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Fachbereich Chemie Philipps-Universität Marburg NMR-Spektroskopie: Struktur und Dynamik organischer Moleküle September 2004 Prof. Armin Geyer

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Fachbereich Chemie

Philipps-Universität Marburg

NMR-Spektroskopie: Struktur und Dynamik organischer Moleküle

September 2004

Prof. Armin Geyer

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Geyer, NMR-Spektroskopie 1

NMR-Spektroskopie: Struktur und Dynamik organischer Moleküle Bücher Als modernes Lehrbuch begleitend zur Vorlesung empfiehlt sich: T. D. W. Claridge, High-resolution NMR techniques in Organic Chemistry, Pergamon Press 1999. Wenig moderne Methoden aber gute Molekülbeispiele finden sich in: H. Günther, NMR Spektroskopie (Thieme 1992). Viele Methoden, leider wenig erklärt: S. Berger, S. Braun, 200 and more NMR experiments, Wiley-VCH 2004. On-line: NMR-GUIDE der Firma Bruker: http://www.bruker.de/guide/ Inhalt In diesem Kurs geht es um die Charakterisierung organischer Molekülgerüste: Konnektivität, Substituenten, Chiralität, Dynamik, Molekulare Erkennung und Solvatation. Es werden „nur“ diskrete Moleküle im gelösten Zustand betrachtet. Abgrenzung zur Analytischen Chemie: Dort geht es um den Nachweis oder die Bestimmung der Konzentration bzw. der Verteilung organischer Moleküle in einer komplexen Matrix (Sensorik). Abgrenzung zur Physikalischen Chemie: Dort geht es um die Prinzipien der Wechselwirkung elektromagnetischer Strahlung mit Materie. Häufig verwendete Abkürzungen AC04 = Angewandte Chemie 2004 δ = chemische Verschiebung, ∆δ = Chemische Verschiebungsdifferenz zweier Signale I = Integral J = Spin-Spin-Kopplung, 2JC,H = 13C-1H-Kopplung über zwei Bindungen M = Multiplizität NOE = Nuclear Overhauser Effect ROE = Rotating frame Nuclear Overhauser Effect τc = Korrelationszeit

Geyer, NMR-Spektroskopie 2

NMR-spektroskopische Strukturaufklärung in der OC IR, Raman, UV, NMR-Spektroskopie, Kristallstrukturanalyse, etc..., zahlreiche Methoden stehen uns heute für die Strukturaufklärung unbekannter neuer Moleküle zur Verfügung. Eine „beste“ Methode gibt es nicht. Es kommt immer nur auf die Fragestellung an, die man (frau oder student) beantworten will. Die NMR-Spektroskopie unterscheidet sich ganz grundsätzlich von anderen Methoden. Im NMR-Spektrum kann jedem Resonanzsignal genau ein Atom zugeordnet werden (bzw. chemisch äquivalente Atome). Das ist ein enormer Vorteil bei der Aufklärung von CH-Gerüsten, da man die Resonanzlinien abzählen kann. In der IR- bzw. UV-Spektroskopie gibt es keinen vergleichbaren einfachen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Atome und der Anzahl der Linien im Spektrum. Bei sehr großen Molekülen beobachtet man jedoch sehr viele Linien im NMR-Spektrum und der Vorteil kehrt sich ins Gegenteil um. Zahlreiche Resonanzlinien sind überlagert und können nicht mehr separiert (aufgelöst) werden. Da kommt uns die zweite Besonderheit der NMR zu Hilfe, nämlich die Langlebigkeit der angeregten Zustände. Sie erlaubt uns die Beobachtung von Kernpaaren (zweidimensionale Spektroskopie). Ein solches Paar kann beispielsweise aus einem C und dem daran gebundenem H bestehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zufällig gleiche Frequenzpaare gibt, ist gering. Erst bei Proteinen muss man auf die dreidimensionale Spektroskopie erweitern, die "Frequenztrios" verknüpft. In dieser Tabelle nimmt nach unten die Qualität der Information von oben nach unten zu. Gleichzeitig spiegelt sie die historische Entwicklung des Molekülbegriffs wieder.

Strukturaufklärung NMR Parameter

Elementaranalyse Kernisotop Nur ½-Spin-Kerne: 1H, 13C, 31P, 15N, 19F

Summenformel Integral Jedes Atom erscheint genau einmal

Funktionelle Gruppen δ Ringstrom etc.

Konstitution J Atomverknüpfungen, Spinsysteme

Stereostruktur Karplus etc. Topizität

Konformation NOE Globales Minimum

Dynamik Relaxation von Picosekunden bis Echtzeitmessung

Wechselwirkung Titration Komplexierung

Funktion Molekulare Motoren Drehrichtung

Protein-NMR regelbare Mehrkomponentensysteme

Manchmal genügen einfache Methoden (1H-NMR) zur Analyse komplexer molekularer Systeme. Beispiele dafür sind molekulare Motoren (Shionoya ACIE04 3814, Nature 2003)

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Geyer, NMR-Spektroskopie 3

1. Informationsgehalt des NMR-Spektrums, Verknüpfungsmatrix

Möglichkeit 1: 1H-NMR als „Fingerabdruck“. Identifizierung des Moleküls durch

Vergleich mit Spektrenkatalog, Das funktioniert aber nur für bereits bekannte Moleküle.

Möglichkeit 2: Mit Zusatzinformationen (Masse, CHN-Analyse) zur eindeutigen

Strukturaufklärung, „Strukturbeweis“, d. h. zu diesem Spektrum kann nur eine Molekülstruktur passen und umgekehrt.

1.) Signallage

Chemische Verschiebung δ in ppm Jedes Atom erscheint genau einmal imSpektrum.....

2.) Relative Signalintensität (Integral)

CH : CH2 : CH3

1 : 2 : 3

... mit festgelegter Signalintensität...

3.) Multiplizität: J-Kopplung

2JH,H geminal

3JH,H vicinal

1JC,H heteronuclearC13

H

X C

HH

C

HH

... und informiert über die benachbarten Atome.

Geyer, NMR-Spektroskopie 4

Ein Spinsystem besteht aus einer Gruppe von Kernen, die miteinander Koppeln. Das gezeigte Dipeptid besteht aus drei Protonenspinsystemen

Probleme: - Spinsysteme höherer Ordnung JAB > ∆δAB

- Molekülsymmetrie gleiche / ungleiche Gruppen - Dynamische Prozesse zeitliche Mitteilung von NMR-Parametern

Rotation um Einfachbindungen chemischer Austausch etc.

chemische Äquivalenz magnetische Äquivalenz

Isochrone Kerne mit unter-

schiedlicher J-Kopplung zu

Nachbarkernen

isochrone Kerne mit gleicher

Spin-Spin-Wechselwirkung zu Nachbarkernen

F

FH

HAA'XX'

H

F

H

FA2X2

Zuordnungsstrategie

Ein einfaches Beispiel: Diisopropylether

δ [ppm] 3.6 1.1 Int. 1 6 M Septett Dublett Die moderne NMR gibt uns viele Möglichkeiten nicht nur Signale zu zählen, sondern Korrelationen (Verknüpfungen) zwischen Atomen aufzustellen.

O

NN

O CH3

OH

H

OH

O

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Geyer, NMR-Spektroskopie 5

Harte Information Weiche Information

Logisches Verknüpfungsmuster, Ja/Nein-Entscheidungen

- Intensität 1 : 6

- Multiplizität Septett → 6 gleiche Nachbarn

Empirische Zusammenhänge, Vergleich mit anderen Spektren

ca. 1 ppm → Alkyl im 1H-NMR

Je komplexer das Molekül, desto wichtiger wird die „harte“ Information. Empirische Daten sind fehleranfällig → Wenn 100 Resonanzsignale mit jeweils 99%iger Sicherheit zugeordnet werden, dann ist die Zuordnung mit 65%iger Wahrscheinlichkeit falsch. Wir wollen eine sichere Strategie der Signalzuordnung entwickeln. Diese muss auf möglichst wenig empirischer Korrelation und auf maximal viel harter Verknüpfungsinformation beruhen. Wir stellen Moleküle gewöhnlich durch über Bindungsstriche verknüpfte Atome dar. Man kann jedoch auch die Atomnummern in einer Kolonne (senkrecht) und daneben nochmal in einer Reihe (waagrecht) anordnen, um dann die Atombindungen in den jeweiligen Matrixelementen einzutragen. Genauso funktioniert die Datenbankrecherche über den Computer. Die aufgezeichnete Struktur wird in eine Verknüpfungsmatrix zerlegt und mit gespeicherten Matrizen verglichen. Eine Teilmatrix wird erstellt, wenn einige Substituenten nicht festgelegt sind. (Hier z. B. Rest R) Aufgabe: Aufstellen der Verknüpfungsmatrix der aller Protonen, die über zwei oder drei Bindungen voneinander getrennt sind. Es soll nur die Abfolge der H festgelegt werden. (X = Verknüpfung, leer = mehr als 3 Bindungen voneinander entfernt.)

2 3 4 5 6 6‘

6‘ X X

6 X X

5 X X X

4 X X

3 X X

2 X

Die Diagonalelemente verlaufen von rechts oben nach links unten, also gespiegelt zur Matrix, wie sie uns aus der Mathematik vertraut ist (l. o. nach r. u.) Toll wäre eine experimentelle Methode, die uns von einem unbekannten Molekül eine derartige Informationsmatrix liefert. Unbekanntes Molekül → Spektroskop. Experiment → Verknüpfungsmatrix

Gibt es dieses Messung? Ja!

O

ODDO

CO2RN3

1

234

5

6

Geyer, NMR-Spektroskopie 6

2. COSY Correlated Spectroscopy Die Projektion entspricht dem 1D-Spektrum. COSY-Spektren sind symmetrisch bezüglich der Diagonale. Diagonalsignale haben in beiden Dimensionen die gleiche chemische Verschiebung. Kreuzsignale haben unterschiedliche δ. Diese sind die Verknüpfungen auf denen die Zuordnung der Spinsysteme basiert. Technische Voraussetzung war die Entwicklung der Fouriertransform NMR „Puls-Spektroskopie“ (Nobelpreis R.R. Ernst, 1991) Schematische Darstellung: F1: Senkrechte sog. Indirekte Dimension F2: Aquisitionsdimension

schematische Darstellung

F2

F1

A

A

B

B

KABDAA

DBBKAB

COSY-Spektrum zum obigen Beispiel:

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Geyer, NMR-Spektroskopie 7

Strategie der Signalzuordnung am Beispiel von sec. ButanolDie häufigste Problemstellung sieht so aus. Man hat einen Strukturvorschlag und die Verknüpfungsmatrix der COSY-Messung. Gesucht sind die Diagonalelemente 1,2,3,4,5 Dabei ist nicht zu erwarten, dass die Numerierung der Struktur der Abfolge der Signale im Spektrum entspricht.

Diagonale

X 4

X 1

X 3 X

X 2 X X

OH

12

34

Strukturvorschlag

5

Experiment: 5 X

Vorgehensweise:

2-Butanol ist ein verzweigtes Spinsystem, die Verzeigung (H2) wird im COSY identifiziert. H2 hat drei Kopplungspartner, daher muss es eine Spalte (Reihe) der Matrix geben, die drei Kreuzsignle hat. Damit ist H2 eindeutig zugeordnet.

Zwei der drei Kreuzsignale verknüpfen H2 mit Endpunkten des Spinsystems (H1 und H5). Deren Unterscheidung gelingt über die Signalhöhen (Integrale) im 1H NMR.

Das dritte Kreuzsignal verknüpft H2 über H3 nach H4.

Geyer, NMR-Spektroskopie 8

Strategie der Signalzuordnung im COSY 1.) Bevorzugt beginnt man am Ende eines Spinsystems und folgt den Verknüpfungen

bis zur nächsten Verzeigung.

2.) 1 1 / 2 2 2 / 3 Diag Kreuz Diag Kreuz etc.

3.) Vorsicht bei kleinen JH,H –Kopplungs- konstanten. Diese zeigen nur sehr schwache Kreuzsignale im COSY

Vorsicht vor Artefakten (Geistersignalen) im 2D Spektrum. Diese sind in der Regel nicht symmetrisch zur Diagonale

Meist wird die sog. phasensensitive

Darstellung verwendet:Der Vorzeichenwechsel

in der Mitte des Kreuzsignals erlaubt die

präzise Bestimmung der Signallage.

Natürlich kann man das 1H-NMR von sec. Butanol oder der Zuckeraminosäure auch ohne COSY zuordnen. Unerlässlich wird das COSY aber, wenn im Molekül zweimal das selbe Spinsystem vorhanden ist. Die beiden Spinsysteme können eindeutig unterschieden werden. Beispiel: In MeOD sind alle XH-Protonen (X = O,N) gegen D ausgetauscht. Im 2D-Spektrum ist eine sichere Sequenzierung der beiden Spinsysteme möglich. Solche wiederkehrenden Spinsysteme finden sich oft bei Biopolymeren wie DNA, Zuckern, Peptiden.

O

DO

OD

N

CO2R

O

DO

OD

D

N3

O

z. B.

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Geyer, NMR-Spektroskopie 9 Geyer, NMR-Spektroskopie 10

Kann man aus dem Antiphasedublett die Kopplungskonstante ermitteln? Ja, wenn man die Linienverbreiterung berücksichtigt.

Im 1H-NMR führt die Addition der Teilsignale eines Multipletts dazu, dass man zu kleine Kopplungen abliest. Die J-Kopplung ist größer als der Abstand der Signalspitzen eines Multipletts (a). Im COSY führt die Addition von Signalteilen, die umgekehrte Vorzeichen haben zur teilweisen Signallöschung. Folglich werden zu große Kopplungen abgelesen (b). Je kleiner die Kopplung ist, desto größer ist der Effekt. Im 2D kann man wegen der geringen Anzahl von Datenpunkten kaum etwas gegen diesen Effekt machen (Ausnahme E.COSY-Spektren für Dreispinsysteme). Im 1H-NMR kann man durch Lorentz-zu-Gauss-Transformation der Signale exakte Werte selbst für kleine Kopplungskonstanten ermitteln.

Nur 3J-Kopplungen, die nicht durch Linienverbreiterung verfälscht sind, können in der Karplus-Beziehung zur Bestimmung von Torsionswinkeln verwendet werden.

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Geyer, NMR-Spektroskopie 11

Welche anderen Verknüpfungsmatrizen kann man messen?

3. C-H-Korrelationen

Waagrecht Protonen: Zuordnung bekannt aus COSY

5 2 3 1 4

4 X

1 X

3 X

2 X

OH

12

34

5

Senkrecht Kohlenstoffe:

5 x 4 unsymmetrische Matrix ohne Diagonale. Zweidimensionale Korrelation über die heteronukleare Einfachbindungskopplung: 1JCH.Auch das Fehlen einer Korrelation ist Information. Signal 5 im 1H-NMR muß XH sein (X C).

Es gibt prinzipielle Unterschiede zwischen homonuklearen und heteronuklearen Verknüpfungsmatrizen:

1H

1H 400 MHz

400 MHz

Diagonale

Homonuclear

nJH,H

13C

1H 400 MHz

100 MHz

keineDiagonale

Heteronuclear

nJC,H

Das HMQC enthält viele strukturell wichtige Informationen und ist daher für unbekannte Moleküle in der Regel das erste 2D-Spektrum, das man zur Hand nimmt. Als erstes wird zusammen mit den Integralen aus dem 1H-NMR bilanziert, ob alle CHn und XH (X = Heteroatom) da sind.

z.B.: Glucitolderivat

3 OH-Gruppen: Jeweils Integral 1H, kein Kreuzsignal im HMQC 4 CH- Gruppen: Jeweils Integral 1H, Kreuzsignal im HMQC 2 diastereotope CH2-Gruppen: Jeweils zweimal Integral 1H, zwei Kreuzsignale im HMQC zur selben 13C-Verschiebung3 CH3-Gruppen: Jeweils Integral 3H, Kreuzsignal im HMQC 1 tert.Butyl-Gruppe: Integral 9H, Kreuzsignal im HMQC Abwesend sind auch alle C, die keine H tragen (CO, Cq etc.)

N

OH

O

O

OH

OH

CH3

CH3

CH3

Boc1

2

3

4

65

Geyer, NMR-Spektroskopie 12

Auch gelingt über das HMQC die Identifizierung funktioneller Gruppen anhand ihrer charakteristischen Kohlenstoffverschiebungen, z. B. Zucker.

Acetal: CH ~ 100 ppm (13C) / 5 ppm (1H)sek. Alkohol: CH ~ 70 ppm (13C) / 4 ppm (1H)

klare Trennung keine eindeutige Unterscheidung im 1H-NMR

z.B.: Teilentschütztes Galactosederivat

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Geyer, NMR-Spektroskopie 13

Direkte CH-Korrelation Long-range CH-Korrelation

Messtechnik: HMQC Messtechnik: heteronuclear multi-bondcorrelation HMBC

H H

H H

13C13C

1H

1H

1JCH

COSY

13C13C

1H

1H

2,3JCH

H

C C

H

H

CO

C

H

!

Das HMBC erlangt seine Bedeutung bei der Verknüpfung von Spinsystemen!

z. B. Zucker: Man sieht die Kopplung über den glycosidischen Sauerstoff hinweg in das nächste Spinsystem hinein. Maximal über drei Bindungen.

OH

O

OO

H

OH

OH

OH

OHOH

OHH

OH O O HHOH

OH

HH OH

HOH

H

Spinsystem 1 Spinsystem 2

Bis zu 5 Kreuzsignale!

Geyer, NMR-Spektroskopie 14

Das HMBC liefert komplementäre Informationen zu den aus homonoklearen Spektren zugänglichen Strukturinformationen. Beispiel Galactose: Im DQF-COSY muss man entlang der Numerierung das Spinsystem aufklären. Im HMBC sieht man über den Ringsauerstoff hinweg.

z.B heterocyclische Ringe:

z.B Schutzgruppen:

z.B Peptide:

Jedes CO sieht die beiden NH zweier benachbarter Aminosäuren Sequenzierung von Proteinen / Peptiden

H1 H2 H3 H4 H5 H6,6'

C1Abkürzung im HMBC3JCH

DQF-COSYOHO

OH

OH

OHOH

Galactose

1

23

4

5

6

O

HH H

CH3O

H O

OH

O

CH3

CH3

H

ca. 72 ppm (13C) ca. 170 ppm (13C)Acetonid Cq beica. 100 ppm (13C)

N

H

N

O O

O

H3C

H CH3

H

H

Spinsystem 1 Spinsystem 2

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Geyer, NMR-Spektroskopie 15

Grundlage aller Kohlenstoffmessungen ist das zu einem Prozent vorhandene Isotop 13C (99% 12C haben keinen Kernspin, NMR-blind).

0,5%0,5%

99% H - 12C

Satelliten: H - 13C

1H-NMR:

H150 Hz

1JCH

13C-NMR:

Die 13C-Signale haben nur 1/64 der Signalintensität der 13-C-Satelliten im 1H-NMR !

C

150 Hz

1H-Breitband-entkopplung

Singulett !

1H-NMR: 1H-entkoppeltes 13C-NMR:

Im eindimensionalen 13C-NMR-Spektrum beobachtet man ein Multiplett mit der selben Kopplung, die die Satelliten im 1H-NMR zeigen. Dieses wird aber in der Regel durch die sog. Breitbandentkopplung (eine schnelle Abfolge von Radiofrequenzpulsen ) im 1H-Kanal zum Singulett entkoppelt.

Im HMQC macht man eine ganz ähnliche Entkopplung, wodurch das Dublett des H–13CSpinsystems (die beiden Satelliten) auf die Position der im HMQC nicht sichtbaren 12C-gebundenen Protonen zusammenfällt.

13C

1H

13C

1H

13C entkoppeltes HMQC

13C

1H

nicht entkoppeltes HMQC

erwartete Signal-form in Analogie zum COSY

13C-Entkopplung1H-Entkopplung

Geyer, NMR-Spektroskopie 16

Das heteronukleare 1H13C Spinsystem hat große Analogie zu dem Spinsystem zweier koppelnder Protonen (homonuklear).

Homonuklear:

C

J = 10 Hz

J = 150 Hz

Heteronuklear:

H

J = 150 Hz

H H

J = 10 Hz

Spin 1 Spin 2

Spin 1 Spin 2

Es gibt Fälle, in denen es Sinn macht, die 1JCH-Kopplungen zu messen. So besteht ein guter (empirischer) Zusammenhang zwischen der Größe der anomeren CH-Kopplung und der anomeren Konfiguration der Mannose. Dies ist die sicherste Methode der Konfigurationsanalyse bei Mannosiden!

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Geyer, NMR-Spektroskopie 17

Diese Entkopplung ist im HMBC nicht durchführbar Restsignale.

13C

1HDie Klammer kennzeichnet die1JCH-Korrelation im HMBC

Die Intensität des Kreuzsignals im HMBC ist von der Stärke der long-range-Kopplungabhängig ( 2-3JCH 1-10 Hz ).

HH

H

C

H

H

J groß, ~ 9 Hz

J klein, 1 - 3 Hz

J groß, 10 Hz

J klein, 1 - 3 HzBeispiele:

HMBC von Azulen

Geyer, NMR-Spektroskopie 18

Im Unterschied zu 1D-Spektren, wo schwache Signale langsam im Rauschen verschwinden, bzw. schwache Kopplungen graduell nicht mehr aufgelöst werden können, gibt es bei HMBC-Spektren einen "Schwellenwert" oberhalb dessen Signale "plötzlich" im Spektrum erscheinen. Das hängt mit der elektronischen Prozessierung dieses 2D-Spektrums zusammen.

Signal/Rauschen =S/Noise Je größer

S/N desto eindeutigere Signale

Im 1H-NMR:

N

gradueller Übergang

S ~ 1 Hz

Kopplungen im bereich von einem Hz werden zwar nicht mehr aufgelöst, sie können aber trotzdem zu einem Kruezsignal im DQF-COSY führen.

Im 2D-Spektrum führt die Kontourliniendarstellung zum plötzlichen Verschwinden schwacher Kreuzsignale.

Ja Nein

Der Grund dafür ist die elektronische Digitalisierung der Spektren. 13C-NMR: 216 (65536) Datenpunkte 1H-NMR: 214 (16384) Datenpunkte

2D: 210 oder 211 (2048) Datenpunkte in der direkten (waagrechten) Dimension

2D: 28 oder 29 (512) Datenpunkte in der indirekten (senkrechten) Dimension

2048 = TD

256 oder 512

schlechtere digitale Auflösung in der senkrechtenDimension: Mehrere Hz

Signale im 2D sind in Richtung der schlechteren digitalen Auflösung verzerrt.

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Geyer, NMR-Spektroskopie 19

Unterscheidung zweier tetrasubstituierter Benzole als Beispiele für "H-arme" C-Gerüste:

NH2

NO2

NO2

NH2

NO2O2N

von

Geyer, NMR-Spektroskopie 20

Die vier geschweiften Klammern kennzeichnen die Positionen im 2D-Spektrum, an denen man die direkte CH-Korrelation (HMQC) erwarten würde. Dort erscheint im HMBC das Doublett der 13C-Satelliten. Warum?

Das führt uns zu einer viel elementareren Frage:Warum sieht man überhaupt ein Kreuzsignal im 2D, wenn doch das Signal im 1H-NMRnur durch die an das Isotop 12C gebundene Proton zustande kommt?

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Geyer, NMR-Spektroskopie 21

4. Physikalische Grundlagen der Pulsspektroskopie

Dieses Kapitel behandelt das Zustandekommen des NMR-Signals sowie einige ausgewählte Messmethoden, die dem Verständnis der 2D-Techniken dienen. Am COSY wird das Prinzip der 2D-Spektroskopie eingeführt, die weiteren Mesmethoden (HMQC etc.) werden nicht im Detail behandelt. Soweit wie möglich wird dabei auf grafische Darstellungen zurückgegriffen (Vektormodell). Die sind zwar anschaulich aber völlig unzureichend, wenn es um das „Verstehen“ der Puls-NMR-Spektroskopie geht. Erst der im Rahmen dieser Vorlesung nicht behandelte Produktoperatorformalismus bringt einen weiter.

Kernspinquantenzahl: I = 0 Kein magnetisches Moment

I = ½ Magnetischer Dipol Modell: „Stabmagnet“

I > 1 Komplexe Kopplungsmuster

Typische NMR-Kerne mit I = ½ sind 1H, 13C, 31P, 15N, 19FIn einem äußeren statischen Magnetfeld B0 gibt es für zwei Einstellungen,

präzediert um B0.

Dazu denkt man sich ein Koordinatensystem mit B0-Feld entlang der z-Achse.

Z

X Y

Z

X Y

1. Ein Kern 2. viele Kerne

zwei Kegelmäntel

Überschuß-4

Z

X Y

3.

Bulk-Magnetisierungsvektor M0

"Bloch'sches Vektormodell"Dies ist die NMR-Probe im Gleichgewicht.

B0 antiparallel -Zustand

parallel -Zustand

E = B0"Larmor-

präzession"

Feld

Feldstärke des angelegtenMagnetfeldes B0 bestimmt

die Resonanzfrequenz

rad s

= gyromagnetisches Verhältnis

=2

E =

h

Larmorpräzession

2B0 Resonanz !

h

Geyer, NMR-Spektroskopie 22

Im td Gleichgewicht ist Überschussmagnetisierung im energieärmeren -Zustand.Wodurch aber kommt das NMR-Signal zustande? Dazu setzt man einen Radiofrequenz-Puls ein: Elektromagnetische Strahlung, die in der x,y Ebene polarisiert ist. Wir betrachten nur die magnetische Feldkomponente, die entlang der X-Achse polarisiert ist. Im Koordinatensystem blicken wir aus der z-Richtung auf die x,y-Ebene und zerlegen die lineare Polarisierung in zwei gegenläufige zirkular polarisierte Komponenten (gestrichelt):

X

Y

X

Y

+ -X

Y

+ -

Diese mit der Frequenz +/- 0 rotierenden Feldkomponenten wechselwirken mit der Gleichgewichts-Magnetisierung M0 der NMR-Probe (unten links), die daraufhin eine komplizierte Taumelbewegung vollführt. Nun das entscheidende Gedankenexperiment: Wir setzen uns gedanklich auf den rotierenden Vektor + 0. So erscheint uns das von ihm erzeugte Feld B1 statisch. Wir befinden uns im rotierenden Koordinatensystem X‘,Y‘

M0

Z

X Y

M0

Z

Y'X' B1

nicht resonant, ignorieren

Im rotierenden Koo.system spürt M0 das statische Feld B1 als Drehmoment (torque)

M0

Z

Y'X' B1

Je länger der Rf-Puls, desto weiter neigt sich M0

Z

Y'X'

90°Puls Einzelspins = gleichbesetzt

Phasenkoharenz Die Spins sammeln sich auf einer Seite des Kegelmantels.

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Geyer, NMR-Spektroskopie 23

Z

Y'X' -M0

180°Puls Überschuß im Zustand Inversion von M0

keine x,y-Magnetisierung

Der Pulswinkel wird meist über die Zeitdauer des angelegten Feldes charakterisiert. Typisch ist ein 90° Puls von ca. 10 Mikrosekunden. x,y-Magnetisierung bezeichnet man als Quermagnetisierung, nur diese führt zu einem Signal in der Empfängerspule. Die maximale "Störung" der Spins (d.h. 180°Puls) führt zu keinem messbaren Signal.

Dies ist hier für ein Singulett gezeigt. Gezeigt ist 16 mal das selbe 1H-NMR Spektrum in Abhängigkeit von der Pulslänge.

Als Relaxation bezeichnet man die Rückkehr ins Gleichgewicht:

Nach einem 90° Puls: T2-Relaxation. Verlust der Phasenkoharenz. „Auffächern der Spins“: Verlust an Ordnung / Entropie ( + T1-Relaxation, Überschuß Zustand)

Nach einem 180° Puls: T1-Relaxation. Energie wird an die Umgebung abgegeben und die Gleichgewichtsmagnetisierung stellt sich wieder ein;Insgesamt vollführt der Magnetisierungsvektoreine komplizierte Rotationsbewegung um die Achse des Magnetfeldes.

Geyer, NMR-Spektroskopie 24

Nur die Quermagnetisierung erzeugt ein Signal im Empfänger

z. B.: 90°X – Puls Konvention Von oben im Laborkoordinatensystem

Z

X' Y'MB1 YX

vonoben:

Daumen der rechten Hand: M0

Zeigefinger B1

Mittelfinger: M

T1 und T2-Relaxationist strahlungslos

Der rotierende Magnetisierungsvektor induziert einen Strom in der Messspule (Dynamoprinzip, Induktion)

Int.

Zeit

FouriertransformationFrequenzanalyse

Int.

Frequenz

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Geyer, NMR-Spektroskopie 25

Z

X YM

90°XM0

Detektion von y-Magnetisierung

cosinusModulation

B1

"positive Absorption"

Z

X Y

M

90°-XM0

- cosinus

B1

negative Absorption"Emmision" (ist es keine)

Z

X Y

90°YM0

Z

X Y

90°-Y

M0

- sinussinus

positive Dispersion(Anschaulich: 1. Ableitung, Steigung

mathematisch nicht korrekt)

pos./neg. 180° phasenversetzt cos zu -cos Abs./Disp. 90° phasenversetzt cos zu sin

Geyer, NMR-Spektroskopie 26

Warum so ausführlich?

Hier kommt erstmals die Signalphase ins Spiel, eine zusätzliche Information (bei anderen spektroskopischen Methoden gibt es nur Frequenz und Intensität):

Darstellung Puls-NMR

Zeitachse

90°X

FIDD1

MPuls Detektion Präparation

(vollständige Rückkehr ins Gleichgewicht)

Phasenzyklus zur Unterdrückung von Störsignalen

1H

el. Störsignal

subtrahiert!

"Selektion der gewünschten Magnetisierung"

Detektion

aus

y

Puls

1.) 90X

2.) 90-X

FT

+

Vorzeichen-umkehr imComputer= Detektion aus -y

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Geyer, NMR-Spektroskopie 27

Nochmals Relaxation: Zwei einfache Zweipulsexperimente.

Die Störung der Gleichgewichtsmagnetisierung = Veränderung des -Besetzungszustandes. Bei der Rückkehr ins td Gleichgewicht wird die Energie wird als Wärme durch Stoßrelaxation an die Umgebung abgegeben.

dMZ

dt =M0 - MZ

T1

Zeitkonstante des Zerfallserster Ordnung = R1

-1MZ = M0(1 . e -t/T1)

T1 : Sekunden! Keine spontane Emmission, da geringe Anregungsenergien. Elektronische Anregungen relaxieren auf der Picosekunden-Zeitskala.

schmale Linien Mehrpulsexperimente werden möglich Information über interne Dynamik, Wechselwirkung etc.

Wie kann man T1 messen? Inversion-Recovery-Experiment

Mehrpulsexperimente werden von links nach rechts gelesen. Im nachfolgenden Diagramm bedeutet das: Das Experiment beginnt mit einem 180°-Puls, gefolgt von einer kurzen Wartezeit, dann ein 90°-Puls und Detektion des FID.

180° 90°X

variableWartezeit

X Y

Z

X Y

Z

X Y

Z

X Y

Z

X Y

Z

X Y

Z

Detektion

Y

-Y!

neg.Absorption

-MZ

langes

kurzes

Geyer, NMR-Spektroskopie 28

In Abhängigkeit von der chemischen Umgebung hat jeder Kern seine eigene charakterisitsche Relaxationszeit. Hier gezeigt für das 1H-NMR von -Pinen in Sekunden

Die Bestimmung von T1 erfolgt anhand folgender Formel

MZ = M0( 1-2e - /T1 )

Da wir von der maximalen Störung -MZ ausgehen, ist die beobachtete Differenz 2 . MO

Quick: null = T1 ln2 bzw. T1 = 1.44 . null

Wartezeit, nach der einKern gerade durch Null geht!

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Geyer, NMR-Spektroskopie 29

Gilt für alle Kerne, 13C können sehr lange Relaxationszeiten haben.

Geyer, NMR-Spektroskopie 30

Chemische VerschiebungBisher kennen wir chemische Verschiebung nur als ppm-Differenz zu einer Eichsubstanz, wie z.B. TMS = SiMe4 . Für das Verständnis der Pulsspektroskopie müssen wir eine andere Betrachtungsweise wählen.

1000 Hz

X TMS

0

bisher:

X = X - TMS

0

. 106 = 2.5 ppm

Messfrequenz400 MHz

X

0 ist die Mitte des Spektrums. An dieser Position soll der Kern A resonant sein.

Puls-NMR:

Kern A

offset

"on-resonance""off-resonance"Z

X Y

M0

MX rotiert mit X

Nach dem 90°Puls während der Detektion

0 + Sendefrequenz

Referenzfrequenz 400 000 000 (Sendefrequenz)

10 s ein/ausPuls

400 001 000

2.5 ppmRadiofrequenz

1000 Hz detektiertesSignal (Audiobereich)

Subtraktion des Referenz-frequenz. Der Computer speichert Frequenz-differenzen

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Geyer, NMR-Spektroskopie 31

Nach dem 90°Puls liegen alle Magnetisierungen in y, während der Detektion rotiert Mxy

mit der Frequenz X – A (bzw. 0).

Dies ist die experimentelle Realisierung des Gedankenexperiments „Rotierendes Koordinatensystem“.

Ein 1H-NMR-Spektrum wird an einem 400 MHz Spektrometer mit einer Genauigkeit von +/- 1 Hz gemessen. Diese Genauigkeit erreicht man durch Differenzbildung derResonanzfrequenzen der Protonen mit einer Trägerfrequenz von 400 000 000 Hz. Ähnlich große Zahlen spielen bei der Abstandsmessung Erde Mond eine Rolle. Die 380 000 000 m können nicht exakt vermessen werden. Aber die Änderung des Abstandes kann mit Lasern und Spiegeln aber sehr exakt bestimmen (+/- 1m).

KopplungenWie für die chemische Verschiebung, die nur als Frequenzdifferenz betrachtet wird, so wird Kopplung bei der Pulsspektroskopie auch nur als Frequenzdifferenz der Einzelsignale behandelt.

Auch hier eine andere Betrachtungsweise. 0 : on-resonance in der Mitte des Multipletts.

+ J/2 - J/2Dublett

+ J - J

Triplett

Z

X Y

+ J/2

- J/2

Die Vektoren rotieren doppelt so schnell

Z

X Y

12J

NachZ

X Y

14J

Nach

= , MZ = Mque = 0 trotzdem kein Gleichgewicht „Antiphasenstruktur“zwei Vektoren 180° phasenversetzt

Diese Unterschiedliche Rotationsgeschwindigkeit ist Grundlage für editierte 13C Spektren wie INEPT, DEPT etc.Dazu später mehr...

Geyer, NMR-Spektroskopie 32

Ein weiteres Zweipulsexperiment : Spin-Echo

Umgekehrt zu Inversion Recovery zuerst 90°, dann 180°

Detektion

180°Y90°X

0. 1. 2. 3. 4.

= variabel

= fest

Was passiert? Z

X Y

M0

Z

X Y

Wartezeitin ms

Z

X Y

M

Z

X Y

180°Y

90°X

Spiegelt alles was senk-recht auf y-Achse stehtx zu -x bzw. umgekehrt

schneller

langsamer

A

B

0. 1.

2. 3.

4.

= Zustand 1Refokusierung der chem.Verschiebung (und Kopplung)

^

Z

X Y

A

B

schneller

langsamer

Bedeutung: 90 180 als Baustein fast aller komplexer Pulssequenzen

180°Y90°X

n

T2 Relaxationsmessung

n = 1

Z

X Y

n = 10

Z

X Y

kürzerer Vektor!

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Geyer, NMR-Spektroskopie 33

5. Zustandekommen des zweidimensionalen Spektrums

Allgemeines Flussdiagramm der 1D Spektroskopie

DetektionPräparation Puls(e)

Der in Klammern gesetzte Puls steht für die Anregung durch einen oder mehrere Pulse. Ein Beispiel für so ein Mehrpulsexperiment ist das Inversion-Recovery-Experiment.

Ein Gedankenexperiment: Was passiert, wenn man kurz wartet zwischen dem Puls und der Detektion des Signals?

= 0 s

2

1. Absorption

2. Dispersion

3. Emission

YX 1.)2.)

3.)

Der offset (chemische Verschiebung) bestimmt die Umlaufgeschwindigkeit jedes einzelnen Magnetisierungsvektors. Für Multipletts gilt: Je größer die Kopplung, desto unterschiedlicher die Umlaufgeschwindigkeiten der beiden Einzelvektoren. Der Effekt auf das 1D-Spektrum wäre fatal, da der Phasenfehler eines Signals umso größer wird, je weiter (in ppm bzw. Hz) dieses Signal von der zufällig gewählten Sendefrequenz entfernt ist.

Geyer, NMR-Spektroskopie 34

Allgemeines Flussdiagramm der 2D Spektroskopie

Detektion

t1 t2

Präparation Puls(e) EvolutionMagneti-sierungs-transfer

Es werden 256 oder 512 eindimensionale Spektren gemessen, bei denen zwei Pulse (resp. Pulsgruppen) jeweils durch eine kurze Wartezeit (t1) getrennt sind. Die Länge dieser Wartezeit wird von einem zum nächsten Spektrum systematisch verlängert (= inkrementiert). Abhängig vom offset und von den Spin-Spin-Kopplungen unterscheiden sich alle Signalphasen (siehe obiges Gedankenexperiment). Der Puls am Ende der t1-Zeit bewirkt eine Projektion aller Magnetisierungsvektoren auf die y-Achse (die x-Anteile der Vektoren werden in z / -z gedreht). Danach wird sofort detektiert (t2: Aquisitionszeit).Schreibt man alle 1D-Spektren hintereinander, so wird eine zweite Zeitdimension aufgespannt. Entlang dieser indirekten Dimension (inkrementierte Zeitdimension) zeigen die Signale eine Intensitätsänderung (siehe übernächste Abbildung). Die Fouriertransformation entlang der 1D-Spektren ergibt dann die zweite (indirekte) Dimension.

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Geyer, NMR-Spektroskopie 35 Geyer, NMR-Spektroskopie 36

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Geyer, Spektroskopie 7. Sem. 37

6. Datenaufnahme mit dem FT-Spektrometer: Digitalisierung

Anregung Detektion Auswertung RF-Pulse/Delays

Digitalisierung des FID im AD-Wandler

Fouriertransformation,Fensterfunktion, Apodisierung...

Der Analog-Digital-Converter speichert Spannungswerte in vorgegebenen Zeitschritten. So wird das Signal in zwei Dimensionen zerhackt: Intensitäts- und Zeitschritte

1.) Dynamischer Bereich des ADC (Wortlänge des ADC): Ein 16-bit-digtizer gibt an hat eine Intensitätsauflösung von 216-1Spannungsstufen. Ein Signal, das kleiner als 1 : 65536 ist, wird nicht mehr detektiert.

2.) Die Meßrate des ADC ist die Geschwindigkeit, mit der die Digitalisierung stattfindet , d. h. die Auflösung in der Zeitdomäne. Der Zeitintervall zwischen zwei Datenpunkten heißt dwell time (DW).

1. und 2. sind nicht unabhängig voneinander: Je größer die Intensitätsauflösung des ADC, desto länger braucht er zur Digitalisierung. Intensitäts- (= y-Achse) und Zeitschritte (x-Achse)

(Messrate)-1 = dwell time: DW Zeit zwischen zwei Messpunkten

DW bestimmt die höchste detektierbare Frequenz, d. h. linken und rechten Rand des Spektrums, d. h. Maximalwerte ppm = SW (engl.: sweep width)

Die Zeitschritte des Analog-Digital-Wandlers (ADC) bestimmen das Frequenzfenster (kein Gitter oder ähnliches).

Nyquist-Theorem: Um ein Signal der Frequenz F zu messen, müssen zwei Datenpunkte (mindestens) pro Wellenlänge aufgezeichnet werden. Daher der Faktor 2 in der Formel.

Beispiel:

Messrate = 1500 Hz = 1DW

Bei einer DW von 667 s ist 750 Hz ist die höchste detektierbare Frequenz Ein Signal mit der zu hohen Resonanzfrequenz von 800 Hz wird „gefaltet“.

ppm

750 Hz800 Hz 700 Hz

Geistersignal bei "falscher" gezieltes Falten in mehrdimensionalen Spektren

SW = 12 DW

Spektrale Weite

Geyer, Spektroskopie 7. Sem. 38

Im 1D-Spektrum gibt es dieses Problem nicht, da spektrale Filter die Frequenzen ausserhalb des gewünschten Messbereichs unterdrücken. Wichtig ist das „Falten“ aber in der indirekten Dimension von 2D CH-Korrelationen. Eine wichtige Methode, um Messzeit einzusparen, ohne dass dies auf Kosten der digitalen Auflösung (siehe unten) geht.

Abschätzung, welche Kopplungen noch aufgelöst werden können im Spektrum. Beispiel: An einem 500 MHz Spektrometer soll ein 1H-NMR über einen Bereich von 10 ppm gemessen werden. Damit ist DW festgelegt: 10 ppm 5000 Hz = SW

12 x 5000

DW = = 100 s

Anzahl der gespeicherten Datenpunkte : TD (time domain) 8k (8192 = 213)100 s 8192 = 0.8192 sec. = Messdauer AQ (Aquisitionszeit)

AQ-1 = 1.2 Hz digitale Auflösung pro 1.2 Hz ein Datenpunkt

FIDRG

AQ RG = receiver gain

Fazit: Die Elektronik bestimmt das Erscheinungsbild des Spektrums!

Unterschiedliche Messbedingungen an unterschiedlichen Spektrometern 1H-NMR am 250 MHz-Spektrometer10 ppm = 2500 Hz DW = 200 sTD = 8 K AQ = 1.64 s Digitale Auflösung = 0.6 Hz/Pt

1H-NMR am 600 MHz-Spektrometer10 ppm 6000 Hz DW = 83 sTD = 8 K AQ = 0.7 s Digitale Auflösung = 1.5 Hz/Pt

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Geyer, Spektroskopie 7. Sem. 39

Beispiele für Heterokerne:13C-NMR am 600 MHz-Spektrometer (13C = 150 MHz) 200 ppm = 30000 Hz DW = 16.5 sTD = 64 K AQ = 1.1 s

Digitale Auflösung = 0.5 Hz/Pt

Große SW und langsame Relaxation,

deshalb viele Datenpunkte registrieren

Zr-NMR am 600 MHz-Spektrometer(91Zr = spin 5/2) AQ = 10 ms, TD = 1024 DW = 10 sSF = 55.8 MHz SW = 50000 Hz = 990 ppm

Digitale Auflösung = 50 Hz/Pt

Extremes Beispiel (siehe unten): Der FID ist nach 5 ms vollständig relaxiert. Danach wird nur Rauschen registriert. Linienbreite > 100 Hz. Eine geeignete Fensterfunktion unterdrückt das Rauschen und macht das Signal sichtbar.

Bei großer spektraler Weite verschenkt man Auflösung und sammelt Rauschen.Deshalb: Anpassung der Spektralen Weite an die Probe

Geyer, NMR-Spektroskopie 40

7. Vom 13

C–NMR zur invers detektierten CH-Korrelation

Entkoppelt Ohne Entkopplung

1HBB

13C

FID

Frequenz Kanal 2400MHz

FrequenzKanal 1 100 MHz

H / C = 4/1

90°

1H

13C

90°

nichts

BB = Breitbandentkopplung 1JCH entfällt, Singuletts

als einzige Information

BB : schnelle Abfolge von 180°Pulsen

Andauernde Refokusierung der JCH-Kopplung

1JCH = 150Hz

2,3JCH < 10Hz

C H

C HH

CH

HH

C Singulett Triplett

Dublett Quartett

Vorteil: Einfaches Abzählen der Kohlenstoffe

Nachteil: Verlust der Information über die Anzahl der gebundenen Protonen

Nachteil 1: Die geringe Signalintensitätwird mindestens halbiert ( bzw. ¼)

Nachteil 2: Überlagerungen, da Multipletts über mehrere ppm verteilt sind.

3 x 150 Hz = 450 Hz = 4,5 ppm

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Geyer, NMR-Spektroskopie 41

Mehrpulsexperimente

1. J-moduliertes Spin-Echo Singuletts (d.h. 1H-entkoppelt) mit Editierung: CH,CH3 pos., CH2 neg.

2. INEPT Insensitive nuclei enhancementby polarisationstransfer

Multipletts (d.h. 1H-gekoppelt) aber Empfindlichkeitsgewinn durch Polarisationstransfer (PT)

3. DEPT Distortionless enhancement by polarisationstransfer

Kombination von Editierung und PTz.B. DEPT135: CH,CH3 pos., CH2 neg. Cq sind nicht sichtbar

Editierung basiert auf der immer gleichen C-H-Kopplungen von ca. 140 Hz

CH2

140HzDie beiden äußeren Mag.vektorenrotieren 140 mal pro Sek. um die Signalmitte

CH

140Hz

0

0

-70Hz+70Hz

Gleiche Kopplung, die beiden Mag.rotieren halb so schnell um die Signalmitte

Was passiert bei folgendem NMR-Experiment?

1HEntkopplung

13C

FID

90° 180° Nur während der 1. Hälfte istdie 1JCH-Kopplung wirksam!

Wir erkennen die Spin-Echo-Pulssequenz auf dem 13C-Kanal. Das bedeutet, dass ein ein normales 1H-breitbandentkoppeltes 13C-NMR zu erwarten ist: Ein Singulett für jeden Kohlenstoff. Aber die 1H-Entkopplung wird schon ab dem 180°-Puls eingeschaltet. Das hat zur Folge, dass die 1JCH-Kopplung nicht refokusiert wird, der Zustand wird ab dem Beginn der 1H-Entkopplung "eingefroren". Die 13C-Signale haben unterschiedliche Vorzeichen in Abhängigkeit von der Anzahl der Protonen, die daran gebunden sind. Das Spektrum ist editiert.

Geyer, NMR-Spektroskopie 42

Editierung basiert auf den unterschiedlichen Umlauffrequenzen der Einzelvektoren der Multipletts. Wir beobachten die unterschiedlichen Multipletts zu bestimmten Zeiten nach einem 90°-Puls:

C H

H

C H

C

C H

H

H

Z

X Y

90°

Z

X Y

Z

X Y

Z

X Y

pos. Signal

00 0 0

0

Z

X Y

90°

Z

X Y

Z

X Y

Z

X Y

neg. Signal0

Z

X Y

90°

1/4 J 1 /J3/4 J1/2 J

Z

X Y

Z

X Y

Z

X Y

pos. Signal0

90°

0

= CH !

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Geyer, NMR-Spektroskopie 43

Polarisationstransfer

C13H

starker schwacher "Magnet"

4 : 1

400 MHz 100MHz Resonanzfrequenz

H C gyromagnetisches Verhältnis "Stärke"

H

H

C

C

Energieniveau (ohne Kopplung) Spinzustände

Energieniveaus des Zweispinsystems (mit Kopplung : 4 Linien, 2 Dubletts)

150 Hz150 Hz

1H 13C

Zweispinsystem : Vier Linien, d. h. vier Übergänge zwischen vier Energieniveaus

ESignal im 1H

Signal im 13C

H C

H C

H C

H C

c + J/2

c - J/2

H + J/2

H - J/2

Signal im 1H

Signal im 13C

Geyer, NMR-Spektroskopie 44

Das niedrigste Energieniveau ist im Gleichgewicht am höchsten populiert und umgekehrt. Wir betrachten hier nur die Differenz der Spinzustände. Dazu definieren wir: N H – N H = 2 H. Analog gilt für Kohlenstoff: N C – N C = 2 C

EH C

H C

H C

H C

- H+ C

+ H+ C

Differenz,Besetzungs-überschuß

+ H- C

- H- C

+2 H

+2 H

+2 C

+2 C

Im Gleichgewicht gilt:

EkT

~ expN H

N H

Boltzmann: Verhältnis!

Wir wissen, daß ein 180°-Puls die Besetzung von und -Zustand austauscht. Wenn es nun gelingt nur einen der beiden Protonenübergänge zu invertieren, dann hätten wir folgende Situation:

E

H+ C

- H+ C

+ H- C

- H- C

-2 H

+2 H+2 C

4 + 1 = 5

-2 H+2 C

-4 + 1 = -3

+2 H

Mit einem selektiven 180°Puls auf eines der Protonensignale kann dieser Zustand experimentell erzeugt werden. Beobachtet wird ein enormer Intensitätsgewinn im 13C-NMR, das ist der sog. Polarisationstransfer.

+4 +4

+1 +12 H 2 H

2 C 2 C4 = 2 H

1 = 2 C

Integral

+4

-4

+5

-3

180°Puls

+2 H+2 H+2 C

-2 H-2 H+2 C

Der selektive 180°Pulsauf eines derProtonensignaleerhöht die Intensität derEinzelsignale im 13C NMR

-3+5 = 2 ! Die Gesamt-intensität bleibt erhalten

Besetzungsunterschied s.o.

13C NMR1H NMR

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Geyer, NMR-Spektroskopie 45

Natürlich ist es nicht praktikabel alle 1H-Satelliten einzeln zu invertieren, um dann ein 13C zu messen. Die INEPT-Pulsfolge (INEPT = insensitive nuclei enhancement by polarization transfer) bewirkt den Polarisationstransfer mit unselektiven Pulsen. Die Wartezeit zwischen den Pulsen beträgt (4J)-1. Mit dem Vektormodell ist das INEPT nicht mehr zu verstehen. Nur mit dem im Rahmen dieser Vorlesung nicht behandelten Produktoperatorformalismus kann das INEPT verstehen.

1H

13CFID

90x180 x

90y180 x90x+- +5

-3

-5

+3

Summe -8 +8

1. Durchgang +90y

2. Durchgang -90y

Am sinnvollsten ist natürlich die NMR-Messung, welche die Editierung und den Polarisationstransfer miteinander vereint. Das ist das sog. DEPT-Spektrum. (DEPT =

distorsionless enhancement by polarization transfer)

DEPT-Spektrum

In der Pulsfolge symbolisieren dünne Striche 90° Pulse und dicke Striche 180° Pulse. ist ein variabler Puls, der das Signalvorzeichen bei der Editierung bestimmt.

1

2J

1

2J

1

2J

1H

13CFID

Entkopplung

Geyer, NMR-Spektroskopie 46

DEPT-45 DEPT-90 DEPT-135

CH + + +

CH2 + 0 -

CH3 + 0 +

Beispiel

O

OH

O

OH

OH

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Geyer, NMR-Spektroskopie 47 Geyer, NMR-Spektroskopie 48

8. Dynamische NMR-Spektroskopie

Bisher haben wir uns mit kovalenten Verknüpfungen beschäftigt und Spinsysteme zugeordnet. Skalare Kopplungen standen im Mittelpunkt. Allgemein: nJX,H. Dies ist das "Pflichtprogramm" zur Charakterisierung eines neuen Moleküls. Die "Kür" ist die experimentelle Charakterisierung der Konformation und internen Dynamik organischer Moleküle. Das reicht von einfachen Platzwechseln bei der Rotation um Einfach- und partielle Doppelbindungen bis hin zur Beschreibung intermolekulare Wechselwirkungen wie der Solvatation oder der Komplexierung organischer Moleküle. Genau darin liegt die eigentliche Stärke der NMR-Spektroskopie.

Dynamische Prozesse: Mittelung von NMR-Daten

Wann sind Atome (Atomgruppen) gleich?

Beispiel DMF. Wird die Rotation um die C-N-Bindung "eingefroren", dann erwarten wir zwei Methylsignale. Ein schneller Platzwechsel mittelt die beiden Signale zu einem. Entscheidend ist die Zeitauflösung der NMR-Messung. Diese wird durch die chemische Verschiebungsdifferenz (in Hz, eine Rate) der Signale im langsamen Austausch bestimmt. Der andere wichtige Parameter ist die Barriere der Umwandlung:

G .

Ein weiteres „klassisches“ Beispiel

Sind 11 Ringpositionen deuteriert, so liegen beide Konformere im Verhältnis 1: 1 vor: G0 = 0

Die Koaleszenztemperatur ist die Temperatur, bei der die Signale zusammenfallen. Hier –60°C (bei 60 MHz).

Die Signalseparation ( ) bei tiefer Temperatur (langsamer Austausch) = 29 Hz.

Mit der Formel kC = 2.22 berechnet man die Rate der Ringinversion mit 64 s-1

( = die Rate des Platzwechsels Hax / Heq)

O

H NMe

Me

O

H NMe

Me

E

H

Hax

eq

d11 - Cyclohexan

50 % : 50 %

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Geyer, NMR-Spektroskopie 49

Wieviele Signale zeigt dieses Molekül im 13C-NMR ?

CH3

CH3ax

eqCH3

CH3 ax

eq1

2

34

5

6

12

3

4 5

6

starres BildSpiegelebene 2 = 6 bzw. 5 = 3

- 60°

1 6,3 5,2 4 CH3eq CH3ax

dynamisches BildSpiegelebene 2 = 3 = 5 = 6 bzw. 4 = 1 ax = eq

+ 30°

2 x CH32,35,6

14

identisch

Auch das Brechen und die Bildung kovalenter Bindungen können sich auf der NMR-Zeitskala abspielen. Z.B. [3,3] sigmatropen Cope-Umlagerungen von Bullvalen

Nur im Grenzfall des langsamen Austauschs wird das gewohnte Spektrum beobachtet. Es gibt viele dynamische Prozesse, die NMR-spektroskopisch analysiert werden können. Wir unterscheiden folgende grundlegende Mechanismen

Geyer, NMR-Spektroskopie 50

1. Konformationeller Austausch, Rotamere um Einfach- bzw. partielle Doppelbindungen z.B. DMF

2. Chemischer Austausch, Bindungsbruch/Bindungsbildung, eine chemische Reaktion z.B. Säure/Base-Gleichgewichte

3. Komplexierung Host/Guest, Ligand/Rezeptor

Anhand der Geschwindigkeit des Austauschprozesses (Rate bzw. Halbwertszeit) wählt man den geeigneten spektralen Parameter: Chemische Verschiebung, Kopplung etc. haben ihr eigenes Zeitfenster (NMR-Zeitskala).

Mittlere Lebenszeit eines Zustandes = (Rate der Umwandlung)-1

Para-meter

Langsamer Austausch

Mittel:Koaleszenz

Schneller Austausch

Typische Werte im 1H-NMR

mittlereLebenszeit

>> 1/ A- B 1/ A- B << 1/ A- B 100 Hz 0.01 s J >> 1/JA-JB 1/JA-JB << 1/JA-JB J 10 Hz 0.1 s

Schnellere Prozesse sind über die Messung von Relaxationszeiten zugänglich, da Austauschprozesse zur Relaxation beitragen. Damit ist mit der NMR-Spektroskopie ein enormes Zeitfenster beobachtbar. 10 s < Echtzeitmessungen10 ms < < 10 s 2D-Austauschspektroskopie100 s < < 1s Linienformanalyse, Austauschverbreiterung 1 s < < 10 ms T2 - und T1 - Relaxationszeiten (rotating frame)30 ps < < 1 s T1 – Relaxationszeiten < 100 ps Alle NMR-Parameter gemittelt

Beispiel: Keto-Enoltautomerie

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Geyer, NMR-Spektroskopie 51 Geyer, NMR-Spektroskopie 52

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Geyer, NMR-Spektroskopie 53 Geyer, NMR-Spektroskopie 54

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Geyer, NMR-Spektroskopie 55

Diastereotopie

homotop enantiotop diastereotop

Der (gedachte) Austausch von einem der beiden H gegen D führtbei homotopen Protonenpaare zu identischen Molekülen Protonen sind äquivalent und nicht unterscheidbar im Spektrum bei enantiotopen Protonen zu Enantiomeren Protonen besitzen spiegelbildlich äquvalente Umgebung und sind, nicht unterscheidbar im Spektrum

bei diastereotopen Protonen zu Diastereomeren. Protonen sind einem chiralen oder Prochiralen Zentrum benachbart und liefern je ein Signal im Spektrum; Ausnahme: Zufällige Isochronie

Schnelle Rotation macht diastereotope Protonenpaare nicht äquivalent, HA und HB

haben im zeitlichen Mittel immer eine unterschiedliche chemische Umgebung.

Anmerkung: Auch achirale Verbindungen können diastereotope Methylengruppen haben. Leider sind daraus keine Rotamere bestimmbar.

Beispiele:

OCH2CH

3CH

3

H OCH2CH

3H H

H H

OH

CO2H

HO2C

CO2H

C

XX

HH

C2-Achse

C

YX

HH

Spiegelebene

C

Y

X C

R

H H

z

YX

z

HH

R

YX

z

HR

H

YX

z

RH

H

A B A

B A

B

Geyer, NMR-Spektroskopie 56

4. Rotation um Einfachbindungen

Den Zusammenhang zwischen 3J-Kopplung und Torsionswinkel beschreibt die Karplus-Conroy-Beziehung

3J = A cos

2 + B cos + C

Torsion [°]

Kopplung[Hz]

0 60 120 180 240 300 3600

H

HH

transGroße Kopplung

Kleine Kopplung

10

2

6

4

12

8

HH

cisanti-periplanar syn-periplanar

180° 0°/360°

HH

gauche +synklinal

60°

HH

gauche -synklinal

-60°

Fall 1 AX-Spinsystem, eine Konformation Doppelbindung, cis + trans-Dekalin Bestimmung relativer Konfiguration in Ringsystemen

Fall 2 AX-Spinsystem, Rotation Im Journal of Organic Chemistry (Janda et al. 1998) wurden das syn- und das anti-Isomer der beiden abgebildeten diastereomeren Bis-Aminosäuren über das jeweilige Multiplett des H-3 im 1H-NMR unterschieden. Unter der Abbildung war (übersetzt) folgender Satz zu lesen: Abb.1H-NMR (250 MHz) in D2O des 3-H des syn-Isomers 1a unddes anti-Isomers 1b.BeimSetzen der Pfeile ist den Autoren ein Fehler unterlaufen. Welche J-Kopplungen führen zu den gezeigten Multipletts? Analysieren Sie die Multiplettstruktur. Zeichnen Sie die Newman-Projektionen der Rotamere von 1a und 1b, die zu den gemessenen Kopplungen von 3.5 Hz für 1abzw. 7.0 Hz für 1b führen.

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Geyer, NMR-Spektroskopie 57

Fall 3 AMX-Spinsystem, eine Konformation Htieffeld , Hhochfeld HproS, HproR

Dreispinsysteme im 1H-NMR HA und HB sind ein diastereotopes Protonenpaar und zeigen unterschiedliche chemische Verschiebungen im 1H-NMR. Diese Diastereotopie ist die Grundlage für die Bestimmung der Rotamerenverteilung um die zentrale Einfachbindung (Newman-Scheibe). Die Unterscheidung von drei Rotameren er fordert die Messung von mindestens zwei vicinalen (3J) Kopplungen.Bilden Protonen das Dreispinsystem, so können diese Kopplungen direkt aus dem 1H-NMR Spektrum abgelesen werden und sind über die Karplus-Conroy-Beziehung mit dem Torsionswinkel korreliert.

1H-NMR Spektrum für ein isoliertes Dreispinsystem. Bei deutlich separierten Resonanzsignalen für HA und HB spricht man auch von einem AMX-Spinsystem.

Jeder Kern zeigt eine Dublettaufspaltung durch die Kopplung mit jedem der beiden Nachbarkerne. Daraus resultieren jeweils vier Einzelsignale: ein Doppeldublett (dd).

3JAX3

JMX

3JAX

2JAM

2JAM3

JMX

X AM

C

H

C

H HA

X

M

3JMX

2JAM

3JAX

M X

A

3JMX

2JAM3JAX

C

H

C

H H

gauche trans

Geyer, NMR-Spektroskopie 58

Bestimmen Sie die Rotamerenverteilung in den folgenden vier Beispielen (Annahmen: Nur gestaffelte Rotamere spielen eine Rolle, 3Jgauche = 2 Hz, 3Jtrans = 11 Hz).

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Geyer, NMR-Spektroskopie 59

Diastereotope CH2-Gruppen in Glycosiden 1. Die CH2-Gruppe ist in einem Ringsystem fixiert.Benzylidenglucose in C6D6 : Diastereotope Zuordnung aufgrund stark unterschiedlicher Kopplungen. � (6H tieff.) = 4.1 ppm, 3J5H-6Htieff. = 5 Hz� (6H hochf.) = 3.5 ppm, 3J5H-6Hhochf. = 11 Hz 6Htieff.

= 6HproR , 6Hhochf. = 6HproS

Benzylidengalactose in CDCl3 : Diastereotope Zuordnung mit NOEs.� (6H tieff.) = 4.2 ppm, 3J5H-6Htieff. = 1 Hz� (6H hochf.) = 4.0 ppm, 3J5H-6Hhochf. = 1.7 Hz NOE: 6Hhochf. H (Benzyliden) 6Htieff. = 6HproS , 6Hhochf. = 6HproR

Neuraminsäure : Diastereotope Zuordnung mit 3JC-H Kopplungen.� (3H tieff.) = 2.8 ppm, 3J4H-3Htieff. = 4.4 Hz� (3H hochf.) = 1.7 ppm, 3J4H-3Hhochf. = 10 Hz3J1C-3Hhochf. = 7 Hz 3Htieff. = 6HproS , 6Hhochf. = 6HproR

Fall 4 AMX-Spinsystem, Rotation 2. Die CH2-Gruppe ist nicht in einem Ringsystem fixiert: Es bildet sich ein Rotamerengleichgewicht aus und die experimentellen Kopplungen sind zeitliche Mittelwerte. Die stereospezifische Zuordnung der Methylenprotonen ist Grundlage der Bestimmung des Rotamerenverhaeltnisses um die C-C-Bindung.

Quantifizierung von Rotamerengleichgewichten um Einfachbindungen Die Abschätzung der Rotamerenverteilung basiert auf folgenden zwei vereinfachenden Annahmen:

1. Es treten nur die drei gestaffelten (staggered) Rotamere auf pgg + pgt + ptg = 1 (= 100%) wobei p = Population des Rotamers.

2. Mittelwerte für die maximale bzw. minimale Kopplung 3Jtrans = 11 Hz, 3Jgauche = 2 Hz

Die experimentell bestimmten Kopplungen 3J5H-6HproS und 3J5H-6HproR sind die gewichteten Mittelwerte der Rotamerenverteilung: 3J5H-6HproS = (pgg + pgt) 2 Hz + ptg 11 Hz

O

O

O

OO

O

HH

O

OC

H

(gg)

OH

H

OC

H

(gt)

HO

H

OC

H

(tg)

123

4 5

6

6proS6proR

5 5 5

6

4 5

66

44 5 5

6proS

6proR 6proS

6proR

g g g t t g

O

O

O

OO

O

O

O

O

OO

O

Glucose

Geyer, NMR-Spektroskopie 60

3J5H-6HproR = (pgg + ptg) 2 Hz + pgt 11 Hz

Darus ergeben sich folgende Gleichungen:

pgt = (3J5H-6HproS3Jgauche) / (

3Jtrans3Jgauche) = (3J5H-6HproS 2) / 9

ptg = (3J5H-6HproR 2) / 9 pgg = 1 ptg ptg

Die experimentell bestimmenten Kopplungen eines Alkyl- -glucosids:3J5H-6HproR = 5.7 Hz und 3J5H-6HproS = 1.9 Hz

Daraus folgt folgende Rotamerenverteilung (± 10%): pgt = 40%, ptg = 0% und pgg = 60%

In Oligosacchariden oder im Festkörper können andere Konformere bevorzugt sein. In Ramie-Cellulose populiert Glucose das gt-Rotamer.

Auch die Orientierung der Sauerstoffsubstituenten beeinflusst das Rotamerengleichgewicht. Beispiel Galactose

O

O

O

OO

O

O

O

O

OO

O

O

O

O

OO

O

60% 40% 0%

O

O

O

O

OO

O

O

O

O

OO

O

O

O

O

O

O

10% 65% 25%

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Geyer, NMR-Spektroskopie 61

Dynamik organischer Moleküle Morphin Leucin-Enkephalin

starr bindet mit hoher Selektivität an einen Rezeptor (Schlüssel-Schloß-Erkennung)

flexibel bindet mit unterschiedlicher Selektivität an verschiedene Rezeptoren (induced fit)

HA, HB sind Teil des Ringsystems

ein Rotamer

drehbare Einfachbindungen

drei Rotamere für die Tyrosinseitenkette

NMe

H

O

OH

OH H3N

OH

NH

NH

NH

NH

CO2

O

O

O

O

+ _+

drehbare

Einfachbindungen

HOC

NH3

HH

Ph

(I)

HOC

NH3

H

H

Ph

(II)

HOC

NH3

H

H

Ph

(III)

A B A

B A

B

(I)

B

NHMe

H

HH

Ph

+ + +

+

A

Geyer, NMR-Spektroskopie 62

10. NOE-Spektroskopie: Nuclear Overhauser Enhancement

Paarwechselwirkungen in Kernspinsystemen

Skalare Spin-Spin-Wechselwirkung: J-Kopplung, skalare Kopplung

Wird über Bindungselektronen vermittelt

Multiplettaufspaltung im 1D-Spektrum

Magnetische Dipol-Dipol-Wechselwirkung: Dipolare Kopplung

Direkte Wechselwirkung durch den Raum

Relaxationsprozesse Linienverbreiterung

N C

RH

H

t

I

k

C C

R

N

O

HH

t

m

n

Der Mischprozess kommt durch Pulse zustande.

Der Mischprozess ist ein Zeitraum freier Präzession (Relaxation), dabei ist die dipolare Kopplung wirksam.

Dipolare Relaxation Spin Nr. 1 erzeugt ein zusätzliches magnetisches Feld am Ort des Spins Nr. 2. Dieses Feld ist orientierungsabhängig:

BD ~ 1)(3cosr 2-3

12Wobei : r12 = Abstand der beiden Spins

= Winkel zwischen Abstandvektor und B0

Zwei Spins verhalten sich wie zwei Stabmagneten und beeinflussen sich gegenseitig. B0

= 90°BD = -1

B0

~ 45°BD = 0

B0

= 0°BD = 2

Durch die isotrope Molekülbewegung wird ein magnetisches Wechselfeld erzeugt.

Jede Abweichung eines Ensembles von Spins vom Boltzmanngleichgewicht führt auch für einen räumlich benachbarten Spin zur Abweichung vom Gleichgewicht. Dies ist der Nuclear-Overhauser-Enhancement (NOE).

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Geyer, NMR-Spektroskopie 63

Als Messtechnik wird das 2D-NOESY eingesetzt

Hi Hj

HA HB

dij < 4A

Pulssequenz

Kreuzsignale, wenn der Abstand zwischen zweiProtonen kleiner 400 pm ist.

90°

t1 tmix t2

90° 90°

Das 2D-NOESY überführt den Relaxationsprozess in eine Kreuzsignalintensität Kurzer Abstand intensives Kreuzsignal Langer Abstand schwaches Kreuzsignal Die NOE-Intensität nimmt mit der sechsten Potenz des Abstandes ab.

Anwendungen:1. Verknüpfung von Spinsystemen, qualitativ2. Quantitative Bestimmung der mittleren Abstände zwischen zwei Protonen. GrauerBalken: Ein großer Messfehler der NOE-Intensität ist bei kurzen H-H-Abständen (200 pm) von geringer Bedeutung. Große Abstände (> 350 pm) hingegen können nicht präzise bestimmt werden. Bei konformationellen Gleichgewichten, die schnell sind auf der chemischen Verschiebungsskala, werden kurze Abstände überproportional gewichtet. Gemittelte Daten können auch zu völlig falschen Ergebnissen führen. Die NOE-Mittelung von 200 und 400 pm liefert 240 pm. Dieser Abstand wird von dem Protonenpaar nicht eingenommen.

Geyer, NMR-Spektroskopie 64

Ausschnitt aus einer Peptidkette. Die Pfeile symbolisieren NOE-Kreuzsignale

N C C N C C

OR

H

H

O

H

RH i

i+1

NHi H NHi+1 Hi i+1

Jedes NH sieht zwei benachbarte Hund umgekehrt.

Das abgebildete cyclische Peptid hat die Sequenz cyclo(Arg-Gly-Asp-Phe-Val-Gly-).

Nachteil NOESY: Vorzeichenwechsel der Signalintensität in Abhängigkeit von der Molekülgröße. „Nulldurchgang“ für Moleküle mit MW 500.

C

H

C

H

C

HA B C

kleineMoleküle

großeMoleküle

Diagonalsignal Kreuzsignal

neg. Kreuzsig.= pos. NOE

pos. Kreuzsig.= neg. NOE

A

B

Cz.B.:

N

CO

N

NH

H

O

H

O

HN

N

OC

N

O

H

O

H

NH

NH3NH

CO2

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Geyer, NMR-Spektroskopie 65

C = Mittlere Zeit für die Rotation eines Moleküls um 1 rad ( 60°) um eine Raumachse.

Die Korrelationszeit C des Moleküls bestimmt das Vorzeichen im NOESY

C wird beeinflusst durch Temperatur, Viskosität des Lösungsmittels etc.

Die relativen NOE-Intensitäten ändern sich dabei nicht, nur die absolute Intensität geht gegen Null. Für „kleine“ organische Moleküle (MW < 1000) ist es besser 2D ROESY (rotating-frame NOE) zu messen.

NegativeKreuzsignaleunabhängigvon der Molekülgröße

Diagonalsignal Kreuzsignal

kleine und große Moleküle

Der Trick dabei: Während der Mischzeit wird eine kHz-Rf eingestrahlt. Das tumbling auf der ns-Zeitskala ist um Größenordnungen schneller als der Kehrwert der Frequenz (ms-Zeitskala).

0,01 0,1 1 10 100

-0,25

0,0

0,25

0,5

ROE

NOE

c

KreuzsignalDiagonalsignal

Geyer, NMR-Spektroskopie 66

Bestimmen Sie die anomere Konfiguration des gezeigten Deoxyribosederivats (600 MHz, DMSO-d6 = 2.5 ppm). Als -konfiguriert wird jenes Stereoisomer bezeichnet, welches den Chinolin-Ring in der Zeichnung nach „oben“ orientiert (umgekehrt für die -Konfiguration). Die Ringprotonen sind in dem rotating-frame NOESY (ROESY) mit 1 bis 5 durchnumeriert. Der fünfgliedrige Ring kann im Zeitmittel als planar angesehen werden, sodass kurze Abstände nur zwischen Protonen erwartet werden, die auf der gleichen Ringseite sitzen. Treffen Sie eine diastereotope Zuordnung (proR/proS)für die Methylengruppe im fünfgliedrigen Ring.

O

OH

OHN

O

OH

OH

N

12

43

5

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Geyer, NMR-Spektroskopie 67 Geyer, NMR-Spektroskopie 68

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Geyer, NMR-Spektroskopie 69

Quantifizierung von NOEs in NOESY-Spektren Das 2D-NOESY liefert eine Matrix aller beobachtbaren NOEs. Auch die komplementäre Information über abwesende NOEs, d.h. solche Protonen, die mehr 4 Angström voneinander entfernt sind, ist eine wichtige Strukturinformation. Zur Aufklärung der relativen Stereochemie bzw. der Konformation sollte man so viele NOEs wie möglich messen. Auf einen einzigen NOE darf man sich nur im Ausnahmefall verlassen. Daher machen alle eindimensionalen Versionen des NOESYs keinen Sinn.Dass im Rahmen dieser Vorlesung Molekülbeispiele gezeigt werden, in denen es auf einen entscheidenden NOE ankommt, hat nur didaktische Gründe. Die Laborpraxis sieht in der Regel anders aus.

Fläche Volumenintegral

1D 2D

Integral Iij

~ 1rij

6 Hi Hj

rij (< 4 A)

Mit einem bekannten Eichabstand (rref) können allen NOEs eines Spektrums Abstände zugeordnet werden.

AC

H

H

A

O

H H1,8

2,5

etc.oderIref

Iij

rij6

rref6=

z.B geschütztes Neuraminsäurederivat "kleines Molekül" NOESY mit negativen Vorzeichen. H6 zeigt ein ungewöhnlich intensives Kreuzsignal zu H3proS, obwohl in der links gezeigten Sesselkonformation eine Distanz über 4Å zu erwarten wäre. Im Twist-boat wäre dieser Abstand kürzer als 2.5 Å.

O

SePh

O

AcO

O

O

AcO

OAc

H

H OSePh

O

AcO

OO

AcO

OAc

1

2

3

45

6

proS

proR

Sessel

Twist boat

Geyer, NMR-Spektroskopie 70

-37,50+_

0+_

-47

- 212

Originalspektrum s.u.

- 222

Mittelwert-(222 + 217)

2= -217

H6 - H3proS

Eichung auf CH2

Mittelwert-(37.5 + 47)

2= -42

H3proS

H3proR

H6

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Geyer, NMR-Spektroskopie 71

rij = 180 x -217Iij

1/6 Mit dem Eichwert von –217 für die diasterotope CH2-Gruppe kann jeder unbekannte mittlere Abstand berechnet werden. -42 entspricht 2.35 Å.

Ein Schnitt durch das 2D-NOESY bei der chemischen Verschiebung des H6 entspricht einem 1D NOESY und ausgehend von H6 sind weitere NOEs zu sehen. Abwesend sind NOEs, die man für den Sessel erwarten würde. Eine zusätzliche Bestätigung des Twist-boats! (Darüber nochmal das gesamte 1H-NMR.

Das Kreuzsignal im NOESY bzw. ROESY zeigt den Magnetisierungstransfer von einem Kern zum anderen. Dieser Transfer kann auch dadurch erfolgen, dass ein Kern seine Umgebung ändert, in der Regel erfolgt dies durch chemischen oder konformationellen Austausch. Das Kreuzsignal ist direkt proportional der Geschwindigkeit des Austauschs. Aus einem einzelnen NOESY ist die so Rate bzw. die Aktivierungsbarriere für diesen Prozess bestimmbar. Viel einfacher als bei der Linienformanalyse. Diese wird auch unpraktikabel, wenn viele Signale im Spektrum sind. Kein Problem beim NOESY! Linienformanalyse macht große Probleme, wenn mehrere Kerne austauschen. Auch kein Problem beim NOESY! NOESYs bzw. ROESYs zur Bestimmung von Austauschraten werden auch als EXSY(exchange spectroscopy) bezeichnet.

Ein Beispiel für konformationellenAustausch ist dieses racemische Zirconocen.

Bei tiefer Temperatur werden zwei Signalsätze beobachtet, bei hoher einer. Linienformanalyse ist nur für das Signal 5 durchführbar.

Die aromatischen Liganden machen eine Scherbewegung: enantiomere Strukturen

ZrR

RMe

MeZr

R

R

Me

Me

1 :1

Geyer, NMR-Spektroskopie 72

Sehr viel einfacher aber auch genauer, da keine Annahmen über die Linienbreite gemacht werden müssen, wird die Rate bei 191.5 K in einem NOESY über die Integration der Kreuz- und Diagonalsignale bestimmtbestimmt. Das Integral des

Kreuzsignals ist direkt proportional zur Austauschrate

Die Formel gilt nur, wenn die austuschenden Spezies im Verhältnis 1:1 vorliegen!

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Geyer, NMR-Spektroskopie 73

Im Falle von G0 0 sind die Populationen der beiden austauschenden Spezies ungleich groß. Dies ist beispielsweise bei cis/trans-Isomerien von tert. Amiden der Fall. Dann gilt folgende Austauschformel:

k [ s-1 ] =1

MischzeitNOESY

x ln r + 1r - 1

IAA + IBB

IAB + IBA

Rate desPlatzwechsels

IAB

IBA

IBB

IAA

A B

wobei: r = 4 A B - ( A - B)

WasserstoffbrückenWasserstoffbrücken sind von enormer Bedeutung für die Strukturaufklärung von Biomolekülen. Deshalb hier ein paar Methoden zu deren Identifizierung.

1. Chemischer Austausch: Im gezeigten Beispiel tauschen vier OH-Protonen untereinander sowie mit dem Restwasser im DMSO aus. Die Raten sind unterschiedlich und korrelieren mit der Lösungsmittelzugänglichkeit des OH-Protons. So werden H-Brücken eindeutig identifiziert. Die Verweilzeit eines aziden Protons in einer H-Brücke kann eine wertvolle Strukturinformation sein, wie beispielsweise Wasserstoffbrücken. In der Matrix des 2D-Spektrum kann jede der zehn Austauschraten direkt als Kreuzsignal quantifiziert werden.

OH

O

HO

O

HON

O

H

S

OMe

678

9

Axiale sek. OHin H-Brückesehr langsamer Austausch

Axiale sek. OH-Gruppen

Äquat. -OH-Gruppe ca. 1 pka Stufe acider als der Rest

schneller Austausch

Voraussetzung: Langsamer Austausch: Separierte chemische Verschiebungen

O H H O H O H H O H

chemischer AustauschKreuzsignal

+ +5 ppm 3.3 ppm

2. Chemischer Austausch. Protonen in sehr starken bzw. in sehr gut abgeschirmten H-Brücken tauschen sehr langsam mit dem Lösungsmittel aus. Deshalb kann man manche Moleküle in D2O lösen und trotzdem noch einige der OH und/oder NH beobachten. Im Inneren von globulären Proteinen können NH völlig vom Lösungsmittel abgeschirmt werden.

3. Temperaturabhängigkeit der chemsichen Verschiebung. Man misst 1H-NMR-Spektrenbei verschiedenen Temperaturen. Beispielsweise in 10 K-Schritten zwischen 300 und 350 K in DMSO oder in Wasser. Wasserstoffbrücken, die zum Lösungsmittel ausgebildet werden brechen bei höherer Temperatur (intermolekular, Entropie!).

Geyer, NMR-Spektroskopie 74

Deshalb zeigen alle NH und OH die zum Lösungsmittel koordiniert sind eine starke Abhängigkeit von der Messtemperatur –5 bis –10 ppb/K.

In der Abbildung rechts: Das NH-Dublett eines sekundären Amids bei 9.38 ppm (300 K) zeigt eine starkeTemperaturabhängikeit von -5.73 ppb/K.

NH zum DMSO koordiniert

Die chemische Umgebung intramolekularer H-Brücken ändert sich dagegen nicht –1 bis –3 ppb/K.

In der Abbildung rechts: Dublett 8.64 ppm (300 K) zeigt eine Temperaturabhängikeit von -1.25 ppb/K.

NH intramolekular orientiert

4. Lösungsmittelgemische. Extern orientierte Amidprotonen kann man durch die Zugabe von DMSO zur CDCl3-Lösung identifizieren. Allerdings ändert man damit die gesamte Solvatation des Moleküls. die Verwendung von organischen Lösungsmittelgemischen zur Analyse von H-Brücken ist daher die unsicherste Methode.

5. Heteronukleare Long-range Kopplungen. Das geht nur mit 15N, 13C-angereichertenMolekülen. Man sieht eine schwache Kopplung vom H (bzw. NH) des Protonendonors zum C des Carbonyl des Akzeptors. Das ist unschlagbar, da man den Donor und den zugehörigen Akzeptor über ein Kreuzsignal verknüpft. Leider geht das bisher nur für Proteine.

NO H SO