"Nice to have" oder "must have"?

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Rubrik Rubrik kmuRUNDSCHAU // Seite 64 Ausgabe 1_2013 // Seite 65 Social Media gehören zu unserem Alltag wie Zähneputzen. Praktisch je- der nutzt hierzulande die vielfältigen Kommunikations-Möglichkeiten von Social Media. Und das meist inten- siver als die zwei Mal zwei Minuten Zähneputzen am Tag. Doch wie aktiv bewegen sich KMU in der Welt der Social Media? Herr Nappo, Hand aufs Herz: Hinken KMU den grossen Unternehmen in Sachen Social Media hinterher? Das kann man so nicht pauschalisieren. Genauso wie nicht alle Grossunternehmen auf Social-Media- Kanälen präsent sind, so sind es auch die kleinen und mittleren Unternehmen nicht. Manche Firmen nutzen die digitalen Medien sehr aktiv und erfolg- Interview mit Manuel P. Nappo von Astrid Steiner reich, andere sind eher träge und hinken tatsäch- lich etwas hinter dem Puls der Zeit her. Sind branchenmässige Unterschiede erkennbar? Es gibt Branchen, die mit der Digitalisierung sehr schnell konfrontiert worden sind und deshalb auf Social-Media-Kanälen stark präsent sind. Dazu zählen Unternehmen aus der Tourismusbranche, der Gastronomie und der Hotellerie. Viele Men- schen wollen Erlebnisse, die sie an solchen Orten machen – vom guten Essen über eine coole Party- nacht – mit anderen teilen. Gleichzeitig werden Hotels und Restaurants häufig im Internet bewer- tet und im besten Fall weiterempfohlen. Auf der anderen Seite habe ich den Eindruck, dass die Handwerks- sowie die Medizinbranche in Sachen Social Media noch Potenzial haben. Sie sind im Netz teilweise noch etwas untervertreten. Vielleicht erwartet die Gesellschaft von einem Hand- werksbetrieb gar keinen Social-Media-Auftritt. Das glaube ich nicht. Die Erwartung von den Usern an Unternehmen ist in allen Branchen etwa gleich gross. Die User haben sich daran gewöhnt, dass jedes Unternehmen einen Social-Media-Auftritt hat und auf digitalem Weg schnell und unkompli- ziert kontaktiert werden kann. Ist dies nicht der Fall, sind sie irritiert. Und diese Irritation hinterlässt beim User einen unprofessionellen Eindruck? Ganz so radikal würde ich es nicht ausdrücken. Aber es ist schon so: Eine Arztpraxis, die heute keine eine eigene Website hat, wirkt suspekt. Schliesslich will sich der potenzielle Patient ein Bild machen, bevor er einen Termin bei einem Spezialisten vereinbart. Was sind die besonderen Herausforderungen für KMU in Sachen Social Media? Die grösste Herausforderung ist für viele, Social Media in ihren Arbeitsalltag zu integrieren. Hat je- mand einen Bürojob, ist es relativ einfach, ein paar Fotos auf Facebook zu laden oder einen Tweet zu schreiben. Aber was macht ein Handwerker, der den ganzen Tag auf Montage ist und statt hinter dem Bildschirm hinter dem Lenkrad sitzt? So ge- sehen gibt es auch pragmatische Gründe, weshalb manche Unternehmen nicht oder nur sehr zurück- haltend auf Social Media präsent sind. Was sind weitere Herausforderungen für KMU? Die Herausforderungen auf Social-Media-Ka- nälen aktiv zu sein sind für KMU die gleichen wie für alle anderen auch. Nämlich: Ein klares Ziel vor Augen zu haben, ein entsprechendes Kommunikationskonzept zu erarbeiten und schliesslich die nötigen Ressourcen zur Verfü- gung zu haben. Spannender als die Frage nach den Herausforderungen finde ich aber die Frage nach den Chancen. Denn KMU haben gegen- über Grossunternehmen eine Riesenchance: Sie sind persönlich! «Nice to have» oder «must have»? Social Media in KMU

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Social Media gehören zum Alltag wie Zähneputzen. Privat benutzt praktisch jeder Social Media. Doch wie aktiv bewegen sich KMU in der Social-Media-Welt?

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kmuRUNDSCHAU // Seite 64 Ausgabe 1_2013 // Seite 65

Social Media gehören zu unserem Alltag wie Zähneputzen. Praktisch je-der nutzt hierzulande die vielfältigen Kommunikations-Möglichkeiten von Social Media. Und das meist inten-siver als die zwei Mal zwei Minuten Zähneputzen am Tag. Doch wie aktiv bewegen sich KMU in der Welt der Social Media?

Herr Nappo, Hand aufs Herz: Hinken KMU den grossen Unternehmen in Sachen Social Media hinterher?

Das kann man so nicht pauschalisieren. Genauso wie nicht alle Grossunternehmen auf Social-Media- Kanälen präsent sind, so sind es auch die kleinen und mittleren Unternehmen nicht. Manche Firmen nutzen die digitalen Medien sehr aktiv und erfolg-

Interview mit Manuel P. Nappo von Astrid Steiner

reich, andere sind eher träge und hinken tatsäch-lich etwas hinter dem Puls der Zeit her.

Sind branchenmässige Unterschiede erkennbar?

Es gibt Branchen, die mit der Digitalisierung sehr schnell konfrontiert worden sind und deshalb auf Social-Media-Kanälen stark präsent sind. Dazu zählen Unternehmen aus der Tourismusbranche,

der Gastronomie und der Hotellerie. Viele Men-schen wollen Erlebnisse, die sie an solchen Orten machen – vom guten Essen über eine coole Party-nacht – mit anderen teilen. Gleichzeitig werden Hotels und Restaurants häufig im Internet bewer-tet und im besten Fall weiterempfohlen.

Auf der anderen Seite habe ich den Eindruck, dass die Handwerks- sowie die Medizinbranche in Sachen Social Media noch Potenzial haben. Sie sind im Netz teilweise noch etwas untervertreten.

Vielleicht erwartet die Gesellschaft von einem Hand-werksbetrieb gar keinen Social-Media-Auftritt.

Das glaube ich nicht. Die Erwartung von den Usern an Unternehmen ist in allen Branchen etwa gleich gross. Die User haben sich daran gewöhnt, dass jedes Unternehmen einen Social-Media-Auftritt hat und auf digitalem Weg schnell und unkompli-

ziert kontaktiert werden kann. Ist dies nicht der Fall, sind sie irritiert.

Und diese Irritation hinterlässt beim User einen unprofessionellen Eindruck?

Ganz so radikal würde ich es nicht ausdrücken. Aber es ist schon so: Eine Arztpraxis, die heute keine eine eigene Website hat, wirkt suspekt. Schliesslich will sich der potenzielle Patient ein Bild machen, bevor er einen Termin bei einem Spezialisten vereinbart.

Was sind die besonderen Herausforderungen für KMU in Sachen Social Media?

Die grösste Herausforderung ist für viele, Social Media in ihren Arbeitsalltag zu integrieren. Hat je-mand einen Bürojob, ist es relativ einfach, ein paar Fotos auf Facebook zu laden oder einen Tweet zu

schreiben. Aber was macht ein Handwerker, der den ganzen Tag auf Montage ist und statt hinter dem Bildschirm hinter dem Lenkrad sitzt? So ge-sehen gibt es auch pragmatische Gründe, weshalb manche Unternehmen nicht oder nur sehr zurück-haltend auf Social Media präsent sind.

Was sind weitere Herausforderungen für KMU?

Die Herausforderungen auf Social-Media-Ka-nälen aktiv zu sein sind für KMU die gleichen wie für alle anderen auch. Nämlich: Ein klares Ziel vor Augen zu haben, ein entsprechendes Kommunikationskonzept zu erarbeiten und schliesslich die nötigen Ressourcen zur Verfü-gung zu haben. Spannender als die Frage nach den Herausforderungen finde ich aber die Frage nach den Chancen. Denn KMU haben gegen-über Grossunternehmen eine Riesenchance: Sie sind persönlich!

«Nice to have» oder «must have»? Social Media in KMU

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kmuRUNDSCHAU // Seite 66 Ausgabe 1_2013 // Seite 67

Inwiefern ist das ein Vorteil?

Social Media sind eine persönliche Angelegenheit. Menschen vernetzen sich, weil sie sich kennen und schätzen. Es macht doch eindeutig mehr Freude, mit dem freundlichen Blumenhändler aus dem Quartier vernetzt zu sein als mit einem Grossunternehmen, von dem wir nur gerade den Namen kennen.

Und wenn der Blumenhändler von nebenan nicht nur im Laden kreativ und freundlich ist, sondern auch einen guten Social-Media-Auftritt hat, ist schon sehr viel gewonnen. Zwar hat er nicht 34 Millionen Fans wie beispielsweise die Firma Star-bucks – dafür hat er aber 100 Fans, die er alle persönlich kennt und von denen ein grosser Teil bei ihm Blumen kauft. Ein Social-Media-Auftritt ei-nes KMUs ist eine grosse Chance!

Die Fülle an Kommunikationsmitteln ist rie-sig. Wann lohnt es sich für ein KMU auf Social Media zu setzen?

Immer. Ich würde als erstes auf Social Media set-zen und erst dann auf andere Kommunikations-massnahmen.

Warum?

Weil Social Media kostenlos ist – abgesehen von der Zeit, die man investiert. Eine Facebook-Seite ist gratis, ein Twitter-Account ist gratis. Kommt hinzu, dass ein Social-Media-Auftritt laufend aktualisiert und von der ganzen Welt gesehen werden kann.

Gibt es eine Faustregel, wie viele Stunden ein KMU für Social-Media-Aktivitäten pro Tag investieren sollte?

Nein, das entwickelt sich meist sehr natürlich. Persönlich bin ich der Meinung, dass ein Unter-nehmen mit 10 Minuten pro Tag auf Facebook schon sehr viel bewegen kann. Wichtig erscheint mir, dass es ein Unternehmen schafft, die Orga-nisation – also die Mitarbeitenden – miteinzube-ziehen, sie also zum aktiven Mitwirken zu bewegen.

Und wie schafft man das, in einer Zeit, in der alle kei-ne Zeit haben?

Indem man seinen Leuten aufzeigt, dass sie eine Mög-lichkeit haben sich und ihre Tätigkeit zu präsentieren. Aber auch indem man besondere Beiträge auf sympathische Weise honoriert und das Team spüren lässt, dass sein Beitrag für das Unterneh-men wichtig ist. Ein schönes Beispiel ist der Blog von SWISS. Da können vom «Maître de Cabine» über den Werkstattmitarbeiter bis zum Küchen-personal die verschiedensten Mitarbeitenden ei-nen Beitrag schreiben, was den Blog sehr leben-dig und abwechslungsreich macht.

Die Auswahl an Social-Media-Netzwerken wird von Tag zu Tag grösser. Welches ist die wichtigste Plattform für KMU?

Das kann ich so nicht sagen. Die Wahl der Platt-form hängt in erster Linie von den Zielen ab, die ein KMU erreichen will. Rein von der Reichweite her betrachtet, ist Facebook die wichtigste Plattform. Ich habe aber auch die Erfahrung gemacht, dass KMU auf Twitter sehr erfolgreich sein können.

Was kann man mit Social Media überhaupt erreichen?

(Lacht) Viel! Den Bekanntheitsgrad des Unterneh-mens und seiner Produkte oder Dienstleistungen steigern, den Dialog mit Kunden pflegen, Mitarbei-tende rekrutieren, Ideen für Produkt-Entwicklungen generieren, Feedbacks einholen, und, und, und.

Können Sie hierzu ein konkretes Beispiel nennen?

Ein Freund von mir hat ein Unternehmen, das Steuerungen für Maschinen herstellt. Es gab eine Zeit, in der einige Kunden bei der Installation die-ser Steuerungen etwas falsch machten und die

Steuerung deshalb nicht funktionierte. Also riefen sie im Unternehmen an, ein Techniker musste bei den Kunden vor Ort vorbeigehen, behob das Prob-lem in drei Handgriffen und machte sich wieder auf den Heimweg: alles in allem also ein grosser Aufwand für ein kleines Problem.

Als mich dieser Freund schliesslich fragte, ob es über Social Media eine Lösung gäbe, das Problem anzupacken, haben wir einen Youtube-Film ge-dreht. Auf diesem Kurzfilm haben wir demonst-riert, wie das Steuerungsproblem gelöst werden kann, ohne dass ein Techniker aufgeboten werden muss. Innert kürzester Zeit erfreute sich der Film grosser Beliebtheit und der Techniker des Unter-nehmens konnte aufatmen. Später ergänzten die betroffenen Kunden den Film zudem mit eigenen Kommentaren. Sie bildeten also eine Community, die wertvolle und praktische Informationen zu ei-nem spezifischen Anliegen miteinander teilte.

Was sind die Risiken für KMU auf Social-Media-Kanälen aktiv zu sein?

Was manchmal als Gefahr genannt wird, ist aus meiner Sicht keine Gefahr: Die Angst vor einem «Shitstorm», einer öffentlichen Empörungswel-le. Meiner Meinung nach weist eine Empö-rungswelle aber meist auf einen Missstand im

Unternehmen hin und ist somit eine Chance, etwas zu verbessern.

Braucht es ein spezielles Know-how, wenn sich ein KMU zu Social-Media-Aktivitäten entschliesst?

Social Media ist – wie fast alles auf der Welt – lern-bar. Allerdings muss man bereit sein, über den ei-genen Schatten zu springen und Neues dazuzuler-nen. Für einen ersten, einfachen Auftritt reicht in den meisten Fällen das Wissen, das wir von unse-ren privaten Social-Media-Aktivitäten mitbringen.

Und trotzdem bieten Sie an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich einen eigenen Studien-gang im Bereich Social Media Management an?

In unserem berufsbegleiteten Zertifikatslehr-gang werden die Studierenden befähigt, aus der Perspektive der integrierten Kommunika-tion eine Social-Media-Strategie für ihr Un-ternehmen zu entwickeln und umzusetzen. Es geht also darum, Social Media als eine zeitgemässe und zukunftsweisende Disziplin der Unternehmenskommunikation aktiv zu gestalten, mittel- bis langfristig zu planen und dabei die heute so wichtige vernetzte Denkweise zu erlernen.

ist Leiter der Fachstelle Social Media Ma-nagement an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich. www.fh-hwz.ch/fsmm

Manuel P. Nappo

«KMU haben gegenüber Grossunternehmen eine

Riesenchance: Sie sind persönlich»!

Zahlen sich Social-Media-Aktivitäten für KMU überhaupt aus oder sind sie eher ein «nice to have»?

Die Digitalisierung hält immer mehr Einzug in un-ser Leben. Social Media ist ein Teil dieser Digitali-sierung. Genau wie wir alle mit der Zeit gehen, werden auch KMU nicht darum herumkommen, sich den Veränderungen im Markt und in der Ge-sellschaft anzupassen. Deshalb würde ich es so formulieren: Social Media ist heute vielleicht noch ein «nice to have» – morgen aber auf jeden Fall ein «must have»!