NR. 36 / DEZEMBER 2013 sD maGazinœber... · Eine Reportage beschreibt, wie eine...

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DAS SOZIALDEPARTEMENT IM SCHULHAUS SCHULSOZIALARBEIT NR. 36 / DEZEMBER 2013 SD MAGAZIN

Transcript of NR. 36 / DEZEMBER 2013 sD maGazinœber... · Eine Reportage beschreibt, wie eine...

Das sozialDepartement im schulhaus

schulsozialarbeit

NR. 36 / DEZEMBER 2013

sDmaGazin

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SoZialE DiENStE

abGeschlossen: leGislatur­

schwerpunkt «staDt unD Quartiere

Gemeinsam Gestalten»

in der legislaturperiode 2010–2014 widmete der stadtrat dem baulichen und sozialen wandel den schwerpunkt «stadt und Quartiere gemeinsam gestalten». im sozial­departement haben die Quartierkoordination und die soziokultur der sozialen Dienste im rahmen eines teilprojekts Quartierthemen aufgegriffen und mit bevölke­rung und Quartierorganisationen neue lösungen erprobt. Die ergebnisse würdigten sie ende september anlässlich der abschlussveranstaltung mit den beteiligten Departe­menten und den involvierten personen im stadthaus. unter anderem entstand der Film «sozialer wandel als chance», in welchem das freiwillige engagement der Quartierbewohnenden gezeigt wird. Der leitfaden «mehrwert durch nachbarschaft» vermittelt wege, wie das zusammenleben in einer neuen siedlung bereits vor bezug der wohnungen aktiviert werden kann. und die publikation «willkommen im Quartier» porträtiert erfolg­reiche beispiele, wie sich eine förderliche willkommens­kultur gestalten und pflegen lässt. mit der Veranstaltungs­reihe «entdecke die Freiwilligen» haben interessierte personen einen einblick in die Vielseitigkeit der Freiwilli­genarbeit erhalten und dabei erfahren, welchen wichtigen beitrag sie für ein aktives stadt­ und Quartierleben leisten. (srg)

SoZialE DiENStE

Jubiläum: 10 Jahre

sozialzentrum hönGGerstrasse

am 1. november feierten die mitarbeitenden des sozial­zentrums hönggerstrasse gemeinsam mit ihren wichtigs­ten partnern aus dem Quartier das 10­Jahr­Jubiläum. stadtrat martin waser eröffnete das Jubiläum mit einer Festrede. auf die geladenen Gäste wartete unter anderem die premiere des kurzfilms «schritt für schritt» von isabelle schai. Die regisseurin, die selber sozialarbeiterin ist, porträtiert darin drei personen, die von sozialarbeite ­r innen des sozialzentrums hönggerstrasse begleitet und unterstützt worden sind. interessierte konnten zudem an einer erkundungstour durch das sozialzentrum teilnehmen und so einen einblick in den arbeitsalltag der sozialarbeitenden und sachbearbeitenden gewinnen. beim apéro begleitete eine Jazzband, in der zwei mit ­ arbeitende des sozialzentrums höng ger strasse mit­spielen, die Jubiläumsgäste mit Gesang, Gitarre und kontrabass durch den nachmittag. (sfj)

SoZialE EiNRichtuNgEN uND BEtRiEBE

neuer Direktor: urs leibunDGut

Der stadtrat hat urs leibundgut per anfang 2014 zum Direktor der sozialen einrichtungen und betriebe ernannt. urs leibundgut, Jahrgang 1957, trat 1983 nach dem studium der architektur an der eth ins sozialdepartement ein, in dem er seither in unterschiedlichen Funktionen tätig ist. Von 1997 bis 2004 war er als Direktor der Dienstabteilung «ergänzender arbeitsmarkt» für eine umfassende reform der arbeitsintegration verantwortlich. 2004 wurde er Departementssekretär.

urs leibundgut folgt auf reto Gugg, der eine neue stelle in der Dienstabteilung organisation und informatik antritt. (meo)

SoZialDEpaRtEMENt

neue Departementssekretärin:

kathrin kuster

Der stadtrat hat kathrin kuster per anfang 2014 zur Departementssekretärin im sozialdepartement ernannt. kathrin kuster, Jahrgang 1968, war nach dem abschluss des studiums der wirtschaftswissenschaften an der universität st. Gallen zuerst als wissenschaftliche assistentin und später in verschiedenen Funktionen in der privatwirtschaft tätig. seit anfang 2008 arbeitet sie als projektleiterin im sozialdepartement, zuerst im bereich controlling und infrastruktur, später in der Frühförderung. seit märz 2012 übt sie zusätzlich eine Führungsfunktion in einem Quartierteam des sozial­zentrums Dorflinde aus. in ihrer neuen Funktion ist sie für die leistungs­vereinbarungen mit privaten trägerschaften, für das Departements controlling, für das inspektorat zur missbrauchsbekämpfung sowie für die Geschäftsführung der sozialbehörde verantwortlich. sie folgt auf urs leibundgut. (meo)

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SoZialE EiNRichtuNgEN uND BEtRiEBE

kinDerbetreuunG: neues hanDbuch

Für beruFsbilDenDe

mit rund 60 lehrstellen in neun kitas gehört der Geschäftsbereich kinderbetreuung der sozialen einrich­tungen und betriebe seit Jahren zu den grössten aus­bildnern von kinderbetreuungsfachleuten in der Deutsch­schweiz. nun haben die städtischen kitas ihre reich ­ haltige erfahrung in der ausbildung von Fachfrauen und ­männern kinderbetreuung in einem handbuch für berufsbildnerinnen und berufsbildner aufgearbeitet. Das handbuch zeigt auf, wie berufsbildungsverantwortli­che in kitas die verschiedenen schritte des ausbildungs­prozesses – von der selektion der lernenden bis hin zur weiterbildung der berufsbildenden – zielführend gestalten können. Die erläuterungen zu den ausbildungs­schritten orientieren sich an der betrieblichen praxis und sind mit Fallbeispielen und erfahrungs berichten aus dem alltag der städtischen kitas illustriert. Das handbuch wird im Januar 2014 vorliegen. (seb)

SoZialE EiNRichtuNgEN uND BEtRiEBE

Jubiläum: 20 Jahre polikliniken

anfang 2014 können die polikliniken crossline und lifeline der sozialen einrichtungen und betriebe ihr 20­Jahr­Jubiläum feiern. Die polikliniken entstanden als teil der Vier­säulen­strategie, mit welcher der zürcher stadtrat die offene Drogenszene erfolgreich bekämpfte. indem sie kontrolliert heroin oder ersatzsubstanzen (substitute) wie methadon an schwerstsüchtige abgaben, ermöglichten die polikliniken den patientinnen und patienten, sich vom leben auf der «Gasse» zu distanzie­ren, und befreiten sie vom «beschaffungsstress», der nicht selten in kriminalität oder prostitution mündete. in ihrem ersten betriebsjahr 1994 behandelten die städtischen polikliniken gut 70 patientinnen und patien­ten. 2012 waren es knapp 190. neben substitutions­behandlungen bieten die polikliniken eine breite palette sozialmedizinischer unterstützungsleistungen an. Dank ihnen haben in den vergangenen 20 Jahren schätzungsweise 700 menschen einen weg gefunden, trotz Drogensucht ein menschenwürdiges leben zu führen. (seb)

hohe ansprüche

Liebe Leserin, lieber Leser

In den letzten Jahrzehnten sind die Anforderungen bezüglich des Bildungsstands massiv gestiegen. Ungelernte haben oft grösste Mühe, eine Stelle zu finden. Ehemals einfachere handwerkliche Berufe erfordern heute die Fähigkeit, technische Dokumente zu interpretieren und computergestützte Systeme zu verwenden. Jobs, die ausschliesslich Körperkraft und handwerkliches Talent erfordern, sind sehr rar geworden.

Die Schule tut, was sie kann, um die Kinder auf das anspruchsvolle Leben in der Wissensgesellschaft vorzubereiten – und muss dabei selber höheren Ansprüchen genügen als früher. Eltern und Lehr­personen reagieren heute sofort sehr sensibel, wenn sie den Eindruck haben, dass der Unterricht nicht im gewünschten Rahmen verläuft oder seine Ziele verfehlt.

Schulsozialarbeit kann einen wichtigen Beitrag leisten, damit Kinder und Jugendliche eine erfolg­reiche Schulzeit durchlaufen. Erfolg bemisst sich natürlich nicht nur an vermitteltem «Schulwissen», sondern auch ganz allgemein an einem guten Erwachsenwerden und der Bewältigung der Proble­me und Herausforderungen, die das Leben stellt. Mit vielen schwierigen Situationen kommen Lehr­personen zurecht. Aber wenn soziale Aspekte hineinspielen, ist manchmal der Beizug von «Spezia­listinnen» und «Spezialisten» hilfreich. Deshalb ist das SD mit Schulsozialarbeitenden in den Schul­häusern präsent. Durch Beratung und Unterstützung leisten sie einen wichtigen Beitrag, damit in schwie­rigen Situationen angemessen reagiert werden kann.

In diesem SD­Magazin nimmt die Redaktion die Schulsozialarbeit unter die Lupe. Eine Reportage beschreibt, wie eine Schulsozialarbeiterin mit zwei zerstrittenen Kindern Wege sucht, wie sie mit ihren konstanten Beleidigungen und Provokationen aufhören können. Eine Schulleiterin gibt Auskunft über ihre Erfahrungen. Ein Hintergrundartikel stellt das Konzept dar, nach dem die Schulsozial­arbeitenden tätig sind.

Gute Lektüre!

Martin Waser, Stadtrat

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Die schulsozialarbeitenDen sinD aus Dem staDt­

zürcher schulalltaG nicht mehr weGzuDenken.

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Hier, um eine Lösung zu finden: Creszentia Heini hilft Lilijana und Evgeni im Umgang mit einem Dauerkonflikt

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«wie ist es gegangen, seit ihr vor einer woche das letzte mal hier wart?», fragt die schulsozialarbeiterin creszentia heini den elfjährigen evgeni und die zehn­jährige lilijana (namen geändert). Die beiden kinder besuchen zusammen die fünfte kasse im schulhaus hohl im kreis 4. sie streiten immer wieder heftig mit einander und treffen sich nun bei der schulsozial­arbeiterin, um ihren alten konflikt, dessen ursache nicht ersichtlich ist, in den Griff zu bekommen.

evgeni lässt sich auf der couch zurücksinken und erzählt, wie lilijana in der grossen pause ein serbisches wort benutzte, das er, bei dem zu hause russisch und deutsch gesprochen wird, nicht verstand. Deshalb habe lilijana ihn als behindert bezeichnet. «Das stimmt nicht!», will ihn lilijana unterbrechen, doch creszentia heini bittet sie, zuerst evgeni erzählen zu lassen. «war das der einzige Vorfall in dieser woche?» «Ja», schallt es vom tisch, an dem lilijana vis­à­vis der schul­sozialarbeiterin sitzt, und «nein» vom sofa herüber. Die wahrnehmung der beiden ist offenbar verschieden, die luft im raum liesse sich schneiden. evgeni zählt schimpfwörter auf, mit denen lilijana ihn beleidigt habe. lilijana knetet einen kleinen stoffball, den blick starr auf den tisch gerichtet. was er in solchen situati­onen tue, fragt die schulsozialarbeiterin. «nichts sagen oder zurück beleidigen», antwortet evgeni. «welches ist besser?» — «Das zurückbeleidigen.» — «ist es dann vorbei?» — «nein, aber es fühlt sich besser an. und es geht auch weiter, wenn ich nichts sage.» Danach schildert lilijana die vergangene woche aus ihrer perspektive. sie sieht die provokationen nicht bei sich und beschreibt weitere situationen, in denen die beiden aneinandergeraten sind. evgeni rutscht unruhig auf dem sofa herum und jongliert mit drei bällen, während sie erzählt.

«ich beleiDiGe nur, wenn ich proVoziert werDe»«am besten ginge es euch, wenn ihr einander in ruhe lassen könntet. aber weil ihr euch täglich im klassen­zimmer seht, geht das fast nicht», bringt creszentia heini die konstellation auf den punkt. «Doch», wider­sprechen beide gleichzeitig und verlieren sich im nächsten scharmützel. evgeni wirft die Jonglierbälle immer wilder durch die luft, und lilijana würdigt ihn weiterhin keines blickes.

«wir sind ja heute nicht hier, weil wir uns jede woche treffen wollen, sondern um eine lösung zu finden,

damit ihr mit euren beleidigungen und streitereien aufhören könnt», leitet creszentia heini vom rückblick zum ausblick über. «letzte woche hat es nicht ge­klappt. was macht ihr, damit es nächste woche besser geht?» — «ich könnte ihn ignorieren, einfach nicht mit ihm sprechen», schlägt lilijana vor und knetet weiter ihren ball, aus dem inzwischen kleine weisse kügel­chen, das Füllmaterial, herausrieseln. «Geht das eine woche lang? wäre dir wohl dabei?» sie bejaht. «keine ahnung», entgegnet dagegen evgeni auf die Frage, was er beitragen könnte: «ich beleidige nur, wenn ich provoziert werde.» — «ich will nicht hören, was du tust, wenn lilijana dies und das macht, sondern was du von dir aus tun kannst», versucht ihn creszentia heini auf den lösungsweg zurückzuführen. «wenn sie mich beleidigt, könnte ich zu den beiden lehrern gehen», schlägt evgeni vor. «wenn du der lehrer wärst und du zwei kinder in der klasse hättest, die oft streiten, was würdest du tun?», fragt ihn die schulsozialarbeiterin zurück. «ich würde ein kind in die ecke und eines nach draussen stellen. oder an den separaten arbeitstisch.» — «und wenn du die lehrerin wärst, lilijana?» — «ich würde das mädchen zum arbeiten in den rück­zugsraum schicken. oder in eine andere klasse.»

creszentia heinis offerte, diese ideen mit den lehrern zu besprechen, stimmen beide zu und blicken einander sogar kurz in die augen. «ich werde also den lehrern vorschlagen, dass jemand von euch zum arbeiten in den rückzugsraum geht oder an den separaten arbeitstisch sitzt, wenn ihr streit habt. zudem habt ihr vorgeschlagen, einander zu ignorieren und zum lehrer zu gehen, wenn ihr beleidigt werdet.» Das eis beginnt ganz langsam zu schmelzen. Der teppich unter lilijana ist inzwischen voller kleiner weisser kügelchen.

«wenn er mich einmal beleidigt, lasse ich es sein, aber wenn er immer weitermacht, kann ich nicht nichts machen», fasst lilijana ihre situation zusammen. «kannst du eigentlich zuhören, wenn du dich so sehr auf deine Jonglierbälle konzentrierst?», spricht die schulsozialarbeiterin evgeni an. sie fragt ihn, ob er in bestimmten situationen nicht am besten in den rückzugsraum der schule ginge, wo ein boxsack hängt: «Du brauchst möglichkeiten, wut herauszu­lassen.» Das Gespräch normalisiert sich, die beiden kinder beginnen, mit einander zu reden. als lilijana vorschlägt, das nächste treffen mit der schul ­ sozial arbeiterin auf die unbeliebte musikstunde am Donnerstagmorgen zu legen, lachen beide gelöst.

«was macht ihr, Damit es nächste woche

besser Geht?»

wie Die schulsozialarbeiterin creszentia heini zwei kinDern

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creszentia heini bespricht mit ihnen, ob sie in den nahenden herbstferien abwesend sind oder den Ferienhort oder die Ferienwoche der spielanimation besuchen wollen. beim abschliessenden handschlag – «schafft ihr’s bis nächste woche?» – scheint sich die spannung vollständig abgebaut zu haben.

ein raum zum zuhören unD ein GeGenüber«ich bin froh, wenn sie entspannt gehen und das Gespräch einen guten abschluss findet», erläutert creszentia heini nach dem Gespräch. sie arbeitet 50 prozent als schulsozialarbeiterin im schulhaus hohl, zudem 20 prozent für die Quartierkoordination. sie hat soziokulturelle animation an der luzerner Fach­hochschule studiert und eine weiterbildung in schule und sozialer arbeit besucht. an der tätigkeit als schulsozialarbeiterin schätze sie, dass sie auf die ganze Gesellschaft treffe und interdisziplinär mit der lehrerschaft, der schulleitung und den anderen mitarbeitenden des Quartierteams aus dem sozial­zentrum zusammenarbeiten könne.

lilijana und evgeni kommen zum dritten mal für eine terminserie zu creszentia heini. ihr streit war schon ein thema, als sie vor zwei Jahren im schulhaus hohl anfing. «wenn den lehrern der kragen platzt, schicken sie sie wieder für ein paar termine zu mir, um die situation zu stabilisieren.» nach ein paar Gesprächen lässt sie die beiden aber jeweils wieder gehen. regel­mässige sitzungen würden die Gefahr einer pflege des konfliktverhaltens beinhalten – und damit das Gegen­ teil der beabsichtigten wirkung erreichen.

«mein ziel ist es, dass sie in der permanenten konflikt­situation, der sie einander aussetzen, individuelle strategien kennen, um damit aufhören oder besser damit umgehen zu können. mein büro soll für sie ein raum sein, in dem sie einander zuhören und mich als Gegenüber haben. in den Gesprächen wechseln sich aggression und gute momente ab. insgesamt ist die situation etwas besser geworden. lilijana nimmt viel seltener eine opferrolle ein. Die konflikte werden nicht mehr so oft körperlich ausgetragen wie früher. phasenweise schaffen sie es, die Fixierung auf­ ein ander abzulegen. aber in anderen Fällen können sie es einfach nicht lassen, einander zu provozieren – wider besseres wissen.»

auf creszentia heinis weiterem programm stehen nun Gespräche mit einem kind, dem ein bevorstehen­der umzug auf dem magen liegt, und mit einem kind, das bei schlechten leistungen von seinen eltern geschlagen wird.

thomas meier

Individuelle Strategien für eine permanente Konfliktsituation: Creszentia Heini

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«es ist wichtiG, Dass schulsozial­

arbeitenDe am schulleben teilnehmen»

Frau brandl, wann haben sie das letzte mal mit dem schulsozialarbeiter in ihrem schulhaus gesprochen? heute. wir reden jeden tag miteinander. aldo Venzi, unser schulsozialarbeiter, ist schon zehn Jahre in unserem schulhaus. wir pflegen eine enge zusam­menarbeit. ich weiss immer, an welchen themen er arbeitet. sein büro ist mittendrin. ich schätze es sehr, dass ich mich nebst der wöchentlichen sitzung auch spontan mit ihm austauschen kann.

Die schulsozialarbeit hat sich seit dem start mitte der 1990er­Jahre in zürich etabliert. wie hat sie den schulalltag verändert?wir waren eines der ersten zürcher schulhäuser mit einem schulsozialarbeiter. bei uns hatten alle das Gefühl, dass wir eine mischung zwischen einem krisenmanager und einem animator bekommen, der in jedem klassenlager mit dabei ist und in allen schwierigen situationen das zepter übernimmt. Da wurden unsere erwartungen natürlich enttäuscht. wir hatten unser Verständnis von schule, hatten aber keine idee, welches Verständnis die schul­sozialarbeit von ihrer arbeit hat. wir mussten uns zuerst damit auseinandersetzen.

welchen nutzen hat die schulsozialarbeit für die schule gebracht? wir arbeiten interdisziplinärer als früher. Damals waren wir uns gewohnt, mit schulthemen zu ar­beiten. mit dem schulsozialarbeiter war plötzlich jemand da, der im Gegensatz zu uns mit anderen Fachstellen vernetzt war und je nach situation auf verschiedene Fachleute zurückgreifen konnte.

sie haben am neuen konzept der schulsozialarbeit mitgearbeitet. was war für sie zentral?wichtig war mir, dass die anliegen beider Departe­mente platz haben. Denn die schulsozialarbeitenden sind zwar beim sozialdepartement angestellt. Doch es ist essenziell, dass schulsozialarbeitende nicht

nur ein büro in der schule haben, sondern auch ein teil des schulteams sind und am schulleben teilneh­men, damit gegenseitiges Vertrauen entstehen kann.

wie gestaltet sich die zusammenarbeit zwischen der schule und den sozialen Diensten?am anfang war es recht ungewohnt, dass der schulsozialarbeiter zwar in der schule tätig war, seine vorgesetzte person aber nicht. es brauchte aufseiten der schule wie auch bei den sozialen Diensten eine gewisse zeit, bis sich dies eingespielt hatte. heute leuchtet diese aufteilung völlig ein und hat nur Vorteile.

weshalb?Die schulsozialarbeitenden haben zugang zu Daten, in die wir keinen einblick haben. sie kennen unter umständen wesentlich mehr hintergründe. Das ist je nach situation sehr hilfreich. aber auch in den köpfen der schülerinnen und schülern und der eltern ist ihre rolle sehr etabliert. Die beziehung der schülerinnen und schüler zum schulsozialarbeiten­den ist eine andere als zur lehrperson. es ist eine andere Vertrauensbasis, denn die schulsozialarbei­tenden unterliegen der schweigepflicht.

welches sind für sie die wichtigsten neuerungen im konzept?neu sind leistungsbereiche definiert, die zwar schwerpunkte setzen, aber bei der arbeit nicht einengen. Gleichzeitig bietet der leistungskatalog den schulsozialarbeitenden und der schulleitung orientierung, welche aufgaben grundsätzlich von den schulsozialarbeitenden übernommen werden und welche nicht. Das hilft, denn in der schule sind laufend neue berufsgruppen wie heil­ oder sozial­pädagoginnen und ­pädagogen, betreuung usw. hinzugekommen. Da ist eine abgrenzung nötig.

interview: Guido schwarz

ZUR PERSon

Gisela Brandl (51) ist ausgebildete Lehrerin und Heilpädagogin. Seit 11 Jahren ist sie Schulleiterin in der Schule Riedtli im Schulkreis Waidberg. Mit rund 150 Schülerinnen und Schülern, 9 Klassen und 30 Lehrpersonen gehört das Riedtli zu den kleineren bis mittleren Schulen in der Stadt Zürich.

Gisela branDl, schulleiterin Der schule rieDtli im schulkreis

waiDberG, über schulsozialarbeit unD Das neue konzept

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schnelles wachstum,

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Kindern und Jugendlichen ein gutes Umfeld bieten: das übergeordnete Ziel der Schulsozialarbeit

seit mai 2013 arbeiten Die schulsozialarbeiterinnen

unD schulsozialarbeiter in Der staDt zürich nach

einem überarbeiteten konzept.

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aus dem heutigen schulalltag sind die schulsozial­arbeitenden nicht mehr wegzudenken. sie begleiten die kinder und Jugendlichen auf dem weg des erwach­senwerdens, klären schwierige situationen, beraten schülerinnen und schüler, lehrpersonen, erziehungs­berechtigte und ziehen je nach situation andere Fachstellen bei. in den augen vieler sind sie trouble­shooter, die jede situation meistern und für alles eine lösung parat haben.

1995 hat die stadt zürich die schulsozialarbeit mit einem pilotprojekt ins leben gerufen. seither wird sie als kooperationsmodell zwischen dem schul­ und sportdepartement und dem sozialdepartement geführt. «Die zusammenarbeit zwischen den beiden Departe­menten hat sich sehr bewährt», sagt mirjam schlup Villaverde, Direktorin der sozialen Dienste. «wir pflegen den austausch und die zusammenarbeit mit dem steuerungsausschuss und einer begleitgruppe.»

steiGenDe ansprücheim lauf der letzten Jahre ist die zahl der schulhäuser mit schulsozialarbeitenden und damit die zahl der mitarbeitenden stetig gewachsen. waren es 2006 noch 22 stellenwerte verteilt auf 45 schulen, so sind es heute 39 stellenwerte verteilt auf 88 schulen. Das rasante wachstum, aber auch die permanent steigen­den ansprüche – die beratungen sind umfassender und komplexer geworden – stellten die schulsozialarbeiten­den zunehmend vor grosse herausforderungen. ausserdem hat das schulsystem diverse reformen durchlaufen. all diese Faktoren haben bei den schul­sozialarbeitenden zu einer Verunsicherung bezüglich umfang und inhalte ihrer aufgabe geführt, was eine überarbeitung des konzepts aus dem Jahr 2003 notwendig machte.

ziele klarer DeFiniertseit mai 2013 liegt das überarbeitete konzept vor. erarbeitet hat es ein elfköpfiges projektteam unter der leitung von christina reusser, Fachverantwortliche schulsozialarbeit der sozialen Dienste. im team vertreten waren schulsozialarbeiterinnen und stellen­leiter sowie schulleiterinnen, eine lehrperson und eine mitarbeiterin betreuung.

eine grössere änderung im konzept betrifft die For­mulierung der ziele. «es wird neu zwischen über­geordneten und fachspezifischen zielen unterschie­den», sagt christina reusser. Die übergeordneten ziele der schulsozialarbeit richten sich nach den zielen der kinder­ und Jugendhilfe. Die Fachfrau erläutert: «hierbei geht es zum beispiel darum, den kindern und Jugendlichen ein umfeld zu ermöglichen, in welchem sie sich positiv entwickeln und tragfähige beziehungen ausbauen können.»

«Dazu kommen die fachspezifischen ziele», so reusser. so sollen etwa soziale und persönliche schwierigkeiten von kindern und Jugendlichen frühzeitig erkannt werden. kinder und Jugendliche sowie erziehungs­

berechtigte sollen in ihrer schule zugang zu nieder­schwelligen beratungs­ und unterstützungsangeboten erhalten. und die schulleitungen, lehrpersonen und mitarbeitenden betreuung sollen in ihrer arbeit bei sozialen problemstellungen unterstützt werden.

«nebst den wesentlich klarer formulierten zielen haben auch die methodischen Grundsätze eingang ins konzept gefunden», sagt christina reusser. Dazu gehören beispielsweise vermittelndes arbeiten, präven­tives und intervenierendes handeln oder lösungs­ und ressourcenorientierung.

beratunG unD unterstützunG als primäre auFGabeneine weitere, wesentliche änderung betrifft den leis­tungskatalog. Darin sind die aufgaben neu in leis­tungsbereiche und leistungen aufgeteilt und gewichtet. «Der leistungskatalog soll den schulsozialarbeitenden und der schulleitung eine orientierung bieten, welche aufgaben von den schulsozialarbeitenden übernommen werden», sagt christina reusser. ausserdem stellt der katalog die Grundlage für die jährliche schwer­punktsetzung der schulleitung und stellenleitung dar und unterstützt die zuteilung der personellen ressour­cen an die jeweiligen schulhäuser.

als primäre aufgabe festgelegt sind die leistungen beratung und unterstützung. sie machen rund einen Drittel der schulsozialarbeit aus. aufgrund ihrer beratungstätigkeit erhalten die schulsozialarbeitenden einen ausführlichen einblick in die lebensweisen und das umfeld der schülerinnen und schüler. sie wissen dadurch, was sie beschäftigt, welche themen im trend sind. Dieses wissen kann auf der einen seite dazu genutzt werden, die angebote bedarfsgerechter zu gestalten, aber auch, um frühzeitig mögliche schwierigkeiten zu erkennen.

mit dem überarbeiteten konzept haben die schul­sozialarbeitenden und die schulleiterinnen und schul­leiter ein instrument in der hand, das den aktualitäten im schulalltag rechnung trägt. «ich bin überzeugt, dass das konzept schnell im arbeitsalltag verankert sein wird», sagt mirjam schlup Villaverde. «Denn die stärke des konzepts ist, dass sowohl die schule als auch die sozialen Dienste an der erarbeitung mitgewirkt haben und so die bedürfnisse beider seiten berücksichtigt worden sind.»

Guido schwarz

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«Als ‹Halbstarken› beeindruckten mich die ersten Kung­ Fu­Filme dermassen, dass ich die Szenen nachspielte. Die kläglichen Versuche endeten mit gebrochenen Fingern und unversehrten Holzscheiten. Richtig erlernt habe ich Karate dann im Shobukan Karate Club Zürich in der Sportanlage Sihlhölzli, wo ich noch heute ein Mal pro Woche trainiere. nach meiner Lehre als Feinmechaniker bei Siemens Albis arbeitete ich mehrere Jahre in einer Behinderten­einrichtung und bildete mich zum Arbeitsagogen weiter. Damals wurde viel experimentiert, wir ‹jungen Wilden› wollten weniger paternalistische Modelle in der Sozial ­ arbeit einführen. Wie wir heute wissen, haben sich Empowerment und Partizipation als Werte in unserem Metier etabliert.

Ich bin froh, dass sich diese tolerantere, partizipativere Art der Sozialen Arbeit in den 80er­ und 90er­Jahren vielerorts bewährt hat. Als Leiter der SIP freue ich mich natürlich, dass sich in jüngerer Zeit auch die Idee der ordnungsdienstlichen Sozialarbeit, wie wir sie betreiben, durchgesetzt hat. Unsere Konfliktmanagerinnen und ­manager lernen übrigens kein Karate. Bei unserer täglichen Arbeit sind Methoden der Deeskalation und Schulungen in der Wahrnehmung der nonverbalen Kommunikation zielführender.»

Aufgezeichnet von nadine Bozzolo

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christian Fischer, soziale einrichtunGen

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zahlen unD Fakten zur personenFrei­ züGiGkeit in Der staDt zürich

mitte noVember hat Das sD Den meDien auFGezeiGt,

Dass sich keine neGatiVen auswirkunGen auF sozial­

unD obDachlosenhilFe erGeben

Die aktuellen sozialhilfezahlen der stadt zürich zeigen weiterhin keine zunahme von angehörigen der staaten der europäischen union. ende septem­ber 2013 befanden sich in der sozialhilfe 1327 personen aus den 27 eu­mitgliedsstaaten, für welche die personenfreizügigkeit gilt. Diese zahl ist seit mehreren Jahren praktisch unverändert. sie entspricht einem anteil von 11,4 prozent an allen personen in der sozialhilfe, was deutlich unterhalb des bevölkerungsanteils der eu­ange­hörigen von gut 20 prozent liegt.

kein hanDlunGsbeDarF im bereich sozialhilFeauch bei den neuen sozialhilfefällen ist die anzahl von eu­staatsangehörigen im mehrjährigen Ver­gleich stabil. im dritten Quartal des Jahres 2013 belief sie sich auf 172 personen. nur in einer sehr geringen anzahl von Fällen beantragen eu­angehö­rige innerhalb eines Jahres nach der einreise in die schweiz sozialhilfe: in den letzten drei Jahren schwankte der wert zwischen 0 und 5 Fällen pro monat, bei insgesamt rund 300 neuen sozialhilfe­fällen pro monat. Die sozialhilfequote – der bevöl­kerungsanteil, der in diesem Jahr zumindest vor­übergehend sozialhilfe bezog – der eu­angehörigen für das Jahr 2012 lag mit 2,6 prozent unter der sozialhilfequote für die ganze bevölkerung von 5,1 prozent und sogar unter der Quote bei den schwei­zerinnen und schweizern von 3,6 prozent.

Damit ergibt die personenfreizügigkeit für die stadt zürich im bereich sozialhilfe keine probleme. Dies nicht zuletzt, weil dank einer bestimmung im kantonalen sozialhilfegesetz eine wichtige rahmen­bedingung erfüllt ist: eu­angehörige mit einer kurzaufenthaltsbewilligung zwecks stellensuche sind von der sozialhilfe ausgeschlossen. Diese personen erhalten in zürich nur nothilfe, d.h. unterstützung bei der möglichst schnellen rückkehr ins herkunftsland und bis dahin unterkunft und Verpflegung.

Die sozialen Dienste beobachten die entwicklung der sozialhilfezahlen aufmerksam, damit reagiert werden könnte, falls sich die situation verändern sollte. allfällige massnahmen müssten bei den migrationsämtern (erteilen von aufenthaltsbewilli­gungen) und bei der arbeitgeberschaft (ausstellen

von arbeitsverträgen) ansetzen. Die sozialhilfe hat kaum spielraum und nimmt lediglich melde­ und auskunftspflichten gegenüber dem kantonalen migrationsamt wahr.

ausreichenDes anGebot in Der obDachlosenhilFeDas sozialdepartement stellt sicher, dass in der stadt zürich niemand unfreiwillig ohne obdach bleiben muss. zu diesem zweck führen die sozialen einrichtungen und betriebe eine breite palette von angeboten, darunter eine notschlafstelle und eine nachtpension. in der kalten Jahreszeit führt sip züri zudem kältepatrouillen durch. Die angebote richten sich in erster linie an personen mit wohnsitz in der stadt zürich sowie an von anderen zürcher Gemeinden zugewiesene personen. personen aus dem ausland erhalten nothilfe und unterstützung bei der rückkehr in ihr herkunftsland.

Die sozialen einrichtungen und betriebe stellen keine starke zunahme der anzahl von eu­ange­hörigen fest: in der notschlafstelle ist die situation stabil, sip züri verzeichnet bei ihren patrouillen im öffentlichen raum nur eine geringe zahl arbeit­suchender migranten mit ausländischem wohnsitz. Das bestehende angebot – das neben den städti­schen angeboten auch die einrichtungen der privaten hilfswerke umfasst, die von der stadt teilweise mitfinanziert werden – ist deshalb ausrei­chend. Die städtischen angebote könnten ihre kapazität auch kurzfristig erhöhen, wenn das nötig werden sollte. es zeichnet sich aber keine zunahme von eu­angehörigen ab, die von obdachlosigkeit bedroht sind. zum jetzigen zeitpunkt würde die ein­ richtung zusätzlicher angebote die situation nicht entspannen, sondern möglicherweise verschärfen, da eine sogwirkung zu erwarten wäre. stattdessen sind die geltenden rahmenbedingungen konsequent einzuhalten: Der sinn der personenfreizügigkeit ist, dass eu­angehörige in der schweiz arbeiten können. stellensuchende, die auf dem arbeitsmarkt geringe chancen haben und nicht selber für ihren lebensunterhalt sorgen können, müssen die schweiz wieder verlassen.

thomas meier

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ilse kauFmann, leiterin Des Fachsupports Der sozialen Dienste (soD),

unD reto GuGG, Direktor Der sozialen einrichtunGen unD betriebe

(seb), Verlassen Das sD in kürze. zum abschieD lassen sie ihre

GesamthaFt 30 Jahre amtszeit reVue passieren.

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«Die zusammenarbeit hat sich

zum besseren VeränDert»

Ein unschätzbarer Erfahrungsschatz hoch zwei: Reto Gugg und Ilse Kaufmann blicken zusammen auf drei Jahrzehnte im Sozialdepartement zurück

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reto Gugg, sie waren 20 Jahre im sD tätig. was hat sich seit ihrem einstieg 1993 und heute am meisten verändert? reto Gugg: Die ämterlandschaft. als ich zum sD kam, umfasste das Departement mehrere Dienst­abteilungen, die heute nicht mehr dazugehören, zum beispiel das amt für kinder­ und Jugendein­richtungen, in dem ich meine sD­karriere begann. Die beiden einzigen ämter, die heute noch mehr oder weniger dieselben sind wie damals, sind das amt für zusatzleistungen und das laufbahnzentrum. bei den übrigen blieb kein stein auf dem anderen.

ilse kaufmann, sie haben aus der non­profit­branche in die Verwaltung gewechselt, sie, reto Gugg, kamen aus der privatwirtschaft. wie haben sie den «seitenwechsel» erlebt, und haben sie ihn je bereut? ilse kaufmann: ich hatte mir das sD bürokratisch vorgestellt. stattdessen erlebte ich es als mindes­tens so dynamisch wie die non­profit­branche. eine rückkehr war für mich nie ein thema, obwohl ich mich den gemeinnützigen organisationen nach wie vor sehr verbunden fühle und gern mit ihnen zusammenarbeite. Dafür gefielen mir die heraus­forderungen und die thematische breite meiner arbeit beim sD stets viel zu gut.

reto Gugg: ich hatte das Vorurteil, dass in der Verwaltung alles bis ins Detail geregelt sei, und war dann entsprechend überrascht zu sehen, wie viel Gestaltungsspielraum ich als Dienstchef hatte. Das ist bis heute so geblieben. in der stadtverwal­tung können wir Veränderungen herbeiführen und neues schaffen in einem ausmass, wie ich es mir nie hätte träumen lassen. – auch ich habe den wechsel also nie bereut.

in ihren amtszeiten haben sie miterlebt, wie das sD in der öffentlichkeit wiederholt unter beschuss geriet. haben sie die angriffe persönlich getroffen? ilse kaufmann: Die angriffe haben mich persönlich und uns als organisation sehr mitgenommen. es war schlimm, praktisch woche für woche von den medien vorgeführt zu werden. Die mitarbeiten­den verloren das Vertrauen, hatten angst, Fehler zu machen. Das hat uns sehr lange beschäftigt. ein lernprozess war nötig, bis wir herausgefunden hatten, was geregelt werden musste und wo wir weiterarbeiten konnten wie bisher. inzwischen ist es uns gelungen, wieder eine Vertrauensbasis nach aussen und innen zu schaffen.

reto Gugg: Die medienkampagne, die sie anspre­chen, war stark auf die sozialhilfe fokussiert. unsere Dienstabteilung war davon nur am rand betroffen. mein ziel war es, dafür zu sorgen, dass die seb stimmungsmässig nicht in den sog der ereignisse gerieten, sondern möglichst normal weiterarbeiten konnten. Das heisst nicht, dass

die sache spurlos an mir vorübergegangen wäre. sie hat mich ebenfalls getroffen und beschäftigt. insbesondere erinnere ich mich, dass ich privat sehr oft auf die medienberichte angesprochen wurde und mich immer wieder erklären musste.

in ihren Funktionen haben sie sicher auch entscheide umsetzen müssen, die ihnen nicht gefallen haben. wie sind sie mit dieser situation umgegangen? reto Gugg: ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich mit jedem entscheid des stadt­ oder des Gemeinderats einverstanden war. – im Grossen und Ganzen habe ich jedoch eine hohe zustimmung zur politik der stadt zürich. hinzu kommt, dass ich von den sD­Vorsteherinnen und ­Vorstehern stets gestützt wurde und meine ideen innerhalb meines eigenen zuständigkeits­bereichs in den meisten Fällen so umsetzen konnte, wie ich mir das vorgestellt hatte. wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte ich mir wohl etwas anderes gesucht.

ilse kaufmann: wenn man in einer so grossen organisation arbeitet, dann gibt es immer wieder situationen, in denen etwas anders entschieden wird, als man es gern gehabt hätte. Das ist normal – besonders, wenn es sich um eine organisation handelt, die dem politischen Geschäft untersteht. ich habe mich denn auch weniger bei politischen als bei fachlichen Fragen herausgefordert gefühlt, wenn sie anders entschieden wurden, als ich es mir vorgestellt hatte. als Führungsperson muss man aber bereit sein, auch entscheide mitzutragen, die man selbst anders gefällt hätte.

DIE InTERVIEWTEn

Reto Gugg (Jg. 1951) wechselte 1993 aus der Privatwirtschaft ans Sozialdepartement, wo er die Leitung des Amts für Kinder­ und Jugendein­richtungen übernahm, dessen Aufgaben später an eine Stiftung übertragen wurden. Von 1997 bis 2004 war er Departementssekretär des SD, ehe er Direktor der neu gegründeten Sozialen Einrich­tungen und Betriebe wurde. Reto Gugg verlässt die SEB auf Ende Jahr. Er wird Projektleiter bei organisation und Informatik (oIZ) Zürich.

Ilse Kaufmann (Jg. 1949) kam nach 15­jähriger Tätigkeit in der Leitung gemeinnütziger organisa­tionen 2003 zum Sozialdepartement. Von 2003 bis 2006 führte sie das Sozialzentrum Hönggerstrasse. Danach übernahm sie die Leitung des heute Fach support genannten Kompetenzzentrums der Sozialen Dienste und die Stellvertretung der Direktorin. nach ihrem Austritt Mitte Januar gönnt sich Ilse Kaufmann ausgedehnte Ferien, bevor sie sich neuen beruflichen oder ehrenamt­lichen Herausforderungen zuwenden will.

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wie sehen sie die zusammenarbeit innerhalb des sD heute im Vergleich zu früher? ilse kaufmann: als ich beim sD anfing, beschränkte sich die zusammenarbeit zwischen den Dienstabtei­lungen auf die ebene der mitarbeitenden. Das hat sich in den letzten Jahren sehr verändert – zum bes­seren verändert. heute arbeiten wir mit allen Dienst­abteilungen enger zusammen, mit den seb zum beispiel im bereich arbeitsintegration. auch das projekt zur weiterverrechnung der internen leistun­gen an die sozialhilfe (Vilas) hat zu einer intensivie­rung der zusammenarbeit mit den seb geführt. auch mit allen bereichen von support sozialdepar­tement (sDs) pflegen wir eine viel stärkere und sehr gute zusammenarbeit.

reto Gugg: Dem kann ich nur beipflichten. eine so intensive zusammenarbeit, wie wir sie beispielswei­se bei den standortbestimmungsgesprächen in der arbeitsintegration pflegen, wäre vor zehn Jahren kaum möglich gewesen. Der aufbau der sozialzen­tren zwischen 2000 und 2005 hat bei den soD sehr viele energien absorbiert. bei den seb, die 2004 gegründet wurden, war dies anfänglich nicht anders. Die organisationen waren mit sich selbst beschäf­tigt. unglücklicherweise brachen gleich darauf die erwähnten «medialen stürme» über das sD herein, was den effekt noch verstärkte. seit etwa drei Jahren haben wir zum Glück nun eine situation, in der die Dienstabteilungen wieder über den eigenen tellerrand hinausschauen können.

mit welchem Gefühl werden sie das Verwaltungszentrum werd an ihrem letzten arbeitstag verlassen? reto Gugg: mit einem guten. ich durfte im sD viele lehrreiche erfahrungen machen und wertvolle beziehungen knüpfen. um die zukunft der seb mache ich mir keine sorgen. ich bin überzeugt, dass ihre entwicklung in die richtige richtung weitergehen wird, und werde diese als interessierter zuschauer von aussen verfolgen. – und natürlich freue ich mich auf meine neuen aufgaben bei organisation und informatik zürich (oiz).

ilse kaufmann: ich werde es sehr bedauern, so viele gute kolleginnen und kollegen zurücklassen zu müssen. sie machen in den soD einen super Job. ein paar tage lang werden mir sicher noch Dinge in den sinn kommen, die ich nicht getan oder nicht gesagt habe, und dann werde ich mir über­legen, ob ich jetzt im büro anrufen und das melden soll... abgesehen davon werde ich mich auf eine zeit freuen, in der ich nur noch das machen kann, was ich gerne mache, egal ob in der Freizeit oder bei einer arbeit.

interview: barbara strebel

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eislauFen: aFterwork on ice

nach der Arbeit ein paar Runden auf dem Eis drehen, an der Eisbar Drinks und Snacks geniessen und den Tag ausklingen lassen.

Findet jeden Mittwoch von 18 bis 22 Uhr statt. Am 5. Februar und am 5. März ist der Eintritt gratis.

Kunsteisbahn Heuried und Kunsteisbahn oerlikon www.sportamt.ch/eislaufen

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opernhaus: brunchkonzerte

Sonntagmorgen einmal anders: musikalische Delikates­sen der Philharmonia Zürich, gefolgt von einem Brunch im Restaurant Belcanto.

So, 26. Januar, 23. Februar, 2. März 2014 und weitere; Konzertbeginn jeweils um 11.15 Uhr, anschliessend Brunch

opernhaus Zürich www.opernhaus.ch > Spielplan > Konzert

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eth zürich: actiVe sunDays

Eine Idee für graue Sonntage für Familien mit Kindern bis acht Jahre: Toben Sie sich einen Tag lang in der Bewegungslandschaft der ETH Sporthalle aus.

So, 26. Januar, 23. Februar, 30. März 2014, 10–17 Uhr

Sporthalle ETH Science City Hönggerberg, Schafmattstrasse 33, 8093 Zürich www.wirbewegenzuerich.ch > Active Sundays

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FilmFestiVal: ewz.stattkino

Das Filmfestival der anderen Art startet in die 15. Runde: Kultfilme, Raritäten und Trouvaillen werden neu insze­niert und interaktiv gestaltet.

15. bis 28. Februar 2014 16. April 2014, jeweils um 20 Uhr

ewz­Unterwerk Selnau, Selnaustrasse 25, 8001 Zürich Kino Arthouse Le Paris, Stadelhoferplatz, 8001 Zürich www.ewz.stattkino.com

Zusammengestellt von Jennifer Zimmermann

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Wie viele Praktikantinnen und Praktikanten arbeiten im SD?

SD-MAgAZiN – ZeiTSchRifT füR Die MiTARBeiTeNDeN uND PARTNeRiNNeN DeS SoZiAlDePARTeMeNTS

REDAKTIon: Thomas Meier (meo); leitung; isabelle Wenzinger (wen), Koordination; Nadine Bozzolo (bzn); Jeanette Schranz (sfj ); guido Schwarz (srg);

Barbara Strebel (seb); Jennifer Zimmermann (zie) GESTALTUnG: Bringolf ir ion Vögeli gmbh, Zürich TITELBILD: Niklaus Spoerri, Zürich BILDBEARBEITUnG

UnD KoRREKToRAT: Visiol ink Ag, Zürich DRUCK UnD VERTRIEB: Printl ink Ag, Zürich AUFLAGE: 3300 exemplare ERSCHEInUnGS WEISE: Viertel jährl ich

ADRESSE: Stadt Zürich, Sozialdepartement, SD-Magazin, Verwaltungszentrum Werd, Postfach, 8036 Zürich, Telefon 044 412 61 55, [email protected]

LESERinnEn FRAGEn, SACHKUnDIGE STELLEn AnTWoRTEn – DIE BüCHSE WIRD GEöFFnET.

Fragen und Anschlussfragen an den Büchsenöffner: [email protected]

Strassenbenennungen sind nicht nur emotionale, sondern auch komplexe Prozesse, bei denen verschiedenste Interessen berücksichtigt werden müssen. Der Stadtrat hat deshalb bereits im Jahr 1907 eine Kommission bestimmt, der diese Aufgabe zukommt. Die Kommission wird vom Polizeivorsteher präsidiert. Die vier weiteren Mitglieder kommen aktuell aus dem Stadtarchiv, dem Amt für Städtebau, der Werterhaltung des Tiefbauamts sowie von Geomatik und Vermessung. Das Sekretariat führt das Polizeidepartement. Die Kommissionsmit­glieder treffen sich jährlich zu sechs Sitzungen. Die Anzahl der zu benennenden Strassen hängt von den Bauvorhaben ab; bei der ETH Hönggerberg wurden dieses Jahr rund 30 Stras­sen, Plätze oder Wege benannt.

Das Kommissionssekretariat führt eine Liste mit namens­vorschlägen. Ideen werden aber auch von der Bevölkerung, Architekten, Bauherrschaften oder Baugenossenschaften eingebracht; manche namen entspringen der Fantasie der

Kommissionsmitglieder. Und die ist manchmal fast grenzenlos. So gibt es in Höngg den Zapfensteig, weil er durch einen Rebberg führt.

Mit Strassennamen werden auch verstorbene Personen geehrt, die einen Verdienst für die Allgemeinheit vollbracht haben und einen Bezug zu Zürich haben.

Ist ein name gefunden, wird der betreffende Quartierverein zur fakultativen Stellungnahme eingeladen. Danach erfolgt die Antragstellung an den Stadtrat. Dieser ist die Instanz, die den namen beschliesst. Achten Sie bei Ihrem Gang durch Zürichs Strassen doch einmal auf die Strassennamen; sie sind spannend und geschichtsträchtig.

Charlotte Koch Keller, Sekretärin Strassenbenennungs­kommission

Wie kommen Zürichs Strassen zu ihren namen?

Das Sozialdepartement beschäftigte im Jahr 2013 insgesamt über 150 Praktikantinnen und Praktikanten in den verschie­densten Bereichen. Dies entspricht rund 7,5 Prozent der gesamten Belegschaft des Sozialdepartements. In der Sozialen Arbeit absolvierten dieses Jahr rund 90 Studierende von Fachhochschulen für Soziale Arbeit ihr Praktikum. Als Teil ihres Studiums müssen diese ein oder mehrere Praktika ablegen. Das SD bietet diesen Studentinnen und Studenten 5­ bis 18­monatige Praktika an.

über die Hälfte der Praktikumsstellen des SD liegt damit im Bereich der Sozialen Arbeit. Weitere Praktikumsstellen bietet das SD in den Bereichen Sozialpädagogik, Kindererziehung, Facility Management, in der Berufs­ und Laufbahnberatung sowie in der Berufsdiagnostik an. Ausserdem besteht die Möglichkeit, in diversen Stabstellen ein Berufseinstiegsprak ­ t ikum nach Abschluss des Studiums (Betriebswirtschaft,

Sozialwissenschaften, Recht, Kommunikation und Psychologie) zu absolvieren.

Aktuell setzt sich das SD mit nachwuchsförderung durch Hochschulmarketing auseinander, um dem drohenden Fach­kräftemangel im Bereich der Sozialen Arbeit entgegenzu ­ wirken. Das SD hat sich deshalb entschlossen, die Zusammen­arbeit mit Hochschulen auszubauen. Mit Vorträgen und Einblicksveranstaltungen soll das SD bei Studentinnen und Studenten als Arbeitgeber stärker in Erscheinung treten, um so nachwuchstalente für Praktika und später für Festanstellun­gen zu gewinnen. neu konzipiert wird auch die Betreuung während und nach der Praktikumszeit.

Eveline Kuratli, Personalverantwortliche im Support Sozialdepartement

Durchschnittlich verbraucht eine Privatperson zu Hause 160 Liter Trinkwasser pro Tag. Die Tagesabgabe im Mittel beträgt rund 150 000 m3, an Spitzentagen kann dann der Verbrauch auch mal über 200 000 m3 betragen.

Um diese Mengen an Wasser bereitzustellen, stammen 70 Prozent des «Züriwassers» aus dem Zürichsee, 15 Prozent sind Quellwasser, der Rest ist Grundwasser. Während Grund­ und Quellwasser direkt verteilt werden können, wird das Seewasser aufbereitet. Hierfür fliesst das Rohwasser durch natürliche Sand­ und Aktivkohlefilter, um Schmutzpartikel zurückzuhalten und biologisch abzubauen. Zwischen den Filtrationen wird das Wasser mit ozon behandelt. Dieses inaktiviert Mikroorga­nismen und oxidiert organische Stoffe. Das ozon wird wieder­um in den Aktivkohlefiltern restlos abgebaut.

nach der Wassergewinnung gelangt das Trinkwasser in eines der 21 um die ganze Stadt verteilten Reservoire. Während des Tages sinkt der Reservoirinhalt, und wird in der nacht wieder ergänzt – so steht immer frisches Wasser bereit. Zur Wasserverteilung steht ein Leitungsnetz mit einer Gesamt­länge von 1550 Kilometern zur Verfügung.

Tipp: Falls Sie ganz kühles, frisches Wasser trinken möchten, lassen Sie zu Hause das Wasser einfach zuerst etwas laufen.

Hans Gonella, Kommunikation Wasserversorgung

Wie hoch ist der tägliche Wasserverbrauch in der Stadt Zürich, und woher kommt das gesunde Leitungswasser?