N'Jus HS 13

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Klischees Das Substitutenjahr Deutsche Professoren an der RWF Unterwegs in China Herbstsemester 2013 Zeitschrift der Zürcher Jus-Studierenden

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Das N'Jus ist die Zeitschrift des Fachverein Jus der Universität Zürich. Thema: Klischees

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Klischees

Das Substitutenjahr

Deutsche Professoren an der RWF

Unterwegs in China

Herbstsemester 2013Zeitschrift der Zürcher Jus-Studierenden

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Nadine Wipf, Délia Maire

Editorial

Geschätzte Leserschaft

„Wenn sie sich unsere Studierenden mal ansehen, stellen sie fest, dass wir in einem sozialen Kokon leben. Jus-Studenten sind schon speziell und anders als Studierende anderer Fach-bereiche.“ Diese Aussage stammt aus dem letzten N’Jus – von einem unserer eigenen Professoren – und hat uns zum Thema der aktuellen Ausgabe inspiriert.Kaum ein Studiengang ist mit so vielen Vorurteilen behaftet wie jener der Rechtswissenschaften. Es existieren Klischees en masse, wobei der Leser den meisten bereits begegnet sein dürfte. In diesem Editorial versuchen wir für einmal den Blickwinkel der Professoren einzunehmen. Dazu sind wir ins Archiv hinab-gestiegen und haben in alten Ausgaben des N’Jus gestöbert. Auffallend war, dass sich unsere Professoren eher zurückhaltend zeigen, wenn es darum geht, ihre Ansichten über die Studierenden zu teilen. Dies möglicherweise, weil sie selbst einmal zu der klischeebehafteten Studierendengruppe gehörten, welche sie nun unterrichten.

Zum Auftakt soll ein erfreuliches Statement aber daran erinnern, dass der Studiengang der Rechtswissenschaften ungeachtet aller Klischees nicht nur Raum für Individuen lässt, sondern sie auch braucht: „In Veranstaltungen mit grossen Hörerzahlen glauben die Studenten offenbar, sie seien unsichtbar und unwichtig für das Gelingen der Vorlesung. Das ist schade und natürlich nicht richtig“ (Babusiaux, FS10, p. 28). Auch Prof. Kiener blickte hinter die Klischee-Fassade: „Ich erlebe die Studenten als äusserst interessiert und höflich“ (HS09, p. 7). Interesse und Höflichkeit sind dabei Eigenschaften, die auch ausserhalb des Studiums gefragt sind, wie unsere Do’s & Don’ts zum Bewerbungsprozess zeigen. Bei einem Interview mit einem Hiring Partner von Lenz & Staehelin stand man uns gar Rede und Antwort, welche Anforderungen die Grosskanzlei in concreto an Bewerber stellt. Das ist unsere Art, den Klischees über die Bedeutung des Notendurchschnitts, die Notwendigkeit von Auslandaufenthalten und anderen Zusatzqualifikationen zu begegnen.

„Wie komme ich direkt dahin, direkt zur Karriere?“, ist denn auch eine Frage, die sich die Studierenden laut Prof. Meyer vermehrt stellen (FS13, p. 7). Der erste Schritt hin zur steilen Karriere liegt dabei häufig im Substitutenjahr. Es überrascht nicht, ist auch diese Ausbildungsphase zum Gegenstand

zahlreicher „Studentenwahrheiten“ geworden. Das N’Jus identifiziert zehn Mythen, die sich um das weichenstellende Jahr am Gericht oder in der Grosskanzlei ranken, und vergleicht sie mit Antworten von denjenigen, die es wissen müssen: gegenwärtigen Substituten.

Des Weiteren wird sodann das Klischee der inhärenten Bindung von Juristen an ihr Ausbildungsland adressiert. Dass gerade keine zwingende Fesselung an das Land besteht, in welchem man studiert hat, zeigt die Reportage über die deutschen Professoren an unserer Fakultät. Selbst die Studierenden der RWF lassen sich nicht nur an die Schweiz binden. Prof. Alexander fand dafür die folgenden schönen Worte: „I find that most of the students I meet are very international! They have travelled to many countries, they want to study abroad, they speak different languages and I think they are much more cosmopolitan than students I have thaught in other countries.“ (HS10, p. 30) Diese Weltoffenheit wiederspiegelt sich im gegenwärtigen N’Jus gleich dreifach: Im Artikel über die Summer School des Pembroke King’s College in Cambridge, im Reisebericht über das klischeebehaftete China und – wenngleich Teil der Schweiz – im Beitrag über ein Austauschsemester an der Universität Lausanne.

Zuletzt haben uns die Worte von Prof. Arnet gefreut: „Ich sehe die Studierenden als erwachsene Personen und nehme sie ernst“ (FS13, p. 21) – allen Klischees zum Trotz.

Redaktionsleitung:Nadine Wipf, Délia Maire

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Inhaltsverzeichnis

7 Die neue deutsche Welle Deutsche Rechtsprofessoren an der Universität Zürich

13 Jusstudium - Keine Chance für Fremdsprachige? Ein Erfahrungsbericht

14 Take It Easy (But Not Too Much)! Der Bewerbungsprozess und weshalb viele Klischees zu relativieren sind

16 Interview mit Jan Arni, HR-Finance Manager Die Wahrnehmung von Juristen als potenzielle Arbeitnehmer

18 Interview mit Tino Gaberthüel, Partner bei Lenz & Staehlin (Zürich) Anforderungen an Praktikumsbewerber

22 Das Substituten-Jahr Fakten zur Arbeit am Gericht und in der Grosskanzlei

29 Quereinstieg: Berufliche Perspektiven für Bachelor-Juristen in der Kommunikation

32 Pro und Contra: Lernen im RWI

34 M&A-Seminar in Weggis

36 Helsinki meets Zürich The Finnish Vis Moot Team about its expectations of Switzerland and experiences with Swiss people

38 (Le Savoir Vivant)2 à Lausanne Austauschsemester an der Universität Lausanne

42 Pembroke-King’s Programme 2013 Ein unvergesslicher Sommer

46 Unterwegs in China Hinter der Fassade, im Reich der Mitte

52 Neues aus dem Fachverein

53 Ius Alumni

55 La pagina del Circolo Giovani Giuristi L’avvocato nel nostro futuro?

57 Kolumne

58 Rätsel Ein Jusstudentenklischee

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7 Aktuell

Simone Ursprung

Die Deutschen sind die zweitgrösste Ausländergruppe in der Schweiz. Das Verhältnis zu den Einwanderern ist nicht immer reibungslos und sorgt regelmässig für Schlagzeilen. Dank der Personenfreizügigkeit sind auch viele Rechtsprofessoren aus dem nördlichen Nachbarland in die Limmatstadt gekommen. Das N’Jus hat sie gefragt, wie sie aufgenommen wurden und was sie heute von der Schweiz denken.

Die neue deutsche WelleDeutsche Rechtsprofessoren1 an der Uni Zürich

Die in der Politik zuweilen heftig geführte Deutschendebatte erreichte 2009 auch die Universität Zürich. Die SVP behauptete in einem Inserat, dass sich ein „Deutscher Filz“ an den Hochschulen breitmache. Deutsche würden nur Deutsche anstellen. 207 Professoren reagierten mit einem Gegeninserat, auch der sonst eher zurückhaltend auftretende Rektor Andreas Fischer dementierte heftig.

Internationalisierung auch im JusDer Anteil deutscher Professoren an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät ist mit etwas über 23 % beträchtlich. Grund dafür ist jedoch nicht der „Filz“, sondern die zunehmende Globalisierung. Supranationale Organisationen und internationale Zusammen-hänge werden auch in den Rechtswissenschaften immer wichtiger. In anderen Fachgebieten, wie beispielsweise dem Strafrecht, gleichen sich die Regelungen verschiedener Staaten sehr. Hinzu kommt, dass es als Wissenschaftler immer wichtiger wird, nicht nur die Gesetze des Heimatlandes, sondern auch andere Rechtsordnungen zu kennen. So kommen bei vielen Stellen an Schweizer Universitäten immer

mehr auch deutsche Professoren in Frage. Um an der Rechts-fakultät eine der begehrten Stellen zu erhalten, muss ein Bewerber jedoch ein langes Berufungsverfahren durchlaufen.

Neue Begegnungen: Mit der Personenfreizügigkeit kamen auch viele deutsche Professoren an die Uni Zürich.

1 Professorinnen mitumfasst

Das Zürcher BerufungsverfahrenÜber die Neubesetzung eines Lehrstuhls entscheidet eine für jede Stelle individuell zusammengesetzte Berufungskommission. Sie setzt sich aus Mitgliedern der jeweiligen Fachgruppe, externen Experten, Professoren aus anderen Fachgebieten und Vertretern von Assistierenden und Studierenden zusammen. Entscheide werden demokratisch gefällt, wobei jedes Mitglied eine Stimme hat.

Wichtig ist, dass jemand fachlich kompetent ist

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8 Aktuell

schiedlich: „Die Uni sollte als Forschungs- und Lehrstandort internationale Qualität haben und die besten Leute anziehen. Das erreicht sie nicht, wenn Professoren nur nach Pass berufen werden. Eine gute Mischung ist sinnvoll“, meint Rolf Sethe. Brigitte Tag hat unter gewissen Voraussetzungen Verständnis für die Frage nach der Nationalität: „Manche stossen sich daran, dass man bei Berufungen immer darauf achtet, ob es auch Schweizer Bewerbungen gibt. Für Fächer, die beispielsweise ein tiefes Verständnis der Schweizer Sprache oder Kultur erfordern, liegt es aber nahe, Personen zu berufen, die damit gut vertraut sind.“ Diese Aussagen verdeutlichen den zuweilen schwierigen Spagat einer schweizerischen Universität: Einerseits soll sie internationale Ausstrahlung haben, andererseits soll sie sich als staatlich finanzierte Hochschule auch stark auf nationale Sachverhalte fokussieren. An der Rechtsfakultät in Zürich gelingt dies. Die Studierenden geniessen eine gut fundierte Ausbildung im Schweizer Recht und bekommen gleichzeitig rechtsvergleichende Einblicke, was auch den ausländischen Professoren zu verdanken ist.

Hohe Beliebtheit bei StudierendenDer Studierendenratspräsident Stefan Fischer löste 2007 eine Mediendebatte aus, als er in einem Interview monierte, punkto deutsche Professoren sei „langsam die Grenze des Erträglichen erreicht“. Das kostete ihn sein Amt. Sechs Jahre später ist bei den Zürcher Jusstudierenden der hohe Deutschenanteil kaum ein Thema. „Wichtig ist, dass jemand fachlich kompetent ist, nicht, welchen Pass er hat“ fasst Masterstudent Sebastian Ochalek die herrschende Meinung zusammen. Auffallend ist auch, dass die Vorlesungen von Deutschen oft sehr gut besucht sind. So zählt beispielsweise der Hamburger Strafrechtsprofessor Wolfgang Wohlers zu den beliebtesten Dozenten überhaupt. Mit seinem trockenen Humor bringt er

2 Der Sonntag vom 16.1.11

3 NZZ am Sonntag vom 6.10.13

Neben Werdegang und Publikationen wird auch die Lehr-tätigkeit von Bewerbern in Probevorlesungen getestet, welche auch durch Studierende evaluiert werden. In Bewerbungs-gesprächen mit der ganzen Kommission wird jeder Einzelne auf Herz und Nieren geprüft. Am Ende entsteht eine Rangliste mit drei Plätzen, welche der Universitätsleitung zur Genehmigung vorgelegt wird. Der erste Rang erhält das Angebot für die freie Stelle, im Jargon „Ruf“ genannt.

Deutsche überrumpeln mit ihrer Art die zurückhaltenden Schweizer – so zumindest will es das Klischee.

Unschöne ZwischentöneMacht ein deutscher Professor das Rennen, hat er sich demnach erst nach einem umfassenden, sorgfältigen Bewerbungsprozess gegen die Konkurrenz durchgesetzt. Gleichwohl gibt es manchmal Unstimmigkeiten: So gelangten beispielsweise trotz Kommissionsgeheimnis Details über die Berufung des Hamburger Strafrechtsprofessors Frank Meyer in die Medien.2 Die Journalisten kritisierten die Arbeit der Berufungs-kommission und stellten Meyers Qualifikation im Schweizer Recht in Frage. Die Vorwürfe erwiesen sich jedoch als nicht stichhaltig: Meyers Ernennung zum Professor wurde nach internen Abklärungen durch die Universitätsleitung bestätigt.Diese Episode stellt wohl eher den Einzelfall dar. Sie zeigt jedoch, dass die „Deutschenfrage“ zumindest bei Berufungen manchmal eine Rolle spielt. Darauf angesprochen, reagieren die Jus-Professoren unter-

Die Uni Sollte die besten Leute anziehen

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9 Aktuell

im Minutentakt hunderte Studierende zum Lachen und schafft es gleichzeitig, den vielschichtigen Strafrechtsstoff kurz und prägnant zu vermitteln. Diese Tendenz zeigt sich auch in der Vergabe des von Studierenden bestimmten Lehrpreises: Brigitte

Schweiz als neue HeimatBeruflich sind die deutschen Professoren gut integriert. Doch wie sieht es privat aus? „Ich wurde hier von Anfang an mit offenen Armen empfangen und habe unglaublich viele Schweizer Freunde gefunden“, erzählt Andreas Heinemann. Rolf Sethe geht sogar noch einen Schritt weiter: „Heimat ist da, wo ich mich wohlfühle – das ist die Schweiz.“ In seiner Wohngemeinde im Thurgau sei er komplett integriert, was vielleicht auch damit zu tun habe, dass man in diesem Grenzgebiet schon lange an die Deutschen gewöhnt sei.

Grosse DankbarkeitWie weit die Schweiz den Deutschen entgegenkommen kann, zeigt das Beispiel von Andreas Heinemann. Er ist seit 2012 Vizepräsident der Schweizerischen Wettbewerbskommission (WEKO) und fällt dort wichtige Entscheide im Wettbewerbs-recht. „Ich fühle mich überhaupt nicht als Fremder in diesem Gremium. Wir ziehen alle an einem Strang“, schwärmt er, „Ich bin dem Land unglaublich dankbar. Integrierter kann man nicht sein.“

Nichts wie weg?Nicht alle Deutschen fühlen sich so willkommen. Zahlen zeigen, dass immer mehr die Schweiz wieder verlassen. Exemplarisch dafür ist der Text „Nichts wie weg“ von Christoph Plate.3 Er ist ehemaliger Auslandredaktor der NZZ und kehrte nach zehn Jahren wieder in die deutsche Heimat zurück. Ihn störten vor allem „die geistige Enge, die vielen Vorschriften, der latente Antisemitismus, die Ausländerfeindlichkeit, die völlige Ab-wesenheit von Selbstironie“ der Schweizer. Diese Kritik weisen die deutschen Professoren mehrheitlich zurück. Geistige Enge? „Als ich als Student für ein Ausland-semester nach Genf reiste, hat sich für mich eine neue Welt eröffnet. Ich erlebte ein Land mit mehreren Sprachen, das viele verschiedene internationale Organisationen beherbergt. Für mich war von Anfang an klar, dass die Schweiz für völlige Offenheit und Inspiration steht“, erinnert sich Andreas Heine-mann. Viele Vorschriften? „Verglichen mit Deutschland sind wir hier im Paradies“, widerspricht Rolf Sethe. Fehlende Selbstironie? „Wenn man das Schweizerdeutsch wirklich gut versteht, dann findet man eine unglaubliche Ironie“, meint Brigitte Tag.

Heikles Thema AntisemitismusEtwas nachdenklicher ist die Reaktion punkto Antisemitismus. Das sei schwierig, gerade wenn man aus Deutschland komme, gibt Andreas Heinemann zu bedenken: „Es gibt zwar keine Kollektivschuld der Nachkommen des Nationalsozialismus, aber es gibt eine Verantwortung des Landes für die Taten. Es kann schon sein, dass ein Deutscher mit diesem historischen Hintergrund irritiert ist, wenn er hier auf andere Positionen zum Judentum und Israel trifft.“ Alleine deswegen könne man jedoch nicht den Vorwurf erheben, dass die Schweiz generell antisemitischer sei als andere Länder. „Jüdische Menschen sind sehr gut verwurzelt hier, fühlen sich wohl, können ihren Glauben leben und sind trotzdem gut integriert“, sagt auch Brigitte Tag. Happy End: Die deutschen Professoren fühlen sich wohl hier.

Tag und Rolf Sethe wurden 2011 zusammen mit ihrer Schweizer Kollegin Christine Kaufmann ausgezeichnet, da sie über Jahre hinweg immer wieder zu den meistnominierten Dozierenden für gute Lehre gehörten.

Gut integriertEntgegen aller Negativschlagzeilen werden die Deutschen Rechtsprofessoren auch von ihren Arbeitskollegen an der Uni-versität gut empfangen. „Ich habe hier noch nie irgendeine Form der Ablehnung gespürt. Die ausländischen Professoren sind komplett integriert“, sagt Andreas Heinemann. Man könne auch ohne Schweizer Pass alle universitären Ämter übernehmen und sei damit faktisch und auf dem Papier gleichberechtigt. Brigitte Tag engagiert sich mit viel Elan in diversen Gremien der Universität und fühlt sich dort vollständig akzeptiert.Rolf Sethe und Andreas Thier haben beide Rufe aus Deutschland abgelehnt und damit bewusst darauf verzichtet, wieder ins Heimatland zurückzukehren. Auch Dominique Jakob schwärmt: „Die Uni Zürich ist ein Top-Forschungsstandort. Man erhält schnell Kontakt zu den interessantesten Persön-lichkeiten. Ich fühle mich sehr wohl hier.“

Heimat ist da, wo ich mich wohlfühle

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10 Aktuell

Zweiseitige SchweizAm differenziertesten äusserten sich die deutschen Professoren zum Thema Ausländerfeindlichkeit. Alle betonen, dass sie diese zwar selbst nicht erlebt haben, aber sie könnten nicht pauschal für alle Deutschen antworten. Noch etwas weiter geht Rechtshistoriker Andreas Thier. Er sieht starke Tendenzen zur Ausländerfeindlichkeit, wenn auch nicht überall: „Die Schweiz hat zwei Gesichter. Da ist einerseits die internationale, weltoffene Strömung. Andererseits sehe ich eine extrem orts-verwurzelte, konservative Seite. Das Gleichgewicht zwischen beiden ist in letzter Zeit ins Schwanken gekommen.“ Politische Forderungen würden immer radikaler und es sei noch nicht absehbar, wo sich die Schweiz in Zukunft positionieren werde. Er hoffe jedoch, dass die Weltoffenheit auch in Zukunft bestehen bleibe, denn nicht zuletzt deshalb sei er hier geblieben.

des ZGB bekannt, hatte ab 1888 einen Lehrstuhl an der Universität Halle. Diese Berufungen hätten damals in Deutschland zu Diskussi-onen geführt, weiss Rolf Sethe: „Angst vor der Überfremdung ist ein generelles Problem, wenn man Gastarbeiter in ein Land holt.“ Dem könne man nur Abhilfe schaffen, indem man sich gegenseitig kennenlernt. Dafür muss man sich jedoch als Einwanderer auch bemühen. „Die Schweizer rennen eben nicht auf einen zu“, sagt Dominique Jakob.

Ignoranz ist die AusnahmeÄhnlich sieht das auch Andreas Heinemann: „Die Schweiz ist ein vollkommen anderer Staat mit einer anderen Geschichte. Man muss sich ganz darauf einlassen. Auf keinen Fall sollte man den eigenen Hintergrund der Schweiz überstülpen.“ Leider gebe es jedoch einen kleinen Anteil von Deutschen, die genau dies tun würden. „Diese Leute vermitteln dann ein völlig falsches Bild.“ Auch Brigitte Tag sieht genau hier ein Problem: „In den Medien werden die Ausnahmefälle als Normalität dargestellt. Dabei gibt es bei den Deutschen viele positive Beispiele.“ Eine Hürde scheint jedoch unüberwindbar: das Schweizerdeutsch. „Passives Verständnis ist kein Problem, aber ich kann viele Laute einfach nicht aussprechen“, klagt Rolf Sethe. „Der Versuch würde wohl so fremd klingen, dass sich mein Gegenüber auf den Arm genommen fühlt.“ Vielleicht müssten die Deutschen hier mehr Mut haben und die Schweizer etwas toleranter werden.

Musterbeispiel? Trotz einiger negativer Episoden sind alle befragten Professoren glücklich darüber, den Schritt über die Grenze getan zu haben. Sie konnten hier neue Wurzeln schlagen und bringen mit ihrer

Die Schweiz hat zwei Gesichter

Streitfaule Eidgenossen?Ein gängiges Klischee ist, dass die konfrontationslustigen Deutschen die zurückhaltenden Schweizer vor den Kopf stossen. Genau diese helvetische Höflichkeit schätzen und pflegen die deutschen Professoren jedoch. „Ich habe an einer deutschen Universität eine direkte Konfrontation erlebt. Das war höchst unangenehm. Ich freue mich, dass wir hier so respektvoll miteinander umgehen“ berichtet Rolf Sethe. Man denke hier zweimal nach, bevor man jemanden kritisiere. In Deutschland kritisiere man oft ganz schnell und denke dann erst nach. Trotzdem werden wichtige Probleme nicht unter den Teppich gekehrt, meint Brigitte Tag: „Die Schweiz löst viele Probleme, während andere Länder ewig darüber sprechen.“ Andreas Heinemann ist gleicher Meinung. „Ich habe hier nie die Er-fahrung gemacht, dass ich ein Problem nicht direkt angehen könnte. Vielleicht habe ich mich ja schon ganz oft daneben-benommen“, schmunzelt er. Einzig Andreas Thier wäre manchmal gerne etwas direkter: „Manchmal ist es hilfreich, Negatives auszusprechen. Schweigen kann auch eiskalt sein.“

Früher war es umgekehrtSchon lange vor der deutschen Einwanderungswelle, die etwa vor zehn Jahren begann, bestand ein reger Austausch zwischen deutschen und schweizerischen Universitäten. Die Migration ging im vorletzten Jahrhundert jedoch genau in die andere Richtung: „Einst war es üblich, dass Schweizer in Deutschland Recht studierten“, erklärt Andreas Thier. So zog es bereits im neunzehnten Jahrhundert viele Schweizer Rechtsprofessoren ins nördliche Nachbarland. Beispielsweise war Johann Caspar Bluntschli, dessen Zürcherisches Privatrechtliches Gesetzbuch das heutige Zivilrecht massgeblich prägte, Professor in München und Heidelberg. Auch Eugen Huber, heute vor allem als Vater

Perspektive frischen Wind in die Universität. Gleichzeitig respektieren und schätzen sie die schweizerische Kultur und ihre Eigenheiten. Die Rechtswissenschaftliche Fakultät ist damit auf gutem Weg, zum Musterbeispiel für die erfolgreiche Integration von Einwanderern zu werden. Trotzdem ist dieser Zustand nicht selbstverständlich. Die Beobachtung, dass im Land extremistische Tendenzen auf dem Vormarsch sind, sollte die Schweizer nachdenklich stimmen. Es gilt, die traditionellen Werte der Weltoffenheit und Toleranz zu bewahren – auch den Deutschen gegenüber.

Die Redaktion bedankt sich bei allen Beteiligten herzlich für die interessanten und aufschlussreichen Gespräche!

Auf keinen Fall sollte man den eigenen

Hintergrund der Schweiz überstülpen

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11 Aktuell

Dominique Jakob

Dominique Jakob studierte in München. Nachdem er bereits während seiner Habilitationszeit einen Forschungs-aufenthalt an der Universität Zürich eingelegt hatte, übernahm er dort 2007 einen Lehrstuhl für Privatrecht. Daneben ist er unter anderem als Konsulent für die Anwaltskanzlei Niederer Kraft & Frey AG tätig.

Andreas Thier

Andreas Thier studierte Recht und Geschichte in Tübingen und München. Seit 2004 ist er Professor für Rechtsgeschichte, Kirchenrecht, Rechtstheorie und Privatrecht an der Universität Zürich. Inzwischen hat er zwei Stellenangebote deutscher Universitäten abgelehnt, darunter eines der Ludwig Maximilians Universität, wo er studiert hatte.

Andreas Heinemann

Andreas Heinemann war bereits als Mobilitätsstudent in Genf. Nach seiner Habilitation in München wurde er 2001 Professor für deutsches Recht an der Universität Lausanne. 2007 wechselte er nach Zürich, wo er als Professor für Handels-, Wirtschafts- und Europarecht tätig ist. Daneben ist er seit mehreren Jahren Mitglied der Schweizer Wett-bewerbskommission, seit kurzem sogar Vizepräsident.

Rolf Sethe

Rolf Sethe übernahm nach seiner 2002 in Tübingen erfolgten Habilitation einen Lehrstuhl an der Univer-sität Halle-Wittenberg. Nachdem er ein Angebot der Universität Regensburg abgelehnt hatte, kam er 2008 an die Rechtswissenschaftliche Fakultät Zürich. Er ist Professor für Privat-, Handels- und Wirtschafts-recht. 2010 lehnte er einen Ruf als Vizepräsident der Zeppelin Universität Friedrichshafen ab, 2012 einen Ruf an die Universität Tübingen. Er leitet seit 2013 den Universitären Forschungsschwerpunkt Finanz-marktregulierung. Er ist Konsulent der Anwalts-kanzlei Niederer Kraft & Frey AG.

Brigitte Tag

Brigitte Tag wurde in Kriens geboren. In ihrer Kindheit ging sie zusammen mit den Eltern nach Deutschland, wo sie die Schule besuchte und studierte. Sie ist Professorin für Strafrecht, Strafprozessrecht und Medizinrecht und wurde 2002 nach Zürich berufen. Zudem arbeitet sie ist in vielen Gremien mit, unter anderem präsidiert sie die Gleichstellungs-kommission der Universität und ist Mitglied der Nationalen Ethikkommission im Human-bereich.

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12 Thema

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Elvira Agaeva1

Jusstudium - Keine Chance für Fremdsprachige?

Zuerst muss ich etwas gestehen: Ich wusste gar nicht, dass es ein solches Klischee gibt, bis ich von der Redaktion angefragt wurde, einen Bericht dazu zu verfassen. Ich bin nie darauf angesprochen worden, weder von meinen Kommilitonen noch von meinen Freunden ausserhalb des Studiums. Vielleicht hat mir dieses Nicht-Wissen den Einstieg in das Studium ein bisschen einfacher gemacht, da ich in dieser Weise dem zu-sätzlichen Druck ausweichen konnte.Jedenfalls denke ich, dass jeder, der sich für ein Studium in einer Fremdsprache entscheidet, einige Bedenken im Bezug auf die eigenen sprachlichen Kompetenzen hat. In meinem Fall haben sich diese Bedenken auch relativ schnell bestätigt. Im ersten Semester hatte ich an jeder Vorlesung meinen Laptop dabei, um die mir noch nicht bekannten Wörter nachzuschauen und der Lehrveranstaltung zu folgen. Ich hatte aber das Glück, unter 700 Mitstudierenden genau die Menschen kennenzulernen, die mir immer zur Seite standen, die Geduld hatten, mir die Wörter zu erklären, die nicht einmal in den grössten Wörter-büchern erwähnt wurden, und die im Laufe der Zeit zu meinen engen Freunden geworden sind. Nur einmal war ich mit einer Situation konfrontiert, die ich mir jetzt mit diesem Klischee erklären kann. Im ersten Jahr hat eine Dozentin die Möglichkeit angesprochen, in dem von ihr gelesenen Fach eine Fallbearbeitung zu schreiben. Sie meinte, wenn man sich auf Deutsch nicht fehlerfrei ausdrücken könne, solle man es sich doch einmal überlegen, ob man sich im richtigen Studiengang befinde. Ich habe mich danach für die Fallbearbeitung in einem anderen Fach entschieden. Ansonsten habe ich seitens der Universität nie den Eindruck bekommen, man gönne den Fremdsprachlern das erfolgreiche Jurastudium nicht. Um den sprachlichen Nachteil auszugleichen, wird den fremdsprachigen Studentinnen und Studenten die Möglichkeit zur Verfügung gestellt, Prüfungszeitverlängerung zu beantragen. Da ich mir das Ziel setzte, die sprachliche Barriere komplett zu überwinden, habe ich nie von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Interessant ist, dass ich von meinen Schweizer Kollegen in dieser Entscheidung unterstützt werde und bei fremdsprachigen Freunden oft auf Unverständnis stosse.Jedoch lernt sich die Sprache schnell, wenn man von ihr umgeben ist, und zwar nicht nur in der Universität, sondern auch ausser-halb. Mittlerweile bin ich im dritten Jahr und im Vergleich zum ersten hat sich die Situation (zum Glück!) völlig verändert. Natürlich gibt es manchmal immer noch Momente, die mich daran erinnern, dass Deutsch nicht meine Muttersprache ist: Beispielsweise wenn in einer Prüfungsaufgabe ein für die

Falllösung bedeutsames Wort vorkommt, das ich nicht kenne. Normalerweise könnte man dessen Übersetzung im Wörterbuch nachschauen, jedoch enthalten auch Wörterbücher leider manchmal Fehler. Dies ist mir letztes Jahr passiert, die ent-sprechenden Punkte gingen natürlich verloren. Wenigstens kenne ich jetzt das Wort. Obwohl es insbesondere am Anfang nicht ganz einfach sein mag, kann man sich mit dem Gedanken trösten, dass die Schweizerinnen und Schweizer genau genommen auch nicht in ihrer Muttersprache unterrichtet werden – Wir sind alle mehr oder weniger Fremdsprachler, vor allem wenn man die Besonderheiten der juristischen Fachsprache bedenkt. In meinen Augen eröffnet das Studium der Rechtswissenschaften für fremdsprachige Studierenden grosse Möglichkeiten: Es ist eine Herausforderung, zu lernen, wie man neue Informationen schnell auffassen und effizient arbeiten kann. Es fördert die Sprachkompetenz wie kaum ein anderer Studiengang. Dazu kommen noch alle Vorteile des juristischen Studiums, die nichts mit der Sprache zu tun haben. Deshalb soll es eigentlich heissen: Jusstudium – eine Chance für Fremdsprachler.

Studium 13

1 Elvira studiert im 5. Semester, ist russischer Muttersprache

und lernt Deutsch seit 4,5 Jahren.

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14 Karriere

Marie-Cristine Kaptan

Take It Easy (But Not Too Much)!Der Bewerbungsprozess und weshalb viele Klischees zu

relativieren sind

Finde zuerst das richtige Inserat? – Nicht unbedingt!Oft haben Jobsuchende die Vorstellung, dass sie sich nur auf ein Inserat hin bewerben können, da ansonsten keine Stellen frei sind. Dies trifft jedoch längst nicht immer zu. Je weiter unten in der Hierarchie des Unternehmens der Studierende oder Studienabgänger einsteigen will, desto eher ist es ratsam, sich einfach auf gut Glück („blind“) zu bewerben. Praktikums- und Substitutenstellen sind fast nie ausgeschrieben, ebenso kommt es regelmässig vor, dass Kanzleien genügend Arbeiten für eine (Teilzeit-) Assistenz hätten, aber entweder erst auf die

im jeweiligen Spezialisierungsfeld frei sind, da solche nicht immer nach aussen kommuniziert werden. Je mehr man indessen sein Betätigungsfeld einschränkt und nach einer ganz spezifischen Stelle sucht, oder wenn man als „Inhouse Counsel“ in einem Unternehmen arbeiten möchte, desto mehr ist es erforderlich, nach Ausschreibungen Ausschau zu halten, da die Organisationsstrukturen dort meist sehr straff sind und Vakanzen umgehend wieder gefüllt werden.

Das Bewerbungsschreiben: Wichtig, aber kaum matchentscheidendWeiter wird vielfach die Ansicht vertreten, das Bewerbungs- oder Motivationsschreiben sei das wichtigste Dokument der Bewerbung, da es dem Personalchef als erstes ins Auge springt, wenn er das Dossier öffnet. Selbstverständlich sollten darin keine Fehler enthalten sein, es muss einen sauberen und strukturierten Eindruck machen, und im Idealfall erläutern, weshalb man sich für diese Kanzlei oder das Unternehmen interessiert und was man mitbringt. Wer jedoch glaubt, mit einem solchen Schreiben könne er über andere Mängel in der Bewerbung hinwegtäuschen, geht fehl. Ebenso wird ein die obigen Kriterien erfüllendes, ansonsten aber durchschnittliches und nicht überaus phantasievolles Bewerbungsschreiben dem Erfolg keinen Abbruch tun, wenn Lebenslauf und Leistungs-ausweise dem entsprechen, wonach der Arbeitgeber sucht. Je grösser das Unternehmen, bei dem man sich bewirbt, und je mehr Bewerbungen pro Jahr dort eingehen, desto eher werden auch nur die leicht vergleichbaren Kriterien (wie Leistungs-ausweise) beachtet und muss ein Mindeststandard mitgebracht

Die Bewerbung für eine Arbeitsstelle ist für viele ein unangenehmes Unterfangen. Es ist mit Aufwand verbunden, bringt Unsicherheit mit sich, und es hängt ja doch so viel davon ab. Gerade bei Juristen ist die Konkurrenz gross, die Zahl der begehrten Stellen limitiert, und der Kampf dementsprechend hart. Was die Stellensuche so wichtig macht, ist nicht nur, dass unter Umständen der eigene Unterhalt davon abhängt, sondern auch, dass man einerseits einen beträchtlichen Teil seines Lebens am Arbeitsort verbringt („Was, wenn ich mich dort nicht wohl fühle...?“) und andererseits eine Absage als Kritik oder mangelnde Wertschätzung der eigenen Person aufgefasst werden kann, was die Situation emotional auflädt (ein Grossteil der Bevölkerung definiert sich schliesslich über den Beruf). Deshalb gibt es zahlreiche Bücher und Webseiten, die den aufmerksamen Leser mit den besten Tipps und Tricks zum Traumjob zu führen versprechen. Um sich nicht mit all den Ratgebern, die dann oft doch eine gewisse Verwirrung zurücklassen, einzureihen, soll dieser Artikel einige als solche wahrgenommenen „Regeln“ entschärfen und dazu ermutigen, einen persönlichen Bewerbungsstil zu finden.1

es ist erstaunlich, wie oft positive Rückmeldungen

und Einladungen an InterViews folgen

Idee kommen, zusätzliches Personal einzustellen, wenn eine entsprechende Bewerbung auf dem Tisch liegt, oder aber aus organisatorischen Gründen (noch) nicht dazu kommen, aktiv auf die Suche zu gehen. Gerade als Student empfiehlt es sich daher, einige potenzielle Arbeitgeber herauszusuchen und es einfach zu versuchen – es ist erstaunlich, wie oft positive Rückmeldungen und Einladungen an Interviews folgen!Auch nach der Anwaltsprüfung kann es nicht schaden, bei den gewünschten Arbeitgebern nachzufragen, ob Positionen

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15 Karriere

werden, um auf dem Stapel „interessant“ zu landen. Fällt man durch diesen ersten Filter, kann es sein, dass das Bewerbungs-schreiben gar nicht erst angesehen wird; im andern Fall wird sich der Arbeitgeber den Bewerber ohnehin genauer ansehen wollen und ihn anhand des Lebenslaufs und Gesamteindrucks für ein Interview einladen oder aber sich für das Interesse bedanken.

dass kurze Kostproben einer Fremdsprache verlangt werden. Hauptsächlich geht es jedoch darum, sich gegenseitig kennen-zulernen und herauszuspüren, ob der Stellensuchende ins Unternehmen passt bzw. sich dort wohl fühlen würde. Auch wenn das oberste Gebot ist, gepflegt und mit angemessener Kleidung zu erscheinen, sowie stets höflich zu bleiben, darf man ruhig auch einmal einen Ball, der einem zugespielt wird, zurückgeben und auf einen angerissenen Witz reagieren, wenn es denn die Situation zulässt. Man betritt beim Jobinterview kein Minenfeld, und nicht jede Bemerkung ist eine Falle, in die man gelockt wird. Hat der Bewerber sein Gegenüber von seiner Kompetenz überzeugt, fragt sich der Interviewer meist, ob es Spass machen würde, mit dieser Person zusammen zu arbeiten, gerade wenn man lange und teilweise intensive Arbeitszeiten hat. Auch hier gilt, je längerfristiger die zu ver-gebende Stelle ist, desto wichtiger wird dieser Aspekt, und auch dem Bewerber sei geraten, sich selbst die Frage, ob man mit diesen Leuten zusammenarbeiten möchte, ehrlich zu beantworten. Das Umfeld ist ebenso wichtig wie die Arbeit an sich!Daher gilt: Ehrlichkeit ist fairer der anderen Partei gegenüber und erweist auch dem Bewerber selbst einen Dienst!

1 Diese Ausführungen beziehen sich allerdings ausschliesslich

auf den Schweizer Arbeitsmarkt für Juristen. In anderen

Branchen und anderen Ländern kann die Situation ganz

anders aussehen.

Deshalb: Ein sorgfältig verfasstes Schreiben gehört dazu, man muss aber auch die Welt nicht neu erfinden. Die Wahr-scheinlichkeit, dass man dieselben Motive für eine Bewerbung hat wie die Konkurrenten, ist hoch und sich darüber den Kopf zu zerbrechen, lohnt sich nicht.

Am Interview: Nervosität ist menschlich, Überkorrektheit wirkt unechtIst die erste Hürde geschafft, folgt in der Regel ein Interview, bei welchem der Bewerber einem bis drei Personen (Anwälte und Partner im Fall von Kanzleien, Personalchef und Vertreter der rechtlichen Abteilung bei anderen Unternehmen) gegen-übersitzt. Es kann sein, dass fachliche Fragen gestellt werden, insbesondere wenn eine Arbeit zu einem Thema verfasst wurde oder es zu prüfen gilt, ob laut Bewerbung vorhandenes Spezial-wissen tatsächlich vorhanden ist. Ebenso kann es vorkommen,

Man muss die Welt nicht neu erfinden

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16 Karriere

Délia Maire

Interview mit Jan Arni, HR-Finance Manager

Welche Klischees haben Sie als Privatperson gegenüber

Juristen?

Ich habe bis heute nur sehr gute Erfahrungen gemacht. Der Beruf mag für Aussenstehende eher einseitig wirken, die Menschen dahinter sind jedoch meist sehr humorvoll und interessant.

Was ist das Entscheidende an einem Bewerbungs-

schreiben und einem Lebenslauf?

Dies ist sehr abhängig vom jeweiligen Leser. Grundsätzlich möchte man mit seinen persönlichen Stärken aus der Masse herausragen, sollte jedoch gleichzeitig darauf achten, aufrichtig und ehrlich zu sein. Wichtig ist auch eine klare Struktur, Interesse zu zeigen, dabei aber natürlich zu bleiben. Bei einem

Welche Klischees hat ein HR gegenüber einem Juristen?Völlig unabhängig von einer Stelle oder der entsprechenden Berufsgruppe bringen die Kandidatinnen und Kandidaten immer einen sehr individuellen persönlichen Hintergrund sowie unterschiedliche Ansprüche an den allfälligen Arbeitgeber mit sich. Juristen sind da keine Ausnahme, weshalb allgemeine Klischees gegenüber denselben gar nicht erst entstehen können.

Lebenslauf

07.2013 – heute HR Finance Manager

JTI Dagmersellen

08.2011 - 06.2013 Int. Payroll & Benefits Coordinator (100%)

DICOM International AG, Kriens

02.2011 – 08.2011 Weltreise

07.2007 – 02.2011 Junior Treuhandsachbearbeiter (100%)

KENDRIS private AG, Aarau

Lebenslauf ist auf die Vollständigkeit und Lückenlosigkeit zu achten, ein sympathisches Foto hilft auch. Ich persönlich schätze es zudem, wenn zu früheren Positionen die wichtigsten Aufgabenbereiche aufgeführt sind, damit ersichtlich ist, über welche Kompetenzen der Bewerber verfügt.

Wie wichtig ist die Antwort auf die "letzte Frage" im

Bewerbungsgespräch einzustufen?

Ich würde eine einzelne Frage eines Gespräches nicht über-bewerten. Trotzdem, ein Bezug zum Unternehmen herzustellen kann nicht schaden. Zum Abschluss ist auch das Zeigen einer persönlichen Ebene sehr interessant. Ich erhoffe mir im Voraus von einem Gespräch auch, dass sich der Kandidat resp. die Kandidatin aktiv daran beteiligt; so kann man auch herausspüren, welches die wichtigen Punkte für den Gesprächspartner sind.

Page 17: N'Jus HS 13

17 Karriere

Haben nur Absolventen mit einem 5.0-Schnitt die Chan-

ce auf einen tollen Job?

Herausragende Noten werden nicht in jedem Beruf gleich stark gewichtet. Für Juristen sind sie am Anfang durchaus ein wichtiges Kriterium, dies liegt unter anderem an der grossen Konkurrenz. In anderen Berufen kann man sich vermutlich eher noch durch persönliche Stärken hervortun.

Bevor Sie im HR arbeiteten, arbeiteten Sie in einer

Unternehmung, die unter anderem Nachlassplanungen

und Steuerberatungen anbietet und viele Juristen

beschäftigt. Mussten Sie für Ihre Anstellung dort

zusätzliche Kompetenzen vorweisen oder während des

Anstellungsverhältnisses erwerben?

Ich musste vor allem tüchtig sein. Mithilfe von internen Schulungen konnte ich in dem sehr vielfältigen Aufgabengebiet schliesslich schnell Fuss fassen. Ich habe dabei die Erfahrung gemacht, dass sich ein stetig engagierter Einsatz auf Dauer immer lohnt. Man muss es sich aber schon verdienen.

Sie haben von dieser Unternehmung (mit Umwegen) zu

einem Hersteller von Tabakprodukten gewechselt – Ha-

ben die Juristen Sie vergrault?

(Lacht) Nein, die Juristen haben mich nicht vergrault. Mir wurde irgendwann bewusst, dass ich meine Stärken und Interessen in einem anderen Gebiet noch besser einsetzen respektive verfolgen kann, also habe ich den Schritt gewagt und bin heute sehr froh darüber.

Arbeiten auch in der Tabakindustrie Juristen? In wel-

chen Positionen?

Ja, die Tabakindustrie beschäftigt auch Juristen in verschiedenen Positionen. Als Vertreter einer stark regulierten Branche bietet die Tabakindustrie für Juristen ein sehr interessantes und spannendes Arbeitsumfeld, wobei das gesamte Aufgaben-spektrum eines Unternehmensjuristen abgedeckt ist, also das Arbeits- genauso wie das Wirtschafts- oder Immaterialgüterrecht.

Alles rund ums Studium

Page 18: N'Jus HS 13

18 Thema

Herr Gaberthüel, Sie sind Partner bei Lenz & Staehelin

im Bereich Gesellschaftsrecht und Transaktionen.

Ferner sind Sie Mitglied des Hiring Committee. Was

macht das Hiring Committee von Lenz & Staehelin

genau?

Unser Hiring Committee besteht aus drei "Hiring Partners". Ich bin einer davon. Unser Hiring Committee kümmert sich u.a. um die juristischen Bewerbungen, einschliesslich der Bewerbungen für eine Substitutenstelle und ein Sommer-kurzpraktikum. Wir kümmern uns um die Durchsicht der Bewerbungen, die Auswahl der Interview-Kandidaten sowie die Organisation und Durchführung der Interviews. Bei den eigentlichen Interviews nimmt neben Personen aus dem relevanten Fachbereich in der Regel auch ein Mitglied des Hiring Committee teil.

Wie kamen Sie zu dieser zusätzlichen Aufgabe als Hiring

Partner?

Wie Sie sich sicher vorstellen können, gibt es in einer Anwalts-kanzlei neben der eigentlichen Rechtsberatung, welche natürlich

Vanessa Fabris

Interview mit Tino Gaberthüel, Partner bei Lenz & Staehelin in ZürichKurz- und Substitutenpraktika: Klischees, ihr Wahrheitsgehalt und die

perfekte Bewerbung für eine Praktikumsstelle in einer führenden Schweizer

Wirtschaftskanzlei

Herr Tino Gaberthüel stand mir während rund eineinhalb Stunden zum Thema Praktikum in einer Wirtschafts-kanzlei Rede und Antwort: Was sind die Anforderungen an die Bewerber für ein Sommerpraktikum bzw. eine Substitutenstelle, wie sollte eine Musterbewerbung aussehen, welche Klischees lassen sich widerlegen?

Infobox

Lenz & Staehelin gehört zu den führenden Wirtschaftskanzleien in der Schweiz. Lenz & Staehelin

berät und vertritt Schweizer und internationale Klienten in allen wirtschaftsrechtlichen Angelegen-

heiten. Mit über 180 Anwälten und Steuerexperten ist Lenz & Staehelin die grösste Schweizer

Anwaltskanzlei mit Büros in Zürich, Genf und Lausanne.

Tino Gaberthüel ist Partner von Lenz & Staehelin und im Bereich Gesellschaftsrecht und

Transaktionen tätig. Er studierte Recht an der Universität Zürich. Nach zweijähriger Anwaltstätigkeit

in der Schweiz absolvierte er ein LL.M.-Studium in Chicago und arbeitete als Foreign Associate

in einer U.S.-Kanzlei in New York.

unsere Haupttätigkeit darstellt, eine Vielzahl von unternehmeri-schen bzw. Managementaufgaben, welche ebenfalls erledigt werden müssen, damit ein Unternehmen mit insgesamt über 180 Anwälten und Steuerexperten reibungslos funktioniert. Eine solche Aufgabe ist die gezielte und kontinuierliche Ver-stärkung unseres Nachwuchses. Dies ist ein Bereich, der mich persönlich sehr interessiert. Deshalb habe ich die Rolle als Hiring Partner übernommen.

Ich möchte nun zum Thema der Nachwuchsverstärkung

kommen. Sie haben erwähnt, dass Sie Sommerpraktika

an Studenten vergeben. Zum einen stellt sich mir die

Frage, welche maximale Anzahl Stellen Sie pro Jahr

besetzen und welche Arbeiten die Sommerpraktikanten

übernehmen?

Wir vergeben pro Jahr ungefähr 15 Kurzpraktikumsstellen. Unser Kurzpraktikum dauert jeweils sechs Wochen und findet während der Sommersemesterferien statt. Die anzahlmässige Beschränkung der Kurzpraktikumsplätze hat u.a. damit zu tun, dass jeder Sommerpraktikant einem Partner und seinem Team zugeteilt ist. Dieser Partner bzw. sein Team begleitet den

Page 19: N'Jus HS 13

19 Thema

Praktikanten während des Praktikums, setzt ihn auf ver-schiedenen Mandaten ein und amtet als erste Ansprech- und Auskunftsperson. Ziel eines Kurzpraktikums ist es, dass die Studenten einen ersten Einblick in die praktische Tätigkeit einer Grosskanzlei erhalten. Dabei ist es uns wichtig, dass die Praktikanten auf konkreten Fällen eingesetzt werden. Dazu gehören z.B. die Abklärung von Rechtsfragen, die Ausarbeitung von gesellschaftsrechtlichen Dokumenten (z.B. im Zusammen-hang mit einer Gesellschaftsgründung oder Kapitalerhöhung) oder von einfachen Verträgen (z.B. eines Fusionsvertrages), die Mitarbeit bei der Erstellung einer Rechtsschrift und die Teilnahme an Meetings.

Das Sommerpraktikum dauert gemäss Ihren Angaben

sechs Wochen. Aus welchem Grund besteht diese fixe

Zeitspanne und wäre eine Verlängerung möglich?

Ja, unser Sommerpraktikum dauert sechs Wochen und fin-det für alle Praktikanten in der Regel zur gleichen Zeit im Sommer statt. Es kann vorkommen, dass ein Praktikant we-gen anstehenden Prüfungen eine Woche früher oder später beginnt. Während des Praktikums bieten wir den Sommer-praktikanten – neben den bereits beschriebenen prakti-schen Tätigkeiten auf konkreten Fällen – ein besonderes, auf sie zugeschnittenes Ausbildungsprogramm an, das zweimal wöchentlich über Mittag stattfindet. Dabei geht es um all-gemeine juristische Themen, welche von einem Partner oder Anwalt präsentiert und mit den Praktikanten besprochen werden. Eine solche auf die Praktikanten zugeschnittene Ausbildung könnten wir nicht realisieren, wenn wir die Kurzpraktikumsstellen über das ganze Jahr verteilen würden. Ferner glauben wir, dass dieses Zusammennehmen aller Praktikanten auch zu interessanten Bekanntschaften, ja sogar Freundschaften unter den Studenten, welche sich ja vorher meist nicht gekannt haben, führt. Die Sommerpraktikanten organisieren oft auch ausserhalb der Arbeitszeit ein reges soziales Programm unter sich.

Worin liegen die Unterschiede zwischen den Kurz-

praktikums- und Substitutenstellen? Welche weiteren

Aufgabenbereiche fallen den Substituten zu?

Das Substitutenpraktikum dauert zwölf Nettomonate (dazu kommen noch die Ferien und allfälliger Militärdienst). In der Regel absolvieren unsere Substituten ihr Praktikumsjahr bei zwei Partnern bzw. in zwei Teams in zwei unterschiedlichen Fachbereichen. So kann es z.B. sein, dass ein Substitut zuerst bei einem Partner im Prozessrecht tätig ist und danach bei einem Partner im Fachbereich Gesellschaftsrecht/Transaktionen. Dies ermöglicht den Substituten einen breiten Einblick in unsere Tätigkeit und eine gute Vorbereitung auf die An-waltsprüfung. Der Aufgabenbereich unserer Substituten ist sehr breit und hängt natürlich auch von der Erfahrung und Entwicklung eines jeden Substituten ab. Es ist uns wichtig, dass Substituten möglichst bald eine stufengerechte Selb-ständigkeit erlangen; d.h. auch gegen aussen auftreten und mit Klienten, Ämtern (Handelsregisteramt, Notaren etc.) sowie

anderen Kollegen Kontakt pflegen können. Dies selbstver-ständlich immer unter der Aufsicht und Kontrolle einer Partners oder erfahrenen Anwalts. Die Substituten nehmen zudem an unserem internen Weiterbildungsprogramm teil.

Um eine Erfolgsaussicht auf ein Sommerpraktikum

oder eine Substitutenstelle zu haben, muss zuerst ein

aussergewöhnliches Motivationsschreiben vorliegen.

Wie sieht für Sie eine Musterbewerbung aus?

Die Bewerbungen für ein Sommerpraktikum oder eine Substitutenstelle unterscheiden sich nicht wesentlich. Hauptunterschied ist wohl, dass man im letzteren Fall das Studium bereits abgeschlossen hat. Eine Bewerbung beinhaltet das Begleitschreiben (einen sogenannten Cover Letter), den Lebenslauf (CV), die Notenblätter des Studiums, das Matur-zeugnis und allfällige Arbeitszeugnisse. Das Bewerbungs-schreiben ist insofern wichtig, als es uns einen ersten Eindruck des Bewerbers vermittelt. Idealerweise sollte ein Bewerbungs-schreiben nicht länger als eine Seite sein. Darin sollte man versuchen, besondere Stärken oder Fähigkeiten, welche einen von den anderen Bewerbern unterscheiden bzw. abheben, herauszustreichen. Auch beim Lebenslauf bin ich der Ansicht, dass dieser in der Regel nicht länger als eine Seite sein sollte. Neben den Hochschulnoten, bei denen wir einen überdurch-schnittlichen Abschluss erwarten, interessieren uns auch die Maturanoten, um uns ein möglichst vollständiges und abge-rundetes Bild des Bewerbers zu machen. Die Matura liegt im Zeitpunkt der Bewerbung für ein Kurzpraktikum ja auch noch nicht so lange zurück. Wie bereits gesagt, ist für uns das Gesamtbild eines Kandidaten entscheidend.

Wie Sie gesagt haben, bedarf es für ein Sommer- oder

Substitutenpraktikum eines überdurchschnittlichen

Notenabschlusses. Um nun auf die Klischees zu sprechen

zu kommen, inwieweit fällt dieser bei einer Bewerbung

ins Gewicht? Kann ein schlechterer Notenschnitt

durch ein besonderes Motivationsschreiben oder einen

beachtlichen Lebenslauf kompensiert werden?

Die Hochschulnoten sind ein wichtiges Auswahlkriterium, aber selbstverständlich nicht das einzige. Daneben erwarten wir auch, dass ein Bewerber Interesse an wirtschaftlichen Zusammenhängen hat, Eigeninitiative zeigt, danach strebt, etwas zu bewegen und Sozialkompetenz und Teamgeist aus-strahlt. Solche Eigenschaften sollten im Bewerbungsschreiben hervorgehoben werden. Dies mit dem Ziel, die erste Hürde zu überwinden und zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Im Interview gilt es dann, den anhand der schriftlichen Bewerbung geschaffenen Eindruck zu bestätigen und seine Gesprächspartner von den eigenen Stärken und Fähigkeiten zu überzeugen. Zusammenfassend kann ich also festhalten, dass wir nicht nur auf die Noten schauen, sondern auch die übrigen Fähigkeiten und Eigenschaften eines Kandidaten berück-sichtigen. Dazu gehören z.B. auch die Fremdsprachenkenntnisse sowie praktische Erfahrungen.

Page 20: N'Jus HS 13

20 Thema

Ihre Aussage über die Beurteilung des Lebenslaufes

führt mich zur Frage über eines der von den Studenten

eingeführten Klischees. Unter den angehenden Juristen

wird oftmals versucht, so viele Praktika in Kanzleien

zu absolvieren wie möglich. Wie bewerten Sie einen

Lebenslauf, der mehrere derartiger Kurztätigkeiten in

Anwaltskanzleien vorzuweisen hat?

Es stellt meines Erachtens keinen Pluspunkt dar, wenn ein Bewerber bereits mehrere Kurzpraktika in verschiedenen (Gross)Kanzleien absolviert hat. Im Gegenteil: Ich frage mich in diesen Fällen manchmal, welchen Zweck jemand verfolgt, bei möglichst vielen Wirtschaftskanzleien gearbeitet zu haben. Denn die Arbeit in den grossen Wirtschaftskanzleien unter-scheidet sich nicht grundlegend. Allenfalls sollten sich die Studenten eher überlegen, in einen völlig anderen Bereich hineinzuschauen; ich denke da z.B. an ein Praktikum in einem Industrieunternehmen, einer Revisionsgesellschaft oder einen NGO. Damit würde man zusätzliche Erfahrungen in einem anderen Tätigkeitsbereich sammeln.

Sie sprechen die Vielseitigkeit der Erfahrungen im juristi-

schen Bereich an. Wie bewerten Sie einen Lebenslauf,

aus welchem hervorgeht, dass der Bewerber über

mehrere Jahre gearbeitet hat – sei dies z.B. als Kellner

oder im Familienbetrieb – aber noch nie in einer Kanzlei

tätig war?

Wie bereits erklärt, kommt es auf die Umstände und den Gesamteindruck eines Kandidaten an. Falls jemand eine solche Tätigkeit ausübte, um beispielsweise sein Studium zu finanzieren oder eben im Familienbetrieb auszuhelfen, dann beurteile ich das als Pluspunkt. Dies beweist eine über-durchschnittliche Motivation, Zielstrebigkeit oder auch Teamgeist. Einen solchen Aspekt könnte man im Bewerbungs-schreiben dann auch besonders hervorheben.

Den Studenten an den Universitäten der Schweiz bieten

sich viele Möglichkeiten, in verschiedenen Studenten-

vereinen bzw. -verbänden mitzuwirken. Inwiefern

verbessert sich der erste Eindruck von einem Bewerber,

wenn Sie diese Zusatzkomponente in seinem Lebenslauf

sehen?

Eine Vereins- bzw. Verbandstätigkeit während des Studiums kann ebenfalls ein Pluspunkt sein. Dies insbesondere dort, wo der Bewerber eine aktive Rolle (z.B. Mitarbeit im Vorstand) in einem solchen Verein übernommen hat. Eine solche Tätigkeit zeigt Eigeninitiative und allenfalls Führungsqualitäten.

In Amerika stellt die sportliche Betätigung ein wichtiges

Element in der akademischen Laufbahn dar. In welchem

Ausmass werden sportive Aktivitäten bei Ihnen anerkannt

und positiv bewertet?

Auf sportliche Leistungen und Errungenschaften schauen wir ebenfalls. Sie können einen Pluspunkt darstellen. Ganz all-gemein kann man wohl sagen, dass man aus einer ernsten

sportlichen Betätigung in einem Verein auf eine allgemeine Leistungsbereitschaft, Ausdauer und Teamfähigkeit schliessen darf; alles wichtige Eigenschaften in unserem Beruf. Damit will ich aber natürlich nicht sagen, dass die aktive Teilnahme in einem Sportverein zwingende Voraussetzung für eine Stelle in unserer Kanzlei ist.

Nachdem Sie mir bereits Informationen über das Ausmass

der Berücksichtigung von Arbeitserfahrungen, Teilnahme

an Studentenverbänden und sportliche Aktivitäten

vermittelt haben, möchte ich Sie nun ganz allgemein

fragen, welche Voraussetzungen ein Bewerber in Ihren

Augen erfüllen muss. Den Studierenden werden öfters –

vor allem an den sogenannten Career Days – Prospekte

vorgelegt, in welchen die Unternehmen ihre Anforde-

rungen an die Auszubildenden aufzeigen. Erwähnt werden

auch die Mehrsprachigkeit und Auslandsaufenthalte.

Wo liegen Ihre Voraussetzungen für eine Praktikums-

stelle?

Einiges habe ich bereits erwähnt. Ich möchte noch ein bisschen weiter ausholen: Unsere Klienten sind meist Unternehmen und Unternehmer, welche mit komplexen und grenzüberschreitenden Fragestellungen zu uns kommen. Wir erleben unsere Schlüs-selrolle in der praktischen Lösung dieser Fragen. Dabei setzen wir hohe Ansprüche an uns und unsere Mitarbeiter. Dazu gehört u.a. eine solide juristische Ausbildung, sehr gute Fremdsprachenkenntnisse sowie die Fähigkeit, praktische Lösungen innert relativ kurzer Zeit zu erarbeiten und dem Klienten zu erklären. Dies setzt oft einen besonderen Einsatz und die Freude und Neugier, rechtliche Probleme zu analysieren und zu lösen, voraus. Ferner sind auch soziale Fähigkeiten wichtig. Denn wenn ein Anwalt es nicht fertig bringt, das Vertrauen seines Klienten zu gewinnen, dann ist es schwierig, diesen zu beraten. Vielleicht noch ein paar Worte zu den Fremdsprachen: Diese spielen eine wichtige Rolle, insbesondere die englische Sprache. Selbstverständlich verlangen wir aber nicht, dass ein Sommer-praktikant bzw. ein Substitut Englisch bereits perfekt beherrscht. Die Englischkenntnisse der meisten Praktikanten liegen beim Eintritt in unsere Kanzlei auf Maturitätsniveau. Deshalb werden die Praktikanten im Unterschied zu den Anwälten noch vermehrt auf Deutsch eingesetzt. Bei den Anwälten sieht es dann ein bisschen anders aus. Von diesen wird erwartet, dass sie nach 1-2 Jahren Anwaltstätigkeit einen Auslandaufenthalt einlegen, sei dies im Rahmen eines LL.M.-Studiums und/oder einer praktischen Tätigkeit in einer ausländischen Kanzlei.

Um auf Ihre Aussagen über die englische Sprache zurück-

zukommen, gibt es einen Unterschied über die erforder-

lichen Kenntnisse zwischen den Sommerpraktikanten

und den Substituten? Ist das Vorlegen eines TOEFL oder

IELTS erforderlich?

Wie bereits gesagt besteht kein wesentlicher Unterschied für Kurzpraktikanten und Substituten. Während die meisten Praktikanten über ein "Matura-Englisch" verfügen, absolvierten einzelne während des Gymnasiums oder des Studiums (z.B.

Page 21: N'Jus HS 13

21 Thema

Double Master Degree) ein Auslandjahr bzw. -semester oder allenfalls einen vertieften Sprachkurs. Das sehen wir grund-sätzlich als ein Plus, ist aber keine zwingende Voraussetzung. Die Vorlage eines TOEFL oder IELTS für ein Praktikum ist nicht erforderlich.

der ganzen Welt. Eine Vielzahl unserer Klienten und Korres-pondenzanwälte befindet sich in den USA. Es scheint mir wichtig, deren Kultur und Denkweise während eines Auslandjahres besser verstehen zu lernen. Ausserdem ist das amerikanische Rechtssystem auch für die Wirtschaftsrechtsentwicklung in Europa und der Schweiz von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Schliesslich glaube ich, dass es auf der persönlichen Ebene positiv ist, sich geografisch ein wenig weiter weg von der Schweiz zu bewegen; dies fördert das Auf-Sich-Selber-Gestellt zu sein zusätzlich.

Zuletzt möchte ich auf ein weiteres Klischee eingehen,

das bereits des Öfteren bestätigt worden ist. Es betrifft

die Tatsache, dass dem Notendurchschnitt im Bachelor

mehr Gewicht zufällt als demjenigen im Master oder des

gesamten Studienabschlusses, da es sich dabei um die

Grundlagenfächer handelt. Welcher Durchschnitt ist für

Sie wichtiger?

Wie wir Juristen zu sagen pflegen: Es kommt drauf an. Wir schauen dort besonders auf die Bachelor-Noten, wo es einen wesentlichen Unterschied zwischen diesen und den Master-Noten gibt. Erstaunlicherweise erhalten wir relativ häufig Bewerbungen, in denen die Master-Noten signifikant besser sind als die Bachelor-Noten. In diesen Fällen schauen wir besonders auf die Bachelor-Noten und fragen nach den Gründen für die Diskrepanz. Nicht selten liegt der Grund darin, dass sich ein Student im Master-Studium spezialisiert und lediglich noch diejenigen Fächer belegt, die ihn besonders interessieren. Es ist zwar gut, sich zu spezialisieren, dies sollte jedoch nicht zu früh geschehen. Die Spezialisierung kommt in der praktischen Tätigkeit noch früh genug. Wir betrachten es als wichtig, dass unsere Mitarbeiter eine solide juristische Ausbildung in den Grundlagenfächern haben. Denn Lücken bei den juristischen Grundlagen kann man in der späteren praktischen Tätigkeit nicht bzw. nur noch sehr mühsam füllen.

Wie Ihren Aussagen zu entnehmen ist, spielen die

Grundlagenfächer bei der Auswahl des Nachwuchses

eine zentrale Rolle. Aufgrund der neu eingeführten

Revision vom Herbstsemester 2013 sind keine obliga-

torischen Module mehr vorgesehen, d.h. die Studenten

können alles frei wählen. Inwiefern ist es relevant, dass

alle früheren Pflichtfächer, wie (z.B. OR AT ) besucht und

abgeschlossen werden und keines im Leistungsnachweis

fehlen darf?

Unseres Erachtens ist zentral, dass sich die Studenten während ihres Jus-Studiums eine solide juristische Grundausbildung aneignen. Dies geschieht u.a. durch das Belegen der Grundlagen-fächer (z.B. ZGB, OR AT und BT, Strafrecht und ZPO/SchKG sowie Verwaltungsrecht und Steuerrecht). Davon sollte man sich auch nicht dadurch abbringen lassen, dass es allenfalls einfacher wäre, in anderen Fächern bessere Noten zu erlangen. Bei der Auswahl unserer Interview-Kandidaten schauen wir auf diese juristische Grundausbildung.

Ich danke Ihnen herzlich für das Gespräch!

Ein weiteres Klischee, das in den Köpfen der Studierenden

existiert, ist die Voraussetzung eines längeren Aus-

landaufenthaltes. Einerseits werden dadurch die

Sprachkenntnisse verbessert und andererseits werden

neue, kulturelle Erfahrungen gesammelt. Besteht bei

Lenz & Staehelin eine Priorität für diejenigen Bewerber,

die einen derartigen Aufenthalt im Lebenslauf aufweisen?

Ein solcher Auslandaufenthalt ist für die Bewerbung für ein Kurzpraktikum bzw. eine Substitutenstelle keine Voraussetzung. Falls eine solche Auslanderfahrung bereits besteht, sollte man sie im Bewerbungsschreiben besonders hervorheben. Ein Auslandaufenthalt ist nicht nur wegen der Verbesserung der Fremdsprachenkenntnisse von Bedeutung, sondern auch deshalb, da sich jede Person im Rahmen eines solchen Auf-enthalts auch persönlich weiterentwickelt. Ich denke da z.B. an Selbständigkeit, das Erfordernis, sich selber in einem neuen Umfeld zurechtzufinden. Ausserdem erlaubt ein Ausland-aufenthalt einem auch, eine fremde Kultur und Gesellschaft besser kennen und verstehen zu lernen. Dies ist für unsere Tätigkeit als Anwälte, die täglich mit ausländischen Klienten und Anwälten aus anderen Kulturkreisen zu tun haben, wichtig.

Als kleine Zusatzfrage würde ich dennoch gerne wissen,

bei welchem Land die Präferenzen einer Anwaltskanzlei

wie Lenz & Staehelin liegen, wenn ein Auslandsaufenthalt

geplant wird?

Da gibt es keine klare Präferenz. Das ist im Übrigen auch subjektiv und hängt oft davon ab, wo man selber war. Die meisten unserer Anwälte absolvierten ihren Auslandaufenthalt in den USA oder in England. Einige waren auch in Australien oder Asien (z.B. Singapur oder Hong Kong). Meine persönliche Präferenz liegt bei den USA. Dies u.a. auch aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Bedeutung von Amerika auf

Page 22: N'Jus HS 13

22 Thema

Nadine Wipf, Délia Maire

Das Substituten-JahrFakten zur Arbeit am Gericht und in der Grosskanzlei

Das Substituten-Jahr bezeichnet die Zeit nach dem Masterabschluss und vor der Anwaltsprüfung. Es ist Voraussetzung für die Zulassung zu letzterer und stellt viele Absolventen erstmals vor die Herausforderung, im juristischen Berufsalltag bestehen zu müssen. Im Hinblick auf diese Tatsache und die generell hohen Durchfallquoten bei den Anwaltsprüfungen (z.B. 75% im Kanton Zürich) überrascht es nicht, dass das Thema Substituten-Jahr bereits bei den tieferen Semestern der Jus-Studierenden hoch oben rangiert. Viele Eindrücke basieren jedoch auf von Freundes-Freunden Gehörtem oder ähnlich unfundierten Quellen. Aus diesem Grund existieren zuhauf Gerüchte und Klischees darüber. Mit dem vorliegenden Artikel wird versucht, zehn studentische Ansichten über das Substituten-Jahr zu identifizieren, woraufhin sie den Aussagen von tatsächlichen Substituten am Gericht und in grossen Kanzleien gegenübergestellt werden. Dadurch sollen nicht nur falsche Annahmen über das Substituten-Jahr in einem der beiden Betriebe korrigiert, sondern auch Gericht und Grosskanzlei zu einander in Beziehung gesetzt werden. Ohne den Anspruch erheben zu wollen, umfassend für das Substituten-Jahr zu wappnen, sollen so letztlich gewisse Grundinformationen vermittelt und eine Orientierungshilfe geboten werden.

Aufgabenbereich

Klischee Gericht:Akten schleppen, Protokolle und Urteile schreiben – so werden die Tätigkeiten von Gerichts-Substituten gemeinhin zusam-mengefasst. Die Aufgaben werden generell als nicht besonders anspruchsvoll beschrieben. Dennoch wird auch immer wieder scherzhaft behauptet, die Substituten würden die Arbeit des Gerichtspräsidenten gleich miterledigen. Die persönliche Fit-ness würde im Übrigen von den zu stemmenden Papierbergen profitieren.

Klischee Grosskanzlei:Böse Zungen behaupten, die täglichen Aufgaben bestünden in Kaffee kochen, einfachen Literaturrecherchen und Telefona-ten. Zyniker sprechen vom Prinzip „shit drops“, kurz: Auf dem Tisch des Substituten landet der langweilige oder mühsame Teil eines Auftrags, den der Partner bereits dem Anwalt zuge-schoben hat.

Fakten Gericht:Gerichts-Substituten sind vor allem damit betraut, Verhand-lungen durch Aktenstudium oder das Erstellen einer Zusam-menfassung vorzubereiten und sie anschliessend zu protokol-lieren. Die Akten müssen dabei stets auf dem neuesten Stand gehalten werden. Weiter müssen sie regelmässig Urteilsdisposi-tive erstellen und Entscheide sowie Zwischenverfügungen mo-tivieren (begründen), verfassen oder nachbearbeiten. Ebenfalls nehmen sie an Besprechungen mit Richtern oder dem Ge-richtspräsidenten teil, bearbeiten Rechtsöffnungen und ertei-len telefonische Auskünfte. Diese Aufgaben sind nicht zu un-terschätzen und verlangen resp. ermöglichen eine sehr freie Arbeitsweise (vgl. Arbeitszeit).

Fakten Grosskanzlei:Der Aufgabenbereich von Kanzlei-Substituten ist sehr vielfäl-tig. Kaffee kochen gehört sicherlich nicht dazu; die Überbe-zahlung wäre augenfällig. Im Wesentlichen betreuen sie rela-tiv selbständig Mandate, indem sie Korrespondenz mit in- und ausländischen Klienten, Gegenanwälten und Verwal-tungsstellen führen. Ausserdem erstellen sie dazu Rechts-schriften und Verträge aller Art und verfassen Memoranden oder treffen Abklärungen zu in- und ausländischen Rechts-problemen und der jeweiligen Rechtsprechung. Substituten nehmen auch an Besprechungen oder Notariatsterminen teil und werden häufig als Übersetzer eingesetzt. Gelegentlich erteilen sie gar unentgeltliche Rechtsauskunft im Auftrag des Anwaltsverbandes.Von daher ist fraglich, ob man wirklich vom Prinzip „shit drops“ sprechen kann. Nicht nur ist es legitim, dass der Auf-gabenbereich von Partnern und Substituten divergiert, auch sind viele Aufträge für den Substitut eben nicht „langweilig“, sondern Neuland.

Page 23: N'Jus HS 13

23 Thema

Arbeitsklima

Hierarchie

Klischee Gericht:Das Arbeitsklima beim Gericht wird regelmässig utopisch, im Sinne von ständigen Apéros beschrieben. Man hört von ge-mütlichen Pausen, zu welchen immer irgendjemand einen selbst gebackenen Kuchen mitbringt, von gemeinsamen Jass-Abenden und Ausflügen. Der Arbeitsalltag setzt einen angeb-lich weder unter nennenswerten Druck, noch ist er besonders hektisch. Die Stimmung sei vielmehr stets angenehm und ent-spannt; die Arbeitskollegen würden sich zu einer Art Zweitfa-milie entwickeln.

Fakten Gericht:Tatsächlich wird das Arbeitsklima am Gericht durchwegs als sehr gut beschrieben. Im Gegensatz zu einer Kanzlei müssen weniger Fristen eingehalten werden, was zu einem tieferen Stresslevel führt. Positiv hervorgehoben wurde mehrfach, dass die Teams oft jung sind. In fachlicher Hinsicht wird man zwar gefordert, aber nicht überfordert. Dies auch, da einem viel Hilfsbereitschaft entgegengebracht wird, was zu einer freund-schaftlichen, lockeren und angenehmen Stimmung am Ar-beitsplatz führt. Tatsächlich wurden auch gemeinsame Mit-tagessen und Feierabendbiere oder auch sportliche Aktivitäten erwähnt.Achtung, eine Garantie für ein gutes Arbeitsklima gibt es den-noch nicht.

Klischee Grosskanzlei:Den Jus-Studenten wird immer wieder eine Angst- und Schre-ckensherrschaft beschrieben, die lediglich durch Trinkgelage am TGIF (Thank God it’s Friday) unterbrochen werde. Der Druck, der auf einem laste, sei enorm, das Verhältnis zu den Arbeitskolle-gen kühl und distanziert. Soziale Interaktion fände daher nur in Form von kalkuliertem Networking statt und man habe dement-sprechend das Gefühl, auf sich allein gestellt zu sein.

Fakten Grosskanzlei:Wie im Gericht ist das Arbeitsklima auch in Grosskanzleien nicht immer gleich. Es kann sogar innerhalb der verschiedenen Abteilungen derselben Kanzlei extrem unterschiedlich sein. Generell wird es als gut bis sehr gut oder „nicht anders als bei Gericht“ bezeichnet, auch wenn ein gewisser Druck, der auf einem lastet, häufiger genannt wird. Gleichzeitig wird aber auch positiv hervorgehoben, dass ein grosser Wissenstransfer von erfahrenen Anwälten zu den Substituten stattfindet und man auch im Rahmen von internen Schulungen viel Förde-rung erfährt.

Klischee Gericht:Wie es sich für eine Zweitfamilie gehört, existiert bei Gericht gerüchteweise gar keine Hierarchie.

Fakten Gericht:Auch wenn hierarchische Strukturen nicht zuletzt von der Persönlichkeit der Vorgesetzten abhängen, sind sie bei Gericht zwar formell vorhanden, tendenziell aber eher flach. Die Substituten werden nach einer gewissen Einarbeitungszeit fast wie Gerichtsschreiber einge-setzt, weshalb man von letzteren schnell als ebenbürti-ger Arbeitskollege wahrgenommen wird. Auch die Ge-richtspräsidenten behandeln die Substituten wie vollwertige und eigenverantwortliche Mitarbeiter, was ein sehr selbständiges Arbeiten ermöglicht.

Klischee Grosskanzlei:Grosse Haie, kleine Fische. So lässt sich das Klischee der Rang-ordnung in Grosskanzleien am besten beschreiben. Die Gren-zen seien klar gezogen; jeder wisse und bekomme zu spüren, in welchem Subordinationsverhältnis er sich befinde und wo er auf der internen Leiter stehe.

Fakten Grosskanzlei:Formell ist die Hierarchie in Grosskanzleien mit der Unter-scheidung Senior/Junior Partner, Associates und Substituten stärker ausgeprägt als bei Gericht. Innerhalb eines Teams ist sie jedoch häufig ähnlich flach wie bei Gericht, vor allem wenn dies dem Ziel förderlich ist, die optimale Lösung für einen Kli-enten zu erarbeiten. Da Grosskanzleien keine Staatsbetriebe sind, ist eine gewisse Rangordnung gerade zwischen Partnern und den übrigen Mitarbeitern jedoch systemimmanent.

Page 24: N'Jus HS 13

24 Thema

Konkurrenzkampf

Lohn

Klischee Gericht:Da Gerichte Staatsbetriebe sind, entspricht es dem Klischee, dass die Substituten dort noch nie etwas von Konkurrenz-kampf gehört haben. Weshalb auch?

Fakten Gericht:Grosser Konkurrenzkampf herrscht vor allem dann, wenn es darum geht, eine der begehrten Stellen bei Ge-richt zu ergattern – sei es eine Stelle als Substitut oder später als Gerichtsschreiber. Abhängig von der eigenen Einstellung und jener der Mitbewerber kann es durchaus sein, dass dieser Konkurrenzkampf auch im Alltag spür-bar ist. Grundsätzlich würden die Substituten aber zu-sammenhalten und sich nach Möglichkeit gegenseitig unterstützen.

Klischee Grosskanzlei:Wer Serien wie „Suits“ kennt, der glaubt zu wissen, dass der Konkurrenzkampf unter den Substituten enorm hart ist. Sie schrecken vor scheinbar nichts zurück, um ihre Mitstreiter in den Schatten zu stellen oder gar zu verunglimpfen. Als Konse-quenz kämpfe jeder für sich alleine, habe keine Freunde und müsse ständig auf der Hut sein.

Fakten Grosskanzlei:Der Konkurrenzkampf unter Kanzlei-Substituten ist weniger ausgeprägt als erwartet. Tatsächlich existiert unter ihnen meist (Abweichungen wie immer möglich) eine gewisse Solidarität. Beispielsweise wird teilweise versucht, die Arbeitslast mög-lichst gleichmässig untereinander aufzuteilen, indem man ei-nem Mitsubstitut je nach Dringlichkeit und Kapazität eine Aufgabe abnimmt. Nach dem Substituten-Jahr kann es jedoch zu Situationen kommen, in welchen gute Freunde um dieselbe Position kämpfen – nicht immer können alle (gleichzeitig) auf-steigen.

Klischee Gericht:Gerichte sollen als Staatsbetrieb relativ schlecht bezahlen. Man könne davon leben, aber müsse sich etwas einschränken. Grö-ssere Ersparnisse anzuhäufen, z.B. um die Lernzeit auf die An-waltsprüfung unabhängig zu überstehen, sei schwierig.

Fakten Gericht:Als unselbständiger Praktikant, d.h. während der ersten drei Monate, verdient ein Gerichts-Substitut im Kanton Aargau 3‘500.- brutto. Als selbständiger Praktikant erhält er in der Folge 4‘500.- brutto. In Zürich ist der Verdienst rund 2000.- höher. Damit lässt es sich gut leben und auch gewisse Ersparnisse können gebildet werden.

Klischee Grosskanzlei: Grosskanzleien sollen sehr gut bezahlen, allerdings hätten die Substituten gar keine Zeit, das Geld auszugeben. So wiederum würden sie sich aber auch schneller ein Polster für die Lernzeit vor der Anwaltsprüfung schaffen.

Fakten Grosskanzlei: Der durchschnittliche Verdienst bei einer Gross-kanzlei beträgt etwa 6‘000.- bis 7‘000.- brutto.

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25 Thema

Kleidung

Arbeitsplatz

Klischee Gericht:Beim Gericht kleide man sich nur für die Verhandlungen schick, sonst sei man gerne auch mal ohne Hosen oder Schuhe unterwegs.

Fakten Gericht:Während der normalen Arbeitszeit wird Freizeitkleidung akzeptiert, an den Verhandlungen wiederum ist das Tra-gen eines Anzuges Pflicht. Allerdings empfiehlt es sich, immer eine Updress-Möglichkeit in Griffnähe zu haben, beispielsweise wenn eine Partei mit Fragen vorbeikommt oder wenn spontan die Stellvertretung eines anderen Ge-richtsschreibers gemacht werden muss. Ohne Hosen sei aber noch niemand gesichtet worden.

Klischee Grosskanzlei:In Anwaltskanzleien sei es nötig, jeden Tag Business-tauglich zu erscheinen, und dies in möglichst teurer Designerware. Häufig seien die Röcke bei den Damen jedoch gefährlich kurz. Eine Faustregel besage, dass mindestens die Hälfte des Lohnes für die Kleidung ausgegeben werden müsse.

Fakten Grosskanzlei:Im kanzleiinternen Alltag ist Business casual angezeigt. Im Auftreten vor Klienten und Behörden ist ein Anzug bzw. bei den Damen elegante Kleidung angebracht. Hochwertige Kleidung wird dabei zwar mehr geschätzt als billige Massenware, Schnäppchen sind jedoch nicht verboten. Viele Kanzleien kennen zudem den sog. „casual friday“, sodass alle Kanzleimitarbeiter freitags jeweils in Freizeitkleidung erscheinen.

Klischee Gericht:Beim Gericht arbeiten die Substituten angeblich alle zusam-mengepfercht in einem einzigen Büro. Die Technik (Compu-ter etc.) sei zudem veraltet.

Fakten Gericht:Gearbeitet wird meist in Einzel-, allenfalls in Zweier-büros. Jeder Praktikant hat einen eigenen PC, wobei aber die Modernität unterschiedlich ausfällt bzw. wahrgenommen wird. Ein Drucker ist jeweils auf dem Stockwerk vorhanden. Für die Recherche steht oftmals eine grosse Bibliothek zur Verfügung; dabei wird jeweils vermerkt, wo sich ausgeliehene Werke be-finden. Weiter besteht auch ein Zugang zu verschie-denen Online-Datenbanken.

Klischee Grosskanzlei:Dem Klischee für Grosskanzleien entspricht es, dass die Subs-tituten in unpersönlichen Grossraumbüros arbeiten. Dafür würden sie aber über die neueste Technik verfügen.

Fakten Grosskanzlei:Die Substituten arbeiten in der Regel in Einzel- oder Zweier-büros. Die Grosskanzleien verfügen jeweils über eine eigene IT-Abteilung, die sich um eine moderne Infrastruktur in die-sem Bereich bemühen und direkt Support leisten. Bereits die Substituten werden daher mit dem obligaten Blackberry ausge-rüstet und die modernen Computer sind untereinander ver-netzt. Druckstationen finden sich überall und auch hauseigene Bibliotheken (häufig nach Themenbereichen auf die verschie-denen Stockwerke verteilt) sind Teil der Einrichtung.

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Arbeitszeit

Klischee Gericht:Es wird gemunkelt, dass Gerichts-Substituten nur wenig zu arbeiten haben und jeweils bereits um 16:00 Uhr nach Hause gehen.

Fakten Gericht:Tatsächlich bestehen zum Teil morgens und nachmittags Blockzeiten, ansonsten sind Gleitzeiten verbreitet. Wochenarbeitszeit sind rund 41.5 Stunden. Die Arbeits-zeiten richten sich auch nach den Verhandlungsterminen. Überstunden sammeln sich am ehesten bei überlangen Verhandlungen an, sind aber nicht die Regel.

Klischee Grosskanzlei:Kanzlei-Substituten arbeiten scheinbar 24/7. Wer nicht in sei-nem Büro sitzt, muss angeblich zumindest via Blackberry er-reichbar sein. Das Privatleben falle flach.

Fakten Grosskanzlei:Arbeitsbeginn ist zwischen 07:30 und 08:30 Uhr, Arbeits-ende ist frühestens um 18:00 Uhr. Nicht selten wird länger (auch mal bis 23:00 Uhr) gearbeitet, da Aufträge häufig dringlich und daher sofort zu erledigen sind. Die Mittags-pause dauert grundsätzlich eine Stunde, allerdings wird hier nicht mit der Stoppuhr gestoppt. Überstunden resp. Überzeit gibt es nicht.

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27 Thema

Anwaltsprüfung

Beziehungen mit Arbeitskollegen bzw. Affären

Klischee Gericht:Da alles sehr familiär ist, scheint die Arbeit bei Gericht für keine kurzfristigen Liebeleien geeignet zu sein. Falls dann doch etwas geschehe, ende es in einer Ehe.

Klischee Grosskanzlei:Es handelt sich um ein altbekanntes und grosses Klischee, dass in Grosskanzleien kurzfristige Liebeleien zwischen Mitarbei-tern an der Tagesordnung liegen.

Klischee Gericht:Wer sein Substituten-Jahr bei einem Gericht absolviert hat, hat den Anwaltstitel angeblich bereits im Sack – schliesslich erhält man ja Einblick in alle prüfungsrelevanten Rechtsgebiete. Zu-sätzlich werden den Gerichtspräsidenten gute Beziehungen zur Anwaltskommission nachgesagt.

Fakten Gericht:Die Vorbereitung ist in den einzelnen Fächern unterschiedlich gut. Vor allem ins Zivilverfahrensrecht, SchKG, Familien-recht und Strafrecht erhält man einen vertieften Einblick. Tendenziell weniger Fälle gibt es im OR, HaWi und öffent-lichen Recht. Besonders gut ist zum Beispiel die Veran-schaulichung des doch sehr theoretischen Zivil- und Strafprozessrechts anhand realer Fälle. Sehr hilfreich ist auch, dass die einzelnen Verhandlungen eine vertiefte Einarbeitung in die Materie verlangen. Natürlich ist die Lage anders, wenn das Bezirksgericht in Abteilungen unterteilt ist. Der Einblick in die verschiedenen Rechtsgebiete ist dann weniger umfassend. Was im Gerichtspraktikum fehlt, ist das Ausformulieren von Rechtsschriften, was beispielsweise bei der Anwaltsprüfung im Kanton Aargau und zum Teil im Kanton Zürich ebenfalls verlangt wird.

Klischee Grosskanzlei:Es wird behauptet, wer in einer Grosskanzlei arbeite, habe zwar einen prestigeträchtigen Job und verdiene gut, als Substi-tut sei die Vorbereitung auf die Anwaltsprüfung aufgrund des einseitigen Tätigkeitsfeldes aber unterdurchschnittlich gut. Ohne längere selbständige Lernzeit sei das Bestehen des Exa-mens folglich unmöglich.

Fakten Grosskanzlei:Die Grosskanzleien haben das Sorgenkind Anwaltsprüfung erkannt und bemühen sich sehr um eine angemessene Vorbereitung ihrer Substituten. So werden regelmässig alte Klausurfälle be-sprochen oder (häufig über Mittag) andere Workshops und Seminare angeboten. Damit wird versucht, der tatsächlich sehr fachspezifischen Arbeit entgegenzuwirken. Viele Grosskanzlei-Substituten absolvieren aus diesem Grund im Anschluss an ihre Zeit in der Kanzlei auch noch ein Praktikum bei Gericht; die Prüfung kann mit solider Vorbereitung jedoch auch ohne diese Vorsichtsmassnahme bestanden werden.

Fakten Gericht: Gerichts-Substituten entwickeln eher Freundschaften; viele sind ungefähr im gleichen Alter. „Hinderlich“ für mehr Liaisons ist vielleicht der Frauenüberschuss, der an einigen Gerichten herrscht.

Fakten Grosskanzlei: Bei rund 100 Mitarbeitern oder mehr ist es durchaus wahr-scheinlich, dass sich gewisse Beziehungen ergeben. Oberste Priorität hat aber immer, dass die Arbeitsleistung in keiner Weise beeinträchtigt wird. Von daher ist der Wahrheitsgehalt dieses Klischees für das „Wappnen vor den Anforderungen des Substituten-Jahres“ irrelevant.

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29 Karriere

Fabio Matticoli

Quereinstieg: Berufliche Perspektive für Bachelor-Juristen in der Kommunikation

Wenn die Problemstellung im Rahmen eines Anwaltsmandats keine rein juristische ist, beispielsweise wenn es um den guten Ruf eines Mandanten geht, erhöht die Zusammenarbeit mit einer Public Relations Agentur einerseits die Beratungsqualität, andererseits sollten sich Anwälte aber auch hinsichtlich ihrer eigenen Angelegenheiten mit Public Relations auseinandersetzen. Schliesslich ist die Anwaltstätigkeit eine Dienstleistung, die einer gewissen Vermarktung bedarf.

Was sind Public Relations?Public Relations will die Kommunikation von Organisationen gegenüber ihren Anspruchsgruppen definieren. Der jeweiligen Organisation sind damit drei grundlegende Fragen gestellt:

• WelchessinddieAnspruchsgruppen? • WelcheKommunikationszielewerdengegenüberden einzelnen Anspruchsgruppen verfolgt? • WiewerdendieseKommunikationszieleerreicht?

Eine PR-Agentur beantwortet diese Fragen im Austausch mit der jeweiligen Organisation auf konzeptioneller Ebene und setzt die massgeschneiderten Lösungen in der täglichen Öffentlichkeitsarbeit um.Jede Organisation hat einen gewissen Bedarf an PR und stillt diesen auch tatsächlich. Dies muss nicht bewusst, geschweige denn in einem professionellen Kontext geschehen, viel mehr positioniert sich jede Organisation gegenüber einer (Teil-) Öffentlichkeit ganz automatisch. Oder mit Paul Watzlawick gesprochen: „Man kann nicht nicht kommunizieren!“Eine der wesentlichen Disziplinen der PR ist die Media Relation. MR, wie sie vorliegend verstanden wird, baut den Kontakt zu den Medien auf und kommuniziert über diese. Medien sind in dieser Funktion Instrumente, die dem Informationsaustausch dienen. Damit sind aber nicht „Telefonleitungen“ gemeint, die den Informationsaustausch bloss physisch ermöglichen, sondern komplexe Gebilde, die Informationen verarbeiten und verändert weitergeben.

PR mit Qualitätsanspruch möchte den Glaubwürdigkeitsvorteil nutzen, den dieser verarbeitende, redaktionelle Teil eines Mediums bietet. Um diesen Qualitätsanspruch zu erfüllen, braucht es deshalb hochstehenden, intellektuell ebenbürtigen Journalismus.

Litigation-PRMittels PR-Massnahmen kann die Wirkmacht juristischer Beratung erweitert werden. Eine wichtige Handlungsform ist in diesem Zusammenhang die Litigation-PR, zu Deutsch prozessbegleitende Öffentlichkeitsarbeit. Deren Ziel ist es, die juristische Strategie während, vor oder nach einem Prozess durch PR zu unterstützen.Gerade wenn das Medieninteresse gross ist, zumeist bei strafrechtlichen Prozessen, haben die Prozessparteien die Chance, sich medial mit der eigenen Interpretation des Ge-schehenen zu positionieren. Eine professionelle, kreative und kontinuierliche Medienarbeit kann diesbezüglich entscheidend zum Prozesserfolg beitragen, selbst wenn der Einfluss der Medien auf das Prozessergebnis seit der Abschaffung des Geschworenengerichts gesunken sein dürfte.

Die Regel besagt, dass Juristen nur etwas wert sind, wenn sie einen vollwertigen Abschluss haben. Im Lizenziats-System mag dies zugetroffen haben, unser Bachelor of Law wurde aber ursprünglich dafür konzipiert, dass man auch damit bereits in das Berufsleben eintreten kann. Jemand, der dies gewagt hat, ist Fabio Matticoli. Er arbeitete nach seinem Bachelor of Law in einer PR-Agentur. Somit zeigt er auch auf, dass eine juristische Ausbildung die Grundlage für verschiedene Wege sein kann. In seiner Tätigkeit hat er nicht nur Neues gelernt, sondern auch sein vorhandenes Wissen einsetzen können. Besonders interessant ist die Verknüpfung von Jus und PR, die viele Schnittstellen aufweist.

Eng mit dem Prozessergebnis verknüpft, aber nicht notwendiger-weise von diesem abhängig, ist die Wahrung des guten Rufs einer Person oder einer Organisation. Im Jargon spricht man hier von „Reputation Management“. Dabei handelt es sich um eine der Kernaufgaben prozessbegleitender PR. Ein Anschauungsbeispiel wie Litigation-PR bzw. Reputation Management, das Prozessgeschehen und die Medienbericht-erstattung interagieren, liefert der Fall „Kachelmann“: Als am 31. Mai 2011 das erstinstanzliche Verfahren wegen einer angeblichen Vergewaltigung vor dem Landgericht Mannheim mit einem Freispruch Kachelmanns endete, berichteten die

Jede Organisation hat einen gewissen Bedarf an PR

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30 Karriere

Schweizer Medien unisono von einem „Freispruch zweiter Klasse“. Dies, weil das Gericht konstatiert hatte, dass an der Unschuld Kachelmanns erhebliche Zweifel bestehen, die Beweislage aber nicht für eine Verurteilung ausreiche. Das juristische Prinzip „im Zweifel für den Angeklagten“ schützte Kachelmann vor mehreren Jahren Gefängnis, nicht aber vor einem immensen Reputationsschaden. Es kann konstatiert

Die revidierte Gesetzgebung soll das bestehende (wenn auch kaum durchgesetzte) Verbot des Onlineglücksspiels in der Schweiz insofern lockern, als privaten Onlineglücksspielanbietern unter gewissen Bedingungen Lizenzen ausgestellt werden. Mit diesem Vorhaben setzt sich zurzeit eine Arbeitsgruppe aus-einander, die im nächsten Halbjahr einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorlegen soll. In der Arbeitsgruppe sitzen u.a. Spielsuchtexperten, Vertreter der Eidgenössischen Spielbanken-kommission und des Schweizerischen Casinoverbands. Nicht vertreten sind aber die Onlineglücksspielanbieter, die im Übrigen auch ausserhalb dieser Arbeitsgruppe noch kaum an der poli-tischen Diskussion teilgenommen haben. Die Anbieter, die bereits illegal auf dem Schweizer Markt präsent sind, sehen sich nun einem Regulierungsvorhaben gegenüber, das sie wirtschaftlich mit Sicherheit tangieren wird. Gleichzeitig verfügen sie in der Schweiz weder über die geeigneten Strukturen noch über das Know-how, um eigene Interessen einzubringen, respektive zu verteidigen. In einer solchen Situation besteht offensichtlich Beratungsbedarf.Das Verstehen des Regulierungsprozesses setzt fundierte Kenntnisse im Schweizerischen Staatsrecht voraus. Aus der juristischen Perspektive stellen sich u.a. folgende Fragen:

• HätteeinInteressensverbandderprivatenOnline- glücksspielanbieter den Anspruch, in die entsprechende Kommission aufgenommen zu werden? • WasbedeutetdieneueGesetzgebungfürdieillegal operierenden Anbieter? • UnterwelchenBedingungenkanneineLizenz erworben werden?

PR /PA kann derweil u.a. in folgenden Bereichen wirken:

• GründungundFührungeinesVerbands • ErarbeitungvonPositionenundArgumentarien • MedialePräsenz/Organisationvon Pressekonferenzen • PersönlicheGesprächemitParlamentariern • OrganisationeinesReferendums

Die genannten Fragestellungen und Wirkbereiche zielen im Endeffekt auf dasselbe Resultat ab: Die optimale Vertretung und

werden, dass die Wirkmacht juristischer Beratung hier an eine Grenze stiess. Die Meinungsbildung zum Fall „Kachelmann“ entzog sich mit diesem „Freispruch zweiter Klasse“ dem juris-tischen Zugriff und wurde zur emotionsgeladenen, nunmehr über die Medien ausgefochtene Schlammschlacht. Kachelmann versuchte mit mehreren Folgeprozessen den Reputationsverlust zu mindern. Es sei dahingestellt, ob und welche PR-Massnahmen hier wirkungsvoller gewesen wären.

Ein ganzheitlicher BeratungsansatzAuch ausserhalb eines Prozesses kann es sinnvoll sein, sich einer Problemstellung aus juristischer sowie aus PR-Sicht anzunähern. So beispielsweise im Bereich der Public Affairs. Public Affairs organisiert die Beziehung einer Organisation zu ihrem politischen Umfeld und sieht sich oft mit (öffentlich-)rechtlichen Fragen konfrontiert, deren schlüssige Beantwortung fundiertes ju-ristisches Wissen benötigt.Weder PR/PA noch die Juristerei können in einem solchen Kontext ausschliesslich anhand des eigenen Instrumentariums zufriedenstellende Lösungsansätze präsentieren. Es braucht hier aber nicht etwa einen zweigleisigen Beratungsansatz, vielmehr sollte die Beratung ganzheitlich, d.h. koordiniert, erfolgen. Ein aktuelles anschauliches Beispiel einer Situation, die einen ganzheitlichen Denkansatz erfordert, liefert die Regulierung des Onlineglücksspielrechts und der entsprechende Beratungsbedarf der privaten, internationalen Onlineglücksspielanbieter.

Mittels PR-Massnahmen kann die Wirkmacht

juristischer Beratung erweitert werden

© Katharina Scherer / PIXELIO

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31 Karriere

Implementierung der Interessen der Onlineglücksspielanbieter im Hinblick auf die anstehende Regulierung. Zur Verdeutlichung dieser Interdependenz seien zwei Beispiele angeführt:

1. Ein Interessensverband vertritt den kleinsten gemeinsamen Nenner der Interessen seiner Mitglieder. Der Verband muss in vereinsrechtlicher Hinsicht so konstituiert sein, dass die Definition dieses kleinsten gemeinsamen Nenners geregelt abläuft. Bestehen Unklarheiten, wird es für die PR/PA schwierig, diesen kleinsten Nenner in Botschaften zu verpacken und glaubwürdig zu kommunizieren.

2. Die Gesetzgebung steckt den juristischen Rahmen der Lizenzvergabe ab. Die Gesetzgebung ist ihrerseits bekanntlich die Hauptaufgabe des Parlaments. Parlamentarier argumentativ davon zu überzeugen, ein Gesetz abzulehnen oder einem Gesetz zuzustimmen, ist wiederum eine der Hauptaufgaben der PR/PA. Nur wenn bekannt ist, welche für den Mandanten die aus juristischer Sicht beste Lösung wäre, können entsprechende Argumente zurechtgelegt werden.

PR für AnwältePR ist für Anwälte auch hinsichtlich ihrer eigenen Angelegen-heiten relevant. Die wichtigsten anwaltlichen Güter wie Integrität, Vertrauenswürdigkeit und juristisches Know-how müssen nicht nur tatsächlich vorhanden sein, sondern auch von aussen als vorhanden wahrgenommen werden. Dementsprechend sind sie die Botschaften des anwaltlichen Marketings. Doch hinsichtlich der eigenen Vermarktung sind Anwälte in der Regel zurückhaltend; es wird befürchtet, ein allzu dezidiertes Auftreten am Markt würde den genannten Qualitäten zuwider-laufen. Die PR bietet Anwälten ein geeignetes Instrumentarium, sich im Sinne einer sanften und effizienten Vermarktung zu

positionieren. Der Fokus der Anwalts-PR liegt auf der medialen Positionierung mittels juristischen Expertisen und Fachbeiträgen. Eine nachhaltige Positionierung verlangt nach Kontinuität in der Medienarbeit, d.h. nach einer fortwährenden Beobachtung der medial diskutierten Themen und einem Journalisten-Netzwerk. Eine PR-Agentur kann hier den entsprechenden Beitrag leisten.Die Beschäftigung mit den Medien wird für einen Anwalt spätestens dann unausweichlich, wenn er selbst von kritischer Berichterstattung betroffen ist, so wie dies jüngst im Rahmen des Steuerstreits mit den USA öfters der Fall war. Wird ein Anwalt beispielsweise eines Steuerdelikts beschuldigt, ist dieser, gut beraten, sich durch eine PR-Agentur unterstützen zu lassen. Für die betroffene Kanzlei gilt dies gleichermassen.

FazitOb im Rahmen eines losen Austauschs, eines Mandats oder einer Partnerschaft: Die angeführten Beispiele zeigen, dass PR eine Disziplin ist, die die Juristen besonders interessieren sollte. Wie eine Zusammenarbeit in der Praxis ablaufen könnte, ist, ganz im juristischen Sinne, anhand des konkreten Einzelfalls zu erörtern.

Die PR bietet Anwälten ein geeignetes Instrumentarium,

sich im Sinne einer sanften und effizienten

Vermarktung zu positionieren

© Jorma Bork/ PIXELIO

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32 Pro & Contra

Protra: Beim Betreten des RWI schweift der erste Blick sofort in Richtung Decke, wo sich eine Kuppel gleich einem riesigen Auge gen Himmel erhebt. Beim Anblick der imposanten Architektur in den Höhen des Bauwerkes sowie der Offenheit der Konstruktion erstarrt der winzige Student – kein Mucks stört die angenehm tiefe Stille. Durchflutet von erfrischendem Sonnenlicht entweicht der Blick sodann an die Seiten des Innenhofs, wo ein Lift den Studenten durch eine gläserne Röhre in die Höhen der juristischen Erleuchtung befördert. Dies dient ihrer Zweckmässigkeit, denn so motiviert sie den angehenden Staradvokaten zu neuem Tatendrang und ehrgeizigem Lerneifer.

Vanessa Fabris, Max Zickler

Pro und Contra: Lernen im RWI

5000 Laufmeter Bücher, 500 Leseplätze und beinahe 50 Computerplätze befinden sich im RWI auf 4400m2 unter einem 120 Tonnen schweren, 30 m hohen Kuppeldach. Die Bibliothek der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, entworfen durch den weltrenommierten Architekten Santiago Calatrava, ist ein beeindruckendes Gebäude. Doch nicht alles ist Gold, was glänzt. Das folgende Streitgespräch zwischen den Jus-Studierenden Protra und Contrius beleuchtet das ebenso vergötterte wie verhasste RWI von innen:

Contrius: (ist baff… lacht) Von idealer Lernatmosphäre kann keine Rede sein. Die Offenheit der Bibliothek führt nicht zu vermeintlicher Stille. Vielmehr lässt sie jedes noch so kleine Geräusch lautstark erschallen und zerstört die ohnehin schon fragile Konzentration der Lernenden. Denn viel zu heiss und stickig ist die Luft durch die Überflutung an Sonnenlicht, das durch das „riesige Auge“ gleich einer Lupe die Köpfe der Studie-renden erhitzt und sie in ihren Augen blendet. Jedes Luftmolekül muss erst mehrmals geatmet werden, bis es den Weg in die mangelhafte Belüftungsanlage findet. Die Kuppel mag zwar als Fotosujet die unzähligen Touristen erfreuen, doch hätte ich in der 65-Millionen-Bibliothek lieber Luft zum Atmen, zusätzliche Sitzplätze und Ruhe zum Denken als eine Kuppel zum Staunen. Und doch zwingt mich das Monopol des RWI selbst am Wochenende morgens um fünf vor Acht begierig auf die Öffnung seiner Tore zu warten, denn kaum sind sie geöffnet, so werden sie leider auch bald wieder geschlossen.

©Natascha Honegger

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33 Pro & Contra

Protra: Schwarzmalerei! Die Bibliothek ist keine 24/7-Tankstelle, auch Juristen müssen mal an die frische Luft. Das RWF als zweitgrösste Fakultät mit dem zweit-kleinsten Budget der Universität Zürich könnte sich längere Öffnungszeiten gar nicht leisten. Die Studenten können sich nach der Schliessung am Abend in anderen Bibliotheken der Stadt Zürich austoben, falls sie ihren Wissensdurst noch nicht stillen konnten.

Contrius: Dieses Verhältnis lässt zu denken übrig, doch gleichwohl könnte sie länger und öfters ihre Türen für die durchaus Lernwilligen geöffnet lassen – insbesondere sonntags. Gefragt wäre bloss ein Fünkchen Kreativität – wieso das Bibliothekspersonal nicht mit Studenten aufstocken? Diese wären des Verdienstes nebst dem Studium froh, um sich in der überteuerten Cafeteria etwas zu Essen leisten zu können. Das vorhandene Personal würde dadurch zudem entlastet.

Protra: Die Cafeteria ist nicht zu kritisieren! Sie versorgt die Besucher nicht nur mit exquisiten und nährstoffhaltigen Mahlzeiten, sondern sie bietet auch Herberge für aufregende Bekanntschaften, gemeinsames Beisammensein und spannende Diskurse mit den Kommilitonen.

Contrius: Zwar mögen viele Leidgenossen sein, doch die grosse Zahl der Studierenden ist wohl eine Leidquelle. Schon um acht Uhr morgens stürmen sie in die Biblio-thek und ergreifen ihre nicht allzu benötigten Bücher, als wäre es der letzte Tag vor den Prüfungen. Wer später kommt, hat kaum Chancen auf einen Sitzplatz und die in der Basis zu wenig vorhandenen Exemplare von Büchern. Bloss 500 Plätze für über 3‘500 Jus-Studenten. Für 65 Millionen hätte sich der Architekt eine weitaus effizientere Platznutzung dieses Bauwerkes überlegen können. Studien haben ergeben, dass der Schweizer Student durchschnittlich vier Quadratmeter Lernfläche hat – die Zürcher Rechtsfakultät, die sich als die beste in der Schweiz rühmt, bietet ihren Studierenden jedoch lediglich drei. Auch hier wäre wieder Kreativität gefragt. Wieso keine Sitzmöglichkeiten in der Eingangshalle? Wieso keine Ausleihmöglichkeiten? Wieso keine verbesserten Scanmöglichkeiten bzw. effizientere Kopiergeräte?

Protra: Trotz all diesen angeblichen Unannehmlichkeiten und Kritikpunkten sehe ich dich dennoch täglich im RWI. Wenn du einen Sitzplatz erhaschen konntest, ordnest du dich in die ehrgeizige und eifrige Lernatmosphäre ein. Diese Bibliothek ist ein Gewinn für die Rechtswissen-schaftliche Fakultät, denn nicht umsonst wurde sie durch die Zustimmung und Unterstützung des ganzen Volkes von Zürich erbaut und bietet den Studenten die benötig-te Sammlung der Bücher.

Contrius: Das sind jene Kommilitonen, die, wahr-scheinlich zu fasziniert und gefesselt von unserem Riesenaugen-Kuppeldach, gedankenfern ihre Bücher an den falschen (nur für sie wieder auffindbaren) Orten versorgen. Das sind Bekanntschaften, die will ich nicht machen!

Protra: Du bist verblendet vom Mythos des Konkurrenz-kampfs zwischen den angehenden Juristen! Um ein ver-nünftiges Bild der Studenten zu erhalten, musst du ihnen mit Offenheit begegnen. So würdest auch du merken, dass ein Grossteil unserer Mitstudierenden Leidgenossen und nicht Leidquellen sind.

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34 Seminar

Schöne Aussicht!Das Seminar fand im Hotel Rigi am See in Weggis statt – direkt am See! Die Temperaturen erreichten zwar nicht unbedingt ein badefreundliches Niveau, aber der Ausblick war trotzdem nicht zu verachten. Auch im Hotel herrschte ein „heimeliges“ Klima. Die Seminarräume und insbesondere auch die Zimmer waren edel und modern eingerichtet. Insgesamt machte das Hotel einen sehr einladenden und eher luxuriösen Eindruck. Auch das Essen enttäuschte nicht.

Gut geführtDas Seminar wurde von Prof. Vogt und Prof. Watter als Vertreter der juristischen Fachschaft und von Dr. (mittlerweile Prof.) Wagner und Dr. Köpe als Vertreter der wirtschafts-wissenschaftlichen Fachschaft geleitet. Die Seminarteilnehmer konnten in vielerlei Hinsicht vom Wissen und der Erfahrung der Seminarleiter profitieren.

Die Mischung macht’s!Eine Besonderheit des Seminars war dessen Interdisziplinarität: Etwa die Hälfte der Studierenden studieren an der wirtschafts-wissenschaftlichen und die andere Hälfte an der rechtswissen-schaftlichen Fakultät. Dies hatte einerseits den Vorteil, dass man fachlich von einander profitieren konnte, andererseits eröffnete es die (im Studium sonst selten bis nie anzutreffende)

Möglichkeit, auf einer fachübergreifenden Ebene zu arbeiten. Ausserdem wurde dadurch die Praxisnähe des Seminars unter-strichen: Es versteht sich von selbst, dass sich im M&A-Alltag nicht nur juristische, sondern zu einem grossen Teil auch wirtschaftliche Probleme stellen. Insbesondere für die im Rahmen des Seminars vorzunehmenden Unternehmensbewer-tungen und ebenso für die sich stellenden Finanzierungsfragen waren wir Juristen – so ungern ich das auch zugebe – auf die Hilfe der Ökonomen angewiesen. Deshalb setzten sich auch die einzelnen Gruppen am Seminar jeweils aus Juristen und Ökonomen zusammen.

Straffes ProgrammNach dem Einchecken gab es eine Begrüssung durch die Seminarleiter und eine kurze Vorstellungsrunde, gefolgt von einer organisatorischen Einführung. Anschliessend wurden die Gruppen gebildet – wie gesagt jeweils aus Juristen und Ökonomen. Nach einer kleinen Einleitungsrede durch Prof. Wagner wurden die Juristen von Dr. Köpe in die wirtschafts-wissenschaftlichen Grundlagen und die Ökonomen von Prof. Vogt und Prof. Watter in die juristischen Grundlagen eingeführt. Uns Juristen wurden im Schnelltempo einige Grundsätze zur Unternehmensbewertung beigebracht.Der theoretische Teil des Seminars bestand aus verschiedenen Diskussionen im Plenum, jeweils geführt durch einen der

Alessandro Stanchieri

M&A-Seminar in Weggis

Vom 16. bis 18. April 2013 fand in Weggis (LU) das interdisziplinäre Mergers & Acquisitions-Seminar statt. Im vorliegenden Beitrag möchte ich den Lesern einige Erinnerungen und Impressionen vom Seminar zu Gemüte führen.

Dachterrasse des Hotels

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35 Seminar

Leiter. Dieser Teil wurde eher von den Juristen dominiert. Man sprach unter anderem über die verschiedenen Arten von M&A-Transaktionen, über börsenrechtliche Aspekte und über Abwehrmassnahmen. Während den Diskussionen wurden mehrmals Unterbrüche eingelegt, um den Gruppen die Gelegen-heit zu geben, kurz ihre Lösungsvorschläge zu diskutieren und anschliessend im Plenum in die Diskussion einzubringen. Weil auch die Unterhaltung nicht zu kurz kommen sollte, sahen wir uns am ersten Abend einen Film an: „Other People’s Money“. Ein sehr unterhaltsamer und lohnenswerter FilmAm zweiten Tag ging es nach einem ausgiebigen und stärkenden Frühstück mit den Diskussionen im Plenum weiter. Am Nachmittag erhielten wir dann den eigentlichen Auftrag: Wir sollten für einen fiktiven M&A-Fall einen Übernahmeplan entwerfen. Dabei mussten wir einerseits ökonomische Fragen (wie insbesondere die Bewertung und Finanzierung des Unter-nehmens) und andererseits juristische Probleme (insbesondere Fragestellungen des Börsenrechts sowie teilweise im Zusammen-hang mit dem Fusionsgesetz und dem Aktienrecht) lösen und bewältigen. Bis am nächsten Morgen sollten wir eine Präsentation für den Verwaltungsrat des in der Case Study dargestellten Unternehmens (also für die vier Seminarleiter) bereit haben. Dafür hatte jede Gruppe einen eigenen Raum zur Verfügung.

Nichts für SiebenschläferDa wir schon eine gewisse Vorahnung hinsichtlich der Dauer unseres Auftrags hatten, haben wir uns provisorisch mit Energy Drinks und Süssigkeiten eingedeckt. Zu Recht: Bis um 03:15 Uhr nachts arbeiteten wir an unserer Präsentation. Andere Gruppen gingen erst gegen 05:00 Uhr schlafen. Den ganzen Nachmittag, den ganzen Abend und einen Grossteil der Nacht benötigten wir, bis wir die Präsentation vorbereitet hatten. Die Ökonomen widmeten sich vor allem der Bewertung und der Finanzierung und wir Juristen widmeten uns vor allem börsenrechtlichen Problemen. In regelmässigen Zeitabständen setzten wir uns wieder mit den Ökonomen zusammen, um das weitere Vorgehen zu besprechen und uns gegenseitig auf

Eines der beiden Hotelgebäude

Probleme vorzubereiten. Parallel dazu mussten wir die Prä-sentation erstellen. Ich weiss nicht mehr, wie häufig wir die Strategie, den Finanzierungsplan oder den Angebotspreis geändert haben, bis es dann schlussendlich gepasst hat. Jedenfalls hatte der Berg konsumierter Energy Drinks inzwischen be-achtliche Höhen erreicht. Nachdem wir die Präsentation mehrmals durchgesehen und geübt und in der Voranmeldung (i.S.v. Art. 5 ff. UEV) noch einige Kommafehler gefunden und korrigiert hatten, gingen wir dann schliesslich ins Bett. Selten bin ich so schnell eingeschlafen.

Die Präsentation: Der entscheidende MomentMehr oder weniger ausgeschlafen schlenderten wir am nächsten Morgen zum Frühstücksbuffet. Nach dem Essen widmeten wir uns ein letztes Mal unserem Auftrag und übten neben dem immer noch nicht entsorgten Energy Drink-Berg unsere Präsentation.Anschliessend stellten alle Gruppen ihre Übernahmepläne vor. Die Nachtschichten schienen sich gelohnt zu haben. Der „Verwaltungsrat“ war begeistert von den vorgestellten Strategien. Nach einem Schlusswort von den Seminarleitern wurden wir dann entlassen.

FazitMan kann sich sicherlich leichtere Wege als das M&A-Seminar vorstellen, um zu 6 ETCS Punkten zu kommen. Allerdings ist es meiner Meinung nach den Aufwand mehr als wert! Nicht nur erhält man bei dem Seminar einen guten Einblick in die Praxis, sondern hat ebenfalls die Gelegenheit, mit Ökonomen zusammenzuarbeiten. Auch in sehr positiver Erinnerung ist mir die didaktische Leistung der Seminarleiter geblieben, die sich (mit Erfolg) bemüht haben, das Seminar so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten. Wer sich also für das Transaktions-geschäft interessiert, sollte sich diese Möglichkeit, an der Universität in praxisnaher Weise zu arbeiten, auf keinen Fall entgehen lassen.

Ein Seminarraum

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36 Seminar

Flying to Zürich, our group of seven students from Helsinki had very different expectations of Switzerland and the Swiss. Two members of our team had spent long periods in Switzerland, in Geneva. For them, what was new was not Switzerland per se, but experiencing the Swiss German side of Switzerland. Both in terms of architecture and people, they found Zürich very different to their earlier experiences in Geneva.For the rest of us, including myself, this was our first time in the country. We had only vague impressions of Switzerland from half-remembered history lessons about the legendary neutrality of the country, the impenetrable secrecy of the banking system, and of course fancy watches and Swiss army pocket knives, which are also a popular article in Finnish shops.Riding the train from the airport, we were at once struck by the modest, human dimensions of the city. Even though Zürich is one of the commercial and financial powerhouses of the world, the buildings were surprisingly low and unassuming,

radiating a kind of quiet confidence. This was to be the impres-sion that we had of Swiss people as well: reserved, quiet-spoken, but at the same time confident and proud of their roots. When you know what you are doing and other people know it too, there is no need to beat your chest and put on a show for the world.We were also struck by the general wellbeing of the people in Zürich. The streets were immaculately clean, the houses were well kept and the people generally seemed to be content and well-off. The high standard of living probably has an effect, but the Swiss also seemed to have a positive attitude about life. Perhaps we have something to learn there, as Finnish people can sometimes be rather gloomy even when things are going well.We were pleasantly surprised and impressed with all the Swiss Vis Moot teams; we had the opportunity to hang out and get to know the Zürich team in particular. Swiss people seem to

Arttu Ahava on behalf of the Finnish Vis Moot Team

Helsinki meets ZürichThe Finnish Vis Moot Team about its expectations of Switzerland

and experiences with Swiss people

Helsinki

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37 Seminar

The Finnish Vis Moot Team (f.l.t.r.): Kaisa Mattila, Santtu Rinne, Eila Ryyppö, Joonas Metsämäki, Katriina Toivanen, Henrik Sajakorpi, Arttu Ahava.

Team Finland, Fribourg and Zürich enjoying the sun.

have the same reserved manner as our countrymen. They do not tell their life stories to strangers, but after you get to know them and start to win their trust and friendship, they are very warm and friendly people. This is essentially what Finns are like as well, so we felt like we were socially on the same page as the Swiss, and felt comfortable in their company. Though we did not extensively discuss the nature of legal studies in Switzerland as opposed to Finland, it seemed that the general gist was the same: books, books, books. Even our new library in Helsinki looks very similar to the new library in Zürich... Maybe our architect got his inspiration there!In general, our law studies are very theoretical, and as Finland is a civil law jurisdiction, very much focused on reading up on statutes and the correct way of applying them. In fact, the Finnish law degree is intended to impart the skills necessary for a master’s student to act as a judge, so there is little emphasis on oral advocacy and the writing of memos and other submis-

sions. Most of the Swiss students seemed to share this view based on their own studies. For many of us, participating in the Vis Moot is a great way to acquire and develop experience in these key fields.When doing our last minute shopping before leaving for Finland, we were very glad to find that there was one Swiss cliché that was 100% true: the Swiss seem to be crazy about chocolate, and their chocolate is delicious. Many of us carried large bags full of chocolate back home, to placate boyfriends/girlfriends left behind or just to have inspiring goodies for the hard weeks ahead of us, working on the Vis Moot case. We were only told afterwards that grocery shopping in Zürich is a matter of loyalty: either Coop OR Migros, not both. Of course, we cheerfully (if unwittingly) broke this rule. Our apologies!Last of all, we want to thank our Swiss friends for their hospitality, and hope to return the favour during the Helsinki pre-moot!

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38 Mobilität

Julia Meier

(Le Savoir Vivant)2 à Lausanne

Parlez-vous français?Wir vergessen es gerne (oder zumindest ich), aber die Schweiz hat bekanntlich vier Landessprachen. Für uns angehende Juristinnen und Juristen bedeutet das, dass wir uns zumindest auf Französisch verständigen können sollten. Denn bekannt ist auch, dass die Sprache das Werkzeug der Juristen ist. Weil sich meine Französischkenntnisse in Grenzen hielten, um nicht zu sagen, nicht existent waren, war für mich seit Anfang des Studiums klar, dass ich ein Semester in Lausanne verbringen möchte. Letzten Winter war es dann auch soweit und ich überquerte den Röstigraben.Um in der ersten Vorlesung nicht komplett überfordert zu sein, besuchte ich in den Semesterferien einen Sprachkurs. Diese Cours de Vacances werden im Sommer und Winter von der Universität Lausanne angeboten und sind sehr zu empfehlen. Drei Wochen lang wurden wir täglich vier Stunden auf eine abwechslungsreiche Art mit Französisch konfrontiert. Zu-dem war es eine gute Gelegenheit, Leute kennenzulernen und gemeinsam Lausanne zu erkunden. Danach fühlte ich mich zumindest in der Lage, den Alltag auf Französisch zu bewältigen und erinnerte mich vage daran, dass ich vom Subjonctif schon einmal etwas gehört hatte.

Vorlesungen verstehenDie erste Vorlesung war dann auch eine positive Überraschung. Trotz starkem Waadtländer Dialekt verstand ich, welche Vorteile die Professorin in der Mediation als Streitschlichtung sieht.

Lausanne – eine wunderbare Stadt mit einer université très sympa. Trotz organisatorischen Schwierigkeiten und Sprachbarriere lohnt sich ein Semester in Lausanne allemal.

Wie sich herausstellte, ist es bedeutend einfacher, einer Vorlesung auf Französisch zu folgen, als eine Diskussion mit Freunden zu führen. Das liegt wohl daran, dass man die Kursunterlagen und Slides zu Hilfe ziehen kann und die Dozierenden sich Mühe geben, alles verständlich zu erklären und zu wiederholen. Leider wurde meine anfängliche Motivation gedämpft, weil die Kurve des schnellen sprachlichen Fortschritts rasch abflachte. Nach circa sechs Wochen aber hatte ich keine Mühe mehr, den Vorlesungen zu folgen; dies entspricht auch der Erfahrung anderer.

Ausser dem Französisch bietet der Besuch einer anderen Universität noch einen weiteren Vorteil: Man hat die Möglichkeit andere Themengebiete und Professoren kennenzulernen. Die Vorlesungen von Professorin Barbara Wilson zu den Menschenrechten kann ich beispielsweise wärmstens empfehlen: nicht nur weil eine Vorlesung auf Englisch eine angenehme Abwechslung ist, sondern auch weil sie ihre enorme Erfahrung aus der Arbeit im UN Committee on Economic, Social and Cultural Rights mit vielen Fällen und amüsanten Anekdoten

Nach circa sechs Wochen hatte ich keine Mühe mehr, den Vorlesungen zu folgen

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einfliessen lässt. Aber auch Vorlesungen wie droit américain, modes alternatifs de résolution des conflits, principes généraux de droit privé und fondements communs du droit européen ermöglichen Einblicke, welche an der Universität Zürich nicht möglich sind.

Nervtötende TabelleDieses wunderbare Angebot an Vorlesungen hat einen Haken: man kann sich nur sehr wenige Vorlesungen anrechnen lassen. Auf der Homepage der Studienberatung des RWI findet man eine Tabelle, welche die Anrechnungsmöglichkeiten auflistet. Ein Beispiel aus der aktuellen Tabelle: Um in Lausanne das neue Modul Privatrecht II zu machen (18 ECTS), muss man in Lausanne die Vorlesungen droits des contrats spéciaux (6 ECTS), droit civil (9 ECTS) und droit civil III (9 ECTS)

besuchen. Die letzteren zwei erstrecken sich über zwei Semester. Um das Modul in Lausanne zu machen, muss man also zwingenderweise zwei Semester in Lausanne sein, 6 Punkte mehr machen als in Zürich, welche nicht angerechnet werden, und unbedingt alle drei Prüfungen bestehen, weil man sonst gar nichts angerechnet bekommt. Dieselben Probleme bestehen bei Handels- und Wirtschaftsrecht, Öffentlichem Recht II (hier muss man doppelt so viele Punkte in Lausanne machen wie einem angerechnet werden, also 18 Punkte in Lausanne für 9 Punkte in Zürich), Transnationalem Recht und ZPR/SchKG.In meinem Fall war es so, dass ich mir höchstens 15 Punkte anrechnen lassen konnte, dafür aber in Lausanne 24 ECTS machen musste, und dies obwohl ich mein Austauschsemester bereits drei Semester vorher eingeplant hatte. Besonders frustrierend war zu sehen, dass Studierende aus Österreich, Finnland oder der Slowakei weniger Probleme mit der An-rechnung hatten als ich. Im Gegensatz zur komplizierten Organisation in Zürich waren die Zuständigen in Lausanne sehr hilfsbereit und man musste nur erwähnen, dass man Austauschstudentin sei und schon war alles irgendwie möglich.

Der AustauschEin Semester in Lausanne bietet die Möglichkeit, Leute aus der ganzen Welt kennen zu lernen; das Gesellschaftliche kommt also nicht zu kurz. Die Organisation Xchange Unil organisiert jeden Mittwoch eine Pubnight sowie Besuche von Sehens-würdigkeiten und Städten in der ganzen Schweiz, ein Ski-weekend und eine Titanic-Night auf dem Lac Leman. Der Nachteil ist, dass man mit anderen Austauschstudierenden eher seine Englischkenntnisse als sein Französisch verbessert.

(…)2

Allgemein bietet die Universität Lausanne viele Möglichkeiten, das Leben zu geniessen. Sie ist ausserhalb der Stadt zusammen

man kann sich nur sehr wenige Vorlesungen

anrechnen lassen

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R E C H T S A N W Ä L T E

At Your Side, Looking Ahead

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Schellenberg Wittmer AG ist eine der führenden Wirtschaftsanwaltskanzleien der Schweiz. Über 130 spezialisierte Ju-ristinnen und Juristen in Zürich und Genf beraten in- und ausländische Klienten umfassend im gesamten Wirtschaftsrecht.

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41R E C H T S A N W Ä L T E

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mit der EPFL auf einem weitläufigen Gelände am See gelegen. Dieses Campus Feeling ist ganz anders als in Zürich und die Stimmung ganz allgemein unterscheidet sich stark – familiärer, alternativer, entspannter. Sie nehmen das Motto (le savoir vivant)2 ernst und pflegen den Austausch zwischen Dozierenden

Infobox: Austausch in Lausanne

Mit dem Austauschprogramm CH-Unimobil kann man im

Bachelor und Master bis zu zwei Semester nach Lau-

sanne. Wichtig ist, den Aufenthalt früh genug

einzuplanen, weil die Anrechnungsmöglichkeiten

beschränkt sind. Trotz guter Planung muss man aber da-

mit rechnen, deswegen das Studium zu verlängern.

Mehr Infos unter:

http://www.ius.uzh.ch/mobilitaet/schweizermobilitaet/

outgoings.html

Zudem gibt es neu den Master Joint Degree:

http://www.ius.uzh.ch/studium/studiengaenge/jointde-

gree.html

Nützliche Links in Lausanne:

www.unil.ch (Universität Lausanne)

www.unil.ch/cvac (cours de vacances)

www.unil.ch/droit (Rechtsfakultät)

sehr beliebt ist und verschiedene Konzerte und Anlässe organi-siert. Im Gebäude Geopolis befindet sich die „Zelig Bar“, wo man immer Studierende antrifft und jeden Donnerstag ein Konzert stattfindet.

La villeWährend meines Aufenthalts war Lausanne als kriminellste Stadt der Schweiz in den Medien. Mir zeigte Lausanne seine herzliche und schöne Seite. Obwohl nicht sehr gross, gibt es viel zu entdecken in all ihren kleinen Gassen. Da die Stadt an einem Hang gelegen ist, gibt es verschiedene Etagen und die Aussicht von der Kathedrale über die ganze Stadt ist wunderbar. Unbedingt einen Besuch wert ist das Café „Romand“, in dem man preiswert ein wunderbar französisches Ambiente mit Waadtländer Spezialitäten geniessen kann. Ouchy, das Quartier am See, ist vor allem im Sommer sehr gemütlich und lädt zum Verweilen ein. Um zu baden, geht man besser an einen der Strände zwischen der Universität und der Stadt, es gibt sogar einen Sandstrand. Auch am Abend ist in Lausanne etwas los, eine so grosse Auswahl wie in Zürich besteht aber nicht. Zudem sind auch Genf, Montreux und Morges einen Besuch wert.

PrüfungenDieses schöne Studentenleben nahm ein jähes Ende, denn die Prüfungen standen an und der Lernstress begann. Obwohl es in Lausanne keine Lehrbücher gibt und der Stoff grundsätzlich nur aus dem Vorlesungsinhalt besteht, darf man die Menge nicht unterschätzen. Wenigstens kann man das Lernen mit dem Besuch im Rolex verbinden, einem architektonischen Meisterwerk einer Bibliothek an der EPFL. Obwohl die Uni-Studierenden nur geduldet sind, hat es meistens Platz und die Öffnungszeiten von 7:00-24:00 jeden Tag sind im Vergleich zum RWI für Nachteulen ein Traum. Die Prüfungen sind grundsätzlich mündlich, was sprachlich gesehen Vor- und Nachteile hat. Mit einer Ausnahme waren die Professoren sehr kulant und schmunzelten mit mir über meine sprachlichen Turnübungen.

Und nun?Mein Semester in Lausanne hat zwar nur wenige ECTS, dafür viele Erfahrungen gebracht. Eine fremde Stadt, eine andere Sprache, neue Leute, an einer Universität wie eine Erstsemestrige noch einmal von vorn anzufangen – all diese Erfahrungen lehren und bringen einem mehr, als man mit Punkten ausdrücken kann. Mit dem Französisch ist es so eine Sache. Leider ist es wirklich so, wie die Cours de Vacances Lehrerin gesagt hat: Man lernt eine Sprache nicht per Osmose, es reicht also nicht aus, sich dort aufzuhalten, sondern man muss auch etwas dafür tun. Obwohl die Welschen sehr freundliche und offene Leute sind, ist es schwierig, Kontakte zu knüpfen wenn einem rasch das Vokabular ausgeht. Nachträglich betrachtet hätte ich mehr Zeit ins Französisch investieren sollen, aber auch so hat es sich stark verbessert. Von der Universität Zürich wünschte ich mir mehr Flexibilität, vor allem auch weil ich glaube, dass ein Austausch innerhalb der Schweiz gerade für das Jusstudium enorm wichtig ist. Ich würde aber trotz allem sofort nochmals gehen und empfehle all meinen Mitstudierenden, den Sprung ins Welschland zu wagen.

Mobilität

Das Campus Feeling ist ganz anders als in Zürich

und Studierenden, organisieren interdisziplinäre Veranstaltungen und auch das Kulturelle kommt nicht zu kurz. Auf dem Gelände hat es eine Sportanlage, verschiedene Cafeterias, Essensstände und Bars. Das freundliche Gespräch mit dem älteren Libanesen, der im „Anthropole“ leckere libanesische Sandwiches mit geübten Handgriffen zubereitete, war immer einen Besuch wert. „Le Sat“ in der EPFL (École Polytechnique Fédéral de Lau-sanne) ist die wohl bekannteste Bar, welche bei den Studierenden

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Zuerst die Arbeit, dann das VergnügenSummer Schools gibt es wie Sand am Meer. Viele scheinen allerdings masslos überteuert zu sein. Umso erstaunter war ich, als ich auf das Pembroke-King’s Programme stiess. Es kombiniert eine schöne, historische Stadt mit einem langen Aufenthalt, einer guten Universität und vielfältigen Freizeit-aktivitäten. Meine Begeisterung liess jedoch nach, als ich die Teilnahmevoraussetzungen las: Neben einem Sprachdiplom und einer Mindestnote wird ein Referenzschreiben eines Professors oder einer Professorin verlangt, sowie ein Aufsatz in englischer Sprache, welcher von einem Professor oder einer Professorin bewertet sein muss.

und Professorinnen der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der UZH zu verdanken. Mit dem Aufnahmeentscheid konnte ich mich für die Kurse einschreiben und eine Unterkunft auswählen. Die Auswahl an Fächern ist gross, denn das Pembroke-King’s Programme ist keine rein juristische Summer School. Aus rund fünfzig Kur-sen muss man drei wählen. Dabei wird zwischen drei Modu-len unterschieden: Die „modul 1“ Kurse finden während den ersten vier, die „modul 2“ während den letzten vier und die „modul 3“ über die ganzen acht Wochen hinweg statt. Da die Bewerbung schon etliche Monate vorher geöffnet hatte, waren bereits viele Kurse belegt. Es freute mich daher umso mehr, als ich einen der Plätze im Kurs „Introduction to the English Common Law“ ergatterte. Auch viele der Unterkünfte, die nach Preisklassen unterschieden werden, waren schon vergeben, jedoch sorgt das Programm dafür, dass jeder, der möchte, einen Platz in einer studentischen Unterkunft erhält.Mit gemischten Gefühlen sah ich dem Beginn des Programms entgegen: Einerseits war ich überglücklich, eine derartige Chance zu erhalten und meine Sommerferien in einer optimalen Weise nutzen zu können, andererseits wusste ich nicht, was mich erwarten würde. Klar gibt es etliche Vorurteile über Cambridge: hohes akademisches Niveau, dementsprechend hohe Anforderungen, Traditionsbewusstsein erster Klasse, viel Regen, perfekter Rasen und schlechtes Essen. Doch würden sich diese Vorurteile bewahrheiten? Wie würde sich mein zweimonatiger Aufenthalt entwickeln? Es sollte sich heraus-stellen, dass dies meine erfahrungs- und lehrreichsten Sommer-ferien werden würden.

Carmen Honegger

Pembroke-King’s Programme 2013Ein unvergesslicher Sommer

Fast drei Monate Semesterferien sind eine lange Zeit. Einige Studierenden gehen auf Reisen, bleiben zu Hause oder arbeiten. Doch dass es auch andere Möglichkeiten gibt, wissen viele nicht. Die sogenannten „Summer Schools“ bieten Studierenden die Gelegenheit, in den unterschiedlichsten Ländern Universitäten zu besuchen, um dabei ihren Horizont zu erweitern. Ich nahm diesen Sommer am Pembroke-King’s Programme (PKP) in Cambridge teil und erlebte dort eine unvergessliche Zeit.

Die Bewerbung für das Programm öffnet jeweils im November. Da ich aber mein Studium an der UZH gerade erst begonnen hatte, musste ich zunächst meine ersten Prüfungen und damit die erste Note (Rechtsgeschichte) abwarten. So konnte ich erst Mitte Februar mit der aufwändigen Bewerbung beginnen. Nach rund zwei Monaten konnte ich sie endlich einreichen. Eine Woche später stand es fest: Diese Sommerferien würde ich in Cambridge verbringen. Die einmalige Chance, an einem derartigen Programm teilzunehmen, habe ich nicht zuletzt der grossen Hilfsbereitschaft und Unterstützung der Professoren

Meine Begeisterung liess nach, als ich die

Teilnahmevoraussetzungen las

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Alltag als Teilnehmer am PKPEs ist wohl unmöglich, all die Eindrücke und Erlebnisse in diesem Artikel niederzuschreiben. Cambridge ist bereits aus der Sicht eines Touristen eine wunderschöne Stadt. Die Per-spektive eines dortigen Studenten ist aber noch viel reichhaltiger. Wie der Name „Pembroke-King’s Programme“ andeutet, wird diese Summer School vom Pembroke und King’s College angeboten. Das King’s College ist eines der berühmtesten Colleges von Cambridge. Es wurde im Jahre 1441 von Henry VI gegründet und ist ein Wahrzeichen von Cambridge. Die Möglichkeit, dieses Gelände morgens und abends ohne Menschenmassen zu sehen, in seinen Gebäuden ein- und auszugehen, unter als „private“ markierten Torbogen hindurch-zugehen, in der altehrwürdigen Speisehalle zu essen und in der dortigen Bibliothek zu lernen, ist unbeschreiblich.Es nehmen über dreihundertfünfzig Studierende aus der gan-zen Welt am Pembroke-King’s Programme teil. Die Mehrzahl der Teilnehmer stammt aus den USA oder China. Als einzige Studentin aus der Schweiz war es also unumgänglich, Tag ein, Tag aus Englisch zu sprechen. Aufgrund der ungewohnt klei-nen Klassengrösse (maximal dreissig Personen in den Vorle-sungen und zwischen fünf und zwölf Studenten in den Semi-naren) war die mündliche Teilnahme am Unterricht Pflicht. Das „Social Programme“ des Pembroke-King’s Programme ist sehr reichhaltig. Jede Woche werden die unterschiedlichsten Aktivitäten angeboten – vorausgesetzt, man hat keine Unter-richtsstunden zur entsprechenden Zeit. Stechkahn fahren (sog. „Punting“, ein absolutes Must in Cambridge), Architek-tur- und Bücherei-Touren, verschiedenste Sportarten, ein Be-such (oder in meinem Fall gleich mehrere Besuche) des Cam-

bridge Shakespeare Festivals oder ein entspannter Spaziergang mit anschliessendem Afternoon Tea – es gibt etwas für je-den Geschmack. Nicht zu vergessen sind die vielen organisier-ten Ausflüge an den Wochenenden zu Destinationen in ganz England. Eine viertägige Schottland-Reise ist im Kursgeld inklusive, ebenso wie ein Tagesausflug nach London. Dies garantiert, dass die Studenten die bekanntesten Gebiete in England zu Gesicht bekommen. Daneben organisieren die sogenannten PA’s (Programm Assistenten, alles „richtige“ Studenten in Cambridge) auch andere Ausflüge, meist in Ihre Heimatstädte: Canterbury, York und Oxford sind nur einige Beispiele. Das Pembroke-King’s Programme ist aber nicht nur Spass: Es muss auch hart gearbeitet werden. Hausaufgaben, Aufsätze und Prüfungen sind fester Bestandteil des zweimonatigen Aufenthalts, die Bibliothek gewissermassen das zweite Zuhause. 24 Stunden an sieben Tagen ist die King’s Library geöffnet. Und wer denkt, dies würde nicht genutzt, irrt sich gewaltig. Nachdem ich mit meinen Kommilitonen und Kommilitoninnen am Wochenende wieder in irgendeine Stadt Englands gereist bin und wir erst am Montag realisierten, dass wir am nächsten Tag einen Aufsatz einreichen sollten und auch noch Unterricht hatten, verbrachten wir den Abend in der Bibliothek. Während ich um spätestens zwölf Uhr abends die Bibliothek verliess und mit dem Vorsatz ins Bett fiel, am nächsten Morgen „früh“ aufzustehen und den Aufsatz fertig zu schreiben, hatten die US-Amerikaner eine andere Taktik. Als ich am nächsten Tag nach einem entspannten Frühstück wieder (totmüde!) in die Bibliothek kam und die gleichen Leute wie am Vorabend sah und ich sie als Witz fragte, ob sie denn überhaupt schlafen

Die "Formal Halls" boten die rare Gelegenheit, den Rasen zu betreten. Normalerweise gilt ein striktes Verbot.

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gegangen seien, blickten sie mich nur verdutzt an und ant-worteten mit nein. Die ganze Nacht durcharbeiten gehört für Amerikaner gewissermassen zum Universitätsleben dazu, weshalb sie für dies auch einen eigenen Begriff entwickelt haben: „to pull an all-nighter“. Und als ich ihnen erklärte, das könnte ich gar nicht, erwiderten sie, das sei Gewohnheitssache: Wenn man einmal damit anfange, würde man es immer wieder machen. Aber an fünf Abenden war selbst für die pflichtbewusstesten Teilnehmer des Programmes Geniessen angesagt: die „Formal Halls“. Diese fünf Abendessen „de luxe“ garantieren unter anderem auch die einmalige Möglichkeit, auf dem perfekten Rasen des King’s Colleges zu stehen (was ansonsten nur den „fellows“, also den Professoren der Universität erlaubt ist) und vermittelt ein „Harry-Potter-Feeling“ erster Klasse. Heraus-geputzt und elegant gekleidet in der pompösen Halle bei Kerzenlicht ein wunderbar zubereitetes Drei-Gang-Menu zu sich zu nehmen, ist unvergesslich.

Das Englische Recht Besonders interessant war für mich die Einführung ins Englische Recht. Aber wer denkt, dass eine „Einführung“ nur die Grundlagen und allgemeinen Regeln eines Rechtsystems vermittelt, befindet sich auf dem Holzweg. Innerhalb von vier Wochen lernten wir nicht nur die Quellen und Grundprinzi-pien des Englischen Rechts, sondern auch das Haftpflichtrecht (tort law) und das Strafrecht (criminal law) kennen. Viel Zeit

Eine grosse Menge an Literatur Scheint wohl jedem RechtssysteM inhärent Zu seinmusste in der Bibliothek verbracht werden, um Aufsätze zu verfassen oder den Stoff nachzulesen. Eine grosse Menge an Literatur scheint wohl jedem Rechtssystem inhärent zu sein.Mein persönliches Highlight bestand im Besuch eines englischen Gerichtes in Cambridge. Ich hatte das Glück, den Crown Court besuchen zu dürfen: Dort ist auch eine richtige Geschwo-renenversammlung („Jury“) anwesend – ein Novum für eine Studentin des Schweizer Rechts. Eine Angestellte erklärte uns den Aufbau des Gerichts (wer sitzt wo, was sind die Aufgaben, was sind die Regeln) und anschliessend durften wir an einer Verhandlung teilnehmen. Diese Erfahrung war besonders bereichernd, da ich vor wenigen Jahren eine Gerichtsverhandlung in der Schweiz besucht hatte und so die beiden Systeme gegen-einander abwägen konnte. Interessant ist beispielsweise, dass die Rolle des Richters in England viel passiver ist als in der Schweiz. Während der Verhandlung durften wir keine Notizen machen, da dies im Crown Court einer speziellen Bewilligung bedarf. Der Kurs über das Common Law zeigte mir eine neue Art des Rechtsdenkens auf. Es eröffnete mir einen neuen Blickwinkel auf mögliche Alternativen unseres Rechtssystems. Meines Erachtens war es eine ungemeine Bereicherung, bereits während des Bachelor-Studiums mit einer anderen Rechts-ordnung in Kontakt zu kommen, da dies zum kritischen Nachdenken über das eigene Recht anregt.

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Infobox: Pembroke-King's Programme

Ort: Cambridge, UK

Dauer: Zwei Monate

Aufnahmebedingungen

• Mindestens seit 1 Jahr an der Uni

• Mindestalter 18 Jahre

• Mindestens Notenschnitt GPA 3.2, was ungefähr einer 5.0 entspricht

• Referenzschreiben eines Professors/einer Professorin

• Aufsatz in Englisch (mind. 1500 Wörter, von einem Professor/einer

Professorin bewertet)

• Englischkenntnisse: CAE grade A oder CPE grade A oder B (oder

vergleichbare Sprachkenntnisse)

Im Programm inbegriffen

• Drei Kurse

• Verschiedene Plenary Lectures und Study Skill Seminare

• 4-tägige Schottland Reise

• Ausflug nach London mit Eintritt ins Shakespeare Globe Theatre

• Zehn Mahlzeiten pro Woche

• Unterkunft (unterschiedliche Preisklassen und Locations)

• Fünf Formal Halls

• Ein Cream Tea

• Freizeitaktivitäten (einige davon separat zu bezahlen:

Architektur-Tour durch Cambridge, Afternoon Tea, Museumsbesuche,

Punting (Stechkahn), Cambridge Shakespeare Festival, Ausflüge zu

unterschiedlichen Destinationen in England und vieles mehr)

Website

http://www.pem.cam.ac.uk/international-programmes/summer-program-

mes/pembroke-kings-programme/

Für Fragen oder weitere Informationen kontaktiert mich bitte unter:

[email protected]

FazitHaben sich meine Vorurteile schlussendlich erfüllt? Das akademische Niveau in Cambridge ist definitiv hoch. Aufsätze, Prüfungen, Hausaufgaben und Vorträge – wer im Pembroke-King’s Programme Erholung vom Universitätsalltag sucht, ist an der falschen Stelle. Obwohl auch grossartige Freizeitaktivi-täten und Reisen auf dem Programm standen, verbrachte man viel Zeit in der Bibliothek. Cambridge ist auch noch immer sehr traditionell geprägt und insbesondere die „Formal Halls“ ermöglichten es uns Studierenden, diese Tradition mitzuerleben. Das Wetter entsprach hingegen überhaupt nicht dem, was man erwartete. Besonders in den ersten vier Wochen war es ungewöhnlich heiss – zu heiss, wenn es nach der Meinung der meisten Teilnehmer ging. Insbesondere weil der Fluss Cam sehr schmutzig ist und die verlockende Kühle deshalb doch niemanden dazu verführen konnte, sich in die Fluten zu stürzen. Und selbst das normalerweise so perfekte Gras in den Colleges wies in dieser Zeit hässliche braune Flecken auf.Cambridge fordert viel, aber gibt auch viel zurück. Die Auf-nahmebedingungen scheinen hart, doch am Ende lohnt es sich alleweil, sich durch den ganzen Aufnahmeprozess zu „quälen“. Und auch wenn manch einer lieber mehr Zeit mit Reisen verbracht hätte, so trugen auch die vielen Aufsätze und Prü-fungen zu der einmaligen Erfahrung des Pembroke-King’s Programme bei.

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Geschichte und PolitikUm das China der Gegenwart verstehen zu können, muss es immer wieder in Relation zu seiner Jahrtausende umspannenden Geschichte gesetzt werden. Wir hatten das Glück, im Hauptgebäude der Fudan Universität in Shanghai von einer Geschichtsprofessorin empfangen zu werden. Gleich zu Beginn nahm sie vorweg, dass ihre Arbeit dann bisweilen schwierig oder unbefriedigend sein könne, wenn sie dem Grundsatz der Objektivität der Wissenschaft nicht genügen dürfe. Diese Offenheit überraschte.Nach einer kurzen Einleitung folgte dann eine einfache Er-klärung, wie es zum Aufstieg der Kommunistischen Partei kam: Aus dem Wunsch nach Frieden heraus. Der Partei gelang es nach über 100 Jahren Krieg, die von der chinesischen Bevölkerung ersehnte Ruhe und Stabilität zu bringen. Vor allem anfangs leistete sie darüber hinaus viel Gutes, indem sie die Lebensqualität der Bevölkerung spürbar zu verbessern vermochte. Das ist einer der Hauptgründe, weshalb die Partei nach wie vor starken Rückhalt im Volk (vor allem bei den

älteren Generationen, welche die positiven Veränderungen miterlebt haben) geniesst. Gleichzeitig liess die Professorin uns an ihrer Meinung teilhaben, dass das chinesische Politsystem den ursprünglich geplanten Reformprozess hin zum Besseren noch nicht abgeschlossen habe. Ihre Worte „Of course I do hope that things will get better soon. However, though I would like to be optimistic, I am not. I am pessimistic.“ haben sich mir dabei eingebrannt. Vielleicht ist ihr jedoch entgangen, dass sie mit dieser persönlichen Aussage zumindest in den Augen ihrer Zuhörer bereits eine deutliche Tendenz hin zu Veränderung signalisiert hat. Solche kritischen Äusserungen – und das von einer Professorin – wären noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen und sind ein Zeichen für die sich abzeichnende Öffnung Chinas, welche wir im Laufe der Reise immer wieder wahrnehmen konnten.Dessen ungeachtet erfährt die Pflege der chinesischen Tradi-tionen und Geschichte als Mittel zur Stärkung der chinesischen Identität starke staatliche Förderung. Ebenfalls in Shanghai trafen wir beispielsweise Mitglieder von Hanweiyang, einer

Nadine Wipf

Unterwegs in ChinaHinter der Fassade, im Reich der Mitte

China – es ist ein Land der Widersprüche, das die Meisten in der westlichen Hemisphäre entweder nicht oder nur nach Schema F einordnen können. Mit kaum einem anderen Staat sind so viele Assoziationen und Vorurteile verbunden. Nachdem mein eigenes Bild jahrelang hauptsächlich vom Film Mulan geprägt worden war, machte ich mich diesen Sommer versuchsweise unbefangen auf eine abenteuerliche Studienreise quer durch das Reich der Mitte. Das Ziel: Möglichst viele Perspektiven durch möglichst verschiedene Begegnungen vor Ort kennenzulernen. Das Resultat – zahlreiche gesammelte Eindrücke und mit auf den Rückweg erhaltene Botschaften – widerspiegelt sich hier auszugsweise.

International

In chinesischer Manier vor der Fudan University in Shanghai

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(vom Staat finanziell unterstützten) NGO, die sich der Bewah-rung und Verbreitung traditionell chinesischer Kleidung, Musik und Feste widmet und mit ihren Requisiten auch uns ein Stück weit dafür zu begeistern vermochte.Nur kurz soll die Zensur angesprochen werden. In Hongkong trafen wir Dr. Sebastian Veg, einen Forscher am French Centre for Research on Contemporary China, der sich unseren Fragen diesbezüglich stellte. Interessant war insbesondere die Erkenntnis, dass die Zensur in China hauptsächlich von der Negierung der Kulturrevolution motiviert ist. Es ist dieses geschichtliche Ereignis, das die chinesische Regierung verleugnet und welches deshalb weder in Geschichtsbüchern noch im Internet oder an anderer Stelle auftauchen darf.

WirtschaftDas zukünftige wirtschaftliche Wachstum Chinas ist von essenzieller Bedeutung für dessen Volkswirtschaft. Immer häufiger wird von Ökonomen eine Verlangsamung mit ver-heerenden Auswirkungen prognostiziert. Wirtschaftsprofessor Zhang der Fudan Universität widersprach diesen Einschätzungen mit den Worten „China will keep growing“ und der folgenden Erklärung: Wer das Gegenteil seiner Aussage behaupte, der lasse die Diversität Chinas völlig ausser Acht. Das riesige Land sei gänzlich unterschiedlich entwickelt, wobei insbesondere im Westen enormes Wachstumspotenzial vorhanden sei. Dieses werde erst langsam entdeckt und würde wohl frühestens im Verlaufe der nächsten Jahrzehnte ausgeschöpft werden.

Zu Gast bei Hanweiyang

Fabrik in Guangzhou (© Marko Martinovic)

One Link Retail Mall in Guangzhou (© Marko Martinovic)

Mit der Schweizer Sicht auf die chinesische Wirtschaft setzten wir uns unter anderem bei einem Besuch bei swissnex in Shanghai auseinander. Einer der geladenen Referenten, Herr Lehmann, Gründer von Selective International Management (SIM), beschrieb das Geschäftsleben in China als „expensive, expendable and expired“, wobei zusätzlich gelte: „Life in China is a daily experiment.“ Herr Widmer vom Swiss Busi-ness Hub konnte dies bestätigen. In Shanghai und besonders in anderen Orten Chinas wirtschaftlich Fuss zu fassen, sei eine Herausforderung, bei der es die Eigenheiten des Landes sehr stark miteinzubeziehen gelte. Andernfalls könne es z.B. sein, dass der eigene Fabrikbetrieb samt Maschinen und Mitarbeiter von heute auf morgen an einem anderen Ort stattfinde und man selbst vor einer verlassenen Lagerhalle stehe.

In Guangzhou, einer bei uns weitestgehend unbekannten Millionenstadt und Hauptstadt von Chinas reichster Provinz Guangdong, erlebten wir „Wirtschaft“ hautnah. Guangdong gilt mit seinen Fabriken als das Industrie-Zentrum Chinas. Bei der Besichtigung einiger mittelgrosser Fabriken erhielten wir Einblick in den Verarbeitungsprozess von Chromstahl als „intermediate good“ zu einem „final good“. Im Gegensatz zur Schweiz wurden die meisten Arbeitsschritte mit menschlicher

China will keep growing

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Arbeitskraft statt durch Maschinen ausgeführt. In puncto Sauberkeit ist fraglich, ob unsere Standards eingehalten wurden. Das Ergebnis der Produktionsmasse liess sich am besten in der One Link Retail Mall in Guangzhou bestaunen. Auf acht gigantischen Stockwerken mit jeweils zahlreichen Gängen konnte man alles, wirklich alles, kaufen – am besten 1000 Stück aufwärts, denn es galt je mehr, desto günstiger. Das war „made in China“ live vor Ort!

Die wirtschaftlichen Verhältnisse in Hongkong als Sonder-verwaltungszone sehen wiederum anders aus. Interessant war insbesondere die Diskussion über die Zukunft Hongkongs mit dem Journalist und Fernostkorrespondent für „Finanz und Wirtschaft“, Ernst Herb. Seiner Ansicht nach wird sich Hongkong trotz des Aufholens des Festlands weiterhin be-haupten können. Die Hongkonger (sofern es sie denn gibt) seien Experten darin, auf veränderte Verhältnisse zu reagieren und sich ihnen anzupassen. Sie fänden immer einen Weg, Schwierigkeiten zu umschiffen.Ein ähnliches Bild zeichneten die geladenen Gäste des Swiss Alumni Events des Generalkonsulats der Schweizerischen Eidgenossenschaft im 88. Stock des ICT-Towers. Im Rahmen eines Panels und anschliessendem Apéro gaben sich die in Hong-kong lebenden Unternehmer, Akademiker und Diplomaten mit Abschluss von einer Schweizer Hochschule zuversichtlich, was die (wirtschaftliche) Zukunft Hongkongs betrifft. Es werde seine Position als Tor zu China resp. Asien noch für eine Weile behaupten können.

(Corporate) Social ResponsibilityAls dunkle Seite der Wirtschaftsmacht Chinas werden immer wieder die Arbeitsbedingungen in den Fabriken genannt. Xiao Zi Ding, Senior Associate bei ELEVATE, einer NGO, die versucht die Corporate Social Responsibility (CSR) von Unternehmen in China mit verschiedenen Massnahmen wie Evaluationen und Modernisierungen zu verbessern, räumte ein, dass die Kontrolle in den Bereichen Arbeitsrecht und Umweltschutz noch nicht sehr gut sei. Sie zeigte sich jedoch optimistisch, was die Zukunft betrifft.Anders Mr. Zeng, den wir in Guangzhou treffen durften. Er ist Mitarbeiter beim „Panyu Migrant Service Center“, einer Organisation, die Arbeiter in rechtlichen Angelegenheiten berät und die Kommunikation mit dem Arbeitgeber über-nimmt. Er klang nach seinen über 20 Jahren Praxiserfahrung ernüchtert. Wenngleich es über die Jahre hinweg Verbesserungen

gegeben habe, hinke man bei den Arbeitsbedingungen immer noch weit hinterher. Proteste seien häufig der einzige Weg, um etwas zu erreichen, obwohl diese verboten und riskant seien. Auf die Frage, ob ausländische Firmen in der Regel bessere Arbeitsbedingungen bereithielten, antwortete Mr. Zeng, dass diese die Arbeiter meist noch schlechter behandelten – eine Aussage, die gemischte Gefühle bei uns hinterliess. Brian Timm-Brock, Angestellter der US-Regierung in Guangzhou, der uns zu dem Treffen begleitete und übersetzte, behauptete: „The violation of the labor rights is the biggest violation of human rights China is facing and responsible for today.“

An dieser Stelle und als Motivation für alle, die etwas zu bewirken versuchen, gilt es jedoch die starken Worte des Referenten Lehmann von SIM (s.o.) zu zitieren: „Der grösste Feind ist Frustration. Um ihn zu bekämpfen, muss man sich vor Augen halten, dass ein einzelner Tropfen auf den heissen Stein in China unter Umständen mehrere Millionen Menschen betrifft.“

The Peak, Hongkong (© Kaspar Etter)

The violation of the labor rights is the biggest

violation of human rights China is facing and

responsible for todayEbenfalls Engagement im sozialen Bereich in Guangzhou leisten die Mitglieder von PFLAG. PFLAG setzt sich für die Rechte der LGBT-Gemeinschaft ein, wobei sie sich nicht offiziell als NGO registrieren lassen dürfen. Interessanterweise haben Lesben und Schwule in China gegen weniger Widerstand aus der Bevölkerung zu kämpfen als im Westen. Das Problem ist nicht Toleranz aus der Gesellschaft, sondern Akzeptanz in der Familie. Die generelle Indifferenz zu diesem Thema kippt somit, sobald es beispielsweise den eigenen Sohn oder die eigene Tochter betrifft – dies auch vor dem Hintergrund der Ein-Kind-Politik und der Bedeutung der Stammeserhaltung. Von der sich abzeichnenden Zwei-Kind-Politik erhoffen sich die Mitglieder von PFLAG auch eine Verbesserung ihrer eigenen Situation.Die wohl eindrücklichste Begegnung auf unserer Reise

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49 International

durch China war das Treffen mit sog. „migrant mothers“, die (ursprünglich vom Festland) auf engstem Raum zusammen mit ihrem Kind in Hongkong leben. Ich durfte die Wohnung von Laimui und ihrer fünfjährigen Tochter besuchen. Bei einer Grösse von ca. sieben Quadratmetern hat man das Zuhause schnell überblickt. Nichts ist in Hongkong so teuer wie Wohnraum, was erklärt, weshalb sich Mutter und Tochter ein Bett teilen und Privatsphäre ein Fremdwort bleibt. Erst vor kurzem hat der Vermieter die Miete von 1700 auf 4500 HKD (ca. 530 CHF) erhöht, weshalb auch diese bescheidene Unterkunft bald nicht mehr tragbar sein wird. Wie die meisten Frauen kam Laimui wegen einem Mann nach Hongkong. Als sie in der Folge jedoch ein Mädchen zur Welt brachte, drängte ihre Schwiegermutter Laimuis Mann resp. ihren Sohn dazu, Laimui zu verlassen. Er tat es. Wie die meisten Mütter blieb Laimui in der Folge der Ausbildung ihres Kindes zuliebe in Hongkong. Die Qualität der Ausbildung ist in Hongkong um Klassen besser als jene auf dem Festland. Auf ihrer Tochter lastet daher aber auch ein enormer Druck; ihr Leben besteht aus Lernen, Essen und Schlafen. Wie aus ihrem Zeugnis hervorgeht, weiss das Mädchen bereits jetzt, dass es von den 97 Kindern seiner Stufe (nur?) an 13. Stelle steht. Das Kind ist sehr still und in vielen Bereichen schon selbständig und beinahe erwachsen. Die Frage, ob es nicht einer zu grossen psychischen Belastung ausgesetzt sei, konnte Laimui nicht nachvollziehen. Sie erklärte, ihre Tochter wisse, dass sie als Mutter mit ihrer

Arbeit und ihren Entbehrungen alles für sie gebe. Ihre Tochter leiste im Gegenzug ebenfalls vollen Einsatz – so funktioniere Familie. Laimui selbst kann sich niemandem anvertrauen. Zwar besteht eine enge Gemeinschaft zwischen den „migrant mothers“, sie kann jedoch nicht als Freundschaft bezeichnet werden. Man kann sich nicht erlauben, Schwäche zu zeigen, denn durch Klatsch und Tratsch werden solche Neuigkeiten in

Im Zuhause einer „migrant mother“(© Kaspar Etter)

© Simone Schmieder

Windeseile verbreitet. Auch in ihrer Familie gibt es niemanden, mit dem sie reden könnte. Ihren zahlreichen Geschwistern und ihren Eltern, die sie auf dem Festland zurückgelassen hat, geht es noch schlechter als ihr selbst. Deshalb schickt sie auch monatlich Geld, das sie eigentlich selber benötigt, nach Hause. Weder Laimui noch die anderen „migrant mothers“, die wir getroffen haben, waren jedoch an irgendeinem Punkt auf unser Mitleid oder Geld aus. Sie haben sich mit ihrer Situation ab-gefunden; man könnte fast sagen, sie wissen zu funktionieren.

Bei einer Grösse von ca. sieben QuadratmeterN hat man das Zuhause schnell

überblickt

VICEF ist eine NGO, welche die „migrant mothers“ und ihre Kinder so gut wie möglich zu unterstützen ver-sucht. Eine Aussage der Verantwortli-chen, Christine W., hat mich dabei sehr nachdenklich gemacht. Ihre Erfahrung zeige, dass den Müttern letztlich meist nicht einmal mehr ein harmonisches Verhältnis zu ihren Kindern bleibe. Mit zunehmender Bildung begännen sich die Kinder einerseits für ihre un-gebildeten Mütter zu schämen und sie andererseits für ihre mangelnde Integra-tion zu verachten.

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Student GatheringsWährend unserer Reise sind wir mit zahlreichen Menschen in Kontakt gekommen, darunter auch viele Studierende. Die Unterschiede nicht nur im Verhältnis Schweiz/China, sondern auch China/China (insbesondere Festland/Hongkong) waren dabei spürbar. Unser erstes Treffen mit anderen Studierenden war an der Normal Universität im eher ländlich gelegenen Guilin. Es waren fast ausschliesslich Frauen, von denen die meisten im Studiengang „Business English“ eingeschrieben waren. Sie hatten nie zuvor Ausländer gesehen (einige hatten ihren englischen Namen, den man häufig vom Lehrer erhält, daher erst seit einem Tag und bereits wieder vergessen) und konnten es kaum erwarten, uns auszuhorchen. Der erste Schock kam bereits mit unserer Antwort auf die Frage, was wir studieren würden. Als eine meiner Mitreisenden sich als Bauingenieur-Studentin zu erkennen gab, war die Reaktion wie folgt: „What?! Engineer?! But you’re a woman!“ In diesen Worten schwang neben Entsetzen aber auch viel Bewunderung mit. Eine Studentin erklärte uns, wenn sie die Möglichkeit dazu gehabt hätte, hätte sie sich diesen Berufsweg auch vorstellen können. Frauen würden in dieser Branche aber nicht ernst genommen und die Studienplätze seien derart beschränkt, dass sie gar keine andere Option gehabt habe als – man ahnt es – „Business English“. Unsere Gastgeber waren aber überaus freundlich und die Gespräche sehr interessant. Es wurde so schnell Freundschaft geschlossen, dass am Schluss viele der Studentinnen mit uns zu KTV gingen. K steht für Karaoke, wobei man als Gruppe einen Raum mietet und sich die Zeit mit Karaoke singen vertreibt. Tatsächlich ist Singen eine der populärsten Freizeitbeschäftigung der Chinesen, so dass wir eine surreale Nacht lang den Klängen chinesischer Charts, gekonnt playback interpretiert, lauschen konnten.

In Guangzhou organisierten wir in einer Bar ein Swiss Culture Open House, bei dem wir den Besuchern unsere Heimat ein Stück näher bringen wollten. Wir wurden förmlich überrannt, wiederum von vielen Studierenden. Ein Grossteil studierte in diesem Falle Deutsch und sprach – nach nur zwei Jahren intensiver Lernzeit – akzentfreier und sauberer als mancher von uns. An diesem Abend traten klare Unterschiede zu Tage. Die meisten chinesischen Studenten waren noch nie gereist, Konkurrenzkampf und Lerndruck wirkten um einiges härter als bei uns in der Schweiz. Gleichzeitig existiert ein stärkerer Zusammenhalt zwischen den Studierenden innerhalb einer Stufe, da diese meist zu einem Ersatz für ihre weiter entfernt lebenden Familien wird, und sie wirkten alle sehr fröhlich und

Die Reiseroute

ausgeglichen. Wir haben uns mit ihnen auch über Klischees unterhalten, wobei dasjenige, dass Chinesen alles, was ihnen vor die Linse kommt, fotografieren würden, unter grossem Gelächter auf Zustimmung stiess.

Ebenfalls in Guangzhou trafen wir sodann Englisch-Studierende des Guangzhou English Training Center for the Handicapped. Das GETCH ermöglicht 50 körperlich behinderten jungen Erwachsenen eine kostenlose dreijährige Ausbildung. Wendy, eine der Studierenden, die wir trafen, erhofft sich von dieser Ausbildung, dass es ihr eines Tages gelingen wird, aus dem Schatten ihrer Behinderung hervorzutreten und wertvolle Beiträge in der Wissenschaft zu leisten. Wenn es um das zu-künftige Berufsleben ging, waren alle durchwegs fasziniert, wenn wir unsere tendenziell flachen Hierarchien in Betrie-ben, den kollegialen Umgang oder zumindest die Begegnung auf Augenhöge mit Vorgesetzten schilderten. Solch ein Ar-beitsverhältnis fänden sie (Zitat): „traumhaft“.

Ganz anders verlief das Treffen mit einigen Wirtschaftsstudie-renden der Polytech Universität Hongkong. Ihr Auftreten wirkte selbstsicherer; wir hatten eine gemeinsame Basis. Die meisten waren gereist, wussten einiges über die Schweiz und den Rest der Welt. Obwohl wir überaus herzlich empfangen wurden und man sich ein tolles Programm für uns hat einfal-len lassen, war es das kompetitivste Treffen – ich wurde als erstes nach meinem Studiengang, meiner Arbeitserfahrung und meinen Auslandaufenthalten gefragt. Die Antworten wurden scheinbar sogleich evaluiert und mit dem eigenen CV verglichen.

What?! Engineer?! But you’re a woman!

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EigenheitenGenerell lässt sich über die Chinesen sagen, dass sie alle un-glaublich gastfreundlich sind. Ob bei unseren Meetings, in zufällig besuchten Restaurants, um 06:00 Uhr morgens nach dem Feiern am Bund (die einzige Zeit, in der die Einheimischen sich dort blicken lassen und zwar zum Frühsport) oder auf einem Bauernhof mitten in den Reisterrassen: Wir wurden überall herzlich, neugierig und selbstlos empfangen.

Einige Eigenheiten waren dennoch auszumachen. So existieren auf dem Festland scheinbar keine Verkehrsregeln. Das Prinzip „survival of the fittest“ ist in seiner reinsten Form verwirklicht und das Folgeleisten des uns immer wieder mitgegebenen Mantras „Go with the flow!“ wurde überlebenswichtig. Auf dem Tuk-Tuk (einem Motorrad, das hinten für zwei Passagiere Platz bietet) konnte ich meinen Arm einige Male nur noch knapp rechtzeitig aus der Gefahrenzone bringen und uns wurde sogar von Polizisten der Weg abgeschnitten. Wer ein Taxi will, der stellt sich einfach mitten auf die Strasse, wobei durchaus auch Taxifahrer auf einer der sechs Gegenfahrbahnen plötzlich neben einem halten.

Infobox; IFIL

IFIL steht für Initiative For Intercultural Learning und ist ein

gemeinnütziger Verein mit dem Zweck, vertieften Einblick

in fremde Länder zu ermöglichen. Dazu organisieren Freiwil-

lige mit einem starken Bezug zum zu bereisenden Land

„Study Trips“, die zum einen Treffen mit wichtigen Persön-

lichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Kultur und Gesellschaft,

zum anderen Begegnungen mit jungen Menschen und

Studierenden ermöglichen. Die Projekte und Reisen für

nächsten Sommer werden im März bekannt gegeben.

Weitere Informationen finden sich unter www.ifil.ch.

Sehr eindrücklich war der Besuch eines Traditional Chinese Medicine (TCM) Krankenhauses. Es war ein imposantes Gebäude, in dem emsiger Betrieb herrschte. In einer riesigen Wartehalle warteten Patienten mitten in der Woche auf ihren Termin, während andere bereits in langen Gängen auf einer der zahlreichen, durch Vorhänge von Blicken geschützten Liegen das Einsetzen der Wirkung ihrer Akupunktur oder Ähnlichem ersehnten. TCM und westliche Medizin gehen mittlerweile aber Hand in Hand, wobei die westliche Medizin die dominierende ist.Für unsere Ohren speziell sind die chinesischen Namen, weshalb fast alle Chinesen auch einen englischen Vornamen besitzen. Der beste ist mir bei meiner Ankunft in Hongkong untergekommen. In einem Bankautomaten habe ich eine vergessene VISA-Card gefunden. Sie war auf eine Cheese Pizza ausgestellt.

Weniger eine Eigenheit als einfach nur fantastisch sind die Landschaften, die China zu bieten hat. Wir verbrachten einige Tage in den Reisterrassen und sahen auch Karstgebirge von nahem. In dieser Hinsicht gilt jedoch: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.

Go with the flow

FazitAuf dem Rückflug habe ich mich tatsächlich durch den Film Mulan gezappt, jedoch mit völlig anderen Augen. Unbefangen bin ich wohl nicht mehr, eine Einweg-Meinung zu China habe ich aber auch nicht. Dieses Land in Worte zu fassen, ist schier unmöglich. Das erklärt sich leicht, denn was ist schon China? Wenn ich eines gelernt habe, dann das dieses mit Assoziatio-nen behaftete Wort, Land, Mysterium nichts sagt. Das Wort ist zu kurz, das Land zu gross, das Mysterium zu tiefgreifend. Es gibt nicht „das China“; wer über chinesische Dinge spricht, der muss differenzieren. Genau so ist meine Ansicht: Differenziert. Je nach Thema, je nach Perspektive, je nach Region, sozialer Schicht... China, das ist eine Einladung. Eine Einladung zu mehr.

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52 FV Jus

Externe Evaluation an der RWFIn diesem Semester wird die Rechtswissenschaftliche Fakul-tät von einer externen Expertengruppe beurteilt. Dies ge-schieht in regelmässigen Abständen an allen Fakultäten der UZH. Dafür haben unsere Fakultätsvertreter einen Bericht über die Studiumssituation an der RWF verfasst. Ebenfalls konnte eine Gruppe von Studierenden an einem Gespräch mit der Expertengruppe aus Sicht der Studierenden gewisse Ver-besserungsvorschläge einbringen. Dabei war uns wichtig, auf das Anliegen der Studierenden betreffend der Einführung von Wiederholungsprüfungen im Bachelor hinzuweisen. Ebenfalls haben wir auf das knappe Raumangebot und dessen Ent-schärfung durch eine grössere Anzahl an Podcast hingewiesen. Wir werden euch über die Ergebnisse der Evaluation auf dem Laufenden halten.

Erstsemestrigentag 2013Gemeinsam mit der Fakultät und der ELSA hat der Fachverein erneut den Erstsemestrigentag organisiert. Dabei konnten den rund 650 Teilnehmern des Tages erneut viele Informationen zum Studienbeginn mitgegeben werden. An dieser Stelle möchte sich der Fachverein bei den rund 20 freiwilligen Helfern noch-mals herzlich bedanken, die diesen Tag möglich gemacht haben.

jusCoaching Erstsemestrigentag vorbei – wie weiter danach? Hier hilft das jusCoaching den Studienbeginnern weiter. Bei den Coachings werden zuerst im Plenum einige nützliche Informationen weiter-gegeben. Im Anschluss haben die Studierenden die Möglichkeit, ihre Coaches beim Lunch im persönlichen Gespräch mit Fragen zu löchern. Natürlich können die Studierenden ihre Coaches auch per Email erreichen, um weitere Informationen zu erhalten.

Veranstaltungen zur KarriereAuch in diesem Semester hat der Fachverein wieder einige spannende Veranstaltungen rund ums Thema Karriere organi-siert. Bereits vor dem Semester fand der Event „Karriere in der Zürcher Justiz“ statt. Während des Semesters wurde es dann etwas internationaler: Bei unserer „LLM information session“ wurde den Studierenden erklärt, welche Vorbereitungen zu treffen sind, bevor ein LLM in Angriff genommen wird. Dazu haben sich zwei Universitäten aus dem angelsächsischen Raum vorgestellt.

Gemeinsam grosses ErreichenAuch die sozialen Events kamen im Fachverein nicht zu kurz. Die Fachvereinsabende und die Aktivmitgliederversammlungen dieses Semesters boten unseren Mitgliedern die Möglichkeit, sich näher kennen zu lernen und wertvolle neue Kontakte im Studium zu knüpfen. Auch nimmt der Fachverein dieses Jahr erneut an der ASVZ Volleynight teil, um gemeinsam einen sportlichen Abend zu verbringen.

Abschalten beim NachtseminarDer Fachverein Jus hat auch in diesem Semester einen Abend an der beliebten Donnerstagsparty, dem Nachtseminar, gehostet. Dieses Mal stand unsere Party unter dem Motto „Casino“. Beim Roulette konnten attraktive Preise gewonnen werden. Vielleicht werden wir in Zukunft auch am Wochenende eine Party organisieren, damit nicht nur in Zürich Wohnhafte in den Genuss einer Party kommen können.

Für den FachvereinMoritz Schmid

Neues aus dem Fachverein

Auch dieses Jahr gibt es wieder einiges Neues vom Fachverein zu berichten:

Moritz Schmid

FACHVEREIN JUS

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53 Alumni

Zoltán Balog – Ungarns Roma – Problem oder Chance?Am 7. Juni hat die Alumni Organisation in Zusammenarbeit mit dem Ungarischen Minister für gesellschaftliche Fragen, Zoltán Balog, für ein Referat zum Thema: „Ungarns Roma – Problem oder Chance?“ an die Universität Zürich eingeladen.Das Referat schlug bereits im Vorfeld hohe Wellen. So berich-teten der Tagesanzeiger wie auch die NZZ im Vorfeld, zum Teil negativ, über die Veranstaltung (siehe unten). Einer der Kritikpunkte war, dass die Roma im Titel als Problem dargestellt wurden. So würde eine gesamte Bevölkerungsgruppe stig-matisiert. Ebenfalls wurde im Zuge des Referates die national konservative Regierung von Victor Orban kritisiert. Durch das Referat von Balog erhalte ein hochrangiges Regierungs-mitglied dieser Regierung eine öffentliche Plattform. Im Vorfeld der Veranstaltung organisierten einige Studierende vor der Universität eine kleine Demonstration gegen den Vortrag.

Zoltán Balog nahm zu Beginn der Veranstaltung kurz zu den Kritikpunkten Stellung. So könne es nicht sein, dass es nur aufgrund der Ablehnung einer Regierung nicht möglich sein soll, über ein bestimmtes Thema zu sprechen, was für sein Land eine grosse Bedeutung habe. Balog hielt auch fest, dass es nur möglich sei, an der Verbesserung einer Bevölkerungsgruppe zu arbeiten, wenn diese auch bei dem Namen genannt werden darf. In diesem Fall seien dies nun mal die Roma.Im Referat gab Balog einige durchaus interessante Erläuterungen zu den Projekten, die von der Regierung in Ungarn initiiert wurden, um die Situation der Roma zu verbessern.In Ungarn leben rund 700‘000 Roma. Dabei haben die meisten keine Schulausbildung und keine Arbeitsstelle. Gemäss Balog sind sie keine Steuerzahler, sondern Sozialhilfeempfänger. Gerade diese direkten Worte zum System sind es, was viele Kritiker Balogs auf den Plan ruft. Die Regierung Ungarns hat zur Verbesserung der Situation eine nationale Romastrategie verabschiedet. Dabei vermeidet Balog den Begriff „Integration“, denn die Bevölkerungsgruppe der Roma lebt bereits seit 500 Jahren in Ungarn. Sie seien also bereits ein Teil der Gesellschaft. Vielmehr gehe es darum, dass eine Chancengleichheit geschaffen werden könne.

Eine der Massnahmen, die unter Balog eingefügt wurde, ist ein Beschäftigungsprogramm im Rahmen dessen rund 300‘000 Sozialhilfeempfänger erstmals für einen geringen Lohn

Arbeiten ausführen. Seine Gegner kritisieren Balog oftmals dafür, dass dies zu einer faktischen Zwangsarbeit führt und die Löhne für die Menschen erniedrigend seien. Balog entgegnet, dass diese Menschen oftmals zum ersten Mal in ihrem Leben Steuern und Sozialabgaben bezahlen. Dies sei wichtig für diese Menschen, da sie sich so zum ersten Mal als Staatsbürger Ungarns sehen.

Auch setzt sich die Regierung Balogs dafür ein, dass in den Dörfern, in denen hauptsächlich Romafamilien leben, die Infrastruktur wie Strom und fliessend Wasser ausgebaut wird.Mit der Einladung Balogs für das Referat wurde ein Thema aufgegriffen, das für eine breite Menge an Adressaten interessant war. Die Tatsache, dass der Vortrag zum Teil auch kritische Stimmen zur Romastrategie Balogs hervorgerufen hat, zeigt, dass auch hierzulande zum Thema der Roma unterschiedliche Meinungen vertreten sind. Mit dem Referat hat der Alumni-Verein der RWF auch einen Beitrag zur Diskussion dieser verschiedenen Meinungen beigetragen.

Ius Alumni SeiteMoritz Schmid

An dieser Stelle möchten wir euch jeweils über Veranstaltungen der Alumni Organisation der Rechtswissen-schaftlichen Fakultät berichten.

Berichterstattungen

http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/Protest-gegen-

RomaVortrag-eines-ungarischen-Superministers/story/

23236217

http://www.nzz.ch/aktuell/international/uebersicht/es-

geht-um-ungarns-zukunft-1.18093749

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54 Thema

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55 Circolo Giovani Giuristi Zurigo

Ogni studente universitario, chi prima chi dopo, si pone nel corso dei suoi studi la seguente domanda: “Che cosa farò una volta conseguita la laurea?”L’incognita sul futuro professionale fa ovviamente parte anche dei pensieri degli studenti di diritto, ai quali si aprono infinite possibilità lavorative una volta terminati gli studi: basta saper decidere. Nonostante una vasta opportunità di scelta, la maggior parte dei neo laureati in diritto opta per un praticantato al fine di ottenere la patente d’avvocato.

Nell’immaginario collettivo la figura dell’avvocato è quella che risulta dai vari film, telefilm o romanzi. Un personaggio che si presta bene per qualsiasi genere di storia e per qualsiasi ruolo. Può essere un perfetto protagonista che racconta al suo pubblico di come vengono affrontati i differenti casi, le battaglie in tribunale o le fasi preparatorie di raccolta prove e testimonianze. Può inoltre svolgere un ruolo più marginale, di sostegno a un protagonista o a un antagonista in quanto spalla, consigliere o semplice difensore. In ogni caso è sempre un personaggio che fa discutere e dividere il pubblico per le svariate sfaccettature che la sua personalità può assumere. Si può porre l’accento sulla sua importante funzione all’interno della società quale garante dei diritti dei più deboli oppure darne una connotazione più negativa mettendone in mostra un basso profilo etico e morale, una persona senza scrupoli come l’Azzeccagarbugli del Manzoni.Probabilmente chi studia diritto ha una visione più completa e concreta di ciò che l’avvocatura comporta in termini di doveri e responsabilità. In questo senso la conferenza di lunedì 21 ottobre organizzata dal Circolo Giovani Giuristi in collabora-zione con lo studio legale Bär & Karrer – uno dei più prestigiosi studi legali in Svizzera – è stata sicuramente un’ottima occasione, in particolare per chi è all’inizio della propria formazione, per approfondire e capire al meglio ciò che ruota attorno a questa

entusiasmante professione. Durante la serata i partecipanti sono stati confrontati con l’analisi di due casi pratici. Attraverso la spiegazione da parte dei professionisti dello studio è stato possibile comprendere fino in fondo quale ruolo gioca un avvoca-to nelle varie fasi della risoluzione di un caso e come da una singola questione possano venire toccati differenti aspetti del diritto. Inoltre l’opportunità di discutere personalmente con i rappresentanti dello studio presenti all’evento ha permesso di chiarire anche semplici domande sulla vita quotidiana di un avvocato così come di comprendere il funzionamento e la struttura di un grosso studio legale svizzero e il grande vantaggio offerto dalla possibilità d’interazione tra le varie sedi distribuite sul territorio svizzero. La presenza di un grande numero di avvocati riuniti sotto lo stesso tetto dà quindi la possibilità ai singoli di specializzarsi e approfondire i settori del diritto che più gradiscono e permette un lavoro congiunto in team. Questi sono alcuni dei vantaggi che uno studio di grandi dimensioni può offrire, ma non vanno assolutamente dimenticati e sotto-valutati studi legali di dimensioni più contenute, in cui forse si è meno confrontati con casi di grande notorietà, ma si ha comunque l’opportunità di ottenere eccellenti soddisfazioni professionali e di mantenere un rapporto stretto e diretto con il cliente.

A ognuno la possibilità di scegliere quale delle possibili soluzioni più si addice alla sua persona. Per rispondere alla domanda iniziale, credo non sia opportuno preoccuparsi eccessivamente, perché in qualsiasi forma si affrontino questioni giuridiche vi è sempre lo stimolo di confrontarsi con nuovi problemi da risolvere e nuove sfide. Lavorare nel campo giuridico costituisce una preziosa occasione per trovare la propria dimensione e perché no, anche soddisfazione e felicità professionali.

Federico Pagani, Membro del Consiglio direttivo

L’avvocato nel nostro futuro?

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56 Kolumne

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57 Kolumne

Es ist eine Binsenwahrheit: Um Jusstudenten ranken sich zahlreiche Klischees. Wir sind immer angemessen gekleidet, tragen stets die Haare schön, verbringen sämtliche vorlesungsfreie Zeit in der Bibliothek, den meisten von uns fehlt gegenüber Nichtjuristen jegliche Sozialkompetenz und wir antworten auf Fragen regelmässig mit „Es kommt darauf an“. Bücher in der Bibliothek zu verstecken ist eine Selbstverständlichkeit, denn ohne magna-Abschluss ist man bei uns für immer verloren. Und Juristen-Gene werden dominant vererbt.

Was soll man da schon sagen? Es kommt halt darauf an!

Der Anteil an High Heel-Trägerinnen ist unter den Jusstuden-tinnen vielleicht grösser als unter den Medizinern. Das hängt wohl damit zusammen, dass die High Heels im RWI nur die anderen, im Labor aber vor allem die Trägerin nerven. Aber eigentlich ist schlechter Stil unter Jusstudenten genauso verbreitet wie anderswo, wenn auch weniger in der Jesus-Sandalen-mit-Socken-Ausprägung als in Form von blassrosa Polohemden und hellblauen Mokassins an Männern und Glitzer-Uhren an Frauen. Immerhin wird das RWI im Sommer nicht auf 18°C heruntergekühlt, sonst würden wohl bald alle im UZH-Hoodie dort drin sitzen (so gesehen in wärmeren Destinationen). Ein Graus.

Die fehlende Sozialkompetenz – nun ja. Manche sind nett und andere nicht, oder? Es muss jeder für sich selbst entscheiden, ob er seiner Oma zu Weihnachten lieber das SchKG erklärt (man muss(te) diese Zeit ja schliesslich irgendwie zum Lernen nutzen) oder wissen möchte, wie es ihr mit dem neuen Hörgerät so geht. Auch die Tante möchte vielleicht an Heiligabend nicht wissen, dass sie sich „selbstverständlich“ an Abmachungen halten muss, obwohl sie „aber gar nichts unterschrieben“ hat. In der Tat lässt sich insbesondere unter jüngeren Semestern ein gewisser Paternalismus gegenüber (kompletten) Laien feststellen – der verflüchtigt sich aber häufig schnell, wenn das Bewusstsein auftaucht, dass auch Nicht-Juristen nicht gern wie Deppen behandelt werden. Insofern, alles halb so wild.

Dass Bücher in der Bibliothek auf mysteriöse Weise „verloren“ gehen, scheint ein Fakt zu sein. Entweder tun es alle, aber niemand redet darüber, oder es handelt sich um eine kleine Gruppe teuflischer Studenten, welche unter sich bleiben. Dazu kann ich nur sagen: Idioten gibt es überall. Immerhin ist mir kein Fall bekannt, in welchem absichtlich falsche Notizen an Kommilitonen weitergegeben wurden, was an gewissen nicht-chaus vorkommen soll.

Zu guter Letzt: Es stimmt, dass manche von uns viel Zeit in der Bibliothek verbringen. Auf Youtube, Facebook, Whatsapp und wenn es ganz schlimm wird, im Schlummerland.

Zima

Über gut gekleidete Jusstudenten et al.

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58 Rätsel

Das fünfbuchstabige Lösungswort

ist ein beliebter Begegnungsort.

Unter dem homofonen Namen

sorgte ein Genfer vor einer Weile

für europaweite Schlagzeilen,

als Erziehungstheorie

und Moralphilosophie

aufgeklärte Gestalt annahmen.

Gabriel Kasper

Ein Jusstudentenklischee

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Einsendeschluss: 31. Mai 2014

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RAToon

Steven Rüttimann

Impressum

N’JusZeitschrift des Fachverein Jus Ausgabe Herbstsemester 2013

Herausgeber:Fachverein JusRedaktion N‘JusRämistrasse 74/668001 Zürich

[email protected]

Chefredaktion:Délia MaireNadine Wipf

Autoren:Elvira AgaevaArttu AhavaVanessa FabrisCarmen HoneggerMichelle KaltMarie-Christine KaptanGabriel KasparDélia MaireFabio MatticoliJulia MeierFederico PaganiSteven RüttimannMoritz SchmidAlessandro StanchieriSimone UrsprungNadine WipfMax Zickler

Lektoratsverantwortliche:Délia Maire

Lektorat:Carmen HoneggerAlexander StutzRicardo Wiehalm

Layout:Natascha Honegger

Cover:Nadine Wipf

Werbung:Vanessa [email protected]

Druck und Auflage: Seeprint2000 Exemplare

<[email protected]/RAToon>

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Dr. iur., lic. et mag. rer. pol. Tina Purtschert, Rechtsanwältin

Dr. iur. Eva Maissen

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