Numerische Simulation des instationaren Verhaltens … · Im Turbolader wird die Abgasenergie des...

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SIRM 2011 – 9. Internationale Tagung Schwingungen in rotierenden Maschinen, Darmstadt, Deutschland, 21. – 23. Februar 2011 Numerische Simulation des instation¨ aren Verhaltens der Schwimmbuchsen- lagerung in Turboladern Christian Daniel , Steffen Nitzschke, Elmar Woschke, Jens Strackeljan Institut f ¨ ur Mechanik, Otto-von-Guericke Universit¨ at Magdeburg, [email protected], [email protected], [email protected], [email protected] Kurzfassung Der Beitrag behandelt die numerische Untersuchung der Stabilit¨ at der Lagerung eines Turboladermodells. Dazu wird dynamisch ein vollst¨ andiger Hochlauf der Turboladerwelle auf Betriebsdrehzahl berechnet. Zur Dis- kretisierung der Reynolds-DGL 1 kommen vergleichend sowohl FDM 2 als auch FEM 3 zur Anwendung. W¨ ahrend bei der FDM einfache Netzgenerierung und geringe Rechenzeit im Vordergrund stehen, liegen bei der FEM die Vorteile in beliebig vernetzbaren Lagergeometrien (z.B. Trapezlager, innere R¨ ander). Durch die Schwimmbuchsenlagerung ergeben sich spezielle Probleme bei der Ber¨ ucksichtigung der Kopplung von innerem und ¨ außerem Schmierfilm, welche unter Verwendung finiter Differenzen sowie finiter Elemente zur osung der Reynolds-DGL diskutiert werden. Abschließend erfolgt ein Vergleich zwischen Realdaten und numerischer Simulation im Kontext der notwen- digen Rechenzeit. 1 Einleitung Die anhaltende Forderung nach Reduktion des Kraftstoffverbrauchs von Motoren bei gleichzeitig steigender Leistung f¨ uhrt zunehmend zu Downsizing in Kombination mit Hochlastkonzepten. Zur Steigerung des effekti- ven Mitteldrucks k¨ onnen Turbolader Anwendung finden. Im Turbolader wird die Abgasenergie des Motors durch eine Turbine in Rotationsenergie umgewandelt, welche wiederum genutzt wird, um ¨ uber einen Verdichter den Ladedruck des Motors zu erh¨ ohen. Aus thermodynamischer Sicht sind dazu m¨ oglichst hohe Drehzahlen der Tur- boladerwelle anzustreben, wohingegen sich diese aus mechanischer Sicht unter Verwendung von Gleitlagerungen aufgrund auftretender Instabilit¨ aten als kritisch erweisen. Diese Instabilit¨ aten sind hinl¨ anglich als Whirl- und Whip-Ph¨ anomene bekannt. Ab einer Drehzahl n c1 treten selbsterregte subharmonische Schwingungen mit etwa dem 0.42 ... 0.45-fachen der Drehfrequenz mit stabilem Grenzzyklus auf (Whirl) [1]. Wird dadurch bei weiterer Drehzahlerh¨ ohung auf n c2 eine Eigenfrequenz des Rotors angeregt, bezeichnet man dies als Whip. Die Whip-Frequenz bleibt auch bei weiterer Drehzahlsteigerung konstant, wohingegen die Lagerung instabil wird und die Amplituden nur noch vom Lagerspiel begrenzt werden [2], [3]. Um einen sicheren Betrieb ¨ uber n c2 hinaus zu gew¨ ahrleisten, finden in Turboladern Schwimmbuchsenlager An- wendung. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass die am inneren Schmierfilm auftretende Instabilit¨ at durch den ¨ außeren Schmierfilm ged¨ ampft wird und umgekehrt. Dadurch kann eine Vergr¨ oßerung des zul¨ assigen Drehzahlbe- reichs bewirkt werden. Zur Auslegung und zum sicheren Betrieb der Schwimmbuchsenlager ist die Kenntnis der stabilen Bereiche notwendig. Das erste Auftreten von Instabilit¨ aten kann z.B analytisch unter Verwendung der linearen oder nicht- linearen Stabilit¨ atstheorie vorhergesagt werden. Dazu muss jedoch die Steifigkeit und D¨ ampfung der Lagerung abgesch¨ atzt werden, wof¨ ur meist die Kurzlagertheorie zum Einsatz kommt [4]. Eine anderen M¨ oglichkeit der Auslegung stellt die numerische Berechnung eines vollst¨ andigen Hochlaufs der Turboladerwelle auf Betriebsdrehzahl dar. Der Turbolader wird dabei als MKS 4 modelliert. Die hydrodynamischen 1 DGL - Differentialgleichung 2 FDM - Finite-Differenzen-Methode 3 FEM - Finite-Elemente-Methode 4 MKS - Mehrk ¨ orpersystem 1 Paper-ID 07

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SIRM 2011 – 9. Internationale Tagung Schwingungen in rotierenden Maschinen,Darmstadt, Deutschland, 21. – 23. Februar 2011

Numerische Simulation des instationaren Verhaltens der Schwimmbuchsen-lagerung in Turboladern

Christian Daniel, Steffen Nitzschke, Elmar Woschke, Jens StrackeljanInstitut fur Mechanik, Otto-von-Guericke Universitat Magdeburg,[email protected], [email protected], [email protected], [email protected]

KurzfassungDer Beitrag behandelt die numerische Untersuchung der Stabilitat der Lagerung eines Turboladermodells.

Dazu wird dynamisch ein vollstandiger Hochlauf der Turboladerwelle auf Betriebsdrehzahl berechnet. Zur Dis-kretisierung der Reynolds-DGL1 kommen vergleichend sowohl FDM2 als auch FEM3 zur Anwendung. Wahrendbei der FDM einfache Netzgenerierung und geringe Rechenzeit im Vordergrund stehen, liegen bei der FEM dieVorteile in beliebig vernetzbaren Lagergeometrien (z.B. Trapezlager, innere Rander).

Durch die Schwimmbuchsenlagerung ergeben sich spezielle Probleme bei der Berucksichtigung der Kopplungvon innerem und außerem Schmierfilm, welche unter Verwendung finiter Differenzen sowie finiter Elemente zurLosung der Reynolds-DGL diskutiert werden.

Abschließend erfolgt ein Vergleich zwischen Realdaten und numerischer Simulation im Kontext der notwen-digen Rechenzeit.

1 EinleitungDie anhaltende Forderung nach Reduktion des Kraftstoffverbrauchs von Motoren bei gleichzeitig steigender

Leistung fuhrt zunehmend zu Downsizing in Kombination mit Hochlastkonzepten. Zur Steigerung des effekti-ven Mitteldrucks konnen Turbolader Anwendung finden. Im Turbolader wird die Abgasenergie des Motors durcheine Turbine in Rotationsenergie umgewandelt, welche wiederum genutzt wird, um uber einen Verdichter denLadedruck des Motors zu erhohen. Aus thermodynamischer Sicht sind dazu moglichst hohe Drehzahlen der Tur-boladerwelle anzustreben, wohingegen sich diese aus mechanischer Sicht unter Verwendung von Gleitlagerungenaufgrund auftretender Instabilitaten als kritisch erweisen.

Diese Instabilitaten sind hinlanglich als Whirl- und Whip-Phanomene bekannt. Ab einer Drehzahl nc1 tretenselbsterregte subharmonische Schwingungen mit etwa dem 0.42 . . . 0.45-fachen der Drehfrequenz mit stabilemGrenzzyklus auf (Whirl) [1]. Wird dadurch bei weiterer Drehzahlerhohung auf nc2 eine Eigenfrequenz des Rotorsangeregt, bezeichnet man dies als Whip. Die Whip-Frequenz bleibt auch bei weiterer Drehzahlsteigerung konstant,wohingegen die Lagerung instabil wird und die Amplituden nur noch vom Lagerspiel begrenzt werden [2], [3].Um einen sicheren Betrieb uber nc2 hinaus zu gewahrleisten, finden in Turboladern Schwimmbuchsenlager An-wendung. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass die am inneren Schmierfilm auftretende Instabilitat durch denaußeren Schmierfilm gedampft wird und umgekehrt. Dadurch kann eine Vergroßerung des zulassigen Drehzahlbe-reichs bewirkt werden.

Zur Auslegung und zum sicheren Betrieb der Schwimmbuchsenlager ist die Kenntnis der stabilen Bereichenotwendig. Das erste Auftreten von Instabilitaten kann z.B analytisch unter Verwendung der linearen oder nicht-linearen Stabilitatstheorie vorhergesagt werden. Dazu muss jedoch die Steifigkeit und Dampfung der Lagerungabgeschatzt werden, wofur meist die Kurzlagertheorie zum Einsatz kommt [4].

Eine anderen Moglichkeit der Auslegung stellt die numerische Berechnung eines vollstandigen Hochlaufs derTurboladerwelle auf Betriebsdrehzahl dar. Der Turbolader wird dabei als MKS4 modelliert. Die hydrodynamischen

1DGL - Differentialgleichung2FDM - Finite-Differenzen-Methode3FEM - Finite-Elemente-Methode4MKS - Mehrkorpersystem

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Eigenschaften der Gleitlager konnen durch eine Kennfeldlosung oder durch eine direkte numerische Losung derReynolds-DGL abgebildet werden [5], [6], [7], [8].

In diesem Beitrag soll die zweite Variante Verwendung finden.

2 ModellbildungDer Abgasturbolader besteht aus einer Turbine und einem Verdichter, deren Laufrader auf einer gemeinsa-

men Welle angeordnet sind. Die Welle wird uber zwei identische Gleitlager am Lagergehause abgestutzt. DieseGleitlager werden aus den oben genannten Grunden als Schwimmbuchsenlager ausgefuhrt. Die Welle wird ineiner frei rotierenden Buchse gelagert, welche ihrerseits im Gehause des Turboladers gelagert ist. Gehause undSchwimmbuchse bilden das außere Gleitlager, Schwimmbuchse und Welle das innere. Der außere Schmierfilmwird uber eine Zufuhrbohrung mit Frischol (90◦C, 3.5bar) versorgt. Zur Olversorgung des inneren Schmierfilmsist die Schwimmbuchse radial mit vier sogenannten Kommunikationsbohrungen versehen.

Das MKS-Modell setzt sich aus den zunachst als starr angenommenen Korpern Lagergehause, Turbinenlauf-rad, Verdichterlaufrad, Welle und zwei Schwimmbuchsen zusammen. Im weiteren Verlauf wird die Welle unterVerwendung von Balkenelementen als elastischer Korper abgebildet [9], [7], [8].

Die Laufrader sind starr an der Welle angebunden. Damit hat das Laufzeug sechs Freiheitsgrade, wahrend dieSchwimmbuchsen jeweils nur zwei Freiheitgrade der Translation und einen Freiheitsgrad der Rotation haben (keineSchiefstellung). Zur Berechnung des Hochlaufs in einer Zeit von vier Sekunden wird fur den Drehfreiheitsgrad derWelle um die Langsachse die Drehzahl von nW = 0 . . . 100000min−1 vorgegeben.

Zur Abbildung der Schwimmbuchsenlager kann im MKS-Programm ein nutzergeschriebenes Kraftelement1

verwendet werden. Dieses Kraftelement stellt die Schnittstelle zwischen Rotordynamik und Hydrodynamik dar(siehe Abb. (1)).

Abbildung 1: Kraftelement auf Basis der Schwimmbuchsenlagerung

1SIMPACK: uforce

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2.1 BewegungsdifferentialgleichungenAls Ausgangspunkt fur die Formulierung der Bewegungsgleichungen konnen sowohl inertialsystemfeste ()i

als auch korperfeste Koordinaten ()∗ genutzt werden. Bei Verwendung korperfester Relativkoordinaten ist dieMassenmatrix konstant.

M · q∗ + b(q∗, q∗) = h(t,q∗, q∗) (1)

Dadurch erubrigt sich die Inversion der Massenmatrix in jedem Zeitschritt, woraus Vorteile bei der Zeitintegrationentstehen.

Zur Unterscheidung der auftretenden Effekte im Abgasturbolader ist die Betrachtung des Zeitbereichs nichthinreichend. Spezifische Aussagen sind nur im Frequenzbereich bzw. unter Verwendung von Eigenwertanalysenfur definierte Betriebspunkte moglich. Bei der Verwendung korperfester Realtivkoordinaten q∗ konnen allerdingsnur die Eigenwerte im mitrotierendem Relativsystem bestimmt werden, welche sich von den im Inertialsystem be-rechneten unterscheiden. Fur spezielle Korper lasst sich auch fur inertialsystemfeste Koordinaten qi eine konstan-te Massenmatrix ableiten. Dabei werden zum einen Schwerpunktskoordinaten verwendet, zum anderen wird dieRotationssymmetrie um die Figurenachse des Korpers ausgenutzt. Fur einen beliebigen Korper ist die inertialsy-stemfeste Beschreibung der Bewegung mit einer von qi abhangigen Massenmatrix M verbunden. Eine analytischeFormulierung der Massenmatrix ist nicht mehr moglich, was fur eine numerische Linearisierung zur Bestimmungder Eigenwerte im Zustandsraum aber nicht zwingend erforderlich ist.

M(qi) · qi + b(qi, qi) = h(t,qi, qi) (2)

Der Modellaufbau und die automatische Generierung der Bewegungsgleichungen kann mit einem kommer-ziellen MKS-Programm wie SIMPACK erfolgen, welches zudem uber effiziente Algorithmen zur Zeitintegrationauf Basis korperfester Koordinaten q∗ verfugt. Zur Bestimmung der Eigenwerte in inertialsystemfesten Koordina-ten qi entsteht die Notwendigkeit der Erstellung eines eigenen MKS-Programms.

Die Einbindung der nichtlinearen Schmierfilmkrafte und Momente erfolgt uber den Vektor der eingepragtenKrafte h(t,qi, qi) bzw. h(t,q∗, q∗) unter Verwendung nutzergeschriebener Kraftelemente.

2.2 HydrodynamikDer hydrodynamische Druckaufbau in einem Gleitlager wird durch die Reynolds-DGL in Gl. (3) beschrieben.

∂x

(h3

η

∂p

∂x

)+

∂z

(h3

η

∂p

∂z

)= 6(U1 + U2)

∂h

∂x+ 6(W1 +W2)

∂h

∂z+ 12

∂h

∂t(3)

Die Losung dieser Gleichung kann innerhalb des Hydrodynamikmoduls in unterschiedlicher Modellierungstiefevon analytischer Losung durch die Kurzlagertheorie uber Interpolation von Kennfeldlosungen bis zur direktennumerischen Losung in jedem Zeitschritt erfolgen.

Die Vorteile der Kurzlagertheorie und der Kennfeldlosung sind durch geringe Rechenzeiten determiniert. DieAnwendung dieser Verfahren ist auf Parallelspalte begrenzt. Durch das große Lagerspiel (92µm) des außerenLagers kann sich das Laufzeug jedoch schiefstellen. Daher muss Gl. (3) auf dem Gebiet der Lageroberflachediskretisiert und unter Verwendung von FDM bzw. FEM numerisch gelost werden.

Von Bedeutung ist dabei die Berucksichtigung der Randbedingungen. Neben den Dirichlet-Bedingungen amLagerrand und den periodischen Randbedingungen in Umfangsrichtung muss die Kopplung der beiden Schmierfil-me uber die Kommunikationsbohrungen beachtet werden. Daraus ergibt sich die Forderung, dass die Diskretisie-rung beider Lagerflachen jeweils schwimmbuchsenfest zu erfolgen hat, um Interpolationen zu vermeiden. Daruberhinaus muss die Olzufuhrung am außeren Schmierspalt in geeigneter Weise abgebildet werden. Ferner konnenKavitationseffekte und Flusstensoren berucksichtigt werden, welche aber im Folgenden vernachlassigt werden.

2.2.1 Bestimmung der Spaltfunktion und deren zeitlicher AbleitungNeben den skalaren Parametern η, Uk,Wk stellen die Spaltfunktion h und deren zeitliche Ableitung h die Ein-

gangsgroßen zur Losung der Reynolds-DGL dar. Bedingt durch die jeweils schwimmbuchsenfeste Beschreibungwird der außere Schmierfilm wellenfest und der innere Schmierfilm schalenfest behandelt. Die Komplexitat des

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Problems ergibt sich dadurch, dass gleichzeitig sowohl Schwimmbuchsen- als auch Wellendrehzahl ungleich Nullsind und sich die Welle in der Schwimmbuchse um zwei Achsen schiefstellen kann.

Wahrend beim Parallelspalt die Spaltanderung durch analytisches Ableiten der inertialsystemfesten Spaltfunk-tion nach der Zeit ermittelt werden kann, fuhrt dieses Vorgehen aufgrund der Schiefstellwinkel und der Zuordnungder zugehorigen Winkelgeschwindigkeiten hier nicht effizient zum Ziel (Losung der kinematischen Differential-gleichungen notwendig). Vielmehr muss die Spaltanderungsgeschwindigkeit durch die Differenz der Absolutge-schwindigkeiten der Punkte auf den Lageroberflachen in Normalenrichtung ausgewertet werden.

Dazu sind fur jeden Gitterpunkt der beiden Berechnungsnetze auf der Schwimmbuchse (PSb) jeweils ein kor-respondierender Punkt auf dem Gehause (PG) bzw. auf der Welle (PW) zu konstruieren und unter Verwendung derEulerschen Formel

viPk = vi

k + ωik × riPk (4)

die Absolutgeschwindigkeiten in Koordinaten des Inertialsystems (i) zu berechnen. Zur Verdeutlichung der bzgl.ihrer Geschwindigkeit zu untersuchenden Punkte sind in Abb. (2) deren Ortsvektoren dargestellt.

Abbildung 2: Ableitung der Spaltanderung am außeren Schmierspalt (links) und am inneren Schmierspalt (rechts)

Die Spaltanderungsgeschwindigkeiten ergeben sich dann aus

ha = (viPG · ni

PG − viPSb · ni

PSb) (5)hi = (vi

PSb · niPSb − vi

PW · niPW ), (6)

wobei nPk jeweils der Normalenvektor an der Lageroberflache von Gehause, Schwimmbuchse oder Welle imbetrachteten Punkt sein muss.

2.2.2 Losung mitttels Finite-Differenzen-MethodeDie FDM bietet eine einfache Moglichkeit die Reynolds-DGL zu diskretisieren. Die Formulierung eines Stern-

operators fur die partiellen Ableitungen kann fur ein rechteckiges Netz analytisch erfolgen. Die Anwendung aufden Schmierfilm eines zylindrischen Gleitlagers liefert nach Einarbeitung der Randbedingungen ein lineares Glei-chungsystem (Gl. (7))

K · p = r , (7)

mit der symmetrisch positiv-definiten Konduktivitatsmatrix K, dem Vektor der unbekannten Knotendrucke p unddem Vektor der Quellterme der rechten Seite r.

4 Paper-ID 07

Zur Losung konnen sowohl direkte Verfahren (Cholesky-Verfahren mit vorangegangener Reverse-Cuthill-McKee Bandweitenoptimierung) als auch iterative Solver (PCG-Verfahren) verwendet werden.

Die Berucksichtigung der Dirichlet-Randbedingungen sowie der periodischen Randbedingungen in Umfangs-richtung wird durch Indexoperationen bei der Anwendung des Sternoperators realisiert, wodurch sich Eintrage aufder rechten Seite des Gleichungssystems ergeben.

Weitere Druckrandbedingungen treten durch die Olzufuhrung des Gleitlagers auf. Diese Vorgaben konnen imGleichungssystem durch das Eliminieren der zugehorigen Zeilen und Spalten an den diskreten Punkten auf demRechteckgitter oder durch Einfuhrung von Penalty-Faktoren1 umgesetzt werden. Zur Abbildung der Geometrie derOlzufuhrung muss die Gitterweite angepasst werden, was zu einer Erhohung der Zahl der Unbekannten fuhrt.

Aufgrund der Kopplung des inneren und außeren Schmierfilms im Schwimmbuchsenlager muss im Gebiet derKommunikationsbohrungen eine aquidistante Diskretisierung vorliegen (siehe Abb. (3)).

Abbildung 3: Aquidistante Diskretisierung an einer Koppelbohrung (exemplarisch)

Bedingt durch die unterschiedlichen Radien der Schwimmbuchse innen und außen ergibt sich damit eine unter-schiedliche Anzahl von Freiheitsgraden. Daher muss die Wahl der Knotenanzahl innen und außen gewahrleisten,dass in jeder Koppelbohrung jeder Gitterpunkt des inneren Netzes einem Gitterpunkt des außeren Netzes zugeord-net werden kann.

2.2.3 Losung mittels Finite-Elemente-MethodeAlternativ zur FDM lasst sich die Reynolds-DGL auch durch finite Elemente diskretisieren. Ausgangspunkt

dafur bildet das zur Gl. (3) aquivalente Variationsfunktional.

Π =

∫G

h3

η

(∂p

∂x

)2

+h3

η

(∂p

∂z

)2

+ 12(U1 + U2)∂h

∂xp+ 12(W1 +W2)

∂h

∂zp+ 24

∂h

∂tpdG (8)

Die Losung der Variationsaufgabe erfolgt durch Minimierung von Gl. (8).

∂Π

∂p= 0 (9) u =

n∑i=1

Ni · ui mit u = h, h, p (10)

Dazu werden die ortsabhangigen Großen h, h und p durch den Ansatz (Gl. (10)) ausgedruckt. Im Variationsfunk-tional treten nur erste partielle Ableitungen auf, so dass lineare Ansatzfunktionen Ni verwendet werden konnen,welche auch zur Approximation der Geometrie benutzt werden. Mit den so konstruierten isoparametrischen Ele-menten lassen sich weitgehend beliebig geformte Gebiete vernetzen. Die Auswertung von Gl. (9) fuhrt dann aufein lineares Gleichungssystem analog zu Gl. (7).

1Die Penalty-Zahl α wird in Abhangigkeit des großten Hauptdiagonalelements von K gewahlt, wobei ein Kompromiss zwischen Rechen-

genauigkeit (Kondition der Matrix K) und Einhaltung der Randbedingung gefunden werden muss.

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Der Vorteil der FEM gegenuber der FDM liegt in der besseren Abbildung der Kommunikationsbohrungen inder Schwimmbuchse. Dazu wird jeweils der Umfang der Bohrungen im außeren und im inneren Schmierspaltnetzaquidistant vernetzt. Einander zugehorige Knoten pi und pa konnen uber eine Penalty-Strategie gekoppelt werden.Dabei kann auch der, aus der auf das Ol wirkenden Fliehkraft, resultierenden Druckdifferenz ∆p Rechnung getra-gen werden.

pa = pi + ∆p =⇒Kii = Kii + α

Kaa = Kaa + α

Kia = Kia − αKai = Kai − α

ri = ri − α ·∆pra = ra + α ·∆p

(11)

Die dazu notwendigen Modifikationen im Gleichungssystem (7) sind in Gl. (11) aufgefuhrt. Die restlichen Rand-bedingungen finden ebenfalls mittels Penalty-Faktoren Berucksichtigung.

3 Ergebnisse der BerechnungenIm Folgenden soll zunachst ein Abgleich der beiden verwendeten Berechnungsverfahren zur Diskretisierung

der Reynolds-DGL vorgenommen werden. Aufgrund der vielfaltigen Parameter, welche sich in der Realitat fur dasSystem des Abgasturboladers einstellen, werden daruber hinaus selektive Studien bzgl. der dynamischen Viskositatin Abhangigkeit der Drehfrequenz, der Unwucht sowie der Elastizitat der Welle vorgenommen. Die Auswertungwird aus Grunden der Ubersichtlichkeit auf Wasserfalldiagramme der Fourierspektren der Wellenschwingung be-schrankt. Abschließend erfolgt ein Vergleich zu gemessenen Realdaten.

3.1 Vergleich zwischen FEM und FDMZum Abgleich der Ergebnisse zwischen FDM und FEM, welche aus Rechnungen mit identischen Parametern

resultieren, soll an dieser Stelle exemplarisch die Druckverteilung untersucht werden.

Abbildung 4: Druckverteilung am inneren Schmierspalt: FDM (links) und FEM (rechts)

Abbildung 5: Druckverteilung am außeren Schmierspalt: FDM (links) und FEM (rechts)

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Es ist in Abb. (4) und (5) zu erkennen, dass der funktionale Verlauf des Drucks nahezu identisch ist. GeringeAbweichungen treten im Bereich der Koppelbohrungen auf. Bei der FEM gehoren diese nicht zum Losungsgebiet,wohingegen sie bei der FDM bedingt durch die Vorgehensweise diskretisiert werden. Aufgrund dieses systemati-schen Unterschieds existieren auch geringe Abweichungen im Reibmoment, welches sich aus dem Scheranteil desDrucks im gesamten Losungsgebiet berechnet.

MRk = rk ·∫Ak

hk2

∂pk∂x

+ (U2 − U1)kη

hkdAk (12)

Dieser Unterschied fuhrt auf geringere Schwimmbuchsendrehzahlen bei der FEM, was durch ein Wasserfalldia-gramm (FFT der Amplituden der Wellenschwingung uber der Drehzahl der Welle) verdeutlicht werden kann (sieheAbb. (10)).

Abbildung 6: Wasserfalldiagramm der Wellenschwingung - FDM (links), FEM (rechts)

Daraus resultierend treten die Ubergange von Whirl zum Whip bei unterschiedlichen Drehfrequenzen der Welleauf. Im Detail tritt der Whirl bei der FDM im Bereich zwischen fW = 600Hz und fW = 1200Hz auf, wohingegener bei der FEM um ∆fW = 100Hz zu hoheren Drehfrequenzen verschoben ist.

Ein weitere Unterschied ergibt sich aus der notwendigen Rechenzeit, welche bei der FDM fur eine Simulati-onszeit von tsim = 4s bei treal = 24h lag, wahrend die Losung mit der FEM treal = 41h benotigte.

3.2 Anderung der dynamischen Viskositat in Abhangigkeit der Drehfrequenz (FEM)Wahrend des Hochlaufs kommt es aufgrund von erhohter Reibung in der Schwimmbuchsenlagerung sowie

zusatzlicher außerer Warmestrome zu einer kontinuierlichen Temperaturerhohung im Ol, was sich primar auf dieOlviskositat im inneren Schmierfilm auswirkt1 [10] (Vogel-Gleichung [11]). Zur Abschatzung des Einflusses wur-de unter der Annahme der Konstanz der Reibleistung folgender funktionaler Zusammenhang fur die Temperaturdes inneren Schmierfilms verwendet.

T =√

ln(ω) + a+ b (13)

Die Parameter a und b werden so angepasst, dass bei Anfangs- und Enddrehfrequenz definierte Temperaturen TAund TE vorliegen (siehe Abb. (7)).

1Zusatzlich existieren Einflusse der Temperaturanderung auf die Spaltfunktion, welche hier vernachlassigt werden.

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a) isoviskos/ isotherm b) TA = 90◦C - TE = 120◦C

c) TA = 90◦C - TE = 130◦C d) TA = 90◦C - TE = 140◦C

Abbildung 7: Wasserfalldiagramme der Wellenschwingung bei Temperaturabhangigkeit der Viskositat

Bedingt durch die Temperaturerhohung im inneren Lager und die damit verbundene geringere Viskositat, wirktein geringeres Reibmoment auf die Schwimmbuchse. Dies fuhrt mit steigender Temperatur zu einer Absenkungder Schwimmbuchsendrehzahl. Die ursprunglich bei einer Drehfrequenz fSb = 400Hz auftretende Instabilitat(Whip) wird bei isothermer Betrachtung bei einer Drehfrequenz fW = 1300Hz erreicht. Mit steigender Tempe-ratur verschiebt sich die Instabilitat kontinuierlich zu hoheren Drehfrequenzen der Welle, bis sie außerhalb desbetrachteten Drehzahlbereichs liegt. Ein identisches Verhalten ist auch fur den Oil-Whirl zu beobachten.

3.3 Erhohte Unwucht (isoviskos - FDM)

Bei einer Erhohung der Unwucht erhoht sich die Schwimmbuchsendrehzahl aufgrund der hoheren Exzentri-zitaten, die ein großeres Reibmoment bewirken. Somit wird die kritische Drehfrequenz der Schwimmbuchse, beiwelcher der Whirl zu einem Whip wird, bei geringerer Wellendrehfrequenz erreicht.

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Abbildung 8: Wasserfalldiagramm der Wellenschwingung - einfache Unwucht (links), dreifache Unwucht (rechts)

3.4 Elastische Welle (isoviskos - FDM)Die Berucksichtigung der Elastizitat der Welle erfolgt uber Balkenelemente. Bedingt durch die Beschreibung

der Bewegungsgleichung im Modalraum (MKS-Formalismus), werden zur Abbildung der Wellenelastizitat dieersten vier Biegeeigenformen verwendet.

Abbildung 9: Wasserfalldiagramm der Wellenschwingung - starre Welle (links), elastische Welle(rechts)

Die Berucksichtigung der Nachgiebigkeit der Welle fuhrt dazu, dass der Oil-Whip bei einer Drehfrequenz derSchwimmbuchse von fSb = 450Hz erreicht wird, was eine Differenz von 50Hz zur starren Rechnung darstellt.Damit einher geht eine Erhohung der Ubergangsfrequenz von fW = 1200Hz auf fW = 1500Hz.

Ferner verandert sich das lineare Verhalten der Schwimmbuchsendrehzahl im Bereich des Whirls. Dennochbleibt das Verhaltnis (∼ 0.42) zwischen Whirl-Frequenz und der Differenz aus Wellen- und Schwimmbuchsen-drehfrequenz konstant.

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4 MessdatenZum Abgleich der Berechnungsvarianten wurden Messungen der Wellenschwingungen auf einem Prufstand

vorgenommen (siehe Abb. (10)).

Abbildung 10: Wasserfalldiagramm der Wellenschwingung - Messung

Es ist zu erkennen, dass der Whirl bei einer Drehfrequenz fW ∼ 600Hz auftritt, was mit den FDM-Ergebnissenubereinstimmt. Zudem ist ein mit der Wellendrehfrequenz nicht proportionaler Anstieg der Whirl-Frequenz er-kennbar. Dies kann, wie in Kapitel 3.4 dargestellt, durch die Berucksichtigung der Elastizitat der Welle abgebildetwerden. Ein Ubergang vom Whirl zum Whip ist nicht erkennbar. Dies wiederum deutet auf eine in Vergleich gerin-gere Schwimmbuchsendrehzahl hin, welche durch Veranderung der Viskositat aufgrund steigender Temperaturenerklart werden kann (siehe Kapitel 3.2). Zum vollstandigen Vergleich zwischen Simulation und Messung sindzusatzliche Daten notwendig, die nur mit großem Aufwand messbar sind (Schwimmbuchsendrehzahl, Temperaturdes Ols im Lager, Unwucht des Laufzeugs).

5 Zusammenfassung und AusblickIm vorliegenden Beitrag wurde eine Strategie zur Simulation des dynamischen Verhaltens eines Abgasturbo-

laders unter Berucksichtung der hydrodynamisch wirkenden Schwimmbuchsenlagerung aufgezeigt. Dabei wur-den zwei Varianten zur Diskretisierung der Reynolds-DGL vorgestellt, welche vergleichbare Ergebnisse liefern.Anhand von Parameterstudien konnte der Einfluss der dynamischen Viskositat, der Unwuchtsituation sowie derElastizitat der Welle aufgezeigt werden. Im Abgleich mit gemessenen Realdaten zeigten sich Ubereinstimmungenbzgl. des Auftretens des Oil-Whirl. Zunachst festgestellte Abweichungen bzgl. der Existenz eines Oil-Whip imbetrachteten Frequenzbereich konnten durch den Einfluss der untersuchten Parameter erklart werden. Fur weitereAbgleiche zwischen Simulation und Messung sind zusatzliche Versuchsdaten notwendig.

Fur zukunftige Arbeiten kann der Einfluss der Temperatur in der Simulation detaillierter Berucksichtigungfinden. Dazu kann die Energiegleichung im Spalt gelost werden, wodurch Annahmen uber den Verlauf der Tempe-ratur in Abhangigkeit der Drehfrequenz entfallen. Ferner kann die thermoelastische Deformation in die Simulationeinbezogen werden. Erste Ansatze sind bereits publiziert [12].

DanksagungDie Autoren danken der Firma Voith Turbo, insbesondere Herrn Mario Sievert und Herrn Jorg Milles, fur die

Durchfuhrung der Versuche und die Bereitstellung der Messdaten.

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[12] Woschke, E., Daniel, C., Strackeljan, J. (2009): Einbindung thermischer Zustandsvariablen in Mehrkorper-systeme. Proc. of 8th SIRM, International Conference on Vibrations in Rotating Machines, Vienna, Austria,Paper-ID 34.

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