Klangschale o.Ä.) lässt sich hierfür

gut mit den Kindern herstellen. Eine möglichst

lange Papprolle wird mit Reis oder Nägeln ge-

füllt und an den Enden verschlossen. Seitlich

werden Holzstäbe in das Rohr gebohrt, die

beim Drehen den Fall der Reiskörner verzö-

gern. Das Geräusch ist sehr angenehm und er-

innert an einen starken Regenguss. Das Kind

kann das Rohr selber drehen und versuchen, ei-

nen gleichmäßigen Rhythmus zu finden oder

ein anderes Kind rollt das Regenrohr gleichmä-

ßig auf dem Rücken des liegenden Kindes ab.

Rückzugsorte schaffen

Tücher schaffen überschaubare Räume

Räume, deren Kinderzahl begrenzt ist oder zu denen Erwachsene keinen Zutritt haben, schaffen Rückzugsmöglichkeiten

Einen Entspannungsraum einrichten: Ver-

meidung lauter Geräuschquellen in unmit-

telbarer Nähe, eine angenehme Raumtem-

peratur, indirektes/warmes Licht, ein wei-

cher Teppich, Kissen und Decken zum Ku-

scheln, Sitzsack, weiche Couch, eine Hänge-

matte oder Hängesack, die Ausstattung mit

Entspannungsmaterialien (Bücher, Igelbälle,

Spieluhr, Kuscheltiere, Sandsäckchen), etc.

Kleinere Elemente im Raum (Höhlen oder

Körbchen) dienen zusätzlich der Entspan-

nung, wie die Einrichtung einer…

…Traumhöhle. Dafür wird ein riesiger Karton (z.

B. von einer Waschmaschine) so auf die Erde ge-

legt, dass eine offene Seite den Eingang bildet.

Der Karton wird mit einem dunklen Stoff abge-

hängt, der in entsprechender Größe am oberen

Rand des Kartons angeklebt oder angetackert

wird. An die obere Innenwand werden Leucht-

sterne geklebt, die man in Kaufhäusern erwer-

ben kann. Auf dem Boden des Kartons befinden

sich eine weiche, kleine Matratze oder viele

weiche Kissen. Ein kleiner, von Kindern leicht zu

bedienender Kassettenrecorder steht im Kar-

ton, wobei das Kabel durch ein Loch im Karton

an eine Steckdose angeschlossen ist. Instrumen-

talmusik lädt ein oder zwei Kinder zum Träumen

ein. Auch ein Tisch kann auf diese Weise zu ei-

ner Traumhöhle werden.

Page 10: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

10

© IFK e.V.

Ein individuelles Eingehen auf die Bedürf-nisse von Flüchtlingskindern sollte, wie bei allen anderen Kindern auch, selbstver-ständlicher Bestandteil der pädagogischen Arbeit sein. Eine Sonderstellung, die den Kindern eine Integration in die Gruppe er-schwert, sollte aber vermieden werden.

Wie für alle Kinder, ist es vor allem für Flüchtlingskinder besonders wichtig, dass ihnen die pädagogischen Fachkräfte wert-schätzend begegnen – sowohl verbal als auch körperlich. Insbesondere körperliche Interaktionen müssen für das Kind vorher-sehbar und verstehbar gestaltet werden – d.h. das Handlungen (z. B. Wickeln, die Ja-cke zumachen etc.) unbedingt durch Worte angekündigt und begleitet werden müssen. In Gewaltsituationen zwischen Kindern brauchen diese wiederum eine verlässliche Bezugsperson, die sie in der Bewältigung der Konflikte unterstützt bzw. aggressions-geprägte Situationen unterbindet.

Selbstverständlich gelten auch für Flücht-lingskinder in Kindertagesstätten die durch das Bundeskinderschutzgesetz vorge-schriebenen Beteiligungs- und Beschwer-derechte, die zur Sicherung des Kindes-wohls in der Einrichtung beitragen (siehe IFK-Newsletter 2/2015). Auch der Kinder-schutzauftrag der Jugendhilfe gilt in Deutschland für alle Minderjährigen, unab-hängig ihrer Staatsangehörigkeit. Bei Be-kanntwerden gewichtiger Anhaltspunkte ist entsprechend des trägerinternen Hand-lungsleitfadens zum Schutzauftrag bei Kin-deswohlgefährdung nach §8a SGB VIII zu handeln (siehe IFK-Newsletter 1/2015).

Handlungsfähigkeit ermöglichen und ausbauen

Wie bereits beschrieben, fühlt sich ein Mensch in traumatischen Situationen nicht mehr handlungsfähig, was bei ihm zusätz-lich bewirken kann, dass er das Vertrauen in andere Menschen verliert. Für den Um-gang mit (traumatisierten) Flüchtlingskin-

dern bedeutet dies, dass Situationen stän-diger Überforderung und Misserfolgserleb-nisse vermieden werden. Das Kind muss zu-nächst unterstützt werden, die an ihn ge-stellten Aufgaben selbständig zu bewälti-gen, bevor es darauf aufbauend Neues ler-nen kann. Analysieren Sie dafür Ihren Ta-gesablauf und überprüfen Sie, ob dieser für das Kind nicht bewältigbare Situatio-nen/Aufgaben enthält. Eventuell müssen Sie für das betreffende Kind eigene Regeln entwickeln. Wenn Sie diese offen kommu-nizieren und begründen, warum das Kind eigene Regeln benötigt, zeigt auch die Kin-dergruppe Verständnis.

Selbstwahrnehmung unterstützen

Damit ein Mensch traumatische Erlebnisse übersteht, wird die Wahrnehmung eigener körperlicher Prozesse und Gefühle herab-gesenkt. Die Kinder müssen so erst einmal wieder lernen, die eigenen Gefühle und Be-findlichkeiten wahrzunehmen, bevor sie sie eigenständig regulieren können. So muss ein aggressives Kind zunächst lernen, wie sich die Wut anfühlt, die sich in ihm aus-breitet und welcher Impuls diesem Gefühl voraus geht, bevor er dieses Gefühl regulie-ren kann.

Gefühlspantomime

Die Kinder sitzen im Kreis. Ein Kind beginnt

und geht in die Mitte. Dort versucht es,

ohne Geräusche ein Gefühl darzustellen.

Die anderen Kinder raten, welches Gefühl

es wohl sein könnte. Hat ein Kind das rich-

tige Gefühl entdeckt, darf es selber in die

Mitte gehen und ein neues Gefühl darstel-

len.

Page 11: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

11

© IFK e.V.

Angebote zur Förderung der Wahrneh-

mungsfähigkeit müssen den Kindern ange-

boten werden, bevor an der Selbstregula-

tion gearbeitet wird. Folgendes bietet sich

hierfür an:

Massagen (hier ist darauf zu achten, ob das Kind Berührungen zulässt/diese ihm gut tun oder welche kulturellen Einstel-lungen es zum Körperkontakt gibt)

Körperprojekte

Psychomotorik

Naturerlebnisse

Das bewusste Erleben von Essenssituati-onen und Körperpflege

Spiele zur Gefühlswahrnehmung (Ge-fühlsmemories, Gefühlskarten)

Das Arbeiten mit Smileys, Gefühlsuhren („Wie fühle ich mich?“, „Woran ist das nach außen hin erkennbar?“)

Die Gefühlsturnstunde

(Caroline Jaberg, 2009)

Die pädagogische Fachkraft stellt

verschiedene Empfindungen körper-

lich dar und die Kinder machen es

nach:

Traurig gehen (Schultern hängen runter, Kopf ist nach unten gerich-tet, langsame und gebeugte Be-wegungen)

Vor Freude hüpfen (Körper ist aufgerichtet, der Kopf geradeaus, hüpfen)

Aufgeregtes hin und herrennen (mit den Armen zappeln, zick-zack laufen)

Ängstlich gehen (tippeln, ganz kleine Schritte machen, auf den Boden blicken)

Wütend umherlaufen (mit dem Fuß auf dem Boden aufstampfen und schwere, laute Schritte ma-chen)

Plätzchen backen (Jung 2013)

Drei bis sechs Kinder knien zusammen mit der pädagogischen Fachkraft um ein auf dem Bauch liegendes Kind

herum. Die pädagogische Fachkraft spricht den folgenden Text, macht zusammen mit den Kindern die dazu-

gehörigen Bewegungen und achtet darauf, dass die Kinder dem zu massierendem Kind nicht wehtun.

Text Bewegung

Zuerst machen wir den Teig: Wir geben Butter, Eier

und Mehl in eine Schüssel.

Die flache Hand drückt bei der Nennung der Zutat

auf den Körper

Dann kneten wir den Teig. Muskeln sanft kneten

Nun rollen wir den Teig aus. Mit Fäusten vor und zurück streichen

Jetzt stechen wir Plätzchen aus: ein Herz, einen Mond,

einen Stern…

Mit Hand oder Faust an verschiedenen Stellen drü-

cken

Wir schieben die Plätzchen in den Backofen Hände über das Kind von unten nach oben strei-

chen; oder unter T-Shirt oder Hose schieben

Oh, die Plätzchen sind fertig. Wir holen sie aus dem

Backofen und probieren sie. Mhh, lecker!

Hände hochnehmen oder hervorholen; am Körper

zupfen und Essgeräusche machen

Page 12: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

12

© IFK e.V.

Zusammenarbeit mit Eltern

Vielen Eltern fällt es wohlmöglich schwer, ihr Kind nach der Flucht und den dazu füh-renden Erlebnissen in die Kita zu geben. Ebenso wie ihre Kinder benötigen sie daher ein Gefühl der Sicherheit und das Wissen, dass ihr Kind gut in der Kita aufgehoben ist. Um gemeinsam mit den Eltern den Über-gang ihres Kindes in die Kita zu gestalten bedarf es einer/einem verantwortlichen Bezugserzieher/in, die/der den Eltern kul-tursensibel und vorurteilsbewusst begeg-net sowie ihnen Akzeptanz, Verständnis und Offenheit entgegenbringt. Dies ist überaus wichtig, damit sich auch die Eltern in der Kita angenommen fühlen. Denn der Kita-Besuch ihres Kindes wirkt auch für die Eltern entlastend, können sie doch in die-ser Zeit einen Sprachkurs besuchen, Behör-dengänge erledigen etc. Zudem ist die Kita der erste Kontakt im deutschen Bildungs-system und hilft den Eltern ihr soziales Netz auszuweiten – bspw. über den Kontakt zu anderen Eltern.

Ebenso wie bei ihren Kindern ist auch bei den Eltern von Traumatisierungen auszu-gehen. Da traumatische Erlebnisse wie ge-sagt mit Gefühlen extremer Hilflosigkeit

und Ohnmacht einhergehen, ist es bedeut-sam, dass die Eltern im eigenverantwortli-chen Handeln unterstützt werden. Es ist darauf zu achten, dass die Eltern nicht aus-schließlich als Opfer gesehen werden, son-dern auf gleichberechtigter Höhe als kom-petente Subjekte in den Kita-Alltag einbe-zogen werden. Sie müssen als Experten/Ex-pertinnen für ihre Kinder, ihre Sprache und ihre Kultur wahrgenommen und akzeptiert werden. Wenn ihnen mit Wertschätzung begegnet wird, wirkt sich dies auch positiv auf das Wohlbefinden und die Integration der Kinder in die Kita aus.

Vorurteilsbewusst handeln Personen, wenn

sie sich ihre Vorurteile bewusst machen. D.h.

sie erlauben sich darüber nachzudenken,

welche Vorurteile sie haben, durch was sie

ausgelöst und wie sie entstanden sind. Auf

diese Weise kann es gelingen, gewissenhaft

auf Situationen und Menschen zuzugehen,

ohne sich ausschließlich von den Vorurteilen

leiten zu lassen.

Kultursensibel ist, wer die Wahrnehmung

für die eigenen Werte und Normen reflek-

tiert und den Blick auf fremde Kulturen öff-

net, d.h. respektvoll, feinfühlig und reflek-

tiert mit ihnen umgeht.

Ein Frosch hüpft fröhlich umher (Jung 2013)

Drei bis sechs Kinder knien zusammen mit der pädagogischen Fachkraft um ein auf dem Rücken liegendes Kind

herum. Die pädagogische Fachkraft spricht den folgenden Text, macht zusammen mit den Kindern die dazuge-

hörigen Bewegungen und achtet darauf, dass die Kinder dem zu massierendem Kind nicht wehtun.

Text Bewegung

Ein Frosch hüpft fröhlich umher, dass gefällt ihm sehr. Finger hüpfen auf Körper hin und her und laut qua-

ken

Nun taucht er munter, bis auf den Grund hinunter. Schwimmbewegungen mit den Händen machen

Jetzt schwimmt der Frosch wieder hinauf, die Sonne

scheint ihm auf den Bauch.

Schwimmbewegungen und dann die Hände auf

den Bauch des Kindes legen.

Hungrig frisst er Fliegen hier und dort… Finger zupfen leicht

… und schon hüpft er wieder fort. Finger hüpfen auf den Rücken, laut quaken

Page 13: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

13

© IFK e.V.

Eltern von Flüchtlingskindern sind eine ebenso heterogene Gruppe wie andere El-tern auch – es gibt also nicht „die Flücht-lingseltern“. Flüchtlingseltern unterschei-den sich in vielfältigen Faktoren, bspw. hin-sichtlich ihrer Biografie, Persönlichkeit, ih-rer Bildungsfaktoren (Sprachkenntnisse, Bildungsabschlüsse), ihren Orientierungen und Werten (zu Kindererziehungen, Bil-dung etc.), ihren Fluchterfahrungen, ihrer Wohnsituation usw. Erst im Kontakt mit der Familie kann die Einrichtung herausfin-den, was diese für die Orientierung in der Kita und der Inklusion in die Einrichtung be-nötigt.

Herausfordernd wird es für pädagogische Fachkräfte sein, kultursensibel mit den wohlmöglich unterschiedlichen Vorstellun-gen von Erziehung, Geschlechterrollen etc. umzugehen sowie die Eltern mit der hierzu-lande herrschenden Kultur, Traditionen und Werten vertraut zu machen. Bedeut-sam ist es, bei inakzeptablem Verhalten oder Forderungen (Gewalt, diskriminie-rende Geschlechterrollen) den Eltern ge-genüber einen deutlichen Standpunkt ein-zunehmen und im Sinne eines humanisti-schen Menschenbildes und entsprechend der Menschenrechte zu handeln. Dies stellt sicherlich einen ständigen Balanceakt dar.

Willkommensmappe

Um ihre Kinder guten Gewissens in die Kita zu bringen, müssen Eltern wissen, was ihr

Kind den Tag über macht, mit wem es den Tag ver-bringt und wie es ihm dabei geht.

Eine transparente Darstellung des Tagesab-laufes ist folglich erforderlich. Hierzu könnte den Eltern bspw. eine „Willkom-mensmappe“ in ihrer Sprache ausgehän-digt werden. Darin enthalten sein könnte:

ein Willkommensbrief

ein Tagesplan der Kita

ein vereinfachtes Konzept

eine Mitbringe-Liste (gestaltet mit Bil-dern), über das, was die Kinder in der Kita brauchen

Die Eltern sollten aber nicht mit Dokumen-ten überschüttet werden. Außerdem er-spart solch eine Mappe nicht das gemein-same Besprechen der in der Kita üblichen Abläufe.

Vertrauen als wichtigster Faktor in der Zusammenarbeit

Der Kita kommt eine wichtige Rolle in der Willkommenskultur und Integration der Fa-milien zu. Denn womöglich ist hier der erste Ort, an dem sie die deutsche Sprache üben, etwas über die deutsche Kultur ler-nen und neue Kontakte knüpfen können.

Um näheren Kontakt zu den Eltern herzu-stellen und eine gelingende Zusammenar-beit zu ermöglichen, ist ein vertrauensvol-les Verhältnis zu den Eltern bedeutsam. Folgende Faktoren können dazu hilfreich sein:

auf die Eltern zugehen, ihnen Mut ma-chen

ein Gefühl von Sicherheit vermitteln (al-les kann gesagt werden)

Offenheit, Toleranz und Interesse zeigen (gegenüber Kultur, Religion etc.)

Stärkung ihres Selbstwertgefühls

Die Eltern wertschätzen (sie als Exper-ten/Expertinnen ihrer Kultur und ihrer Kinder wahrnehmen)

an Ressourcen/Stärken der Eltern an-knüpfen und nicht nur die Defizite sehen

die Eltern unterstützen (z.B. Hinweise geben, wo sie weitere Unterstützung er-halten), nach Ehrenamtlichen suchen

ein offenes Ohr haben (bei Gesprächs-bedarf)

Erfreuliches über das Kind berichten (z. B. Fortschritte in der Entwicklung)

geduldig sein

Page 14: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

14

© IFK e.V.

Es könnte vorkommen, dass sich die Eltern der Flüchtlingskinder in der Kita verschlos-sen und reserviert verhalten oder gänzlich von Kita-Aktivitäten fernbleiben. Dies sollte aber nicht von vornherein als mangelndes Engagement oder gar Desinteresse einge-stuft werden. Erfahrungen der Flucht und eventuelle Diskriminierungserfahrungen können dazu führen, dass Flüchtlingseltern von starkem Misstrauen geprägt sind und sich bevorzugt in einem geschützten Rah-men aufhalten. Auch Verständigungs-schwierigkeiten können eine Ursache für eine fehlende Teilnahme sein.

Formen der Zusammenarbeit – gemeinsame Aktivitäten

Eine wichtige Grundlage für eine gelin-gende Kommunikation und Zusammenar-beit sind gemeinschaftliche Aktivitäten. Gemeinsames Handeln führt zu Vertrauen und kann Brücken zwischen unterschiedli-chen Kulturen und Sprachen schaffen. Au-ßerdem lernen die Eltern so die Einrichtung auf Augenhöhe kennen und können Ver-trauen zu dieser entwickeln. Um einen Zu-gang zu Flüchtlingseltern zu erhalten, er-scheint es sinnvoll, ihre jeweilige Kultur, Religion oder Tradition als Anknüpfpunkte zu nutzen, sie aber nicht darauf zu reduzie-ren. So kann ein typisches Gericht in der Kita gekocht, ein Instrument aus dem Her-kunftsland vorgestellt, ein Buch in der Mut-tersprache vorgelesen oder ein Fest der Kulturen veranstaltet werden. Wie bei an-deren Eltern, ist es auch bei Flüchtlingsel-tern bedeutsam, kreative Wege der Zusam-menarbeit zu suchen. Gelingt es, sie in mu-sisch-kreative, handwerkliche, sprachliche oder sportliche Projekte einzubinden, wo-möglich ein Projekt von dem die ganze Kita oder eine Kindergruppe profitiert, können Eltern gestärkt werden und ihre Rolle des Opfers und Hilfeempfängers ein Stück weit überwinden.

Bei Unterstützungsangeboten und Aktivitä-

ten im Rahmen der Willkommenskultur

sollte jedoch darauf geachtet werden, die

Eltern nicht zu überrumpeln bzw. zu über-

fordern und sie auch erst einmal ankom-

men zu lassen. Ihnen sollte zunächst die

Möglichkeit gegeben werden, Vertrauen zu

fassen, um dann selber entscheiden zu

können, welche Angebote sie annehmen.

Idealerweise werden sie dann in die Orga-

nisation solcher Aktivitäten integriert.

Formen der Zusammenarbeit – Elterngespräche

Eltern müssen das Gefühl erhalten, dass sie jederzeit auf die pädagogischen Fachkräfte zugehen können. Andererseits müssen diese aber auch aktiv das Gespräch mit den Eltern suchen. Elterngespräche als fester Bestandteil der pädagogischen Arbeit sind hierbei ein wichtiger Punkt der Zusammen-arbeit. Neben den üblichen „Tür- und An-gelgesprächen“ könnten den Flüchtlingsel-tern z. B. „Elternsprechstunden“ in Zusam-menarbeit mit einem/einer Dolmet-scher/in (professionell, anderes mehrspra-chiges Elternteil, Freiwillige …) angeboten werden. Daneben nehmen aber vor allem die Einzelgespräche einen wichtigen Stel-lenwert ein. Diese sollten anfänglich häufi-ger als mit anderen Eltern in einem regel-mäßigen Zyklus stattfinden. Neben den herkömmlichen Themen eines solchen Ge-spräches, wie dem Entwicklungsstand des Kindes, könnten Fragen zur Kultur, zu Ver-haltensweisen, zu Behördenbriefen etc. auftauchen. Auch hier kann ein/e Dolmet-scher/in hilfreich sein.

Page 15: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

15

© IFK e.V.

Formen der Zusammenarbeit – spezielle Angebote

Genauso wie bei den Kindern können auch Patenschaften zwischen Eltern organisiert werden - idealerweise mit Sprachkenntnis-sen in der Heimatsprache. Dadurch erhal-ten sie neben dem/der Bezugserzieher/in eine weitere Bezugsperson und Ansprech-partner/in, die sie mit den Gepflogenheiten der Kita vertraut macht und ihnen Unter-stützung anbietet.

Weiterhin könnte ein für Flüchtlinge spezi-ell organisierter Gesprächskreis installiert werden, in dem allgemeine Inhalte wie die deutsche und einheimische Kultur, die deutsche Sprache aber auch schwierige bü-rokratische Hürden, Asylanträge usw. zum Thema werden könnten. Darüber hinaus wäre es für die Eltern sicherlich hilfreich, wenn die Kita Experten/Expertinnen vom Wohnungsamt, Arbeitsamt und Sozialamt einladen würde, die dringende Fragen der Flüchtlinge beantworten. Eine regelmäßige Beteiligung an einem solchen Gesprächs-kreis kann durch eine gemütliche Atmo-sphäre z.B. bei Kaffee und Kuchen, gemein-samem Kochen etc. gefördert werden.

Zusammenarbeit mit Eltern, deren Kinder bereits die Einrichtung besuchen

Der Zustrom der Flüchtlinge und der bevor-

stehende Besuch von Flüchtlingskindern in

der Kita kann bei den „alten“ Eltern in der

Einrichtung unter Umständen Sorgen aus-

lösen, die es ernst zu nehmen gilt. Bedeut-

sam ist es daher, die Eltern von vornherein

zu informieren und einzubeziehen. So kann

auf Ängste und Wünsche der Eltern einge-

gangen werden:

Die Eltern in Elternabenden, Informati-

onsveranstaltungen aufklären (Welche

Flüchtlinge kommen und warum? Was

verändert sich in der Kita für die Eltern

und Kinder?). Hier bietet es sich an,

nicht über „die Flüchtlinge“ zu spre-

chen, sondern – wenn bekannt – bspw.

über Ali, 5 Jahre, aus Syrien …

Ein Informationsbrief über die Ankunft

neuer Flüchtlinge an die Eltern ausge-

ben

Themenabende veranstalten (z.B. zu

verschiedenen Kulturen, geplanten

Projekten)

Einzelgespräche nach Bedarf (bei ne-

gativen Einstellungen sollte eine klare

Einstellung der Einrichtung sowie die

Menschenrechte vertreten werden).

Möglichst frühzeitige Informationen sowie

ein wertschätzender Austausch, der die

Sorgen der Eltern ernst nimmt, können hel-

fen, Ängste abzubauen und sich langsam

Page 16: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

16

© IFK e.V.

auf die neue Situation einzustellen. Auch

sollten die Eltern in die Planung und Orga-

nisation von Aktivitäten einbezogen wer-

den (Wer hat welche Sprachkenntnisse?

Wer kennt sich mit welchen Kulturen aus?).

Natürlich kann es auch vorkommen, dass

Eltern Flüchtlingsfamilien offensiv diskrimi-

nieren oder Hetze gegen sie betreiben. Hier

sollte das Kita-Team bereits vor dem Auf-

treten fremdenfeindlicher Äußerungen ein

einrichtungsinternes Vorgehen bespre-

chen. Wichtig ist es, dass die Kita/die ein-

zelne Fachkraft in solchen Fällen klar Posi-

tion bezieht und deutlich macht, dass ein

herabwürdigendes, fremdenfeindliches

Verhalten gegenüber Flüchtlingen in der

Einrichtung nicht geduldet wird. Das kann

im Konkreten bedeuten, dass diese Eltern

sofort zu einem vereinbarten Gespräch ge-

beten werden, in dem die Haltung der Kita

deutlich gemacht wird. Bei geringer Ein-

sicht und wiederholtem Auftreten eines

solchen Verhaltens ist zu empfehlen, eine

Abmahnung auszusprechen. Im schlimms-

ten Fall muss mit dem Träger über den

(zeitweiligen) Ausschluss der Familie aus

der Kita beraten werden.

Sprachliche Verständigung mit Eltern und Kindern

Nun könnten Sie sich vielleicht denken: „Ich möchte ja mit den Eltern zusammen arbei-ten und sie willkommen heißen. Aber wie

soll ich das mit der vorhandenen Sprach-barriere anstellen?“ Diese sprachliche Bar-riere stellt die pädagogischen Fachkräfte selbstverständlich vor eine große Heraus-forderung. Immerhin gibt es vielfältige In-formationen, bspw. ob das Kind Allergien hat, die in Erfahrung gebracht werden müs-sen bzw. Informationen, die der Familie vermittelt werden sollen (Besuchsverbot bei ansteckenden Erkrankungen, Bring- und Abhol-zeiten …). Hierfür sind (ehrenamtli-che) Dolmet-scher/innen bspw. für das Aufnah-megespräch unabdingbar, die solche Infor-mationen einholen und die Eltern über die Eingewöhnung, Abläufe und wichtige kon-zeptionelle Inhalte informieren. Auch El-tern mit ähnlichem Sprachhintergrund kön-nen hier um Hilfe gebeten werden – es ist jedoch darauf zu achten, dass sensible The-men lieber von professionellen Dolmet-schern/Dolmetscherinnen begleitet wer-den, da dies eine korrekte Übersetzung und Verschwiegenheit garantiert. Beratungs-stellen für Flüchtlinge oder die zuständigen Behörden können Dolmetscher/innen ver-mitteln und über deren Finanzierung infor-mieren. I.d.R. liegt aber die Zuständigkeit für die sogenannten Sprachmittlungsleis-tungen beim örtlichen Sozialamt.

In der Alltagskommunikation wird es dann eher um eine körpersprachliche Verständi-gung gehen, d.h. mit Händen und Füßen zu kommunizieren. Für eine Willkommenskul-tur ist es nämlich zunächst unerheblich, ob jedes Wort verstanden wird. Viel wichtiger ist es hierfür, den Eltern und Kindern eine einladende Atmosphäre zu bereiten. Und dies gelingt oftmals schon über Kleinigkei-ten. So kann es für Menschen, die durch eine Flucht alles verloren haben, ein wich-tiges Signal setzen und einen Zugang zu

Page 17: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

17

© IFK e.V.

ihnen schaffen, wenn sich bemüht wird, den Namen des Kindes oder den Familien-namen richtig auszusprechen. Dies zeugt von Achtung vor der Identität und der Wahrnehmung des Gegenübers.

Dennoch sollte nicht auf einige der kreati-veren Methoden in der Kommunikation mit den Eltern verzichtet werden, um ihnen Orientierung in der Einrichtung zu bieten und sich mit ihnen auszutauschen:

Bilder oder Symbole zur Erläuterung (z.B. des Essenplanes bzw. für verschie-dene Bereiche)

Mehrsprachige Wegweiser in der Kita (aber nur, wenn alle in der Einrichtung gesprochenen Sprachen Eingang finden)

Willkommensschilder in den verschie-denen Sprachen

Fotos der Mitarbeitenden

Bilderwörterbücher

Handy-Übersetzungen

Zweitspracherwerb bei Kindern

Nicht erst seit dem hohen Zustrom von Flüchtlingen müssen sich Kitas mit dem Thema Zweitspracherwerb auseinander-setzen. Schon im Jahr 2007 sprach bereits jedes 6. Kind in seiner Familie nicht vorran-gig Deutsch.

1 Die Sprachentwicklung von Kindern mit Migrati-onshintergrund, die Deutsch neben der Familien-sprache als Zweitsprache erwerben, kann mit dem Beobachtungsbogen „Sismik“ (Sprachverhalten und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern in Kin-dertageseinrichtungen) verfolgt werden. Mit dem Bogen können Kinder zwischen dreieinhalb Jahren

Durch die zeitliche Nähe zum Erstspracher-werb erlenen kleine Kinder eine zweite Sprache relativ mühelos, da sie auf die be-reits vorhandenen Spracherwerbsmecha-nismen zurückgreifen können. Wichtig ist es aber, dass die Zweitsprache auf demsel-ben Weg erlernt wird wie schon die Mut-tersprache: d.h. beiläufig, intuitiv, eben durch das sprachliche Miteinander und das kommunikative Handeln. Die sprachlichen Grundlagen, die dadurch gelegt werden, bilden die Basis für erfolgreiches schuli-sches Sprachenlernen.

Die sprachliche Förderung der Kinder in der deutschen Sprache wird bisher jedoch zu-meist zu funktional angegangen. Sie sollen Dinge beschreiben, Erlebtes und Handlun-gen erzählen können. Doch wie bei allen Bildungsthemen muss das Interesse der Kinder geweckt werden – was spielerisch und mit Freude am leichtesten geschieht. Verse, (Zähl-)Reime, Zungenbrecher, Lie-der und Märchen, die am besten noch mit Bewegung und Rhythmus verknüpft sind, ebnen Kindern spielerisch den Zugang zur neuen Sprache. Da im Kindergartenalter alle Kinder die deutsche Sprache erst noch erlernen, schaffen solche Spiele ein Gefühl der Gemeinschaft.

Wenn Eltern Lieder, Sprüche etc. bekannt gemacht oder ihnen Hinweise für be-stimmte Bilderbücher gegeben/ihnen diese ausgeborgt werden, schafft dies Lern-anlässe für zu Hause und die Eltern werden somit in die Kita-Arbeit und das Sprachen-lernen einbezogen.

Für den Erwerb der deutschen Sprache ist zunächst auch die Förderung in der Mutter-sprache sowie deren Anerkennung bedeut-sam1. Anstatt nur darauf zu blicken, dass

und dem Schuleintritt erfasst werden. Auch das Sprachvermögen des Kindes in der Familiensprache und die Sprachpraxis in der Familie des Kindes wer-den kurz thematisiert. Der Bogen ist unter folgen-dem Link zu beziehen: http://www.ifp.bay-ern.de/projekte/monitoring/sismik.php

Page 18: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

18

© IFK e.V.

das Kind noch kein Deutsch beherrscht, muss zunächst einmal die Leistung aner-kannt werden, dass das Kind ja schon eine (oder sogar zwei) Sprache(n) spricht! Er-fährt das Kind dem bisher Gelernten gegen-über keine Wertschätzung, könnte es dadurch demotiviert werden, sich der neuen Sprache zu widmen. Wird es hinge-gen in seiner Sprachbiographie anerkannt, darf es z.B. den anderen Kindern etwas aus seiner Sprache beibringen, erfährt nicht nur das Kind Wertschätzung, sondern die anderen Kinder erfahren auch, dass Spra-chen nicht ausgrenzen, sondern dass man auf sie stolz sein kann. Die Förderung der Muttersprache stärkt einerseits die Selbst-wirksamkeit des Kindes und kann auch ein Element sein, um die Eltern einzubinden.

Weitere Möglichkeiten, um die Mutter-sprache des Kindes wertschätzend in den Kita-Alltag zu integrieren:

Vorstellung/Lernen von Kinderliedern, Reimen oder Geschichten in der Mutter-sprache durch das Kind, die pädagogi-sche Fachkraft, Eltern (z. B. Vorleserun-den) oder Externe

Thematisierung verschiedener Länder und Kulturen (Projekte, Plakate, Ausstel-lungen, Aufführungen)

Mehrsprachige Gestaltung der Schrift-sprache

Ab dem Grundschulalter sollte darauf ge-achtet werden, dass die Kinder pro Woche 2-4 Stunden Sprachunterricht in ihrer Her-kunftssprache erhalten.

Um sich in die Situation der Kinder hinein-

zuversetzen, sollte die eigene Mehrspra-

chigkeit reflektiert werden:

Welche Muttersprachen/Fremdspra-chen sprechen wir im Team?

Wie leicht/schwer fiel mir das Sprachen-lernen? Was hat mich dabei moti-viert/demotiviert?

Wie fühle ich mich, wenn ich mich in ei-nem anderen Land nicht verständigen kann?

Reflexion der eigenen Haltung

Nicht nur die sprachliche Verständigung stellt pädagogische Fachkräfte vor Heraus-forderungen. Auch die Begegnung mit an-deren Kulturen und Wertesystemen kann Ängste und Unsicherheiten auslösen und unser Gefühl von Sicherheit erschüttern.

In der Begegnung mit Menschen, ob der ei-genen Kultur angehörig oder nicht, sind Vorurteile nicht wegzudenken. Zunächst sind Vorurteile nichts anders als eine Orien-tierungshilfe in einer hochkomplexen Welt, die jedoch auf unbegründeten Entschei-dungen beruhen und ohne jegliche Reflexi-onen stattfinden. Jeder Mensch besitzt demnach Vorurteile. Allein die Reflexion über sie kann jedoch bewirken, dass das ei-gene Handeln und die eigene Einstellung nicht hauptsächlich davon geleitet werden.

Kinder können erst dann eine

Zweitsprache gut erwerben, wenn

sie die sprachlichen Basiskompe-

tenzen in ihrer Muttersprache er-

worben haben. Dafür ist es erfor-

derlich, dass die Eltern zu Hause

mit den Kindern die Mutterspra-

che (auf möglichst hohem Niveau)

sprechen.

Vorurteil: Wenn Personen sich vorab ein

wertendes Urteil bilden, auf dessen Grund-

lage sie denken und handeln. Vorurteile

sind wichtig, um sich im Leben zurechtzu-

finden. Bleibt ein Vorurteil jedoch unreflek-

tiert, kann es zu falschen Annahmen und

ungerechtfertigter Diskriminierung führen.

Page 19: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

19

© IFK e.V.

Pädagogische Fachkräfte müssen sich da-her ihre vorhandenen Vorurteile bewusst machen und diese hinterfragen, damit un-reflektierte Vorurteile nicht den Blick auf Eltern und Kinder beeinflussen, ohne dass sie es merken. Erst dann können die kultu-rellen Unterschiede als Vielfalt und Berei-cherung anerkannt und sich offen und sen-sibel auf die „Neuankömmlinge“ eingelas-sen werden. Anders könnte es passieren, dass die Auseinandersetzung mit der frem-den Kultur, den Extremen der Flucht und mit Themen wie „Verlust und Trauer“ bei den Professionellen ein Gefühl von Über-forderung, Hilflosigkeit und Ohnmacht, im Schlimmsten Fall sogar Ablehnung, auslöst.

Hier sollten wir uns den Fragen stellen, was es für einen Menschen bedeutet, wenn er ausgegrenzt, abgelehnt und in eine Schub-lade gesteckt wird.

Er fühlt sich bspw. nicht willkommen, nicht ernstgenommen, nicht toleriert, nicht ge-wertschätzt, nicht unterstützt. Mangelndes Selbstbewusstsein, Resignation und Frust könnten die Folge sein. Wir sollten im Be-wusstsein haben, dass diskriminierende Zu-schreibungen Eltern und Kinder in ihrer Entwicklung, in ihrem Lernen behindern und letztlich zu Bildungsbenachteiligung führen.

Neben der Reflexion eigener Befindlichkei-ten und Vorurteile ist es für die Arbeit mit Flüchtlingsfamilien jedoch auch wichtig zu versuchen, sich in die Lebenslagen der Kin-der und Eltern hineinzuversetzen und sich die Frage zu stellen, was haben Kind und El-tern womöglich auf der Flucht erlebt? Was trägt dazu bei, dass sie sich angenommen fühlen? Was würde sie unter Umständen demütigen? Was würde ihnen Angst ma-chen?

Reflexion zu den eigenen Ängsten

Jede/r Teilnehmer/in schreibt für sich ihre/seine größten Ängste in Bezug auf das Thema Flücht-

linge auf Moderationskarten (ca. 10 min). Als Orientierung dienen folgende Leitfragen: Was berei-

tet mir am meisten Sorgen? In welchen Situationen könnte ich mich überfordert fühlen? Welche

Hindernisse sind zu erwarten? Es gibt zwei Möglichkeiten (je nachdem, wie offen die Teilnehmen-

den sind), wie weiter verfahren werden kann:

1. Die Teilnehmenden berichten über das Geschriebene (wer will) und der/die Moderator/in

stößt eine Diskussion dazu an (Welche Ängste häufen sich? Warum haben wir diese

Ängste? Sind sie vielleicht unbegründet? Was können wir tun?)

2. Die Karten werden in der Mitte ausgelegt, die Teilnehmenden bilden einen Kreis um die

Karten, sie können zu dem Geschriebenen Kommentare abgeben und die Karten gegebe-

nenfalls sortieren. Dann wird gemeinsam überlegt, welche Ängste sich häufen, welche viel-

leicht unbegründet sind und warum welche Ängste auftreten (siehe 1.)

Abschließend ziehen die Fachkräfte ein Fazit für ihre Einrichtung. Was wollen wir für die pädagogi-

sche Arbeit mit Flüchtlingseltern und Kindern mitnehmen? Die Ziele können auf einem Flipchart

festgehalten werden.

Material: Moderationskarten, Flipchart, Stifte

Zeit: Ca. eine halbe Stunde

Page 20: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

20

© IFK e.V.

Pädagogische Fachkräfte als positive Vorbilder

Im Grunde ist es notwendig, dass jede pä-dagogische Fachkraft bei sich selber be-ginnt und sich fragt, an welcher Stelle sie/er Vorurteile hat, die womöglich unbe-rechtigt sind und wodurch sich diese An-nahmen begründen. Dies ist umso bedeu-tender, um Vorurteile nicht an die anderen Kinder der Kita weiterzugeben. Pädagogi-sche Fachkräfte sollten hier die Kinder zum kritischen Denken anregen und ihnen deut-lich machen, dass Kinder aus anderen Län-dern interessante Menschen mit einer ganz eigenen Kultur sind und dass Vielfalt als et-was Besonderes zu betrachten ist. Auf diese Weise können pädagogische Fach-kräfte als positive Vorbilder von den Kin-dern betrachtet werden und die Kinder ler-nen, dass Abwertung und Ausgrenzungen aufgrund von Hautfarbe, Herkunftsland und Sprache nicht zu dulden sind.

Was braucht die einzelne Fachkraft dafür:

Verständnis, Neugier und Offenheit ge-genüber anderen (Werte)Systemen und Kulturen

Reflexion eigner Gefühle und Befindlich-keiten

Vorurteilsbewusstes, kultursensibles und ressourcenorientiertes Zugehen auf Kinder und Eltern

Wissenserwerb, Kompetenzerweite-rung

Erkenntnis eigener Grenzen

Beziehungskompetent

Wertschätzung und Empathie

Veränderungsbereitschaft

Teamreflexion und Supervision – Ein wichtiger Reflexionsraum

Um die Selbstreflexion voranzutreiben, ist es wichtig, Reflexionsräume zu schaffen, in denen ein Austausch von Sichtweisen auf das Thema Flüchtlinge stattfinden kann. Im besten Fall erhält das gesamte Kita-Team Supervision. In einem solchen Rahmen kann nicht nur die emotionale Entlastung des/der einzelnen Professionellen, son-dern auch ein Wissensaustausch über Kul-tur und Religion der Kinder und Eltern ge-währleistet werden. Aber selbst wenn re-gelmäßige Supervisionen nicht möglich sind, hilft ein reflektierter Austausch im Team, sich die eigenen Vorurteile und Ängste bewusst zu machen.

Kopfstandtechnik

Die Teilnehmenden sollen die Frage „Wie gehen wir mit Flüchtlingseltern und Kindern um, damit

sie sich möglichst unwohl fühlen?“ beantworten. Sie sollen dabei ruhig in der negativsten Form

darauf antworten und dabei alle Vorurteile und negativen Einstellungen zu Flüchtlingen in den

Raum rufen (Z.B. „Wir weisen ihnen einen separaten Raum zu.“, „Die Flüchtlinge sollen unter sich

bleiben.“). Alle Anschuldigungen und Vorurteile sind erlaubt und werden auf einem Flipchart fest-

gehalten. Das Erzeugen von Negativmeinungen fällt manchmal leichter und kann zudem Belusti-

gung hervorrufen. Dafür sind etwa 10 Minuten Zeit. Im Anschluss werden die Negativsätze durch-

gestrichen, gemeinsam im Plenum in positive Handlungssätze umgewandelt und schließlich ein Fa-

zit für die Einrichtung gezogen. Was wollen wir für die Praxis mitnehmen?

Material: Flipchart und Stifte

Zeit: Ca. eine halbe Stunde

Page 21: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

21

© IFK e.V.

Es gibt verschiedene Ansätze, die man zur Reflexion im Kita-Team nutzen kann. Einer ist der Anti-Bias-Ansatz (bias = Voreinge-nommenheit)2. Er beschäftigt sich damit, in welcher Form Diskriminierung in Bildungs-einrichtungen stattfindet, wie Benachteili-gungen vorgebeugt und wie damit umge-gangen werden kann. Anliegen des Ansat-zes ist es, Menschen für das Thema zu sen-sibilisieren und Mechanismen der Diskrimi-nierung von Ausländern oder anderen Gruppen auch in Bezug auf sich selbst zu verstehen. Der Ansatz regt dazu an, die ei-genen Perspektiven und Handlungsmuster kritisch zu reflektieren. Er geht methodisch im Dreischritt vor:

1. Selbstreflexion 2. Austausch mit anderen 3. Handlungsmöglichkeiten entwickeln

Auf der Grundlage dieses Ansatzes können Sie im Team über eigene Vorurteile spre-chen. Als Reflexionsanregung bieten sich für Sie alleine oder im Team folgende Fra-gen an:

Wie offen bin ich gegenüber Neuem?

Kann ich andere Kulturen, Religionen und Wertevorstellungen als Bereiche-rung sehen und einbinden?

Welche kulturell bedingten Erziehungs-vorstelllungen sind mir bekannt? Was weiß ich über sie?

Wie tragen wir als Kita-Team dazu bei, Inklusionsprozesse in der Kita mitzuge-stalten?

Wie können wir mit traumatischen Er-lebnissen von Kindern und Eltern umge-hen und brauchen wir dazu externe Hilfe?

Wie tragen wir dazu bei, Vorurteile im Team und in der Elternschaft abzu-bauen?

Gibt es Diskriminierung unter Kindern? Falls ja, wie gehen wir damit um?

2 Weiterführende Informationen unter: www.anti-bias-werkstatt.de/?q=de/content/was-ist-der-anti-bias-ansatz)

Wodurch machen die Kinder und Fami-lien in unserer Einrichtung die Erfah-rung, dass ihre Familienkultur wertge-schätzt wird?

Habe ich jemals erlebt, dass meine Kul-tur von anderen Menschen nicht aner-kannt und/oder wertgeschätzt wurde? Wie habe ich mich dabei gefühlt?

Wurde ich schon einmal zu Unrecht stig-matisiert und in eine Schublade ge-steckt? Wie habe ich mich dabei gefühlt und welche Bedeutung hatte es für mein Leben?

Wie gehen wir mit Ausländerfeindlich-keit im Team und in der Elternschaft um?

Neben der Selbstreflexion ist es von großer Bedeutung, sich Wissen über die einzelnen Herkunftsländer anzueignen. So kann es sein, dass Geburtstagsrituale ganz anders gefeiert werden als in Deutschland, Bilder-bücher unbekannt sind, dass die Trennung zwischen Kindern und Eltern unüblich ist und kein Elternabend während des Rama-dan stattfinden sollte.

Ressourcenorientierung

Bei der Arbeit mit Flüchtlingen ist eine res-sourcenorientiere Herangehensweise von hoher Bedeutung. Hierzu ist es wichtig, die Kinder und ihre Familien über ihren Flücht-lingsstatus hinaus zu betrachten und ihre Ressourcen in den Blick zu nehmen. Dies scheint anfänglich schwierig, immerhin sind Flüchtlinge zur Anerkennung ihres Asylantrages selber dazu aufgerufen, sich

Stigmatisierung (griechisch: Stich, Wund-

mal): Personen oder Gruppen werden in Ka-

tegorien eingeordnet, die bestimmte durch

die Gesellschaft negativ bewertete Eigen-

schaften verkörpern, z.B. „alte Menschen

sind gebrechlich“.

Page 22: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

22

© IFK e.V.

in einen Opferstatus zu begeben. Doch dür-fen diese Menschen nicht nur als Flücht-linge gesehen werden, da diese Zuschrei-bung nur die Zeit in ihrem Leben be-schreibt, in der sie auf der Flucht waren. Stattdessen müssen pädagogische Fach-kräfte auch deren Kompetenzen, Stärken und Ressourcen in den Blick nehmen und dabei dennoch sensibel sein, für die durch die Flucht hervorgerufenen Leiden und die besonderen Bedürfnisse dieser Gruppe.

Wenn es gelingt, nicht nur das Kind mit sei-nem Trauma, seinen Sprachproblemen oder Verhaltensauffälligkeiten zu betrach-ten, dann ist es möglich auch seine mitge-brachten Kompetenzen zu stärken, seine Fähigkeiten und seine Widerstandsfähig-keit zu erkennen und von der sprachlichen und kulturellen Vielfalt, die es mitbringt, zu profitieren. Hierfür verlangt es von den pä-dagogischen Fachkräften Offenheit gegen-über dem Kind, seiner Familie und seiner Kultur. Warum also nicht das, was das Kind an Erfahrungen und Gewohnheiten mit-bringt erforschen und für sich und die Kin-dergruppe nutzen? Statt einen Schnitt zwi-schen dem Leben vor und nach der Flucht zu machen, sollte lieber eine Brücke zwi-schen diesen Lebenswelten gebaut wer-den.

Viele Unterstützungs- und Bildungsmög-lichkeiten, um kultursensibel und ressour-cenorientiert mit den Kindern und ihren Fa-milien zu arbeiten, sind bereits in den Kom-petenzen und Ressourcen der Kita vorhan-den, andere müssen sich dagegen noch an-geeignet werden:

Wissen zur alltagsintegrierten Sprach-förderung und zum Umgang mit mehr-sprachigen Kindern

Umsetzung der Beteiligungs- und Be-schwerderechte von Kindern

Trägerinterner Handlungsleitfaden zum Schutzauftrag bei Kindeswohlgefähr-dung (§8a SGB VIII)

Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten und traumapädagogische Ansätze

Wissen zur Bewältigung von Übergän-gen

Wissen zur partnerschaftlichen Zusam-menarbeit mit Eltern

Wissen um die kindliche Entwicklung und Gesundheitsförderung

Kooperation mit Ausländerbeauftrag-ten, Flüchtlingsunterkünften, Sozialamt, Arbeitsamt, Jugendamt etc./Erschlie-ßen von Hilfen und Unterstützungssys-temen

Vorurteilsbewusste und interkulturelle Handlungskompetenzen (Umgang mit Vielfalt)

Regelmäßige Teamreflexionen über die eigenen Befindlichkeiten, Erfahrungen etc.

Veränderungsbereitschaft und Kompe-tenzerweiterung im Team

Verständnis, Neugier und Offenheit ge-genüber anderen (Werte)Systemen und Kulturen

Page 23: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

23

© IFK e.V.

Kooperationspartner und Netz-werke

Eine zentrale Aufgabe für Kitas, die Flüchtlings-kinder auf-nehmen, wird es auch sein, Unterstützungsnetzwerke aufzu-bauen, um deren Integration voranzubrin-gen. Hierfür sind ganz unterschiedliche Ko-operationspartner wichtig, z.B.:

Andere Kitas/Schulen in der Region zum Informations- und Erfahrungsaustausch

Psychologische Fachdienste und Erzie-hungsberatungsstellen

Frühförderstellen oder Logopäden

Wohlfahrtsverbände

Sprachschulen, Freiwilligen-Netzwerke, Sozialamt zur Vermittlung von Dolmet-scher/innen

Regionale Integrationsstellen, Arbeits-gruppen, Migrationsberatung, runde Ti-sche zum Aufbau eines Unterstützungs-netzwerkes.

zuständige Leitungen der Asylunter-künfte

Hilfreiche Materialien

Manual Religionsbildung für die Primarstufe: http://zeok.de/bildung/materialien/manual/

Willkommensschilder in verschiedenen Sprachen. http://zeok.de/bildung/materialien/will-

kommensschilder/

Elternbriefe zur Bildung und Erziehung der Kinder in den ersten 8 Jahren (z. B. in Türkisch):

http://www.ane.de/bestellservice/elternbrief-abo/ oder http://www.a4k.de/elternbriefe/el-

ternbrief-fuer-roma/

Das Elternportal des Arbeitskreises „Neue Erziehung“ in verschiedenen Sprachen mit Materi-

alien in verschiedenen Sprachen, z.B. zur Sprachentwicklung: http://www.a4k.de/down-

loads/sprachentwicklung-downloads.html

Materialien zur bildgestützten Verständigung in Deutsch-Türkisch-Russisch-Arabisch (z. B. Verständigungshilfen für das Elterngespräch, Einladung zu Elternabenden etc.): http://medi-bild.de/hauptseiten/Materialien.html

Broschüre zu mehrsprachigen Kinderbüchern: www.edition-bilibri.com/fileadmin/pdfs/An-sicht_Broschuere_14.pdf

Eltern-Flyer: Tipps zum Lesen mit dem Kind in verschiedenen Sprachen: http://minnesotahu-manities.org/tips

Infoflyer zur Mehrsprachigkeit für Eltern: http://www.lakos-sachsen.de/elterninfobriefe-mehrsprachigkeit/

Die Broschüre des Bundesministeriums für Migration „Willkommen in Deutschland“: https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Broschueren/willkommen-in-deutschland.html

Netzwerk Leichte Sprache. Hier finden sich viele Hinweise dazu, wie man Sachverhalte leicht verständlich darstellen kann: www.leichtesprache.org/images/Regeln_Leichte_Sprache.pdf

„Klar & Deutlich. Agentur für einfache Sprache“ mit Richtlinien, die helfen, Texte besser ver-ständlich zu schreiben: www.klarunddeutlich.de/html/img/pool/Richtlinien_Einfa-ches_Schreiben.pdf

Page 24: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

24

© IFK e.V.

Literatur: Akbaş, Bedia (2015). Pädagogischer Blick auf geflüch-

tete Kinder: Ungleiche Rechte, ungleiche Chancen. Verfügbar unter: http://www.mk.niedersach-sen.de/download/98784/Impulsvortrag_Paedagogi-scher_Blick_auf_gefluechtete_Kinder_Unglei-che_Rechte_ungleiche_Chancen_.pdf. [30.10.2015]

Bialek, Julia (2015). Ein sicherer Ort. In: Meine Kita.

2/2015, S. 9-11. Didacta. Darmstadt Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2015). Ak-

tuelle Zahlen zu Asyl. Berlin Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und

Jugend (2014). Übereinkommen über die Rechte des Kindes. Berlin. Verfügbar unter: http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/publikatio-nen,did=3836.html [30.10.2015]

Deutsche Kinder und Jugendstiftung (2014). Doku-mentation zum Fachtag Ankommen in Deutschland. Bildung und Teilhabe für geflüchtete Kinder und Ju-gendliche. Leipzig

Jaberg, Caroline (2009). Winzig klein und riesengroß: Mitmachgeschichten für kleine Kinder. Herder. Frei-burg

Jung, Heike (2013). 100 Bewegungs- und Entspan-nungsspiele für die Krippe. Verlag an der Ruhr. Mühl-heim an der Ruhr

Maywald, J (2013). Schutz vor Kindeswohlgefährdung in der Kindertagespflege. Deutsches Jugendinstitut. München

Ministerium für Bildung, Jugend und Sport Thüringen (2015). Kinder aus Flüchtlingsfamilien in Kindertages-stätten. Erfurt

Rothkegel, Sibylle (2015). Gemeinsam stark! In: Meine Kita. 2/2015, S. 4-8. Didacta. Darmstadt

Sächsisches Staatsministerium für Kultus und Sport (2009).Mehrsprachigkeit in Kindertageseinrichtungen und Grundschulen. Dresden

Schreiner, Sonia (2015). Flüchtlingskinder in Deutsch-land - Herausforderungen für die Arbeit auch in Kitas. Verfügbar unter: http://www.erzieherin.de/fluecht-lingsarbeit-in-deutschland.html [30.10.2015]

Strohm, Judith/Feger, Linda (o.J.). Neue Lebenswel-ten gestalten. In: Infodienst – Das Magazin für kultu-relle Bildung/115, S. 16-18

Sprengler, Birgit (o.J.). Blitzlicht: Flüchtlingskinder als Chance für die Kita – für eine Kultur des Willkommens und miteinander Lernens. Verfügbar unter: http://www.lpm.uni-sb.de/typo3/fileadmin/Benut-zer/Chancen/Fluechtlingskin-der_als_Chance_fuer_die_Kita.pdf. [30.10.2015]

Terre des hommes (o.J). Basisinformation Flüchtlings-kinder

UNHCR (1951). Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge. Verfügbar unter: www.un-hcr.de/fileadmin/user_upload/dokumente/03_pro-fil_begriffe/genfer_fluechtlingskonvention/Gen-fer_Fluechtlingskonvention_und_New_Yorker_Pro-tokoll.pdf [30.10.2015]

Unicef (2014). In erster Linie Kinder. Flüchtlingskinder in Deutschland. Köln

www.anti-bias-werkstatt.de/?q=de/content/was-ist-der-anti-bias-ansatz)

3. Eine Kita stellt sich vor

Für die achte Ausgabe des Newsletters wurde Herr Kluge3 interviewt. Herr Kluge ist Leiter der Kita „Kuschelkiste“ in Zwickau und berichtete uns über seine Erfahrungen zum Umgang mit Flüchtlingen in der Kin-dertagesstätte. Ihre Kita hat bei uns eine Fortbildung zum Thema „Flucht und Vertreibung: meine Rolle als Erzieher/in inmitten gesellschaftli-cher Umbrüche“ gebucht. Warum haben Sie dieses Thema gewählt? Unsere Kita befindet sich in einem Sozial-raum mit einem großen Anteil einer eher sozial schwächeren Bevölkerungsschicht. Für ostdeutsche Verhältnisse auch ein Stadtteil mit einer überdurchschnittlichen

3 Herr Jens Kluge erklärte sich bereit, mit Frau Frie-bel, wissenschaftliche Mitarbeiterin im KomNet-

Anzahl an Menschen mit Migrationshinter-grund. Dies spiegelt sich auch in unserer Belegung wieder (20-25 Prozent Kinder aus anderen Herkunftsländern). Aktuell ent-steht unmittelbar vor unserer Haustür ein Wohnprojekt, welches bis zu 170 Flüchtlin-gen ein Zuhause bieten soll. Da haben wir natürlich angefangen, uns mit dem Thema „Flucht und Vertreibung“ und den unter-schiedlichen Vorstellungen der Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter dazu zu befassen. Wir fragen, wo jeder einzelne steht, inwie-weit er/sie sich schon mit dem Thema be-fasst hat und ob er/sie bereits einen per-sönlichen Standpunkt zu diesem Thema ge-funden hat. Wir wollen gemeinsam überle-gen, wie wir es schaffen, alle Mitarbeiten-

QuaKi, das folgende Interview zu führen. Hierfür noch einmal herzlich Dank!

Page 25: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

25

© IFK e.V.

den in der Einrichtung für die Arbeit mit ge-flüchteten Kindern und deren Eltern zu mo-tivieren und die Chancen in dieser Arbeit herausstellen. Insbesondere diejenigen, die sagen „Wir schaffen ja schon so unsere Arbeit nicht und genügen unseren Ansprü-chen nicht. Wohin soll das führen, wenn wir mit Menschen arbeiten, die traumati-siert sind und die Kommunikation zusätz-lich noch erschwert ist?“

Was braucht ein Kita-Team, um dieser The-matik und den Menschen offen und wert-schätzend zu begegnen? Es braucht einzelne Teammitglieder, die bereit sind voranzugehen, als Vorbild zu fungieren, und die sagen: „Wir gehen jetzt mal los und auf die Familien zu“. Natürlich erst, nachdem sie ihren eigenen Stand-punkt und ihre eigenen Ängste hinterfragt haben, ohne diese einfach so zu überneh-men. Das heißt auch zu akzeptieren, dass wir nicht die Weltpolitik oder die Politik der Bundesrepublik beeinflussen können, aber vor Ort die Möglichkeit haben, den Men-schen, die hierherkommen, mit Mensch-lichkeit gegenüberzutreten. Im Moment planen wir zum Beispiel im Rahmen des Martinsfestes ein großes Willkommensfest für Flüchtlingsfamilien unter dem Motto „Wer teilt, wird reich“. Dafür haben wir im Vorfeld nach Erzieherinnen und Erziehern gesucht, die sagen „Wir machen das gerne“, und bieten beispielsweise Lampion Basteln an. Wir brauchen also Menschen, die vorangehen und anderen, die Ängste haben, diese nehmen oder diese zumindest mindern. Ängste sind nun einmal einfach vorhanden, wie zum Beispiel die Angst da-vor, sich mit einer Krankheit anzustecken. Das sind Ängste, die ganz normal sind, aber natürlich – vor allem im beruflichen Kon-text – eher nicht ausgesprochen werden. Diese Ängste zu bearbeiten, das muss ein Team natürlich erstmal im Vorfeld leisten und so viel wie möglich darüber sprechen. Daher nehmen wir uns auch die Zeit, um uns im Rahmen dieser Fortbildung zwei

Tage in Ruhe damit auseinanderzusetzen und miteinander ins Gespräch zu kommen.

Haben Sie bisher schon Flüchtlingskinder in Ihrer Einrichtung aufgenommen? Wir haben derzeit sieben Kinder in unserer Kita und bisher eher positive Erfahrungen gemacht. Wir brauchen natürlich mehr Ge-duld und Zeit und müssen akzeptieren, dass die Kinder sich anders verhalten, bei-spielsweise im Regelverständnis. Aber auch wir und die anderen Kinder können viel von den Flüchtlingskindern lernen: von ihrer Art zu sein, ihrer Art, mit Dingen umzuge-hen, und ihrer Mentalität. Auch für die El-tern benötigen wir natürlich zunächst mehr Zeit, da diese oft grundsätzliche Fragen zu den Dingen des Alltags haben: „Wie kann ich den Antrag stellen und wo muss ich da-für hin?“ Das sind dann aber die Dinge, bei denen wir wieder dazu lernen. Was uns hierbei aber auch unwahrscheinlich weiter-bringt, ist diese Dankbarkeit, die uns ein Stück weit entgegengebracht wird, wenn die Menschen spüren, dass ihnen jemand hilft, sie akzeptiert und sie nicht abweist. Dadurch fällt es ihnen oftmals auch leich-ter, ihr Kind in fremde Hände zu geben, denn das ist in den Ländern, aus denen sie kommen, ja nicht üblich. Wenn es uns also gelingt, eine Basis des Vertrauens aufzu-bauen, dann ist es möglich, an die Familie selber und demzufolge auch an die Kinder heranzukommen. Dann erst kann Integra-tion gelebt werden und dann erst wird auch das zweite oder dritte Kind angemel-det. Idealerweise sagen dann die Kinder von sich aus, wir wollen gerne in den Hort oder in den Kindergarten. Dazu müssen wir aber zunächst die Eltern gewinnen.

Da haben Sie auch schon die nächste Frage mitbeantwortet, wie Sie die Eltern mit ins Boot holen. Das unterscheidet sich nicht so sehr von deutschen Familien. Bei denen ist es natür-lich mit der Sprache leichter. Aber auch bei deutschen Familien – ich rede jetzt von Fa-milien aus sozial schwächeren Bereichen –

Page 26: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

26

© IFK e.V.

ist es notwendig, dass man deren Ver-trauen gewinnt und versucht, sich in seiner Sprache und in seiner Art des Umgangs, in die Lebenswelt der anderen einzufühlen. Grundvoraussetzung dafür ist natürlich, dass wir unsere eigenen Ängste im Blick ha-ben und selber überprüfen, wie wir zu die-sem Thema stehen. Insbesondere auch als Leitung.

Müssen in der Kita bestimmte Bedingun-gen erfüllt sein, um mit Flüchtlingskindern arbeiten zu können? Was benötigt die Ein-richtung? Es gibt hier diverse Arbeitskreise. Im Ar-beitskreis Asyl, dem ich selber angehöre, erstellen wir gerade eine Broschüre für die Kitas, in der beschrieben wird, was sie für die Aufnahme von Flüchtlingskindern brau-chen: Was muss ich beachten? Wie ist das mit dem Impfschutz? Wann kann ich einen Platz vorhalten? Ist ein Flüchtling aner-kannt, welchen Aufenthaltsstatus hat er? etc. - tausend Fragen, mit denen sich eine Kita-Leitung so differenziert bisher natür-lich gar nicht auseinandergesetzt hat und zu denen eine Einrichtung klare Ansagen benötigt. Das Thema kann man natürlich noch ganz weit ausführen, aber zuallererst ist die Haltung entscheidend. Weiterhin bräuchte es aber auch eine Aufnah-mequote für die Kitas, egal wo diese gele-gen ist. Denn es gibt diejenigen Kitas, die sagen „Ich habe keine Plätze“, obwohl sie noch 3 bis 4 Kinder aufnehmen könnten, und jene, die sagen „Ich versuche es“, die dann aber vielleicht irgendwann überfor-dert sind, weil sie zu viele aufnehmen. Die Aufnahme von Flüchtlingskindern darf nicht zum Verschiebebahnhof werden.

Gibt es spezielle Herausforderungen, de-nen sie als Leitung bei dieser Thematik be-gegnen? Wie gehen Sie vielleicht auch mit Vorurteilen, ja sogar Fremdenfeindlichkeit um, wenn Sie davon erfahren? Es ist ganz wichtig, dass man dem vorbaut. Bei der Elternschaft bspw. sind wir bemüht, diese immer von vornherein mit ins Boot zu

nehmen. Wir machen hier also nichts, was nicht mit den Vertreterinnen und Vertre-tern der Elternschaft besprochen wurde. Das Willkommensfest, von dem ich sprach, gestalten wir gemeinsam mit den Eltern. Dort entstehen dann die ersten Erfahrun-gen zwischen den Menschen und die ers-ten Versuche, Vorurteile abzubauen. Das wird nicht immer gelingen – den Anspruch haben wir auch nicht. Und vieles, was in manchen Köpfen an „braunem Gedanken-gut“ existiert, kommt manchmal ja auch gar nicht öffentlich zum Ausdruck. Und wenn ja, dann muss man schauen, wie man darauf reagiert. Aber die Mehrheit, denke ich, steht dem eher offen gegenüber. Kin-der haben das Problem ja sowieso nicht. Wichtig sind also der Einbezug und die In-formation von Anfang an.

Sie haben vorhin schon kurz die Sprachbar-rieren erwähnt. Hat Ihre Kita kreative Ideen, wie man diese im Alltag umgehen kann? Naja, was ist eine Sprachbarriere ... Eine Barriere ist immer so anstrengend zu über-winden. Ich denke gar nicht darüber nach und die Kolleginnen und Kollegen sagen: „Na dann machen wir es eben mit Händen und Füßen“. Dann suchen wir uns eben die-sen Begriff, den das Kind gerade nicht aus-drücken kann, in Form eines Bildes. Das ist einerseits eine Herausforderung, anderer-seits aber auch als Sprachförderchance für die anderen Kinder zu sehen. Und die Kin-der sind ja innerhalb kürzester Zeit dazu in der Lage, die Sprache zu lernen. Bei den El-tern kommt es immer auf deren Bereit-schaft an, die Sprache zu lernen. Das ist na-türlich etwas, was nicht in unserer Hand liegt und wirklich von den einzelnen Men-schen abhängig ist. Manche warten sehn-süchtig auf ihren Sprachkurs, andere zie-hen sich zurück und lernen die deutsche Sprache vielleicht nie.

Page 27: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

27

© IFK e.V.

Welche Kooperationspartner braucht eine Kita? Auch da gibt es, bis auf wenige Ausnah-men, keinen großen Unterschied. Dolmet-scherbüros oder Helferkreise, die Erfah-rung mit Flüchtlingsfamilien haben, sind hilfreich. Dann sind da auch immer wieder die Behörden, die eine Form finden müs-sen, mit ihrer eigenen Überlastung umzu-gehen. Es gibt im Moment ja niemanden, der sagt „Juhu, wir freuen uns über noch mehr Arbeit“, egal ob es der Polizist an der Grenze oder die Mitarbeiterin ist, die einen Asylantrag bearbeitet. Wir als Kita sind aber ein Stück weit darauf angewiesen, dass alle versuchen, ihre Arbeit mit einer gewissen Gelassenheit und positiven Ein-stellung zu tun. Denn wenn beispielsweise bei einem Mitarbeiter im Amt ein gewisses Ressentiment da ist und er die Anträge lie-gen lässt, wodurch das Essengeld der Flüchtlinge nicht bezahlt wird, dann stehen wir hier vor der Frage: „Können wir Ach-med etwas zu essen geben? Wer bezahlt es denn?". Wir sind also davon abhängig, dass die Leute versuchen, ihren Schalter umzu-legen. Obwohl ich das nicht für einfach halte und das auch noch einige Jahre dau-ern kann. Wobei ich natürlich hoffe, dass sich das positiv entwickelt.

Möchten Sie abschließend noch etwas sa-gen, was Ihnen persönlich wichtig ist? Also es gibt zwei Dinge, die mir wichtig sind. Das erste richtet sich an die Träger und an die dortigen Geschäftsleitungen und Vorstände: Sie müssen sehen, dass ihre Aufgabe darin liegt, der Politik bzw.

den anderen Entscheidungsträgern, mit denen sie verhandeln, deutlich zu machen, dass auch gewisse Ressourcen vorhanden sein müssen. Denn die Kolleginnen und Kol-legen in den Einrichtungen brauchen, um gut mit den Menschen arbeiten zu können, gewisse Voraussetzungen, zum Beispiel personelle. Und dass die Träger auf die Ängste ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterin-nen reagieren. Wenn jemand beispielweise Angst hat, sich mit einer Krankheit anzuste-cken, muss der Träger darauf eingehen, In-formationen liefern und notfalls eine Imp-fung bereitstellen.

Die Botschaft an die Kolleginnen und Kolle-gen in den Einrichtungen lautet, dass es nur mit Gelassenheit geht, aber man trotzdem „Nein“ sagen muss, wenn die Ressourcen nicht stimmen. Dennoch müssen wir aber auch ein Stück weit von einigen eigenen Standards zurücktreten und diese in Anbe-tracht der neuen Situation überdenken. Dann heißt es eben zusammenrücken und im bildlichen Sinne ein Fach, was ein Kind hatte, mit zwei Kindern belegen. Wir wis-sen, dass es geht, wir müssen es aber auch wollen.

Das sind die beiden Sachen, die mir wichtig sind und dazwischen liegt das Gespräch zwischen Kita und Träger. Abschließend dann vielleicht einfach noch der Wunsch, dass man nicht wartet, dass jemand an-fängt, sondern dass man selber etwas initi-iert!

4. Aktuelles aus Recht, Politik und pädagogischer Praxis

Deutschland benötigt zehntausende neue Kita-Plätze

Zusätzlich zu dem ohnehin steigenden Be-darf an Kita-Plätzen in Deutschland rechnet das Familienministerium mit weiteren 68.000 Plätzen, die zur Unterbringung von

Flüchtlingskindern in Kitas benötigt wer-den. Hier sind Bund und Länder gefordert, da für die Integration von Kindern die Teil-habe am Bildungswesen überaus bedeut-sam ist. Allerdings sollten Eltern nicht in die Situation gebracht werden, um einen Platz konkurrieren zu müssen. Für die notwen-dige Finanzierung der zu schaffenden

Page 28: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

28

© IFK e.V.

Plätze schlug Familienministerin Schwesig daher vor, die frei gewordenen Mittel aus dem Betreuungsgeld direkt in den Kitaaus-bau umzuleiten.

Betreuungsgeld fließt an Bundesländer

Die LINKE und Bündnis 90/Die Grünen konnten ihren Antrag, die im Bundeshaus-halt 2015 eingestellten Mittel für das Be-treuungsgeld (welches durch das Bundes-verfassungsgericht am 21.07.2015 gekippt wurde) in den Ausbau der Kindertagesbe-treuung zu investieren, nicht durchsetzen. Die Bundesregierung und die Ministerprä-sidenten der Bundesländer einigten sich darauf, dass die frei werdenden Mittel nach Umsatzsteuerpunkten und Einwoh-nerzahl anteilmäßig zur Verfügung gestellt werden, allerdings ohne konkrete Auflage, wie das Geld einzusetzen ist. Den Bundes-ländern ist es demnach frei gestellt, ob sie diese Mittel in den Ausbau der Kinderta-gesbetreuung investieren.

Durchbruch im Kita-Tarifstreit

Die Gewerkschaft Verdi und die kommuna-len Arbeitgeber haben sich im Rahmen des Kita-Tarifstreiks auf durchschnittliche Lohnsteigerungen von 3.37 Prozent geei-nigt. Dieses Ergebnis entspricht eher den Wünschen und Forderungen der Beschäf-tigten als die abgelehnte Schlichtungsemp-fehlung. Dieses Ergebnis muss jedoch noch durch eine Urabstimmung der Mitglieder angenommen werden.

Bilderbuchaktion für Flüchtlingskinder

Die Bundesarbeitsgemeinschaft „Mehr Si-cherheit für Kinder e.V.“ hat ein deutsch-arabisches Bilderbuch zum Thema „Vergif-tungen, Notruf, Gefahrensymbole“ heraus-gegeben. Die kostenfreien Printversionen sind momentan vergriffen, das Buch kann jedoch auch als pdf. heruntergeladen und

ausgedruckt werden (http://www.kindersi-cherheit.de/pdf/2012_Bilderbuch-Gift-Arabisch.pdf)

Kindermarketing für Lebensmittel

Die Organisation „foodwatch“ hat in einer Studie die freiwillige Selbstbeschränkung der Lebensmittelindustrie beim Kindermar-keting untersucht und kam zu dem Ergeb-nis, dass diese keine Wirkung zeige. In Deutschland werden auch weiterhin unge-sunde Lebensmittel gezielt an Kinder ver-marktet. 90 Prozent der untersuchten Le-bensmittel stellen keine ausgewogenen Kinderlebensmittel dar, lediglich 29 Pro-dukte entsprachen den Kriterien der Welt-gesundheitsorganisation (WHO) für Kinder-lebensmittel. Daher fordern medizinische Fachgesellschaften, Gesundheitsorganisa-tionen und foodwatch von Gesundheitsmi-nister Gröhe und Bundesernährungsminis-ter Schmidt, dass an Kinder gerichtetes Marketing nur noch für Lebensmittel er-laubt sein darf, die den WHO-Kriterien ent-sprechen.

Irland: Nationale Strategie zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Ent-scheidungsverfahren

Als erstes Land Europas führt Irland eine nationale Strategie für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Entschei-dungsverfahren ein. Orientiert an der UN-Kinderrechtskonvention und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ermöglicht Irland durch diese Strategie Kin-dern und Jugendlichen ein Mitsprache-recht an Entscheidungen, die ihre Belange betreffen. Themenfelder, bei denen die Kinder und Jugendlichen künftig ein Mit-spracherecht erhalten sind: Entscheidun-gen ihrer lokalen Gemeinschaft, frühkindli-che Bildung, Schule sowie das non-formale Bildungswesen. Ebenso werden sie künftig

Page 29: NEWSLETTER...nenvertriebene und haben im Gegensatz zu Flücht-lingen kein Recht auf internationalen Schutz. 2,3 53,5 1,6 8,6 7,1 7,7 1,3 1,9 1,8 2,2 1,3 12,5 Quelle: Bundesamt für

29

© IFK e.V.

stärker an Entscheidungen beteiligt, die ihre Gesundheit, ihr Wohlbefinden sowie soziale Leistungen betreffen.

Förderung verhaltensauffälliger Kinder im Kindergarten

Wie wichtig bereits die frühe Förderung der sozial-emotionalen Kompetenzen bei verhaltensauffälligen Kindergartenkindern ist, zeigen zwei aktuelle Studien auf, die

kürzlich im deutschen Ärzteblatt erschie-nen sind. Diese kommen zu dem Ergebnis, dass bei verhaltensauffälligen Kindern be-reits im Kindergarten mit altersangemesse-nen Förderprogrammen interveniert wer-den muss, um die sozial-emotionalen Kom-petenzen zu verbessern. Passiert dies erst in der Schulzeit, könnten sich daraus so-wohl psychologische Auffälligkeiten als auch Schulvermeidung entwickeln.

5. KomNet-QuaKi-News

Treffpunkte im Alten Dorfkrug Staffelde

Der 7. Kita-Leiterinnen-Treffunkt findet am 26. Novem-ber 2015 (9.30 bis 15.30 Uhr) zum Thema „Kitapolis“ statt. Auf der Veranstaltung werden Anfor-derungen an die Innen- und Außenraumge-staltung in der Kita aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Es wird erörtert, wie die Raumgestaltung in der Kita sowohl nach gesetzlichen und sicherheitstechni-schen als auch pädagogischen und ästheti-schen Gesichtspunkten verbessert werden kann. Hierzu referiert Frau Nicola Böcker-Giannini, freiberufliche Trainerin und Bera-terin im Bildungsbereich. Abschließend

werden in einem Workshop konkrete (Um-)Gestaltungsmöglichkeiten von Räumen diskutiert und Optimierungskonzepte erar-beitet.

Fortbildung zum Thema „Umgang mit Flüchtlingskindern in Kindertagesstätten“

Aus aktuellem Anlass bietet das IFK ab so-fort eine Fortbildung zum Thema „Umgang mit Flüchtlingskindern in Kindertagesstät-ten“ an. Die Veranstaltung widmet sich zu-nächst der Reflexion eigener Vorurteile und Ängste und führt das Konzept der vor-urteilsbewussten Erziehung ein. Daran an-schließend werden mit den Teilnehmen-den Materialien und Arbeitshilfen entwi-ckelt, die die Zusammenarbeit mit Eltern und Kindern erleichtern sollen.

Dieser Newsletter wird vom KomNet-QuaKi-Team (Odette Friebel, Eva Schmidpeter, Manja Ehweiner, Susann Hartwich, Lea Wedewardt) entwickelt und erscheint vierteljährlich. Dank: Jens Kluge Fotos: pixabay Institut für angewandte Familien-, Kindheits- und Jugendforschung e.V. an der Universität Potsdam (IFK e.V.) Zweigstelle Kremmen, Staffelder Dorfstraße 19, 16766 Kremmen OT Staffelde Tel.: 033055 – 239150 Fax: 033055 – 239103 [email protected] www.ifk-vehlefanz.de Amtsgericht Potsdam, VR 516 P Sitz: Potsdam Direktor: Prof. Dr. Dietmar Sturzbecher Newsletter abbestellen: Zur Abbestellung des Newsletters antworten Sie bitte auf diese E-Mail.