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Nora Roberts

Tödlicher ChampagnerRoman

Aus dem Amerikanischen vonChristiane Schmidt

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1. KA PI TEL

 Nie mand hus te te so ein fach auf hun dert fünf zig Mil li o nen Dol lar. Kei ner der An we sen den in der weit läu fi gen Bib-li o thek des Her ren hau ses Jol ley’s Fol ley hät te das ge wagt,

aus ge nom men Pan do ra. Mit viel In brunst und we nig Zu rück hal tung hus te te und nies te sie in ein zer drück tes Pa pier ta schen tuch, putz te sich die Nase, lehn te sich zu rück und wünsch te sich, das Schnup fen mit tel wür de end lich die ver spro che ne schnel le Er leich te rung brin gen. Vor al lem wünsch te sie sich na tür lich, sich gar nicht erst die se gräss li che Er käl tung ein ge fan gen zu ha ben. Und noch mehr wünsch te sie sich an ir gend ei nen an de ren Ort auf die ser Welt. Sie war um ge ben von Dut zen den von Bü chern, die sie ge le sen, und Hun der ten, die sie nicht ein mal an ge se hen hat te, ob wohl sie vie le, vie le Stun den in der Bib li o thek ver bracht hat te. Der Ge ruch der le der-ge bun de nen Wer ke misch te sich mit dem Staub, und bei des war Pan-do ra lie ber als der er sti cken de Duft der Li li en, die drei bau chi ge Va sen füll ten. In ei ner Ecke des Rau mes war ein Schach spiel aus Mar mor und El-fen bein auf ge baut, an dem Pan do ra zahl rei che hit zig um strit te ne Par-ti en ver lo ren hat te, On kel Jol ley – Gott seg ne sein rund li ches, un schul-di ges Ge sicht und sei ne kur zen, di cken Fin ger – war beim Spie len ein lei den schaft li cher und ge schick ter Be trü ger ge we sen. Pan do ra wie de-rum hat te kei ne Nie der la ge so ein fach ein ge steckt. Viel leicht hat te er sie des halb so gern ge schla gen, mit ehr li chen oder un ehr li chen Mit teln. Durch die drei Bo gen fens ter fi el das Licht matt und düs ter he rein. Es pass te zu Pan do ras Stim mung und, wie sie fand, auch zu den Vor-gän gen. On kel Jol ley hät te die Sze ne rie ge fal len. Wenn Pan do ra lieb te – und sie brach te die ses Ge fühl nur ei ni gen Aus er wähl ten in ih rem Le ben ent ge gen –, leg te sie al les von sich in die se Lie be. Von Ge burt an be saß sie gren zen lo se Ener gi en, und sie hat te mit der Zeit ei ser ne Be harr lich keit ent wi ckelt. Auf ihre un ein-ge schränk te, al les um fas sen de Wei se hat te sie On kel Jol ley ge liebt und alle sei ne Schrul len zu erst an er kannt und dann ak zep tiert. Er war drei-und neun zig ge wor den, aber er war nie stumpf oder zer streut ge we sen. Ei nen Mo nat vor sei nem Tod wa ren sie bei de an geln ge gan gen – ver bo te ner wei se, um es ge nau zu neh men –, und zwar in dem See des

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Nach barn. Nach dem sie mehr ge fan gen hat ten, als sie es sen konn ten, hat ten sie dem Ei gen tü mer ein hal bes Dut zend Fo rel len, aus ge nom-men und tief ge kühlt, zu rück ge schickt. Pan do ra wür de On kel Jol ley ver mis sen, mit sei nem rund li chen Che ru bs ge sicht, sei ner ho hen, me lo di ö sen Stim me und sei nen klei nen Bos hei ten. Von sei nem drei Me ter ho hen Port rät in ei nem ext ra va gan-ten Rah men lä chel te er auf sie mit dem sel ben leich ten Grin sen he run-ter, mit dem er Mil li o nen ge schäf te ab ge schlos sen oder ei nem ah nungs-lo sen Vi ze prä si den ten ei nen Drink in ei nem an ge bohr ten Glas in die Hand ge drückt hat te. Sie ver miss te ihn jetzt schon. Nie mand in ih rer weit ver zweig ten, sehr un ter schied li chen Fa mi lie ver stand und ak zep tier te sie mit der glei chen Leich tig keit. Das war ein Grund mehr ge we sen, aus dem sie ihn ver ehrt hat te. Von Gram nie der ge drückt und von der Er käl tung ge plagt, lausch te Pan do ra den mo no to nen Aus füh run gen Ed mund Fitz hughs über die ein lei ten den Be stim mun gen zu On kel Jol leys Tes ta ment. Ma xi mi li an Jol ley McVie war nie ei ner der Schnells ten ge we sen. Er hat te stets ge-sagt, man sol le et was so lan ge tun, bis der Dampf he raus war. Sein letz-ter Wil le trug sei nen Stil. Pan do ra mach te sich nicht die Mühe, ihr Des in te res se an den For-ma li tä ten zu ver ber gen und be trach te te ein ge hend die an de ren An we-sen den in der Bib li o thek. Sie Trau ern de zu nen nen, wäre ei ner je ner bö sen Scher ze ge we sen, die On kel Jol ley ge schätzt hät te. Da wa ren Jol leys ein zi ger noch le ben der Sohn, On kel Carl son, und sei ne Frau. Wie hieß sie doch? Lona … Mona? Spiel te das eine Rol le? Steif auf recht und hell wach hock ten sie in Schwarz ne ben ei nan der und er in ner ten Pan do ra an Krä hen auf ei nem Te le fon draht, die da rauf war-te ten, dass ih nen et was vor die Füße fi el. Cou si ne Gin ger – süß, hübsch und harm los, aber auch ziem lich un-be darft. In die sem Mo nat war ihr Haar Jean-Har low-blond. Der gute Cou sin Biff war da in sei nem schwar zen, sünd haft teu ren An zug von Brooks Brot hers. Er saß zu rück ge lehnt, ein Bein über das an de re ge-schla gen, als wür de er ein Po lo match be trach ten. Pan do ra war si cher, dass er sich kein Wort ent ge hen ließ. Sei ne Frau – war das Lau rie? – mach te ein stei fes, res pekt vol les Ge sicht. Aus Er fah rung wuss te Pan-

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do ra, dass Lau rie kein Wort von sich gab, es sei denn als Echo von Biff. On kel Jol ley hat te sie eine dum me, lang wei li ge När rin ge nannt. Ob-wohl sie Zy nis mus hass te, muss te Pan do ra ihm zu stim men. On kel Mon roe wirk te plump und er folg reich und rauch te eine di-cke Zi gar re, ob wohl sei ne Schwes ter Pa ti ence mit ei nem klei nen wei-ßen Ta schen tuch vor ih rer Nase fä chel te. Oder viel leicht ge ra de des-we gen, ver bes ser te sich Pan do ra. On kel Mon roe lieb te nichts mehr, als sei ne er folg lo se Schwes ter zu stö ren. Cou sin Hank sah wie ein mus ku lö ser Ma cho aus, über traf da rin je doch kaum sei ne har te, ath le ti sche Frau Meg. Wäh rend ih rer Flit ter-wo chen wa ren sie durch die Ap pa la chen ge trampt, und On kel Jol ley hat te sich stets ge fragt, ob die bei den Turn- und Lo cke rungs übun gen mach ten, be vor sie sich lieb ten. Bei der Vor stel lung muss te Pan do ra la chen, was sie halb her zig mit dem Pa pier ta schen tuch er stick te, ehe sie ih ren Blick zu Cou sin Mi-chael wan dern ließ. Oder war er Cou sin zwei ten Gra des? Sie war mit die sen for mel len Din gen nie klar ge kom men. Sei ne Mut ter war On kel Jol leys Nich te durch die zwei te Hei rat von Jol leys Sohn ge we sen. Es war eine kom pli zier te Ver wandt schaft, aber schließ lich war Mi chael Don ahue auch ein kom pli zier ter Mann. Sie bei de wa ren nie gut mit ei nan der aus ge kom men, ob wohl Pan-do ra wuss te, dass On kel Jol ley ihn be vor zugt hat te. In Pan do ras Au-gen war je der ein ma te ri a lis ti scher Pa ra sit, der sei nen Le bens un ter halt da durch ver dien te, dass er eine dümm li che Fern seh se rie schrieb, mit der er die Leu te vor dem Flim mer kas ten fest hielt und sie da ran hin-der te, et was Sinn vol les zu tun. Für ei nen Mo ment ge noss sie die Er in-ne rung da ran, wie sie ihm ge nau das ins Ge sicht ge sagt hat te. Und dann gab es da na tür lich noch die Frau en. Wenn ein Mann mit ‚Mäd chen des Mo nats’ und Show girls aus ging, be wies er, dass er kei nen in tel lek tu el len An reiz be saß. Pan do ra lä chel te, weil sie ih ren Stand punkt bei Mi chaels letz tem Be such auf Jol ley’s Fol ley sehr klar for mu liert hat te. On kel Jol ley war vor La chen bei na he vom Stuhl ge-fal len. Ihr Lä cheln schwand. On kel Jol ley war nicht mehr. Und wenn sie, wie meis tens, ehr lich war, muss te sie zu ge ben, dass von al len Leu ten im Raum Mi chael Don ahue den al ten Herrn am meis ten ge schätzt hat te. Das wür de man nicht mer ken, wenn man ihn so an sieht, dach te sie.

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Er wirk te des in te res siert und leicht ar ro gant. Sie be merk te die fes ten, grim mi gen Li ni en an sei nen Lip pen. Pan do ra hat te stets ge fun den, dass an Don ahue sein Mund am bes ten aus sah, ob wohl er ihr sel ten zu lä-chel te, es sei denn wü tend. On kel Jol ley hat te Mi chaels Aus se hen ge fal len, und er hat te das Pan do ra auch ganz zu Be ginn sei ner Kup pel ver su che ge sagt. Ehe an-bah nung war ei nes sei ner Hob bys ge we sen, das sie ihm je doch schnell ab ge wöhnt hat te. Nun, so ganz hat te er nie auf ge ge ben, aber sie hat te ihn in die ser Hin sicht ig no riert. Viel leicht weil er selbst klein und rund lich ge we sen war, hat te Jol-ley Mi chaels hohe, schlan ke Ge stalt und das schma le, aus drucks vol le Ge sicht ge mocht. Pan do ra hät te er auch ge fal len kön nen, wä ren sei ne Au gen nicht oft ab we send und teil nahms los ge we sen. Im Mo ment wirk te Mi chael wie ei ner sei ner Hel den in sei ner Ac-tion se rie, wie er da läs sig an der Wand lehn te und in sei nem förm li chen An zug und mit der Kra wat te ein we nig fehl am Platz aus sah. Sei ne dunk len Haa re wa ren nicht be son ders or dent lich, als hät te er ver ges-sen, sie nach ei nem wil den Ritt zu käm men. Er wirk te ge lang weilt und be reit für Ac ti on. Jede Art von Ac ti on. Es ist scha de, dach te Pan do ra, dass sie nicht bes ser mit ei nan der aus-ka men. Sie hät te gern mit je man dem in Er in ne run gen an On kel Jol ley ge schwelgt, mit je man dem, der sei ne Gril len ge nau so ge schätzt hat te wie sie. Doch sol che Ge dan ken wa ren sinn los. Hät ten sie sich ne ben ei nan-der ge setzt, wür den sie ei nan der jetzt schon bei ßen. On kel Jol ley, der von sei nem Port rät auf sie he run ter grins te, wuss te das nur zu ge nau. Mit ei nem klei nen Seuf zer putz te Pan do ra sich wie der die Nase und ver such te, Fitz hugh zu zu hö ren. Es ging ge ra de um ein Ver mächt-nis an Wale oder viel leicht auch Wal fän ger. Noch eine Stun de in der Art, dach te Mi chael, und ich gehe die Wän de hoch. Wenn er noch ein mal das Wort ‚des sent hal ben‘ hö ren muss te … Mi chael be ru hig te sich mit ei nem tie fen Atem zug. Er blieb hier, so lan ge es dau ern wür de, weil er den ver rück ten al ten Mann ge-liebt hat te. Wenn der letz te Lie bes dienst für Jol ley war, dass er in ei-nem Raum zu sam men mit ei ner Grup pe mensch li cher Gei er lang at-mi gen ju ris ti schen Aus füh run gen lausch te, dann tat er es eben. So bald das hier vor bei war, woll te er sich ei nen an stän di gen Schuss Brandy

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ein schen ken und ganz für sich auf den al ten Mann trin ken. Jol ley hat te Brandy ge mocht. Als Mi chael jung und voll Fan ta sie ge we sen war und sei ne El tern nichts ver stan den hat ten, da hat te On kel Jol ley ihm zu ge hört und ihn in sei nen Träu men er mu tigt. Bei je dem Be such auf Jol ley’s Fol ley hat te sein On kel von ihm eine Ge schich te ver langt und sich be gie rig mit leuch ten den Au gen zu rück ge lehnt, wäh rend Mi chael sei ner Ein falls-kraft frei en Lauf ließ. Mi chael hat te nichts da von ver ges sen. Nach dem er sei nen ers ten Emmy Award – den be gehr tes ten Fern-seh preis der Welt, für ‚Lo gan’s Run‘ – er hal ten hat te, war Mi chael von Los Ange les in die Cats kills ge fl o gen und hat te sei nem On kel die Sta-tue über reicht. Der Emmy war noch in dem Schlaf zim mer des al ten Man nes, ob wohl der alte Mann nicht mehr da war. Mi chael lausch te der tro cke nen, un per sön li chen Stim me des An-walts und sehn te sich nach ei ner Zi ga ret te. Erst vor zwei Ta gen hat te er das Rau chen auf ge ge ben. Vor zwei Ta gen, vier Stun den und fün fund-drei ßig Mi nu ten. Ja, er wäre wirk lich gern die Wän de hoch ge gan gen. Er be kam kei ne Luft mit al len die sen Leu ten im sel ben Raum. Je-der Ein zel ne von ih nen hat te den al ten Jol ley als ver rückt und recht läs tig an ge se hen. Et was an de res war das mit dem Hun dert fünf zig-Mil-li o nen-Dol lar-Ver mö gen. Ak ti en und Be tei li gun gen wa ren al les an de re als ver rückt. Mi chael hat te meh re re be gie ri ge Bli cke auf die Ein rich-tung der Bib li o thek auf ge fan gen. Die schwe ren, reich ver zier ten ge or-gia ni schen Mö bel pass ten si cher nicht zu dem strom li ni en för mi gen Le-bens stil man cher An we sen der, wür den aber ei nen or dent li chen Bat zen Bar geld auf die Hand ein brin gen. Mi chael wuss te, dass der alte Mann je den prot zi gen Stuhl und je den über di men si o na len Tisch in die sem Haus ge liebt hat te. Er be zwei fel te, dass ei ner der Ver sam mel ten in den letz ten zehn Jah ren in dem gro ßen, wi der hal len den Haus ge we sen war. Pan do ra aus ge nom men, wie er grol lend ein räum te. Sie moch te läs tig sein, aber sie hat te Jol ley ver ehrt. Im Mo ment sah sie mi se ra bel aus. Mi chael hat te sie noch nie zu-vor un glück lich ge se hen. Wü tend, ver ächt lich, he raus for dernd, aber nie un glück lich. Hät te er es nicht bes ser ge wusst, hät te er sich ne ben sie ge setzt, ihr Trost an ge bo ten und ihre Hand ge hal ten. Sie hät te ihm da für mög li cher wei se sei ne Hand ge nau am Ge lenk durch ge bis sen.

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Im mer hin, ihre un glaub lich blau en Au gen wa ren rot und ver quol-len, fast so rot wie ihr Haar, dach te er, wäh rend sein Blick über die wil de lo cki ge Mäh ne glitt, die un ge ord net und un ge zü gelt auf ihre Schul tern fi el. Sie war so blass, dass die Som mer spros sen über ih rer Nase sich deut lich ab zeich ne ten. Nor ma ler wei se war ihre el fen bein far-be ne Haut leicht ro sig ge tönt, ob vor Ge sund heit oder von ih rem hit-zi gen Tem pe ra ment wuss te er nicht ge nau. Zwi schen ih ren fei er li chen schwarz ge klei de ten An ge hö ri gen stach sie wie ein Pa pa gei zwi schen Krä hen he raus. Sie trug ein leuch tend blau es Kleid. Mi chael fand das gut, ob wohl er das nie zu Pan do ra sa-gen wür de. Sie brauch te kein Schwarz und kei ne Krepp schlei fen und Li li en, um zu trau ern. Das be griff er, ob wohl er Pan do ra nicht be griff. In re gel mä ßi gen Ab stän den är ger te sie ihn mit ih ren An sich ten über sei nen Le bens stil und sei ne Kar ri ere. Wenn sie zu sam men krach-ten, dau er te es nicht lan ge, bis er ihr eben falls Kri tik an den Kopf warf. Im mer hin war sie eine klu ge, ta len tier te Frau, die lie ber her um spiel te und ab scheu li chen Schmuck für Bou tiquen mach te, an statt sich ih res Hoch schul ab schlus ses in Er zie hung zu be die nen. Sie nann te ihn je des Mal ma te ri a lis tisch, er nann te sie ide a lis tisch. Sie stuf te ihn als Chau vi nis ten, er stuf te sie als Pseu do in tel lek tu el le ein. Jol ley hat te je den Streit mit ge fal te ten Hän den ki chernd ver folgt. Jetzt, da er nicht mehr war, gab es kei ne Ge le gen hei ten für der ar ti ge Kämp fe. Selt sa mer wei se er schien ihm auch das ein Grund mehr, um sei nen On-kel zu ver mis sen. In Wahr heit hat te Mi chael nie zu ir gend je man dem eine star ke fa mi-li ä re Bin dung ge fühlt, Jol ley aus ge nom men. Mi chael dach te nicht oft an sei ne El tern. Sein Va ter war mit sei ner vier ten Frau ir gend wo in Eu-ro pa, und sei ne Mut ter hat te sich mit Ehe mann Num mer drei fried voll in die Ge sell schaft von Palm Springs ein ge fügt. Sie hat ten ih ren Sohn nie ver stan den, der sich da für ent schie den hat te, für et was so Spieß bür-ger li ches wie das Fern se hen zu ar bei ten. Aber Jol ley hat te ihn ver stan den und ihm zu ge stimmt. Und, was noch viel, viel wich ti ger für Mi chael war, er hat te Mi chaels Ar beit ge-nos sen. Ein Lä cheln brei te te sich auf Mi chaels Ge sicht aus, als er Fitz hugh das Ver mächt nis für die Wale he run ter lei ern hör te. Das war so ty pisch Jol ley. Et li che un ge dul di ge Ver wand te zisch ten durch die zu sam men-

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ge bis se nen Zäh ne. Hun dert fünf zig tau send Dol lar wa ren ih nen so eben durch die Lap pen ge gan gen. Mi chael blick te zu dem über le bens gro ßen Port rät sei nes On kels auf. Du hast im mer ge sagt, du wür dest das letz te Wort be hal ten, du al ter Quer kopf. Nur scha de, dass du nicht mehr hier bist und da rü ber la chen kannst. „Mei nem Sohn Carl son …“ Mur meln und Flüs tern er star ben, als Fitz hugh sich räus per te. Ohne An teil nah me be ob ach te te Pan do ra, wie ihre Ver wand ten sich an spann ten. Wohl tä ti ge Ins ti tu ti o nen und Die-ner schaft wa ren be dacht wor den. Jetzt ka men die gro ßen Bro cken an die Rei he. Fitz hugh blick te kurz auf, ehe er fort fuhr. „Mei nem Sohn Carl son, des sen … äh … Mit tel mä ßig keit mir im mer ein Rät sel war, hin ter las se ich mei ne ge sam te Samm lung von Zau ber tricks, in der Hoff nung, dass er ei nen Sinn für Lä cher lich keit ent wi ckelt.“ Pan do ra un ter drück te mit ih rem Pa pier ta schen tuch ei nen er stick-ten Laut und be ob ach te te, wie ihr On kel pu ter rot wur de. Ers ter Punkt an On kel Jol ley, dach te sie und stell te sich auf wei te res Ver gnü gen ein. Viel leicht hat te er al les der Heils ar mee ver macht. „Mei nem En kel Brad ley und mei ner an ge hei ra te ten En ke lin Lor raine hin ter las se ich mei ne al ler bes ten Wün sche. Mehr brau chen sie nicht.“ Pan do ra schluck te und blin zel te ge gen die Trä nen an, die ihr bei der Er wäh nung ih rer El tern in die Au gen stie gen. Sie wür de ihre El tern abends in San si bar an ru fen, da mit sie sich über die Wün sche ge nau so freu en konn ten wie sie selbst. „Mei nem Nef fen Mon roe, der sei nen ers ten selbst ver dien ten Dol-lar auf ge ho ben hat, hin ter las se ich mei nen letz ten selbst ver dien ten Dol lar samt Rah men. Mei ner Nich te Pa ti ence hin ter las se ich mein Cot ta ge in Key West, al ler dings ohne gro ße Hoff nung, dass sie ge nug Mut und Schwung be sitzt, um es zu be nut zen.“ Mon roe kau te auf sei ner Zi gar re he rum, wäh rend Pa ti ence ent setzt drein blick te. „Mei nem Groß nef fen Biff hin ter las se ich mei ne Streich holz samm-lung, in der Hoff nung, dass er end lich die Welt in Brand steckt. Mei ner Groß nich te Gin ger, die hüb sche Din ge liebt, hin ter las se ich den Sil ber-spie gel, der an geb lich Ma rie An toi net te ge hört hat. Mei nem Groß nef fen Hank hin ter las se ich die Sum me von 3.528 Dol lar, ge nug, wie ich mei ne, da mit er sich sein Le ben lang mit Wei zen kei men ver sor gen kann.“ Das Mur meln, das bei dem ers ten Ver mächt nis ein ge setzt hat te,

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hielt an und wuchs. Är ger ging all mäh lich in Wut über. Nichts hät te Jol ley bes ser ge fal len. Pan do ra mach te den Feh ler, zu Mi chael zu se-hen. Jetzt wirk te er nicht ab we send, son dern voll Be wun de rung. Als sich ihre Bli cke tra fen, konn te Pan do ra ihr La chen nicht mehr zu rück-hal ten und fi ng sich wü ten de Bli cke ein. Carl son er hob sich em pört. „Mr. Fitz hugh, das Tes ta ment mei nes Va ters ist nichts als eine böse Ver spot tung. Of fen bar war er bei der Ab-fas sung nicht bei Sin nen, und ich be zweifl e nicht, dass ein Ge richt das Tes ta ment ver wer fen wird.“ „Mr. McVie.“ Wie der räus per te sich Fitz hugh. „Ich ver ste he voll-kom men Ihre Emp fi n dun gen be züg lich die ser An ge le gen heit. Den-noch war mein Kli ent im Voll be sitz sei ner geis ti gen und kör per li chen Kräf te, als sein Tes ta ment ab ge fasst wur de. Er mag es zwar ent ge gen mei nem Rat for mu liert ha ben, aber es ist le gal und bin dend. Es steht Ih nen selbst ver ständ lich frei, ei nen ei ge nen An walt zu kon sul tie ren. Und nun habe ich noch mehr zu ver le sen.“ „Ge wäsch.“ Mon roe paff te an sei ner Zi gar re und starr te alle wü-tend an. „Ge wäsch“, wie der hol te er, wäh rend Pa ti ence sei nen Arm tät-schel te und hin ge bungs voll zwit scher te. „On kel Jol ley lieb te Ge wäsch“, sag te Pan do ra und ball te ihr Ta-schen tuch zu sam men. Sie war be reit, es mit al len auf zu neh men, und sie hoff te fast, dass es nö tig war. Es hät te sie von ih rer Trau er ab ge-lenkt. „Hät te er sein Geld der Ge sell schaft ge gen Dumm heit hin ter las-sen wol len, wäre das sein Recht ge we sen.“ „Im mer lang sam, mei ne Lie be.“ Biff po lier te sei ne Fin ger nä gel am Auf schlag sei nes Ja cketts. Sein gol de nes Uh ren arm band schim mer te. „Viel leicht hat dir der alte Narr eine Spu le Garn hin ter las sen, da mit du noch mehr Glas ku geln auf fä deln kannst.“ „Du hast die Streich höl zer noch nicht, al ter Jun ge.“ Alle Au gen rich te ten sich auf Mi chael, als er sich trä ge aus sei ner Ecke he raus zu Wort mel de te. „Pass gut auf, was du an zün dest.“ „Wa rum lasst ihr ihn denn nicht wei ter le sen?“, fl ö te te Gin ger. Sie war mit ih rem An teil zu frie den. Ma rie An toi net te, dach te sie. Man stel le sich vor. „Die bei den letz ten Ver mächt nis se sind mit ei nan der ver bun den“, be gann Fitz hugh, be vor es eine neu er li che Stö rung gab. „Und sie sind et was un or tho dox.“

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„Das gan ze Tes ta ment ist un or tho dox“, stieß Carl son ver ächt lich her vor, und meh re re Köp fe nick ten zu stim mend. Pan do ra er in ner te sich da ran, wa rum sie Fa mi li en tref fen stets ge-mie den hat te. Sie lang weil ten sie zu Tode. Ganz of fen hielt sie ihre Hand an den Mund und gähn te. „Könn ten wir den Rest hö ren, Mr. Fitz hugh, be vor sich mei ne An ge hö ri gen noch mehr bloß stel len?“ Sie glaub te, in den Au gen des an ge staubt wir ken den An walts ein zu stim men des Auf blit zen zu se hen, war je doch nicht si cher. „Mr. McVie schrieb die sen Ab schnitt in sei nen ei ge nen Wor ten.“ Er un ter brach sich kurz. „Pan do ra McVie und Mi chael Don ahue“, ver las Fitz hugh. „Den bei den Fa mi li en mit glie dern, die mir mit ih ren An sich-ten des Le bens die meis te Freu de be rei tet ha ben, mit ih rem Spaß an ei-nem al ten Mann und an al ten Scher zen, ver ma che ich den Rest mei nes Be sit zes, in sei ner Ge samt heit, mit al len Gut ha ben, al len Ge schäfts in-te res sen, al len Ak ti en, Pfand brie fen und Ver mö gens be tei li gun gen, al-lem be weg li chen und un be weg li chen Be sitz, mit all mei ner Zu nei gung. Zu glei chen Tei len.“ Pan do ra hör te nicht die Ein wän de von al len Sei ten, als sie wie be-nom men auf sprang. „Ich kann die ses Geld nicht an neh men!“ Sie eil te zu Fitz hugh. „Ich könn te gar nichts da mit an fan gen. Das wür de nur mein Le ben in Un ord nung brin gen.“ Sie we del te mit der Hand über die Pa pie re auf dem Schreib tisch. „Er hät te mich zu erst fra gen sol len.“ „Miss McVie …“ Be vor der An walt noch mehr sa gen konn te, wir bel te sie zu Mi chael he rum. „Du kannst al les ha ben. Du könn test da mit im mer hin was an-fan gen.“ In ei si ger Ruhe schob Mi chael sei ne Hän de in die Ta schen. „Vie len Dank für dein An ge bot, Cou si ne, aber be vor du die Bom be zün dest, könn test du Mr. Fitz hugh zu Ende le sen las sen.“ Sie starr te ihn ei nen Mo ment an, fast Nase an Nase mit ihm. Dann hol te sie, wie sie das schon vor lan ger Zeit ge lernt hat te, tief Luft und war te te, bis sie sich be ru hig te. „Ich will das Geld nicht.“ „Du hast dei nen Stand punkt klar ge macht.“ Er hob eine Au gen-braue in je ner zy ni schen, halb amü sier ten Art, mit der er sie stets zur Weiß glut brach te. „Du fas zi nierst die Ver wandt schaft mit der klei nen Show, die du hier ab ziehst.“ Durch nichts hät te sie ihre Selbst kont rol le schnel ler fi n den kön-

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nen. Sie hob ihm stolz ihr Kinn ent ge gen, zisch te ein mal und gab nach. „Also gut.“ Sie dreh te sich um und hielt die Stel lung. „Ich ent schul di ge mich für die Un ter bre chung. Bit te le sen Sie zu Ende, Mr. Fitz hugh.“ „Ich hin ter las se al les“, fuhr er fort, „zu sam men mit mei nem Heim und den Din gen und Er in ne run gen da rin, die mir sehr wich tig sind, Pan do ra und Mi chael, weil sie Ver ständ nis und Für sor ge ge zeigt ha-ben. Ich hin ter las se es ih nen, ob wohl es sie viel leicht är gert, weil es sonst nie man den in mei ner Fa mi lie gibt, dem ich et was für mich Wich-ti ges hin ter las sen kann. Was mir ge hör te, ge hört jetzt Pan do ra und Mi-chael, weil ich weiß, dass sie mich in ih rer Er in ne rung le ben dig er hal-ten wer den. Ich er bit te von je dem der bei den nur eine Klei nig keit als Ge gen leis tung.“ Mi chael ent spann te sich und lä chel te an deu tungs wei se. „Jetzt kommt der Ham mer“, mur mel te er. „Nicht spä ter als eine Wo che nach Ver le sung die ses Do ku ments wer den Pan do ra und Mi chael in mein Haus in den Cats kills zie hen, nach Jol ley’s Fol ley. Sie wer den dort für ei nen Zeit raum von sechs Mo-na ten le ben, wo bei kei ner von bei den mehr als zwei auf ei nan derfol-gen de Näch te un ter ei nem an de ren Dach zu brin gen darf. Nach Ab lauf die ses Zeit raums von sechs Mo na ten fällt ih nen der Be sitz zu, in Gän ze und ohne Aufl a gen, zu glei chen Tei len.“ Der An walt räus per te sich, wäh rend es an sons ten im Raum to ten-still war. „Wenn ei ner der bei den mit die ser Ver fü gung nicht ein ver stan den ist oder die Be din gun gen die ser Ver fü gung in ner halb des Zeit raums von sechs Mo na ten bricht, fällt der ge sam te Be sitz zu glei chen Tei len al len mei nen üb ri gen Er ben und dem Ins ti tut zum Stu di um fl eisch fres-sen der Pfl an zen zu. Ich seg ne euch, mei ne Kin der. Lasst ei nen al ten, to ten Mann nicht im Stich.“

Eine vol le Mi nu te herrsch te tie fe Stil le. Dann mur mel te Mi chael: „Der alte Bas tard.“ Pan do ra hät te da ran An stoß ge nom men, hät te sie ihm nicht völ lig zu ge stimmt. Weil Mi-chael vo raus sah, dass die Tem pe ra tur in dem Raum an stieg, zog er Pan-do ra mit sich hi naus, den Kor ri dor ent lang und in ei nen je ner selt sa-men klei nen Sa lons, die man über all im Haus fand. Un mit tel bar be vor er die Tür schloss, ging in der Bib li o thek die ers te Ex plo si on hoch.

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Pan do ra hol te ein fri sches Ta schen tuch her vor, schnäuz te sich und ließ sich auf die Arm leh ne ei nes Ses sels plump sen. Sie war zu ent geis-tert und er schöpft, um sich zu amü sie ren. „Na, und jetzt?“ Mi chael tas te te nach ei ner Zi ga ret te, ehe er sich da ran er in ner te, dass er auf ge hört hat te. „Jetzt müs sen wir ei ni ge Ent schei dun gen tref fen.“ Pan do ra schenk te ihm ei nen je ner lan gen, star ren Bli cke, die nach ih rer Er fah rung die meis ten Män ner ins Stot tern brach ten. Mi chael saß ihr je doch bloß ge gen über und starr te zu rück. „Ich habe ge meint, was ich ge sagt habe. Ich will die ses Geld nicht. Nach Auf tei lung und Ab-zug der Steu ern sind das un ge fähr fünf zig Mil li o nen pro Kopf. Fünf zig Mil li o nen“, wie der hol te sie und roll te die Au gen. „Lä cher lich.“ „Das war im mer Jol leys Mei nung“, sag te Mi chael und be merk te die Trau er in ih ren Au gen. „Er hat das Geld nur zum Spie len be nutzt. Das Pro blem war, dass er je des Mal nur noch Geld da zu ge won nen hat.“ Pan do ra konn te nicht still sit zen und ging ans Fens ter. „Mi chael, mit so viel Geld wür de ich er sti cken.“ „Bar geld ist nicht so schwer, wie du denkst.“ Mit ei nem ab fäl li gen Lä cheln dreh te sie sich um und setz te sich auf das Fens ter brett. „Du hät test nichts ge gen fünf zig Mil li o nen nach Ab-zug der Steu ern ein zu wen den.“ Er hät te lie bend gern die sen Aus druck aus ih rem Ge sicht weg ge-wischt. „Ich be sit ze nicht dei ne fei ne Miss ach tung für Geld, Pan do ra, viel leicht weil ich ohne Geld auf ge wach sen bin.“ Sie zuck te die Schul tern. „Dann nimm al les.“ Mi chael griff nach ei nem klei nen blau en Gla sei und warf es von ei-ner Hand in die an de re. Es war kühl und glatt und ein paar tau send Dol lar wert. „Das woll te Jol ley nicht.“ Schnie fend riss sie ihm das Ei aus der Hand. „Er woll te, dass wir hei ra ten und glück lich zu sam men le ben bis ans Ende un se rer Tage. Ich wür de ihm gern den Ge fal len tun.“ Sie warf ihm das Ei wie der zu. „Aber ich bin kei ne der ar ti ge Mär ty re rin. Und bist du nicht oh ne dies mit ir gend ei ner klei nen blon den Tän ze rin ver lobt?“ Er leg te sorg sam das Ei weg, be vor er dem Drang folg te, es nach Pan do ra zu wer fen. „Für je man den, der die ver wöhn te Nase über das Fern se hen rümpft, zeigst du we nig in tel lek tu el le Ge ring schät zung für Klatsch und Tratsch.“

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„Ich lie be Klatsch und Tratsch“, sag te Pan do ra so gi gan tisch über-trie ben, dass Mi chael lach te. „Also gut, Pan do ra, ste cken wir für ei nen Mo ment die Schwer ter weg. Ich bin mit nie man dem ver lobt, aber Hei rat ist gar kei ne Be din-gung des Tes ta ments. Wir müs sen nur sechs Mo na te un ter dem sel ben Dach le ben.“ Wäh rend sie ihn be trach te te, fühl te sie Ent täu schung in sich auf-kom men. „Du willst also wirk lich das Geld?“ Er mach te zwei wü ten de Schrit te auf sie zu, be vor er sich zu rück-hielt. Pan do ra zuck te nicht ein mal mit der Wim per. „Denk, was du willst“, sag te er lei se, als wäre es un wich tig. Selt sa mer wei se ließ es sie schau dern. „Du willst das Geld nicht, gut. Ab ge se hen da von, willst du denn zu se hen, wie die ses Haus an die Ver wandt schaft da drau ßen geht oder an ei nen Hau fen lä cher li cher Wis sen schaft ler, die die Ve nus fal le un ter su chen? Jol ley hat die ses Haus und al les da rin ge liebt, und ich dach te im mer, du auch.“ „Tue ich auch.“ Die an de ren wür den es ver kau fen, und das Haus wäre für sie ver lo ren. Alle die se un sin ni gen, prunk vol len Räu me und die lä cher li chen Bo gen gän ge. Jol ley moch te nicht mehr un ter ih nen sein, aber er hat te das Haus wie eine bau meln de Ka rot te zu rück ge las-sen, und er hielt nach wie vor den Stock, an dem der Kö der hing. „Er ver sucht noch im mer, un ser Le ben zu be stim men.“ Mi chael hob eine Au gen braue. „Über rascht?“ Lei se la chend sah Pan do ra zu ihm. „Nein.“ Lang sam schritt sie durch den Raum, wäh rend die Son nen strah-len durch die ge schlif fe nen Glas schei ben fi e len und in ihr ro tes Haar Hoch glanz zau ber ten. Mi chael be ob ach te te sie mit ob jek ti ver Be wun-de rung. Sie müss te groß ar tig auf ei ner Lein wand aus se hen. Das hat te er schon im mer ge fun den. Ihre Hal tung, ihr Hoch mut. Die paar Pfun de, die sie op tisch durch die Ka me ra mehr be kom men wür de, konn ten ih rem zu ecki gen, ger ten schlan ken Kör per nicht scha den. Und das brand ro te Haar wäre auf der Lein wand zu ei nem Sig nal feu er ge wor-den, wo ge gen es in der Re a li tät ein fach zu stark leuch te te. Er hat te sich oft ge fragt, wa rum sie es nicht et was un auf fäl li ger färb te. Im Mo ment in te res sier te er sich je doch nur für ihre Ge dan ken. Das Geld war ihm ver dammt gleich gül tig, aber er woll te nicht zu se hen, wie al les un ter die Gei er fi el. Und wenn er Pan do ra da für rau an fas sen

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muss te, tat er es eben. Und viel leicht wür de es ihm so gar Spaß ma chen. Mil li o nen! Pan do ra zuck te zu sam men. Über oder un ter ei nem be-stimm ten Ein kom men gab es nichts als Sor gen. Aber auf ei nem net ten, an ge neh men Ni veau ließ es sich le ben, und sie hat te es fast schon ge-fun den. Wie sie die Sa che sah, muss te sie wie bei ei nem Schach spiel ihre Züge über le gen. Sie hat te nie mit ei nem Mann zu sam men ge lebt. Ganz be wusst nicht, Pan do ra woll te sich nur nach sich selbst rich ten müs sen. Es war we ni-ger, dass sie Din ge nicht tei len woll te. Sie woll te Le bens raum nicht tei-len. Wenn sie jetzt zu stimm te, war das schon die ers te Kon zes si on. Dazu kam die Tat sa che, dass Mi chael at trak tiv war, at trak tiv ge nug, um be un ru hi gend zu wir ken, wäre er nicht gleich zei tig so är ger lich ge-we sen. Är ger lich und selbst leicht ver är gert, er in ner te sie sich amü siert. Sie wuss te, wel che Knöp fe sie drü cken muss te, um ihn zu ir ri tie ren. Hat te sie sich nicht stets da mit ge brüs tet, dass sie mit ihm um ge hen kön ne? Es war nicht im mer ein fach ge we sen. Da für war er zu klug, aber das hat te ihre Wort wech sel in te res sant ge macht. Al ler dings wa ren sie nie län ger als eine Wo che zu sam men ge we sen. Es gab eine kla re, un be streit ba re Tat sa che: Sie hat te ih ren On kel ge-liebt. Wie konn te sie mit sich le ben, wenn sie ihm ei nen letz ten Wunsch ver wehr te? Oder ei nen letz ten Scherz?

Pan do ra blieb ste hen und be trach te te Mi chael. „Sag mal, Cou sin, wie kön-nen wir sechs Mo na te un ter ei nem Dach le ben, ohne uns zu schla gen?“ „Gar nicht.“ Mi chael hat te so schnell ge ant wor tet, dass sie lach te. „Ich glau be, ich wür de mich lang wei len, falls wir uns nicht schla gen soll ten. Ich könn te in ner halb von drei, höchs tens vier Ta gen ein zie hen.“ „Sehr gut.“ Als sich sei ne Schul tern ent spann ten, er kann te er, wie sehr er ge fürch tet hat te, sie wer de ab leh nen. Im Mo ment woll te er nicht un ter su chen, wa rum ihm das so wich tig war. Er streck te ihr die Hand ent ge gen. „Ab ge macht.“ Pan do ra neig te den Kopf und schlug ein. „Ab ge macht.“ Sie war über rascht, dass sich sei ne Hand hart und ein we nig schwie lig an fühl te, nicht wie er war tet weich und schlaff. Im mer hin tipp te er bloß auf der Ma schi ne. Viel leicht hiel ten die nächs ten sechs Mo na te ei ni ge Über ra-schun gen be reit.

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„Sol len wir es den an de ren mit tei len?“, frag te er. „Sie wer den uns um brin gen wol len.“ Mi chael fand ihr Lä cheln gleich zei tig rei zend und bos haft. „Ich weiß“, be stä tig te er. „Ver su che, nicht zu sehr zu strah len.“ Als sie den Sa lon ver lie ßen, hat ten sich die Ver wand ten auf dem Kor ri dor ver sam melt und ta ten, was sie ge mein sam am bes ten konn-ten: Sie strit ten. „Du wür dest dei nen An teil für Möh ren saft ver plem pern“, sag te Biff ver ächt lich zu Hank. „Ich wüss te we nigs tens et was mit dem Geld an zu fan gen.“ „Es auf Pfer de zu ver wet ten“, sag te Mon roe und stieß eine al les er-sti cken de Wol ke Zi gar ren rauch aus. „In ves tie ren. Ab züg lich Steu ern.“ „Du könn test für dein Geld ei nen Kurs be su chen, wie man in gan-zen Sät zen spricht.“ Carl son zog sich aus dem Rauch zu rück und rich-te te sei nen Kra wat ten kno ten. „Ich bin der ein zi ge Sohn des al ten Herrn. Es ist mei ne Auf ga be, sei ne Un zu rech nungs fä hig keit zu be wei sen.“ „On kel Jol ley be saß mehr Zu rech nungs fä hig keit als ihr alle zu sam-men.“ Frust riert und an ge wi dert trat Pan do ra vor. „Er hat je dem von euch ge nau das hin ter las sen, was er euch zu kom men las sen woll te.“ Biff zog ein fl a ches gol de nes Zi ga ret ten etui her vor und warf sei ner Cou si ne ei nen Blick zu. „Sieht so aus, als hät te un se re Pan do ra ihre Mei-nung ge än dert. Nun, du hast da für ge ar bei tet, nicht wahr, Dar ling?“ Mi chael leg te sei ne Hand auf Pan do ras Schul ter, be vor sie auf Biff los ge hen konn te. „Du möch test doch dein Pro fi l be hal ten, Cou sin?“ „Das Fern se hen hat dich wohl auf den Ge schmack für Ge walt ge-bracht.“ Biff steck te sich lä chelnd sei ne Zi ga ret te an. „Also, mir er scheint die gan ze Sa che fair.“ Hanks Frau schüt tel te Pan do ra und Mi chael herz haft die Hand. „Rich tet euch hier im Haus ei nen Fit ness-Raum ein. Trai niert ein biss chen. Komm jetzt, Hank.“ Schwei gend folg te Hank ihr nach drau ßen, wo bei sich sein Ja ckett über sei nen Schul tern spann te. „Nur Mus keln und kein Hirn“, mur mel te Carl son. „Komm, Mona.“ Er warf noch ei nen wü ten den Blick auf Pan do ra und Mi chael. „In der An ge le gen heit hört ihr noch von mir.“ Pan do ra schenk te ihm ein rei zen des Lä cheln. „Gute Heim fahrt, On kel Carl son.“ „An fech tung“, brumm te Mon roe und watsch te hin ter ih nen her.

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Pa ti ence wink te mit bei den Hän den. „Key West, du gü ti ger Him-mel! Ich war nie süd li cher als Palm Beach. O lie ber Him mel!“ „Ach, Mi chael.“ Gin ger leg te ihm die Hand auf den Arm. „Wann, meinst du, kann ich mei nen Spie gel ha ben?“ Mi chael dank te dem Him mel, dass Jol ley nicht ver langt hat te, er sol le sechs Mo na te mit Cou si ne Gin ger ver brin gen. „Mr. Fitz hugh schickt ihn dir be stimmt so bald wie mög lich zu.“ „Komm, Gin ger, wir neh men dich zum Flug ha fen mit.“ Biff warf Pan do ra noch ei nen ab schät zen den Blick zu. „Wür de ich dich nicht bes ser ken nen, müss te ich mir Sor gen ma chen. Aber du hältst es mit Mi chael kei ne sechs Tage aus, ge schwei ge denn sechs Mo na te.“ „Gib noch nicht das Geld des al ten Herrn aus“, warn te Mi chael. „Wir schaf fen die sechs Mo na te, und wenn es nur da rum geht, euch eins aus zu wi schen.“ „Ab war ten.“ Biff ging ker zen ge ra de hi naus. Sei ne Frau folg te ihm. Sie hat te die gan ze Zeit kein Wort ge sagt. „Biff“, frag te Gin ger im Hi naus ge hen. „Was wirst du mit al len die-sen Streich höl zern ma chen?“ „Hin ter sich die Brü cken ver bren nen, hof fe ich“, mur mel te Pan-do ra. „Sie sind weg. Und wir ha ben jetzt sechs Mo na te vor uns. Ich weiß noch nicht, wa rum du es machst, aber ich neh me es für On kel Jol ley auf mich. Ich kann mei ne Aus rüs tung recht leicht hier un ter-brin gen.“ „Und ich kann hier recht leicht schrei ben.“ Pan do ra hol te eine Rose aus ei ner Scha le. „So fern man bei die sen un glaub wür di gen Skripts von Schrei ben spre chen kann.“ „In dem glei chen Maß, in dem man dei ne auf ge fä del ten Klim per rei-fen Kunst nen nen kann.“ Ihre Wan gen be ka men wie der Far be. „Du könn test Kunst nicht ein mal er ken nen, wür de sie vor dir ste hen und dich in die Nase bei ßen. Mein Schmuck drückt Emo ti o nen aus.“ „Und wie viel kos tet Lust im Mo ment?“ „Ich dach te, du wärst mit dem Preis gut ver traut.“ Pan do ra fi sch te ein Ta schen tuch her vor, nies te hi nein und schloss ihre Ta sche. „Die meis ten Frau en, mit de nen du dich triffst, tra gen Preis schil der.“ Das kleine Wortgefecht amü sier te Mi chael sicht lich. „Ich dach te, wir spre chen über Ar beit.“

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