notabene 7/2012

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Nr 7 / September 2012 Zeitschrift für die Mitarbeitenden der Zürcher Landeskirche Seite 10 Fusionieren im grossen Stil Der Kirchenrat fordert grössere Kirchgemeinden. Kommt es zum grossen Zusammenschluss? Geben oder wegschauen? Wie gehen wir mit Bettlern um? Seite 12 Abschied von Ruedi Reich Rückschau auf ein reiches Leben: Zum Tod des ehemaligen Kirchenratspräsidenten

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Betteln: Geben oder wegschauen?

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Page 1: notabene 7/2012

Nr 7 / September 2012Zeitschrift für die Mitarbeitenden der Zürcher Landeskirche

Seite 10

Fusionieren im grossen StilDer Kirchenrat fordert grössere Kirchgemeinden. Kommt es zum grossen Zusammenschluss?

Geben oder wegschauen?Wie gehen wir mit Bettlern um?

Seite 12

Abschied von Ruedi ReichRückschau auf ein reiches Leben: Zum Tod des ehemaligen Kirchenratspräsidenten

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Liebe Leserin, lieber Leser

Ich sehe ihn schon von Weitem. Da

hockt wieder so ein Bursche mit einem

ausgeleierten Akkordeon in der Unter-

führung und – das kenn ich zur Genüge

– will etwas von mir: meine Aufmerk-

samkeit, mein Mitleid, mein Geld. Das

kriegt er diesmal aber nicht.

Aus Geiz und Menschenverachtung?

Um Himmelswillen, nein. Aus reiner

Vernunft: Ich darf doch annehmen, dass

einer, der sein Akkordeon so jämmerlich

bedient, kein Strassenmusiker ist, viel-

mehr einer organisierten Bettlerbande

zugehörig. Und ich darf doch darauf

hinweisen, dass ich einen Sozialstaat be-

fürworte und mitfinanziere, der Men-

schen im Regelfall verlässlich hilft,

wenns finanziell mal knapp werden

sollte. Und ich bin darüber hinaus bür-

gerlicher Herkunft und somit in der Ge-

wissheit aufgewachsen, dass man sich so

gut als möglich mit Fleiss und Eigenleis-

tung aus misslicher Lage befreit, und

sich dazu höchstens der Hilfe zur Selbst-

hilfe verschreiben darf, die einem in Ge-

stalt einer Sozialarbeiterin oder eines

Gassenarbeiters wieder auf die Beine

hilft. Aber so wie ich die Lage ein-

schätze, darf ich davon ausgehen, dass

dieser Bursche einen allfälligen Batzen

von mir nicht in Akkordeonstunden und

damit in seine langfristige Zukunft in-

vestieren würde, sondern eher in die Sip-

penkasse oder in hochprozentige Anla-

gen. Es wäre demzufolge geradezu

widersinnig und zum langfristigen Scha-

den dessen, der da vor mir kauert, etwas

zu geben, weil ich das System des Miss-

standes, in dem dieser Bursche gefangen

ist, mit meinem Kleingeld am Leben hal-

ten würde. Und das kann ich schlicht

nicht wollen. Also bleibe ich dabei und

gebe diesmal nichts, beschleunige die

Schritte und vertraue auf meine Argu-

mentationskette und auf den zupacken-

den Sozialstaat oder auf gemeinnützige

Organisationen. Dann muss ich mir

nämlich auch nicht die Zeit nehmen, um

dem Mann mit dem Akkordeon zu er-

klären, warum ich ihn links liegen lasse

und mir selbst nicht, warum

mich trotz der Stichhaltigkeit

meiner Argumente ein ungutes

Gefühl beschleicht.

Der Umgang mit Bettlern, vor

allem auch jenen, die fleissig an

der Kirchentür anklopfen, ist

Schwerpunktthema dieser Num-

mer (ab Seite 7). Im Essay von

Pfarrer Thomas Schaufelberger finden

Sie persönliche Einsichten und wertvolle

Hinweise, wie Sie mit dem Dilemma um-

gehen können, wie Sie wirkungsvoll hel-

fen oder mit guten Argumenten ab- oder

verweisen können. Dass Sie fixfertige

Tipps erhalten, die Ihnen ein für allemal

sagen, wie Sie auf bettelnde Menschen

reagieren sollen, dürfen Sie nicht erwar-

ten. Von Menschen, die – zu Recht oder

zu Unrecht – von Ihnen etwas erbitten,

müssen Sie sich immer wieder konfron-

tieren lassen. Das ist das Mindeste.

Christian Schenk

Redaktor «notabene»

Aktuell

Kurznachrichten3 – 6

Kolumne «Wer’s glaubt»:

«Unser tägliches Brot»5

Brennpunkte

Betteln an der

Pfarrhaustür7 – 9

Kirchgemeinden:

Fusionieren

im grossen Stil?10 – 11

Abschied von Ruedi

Reich 12 – 13

«Sich ernsthaft lustig

machen.» Illustrator

Daniel Lienahrd

14 – 15

Rubriken

Themen und Termine16 – 17

Stellenmarkt18

kreuz & quer:

Sitzberg - Kirche im

Kleinformat19

Denkzettel / Impressum20

Editorial / Inhaltsverzeichnis

«Warum ich dachte, den Bettler links liegen lassen zu dürfen.»

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notabene 7 / 2012 3

Kirchensynode / Patchwork in der Bildungs-

organisation?

Eine Interpellation, eingereicht am 23.

Februar 2012, forderte den Kirchenrat

auf, die Bildungslandschaft der Landes-

kirche zu hinterfragen und zu systemati-

sieren. Die Interpellation ist unterzeich-

net von Brigitte Henggeler und den

Mitgliedern der Vorberatenden Kom-

mission zum Geschäft Boldern – Integ-

ration des Studienbereiches in die Lan-

deskirche. Die Interpellanten monierten,

die von der Landeskirche initiierten

oder unterstützten Bildungsangebote

glichen in ihrer Gesamtheit einem Patch-

work.

In einer siebenseitigen Antwort, die

der Kirchensynode am 18. September

vorgelegt wird, zeigt der Kirchenrat die

Grundlagen für die Gestaltung der Bil-

dungslandschaft auf und weist die Ko-

operationsvereinbarungen mit anderen

Institutionen aus.

Zum Thema Bildung ist neben der In-

terpellation noch ein weiterer Vorstoss

hängig. Das Kirchenparlament hat am

13. März 2012 eine Motion zum Bil-

dungskonzept überwiesen.

Weitere Traktanden am 18. September:

• Postulat «Stärkung kleiner Kirchgemein-

den durch gezielte Förderung der

übergemeindlichen Zusammenarbeit»:

siehe dazu den Bericht ab Seite 10.

• Jahresbericht 2011

• Wahlen Abgeordnetenversammlung

SEK und Trägerverein «reformiert.zürich».

• Alle Geschäfte finden Sie als pdf-Datei

auf: www.zh.ref.ch/organisation/kirchen-

synode/aktuell

Sinusstudie und Orientierungshilfe / Näher bei den Menschen

sch. Die verschiedenen Lebenswelten der

Zürcher Reformierten sind seit letztem

Jahr im Fokus der Landeskirche. Mit ei-

ner Gesellschaftsstudie (Sinusstudie) hat

die Landeskirche die Lebensmilieus und

die Glaubenswelten der Reformierten im

Kanton analysiert und erste Ergebnisse

den Medien und Kirchenverantwortli-

chen am 23. November vorgelegt (vergl.

«notabene» 10/11). Bereits damals wurde

eine handliche Orientierungshilfe für die

Gemeinden in Aussicht gestellt. Diese

liegt jetzt zusammen mit der Sinusstudie

in einem Doppelband vor und wird den

Verantwortlichen und weiteren Interes-

sierten an einer Vernissage am 4. Okto-

ber im Kirchgemeindehaus Zürich Enge

präsentiert.

Die Sinusstudie sei als Kommentar zu

verstehen, die die vielfältigen und bunten

Lebenswelten und -weisen interpretiert,

schreiben die Herausgeber Roland Diet-

helm, Matthias Krieg und Thomas

Schlag. Die zugehörige Orientierungs-

hilfe versteht sich als Lexikon, das die

Voraussetzungen für eine grössere Mili-

eusensibilität in den Kirchgemeinden

schafft, damit diese erkennbar und näher

bei den Menschen sind und sich vielfälti-

ger profilieren. Die Orientierungshilfe ist

in drei Teile gegliedert: In einem ersten

Teil sichtet sie die Ergebnisse der Sinus-

studie und referiert die theologischen

und soziologischen Grundlagen. Der

zweite Teil fragt danach, was konkret an-

gepackt werden kann. Der dritte Teil lie-

fert Ermutigung durch die positiven Er-

fahrungen, die Kirchen andernorts mit

dem Milieuansatz gemacht haben.

Die Kirchgemeinden sind eingeladen,

sich das Grundlagenmaterial für die Ar-

beit vor Ort zu Nutzen zu machen. Die

Studie helfe, Grenzen der Lebenswelten

zu erkennen, um sie zu überschreiten,

schreibt Kirchenratspräsident Michel

Müller in seinem Geleitwort. «Die Kir-

che ist ja nicht deshalb schon für alle da,

weil sie das behauptet, sondern erst,

wenn sie die Einzelnen in ihrer Vielfalt

ernst nimmt, um sie zusammenzufüh-

ren.»

Vernissage: Donnerstag, 4. Oktober, 17 bis

19 Uhr. KGH Zürich Enge, Bederstr. 25.

Lebenswelten. Modelle kirchlicher Zukunft.

Band 1: Sinusstudie. SINUS Markt- und

Sozialforschung GmbH. Band 2: Orientie-

rungshilfe. Roland Diethelm, Matthias

Krieg, Thomas Schlag (Hg.),TVZ, 2012.

326 und 192

Seiten, ca. Fr.

90.00. 9

3

S

Der Kirchenrat hat Rita Famos zur

neuen Leiterin der Abteilung Seelsorge

ernannt. Die 46-jährige Pfarrerin tritt

die Nachfolge des altershalber zurück-

tretenden Ulrich Bosshard auf den 1.

Mai 2013 an. Schwerpunkt der Abtei-

lung ist die Wahrnehmung der Seelsorge

in den kantonalen Spitälern und Pflege-

zentren. Weiter gehören dazu die Po-

lizeiseelsorge, die Gefängnispfarrämter,

das Pfarramt für Gehörlose, die Notfall-

seelsorge und der Erwerbslosenbereich.

Am 1. Juli hat Pfarrer Roland Diet-

helm seine Stelle als neuer Beauftragter

der Fachstelle Gottesdienst mit einem

50%-Pensum angetreten. Diethelm,

43-jährig, ist Religionslehrer und Mittel-

schulseelsorger und engagiert sich im

Reformprojekt des Zürcher Stadtver-

bandes (Gebietsreform).

Seelsorge und Gottesdienst /

Neue Leitung

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notabene 7 / 20124

Neuerung im Jahresbericht 2012 / Was läuft in Ihrer Gemeinde?

mo. Die neue Kirchengesetzgebung hat

die Rechenschaftspflicht der Landeskir-

che gegenüber Kanton und Öffentlich-

keit erweitert. Davon ist u.a. auch der

Jahresbericht der Landeskirche betrof-

fen. Bis 2010 war er in erster Linie ein

Rechenschaftsinstrument des Kirchen-

rates gegenüber Kirchensynode und

Kantonsrat. Neu umfasst er grundsätz-

lich auch die Kirchgemeinden. Deshalb

wird beispielsweise im Jahresbericht

2011 nicht nur die Rechnung der Zent-

ralkasse, sondern eine Gesamtrechnung

inklusive Kirchgemeinden publiziert.

Dieser integrale Ansatz soll sich künf-

tig verstärkt auf die Inhalte beziehen. In

den Jahresberichten 2010 und 2011

wurde bereits versucht, vermehrt Ge-

meinde-Beispiele aufzunehmen. Damit

dies möglich ist, müssen solche Beispiele

den Gesamtkirchlichen Diensten be-

kannt sein. Bei Fach- und Dienststellen

mit häufigen Beratungs-Kontakten in

die Gemeinden ist dies eher der Fall als

bei solchen wie etwa der Abteilung Seel-

sorge, die ihre Schwerpunkte mehr in

gesamtkirchlichen Aufgaben hat.

Kirchgemeinden sind deshalb eingela-

den, in ihre Beispiele von Aktivitäten,

Projekten und Prozessen des laufenden

Jahres zu sammeln, die Pioniercharakter

haben, ungewohnt und speziell oder be-

sonders erfolgreich sind. Beiträge aus

allen Handlungsfeldern – als kurzer

sch. Im September und Oktober begeht

die Kirche die Schöpfungszeit. Die Be-

wahrung der Schöpfung steht dann be-

sonders im Fokus der Kirche. Nicht nur

darüber reden, sondern anpacken will

jetzt eine Gruppe von Mitarbeitenden

der Landeskirche in den Gesamtkirchli-

chen Diensten. Sie präsentiert eine Pa-

lette von Verbesserungsmöglichkeiten in

Sachen Energieeffizienz und schonen-

dem Umgang mit nicht erneuerbaren

Ressourcen. Eine Verbesserung der

Ökobilanz ist gemäss der Umweltgruppe

in den Bereichen Mobilität, Kursadmi-

nistration, im Gebäudeunterhalt und im

Bereich von Essen, Trinken und Bewir-

ten möglich. Es gehe nicht darum, mit

der Moralkeule die Leute zum Sparen zu

nötigen, sondern darum, Anreize zu

schaffen, um schonender mit Ressour-

cen umzugehen. «Wir reden in der Kir-

che viel über Umwelt, aber wir tun ziem-

lich wenig», findet Mitinitiant Stefan

Grotefeld von der Fachstelle für Gesell-

schaft und Ethik. Die Gruppe wird

fachlich unterstützt von Silvia Rey,

Eidg. dipl. Natur- und Umweltfachfrau,

und erhält auch Unterstützung von Die-

ter Zaugg, Leiter Finanzen und zustän-

dig für die Liegenschaften der Landes-

kirche. Wie die Mitarbeitenden selbst

ihre Ökobilanz am Arbeitsplatz verbes-

sern können, dazu gibt die Umwelt-

gruppe einfache Tipps:

Lesen Sie dazu künftig die neue Rubrik

«Öko-Tipp». Weiterführende Infos und

Anregungen auf: www.oeku.ch

Schöpfungszeit / Jetzt packen wirs an! Kolumne /

«Öko-Tipp» PDer Geist ist willig, aber das Fleisch ist fein

Mit unseren Konsumgewohnheiten

nehmen wir Einfluss auf unser Kul-

turland. Indem wir Bioprodukte be-

vorzugen, tragen wir dazu bei, die

Bodenfruchtbarkeit langfristig zu

sichern. Kaufen wir Saison- und

Freilandprodukte aus der Region,

sorgen wir für kurze Transport-

wege. Weniger Fleisch zu essen,

ist mehr als eine tierschützerische

Forderung. Bei der Umwandlung

von pflanzlichen in tierische Kalo-

rien gibt es einen Verlust von 90

Prozent. Je weniger Fleisch wir

verzehren, desto weniger Kultur-

land beanspruchen wir also. Das

mögen alles vernünftige Empfeh-

lungen sein. «Der Geist ist willig,

aber das Fleisch ist fein» beschrieb

die Zeitschrift «reformiert.» das Di-

lemma treffend. Dass Vegi auch

besser schmeckt, ist letztlich eine

Herausforderung an unsere Koch-

künste! Rezepte finden sich bei-

spielsweise bei: www.saison.ch

und www.gutekueche.ch

Kurt Zaugg-Ott

Lauftext, als Projektbeschrieb oder in

Stichworten – können schon jetzt einge-

sandt werden. Später können auch Aus-

züge aus Kirchgemeinde-Jahresberich-

ten verwendet werden.

Auch die Bezirkskirchenpflegen sind

eingeladen, die erweiterte Rechen-

schaftspflicht im Auge zu haben und bei

ihren Visitationen auf Beispiele im obi-

gen Sinne hinzuweisen.

Beiträge können gesendet werden an:

[email protected], Vermerk «Jahresbericht

2012». Für Rückfragen steht die Abteilung

Kommunikation gerne zur Verfügung: 044

258 91 91.

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notabene 7 / 2012 5

«Le Pain Quotidien» so oft man will

151mal in 26 Städten und 18 Län-

dern, selbst in Bahrain und Japan

ist es zu haben, in Zürich am Rö-

merhofplatz 5: Das tägliche Brot. Worum Christinnen und Christen

seit jeher weltweit bitten, oft ziem-

lich verzweifelt, in zwei Dritteln von

Afrika gewiss täglich, erhalten an-

dere gegen Geld, so oft sie mögen.

Le Pain Quotidien (LPQ) ist eine

Kette mit Ursprung in Brüssel

(1990). Unter Philosophie verkün-

det das Gastronomie-Unterneh-

men: «Das Beschaffen von Zutaten

höchster Qualität ist unser höchs-

tes Credo.» Und: «LPQ ist Rückbe-

sinnung auf den Ursprung.» Und

im Zentrum der Cafés die Beson-

derheit: «Ob Freunde oder Unbe-

kannte, alle finden an unserem

Community Table zusammen, um

Brot zu brechen und ein bisschen

zu verweilen.»

Diese unique selling proposition

(USP), dieses einzigartige

Verkaufs argument riecht: höchstes

Credo, Ursprung, Community, Brot

brechen. Der Geruch führt auf ei-

nen Berg: Unser tägliches Brot gib uns heute. So soll gebetet werden

(Mt 6,11). Freilich könne man auch

plappern wie die Heiden, ist kurz

vorher zu lesen (Mt 6,7), oder an den Strassenecken stehen und be-ten, um sich den Leuten zu zeigen

(Mt 6,5). Doch derlei Getue stinkt

dem Bergprediger zum Himmel.

Diese USP hat ihren Lohn schon be-zogen.

Die Erinnerung der Satten und die

Hoffnung der Hungrigen. Die USP

der Angesagten und das LPQ der

Vergessenen. Das Credo des

Marktes und der Ursprung des

Glaubens. Die Community der Ge-

niesser und die Gemeinde Jesu

Christi. Manchmal ist es wahrlich

crucial, nämlich entscheidend, dem

falschen Geruch einmal richtig

nachzugehen, um den richtigen

wieder tief und nachhaltig einzuat-

men.

Matthias Krieg

Kolumne / «Wer’s glaubt …»

Die Kirche lege gerne Rechenschaft ab,

vor Gott und vor den Menschen, heisst

es im neu erschienenen Jahresbericht

2011 der Landeskirche: «Die Bevölke-

rung soll und darf wissen, was sie an den

grossen Kirchen hat.» Die Leistungen

von Landeskirche und Kirchgemeinden

stehen in hohem Mass im Dienst der

ganzen Gesellschaft. Die Kirchen setz-

ten dafür weit mehr Mittel ein, als sie

vom Staat und aus der Besteuerung von

Firmen erhalten. Zu diesem Schluss

kommt der Kirchenrat nicht nur in der

üblichen Rückschau auf das vergangene

Jahr, sondern nach einer breiten Evalua-

tion, die er zuhanden des Kantons er-

stellt hat und auf die er auch im Jahres-

bericht hinweist. Das Kirchengesetz

verpflichtet die Kirchen, jeweils für die

Dauer von sechs Jahren zuhanden des

Kantons ein Tätigkeitsprogramm zu er-

stellen. Erstmals wird 2012 ein solches

Programm eingereicht. Der Jahresbe-

richt wird an der Synodesitzung vom 18.

September verabschiedet. Das Tätig-

keitsprogramm zuhanden des Kantons

wird ebenfalls noch diesen Herbst öf-

fentlich gemacht.

www.zh.ref.ch/a-z/jahresbericht

An einem Symposium bereiten sich die

Zürcher Pfarrerinnen auf das 50-Jahr-

Jubiläum der Frauenordination in der

Zürcher Landeskirche vor. Am Aus-

tauschtreffen am 1. Oktober diskutieren

die Pfarrerinnen darüber, was die Frau-

enordination der Kirche und der Gesell-

schaft gebracht hat und ob die Hoffnun-

gen von damals erfüllt worden sind.

Vor 50 Jahren, im Herbst 1962, lag der

Zürcher Kirchensynode der Entwurf

des neuen Kirchengesetzes zur Ver-

nehmlassung vor. Die Synode zeigte sich

erfreut, dass der Staat endlich vorsah,

das kirchliche Stimm- und Wahlrecht

für Frauen zu erlauben. 1918 hatte die

Kirche schon einmal Frauen ordiniert.

Damals hatte der Staat den Frauen die

Wahlfähigkeit zum Pfarramt verwehrt.

Nun kam es anders, und im November

1963 konnten im Zürcher Grossmünster

zwölf Frauen ordiniert werden.

1. Oktober, 14 bis 20 Uhr, Hirschengraben

50, Zürich. Informationen: sabine.

[email protected], Tel. 044 258 92 30.

Anmeldung: [email protected]

Pfarrerinnen-Symposium / Vor 50 Jahren grünes Licht für Frauenordination

Pfarrerinnen gibts in Zürich seit 50 Jahren.

Zeit, um zu feiern und um Bilanz zu ziehen.

Jahresbericht 2011 / Kirche legt gern Rechenschaft ab

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notabene 7 / 20126

Die Vorbereitungen für die traditionel-

len Kirchenbasare, die meist im Novem-

ber und Dezember stattfinden, laufen

derzeit auf Hochtouren. In rund vierzig

Zürcher Kirchgemeinden wird organi-

siert, gewerkelt, gestrickt und gehäm-

mert. Neben hochwertigen handwerkli-

chen Arbeiten und kulinarischen

Spezialitäten werden an einigen Orten

Antiquitäten, Bücher oder klassische

Flohmarkt-Produkte feilgeboten. Viel-

fältige Rahmenprogramme lassen die

Basare ausserdem zum Volksfest wer-

den.

Anregungen und letzte Tipps für die

Vorbereitungen holen sich die Basarmit-

arbeiterinnen bei einem Ausflug und

Austauschtreffen am 27. September. Die

Reise geht diesmal ins Missionshaus

nach Basel. Ein Grossteil der an den Ba-

saren erwirtschafteten Gelder fliesst in

Projekte kirchlicher Werke, eben auch

zum traditionsreichen reformierten Mis-

sionswerk in Basel. Der Besuch, zu dem

auch die Kollektenvereine eingeladen

sind, soll dazu dienen, die Arbeit von

mission 21 näher kennenzulernen.

Infos zur Basar-Arbeit erhalten Sie bei

Monika Hein, neue Ansprechpartnerin für

Basararbeit der Landeskirche, monika.

[email protected], Tel. 044 258 92 37. Eine

Liste der Kirchenbasare in den einzelnen

Gemeinden finden Sie unter: zh.ref.ch/

handlungsfelder/ds/diakonie-weltweit/

basare

Basare mit Qualität / Die guten Dinge gibt es noch

Vom Fiire mit de Chliine bis zum Konf-

Unti: Die Kirche begleitet Familien und

Kinder mit verschiedenen Angeboten

bis ins Erwachsenenleben. Wie die ein-

zelnen Angebote des religionspädagogi-

schen Gesamtkonzeptes (rpg) heissen,

welche Ziele und Themen sie in der je-

weiligen Altersstufe beinhalten, das wis-

sen viele Eltern nicht so genau. Um ih-

nen die nötigen Informationen zu

minichile, 3.-Klass-Unti, Club4 oder

Kolibri zu geben, gibt es zu allen Ange-

boten handliche Informationsblätter.

Sie können bei der Abteilung Kateche-

tik der Landeskirche gratis bestellt wer-

den. In der älteren (aber immer noch

aktuellen) Auflage gibt es sie als Einzel-

ausführungen zu jedem Angebot. Sie

erscheinen in einer neuen Auflage in Zu-

kunft als Gesamtübersicht (auf einem

Blatt) im neuen Erscheinungsbild.

Bestellung: [email protected],

Tel. 044 258 91 40

Unti / Wenn Eltern bei rpg nur Bahn-hof verstehen

Pfarrer und Pfarrerinnen können Hoch-

zeitspaare künftig nach der Trauung mit

einem Gutschein beschenken. Die Lan-

deskirche stellt künftig Geschenkgut-

scheine für Angebote der Paarbera-

tungsstelle PaarImPuls zur Verfügung.

Ziel des Geschenkes ist es, dass die Kir-

che dem Paar über den Hochzeitstag hi-

naus eine Anregung zur Gestaltung der

Paarbeziehung gibt. Die Paare können

diesen Gutschein im Lauf der ersten

fünf Jahre nach der Trauung für ein An-

gebot von PaarImPuls einlösen. Das

Angebot der Paarberatung im Kanton

Zürich (am dem sich auch die Kirchen

beteiligen) steht für aktive Beziehungs-

pflege.

PaarImPuls-Flyer liegen in jeder

Kirchgemeinde auf oder sind unter

www.paarimpuls.ch zu bestellen. Einge-

löste Flyer werden dann von den Kurs-

anbietern der reformierten Landeskir-

che in Rechnung gestellt.

Weitere Exemplare bestellen unter Tel.

044 258 91 40 oder gemeindedienste@

zh.ref.ch.

PaarImpuls / Geschenkgutschein zum Wohl der Hochzeitspaare

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Zwischen Sozialromantik und Repression / Betteln an der KirchentürIn jedem Pfarramt, auf jedem Gemeindesekretariat kennt man das Phänomen: Menschen klopfen an, und bitten um Geld. Wie reagieren wir auf Bettler? Wittern wir Betrug oder fühlen wir uns zu Hilfe ver-pflichtet? Persönliche Erfahrungen und praktische Massnahmen. Von Pfr. Thomas Schaufelberger

Ein Mensch tritt an mich heran und bit-

tet um etwas Kleingeld. Wie soll ich

mich verhalten? Gebe ich ein paar Mün-

zen oder lade ich zum Essen ein? Nach

welchen Kriterien gehe ich vor? Welche

Werte und Haltungen prägen mich da-

bei?

Wie geht es Ihnen in einer solchen Si-

tuation? – Mir wird es oft unwohl dabei.

Weshalb eigentlich? Einerseits, weil mich

die Not eines anderen Menschen be-

rührt. Anderseits aber auch, weil sie

mich unsicher macht. Ich bin Teil einer

Gesellschaft, welche nicht allen Men-

schen eine gesicherte Existenz ermög-

licht. Unwohl wird mir auch, weil ich

mich bedrängt fühle. Jemand hat eine

Beziehung zu mir aufgenommen, den

ich nicht kenne und den ich nicht genau

einschätzen kann.

Gleichzeitig bin ich geprägt von einer

christlichen Grundhaltung. Auch als Re-

formierter kenne ich die Legende vom

Heiligen Martin, der seinen Mantel ge-

teilt und einem Armen gegeben hat. Ich

habe den biblischen Josef in meiner

DNS, der Herberge suchte mit seiner

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Sind wir bereit, uns

ansprechen zu lassen?

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notabene 7 / 20128

schwangeren Frau. Und ich weiss um

die Gerichtsworte Jesu, welche die Rech-

ten und die Unrechten danach unter-

scheidet, ob sie bereit waren, Hungrigen

zu essen zu geben, Durstigen zu trinken

und Obdachlosen Herberge.

Radikale Nächstenliebe

Vielleicht hat mich auch eine Erfahrung

in den USA geprägt. 1996 habe ich in

Atlanta studiert – während der Olympi-

schen Spiele. Dort habe ich die Open

Door Community angetroffen, eine

kleine, reformierte Kirchgemeinde, wel-

che die Worte Jesu radikal ernst nimmt.

Das Kirchgemeindehaus war eine Art

Anlaufstelle für die Obdachlosen in At-

lanta. Täglich wurden Hunderte ver-

pflegt. Dutzende erhielten medizinische

Betreuung, neue Kleider, konnten sich

duschen. Sonntags waren Einzelne im

Gottesdienst dabei. Ich vergesse die Ge-

sichter dieser Menschen nicht mehr, die

jeweils am Montagmorgen zum Früh-

stück kamen. Hungrige und leidende

Menschen, die alles andere als pflege-

leicht waren.

Ron Jackson, der Leiter unseres Frei-

willigen-Teams, selber ein ehemaliger

Obdachloser und Drogendealer, hat uns

vor diesen Einsätzen – wir standen im

Kreis zusammen – immer eines einge-

schärft: «Versucht im Gesicht jedes

Menschen, der heute an euch vorbeizie-

hen wird, das Gesicht Jesu zu sehen.»

Armut wegsperren

Gleichzeitig vergesse ich auch nicht

mehr, wie hässlich die Stadt mit den

Bettlern umgegangen ist. Die Olympi-

schen Spiele standen vor der Tür. Coca-

Cola – Hauptsitz in Atlanta – war der

grosse Sponsor. Die Business Commu-

nity wollte der Welt eine saubere Stadt

präsentieren. Die Stadtregierung erliess

Sondergesetze, mit denen Hunderte von

Obdachlosen für einige Tage inhaftiert

werden konnten.

Was geht hier ab, habe ich mich ge-

fragt, weshalb wird die Armut wegge-

sperrt, statt nach Lösungen gesucht?

Und damit bin ich wieder bei mir selber

und in der Schweiz: Weshalb ist mir die

Begegnung mit einem Bettler unange-

nehm? Weshalb meinen die meisten

Kantone und viele Gemeinden, das Pro-

blem mit Bettelverboten zu lösen und

mit Repression?

Würde und Beziehung

Es kommen also unterschiedliche As-

pekte zusammen, wenn es um das Bet-

teln geht: Persönliche Werte, Beziehun-

gen zu Menschen in Not, gesellschaftliche

Dimensionen.

Aus theologischer Sicht ist zu beto-

nen, dass jeder Bettler, jede Bettlerin ein

Mensch ist, der eine nicht auslöschbare

Würde besitzt. Ein zweiter Punkt wird

mit der theologischen Brille noch schär-

fer sichtbar. Zwischen bettelnden Men-

schen und denen, die von ihnen ange-

sprochen werden, entsteht Beziehung

– wenn auch oft nur für ein paar Sekun-

den. Betteln ist ein kurzer Akt der Be-

gegnung: Wir können nicht ausweichen.

Bettler und Bettlerinnen konfrontieren

uns unmittelbar mit sozialen Fragen. Sie

führen uns vor Augen, dass das Problem

der Armut und der Verteilung von Gü-

tern gesamtgesellschaftlich nicht gelöst

ist. Sie demonstrieren die Lücken im so-

zialstaatlichen Netz. Oder sie verweigern

sich – wenn sie etwa das Betteln dem

Gang aufs Sozialamt vorziehen. In die-

sem Sinne sind Bettler und Bettlerinnen

widerspenstig. Sie rufen nicht nur das

Bewusstsein für Armut wach, sondern

auch das Bewusstsein für Ungleichheit.

Die Beziehung zwischen Bettlern und

Gebenden ist keine Beziehung unter

Gleichen. Die österreichische Theologin

und Sozialethikerin Maria Katharina

Moser schreibt dazu: «Betteln verlangt

nach ethischer Reflexion auf der Ebene

der Beziehung. Gerne hätten wir hier

Normen, die wir bloss anzuwenden

brauchten.» Allgemeine Regeln für den

direkten Umgang mit Bettlern zu fin-

den, funktioniert aber nicht. Zu unter-

schiedlich sind die Situationen. Deshalb

folgert sie treffend: «Was bleibt, ist die

Bereitschaft, mich ansprechen zu lassen

– und dabei die Autonomie, die Würde

der Person zu achten, die mich an-

spricht. Das bedeutet anzuerkennen,

dass die Person, die mich anspricht, ihre

eigenen Vorstellungen von einem guten

Leben hat, die sich wesentlich von mei-

nen Vorstellungen von einem guten Le-

ben unterscheiden können.»

Es braucht wohl immer – gerade auch

aus ethischer/theologischer Sicht – eine

Balance: eine Balance zwischen meiner

persönlichen Befindlichkeit und der Be-

findlichkeit des Bittstellers; eine Balance

zwischen einem menschenwürdigen

Umgang mit Bettlern und einem naiven

Umgang mit ihnen und eine Balance

zwischen Sozialromantik und Law-and-

Order-Politik.

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Wegschauen gilt nicht: Armut ist da, auch wenn wir sie nicht wahrhaben wollen.

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Wie reagieren an der Pfarrhaustüre?

Ein Abwägen gilt auch für einen

Umgang mit Bettelnden an der

Pfarrhaustüre: Eine allgemeingülti-

ge Lösung gibt es nicht. Ein men-

schenwürdiger Umgang mit bet-

telnden Menschen muss auf vier

Säulen basieren:

1. Prävention: glaubwürdiges En-

gagement in der Prävention. Dabei

geht es auch um die Bearbeitung

von migrations- und sozialpoliti-

schen Fragestellungen.

2. Therapeutische Angebote: Lö-

sungen suchen, die Lebenssituati-

on zu verändern, seelsorgerlich,

vernetzt mit anderen sozialen/the-

rapeutischen Stellen.

3. Überlebenshilfe und nieder-

schwellige Massnahmen: ein Mini-

mum an sozialer Integration und

menschenwürdiger Alltagsbewälti-

gung ermöglichen.

4. Polizeiliche Massnahmen: Weg-

weisung, Anzeige bei aggressivem

Betteln.

Sieben Grundsätze für Kirchgemeinden

1. Vernetzung

Verbindlich und bewusst mit Sozi-

alamt, Polizei, Jugendarbeit, Vor-

mundschaft, Schul-Sozialarbeit,

psychiatrischen und ärztlichen

Notfalldiensten Vernetzung su-

chen. Das Ziel dabei ist, dass sich

die Akteure kennen und schnell In-

formationen austauschen können.

2. Früherkennung und -intervention

Menschen in der eigenen Gemein-

de auf schwierige Entwicklungen

ansprechen, bevor es zum Notfall

kommt. Das bedingt den Mut, of-

fensiv Menschen in problemati-

schen Lebenssituationen anzu-

sprechen und mit ihnen einen Weg

zu gehen. Das ist eine seelsorgerli-

che Aufgabe, kann aber auch Wei-

terverweisen an andere Stellen be-

deuten.

3. Einheitliche Handhabe

Ein vereinbartes Vorgehen führt zu

einer Entlastung von Akteuren.

Beispielhaft dafür ist in der Stadt

Zürich das Projekt Yucca+: Die

Passantenhilfe, getragen von den

Landeskirchen, Stadtverbänden

und der Stadtmission, bedeutet

konkrete Entlastung für Kirchge-

meinden. Menschen, die kurzfristi-

ge existenzielle Hilfe suchen, fin-

den hier eine Anlaufstelle. Weitere

Infos: www.stadtmission.ch

4. Zeit statt Geld

Das direkte Gespräch suchen und

Bittstellende wahrnehmen. Wo

möglich gilt: Zeit statt Geld, Wahr-

nehmung statt rasches Vorbeige-

hen, Essen statt Essensgutscheine

.

5. Grenzen ziehen

Dazu gehört eine Schulung der Ak-

teure. Sie müssen wissen, wann

Grenzen erreicht sind und was zu

tun ist bei Grenzüberschreitung.

Ein Ablauf soll definiert sein, was

zu tun ist, wenn Grenzen über-

schritten werden, wann eine Weg-

weisung, ein Hausverbot ausge-

sprochen wird, wann die Polizei

benachrichtigt wird.

6. Interventionskonzept

Kirchgemeinden erarbeiten ein

Konzept im Umgang mit Bettlern

inkl. Informationen über Verweis-

stellen. Danach können sich alle,

Behörden und Mitarbeitenden

richten.

7. Unterstützung der Akteure mit

Supervision und Beratung

Vielfach können durch einfache

Massnahmen, Verhaltensweisen

und Kommunikationsstrategien

Bedrohung und Gewalt verhindert

werden.

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Bettler und Bettlerinnen konfrontieren uns unmittelbar mit sozialen Fragen.

Page 10: notabene 7/2012

notabene 7 / 201210

Kirchgemeinden / Fusionieren im grossen Stil?Der Kirchenrat fordert grössere und stärkere Kirchgemein-den. Der Bestand von heute 179 Gemeinden soll innerhalb der nächsten acht bis zehn Jahre auf die Hälfte bis einen Drittel reduziert werden. Die Kirchensynode debattiert die einschneidende Reform am 18. September. Von Christian Schenk

Stimmt die Kirchensynode dem Antrag

des Kirchenrats am 18. September zu,

dann kommt in der Zürcher Landeskir-

che einiges ins Rollen. Die Anzahl der

heute 179 Kirchgemeinden soll dann

durch Fusionen im grossen Stil mindes-

tens halbiert werden. Entstehen sollen

Kirchgemeinden mit rund 5000 Mitglie-

dern. Der Kirchenrat verspricht sich

eine Konzentration der Kräfte und

Spareffekte durch die Nutzung von Syn-

ergien, die optimale Voraussetzungen

schaffen für einen vielfältigen Gemein-

deaufbau. Nötig sei die Anpassung der

Strukturen, weil die Ressourcenfrage

immer drängender würde. Die seit Jah-

ren rückläufigen Mitgliederzahlen ver-

langten nach einer Konzentration der

Mittel.

Der Vorschlag des Kirchenrates ist die

Antwort auf ein Postulat, das die Kir-

chensynode im November 2010 über-

wiesen hat. Das Postulat, eingereicht

von Kurt Stäheli und fünf Mitunter-

zeichnenden, forderte vom Kirchenrat

einen Bericht, der aufzeigen sollte, wie

die übergemeindliche Zusammenarbeit

gefördert werden kann. Die Förderung

der übergemeindlichen Zusammenar-

beit sei ein dringendes Anliegen, um die

für die Gesamtkirche nötigen Einspa-

rungsmöglichkeiten zu schaffen. Ge-

linge die Zusammenarbeit, würde damit

auch der Druck zur Fusion verhindert.

Keine halben Sachen

Letztere Einschätzung teilt der Kirchen-

rat nicht. Fusionen sind aus seiner Sicht

die konsequentesten und effizientesten

Formen der übergemeindlichen Zusam-

menarbeit. In seiner Postulatsantwort

skizziert der Kirchenrat zwar auch weni-

ger verbindliche Modelle der Koopera-

tion zwischen Gemeinden, votiert dann

aber eindeutig für die Verschmelzung.

Möglich sind laut Kirchenrat vier

Modelle: Im Modell A sucht eine Kirch-

gemeinde themenbezogene Formen der

Zusammenarbeit mit Nachbargemein-

den. Modell B gestaltet die Zusammen-

arbeit durch eine Pfarrunion verbindli-

cher und dauerhafter. Modell C

beschreibt die Möglichkeit eines Zweck-

verbandes, in dem die Kirchgemeinden

immer noch ihre Autonomie bewahren,

aber Teile ihrer Kompetenzen einem

übergeordneten Verband abgeben. Alle

drei Modelle bringen Synergien. Modell

D aber, der Zusammenschluss, fasse alle

Vorteile zusammen, ohne die Nachteile

der Unverbindlichkeit respektive der

strukturellen Schwerfälligkeit und des

Demokratiedefizits zu übernehmen.

Postulant Kurt Stäheli, Liberale Frak-

tion, ist mit der Antwort des Kirchenra-

tes nur teilweise einverstanden. Er be-

grüsse es zwar, dass der Kirchenrat das

Problem aufgenommen und ihm die

richtige Bedeutung beigemessen habe,

aber die Idee der «forcierten Fusionen»

sei nicht in seinem Sinn. «Ich wehre

mich nicht gegen Fusionen», sagt der

Synodale aus Marthalen, «aber sie müs-

sen von der Basis her kommen und sie

brauchen Zeit». Der vorgeschlagene

Kurt Stäheli: «Forcierte Fusionen sind nicht in meinem Sinn.»

Zeitplan sei zu

ambitioniert und

die Richtgrösse

von 5000 Mitglie-

dern wenig sinn-

voll. «Wir können

nicht alles über ei-

nen Leisten schla-

gen. Wir müssen die

örtlichen Gegeben-

heiten stärker beach-

ten.» Kurt Stäheli favori-

siert deshalb die Modelle A

bis C, die dann langfristig auch

in eine Fusion münden können.

Zehn Jahre Zeit

Für Diskussionsstoff in der nächsten

Kirchensynode ist also gesorgt. Gibt das

Kirchenparlament am 18. September

aber grünes Licht, sollen bereits 2013 die

Projektorganisation aufgebaut und Zu-

sammenschlüsse skizziert sein. Es wer-

den dann Beratungsinstrumente,

Prozessabläufe und Masterpläne

erarbeitet. 2014 bis 2018 sollen

die Kirchgemeinden dann die

Weichen für ihre Partnerschaften

definitiv stellen. Es ist an ihnen,

die Zusammenarbeit mit ihren

Nachbargemeinden zu gestalten.

Die Kirchensynode muss dann zu den

einzelnen Zusammenschlüssen ihre Zu-

stimmung geben. Sie kann, wenn sich

einzelne Gemeinden der Reform ver-

schliessen, auch einen gewissen Druck

ausüben und sie zur Anhörung laden.

Geht es nach dem Zeitplan des Kirchen-

rates, sollten die Fusionen oder Koope-

rationen innerhalb von acht bis zehn

Jahren vollzogen sein.

Politische Gemeinden des

Kantons Zürich. Und wie

sieht die Landkarte der

Kirche künftig aus?

Page 11: notabene 7/2012

notabene 7 / 2012 11

Foto: Wikipedia / Tschubby

Michel Müller, Kirchgemeinden sollen

nach Möglichkeit Fusionen ins Auge

fassen und eine Richtgrösse von 5000

Mitgliedern anvisieren – ist der Druck

so stark, dass der Kirchenrat zu solch

grossen Schritten rät?

Wenn wir nichts machen, wird der

Druck immer grösser. Der Druck ist da,

einerseits durch den Mitgliederschwund,

anderseits durch die vermehrten Aufga-

ben, die die Kirchgemeinden durch die

architektonische Zentrum eines Dorfes.

Wir wollen sie nicht schliessen. Aber es

muss dort ja nicht jeden Sonntag ein

Gottesdienst stattfinden. Wir können

uns nicht verzetteln mit parallel stattfin-

denden Gottesdiensten, in denen dann

nur 10 oder 20 Personen sitzen.

Der Gestaltungsspielraum in kleinen

Gemeinden ist relativ gross und direkt

und deshalb auch attraktiv. Müssen Sie

deshalb nicht mit Gegenwind aus klei-

neren Gemeinden rechnen?

Ich halte den gegenwärtigen Gestal-

tungsspielraum kleiner Gemeinden

nicht für sehr gross. Viele sind ja in gro-

ssem Umfang von den Leistungen der

Landeskirche abhängig. Und sie sind

mit den Pflichtaufgaben so ausgelastet,

dass für andere Projekte weder Zeit

noch Mittel vorhanden sind. Die Mitar-

beit in der Kirchenpflege dürfte in grö-

sseren Kirchgemeindeeinheiten attrakti-

ver sein. Man hat dann mehr Mittel zur

Verfügung, um auch einmal ein grösse-

res Projekt zu stemmen.

Werden kleinere Orte in den Grossge-

meinden denn überhaupt noch wahr-

genommen?

Viel eher, als wenn man so weiterfährt

wie bis jetzt. Sie können sich ja bei ein-

zelnen Veranstaltungen den ganzen Re-

sonanzkörper der Grossgemeinde zu

Nutzen machen.

Die Reform bringt grosse Veränderun-

gen. Wer sich im bisherigen Verband

wohlfühlt, ist nicht gewillt, sie mitzutra-

gen. Wie gehen Sie mit Widerstand um?

Ich habe Verständnis für die Ängste,

wenn man das Vertraute verliert. Ich

weiss, dass die Veränderungen viel Ener-

gie kosten. Ich hoffe, dass der Wider-

stand nicht in innere Emigration und

Gleichgültigkeit mündet. Wir versuchen

dem zu begegnen, indem wir den Ge-

meinden Planungssicherheit für die

nächsten Jahre geben, Perspektiven er-

öffnen und Unterstützung in techni-

schen Fragen zusagen. Für innovative

Geister wird es attraktiver, mitzuarbei-

ten. Die Zusammenschlüsse eröffnen

mehr Spielräume auf einer grösseren

Wiese – auch für die Mitarbeitenden.

Dann heisst es: Freiheit ergreifen, ganz

nach dem Motto der Legislaturziele!

Entflechtung von Kirche und Staat zu

bewältigen haben. Man könnte nun zwar

schon kleinere Schritte tun, dann he-

chelt man der Entwicklung aber immer

hinterher. Deshalb rät der Kirchenrat

jetzt zu dieser Reform, die dann auch

wieder mehr Luft und mehr Perspekti-

ven schafft.

Mit der Kirchenordnung, die vor zwei

Jahren in Kraft getreten ist, hat man

das Territorialprinzip und die Feinver-

teilung auch mit kleinen Gemeinden

nochmals bestätigt. Ist es nun plötzlich

doch überholt?

Die Kirchenordnung hat den Bestand

der Kirchgemeinden nicht angetastet,

weil man die Reform nicht über den

Gesetzestext einleiten und das Fuder

nicht überladen wollte. Die Kirchge-

meinden können jetzt aus eigener Ini-

tiative die nötigen Veränderungen und

Zusammenschlüsse vornehmen und

werden nicht von oben dazu genötigt.

Seit man mit der Revision der Kirchen-

ordnung begonnen hat, sind ausserdem

schon einige Jahre vergangen. Jahre, in

denen man ständig Mitglieder verloren

hat. Jetzt ist die Zeit, sich

der Situation zu stellen.

Aber zum Territorialprin-

zip: Es ist mir wichtig zu be-

tonen, dass das erhalten

bleibt. Es stützt sich jedoch

nicht mehr auf der Glei-

chung ab, politische Gemeinde gleich

Kirchgemeinde. Die Grenzen werden

grösser gezogen, so, wie es einige Kreis-

kirchgemeinden bereits seit langem

praktizieren.

Gemeindezusammenschlüsse bringen

Effizienzsteigerung und Sparpotenzial.

Ist dieser Gewinn aber nicht mit einer

Entfremdung der Menschen von der lo-

kal verankerten Kirche erkauft?

Wenn die Identifikation der Mitglieder

mit der Kirche vor Ort wirklich noch so

stark wäre, dann hätten wir ja nicht die

jetzigen Probleme. Klar, die Kirche muss

im Dorf bleiben, aber vielleicht nicht in

allen Handlungsfeldern gleich stark.

Kindern in kleinen Dörfern mutet man

ja auch zu, den Kindergarten und die

Schule auswärts zu besuchen. Das kön-

nen wir beispielsweise auch beim rpg so

machen. Kirchen bleiben ausserdem das

Michel Müller: «Wenn wir nichts machen, wird der Druck immer grösser.»

Page 12: notabene 7/2012

notabene 7 / 201212

Kirchenpolitiker und Mensch / Abschied von Ruedi ReichRund 700 Trauergäste haben am 22. August in einem Got-tesdienst im Grossmünster Abschied von Ruedi Reich genommen. Der ehemalige Kirchenratspräsident ist am 12. August im Alter von 67 Jahren nach langer, schwerer Krankheit gestorben. Von Christian Schenk

Während 17 Jahren stand Ruedi Reich

der Zürcher Kirche vor. 1993 wurde der

damalige Pfarrer von Marthalen zum

Kirchenratspräsidenten der reformier-

ten Landeskirche gewählt. Bereits seit

1983 hatte er als Mitglied des Kirchenra-

tes Verantwortung für die Leitung der

Zürcher Kirche übernommen. Im

Herbst 2010 zwang ihn eine schwere Er-

krankung zum Rücktritt. Er sollte sich

davon nie mehr gänzlich erholen. Am

12. August starb der Vater von vier Kin-

dern und Grossvater von vier Enkeln im

Alter von 67 Jahren in Zürich.

Glaube ist nicht privat

Lässt man die Amtszeit von Ruedi Reich

in der kirchlichen Exekutive Revue pas-

sieren, sticht die Neuregelung des Ver-

hältnisses von Kirche und Staat beson-

ders ins Auge. Drei Monate vor seinem

Amtsantritt als Kirchenratspräsident

wurde in Zürich die Volksinitiative zur

Trennung von Kirche und Staat einge-

reicht. Dass die Landeskirche ihren öf-

fentlich-rechtlichen Status verlieren und

nur noch Privatangelegenheit sein sollte,

wollte sich Ruedi Reich nie vorstellen.

«Christlichen Glauben kann man nie

anders verstehen, als dass er Gemein-

schaft stiftet und dass er in der Gemein-

schaft Verantwortung übernimmt.» Die-

ser Meinung waren schliesslich auch

zwei Drittel der Stimmberechtigten im

Kanton und schickten die Trennungsini-

Page 13: notabene 7/2012

notabene 7 / 2012 13

tiative 1995 an der Urne bachab. Trotz

des deutlichen Votums für die Volkskir-

che zeichnete sich ab, dass die Kirchen

ihre öffentlich-rechtliche Anerkennung

anders legitimieren müssen, wenn die

Zugehörigkeit zur Kirche keine Selbst-

verständlichkeit mehr ist.

Wie schwierig dieser Prozess werden

würde, zeigte sich 2003. Verfassungsän-

derungen, ein Kirchengesetz und ein

Gesetz über die Anerkennung von Reli-

gionsgemeinschaften scheiterten am

Volkswillen. Der Kirchenrat war ange-

sichts dieses Scherbenhaufens gefordert.

Jammern mochte der Kirchenratspräsi-

dent deswegen nicht: «Die Leute sind

zwar kirchen- und institutionskritisch»,

sagte Ruedi Reich im selben Jahr in einer

Predigt, «aber sie sind unheilbar reli-

giös». Es gelte die Spannungen der

volkskirchlichen Realität auszuhalten

und immer auch für Menschen ausser-

halb der Kirchenmauern da zu sein.

Enge Kontakte mit der katholischen

Kirchenleitung und gute Zusammenar-

beit mit der Kantonsregierung legten die

Basis dafür, dass der Prozess der Neure-

gelung doch noch zu einem guten Ab-

schluss kam: 2006 trat die neue Kantons-

verfassung in Kraft. 2007 verabschiedete

der Kantonsrat ein neues Kirchengesetz.

2009 wurde die revidierte und an die

staatlichen Gesetze angepasste Kirchen-

ordnung vom reformierten Stimmvolk

angenommen.

Mehr Gemeinsames

Ein besonderes Anliegen war Ruedi

Reich die Ökumene. Er pflegte freund-

schaftliche Beziehungen mit der katholi-

schen Kirche und setzte sich aktiv für

gemeinsame, ökumenische Projekte wie

das Flughafen- und das Bahnhofpfarr-

amt ein. Wegweisend war in dieser Be-

ziehung der 1997 zusammen mit Weihbi-

schof Peter Henrici unterzeichnete

Ökumene-Brief. Er beginnt mit den

Worten: «Längst ist uns bewusst, dass

unsere Kirchen viel mehr miteinander

verbindet als trennt.» Brücken baute

Ruedi Reich aber auch zu anderen Reli-

gionsgemeinschaften. 2004 rief er den

Interreligiösen Runden Tisch ins Leben,

der der Verständigung unter den ver-

schiedenen Religionsgemeinschaften

dient.

Reformiertes Erbe

Bei der Diskussion um die zukünftige

Gestalt der Kirche verwies Ruedi Reich

oft auf die Impulse von Huldrych

Zwingli und Heinrich Bullinger. Dieses

theologische Erbe sei neu zu überdenken

und für die heutige Zeit fruchtbar zu

machen. Ruedi Reich stellte sich in die-

sem Sinn als verantwortungsbewusster

Amtsnachfolger von Zwingli und Bullin-

ger aber auch der dunklen Seite der Re-

formation: der damaligen Täuferverfol-

gung. Bei einem Versöhnungstag mit

den Nachfahren der Täufer im Rahmen

der Feierlichkeiten um den 500. Ge-

burtstag von Heinirch Bullinger nannte

er die Täuferverfolgung aus heutiger

Sicht «einen Verrat am Evangelium». Es

waren solche Momente, die deutlich

machten, dass Ruedi Reich nicht nur als

Kirchenpolitiker wirkte, sondern sein

Amt immer auch als Seelsorger aus-

füllte.

«Unsere Zeit ist geprägt vom Kult um die Jungen, Schönen und Reichen. Da müssen

Alter, Krankheit und Tod als Spielverderber erscheinen. Darum verdrängt unsere

Gesellschaft den Tod in die Abgeschiedenheit von Sterbezimmern. Und Beerdigun-

gen finden immer mehr im kleinen Kreis der Angehörigen statt. Der Tod soll unsere

Geschäftigkeit nicht stören. Wenn er kommt, ist es noch früh genug, sich ihm zu

stellen, sagt man. Doch dann ist es definitiv zu spät.»

«Sterben und Tod wird heute oft als schöne Reise in eine andere Welt idealisiert.

Sterben ist aber meistens etwas Hartes, dessen bin ich mir bewusst, sowohl aus dem

Miterleben des Todes von Angehörigen wie aus dem Begleiten von Sterbenden als

Seelsorger. Christlicher Glaube nimmt Sterben und Tod in seiner ganzen Härte

ernst. Liturgische Texte etwa sprechen vom bitteren Tod. Sterben bedeutet, alles,

auch sich selber, aus den Händen zu geben.»

«Ich glaube nicht, dass Menschen, die an das ewige Leben glauben, allein deshalb

leichter sterben. Auch für fromme Menschen ist das Sterben schwer. (…) Für mich

selber hoffe ich, dass mich mein Glaube in dieser äussersten Situation nicht verlässt.

Allerdings müssen wir als Menschen und Christen der Moderne zugeben, dass alle

konkreten Vorstellungen über das ewige Leben fragwürdig sind. Aber im Glauben

daran, dass ich diesseits und jenseits des Grabes in Gottes Händen bin, muss ich mir

heute nicht unendlich Sorgen machen und über das ewige Leben spekulieren.»

Auszüge aus: Ruedi Reich: Glauben, Zweifeln, Handeln.

Predigten und Gespräche. TVZ, 2004.

In einem Interview 2004 bedauerte Ruedi Reich die Tatsache,

dass Vergänglichkeit und Tod mehr und mehr verdrängt wür-

den. Und er äusserte sich persönlich zum Thema Sterben.

«Sich selber aus den Händen geben»

Geschätzt als Kirchenpolitiker und als MenschZahlreiche Vertreterinnen und Ver-

treter aus Kirchen, Religionsge-

meinschaften, Politik und Kultur

erwiesen dem langjährigen Kir-

chenratspräsidenten am Trauer-

gottesdienst die letzte Ehre. Unter

ihnen Markus Notter, ehemaliger

Zürcher Regierungsrat, Weihbi-

schof Peter Henrici, SEK-Ratsprä-

sident Gottfried Locher. Alle Wür-

digungen und Nachrufe finden Sie

verlinkt auf der Frontseite von

www.zh.ref.ch

Page 14: notabene 7/2012

notabene 7 / 201214

Illustrator Daniel Lienhard / «Ich mache mich über Sachen lustig, die mir Ernst sind»Drei Jahre lang zeichnete und überzeichnete Illustrator Daniel Lienhard das kirchliche Leben auf der letzten Seite des «notabene». Jetzt pausiert er mit seinen «Denkzetteln» und gewährt uns dafür einen Blick in sein Atelier und in seine mobile Ideenwerkstatt. Von Christian Schenk

Und sie brauchen halt doch Bilder, die

Reformierten. Sie brauchen Illustratio-

nen, die mehr sagen als Worte, sie brau-

chen Grafiken, die Übersicht schaffen,

sie brauchen Zeichnungen, die Hinter-

gründe oder auch einmal Abgründe

deutlich machen. Daniel Lienhard kann

dies alles umsetzen und ist deshalb als

Illustrator ein gefragter Mann in der re-

formierten Kirchenszene. Der gelernte

Grafiker und ehemalige Präsident der

Kirchgemeinde zu Predigern setzt mit

Fotos und Fotomontagen reformiertes

Kirchenleben in Szene, er illustriert The-

men für die Zeitung «reformiert.», ge-

staltet Broschüren und Programme für

das Kloster Kappel oder Werbemittel

für Kirchgemeinden. Und er illustrierte

eben auch seit gut drei Jahren die letzte

Seite von «notabene». Die kirchlichen

Lebenswelten, die Daniel Lienhard hier

inszenierte, liessen Jahrhunderte ver-

schwinden und verfältschten Stadtan-

sichten; sie liessen Reformatoren baden

gehen oder Freidenker Kirchengüggel

demontieren.

Daniel Lienhard, wie kommen Sie zu

Ihren Ideen?

Am ehesten beim Zugfahren. Am Pult

geht nichts. Ich leiste mir deshalb auch

ein 1.-Klass-GA.

Aber was passiert da in Ihrem Kopf?

Das Ganze hat etwas Unwägbares. Man

kann die Ideen nicht erzwingen, man

kann sie nicht machen. Das ist das

Schwierige daran, aber auch das Span-

nende. Ich weiss nie, ob der Geistesblitz

kommt. Und ich fürchte mich davor,

wenn es einmal nicht mehr funktioniert.

Aber genau das ist der Kick, der mich

meinen Job auch nach dreissig Jahren

noch lieben lässt.

Trotz der Liebe zum Bild sind Ihre Illus-

trationen oft mit Worten kombiniert.

Typisch reformiert?

Vielleicht schon. Ich mag es, wenn meine

Arbeit auch mit Sprache zu tun hat. Le-

sen inspiriert mich. In Texten findet

man Bruchstücke, aus denen Ideen und

schliesslich auch Bilder entstehen.

Sie kennen das Kirchenleben aus Er-

fahrung. Sie waren schon als 34-Jähri-

ger Kirchenpflegepräsident. Sind Sie

speziell religiös?

Nein. Ich bin unkirchlich aufgewachsen.

Religion und Spiritualität waren bei uns

schon präsent, aber der kirchlichen Insti-

tution standen wir fern. Ich zog dann als

junger Mensch in ein Haus am Rinder-

markt, das der Kirchgemeinde zu Predi-

gern gehörte. Bald wurde ich angefragt,

ob ich in der Kirchenpflege mitmachen

würde. Damals dachte ich, die Kirche als

Institution geht sowieso demnächst ein.

Da hat es mich gereizt, ganz unbeschwert

mitzumachen. Und ich habe gesehen,

wie viel man bewegen kann. Aus dieser

Zeit kommt auch mein Zugang zu religi-

ösen Themen als Grafiker.

Was fasziniert Sie daran?

Mich interessiert am meisten, dass die

Menschen rund um die paar Fragen, auf

die sie keine Antworten haben, so viele

Formen entwickelt haben. Das Religiöse

hat mich immer fasziniert. Auch das

Mönchische, die Radikalität dieser Le-

bensform.

Zwingli an der Streetparade, Maria im

Intercity, Luther vor dem AKW – Sie

transportieren gern religiöse Figuren in

die Gegenwart. Warum dieser Transfer

durch die Zeiten?

Zwingli und Bullinger am Baden: Am elektronischen Zeichenbrett kreiert Daniel Lienhard

die perfekte Illusion und holt historische Figuren in die Gegenwart.

Page 15: notabene 7/2012

notabene 7 / 2012 15

Faszinierend ist, dass die jahrhunderte-

alten Figuren manchmal so wunderbar

in die Gegenwart passen, dass ich an der

Körperhaltung eines romanischen Evan-

gelisten nichts ändern muss, wenn ich

ihn in den Sessel eines Intercity-Zugs

setze. Für mich spielt es keine Rolle, ob

die Figuren aus der Renaissance oder

dem Barock sind. Wenn sie gut gestaltet

sind, spielen Zeitalter keine Rolle.

Heisst das, der Mensch bleibt immer

gleich?

Besteht nicht der grösste Teil der Ent-

wicklung des Menschen aus Kulissen-

schieben? Die wesentlichen Probleme

bleiben gleich. Ich bin auf der Suche

nach dem Allgemeinmenschlichen. Es

mag gewissen Leuten als respektlos er-

scheinen, wenn bei einer Illustration der

Zwingli oben ohne im Zürichsee steht,

aber für mich ist das keine Provokation.

Jesus kann in Ihren Bildern also gut

auch im Zürcher HB auftauchen?

Ja klar. Und wissen Sie: Kunstgeschicht-

lich war das – zumindest bis zum Barock

– immer so, dass die Figuren in die je-

weilige Zeit geholt worden sind. Heute

würde es fast schon als Blasphemie gel-

ten, wenn ich Jesus in Jeans darstellen

würde. Früher war es gang und gäbe,

dass man biblische Figuren in zeitgenös-

sischen Kleidern darstellte. Das war eine

Übersetzungsarbeit.

Wie viel Respekt ist nötig, und wie viel

Witz darf man der Religion zumuten?

Die Sachen, die einem ganz wichtig sind,

über die muss man auch lachen können.

Ich mache mich gern über Sachen lustig,

die mir auch Ernst sind und mit denen

ich mich auskenne. Ich nehme deshalb

lieber meine eigene Konfession aufs

Korn. Ansonsten ist die Sache schon

ziemlich heikel. Und der Spielraum ist

enger geworden, nicht nur im Religiö-

sen, sondern im ganzen Einflussbereich

der Political Correctness.

Kaum eine Rubrik hat im «notabene»

so viele Leserbriefe ausgelöst wie Ihre

Illustrationen. Bilder haben eine spezi-

elle Kraft ...

Ja, das ist so, weil man mit einem Bild

keinen Nebensatz machen kann, weil

man kein Bild in Anführungszeichen

malen kann. Bilder wirken sofort. Asso-

ziationen, die ein Bild auslösen, kann

man nicht ungeschehen machen.

Weitere Illustrationen von Daniel Lienhard

finden Sie auf der letzen Seite dieser

Nummer und in einer Web-Galerie auf

www.zh.ref.ch. Viel Spass!

Calvin im Deux-Chevaux: Der Genfer Reformator fährt zu seinem 500-Jahr-

Jubiläum fürs «notabene» in die Zürcher Gegenwart.

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Page 16: notabene 7/2012

16 notabene 7 / 2012

Themen und Termine

Verkündigung &

Gottesdienst

Pfarrerinnen-Symposium 2012

Pfarrerinnen der Zürcher

Landeskirche treffen sich zum

Symposium mit Podium und

Referaten am Vorabend des

50-Jahr-Jubiläums der

Frauenordination in der Zürcher

Kirche.

1. Oktober, 14 bis 20 Uhr. Hir-

schengraben 50, Zürich. Anmel-

dung an: [email protected]

fresh expressions – Impuls-Tagung

Erfri-

schende

Beziehun-

gen und

experimentelle Formen für die

Kirche von morgen. Eine erfri-

schende Kirche und kreative

Begegnungen mit Menschen,

die bisher wenig mit dem Evan-

gelium am Hut hatten. Unge-

wöhnliche Formen und Grup-

penprozesse, frei von

bisherigen Strukturen und doch

im Glauben der Kirche einge-

bunden. Das bietet die Bewe-

gung fresh expressions of

church, die in England im Rah-

men der anglikanischen Kirche

entstanden ist. Anfang Novem-

ber findet in Zürich eine Impuls-

Tagung zum Thema statt. Ver-

anstaltet wird die Tagung in

Kooperation mit der Evang.-ref.

Landeskirche des Kantons

Zürich, a+w Aus– und Weiterbil-

dung der evang.-ref. Pfarrerin-

nen und Pfarrer, dem Verband

der stadtzürcherischen evange-

lisch-reformierten Kirchge-

meinde, dem Institut für

Gemeindebau und Weltmission

(International), Zürich und der

evang.-methodistische Kirche

der Schweiz.

Samstag, 3. November, 10 bis 16

Uhr, Zürich, Bullinger Kirche,

Hard. Infos und Anmeldung:

www.weiterbildungkirche.ch/

kurse/12-85

www.freshexpressions.ch

Diakonie &

Seelsorge

Kappeler Kirchentagung 2013

Die Diakonie steht im Zentrum

der Kappeler Kirchentagung

2013. Der Anlass, der bis anhin

unter dem Titel Kirchenpflege-

tagungen zu Jahresbeginn auf

Boldern stattgefunden hat, geht

von Januar bis März 2013 erst-

mals im Kloster Kappel über die

Bühne. Die Anmeldungsfrist

läuft:

Daten: 18./19. Januar, 25./26.

Januar, 1./2. Februar, 8./9. März,

15./16. März, 22./23. März, jeweils

von Freitag 16 Uhr bis Samstag,

16.15 Uhr. Infos und Anmeldung:

www.zh.ref.ch/kirchentagung

Den Islam besser verstehen

Dieser Kurs will die zahlreichen

Schnittstellen, an denen sich

christlich und muslimisch

geprägte Lebensweisen begeg-

nen und aktuelle Fragen zur

Diskussion stellen. Kursleiterin-

nen: Hanna Kandal-Stierstadt

und Busra Küçükkaya.

• 19. September: Der Islam

beeinflusst europäische Kultur

und Geschichte seit dem Mit-

telalter.

• 26. September: Grundlagen

des islamischen Glaubens –

Einführung in Theologie und

Ethik.

• 3. Oktober: Islamisches Leben

in Zürich.

Jeweils 19 bis 21 Uhr, Hirschen-

graben 50, Zürich. Anmeldung:

Monika Hein, Tel. 044 258 92 37.

www.zh.ref.ch/oeme

Trainingszyklus «Konflikte wagen – gewaltfrei!»

Ziel des Trainingszyklus ist es,

in praktischen Übungen zu kon-

kreten Konfliktbeispielen unsere

eigenen Konfliktmuster zu prü-

fen und kreative Verhaltenswei-

sen zu entdecken und einzu-

üben. Ziel ist ein gewaltfreier

Umgang mit Konflikten. Lei-

tung: Angela Tsering (Forum für

Friedenserziehung).

Sechs Samstage: 27. Oktober, 17.

November, 8. Dezember, 19.

Januar, 2. März, 6. April 2013. Hir-

schengraben 50, Zürich. Kosten:

Fr. 900.– (für 6 Kurstage). Anmel-

dung: [email protected],

Tel. 044 258 92 37.

www.zh.ref.ch/oeme

Bildung &

Spiritualität

Hilfe – was treiben die Kinder im Netz?!

Konstruktive Unterrichtspraxis

mit Neuen Medien. Leitung:

Joachim Zahn, (Medienpäda-

goge), Katharina Sigel.

27. September, 18 bis 21 Uhr.

Hirschengraben 50, Zürich.

Anmeldung: [email protected],

Tel. 044 258 92 45

Frauentreff am Lindentor

Der Gang ins Reich der Frau

Holle: Märchen und Mythen.

Mit Hanna Hadorn, Psychologin

und Theologin, Zürich.

Mittwoch, 26. September, 14.30

bis 16.15 Uhr. Hirschengraben 7,

Zürich

Zmorge-Treff für Frauen

«Safran, Schmalz und Suppen-

wunder – Essen und Trinken in

Winterthur vom 16. bis 20.

Jahrhundert». Zwei Referentin-

nen des Vereins Frauenstadt-

rundgang Winterthur berichten

und präsentieren uns Währ-

schaftes, Bekömmliches und

auch manchen Leckerbissen.

Samstag, 29. September, 9 bis 11

Uhr. Frühstück und Referat: Fr.

20.–. Hotel/Restaurant Krone,

Markgasse 49, Winterthur.

www.vefz.ch

Bedingungsloses Grundeinkommen?

Podiumsdiskussion. Leitung:

Jeannette Behringer, Fachstelle

Gesellschaft & Ethik. Mit Daniel

Häni, Initiative Grundeinkom-

men; Antje Schrupp, Politikwis-

senschaftlerin und Journalistin;

Carsten Köllmann, Philosoph;

Nele Pintelon, Homöopathin.

18. Oktober, 18 bis 21 Uhr. Zent-

rum Karl der Grosse, Kirchgasse

14, Zürich

Frauensynode – ein Jahr danach

Vor gut einem Jahr, am 21. Mai

2011, hat in Zürich die 5.

Schweizerische Frauensynode

stattgefunden. Über 650 Frauen

erlebten und diskutierten Wert-

schöpfung in profilierten Wort-

beiträgen und unterschiedli-

chen Workshops. Wer sich

noch einmal in Frauensynoden-

Stimmung versetzen lassen

oder Grussworte und Referate

nachlesen möchte, kann dies

noch immer auf der Website

tun. Geplant ist ausserdem die-

sen November die Herausgabe

eines Buches, das die wichtigs-

ten Beiträge gesammelt hat.

Vernissage: 20. November, 18

Uhr. Hirschengraben 7, Zürich.

www.frauensynode.ch

«PaarImPuls»-Tag 2012

Ein Tag zum Innehalten und

sich mit anderen zusammen

fragen: Was bedeutet uns Part-

nerschaft und Beziehung, wie

wollen wir diese leben, welche

Werte sind uns wichtig und wie

machen das andere Paare?

29. September, 8.45 bis 13.30 Uhr.

Kirchgemeindehaus, Liebestra-

sse 3, Winterthur.

www.paarimpuls.ch

Page 17: notabene 7/2012

17notabene 7 / 2012

Gemeindeaufbau &

Leitung

Verzeichnis der Informationsbestände: Handreichung

Die Kantonsverfassung und das

Informations- und Datenschutz-

gesetz schreiben vor, dass alles

behördliche Handeln mit einzel-

nen Ausnahmen transparent

und öffentlich zugänglich sein

muss. Gemäss dem Öffentlich-

keitsprinzip sind auch die

Kirchgemeinden verpflichtet,

über die bei ihr vorhanden

Informationen und Personenda-

ten ein Verzeichnis zu führen.

Dieses muss Angaben über die

Aufgaben der Kirchgemeinde,

über deren Informationsverwal-

tung, zu den aktuellen Informa-

tionsbeständen, zu den Archi-

ven und zum Zugang zu den

Informationen enthalten. Der

Rechtsdienst des Kirchenrates

hat zur Unterstützung der

Kirchgemeinden eine Handrei-

chung «Verzeichnis der Infor-

mationsbestände» erarbeitet.

Diese Handreichung enthält

eine Anleitung zur Erstellung

eines solchen Verzeichnisses

sowie eine Mustervorlage.

Die Handreichung mit Muster fin-

det sich unter: www.zh.ref.ch >

Handlungsfelder > Gemeindeauf-

bau und Leitung > Behörden >

Downloads > Kirchenpflege.

Die Redaktion des «reformiert.lokal» verbessern

Wie journalistische Texte und

Bilder zu einem lesefreundli-

chen Resultat vereint werden

können. Leitung: Daniel Kolb

(www.kolbgrafik.ch); Kurt Blum

(www.reformiert.info); Christian

Schenk, Simone Strohm (www.

zh.ref.ch/kommunikation)

21. September, 9 bis 13 Uhr. Hir-

schengraben 7, Zürich. Anmel-

dung: [email protected],

Tel. 044 258 91 40

ZMS für Fortgeschrittene

So optimieren Sie Ihre ZMS-

Website.

22. September, 9 bis 16 Uhr. Tech-

noparkstrasse 1, Zürich. Anmel-

dung: [email protected],

Tel. 044 258 91 40

Social Media

Facebook, Twitter & Co. für Ihre

Kirchgemeinde?

Online bleibt die Bibliothek h50

weiterhin geöffnet:

www.bibliothekenderkirchen.ch

Kloster Kappel

Tagung «Als die Schweiz fast auseinander fiel»

Eidg. Dank-, Buss-, und Bettag.

300 Jahre 2. Villmergerkrieg –

und: Was hält die Schweiz

heute zusammen? Mit Regie-

rungsrat Martin Graf, Kirchen-

ratspräsident Michel Müller u.a.

16. September

Musik und Wort

A Cappella–Chor Zürich: geistli-

che Chormusik des 16. und 17.

Jahrhunderts. Eintritt frei/Kol-

lekte.

16. September, 17.15 Uhr

LAufmerksamkeit

Ein Pilgerweg von Zürich über

den Albiskamm nach Kappel

am Albis. Treffpunkt: in der

Krypta des Grossmünsters.

Informationen: Pilgerzentrum

St. Jakob, Tel. 044 242 89 15.

16. September, 9.30 Uhr

Der Leib sei der Angelpunkt des Heils

Kontemplation und personale

Leibarbeit. Ute Monika Schelb.

21. bis 23. September

Musik und Wort

«Herbscht-Gedanke» mit dem

Jodlerklub am Albis; Heinz

Maag, Klavier /Bassgeige;

Ignaz Meier, Handorgel; Emil

Jud, Solojodler; Sepp Limacher,

Schwyzerörgeli; Ursula Hauser,

Orgel; Lesungen: Markus Sahli.

Eintritt frei/Kollekte.

30. September, 17.15 Uhr

Die befreiende Kraft des Schreibens

Die eigene Geschichte ist Teil

der Menschheitsgeschichte.

Angela Croce.

6. bis 7. Oktober

Meditatives Tanzen

«Herbstschätze – Lebens-

schätze». Rita Kaelin-Rota.

7. Oktober

Oasen intimer Zwiesprache mit Gott schaffen

Einübung in eine persönliche

Gebetsform. Lukas Niederberger.

12. bis 14. Oktober

Wege in die Stille

Eintauchen in die Stille und

Kraft des Klosters mit Musik

und Kontemplation. Helge

Burggrabe.

19. bis 21. Oktober

Das Licht bewirten

Übungstage Kontemplation.

Peter Wild.

20. bis 21. Oktober

Frauen im Gespräch

Auseinandersetzung mit The-

men, die das Leben bringt.

Kursreihe. Margret Surdmann.

Start: 23. Oktober

Der Weg der Stimme

Meditation mit Gregorianischen

Gesängen. Dana G. Stratil.

26. bis 28. Oktober

Auf Treu und Glauben

Vertrauenskultur auf dem Prüf-

stand. Begegnungen zum

Reformationssonntag 2012.

Die Veranstaltungen in Kappel

und im Grossmünster sollen

einen Diskussionsbeitrag leis-

ten zu einem Thema, das Ver-

antwortungsträgerinnen und

-träger in Gesellschaft, Politik

und Wirtschaft beschäftigt: Was

bedeutet «Treu und Glauben» in

der heutigen Zeit? Wie können

traditionelle Werte neu verstan-

den werden? Sind sie mehr als

nur Zeichen eines neuen Kon-

servatismus? Referate von

Daniel Hell, Professor für Klini-

sche Psychiatrie; Pierre Bühler,

Professor für systematische

Theologie und Regina Aebi-

Müller, Fürsprecherin und Pro-

fessorin für Privatrecht.

Freitag bis Sonntag, 2. bis 4.

November, Grossmünster Zürich

und Kloster Kappel

Auskunft/Anmeldung:

Tel. 044 764 88 30

www.klosterkappel.ch

27. September, 18 bis 21 Uhr. Hir-

schengraben 50, Zürich. Anmel-

dung: [email protected],

Tel. 044 258 91 40

Leitung Gemeindekonvent

Guten Tritt fassen in einer

neuen Rolle. Der vierteilige Kurs

führt in die neue Funktion ein,

übt die Zusammenarbeit mit

dem Präsidium, vermittelt das

Handwerk einer guten Kon-

ventsleitung und hilft die Rolle

zu klären. Leitung: Samuel

Jakob und Karl Flückiger.

Ab 23. Oktober. Hirschengraben

50, Zürich. Anmeldung:

[email protected],

Tel. 044 258 92 36

Junge Erwachsene als Freiwillige

Die Teilnehmenden erkennen

Bedürfnisse junger Erwachse-

ner in Bezug auf Freiwilligenar-

beit. Sie erkennen die Ressour-

cen und Möglichkeiten der

Partizipazion in ihrer Kirchge-

meinde. Leitung: Fränzi Dürst

(Fachstelle Freiwilligenarbeit),

Barbara Schleuniger (Fachstelle

Jugend und Konfirmantionsar-

beit).

23. Oktober, 17 bis 20 Uhr. Hir-

schengraben 7, Zürich. Anmel-

dung: Tel. 044 258 92 66,

[email protected]

Bibliothek h50 wird

zu «relimedia»

Die Bibliothek am Hirschengra-

ben 50 ist noch bis zum 28.

September zu den gewohnten

Öffnungszeiten zugänglich.

Vom 1. Oktober bis zum 1.

November ist keine Ausleihe

möglich. Ab dem Freitag, 2.

November, steht der Bestand

am Zeltweg 21/Gemeindestra-

sse 11 im «relimedia» zusam-

men mit den Beständen der

katholischen Fachbibliothek

und des Medienladens für Sie

wieder zur Ausleihe bereit. In

den Sommerferien haben wir

unseren Bestand gesichtet. Die

ausgeschiedenen Bücher kön-

nen Sie nun gerne mitnehmen.

Page 18: notabene 7/2012

18 notabene 7 / 2012

Von und für

Gemeinden

Lebenskunst+Totentanz

Totentänze vom Mittelalter bis

zur Gegenwart. Eine Ausstel-

lung mit Begleitveranstaltungen

1. September bis 25. Novem-

ber. Die Ausstellung mit künst-

lerischen Arbeiten aus sieben

Jahrhunderten lädt zur Ausein-

andersetzung mit der Vergäng-

lichkeit des menschlichen

Daseins ein. Neben der ins Mit-

telalter zurückführenden Dar-

stellungsform des Totentanzes

zeigen moderne Ausdrucksfor-

men in Film, Tanz, Theater und

Literatur die zeitlose Aktualität

eines Themas auf, das Men-

schen berührt wie kaum ein

anderes.

Öffnungszeiten: Montag bis

Samstag 8 bis 18 Uhr, Sonntag 9

bis 12 Uhr. Hohlandstrasse 7,

Winterthur. www.toten-tanz.ch

Flüchtlinge: Verantwortung aus christlicher Sicht

Themen-Sonntag. Gottes-

dienst, Dokumentationsfilm,

Podiumsdiskusion.

Sonntag, 23. September, 10 bis 16

Uhr. Reformierte Kirche, Zürich

Höngg.

Eröffnung Friedhof Forum

Die Stadt Zürich hat ein neues

Kultur- und Servicezentrum:

das Friedhof Forum. Am 22.

September eröffnet die kleine

Institution ihr Büro im linken

Flügel des Torgebäudes zum

Friedhof Sihlfeld an der Aemt-

lerstrasse. Personen, die sich

für die Themen Sterben, Tod,

Bestatten und Trauern interes-

sieren, will das Friedhof Forum

eine zentrale Anlaufstelle sein.

Neben der Eröffnungsfeier sind

bereits zahlreiche weitere Ver-

anstaltungen und Führungen

geplant.

Alle Infos: www.stadt-zuerich.ch/

friedhofforum

Ordinationen

In einem öffentlichen Gottes-

dienst im Grossmünster sind

am 19. August fünf Pfarrerinnen

und fünf Pfarrer zum Dienst in

der Landeskirche zugelassen

worden. Ordiniert wurden:

Barbara Amon Betschart

Elisabeth Armingeon

Jörg Ebert Wyttenbach

Ueli Flachsmann

Stefan Huber

Stefanie Keller

Ulrike Marx

Richard Mauersberger

Peter Raich

Christina A. Reuter

Stellenmarkt

Vakante Pfarrstellen

Altikon-Thalheim 1.08.13

Bassersdorf 1.08.12

Buch am Irchel, 70% 1.08.09

Buchs 1.07.12

Dorf, 70% 1.09.11

Dübendorf 1.07.12

Ellikon an der Thur, 70% 1.05.11

Fehraltorf, 50%, EPS* 1.05.11

Fehraltorf 1.09.11

Herrliberg 1.10.12

Hombrechtikon 1.07.10

Kyburg, 60% 1.07.12

Meilen 1.07.12

Mönchaltorf 1.09.11

Rafz 1.08.12

Regensdorf 1.10.10

Rheinau, 70% 1.07.12

Rümlang 1.03.12

Rümlang, 30%, EPS 1.07.12

Russikon 1.07.12

Russikon, 30%, EPS 1.07.12

Seuzach 1.09.11

Stäfa 1.10.12

Turbenthal 1.07.12

Wallisellen, 50%, EPS 1.03.11

Winterthur Seen,

50%, EPS 1.08.12

Buchtipp: Zwischen

Marx und Zwingli

sch. Robert Grimm zählte zu

den treibenden Kräften des

Landesstreiks von 1918. Er

wurde dafür ins Gefängnis

gesteckt und bekleidete später

als Sozialdemokrat und beken-

nender Marxist während seiner

politischen Karriere in der ers-

ten Hälfte des 20. Jahrhunderts

fast alle Ämter, in die man

gewählt werden konnte. Das

linke Schwergewicht polari-

sierte zu Lebzeiten. Er tut es

auch jetzt noch. Unbestritten ist

seine Prägekraft für die jüngere

Schweizergeschichte und für

die Geschichte der Arbeiterbe-

wegung. Ertragreich und span-

nend deshalb auch die Biogra-

fie des gebürtigen Zürcher

Oberländers, der sich auch

dem Zürcher Protestantismus

stark verpflichtet fühlte – aller-

dings in seiner eigenen, poli-

tisch Färbung. In seinem

Arbeitszimmer soll neben einem

Porträt von Karl Marx auch

eines von Huldrych Zwingli

geprangt haben. Über die

Reformation verfasste der Poli-

tiker und passionierte

Geschichtstreibende auch eine

historische Schrift, «Die Refor-

mation als Klassenkampf». Sol-

che und andere Aspekte aus

dem Leben und Wirken des

Arbeiterführers und Prototypen

des Sozialdemokraten findet

man in einer Sammlung von

Aufsätzen, die der Chronos-

Verlag vier Jahre nach dem 50.

Todestag von Robert Grimm

veröffentlicht. Eine abwechs-

lungsreiche und erhellende

Lektüre, auch für jene, die

Grimm keinen Platz in der poli-

tischen Heldengalerie zugeste-

hen.

Bernhard Degen, Hans Sch-

äppi, Adran Zimmermann (Hg.):

Robert Grimm. Marxist, Kämp-

fer, Politiker. Chronos, 2012.

230 Seiten, Fr. 32.–.

Zürich Balgrist 1.07.12

Zürich Industriequartier, 1.09.11

50%, EPS

Zürich Industriequartier 1.09.11

Zürich Oerlikon 1.08.12

Zürich Wipkingen,

30%, EPS 1.07.12

*Ergänzungspfarrstelle

Offene Stellen in den Gesamt-

kirchlichen Diensten und den

Kirchgemeinden finden Sie auf:

www.zh.ref.ch/stellen

Page 19: notabene 7/2012

notabene 7 / 2012 19

Man ist noch einmal davongekommen

in Sitzberg. Die 60 Pfarrstellenprozente

sind auch dann noch gesichert, wenn

Pfarrer Jürg Wichser nächstes Jahr pen-

sioniert wird. Man kann die Stelle also

wieder ausschreiben für einen Seelsorger

oder eine Seelsorgerin in der kleinsten

Kirchgemeinde des Kantons Zürich. Ihr

Präsident, Otto Schertenleib, ist dank-

bar dafür. Man sei sich bewusst, dass die

Mittel der Landeskirche knapper und

Fusionen drängender würden. Es ist

keine Woche her, da hat der Kirchenrat

eine Postulats-Antwort veröffentlicht,

die dem Kirchenparlament in den nächs-

ten Jahren Fusionen im grossen Stil für

Zürcher Kirchgemeinden vorschlägt

(siehe Seite 8).

Noch ist der Entscheid über solche

Pläne, von denen mit Sicherheit auch

Sitzberg betroffen sein dürfte, nicht ge-

fallen. Dass sich aber die Investition in

kleine und ländliche Kirchgemeinden

wie hier in Sitzberg mit seinen rund 180

Mitgliedern lohne, davon ist Otto Scher-

tenleib so oder so überzeugt. Die Kirche

hoch über dem Tösstal ist hier seit bald

zwei Jahrhunderten der gesellschaftliche

Brennpunkt. Eine eigenständige politi-

sche Gemeinde Sitzberg gibt es nicht,

hat es nie gegeben. Die Höfe und Weiler

Chäfer, Berg, Büel, Chümberg, Schmid-

rüti, Chalchegg, Ruppen, Rengerswil,

Schürli und wie sie alle heissen, sind weit

verstreut, und wenn man den Kontakt

zueinander halten will, dann zählen die

Kirche auf dem Sitzberg und vielleicht

auch der «Sternen» nebenan, zu den

wichtigsten Treffpunkten.

Entsprechend gross ist der Zusammen-

halt in der Gemeinde. Sonntags- und

Abendgottesdienste sind gut besucht. Im

kleinen Kirchgemeindehaus gibts Kir-

chenkafi und dann

und wann ein Fest.

Hier treffen sich unter

der Woche junge Müt-

ter mit Kleinkindern

zum Spielnachmittag.

Und selbst an der

Kirchgemeindever-

sammlung beteiligen

sich immer gut 30 Personen, ein Sechstel

der Mitglieder. «Wo gibt es das sonst

noch?», sagt Otto Schertenleib und warnt

davor, dass die Identifikation mit der

Kirchgemeinde eben genau dann nach-

liesse, wenn man in eine grössere Kirch-

gemeinde unten im Tal verpflanzt würde.

kreuz & quer

Kirche im KleinformatIn Sitzberg ist alles etwas kleiner. Ausser der Kirchenorgel und dem Zusammenhalt der Bewohner. Zu Gast in der kleinsten Kirchgemeinde des Kantons. Von Christian Schenk

Dieses Szenario ist zumindest mittel-

fristig vom Tisch. Auf dem Sitzberg gibt

es weiterhin das ganze kirchliche Ange-

bot – wenn auch – im Kleinformat. Im

kirchlichen Unterricht nimmt man alle

Stufen zusammen und bringt selbst

dann nur eine Klasse in der Grösse des

Sternenberger-Filmszenarios zusam-

men. Dafür wartet man mit einem für

die ländliche Abgeschiedenheit beachtli-

chen Kulturangebot auf: Die Kirche auf

dem Bergrücken mit Sicht weit hinaus

ins Zürcher Oberland und in den Kan-

ton Thurgau ist berühmt für ihre Ba-

rockorgel. Allein letztes Jahr haben ge-

gen dreissig Musikgottesdienste und

Konzerte stattgefunden, rechnet Pfarrer

Wichser nach und unterlegt den Werbe-

spot für die Kirchgemeinde mit einigen

gekonnten Akkorden auf dem denkmal-

geschützten Instrument. Die Kirche ist

in Sitzberg unbestritten auch Kulturzen-

trum. Wichtig und richtig, findet der

Pfarrer: «In der Kirche dreht sich nicht

alles nur um das Seelenheil, sondern

auch um das Leben der Menschen.»

kreuz & querMit dieser Rubrik nimmt «notabe-

ne» Sie mit auf eine Tour de Zurich

der kirchlichen Art. Wir besuchen

Kirchgemeinden und treffen Men-

schen, die uns von ihrem Gemein-

deleben erzählen: von ihren Freu-

den und Sorgen und von dem, was

sie einzigartig macht.

Fo

to:

sch

«Die Kirche ist hier der gesellschaftliche Brennpunkt. Ein politische Gemeinde Sitzberg hat es nie gegeben.»

Sitzend nur fürs Foto: Otto Schertenleib und

Pfarrer Jürg Wichser bringen ihre Gemeinde

in Bewegung.

Page 20: notabene 7/2012

P. P.

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NOTABENE / Denkzettel

Impressum «notabene» ist die Zeitschrift aller, die beruflich, ehrenamtlich oder regelmässig freiwillig in der Zürcher Landeskirche mitarbeiten.Redaktion und GestaltungChristian Schenk (sch), Blaufahnenstrasse 10, 8001 Zürich, Tel. 044 258 92 97www.zh.ref.ch / notabene, [email protected] Helena Klöti, [email protected]. 044 258 92 13

HerausgeberinEvang.-ref. Landeskirche des Kantons ZürichKommunikationDruck Robert Hürlimann AG, ZürichAuflage 7100 ExemplareErscheint monatlich mit Doppelnummern im Juli / August und Dezember / Januar.Nächste AusgabenNr. 8 / 2012 (Oktober, Woche 40)Nr. 9 / 2012 (November, Woche 44) Redaktionsschluss: Am 15. des Vormonats

Titelbild: Bettler in der Grossstadt. Wie steht es mit unserem Musikgehör für Armut? Artikel ab Seite 7.Foto: irisch / pixelio.de

«notabene-Denkzettel» von Daniel Lienhard. Mehr davon ab Seite 10 und in einer Webgalerie auf zh.ref.ch