Nicht größer, sondern besser - Florian Maucher · Theresa, Wolfgang, Melanie sowie Johanna und...

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Braunvieh 1/ 2016 8 REPORTAGE Begeisterte Braunviehzüchter (v.l.): Michaela, Viktoria, Theresa, Wolfgang, Melanie sowie Johanna und Franz Gratl mit Erstlingskuh Mike Mona. Fotos: Maucher Nicht größer, sondern besser O ben zu steil, unten zu teuer – in Berggebieten stellt die Flächenver- fügbarkeit vielerorts ein Problem dar. So auch bei Familie Gratl im Tiro- ler Bergdorf Ranggen. »Ums Dorf herum könnten wir Flächen haben, aber die sind steil und enorm arbeitsintensiv. Unten im Tal dagegen zahlen die Gemüsebauern bis zu 2000 Euro Pacht pro Hektar – da kön- nen wir Milchbauern nicht mithalten«, erklärt Wolfgang Gratl die Ausgangssitu- ation seines Betriebs. Der Wölflhof verfügt ohnehin schon über eine sehr arbeitsintensive Flächen- struktur. »Unsere 20 Hektar verteilen sich auf insgesamt 70 Parzellen«, berichtet der Betriebsleiter. Die kleinen Strukturen for- dern den Einsatz der gesamten Familie, fünf Hektar können nur mit dem Motor- mäher bewirtschaftet werden. Eine Betriebsvergrößerung ist für Gratls deshalb seit Jahren nicht mehr möglich. Deshalb mussten Alternativen her. »Mei- ne Eltern hatten bereits mit Direktver- marktung angefangen und wir haben das in den letzten Jahren immer weiter aus- gebaut«, erzählt Wolfgang Gratl. Neben einem Selbstbedienungsladen, an dem die Kunden rund um die Uhr Braunvieh- milch und -joghurt sowie Kartoffeln aus eigenem Anbau kaufen können, bietet die Familie ihre gesamte Produktpalette ein- mal pro Woche im Hofladen an. »Bis zu 60 Kunden haben wir hier pro Tag, die kommen bis aus Innsbruck zu uns«, freut sich Michaela Gratl. Einen großen Beitrag zum Erfolg leistet der 2010 gebaute Stall, der direkt an einem Spazierweg liegt. Die Kunden können so die Tiere sehen und die Kälber streicheln. Im Boxenlaufstall für die 25 Milchkühe und 35 Stück Nachzucht hat der Tierkom- fort oberste Priorität. »Die Laufgänge, speziell bei den Tränken, haben wir sehr breit gebaut und vollständig mit Gummi- matten ausgelegt. Durch die hohe Bau- weise haben wir im Sommer angenehme Temperaturen und gute Luft im Stall«, er- klärt Hofnachfolgerin Theresa Gratl. Die engagierte Jungzüchterin legt Wert darauf, dass die Tiere jederzeit Zugang zum beto- nierten Laufhof haben und erzählt: »Im Stall haben wir außerdem erhöhte Fress- plätze, damit die Kühe beim Fressen nicht vom Schieber gestört werden.« Komfort für Mensch und Tier Für eine übersichtliche Tierkontrolle ha- ben Gratls über dem Melkbereich eine ge- mütliche Stube mit einer breiten Fenster- front gebaut.Von hier aus kann die Familie jedes Tier beobachten. Zusätzlich gibt es ein separates Fenster, das einen direkten Blick auf die großzügig dimensionierte Abkalbebox ermöglicht. Da der Stall eini- ge hundert Meter vom Wohnhaus entfernt ist, haben sich Gratls für den persönlichen Komfort eine Schlaf- und Kochgelegen- heit eingerichtet. Der Tierkomfort spielt auch für Gratls Zuchtziel eine wichtige Rolle: »Wir möch- ten langlebige und fitte Kühe mit hohen Inhaltsstoffen.« Die leidenschaftlichen Wenn die verfügbaren Flächen knapp sind, braucht es Alternativen, um den Betrieb dennoch weiter entwickeln zu können. Familie Gratl aus Ranggen in Tirol setzt dabei auf eine kluge Direktvermarktung der am Hof erzeugten Produkte und passt ihre Braunviehzucht an. Der Stall mit Heulager wurde im Jahr 2010 gebaut. Der direkte Kontakt mit den Tieren kommt bei den Kunden sehr gut an.

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Braunvieh 1/ 20168 RepoRtage

Begeisterte Braunviehzüchter (v.l.): Michaela, Viktoria,

Theresa, Wolfgang, Melanie sowie Johanna und Franz

Gratl mit Erstlingskuh Mike Mona.

Fotos: Maucher

Nicht größer, sondern besser

O ben zu steil, unten zu teuer – in Berggebieten stellt die Flächenver-fügbarkeit vielerorts ein Problem

dar. So auch bei Familie Gratl im Tiro-ler Bergdorf Ranggen. »Ums Dorf herum könnten wir Flächen haben, aber die sind steil und enorm arbeitsintensiv. Unten im Tal dagegen zahlen die Gemüsebauern bis zu 2000 Euro Pacht pro Hektar – da kön-nen wir Milchbauern nicht mithalten«, erklärt Wolfgang Gratl die Ausgangssitu-ation seines Betriebs.

Der Wölflhof verfügt ohnehin schon über eine sehr arbeitsintensive Flächen-struktur. »Unsere 20 Hektar verteilen sich auf insgesamt 70 Parzellen«, berichtet der Betriebsleiter. Die kleinen Strukturen for-dern den Einsatz der gesamten Familie,

fünf Hektar können nur mit dem Motor-mäher bewirtschaftet werden.

Eine Betriebsvergrößerung ist für Gratls deshalb seit Jahren nicht mehr möglich. Deshalb mussten Alternativen her. »Mei-ne Eltern hatten bereits mit Direktver-marktung angefangen und wir haben das in den letzten Jahren immer weiter aus-gebaut«, erzählt Wolfgang Gratl. Neben einem Selbstbedienungsladen, an dem die Kunden rund um die Uhr Braunvieh-milch und -joghurt sowie Kartoffeln aus eigenem Anbau kaufen können, bietet die Familie ihre gesamte Produktpalette ein-mal pro Woche im Hofladen an. »Bis zu 60 Kunden haben wir hier pro Tag, die kommen bis aus Innsbruck zu uns«, freut sich Michaela Gratl.

Einen großen Beitrag zum Erfolg leistet der 2010 gebaute Stall, der direkt an einem Spazierweg liegt. Die Kunden können so die Tiere sehen und die Kälber streicheln. Im Boxenlaufstall für die 25 Milchkühe und 35 Stück Nachzucht hat der Tierkom-fort oberste Priorität. »Die Laufgänge, speziell bei den Tränken, haben wir sehr breit gebaut und vollständig mit Gummi-matten ausgelegt. Durch die hohe Bau-weise haben wir im Sommer angenehme Temperaturen und gute Luft im Stall«, er-klärt Hofnachfolgerin Theresa Gratl. Die engagierte Jungzüchterin legt Wert darauf, dass die Tiere jederzeit Zugang zum beto-nierten Laufhof haben und erzählt: »Im Stall haben wir außerdem erhöhte Fress-plätze, damit die Kühe beim Fressen nicht vom Schieber gestört werden.«

Komfort für Mensch und Tier

Für eine übersichtliche Tierkontrolle ha-ben Gratls über dem Melkbereich eine ge-mütliche Stube mit einer breiten Fenster-front gebaut. Von hier aus kann die Familie jedes Tier beobachten. Zusätzlich gibt es ein separates Fenster, das einen direkten Blick auf die großzügig dimensionierte Abkalbebox ermöglicht. Da der Stall eini-ge hundert Meter vom Wohnhaus entfernt ist, haben sich Gratls für den persönlichen Komfort eine Schlaf- und Kochgelegen-heit eingerichtet.

Der Tierkomfort spielt auch für Gratls Zuchtziel eine wichtige Rolle: »Wir möch-ten langlebige und fitte Kühe mit hohen Inhaltsstoffen.« Die leidenschaftlichen

Wenn die verfügbaren Flächen knapp sind, braucht es Alternativen, um

den Betrieb dennoch weiter entwickeln zu können. Familie Gratl aus

Ranggen in Tirol setzt dabei auf eine kluge Direktvermarktung der am

Hof erzeugten Produkte und passt ihre Braunviehzucht an.

Der Stall mit Heulager wurde im Jahr 2010 gebaut. Der direkte

Kontakt mit den Tieren kommt bei den Kunden sehr gut an.

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Braunvieh 1/ 2016 9RepoRtage

Payssli-Tochter Paula wurde Gruppensiegerin der

Jungzüchter III bei der Bundesbraunviehschau in Imst

2015. Sie trägt ihr erstes Kalb von Biver.

Foto

: Sol

di

Tamara (V: Trilogy) (8/7 9195 3,86 3,38) belegte bei

der Europaschau 2008 in Rotholz den dritten Platz bei

den Kühen mit über 58 000 kg Lebensleistung.

Foto

: Nol

li

Der Milchviehstall wurde großzügig und hell gestaltet, um den Tieren ein Höchstmaß an Tierwohl zu bieten.

Viele euterstarke Tiere sind am Betrieb Gratl zu finden.

Hier (v.l.) Etvei-Tochter Eva, Vigor-Tochter Viola und

Payoff-Tochter Priscilla.

Betriebsspiegel Wölflhof

Braunviehzüchter legen gleichzeitig aber auch Wert auf schöne Kühe. Mit Etvei Eva (HL 2 9023 4,41 3,45) steht die Gruppen-siegerin der Junior Classic in Völs 2012, die Gesamtreservechampion und Euterreser-vechampion der Talausstellung Kematen 2013 und die Gruppenzweite der Landes-ausstellung 2012 in der Herde. Aus dieser euter- und inhaltsstoffstarken Kuh hat der Betrieb mit Vigor Viola, Payoff Priscilla und einem Dally-Rind bereits drei hoffnungs-volle Töchter im Stall.

Eine sehr breite Kuh mit viel Kapazität ist Eldorado Emma (HL 5 10702 4,74 3,11). Neben Denver Diana, Vigor Vicky und einem Genox Boy-Kalb findet man von ihr auch Huray-Tochter Hanna in Gratls Herde. Sie erreichte bei der Landes-ausstellung 2012 den zweiten Platz. Auf Bundesebene stellte Familie Gratl bereits 1947 in Wels ein Siegertier, mit Vogue Vera gelang auch der Bundessieg im Jahr 2000 in Imst und zuletzt 2015 ein Gruppen-sieg bei den Jungzüchtern im Rahmen der Bundesschau, ebenfalls in Imst. Im Jahr 2013 wurden Gratls bei der Talausstellung zudem mit 13 1a-Platzierungen als beste Aussteller ausgezeichnet und stellten den Gesamtreserve-Champion.

Fleisch nicht vernachlässigen

Gratls vermarkten frischlaktierende Erstlingskühe auf der Auktion in Imst oder auch direkt ab Hof. Die Bestands-ergänzung erfolgt rein aus der eigenen Nachzucht. »Wir stallen alles selber auf, auch die Bullen. Wir züchten zwar auf eine schöne Zuchtkuh, verlieren das Fleisch aber nicht mehr aus den Augen«, erklärt Wolfgang Gratl. Als Fleischvererber set-zen sie gerne Bullen wie Brookings, Poster, Mike, Nescardo oder Blooming ein, die breite Tiere liefern.

»Das ist für die Direktvermarktung wichtig. Viele meinen, Braunvieh-Bullen würden sich nicht für die Endmast eignen – dieser Meinung bin ich nicht«, erklärt

Wolfgang Gratl. Die täglichen Zunahmen liegen zwischen 1100 bis 1250 Gramm. Zu scharfe männliche Tiere werden als Voll-milchmastkälber mit etwa 180 kg Lebend-gewicht verkauft.

»Die Kälber, die sich für die Mast eig-nen, werden beim Enthornen auch kast-riert. Sie dürfen meist einmal auf die Alm und werden dann eineinhalbjährig mit

500 bis 600 Kilo Lebendgewicht im hof-eigenen Schlachthaus geschlachtet und als Mischpakete im Hofladen vermark-tet. »Wir haben dafür viele Stammkunden und gerade bei den jungen Familien wird die Nachfrage immer größer. Die wollen sehen, wo es herkommt, und schätzen das zarte Braunviehfleisch«, berichtet die Fa-milie. Florian Maucher

Familie: Wolfgang (43) und Michaela (39) mit den Töchtern Theresa (17), Melanie (16), Viktoria (11), auch die Großeltern helfen noch am Betrieb mit;Viehbestand: 25 melkende Kühe, 35 Stück Jungvieh, 4 männliche Mastrinder, 10 Kälber, 18 Schweine, 150 Legehühner;Milchleistung: 7900 kg bei 5,1 % Fett und 3,7 % Eiweiß, Molkerei: Tirol-Milch, Milchpreis: 33 ct (inkl. MwSt.);Trächtigkeiten von : Brookings, Genox-Boy, Nescardo, Biver, Brad (je 3);Kühe: Vigor, Starlot (je 3), Domino, Payssli, Mike

(je 2), Etvei, Prunki, Denver, Payoff, Hu-ray, Wurl, Agio, Eldorado, Jolt (je 1);

Jungvieh von: Vigor, Schnee (je 1), Poster, Payssli, Voicemail (je 2), Genox-

Boy, Voice (je 3), Dally (4), Fantastic (5) und Brookings (8);Fläche: 20 ha (8 ha eigen, 12 ha Pacht), davon 11,9 ha Grünland und 8,1 ha Ackerland mit 4,5 ha Kleegras, 2,7 ha Silomais, 0,5 ha Kartof-feln sowie 0,4 ha Erdbeeren;Besonderheit: Ab Hof Verkauf von Milch, Jo-ghurt, Butter, Fleisch, Wurst, Eiern, Kartoffeln, Brot, Knödeln, Aufstrichen und Erdbeeren.