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Institut f¨ ur Numerische Mathematik und Optimierung Numerische Simulation mathematischer Modelle Sommersemester 2014 Michael Eiermann

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Institut fur Numerische Mathematik und Optimierung

Numerische Simulationmathematischer Modelle

Sommersemester 2014

Michael Eiermann

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 1

Themen dieser Vorlesung

Die Vorlesung besteht aus zweiTeilen:

In Teil I werden Modelle der Populationsdynamik vorgestellt, die auf

gewohnlichen Differentialgleichungen und Differenzengleichungen basieren.

Teil II ist der Untersuchung von Markoff-Ketten gewidmet, mit denen man

sehr viele Prozesse modellieren kann, bei denen der Zufall eine Rolle spielt. Wir

werden uns unter anderem mit Kapazitatsproblemen bei Netzwerken befassen.

In allen Teilen wird die numerische Behandlung der jeweiligen Modelle betont.

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Literatur

• Edward Beltrami. Von Krebsen und Kriminellen. Mathematische

Modelle in Biologie und Soziologie. Friedr. Vieweg & Sohn

Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig 1993.

• Martin Braun. Differentialgleichungen und ihre Anwendungen.

Springer-Verlag, Berlin 1979.

• Andrew C. Fowler. Mathematical Models in the Applied Sciences.

Cambridge University Press, Cambridge 1997.

• Franz-Josef Fritz, Bertram Huppert und Wolfgang Willems.

Stochastische Matrizen. Springer-Verlag, Berlin 1979.

• Glenn Fullford, Peter Forrester und Arthur Jones. Modeling with

Differential and Difference Equations. Cambridge University Press,

Cambridge 1997.

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• Guy Latouche und V. Ramaswami. Introduction to Matrix Analytic

Methods in Stochastic Modeling. SIAM, Philadelphia (PA) 1999.

• C. C. Lin und L. A. Segal. Mathematics Applied to Deterministic

Problems in the Natural Sciences. SIAM, Philadelphia (PA) 1988.

• Douglas D. Mooney und Randall J. Swift. A Course in Mathematical

Modeling. The Mathematical Association of America, 1999.

• James D. Murray. Mathematical Biology, 2nd corrected edition.

Springer-Verlag, Berlin 1993.

• James R. Norris. Markov Chains. Cambridge University Press, Cambridge

1996.

• Thomas Sonar. Angewandte Mathematik, Modellbildung und

Informatik. Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH,

Braunschweig 2001.

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Leistungspunkte und Noten

Die Modulprufung besteht aus einer Klausurarbeit im Umfang von 120

Minuten, die in der Prufungsperiode nach dem Sommersemesters 2014 statt

findet [genauer Termin liegt noch nicht fest]. Eine weitere Klausur findet in der

Prufungsperiode nach dem Wintersemester 2014/2015 statt.

Im Modul werden 6 Leistungspunkte erworben. Die Modulnote ergibt sich aus

der Note der schriftlichen Prufung (Wichtung 1).

Der Zeitaufwand betragt 180 h und setzt sich aus 60 h Prasenzzeit und 120 h

Selbststudium zusammen. Letzteres umfasst die Vor- und Nachbereitung der

Lehrveranstaltungen, Vorbereitung und Bearbeiten der Klausur sowie das

Losen von Ubungsaufgaben.

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1 Mathematische Modellbildung und

numerische Simulation am Beispiel eines

Wasserkreislaufs

”Simulation ist die Nachbildung eines dynamischen Prozesses in einem

Modell, um zu Erkenntnissen zu gelangen, die auf die Wirklichkeit

ubertragbar sind“ (VDI-Richtlinie 3633).

Zum einen ist die rechnerische Simulation dann unumganglich, wenn reale

Experimente mit den Untersuchungsobjekten undurchfuhrbar sind: Denken Sie

etwa an die Entstehung von Galaxien oder an Untersuchungsobjekte, die erst

geplant sind, also noch gar nicht existieren. Aber auch wenn reale Experimente

moglich sind, ist es oft kostengunstiger und ressourcenschonender, stattdessen

numerische Simulationen einzusetzen.

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A. Physikalische Grundlagen.

Evangelista Torricelli (1608–1647):

Abflussgeschwindigkeit v =√

2gh, g = 9.81 (Gravitationsbeschleunigung),

h = Hohe des Wasserspiegels.

Abflussrate als Funktion des im Behalter befindlichen Wasservolumens V (falls

es sich um einen Zylinder mit Grundflache A handelt)

f = a√

2gV/A = c√V mit c := a

√2g/A .

Der Parameter c kann uber a variiert werden, wenn der Abfluss einen Hahn

besitzt. Wir sprechen von einem Steuerungsparameter.

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B. Mathematisches Modell.

U(t), V (t),W (t), R(t) : Wassermengen zur Zeit t in den Behaltern.

f1, . . . , f5 : Abflussfunktionen mit den Steuerungsparametern

c1, . . . , c5.

p = p(t) :”Pumpenfunktion“

Anderungsraten der Wasservolumina: Zuflusse weniger Abflusse, d.h.

U ′(t) = p(t)− f1(U(t))− f2(U(t))

V ′(t) = f1(U(t))− f3(V (t))− f4(V (t))

W ′(t) = f2(U(t)) + f4(V (t))− f5(W (t))

R′(t) = f3(V (t)) + f5(W (t))− p(t).

(1.1)

Diese Gleichungen, sog. (gewohnliche) Differentialgleichungen, heißen die

Kontinuitatsgleichungen unseres Systems.

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Anfangszustand: Wassermengen in Behaltern zu einem festen Zeitpunkt,

etwa fur t = 0.

Das Verhalten unseres Systems ist fur alle Zeiten t > 0 durch die obigen

Differentialgleichungen eindeutig bestimmt. Die Aufgabe, eine Losung des

Systems (1.1) zu bestimmen, welche gegebene Anfangsbedingungen erfullt,

nennt man ein Anfangswertproblem.

Addiert man alle Gleichungen, so ergibt sich

U ′(t) + V ′(t) +W ′(t) +R′(t) = 0,

ein globales Erhaltungsprinzip, welches besagt, dass sich die

Gesamtwassermenge in unserer Apperatur nicht verandert. (Es handelt sich

hier um ein geschlossenes System.)

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C. Algorithmus.

Anfangswertprobleme lassen sich nur in Ausnahmefallen geschlossen losen

(reine Mathematik: in unserem Fall gibt es genau eine Losung).

Aufgabe der Numerik: Bereitstellung von Naherungslosungen.

Idee: Wir betrachten die Gleichungen nicht mehr fur jeden beliebigen

Zeitpunkt, sondern nur noch zu bestimmten diskreten Zeitpunkten, etwa fur

t0 = 0, t1 = 1, . . . (Diskretisierung).

Un := U(tn), . . . , Rn := R(tn) (Volumina, die sich zum Zeitpunkt tn in den

Behaltern U, . . . , R befinden).

Anderungsrate U ′(tn) wird durch U(tn+1)− U(tn) = Un+1 − Un approximiert

(wir nahern hier eine Tangentensteigung durch eine Sekantensteigung an).

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Un+1 = Un + pn − f1(Un)− f2(Un)

Vn+1 = Vn + f1(Un)− f3(Vn)− f4(Vn)

Wn+1 = Wn + f2(Un) + f4(Vn)− f5(Wn)

Rn+1 = Rn + f3(Vn) + f5(Wn)− pn.

(1.2)

Diese vier Gleichungen heißen die diskreten Kontinuitatsgleichungen unserer

Kreislaufs (System von vier Differenzengleichungen).

Addition liefert globales Erhaltungsprinzip

Un+1 + Vn+1 +Wn+1 +Rn+1 = Un + Vn +Wn +Rn.

Legt man noch einen Anfangszustand fest (etwa U0 = V0 = W0 = 0 sowie R0

= Gesamtwassermenge = 100) und wahlt geeignete Werte fur die Parameter,

etwa c1 =√

12, c2 = c4 =√

2, c3 = 1, c5 = 2 sowie p = 17, so konnen wir

unser Modell”laufen lassen“.

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0 5 10 15 20 25 300

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Zeit

Was

serm

enge

Un

Vn

Wn

Rn

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D. Gleichgewichtswerte.

Simulation: Jede der Großen Un, Vn, Wn und Rn nahert sich mit

zunehmendem n einem Gleichgewichtswert U∞, V∞, W∞, R∞, wenn wir die

Steuerungsparameter nicht andern.

Bestimme Gleichgewichtswerte ohne (zeitaufwendige) Simulation:

p = f1(U∞) + f2(U∞)

f1(U∞) = f3(V∞) + f4(V∞)

f5(W∞) = f2(U∞) + f4(V∞).

Die vierte Gleichung (p = f3(V∞) + f5(W∞)) ist redundant.

Hier – im Gegensatz zur”Praxis“ – Gleichungen einfach (Dreiecksform).

Vorsicht: Die theoretisch ermittelten Gleichgewichtswerte konnen, aber

mussen nicht im Fassungsbereich der Behalter liegen (Nebenbedingungen).

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E. Steuerung.

Wesentliches Ziel von Simulationen: Optimierung des Systemverhaltens bzw.

Entscheidungshilfen fur die Steuerung des Systems.

In unserem Beispiel etwa: Wie muss man die Steuerungsparameter wahlen,

damit sich ein erwunschter (vorgegebener) Gleichgewichtszustand einstellt

(auch hier: Nebenbedingungen, man kann z.B. die Hahne nicht beliebig weit

offnen).

Fixiert man p, so fuhrt dies in unserem Fall zu drei Bedingungen fur die funf

Parameter c1, . . . , c5:

c1 = −c2 + p/√U∞

c4 = −c3 + c1√U∞/

√V∞

c5 = c2√U∞/

√W∞ + c4

√V∞/

√W∞.

In realen Systemen ist ein solches Steuerungsproblem nicht explizit losbar, man

wird es nur naherungsweise und iterativ losen konnen.

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F. Kritik.

Realitat → mathematisches Modell → Algorithmus

→ numerische Simulation der Realitat.

Bei jedem dieser drei Ubergange haben wir Fehler begangen,

— Modellierungsfehler. Unser Modell setzt wirbelfreien Wasserfluss voraus;

in der Realitat werden sich aber Wirbel bilden. Die Torricellische

Ausflussformel ist nur gultig, wenn sich die Spiegelhohe langsam andert

und keine Druckdifferenz zwischen Spiegel und Austrittsoffnung besteht,

Voraussetzungen, die in der Realitat nicht immer erfullt sind.

— Diskretisierungsfehler. Wir haben den stetigen Strom des Wassers durch

”Durchschnittswerte“ (bez. Zeit und Raum) ersetzt.

— Rundungsfehler. Computer”rechnen falsch“.

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2 Populationsdynamik

2.1 Zwei einfache Modelle

Sei N(t) die Population einer Spezies zur Zeit t.

Alle Modelle basieren auf dem Erhaltungssatz

dN

dt= Geburten− Todesfalle + Migration.

a. Das einfachste Modell (T. R. Malthus, 1766–1834)

Vernachlassige Migration. Geburts- und Todesfalle seien proportional zu N ,

d.h.dN

dt= bN − dN = rN mit r = b− d. (2.1)

Die allgemeine Losung dieser gewohnlichen Differentialgleichung (gDG) ist

N(t) = N0 exp(rt) mit N0 = N(0).

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Exponentielles Wachstum: N(t) = N0 exp(rt)

t

N

N0

0

r > 0r = 0r < 0

Exponentielles Wachstum ist i. Allg. naturlich ziemlich unrealistisch und nur in

sehr speziellen Situationen zu beobachten (etwa bei Bakterienkulturen mit i.

W. unbeschrankten Ressourcen).

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b. Ein modifiziertes Modell (P. F. Verhulst, 1804–1849)

dN

dt= rN

(1− N

K

)mit positiven Konstanten r und K. (2.2)

K heißt Tragerkapazitat und hangt etwa von den verfugbaren

Nahrungsressourcen ab.

Die Reproduktionsrate [hier r(1−N/K)] ist jetzt von N abhangig:

r

(1− N

K

) > 0, N < K,

< 0, N > K.

Die allgemeine Losung von (2.2) ist

N(t) = N0K exp(rt)

K +N0(exp(rt)− 1).

Man spricht von logistischem Wachstum. Offenbar gilt: limt→∞N(t) = K.

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Logistisches Wachstum

t

N

K

K/2

N0 > K

K > N0 > K/2

N0 < K/2

Beachte, dass sich die Losungen fur 0 < N0 < K/2 und K/2 < N0 < K

qualitativ unterscheiden.

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2.2 Elementares aus der Theorie gDGen

Wir betrachten Systeme von expliziten gDGen erster Ordnung:

y′1 = f1(t, y1, y2, . . . , yn)

y′2 = f2(t, y1, y2, . . . , yn)

... =...

y′n = fn(t, y1, y2, . . . , yn)

(2.3)

mit den n unbekannten Funktionen y1 = y1(t), y2 = y2(t), . . . , yn = yn(t).

Sei I ein Intervall.

Jedes System von n Funktionen y1 = y1(t), . . . , yn = yn(t) ∈ C1(I), das

(2.3) fur alle t ∈ I erfullt, heißt Losung von (2.3) uber I.

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Beispiel. Das System

y′1 = 1

y′2 = 2y1

besitzt die Losungen

y1(t) = t+ α, y2(t) = t2 + 2αt+ β (α, β ∈ R)

uber (−∞,∞).

Fur eine eindeutige Losung sind Anfangsbedingungen erforderlich.

Z.B. y1(0) = 1, y2(0) = 2.

Dann ist y1(t) = t+ 1, y2(t) = t2 + 2t+ 2 die einzige Losung.

Allgemein: Das Problem, eine Losung von (2.3) zu finden, die die

Anfangsbedingung

y1(t0) = y0,1, . . . , yn(t0) = y0,n (2.4)

erfullt, heißt Anfangswertproblem (AWP) fur die gDG (2.3).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 22

Mit

y :=

y1

...

yn

, f :=

f1

...

fn

, y0 :=

y0,1

...

y0,n

fuhren wir fur (2.3), (2.4) folgende Kurzschreibweise ein:

y ′ = f (t,y), (2.3’)

y(t0) = y0. (2.4’)

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Satz 2.1 (Existenz- und Eindeutigkeitssatz von Picard-Lindelof)

Gegeben ist das AWP (2.3’), (2.4’).

f sei stetig im ‘Quader’ Q := (t,y) : |t− t0| ≤ a, ‖y − y0‖ ≤ b ⊆ Rn+1

und es sei M := max‖f (t,y)‖ : (t,y) ∈ Q.Außerdem erfulle f in Q die Lipschitz-Bedingung

‖f (t,y)− f (t, y)‖ ≤ L‖y − y‖ ∀ (t,y), (t, y) ∈ Q. (2.5)

Dann besitzt das AWP genau eine Losung uber I := [t0 − α, t0 + α], wobei

α = mina, b/M.

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Bemerkungen.

1. Das AWP (2.3), (2.4) besitzt in [t0 − a, t0 + a] eine eindeutige Losung,

wenn f die Lipschitz-Bedingung (2.5) in

Q = (t,y) : |t− t0| ≤ a, ‖y‖ <∞ erfullt.

2. Ist f auf Q bez. y stetig differenzierbar und bezeichnet

f ′y = [∂fi/∂yj ]1≤,i,j≤n die zugehorige Jacobi-Matrix, dann folgt aus dem

Mittelwertsatz, dass die Voraussetzungen von Satz 2.1 erfullt sind mit

L = sup(t,y)∈Q

‖f ′y (t,y)‖ <∞.

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Satz 2.2 (Stetige Abhangigkeit von den Daten)

Die Voraussetzungen von Satz 2.1 seien erfullt.

Sind y , z Losungen der AWPe y ′ = f (t,y), y(t0) = y0, bzw. z ′ = g(t, z ),

z (t0) = z0 uber I (g sei stetig in Q) und gilt

‖y0 − z0‖ ≤ γ sowie ‖f (t,y)− g(t,y)‖ ≤ δ (∀ (t,y) ∈ Q),

dann folgt fur t ∈ I

‖y(t)− z (t)‖ ≤ γ eL(t−t0) +δ

L

(eL(t−t0) − 1

).

Die folgenden Seiten behandeln ein wichtiges Beispiel fur gDGen...

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2.2.1 Lineare Systeme von gDGen mit konstanten Koeffizienten

y ′ = Ay + b(t) mit A = [ai,j ] ∈ Rn×n (unabhangig von t). (2.6)

Das System heißt homogen, falls b = 0 , sonst inhomogen.

Es gelten:

• Sind b1(t), b2(t), . . . , bn(t) stetig in I = [t0 − a, t0 + a], dann besitzt (2.6)

mit der Anfangsbedingung y(t0) = y0 genau eine Losung in I.

• Sind y und z zwei Losungen von (2.6), dann lost w = y − z das

homogene System y ′ = Ay .

• Die Losungen von y ′ = Ay bilden einen Vektorraum der Dimension n.

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Noch spezieller (n = 2):

y ′ = Ay mit A =

[a b

c d

]∈ R2×2 bzw.

y′1 = ay1 + by2,

y′2 = cy1 + dy2.(2.7)

Die Eigenwerte von A sind

λ1,2 =(a+ d)±

√(a+ d)2 − 4 detA

2(detA = ad− bc).

Losungen (und ihr Verhalten in der Phasenebene = (y1, y2)-Ebene):

Fall 1: A besitzt zwei linear unabhangige Eigenvektoren v1, v2 (z.B. wenn die

Eigenwerte λ1, λ2 von A verschieden sind).

Die allgemeine Losung der gDG (2.7) ist dann

y(t) = α exp(λ1t)v1 + β exp(λ2t)v2 (α, β ∈ R).

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Fall 1a: λ1,2 sind verschieden und reell und haben das gleiche Vorzeichen.

Sei etwa λ2 < λ1 < 0. Jede Losung strebt gegen 0 (fur t→∞) und, wenn

α 6= 0,

y(t) =

[y1(t)

y2(t)

]∼ α exp(λ1t)v1 (t→∞).

D.h.: Genugend nahe am Ursprung streben alle Losungen gegen (0, 0) entlang

sign(α)v1 (in der Phasenebene), falls α 6= 0. Wenn α = 0 und β 6= 0, streben

sie auf sign(β)v2 gegen (0, 0). Wir sprechen von einem Knotenpunkt (Typ I).

Ist λ2 < λ1 ≤ 0, so ist der Knotenpunkt stabil, weil alle Kurven

(y1(t), y2(t))0≤t<∞ gegen (0, 0) streben fur t→∞.

Ist λ1 > λ2 > 0, so ist der Knotenpunkt instabil, denn

(y1(t), y2(t))0≤t<∞ → (∞,∞) fur t→∞.

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Fall 1b: λ1,2 sind reell und haben verschiedene Vorzeichen.

Sei etwa λ1 < 0 < λ2. Dann exp(λ1t)v1 → 0 fur t→∞ und

exp(λ2t)v2 →∞ fur t→∞. D.h. y(t)→∞ fur t→∞ (entlang v2), falls

β 6= 0. Wenn β = 0 und α 6= 0, dann y(t)→ 0 fur t→∞ auf v1. Man

spricht von einem Sattelpunkt. Er ist immer instabil.

Fall 1c: λ1,2 = λ sind gleich und damit reell (es gibt aber zwei linear

unabhangige Eigenvektoren).

In diesem Fall ist A = λI2 und jeder Vektor v 6= 0 ist ein Eigenvektor von A.

Die Losungen streben fur t→∞ auf Geraden gegen (0, 0), falls λ < 0

(stabiler Fall), bzw. von (0, 0) weg, falls λ > 0 (instabiler Fall). Man spricht

von einem Stern.

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Sind λ1,2 = µ1 ± iµ2 (µ1, µ2 ∈ R) konjugiert komplex, so ist die obige

Losungsformel zwar korrekt, liefert aber komplexe (d.h. fur uns unbrauchbare)

Losungen.

Ist v1 = w1 + iw2 (w1,w2 ∈ R2) Eigenvektor von A zum Eigenwert

λ1 = µ1 + iµ2, dann ist v2 = w1 − iw2 Eigenvektor zu λ2 = µ1 − iµ2.

Damit konstruieren wir eine reelle Basis des Losungsraums und erhalten als

allgemeine Losung von (2.7) (mit α, β ∈ R)

y(t) = exp(µ1t) α [cos(µ2t)w1 − sin(µ2t)w2] + β [sin(µ2t)w1 + cos(µ2t)w2] .

Fall 1d: λ1,2 = µ1 ± iµ2 sind konjugiert komplex mit µ1 6= 0.

Man spricht von einem Strudelpunkt, der stabil ist fur µ1 < 0 und instabil fur

µ1 > 0.

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Fall 1e: λ1,2 = µ1 ± iµ2 sind konjugiert komplex mit µ1 = 0 (µ2 6= 0).

Die Singularitat ist weder stabil noch instabil. Man nennt sie manchmal

neutral stabil und spricht von einem Zentralpunkt. Die Phasenkurven sind

Ellipsen mit Mittelpunkt (0, 0).

Fall 2: A besitzt nur einen linear unabhangigen Eigenvektor (und folglich nur

einen Eigenwert λ).

Die allgemeine Losung von (2.7) ist in diesem Fall

y(t) = α exp(λ1t)v1 + β exp(λ1t) (tv1 + v2) (α, β ∈ R).

Dabei ist v1 ein Eigenvektor von A (Av1 = λv1) und v2 ein zugehoriger

Hauptvektor (Av2 = λv2 + v1).

Man spricht von einem Knotenpunkt (Typ II), der stabil (λ1 < 0) oder instabil

(λ1 ≥ 0) sein kann.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 32

2.2.2 Phasenportraits

y1

y2

v1

v2

Knotenpunkt (Typ I), hier stabil

y1

y2

v1

v2

Sattelpunkt (immer instabil)

y1

y2

Sternpunkt, hier stabil

y1

y2

Strudelpunkt, hier stabil

y1

y2

Zentralpunkt (immer neutral stabil)

y1

y2

v1

Knotenpunkt (Typ II), hier stabil

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 33

2.2.3 Gleichgewichtslosungen

Beim logistischen Wachstumsmodell dNdt = rN(1− N

K

)sind zwei Losungen

ausgezeichnet: N(t) ≡ 0 und N1(t) ≡ K.

Man nennt sie die Gleichgewichtslosungen (GGL) oder Gleichgewichtspunkte

und erhalt sie durch Losen der Gleichung rN(1− NK ) = 0. N ist eine instabile

GGL (stort man N , so strebt die Losung weg von N). N1 ist eine stabile GGL

(stort man N1, so strebt die Losung wieder gegen N1).

Fur das allgemeinere Populationsmodell

dN

dt= f(N) mit einer (nichtlinearen) Funktion f (2.8)

(man spricht hier von einer autonomen gDG, d.h. f hangt nicht explizit von t

ab) ist N∗ eine GGL, wenn f(N∗) = 0. Sie ist instabil, wenn f ′(N∗) > 0 gilt,

und stabil, wenn f ′(N∗) < 0 gilt.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 34

Allgemein heißt eine beliebige Losung N = N(t) von (2.8) stabil, wenn fur

jede Losung N , die zur Zeit t = 0 genugend nahe bei N(t) startet, fur t→∞gegen N(t) strebt.

Genauer: ∀ε > 0 ∃δ = δ(ε) > 0, so dass fur alle Losungen N von (2.8) mit

|N(0)− N(0)| < δ immer |N(t)− N(t)| < ε ∀t ∈ I folgt.

Satz 2.3 (Stabilitat bei linearen gDGen)

Es gelten:

• Jede Losung von y ′ = Ay ist stabil, wenn alle Eigenwerte vonA negativen

Realteil haben.

• Jede Losung von y ′ = Ay ist instabil, wenn mindestens ein Eigenwert

von A positiven Realteil hat.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 35

2.2.4 Qualitative Analyse in Rezeptform

Wir betrachten die autonome gDG y ′ = f (y). Sie ist i.a. n-dimensional, wir

konzentrieren uns hier auf den Fall n = 2:

du

dt= f(u, v) und

dv

dt= g(u, v). (2.9)

1. Bestimme Gleichgewichtslosungen (Gleichgewichtspunkte), d.h. die

Losungen von (2.9), die nicht mit t variieren.

Lose das Gleichungssystem (in zwei Unbekannten)

f(u, v) = 0 und g(u, v) = 0.

2. Sind die Gleichgewichtspunkte stabil?

Besitzen f und g stetige partielle Ableitungen zweiter Ordnung bez. u und v in

einer Umgebung von (u∗, v∗), dann gibt es eine stetige Funktion H : R2 → R2

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 36

mit limx→0 H(x )/‖x‖ = 0 und[f(u∗ + h, v∗ + k)

g(u∗ + h, v∗ + k)

]=

[f(u∗, v∗)

g(u∗, v∗)

]+A

[h

k

]+H

([h

k

]).

Dabei ist

A = A(u∗, v∗) =

∂f(u∗,v∗)∂u

∂f(u∗,v∗)∂v

∂g(u∗,v∗)∂u

∂g(u∗,v∗)∂v

. (2.10)

Fur uns bedeutet das, dass sich die Losungen von (2.9) in einer Umgebung von

(u∗, v∗) im wesentlichen wie die von y ′ = Ay verhalten.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 37

Satz 2.4 (Stabilitat von Gleichgewichtslosungen)

Unter den obigen Voraussetzungen sei (u∗, v∗) eine Gleichgewichtslosung von

(2.9).

• (u∗, v∗) ist stabil, wenn alle Eigenwerte von A(u∗, v∗) negativen Realteil

haben.

• (u∗, v∗) ist instabil, wenn mindestens ein Eigenwert von A(u∗, v∗) posi-

tiven Realteil hat.

• Im nichtlinearen Fall sind keine Aussagen moglich, wenn alle Eigenwer-

te einen Realteil ≤ 0 besitzen, aber mindestens einer verschwindenden

Realteil besitzt.

Um den Charakter des Gleichgewichtspunktes beim Ubergang von y ′ = Ay

nach y ′ = f (y) zu erhalten (Knotenpunkt, Sattelpunkt etc.), mussen die

Voraussetzungen an f verscharft werden (vgl. die folgenden Beispiele).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 38

3. Phasenportrait.

Bestimme Bahnen oder Trajektorien (u(t), v(t))t≥0, wobei u, v Losungen

von (2.9) sind, uberdv

du=g(u, v)

f(u, v).

Satz 2.5 (Eigenschaften von Bahnen)

Es gilt

• Durch jeden Punkt (u0, v0) lauft eine Bahn (außer durch Gleichgewichts-

punkte, fur die die Bahnen zu einem Punkt degenerieren). Haben zwei

Bahnen einen gemeinsamen Punkt, so sind sie identisch.

• Kehrt eine Bahn nach einer Zeit T > 0 zu ihrem Ausgangspunkt zuruck,

dann ist sie geschlossen (d.h. die zugehorigen Losungen sind periodisch).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 39

Satz 2.6 (Satz von Poincare-Bendixson.)

Bleibt eine Losung (u, v) von (2.9) in einem beschrankten Gebiet der Ebene,

das keine stabilen Gleichgewichtspunkte von (2.9) enthalt, dann dreht sich ihre

Bahn in eine einfach geschlossene Kurve hinein, die Bahn einer periodischen

Losung von (2.9) ist.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 40

2.3 Western spruce budworm (choristoneura occidentalis)

einer der gefahrlichsten Nadelwaldschadlinge in Nordamerika; periodische

Ausbruche (etwa alle 40 Jahre) mit dramatischen Folgen fur die

Forstwirtschaft.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 41

2.4 Modell fur Populationswachstum

dN

dt= rBN

(1− N

KB

)− p(N) mit p(N) =

BN2

A2 +N2. (2.11)

B ist ein Mass fur die Rauber-Effektivitat der Vogel, A heißt Schalterwert.

0 A N 0

B/2

B

p(N)

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 42

Dieses Problem enthalt vier Parameter:

A,KB [Einheit von N ], rB [1/t], B [Einheit von N/t].

Obligatorisch: Transformation auf dimensionslose Großen (dazu spater mehr).

Setze hier: u = NA , r = ArB

B , q = KB

A , τ = BtA . Einsetzen liefert:

du

dτ= ru

(1− u

q

)− u2

1 + u2= f(u; r, q).

Gleichgewichtslosungen:

f(u; r, q) = 0 ⇒ ru(1− uq ) = u2

1+u2 ⇒ u = 0 ∨ r(1− uq ) = u

1+u2 .

0 q u0

r

N1

N2

N3

r/(1−u/q)

u/(1+u2)

0 u

N1

N2

N3

f(u;r,q)

(q,r)=(8,0.4)(q,r)=(8,0.5)(q,r)=(8,0.6)

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 43

Quelle: James D. Murray. Mathematical Biology, 2nd corrected edition.

Springer-Verlag, Berlin 1993

Hysterese Effekt: Fixiere q und variiere r entlang ABCD: Die

Gleichgewichtswerte”springen“ in C. Variiert man r entlang DCBA, so findet

ein Sprung bei B statt.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 44

2.5 Modelle fur zwei PopulationenGenauer: Populationen, deren Großen N und P sich wechselweise beeinflussen.

• Rauber-Beute-Modelle,

• Wettbewerbs-Modelle,

• Symbiose-Modelle.

Umberto d’Ancona stellt 1925 den prozentualen Anteil der Haie am

Gesamtfang (Speisefische und Haie) im Hafen von Triest fest:

1914 1915 1916 1917 1918 1919 1920 1921 1922 19230

5

10

15

20

25

30

35

40

Benachteiligt eingeschrankter Fischfang (1. Weltkrieg) die Speisefische?

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 45

N(t): Beutepopulation zur Zeit t (Speisefische),

P (t): Rauberpopulation zur Zeit t (Haie).

Annahmen (Volterra-Lotka-Modell):

• Ohne Rauber wurde die Beute exponentiell wachsen.

• Rauber reduzieren Beute proportional zu N(t)P (t).

• Ohne Beute wurden die Rauber exponentiell abnehmen.

• Rauber profitieren von der Beute proportional zu N(t)P (t).

dN

dt= aN(t)− bN(t)P (t) (mit Konstanten a, b > 0)

dP

dt= −c P (t) + eN(t)P (t) (mit Konstanten c, e > 0)

(2.12)

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 46

Transformation

τ = at, u(τ) =eN(t)

c, v(τ) =

bP (t)

a, α =

c

a

liefert dimensionslose Form

du

dτ= u(1− v),

dv

dτ= αv(u− 1). (2.13)

Wir bestimmen die Bahnen von (2.13), d.h. die Losungen von

dv

du= α

v(u− 1)

u(1− v)bzw.

1− vv

dv = αu− 1

udu

(gDG mit getrennten Variablen) und erhalten

log(v)− v +H = αu− α log(u) bzw. αu+ v − log(uαv) = H (2.14)

mit einer Konstanten H.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 47

Es gelten:

• Die Gleichung (2.14) hat nur fur H ≥ 1 + α positive Losungen u und v.

• (2.14) beschreibt fur H > 1 + α eine geschlossene Kurve in der

Phasenebene. Folglich sind die Losungen von (2.13) periodisch.

(Beachte auch: u(τ) = 1 ⇒ v′(τ) = 0 und v(τ) = 1 ⇒ u′(τ) = 0.)

• Ist T die gemeinsame Periodenlange von u bzw. v, dann

1

T

∫ T

0

u(τ) dτ = 1 und1

T

∫ T

0

v(τ) dτ = 1.

Gleichgewichtslosungen:

f(u, v) = u(1− v) = 0

g(u, v) = αv(u− 1) = 0⇒ (u, v) = (0, 0) oder (u, v) = (1, 1).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 48

Lineare Stabilitatsanalyse: ∂f∂u

∂f∂v

∂g∂u

∂g∂v

=

[1− v −uαv α(u− 1)

].

Das bedeutet ∂f∂u

∂f∂v

∂g∂u

∂g∂v

(u,v)=(0,0)

=

[1 0

0 −α

]mit Eigenwerten 1 und − α.

∂f∂u

∂f∂v

∂g∂u

∂g∂v

(u,v)=(1,1)

=

[0 −1

α 0

]mit Eigenwerten ±

√αi.

Also ist ein (0, 0) ein (instabiler) Sattelpunkt und (1, 1) ein Zentralpunkt.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 49

Rucktransformation ergibt fur (2.12) die Bahnen

eN + bP − log(N cP a) = K

und die Mittelwerte

1

T

∫ T

0

N(t) dt =c

eund

1

T

∫ T

0

P (t) dt =a

b.

a/b

c/e

N(t)

P(t)

c/e

a/b Mittelwert

Beute

Räu

ber

Phasenebene

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 50

Berucksichtige Fischfang:

dN

dt= aN − bNP − f N = (a− f)N − bNP,

dP

dt= −c P + eNP − f P = −(c+ f)P + eNP (f > 0).

Gleiches System mit neuen Koeffizienten: a→ a− f und c→ c+ f .

Mittelwerte: (c+ f)/e > c/e (Beute), (a− f)/b < a/b (Rauber).

c/e (c+f)/e

(a−f)/b

a/b

Beute

Rae

uber

ohne

mit

Fischfang

Volterras Prinzip:

Angemessener Fischfang

(f < a) steigert die durch-

schnittliche Zahl der Spei-

sefische und reduziert die

durchschnittliche Zahl der

Haie.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 51

Ein realitatsnaheres Rauber-Beute-Modell hat die Form

dN

dt= Nr

(1− N

K

)− kNP

N +D(r,K, k,D > 0),

dP

dt= Ps

(1− hP

N

)(s, h > 0).

Nach Substitution u(τ) = N(t)/K, v(τ) = hP (t)/K, τ = rt, a = k/(hr),

b = s/r, d = D/K ergibt sich

du

dτ= f(u, v) = u(1− u)− auv

u+ dund

dv

dτ= g(u, v) = bv

(1− v

u

).

(2.15)

Der einzige Gleichgewichtspunkt mit positiven Komponenten ist

(u∗, v∗) mit u∗ = v∗ =1− a− d+

√(1− a− d)2 + 4d

2.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 52

Die zugehorige Funktionalmatrix ist ∂f∂u

∂f∂v

∂g∂u

∂g∂v

(u,v)=(u∗,v∗)

=

u∗[

au∗

(u∗+d)2 − 1]−au∗u∗+d

b −b

.(u∗, v∗) ist genau dann instabil, wenn die Parameter (a, b, d) in der skizzierten

Teilmenge des R3 liegen:

00.1

0.20.3

0.40.5

0.60.7

0.8 00.5

11.5

22.5

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

ad

b

d(a)=(a2+4a)1/2−(1+a)

b=1/a b=2a−1

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 53

a = 1, b = 0.05, d = 0.2 liefert z.B. ein instabiles Gleichgewicht

u∗ = v∗ ≈ .36:

0 u* .8 10

v*

.7

1

g<0

g>0

f<0

f>0

0 50 100 150 200 250 3000

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

u

τ=rt

v

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 54

2.6 Ein Konkurrenzmodell

dN1

dt= r1N1

(1− N1

K1

)− a1N1N2 (r1,K1, a1 > 0),

dN2

dt= r2N2

(1− N2

K2

)− a2N1N2 (r2,K2, a2 > 0)

wird dimensionslos durch u1 = N1

K1, u2 = N2

K2, τ = r1t, ρ = r2

r1, b1 = a1

K2

r1,

b2 = a2K1

r2:

du1

dτ= f(u1, u2) = u1 (1− u1)− b1u1u2,

du2

dτ= g(u1, u2) = ρu2 (1− u2)− ρb2u1u2.

Wir betrachten den Fall b1 > 1 und b2 > 1 (es gibt drei weitere Falle, vgl.

Ubungsaufgaben).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 55

1. Gleichgewichtspunkte

u1 (1− u1)− b1u1u2 = 0⇔ u1 = 0 ∨ u2 =1

b1(1− u1) ,

ρu2 (1− u2)− ρb2u1u2 = 0⇔ u2 = 0 ∨ u2 = 1− b2u1.

Das bedeutet: Im ersten Quadranten gibt es vier Gleichgewichtspunkte; (0, 0),

(1, 0), (0, 1) und einen weiteren mit positiven Komponenten (der Schnittpunkt

der Nulllinien), namlich ( b1−1b1b2−1 ,

b2−1b1b2−1 ).

2. Stabilitat

A(u1, u2) =

∂f∂u1

∂f∂u2

∂g∂u1

∂g∂u2

=

1− 2u1 − b1u2 −b1u1

−ρb2u2 ρ(1− 2u2 − b2u1)

.A(0, 0) =

[1 0

0 ρ

], A(1, 0) =

[−1 −b10 ρ(1− b2)

], A(0, 1) =

[1− b1 0

−ρb2 −ρ

].

Also ist (0, 0) instabil, wahrend (1, 0) und (0, 1) stabil sind.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 56

A

(b1 − 1

b1b2 − 1,b2 − 1

b1b2 − 1

)=

1

1− b1b2

[b1 − 1 b1(b1 − 1)

ρb2(b2 − 1) ρ(b2 − 1)

]

mit Eigenwerten λ2 < 0 < λ1.

Es handelt sich also um einen instabilen Sattelpunkt.

Interpretation: Die beiden Spezies konkurrieren so aggressiv, dass eine von

beiden ausstirbt (Ausschluss durch Konkurrenz).

Es gibt eine Bahn (Separatrix), die (theoretisch) gegen das instabile

Gleichgewicht strebt. Alle anderen Punkte liegen im Einzugsbereich eines der

beiden Attraktoren (1, 0) (d.h. Spezies 2 stirbt aus) oder (0, 1) (d.h. Spezies 1

stirbt aus).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 57

0 u_1* 1/b_2 10

u_2*

1/b_1

1

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 58

2.7 Diskrete Modelle

Fur viele Arten ist es sinnvoll anzunehmen, dass die Population in diskreten

Zeitschritten wachst:

Nt+1 = f(Nt), hier f(Nt) = Nt · F (Nt). (2.16)

(Oft ergibt sich die diskrete Form aber auch durch Diskretisierung einer gDG.)

Beispiele sind:

Nt+1 = rNt (fur r > 0) ⇒ Nt = rtN0 (diskretes exponentielles Wachstum),

Nt+1 = rNt(1− Nt

K

)(fur r > 0, K > 0) (diskretes logistisches Wachstum).

Nachteil des letzten Modells: Nt+1 < 0, wenn Nt > K.

Gleichgewichtspunkte erhalt man als Schnittpunkte N∗ von Nt+1 = f(Nt) mit der

”ersten Winkelhalbierenden“ Nt+1 = Nt.

Der Gleichgewichtspunkt N∗ ist stabil, wenn |f ′(N∗)| < 1 gilt, und instabil, wenn

|f ′(N∗)| > 1 gilt. Im Fall von |f ′(N∗)| = 1 spricht man von einem

Verzweigungspunkt.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 59

(((!!

""

x1 x2 x3

0 < f ′(N∗) < 1

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 60

HHaa

aaaH

HHH

QQQ

cc

x1 x2x3

−1 < f ′(N∗) < 0

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SS

eee

@@eeeSSTTTAAAA

x1x2 x3

|f ′(N∗)| > 1

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 62

2.8 Ein”

chaotisches“ Beispiel

Normiere das diskrete logistische Modell durch ut = Nt

K :

ut+1 = rut(1− ut) (mit r > 0)

und wahle u0 ∈ (0, 1).

Gleichgewichtspunkte (bestimme Losungen u∗ von f(u) = ru(1− u) = u),

Stabilitat (bestimme λ = f ′(u∗)):

u∗1 = 0, λ1 = f ′(0) = r, und u∗2 =r − 1

r, λ2 = f ′

(r − 1

r

)= 2− r. (2.17)

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 63

1. Fur r ∈ (0, 1) ist u∗1 = 0 der einzige realistische (positive)

Gleichgewichtspunkt,

2. Erster Bifurkationspunkt r = 1.

3. Fur r ∈ [1, 3) ist u∗2 ein (realistischer) stabiler Gleichgewichtspunkt.

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 200

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

r = 0.5r = 1.0r = 2.0r =2.8

0 10

11 <= r <= 3

ut

ut+1

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 64

4. Zweiter Bifurkationspunkt r = 3.

5. Fur r ∈ [3, r4) existiert ein stabile 2-periodische Gleichtgewichtlosung.

Betrachte ut+2 = f2(ut) = r(rut(1− ut))(1− rut(1− ut)). Diese

Iteration hat vier Gleichgewichtspunkte: u∗1,2 (beide instabil) und

u∗3,4 =(r + 1)± [(r + 1)(r − 3)]1/2

2r> 0

mit |(f2)′(u∗3,4)| < 1.

0 5 10 15 20 25 30 35 400.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1r = 3.0r = 3.3r = 3.5

0 10

1r = 3.3

ut

ut+2

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 65

6. Der dritte Bifurkationspunkt r4 ist der (kleinste) Wert von r mit

(f2)′(u∗3,4) = −1.

7. Zwischen r4 und r8 gibt es eine stabile 4-periodische Gleichgewichtslosung

u∗5,6,7,8 bis (f4)′(u∗5,6,7,8) = −1.

8. Dieser Prozess (aus einer 2k-periodischen Gleichgewichtslosung wird eine

2k+1-periodische) setzt sich fort bis zum Wert rc.

0 10 20 30 40 50 60 70 800.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1

r = rc

0 10

1

r = rc

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 66

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 67

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 68

Ein Modell fur Masernepidemien

Die Kinderkrankheit Masern wird durch Viren ubertragen. Ein typischer

Krankheitsverlauf stellt sich (leicht vereinfacht) wie folgt dar: Ein Kind, das

sich angesteckt hat, durchlauft zunachst eine einwochige Inkubationszeit, in

der es weder sichtbar krank ist noch andere Kinder anstecken kann. Danach

wird es fur eine Woche infektios (d.h. es kann die Krankheit ubertragen).

Danach wird es sichtbar krank (Exanthem), aber nicht mehr (in Wirklichkeit

deutlich weniger) infektios, erholt sich wieder und ist in Zukunft immun gegen

Masern.

Man hat beobachtet, dass es in Industrielandern (U.S.A., U.K.) alle zwei bis

drei Jahre zu epidemischen Ausbruchen dieser Krankheit kommt. In sog.

Dritte-Welt-Landern ist der Zeitraum zwischen zwei Epidemien wesentlich

kurzer. Warum?

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 69

Sei Sn die Anzahl der gesunden, aber nicht immunen Kinder in der Woche n.

Sei In die Anzahl der infektiosen Kinder in der Woche n. Sei B > 0 die Anzahl

der Neugeborenen pro Woche. Sei µ > 0 der Anteil der Kinder (aus Sn), die

pro Woche von einem infektiosen Kind angesteckt werden.

In = f(In−1, Sn−1) = µIn−1Sn−1

Sn = g(In−1, Sn−1) = Sn−1 − µIn−1Sn−1 +B.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 70

I0 = 20, S0 = 30000, µ = 0.3 · 10−4, B = 120 (U.K.):

0 50 100 150 200 250 3002.8

3

3.2

3.4

3.6

3.8x 104

0 50 100 150 200 250 3000

100

200

300

400

500

600

700

Sn

In

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 71

I0 = 20, S0 = 30000, µ = 0.3 · 10−4, B = 360 (Nigeria):

0 50 100 150 200 250 3002.5

3

3.5

4

4.5x 104

0 50 100 150 200 250 3000

500

1000

1500

2000

Sn

In

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 72

Wir berechnen die Gleichgewichtspunkte aus

f(I, S) = I und g(I, S) = S.

Als einziger realistischer Gleichgewichtspunkt ergibt sich (I∗, S∗) = (B, 1/µ),

der wegen ∂f∂I

∂f∂S

∂g∂I

∂g∂S

(I,S)=(I∗,S∗)

=

[1 µB

−1 1− µB

]

ein Zentralpunkt ist (falls µB ≤ 4 sind die Eigenwerte der Funktionalmatrix

konjugiert komplex und vom Betrag 1). Wir beobachten eine periodisches

Verhalten mit Periodenlange ≈ 126 im Fall B = 120 bzw. Periodenlange ≈ 73

im Fall B = 360.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 73

3 Markoff-Ketten

3.1 Zwei Zufallsprozesse

a. Rekursionen mit Zufallsmatrizen.

Wahle

• k ∈ N, k ≥ 2,

• ein Wahrscheinlichkeitsmaß π = [π1, π2, . . . , πk] auf 1, 2, . . . , k,• k Matrizen A1, A2, . . . , Ak ∈ R2×2,

• k Vektoren b1, b2, . . . , bk ∈ R2,

• und einen Startvektor x0 ∈ R2.

Dann fuhre folgenden Algorithmus aus

for m = 1 : M (M groß, z.B. M = 10000)

wahle j ∈ 1, 2, . . . , k nach π

xm = Ajxm−1 + bjend

Plotte xm, m = m0,m0 + 1, . . . ,M (mit z.B. m0 = 100).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 74

Ein Farnblattk = 2, π = [.2993, .7007],

A1 =

[+.4000 −.3733

+.0600 +.6000

],

b1 =

[+0.3533

+0.0000

],

A2 =

[−.8000 −.1867

+.1371 +.8000

],

b2 =

[+1.1000

+0.1000

].

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 75

Sierpinski-Dreieck

k = 3, π = [1, 1, 1]/3,

A1 = 12

[1 0

0 1

],

b1 =

[0

0

],

A2 = A1,

b2 =

[1

0

],

A3 = A1,

b3 = 12

[1

1

].

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 76

b. Irrfahrt eines Springers.

Stelle einen Springer in die Ecke eines ansonsten leeren Schachbretts und

wahle zufallig einen der nach den Regeln erlaubten Zuge. Jeder der moglichen

Zuge werde mit der gleichen Wahrscheinlickeit ausgewahlt.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 77

Naturliche Fragen:

1. Wieviele Zuge sind durchschnittlich notwendig, bis der Springer zu seiner

Ausgangsposition zuruckkehrt?

2. Wieviele Zuge sind durchschnittlich notwendig, bis der Springer alle 64

Felder besucht hat?

Um ein Gefuhl fur diese Großen zu entwickeln, simulieren wir 100 solche

Irrfahrten mit dem Zufallszahlengenerator rand von Matlab. In genau 35

dieser Experimente ist der Springer nach weniger als 50 Zugen zu seiner

Ausgangsposition zuruckkehrt, wahrend er in genau einem Experiment dazu

k ∈ [1050, 1100) Zuge benotigt. Die durchschnittliche first return time unserer

Stichprobe ist 191.78, aber wir werden spater beweisen, dass diese Frage ohne

numerische Experimente beantwortet werden kann (der Erwartungswert der

first return time betragt 168).

Eine ahnliche Simulation (mit wieder 100 Experimenten) liefert als Antwort

auf die zweite Frage nach der cover time den Durchschnittswert 556.9 (auch

hier kann die Antwort ohne numerische Experimente gegeben werden).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 78

1 2 3 4 5 6 7 8 9 1002468

10121416182022242628303234

x102 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 120

3

6

9

12

15

x102

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 79

3.2 Elementares aus der Wahrscheinlichkeitstheorie

Wir untersuchen folgendes Spiel: Nach Zahlung eines Einsatzes darf mit drei

Wurfeln gewurfelt werden. Fur jede 4 wird 1 Euro, fur jede 5 bzw. 6 werden 2

bzw. 3 Euro ausgezahlt.

Wie hoch muss der Einsatz sein, damit das Spiel fair ist?

zugehoriger Wahrscheinlichkeitsraum (Ω,A ,W ):

• Ergebnisraum Ω := (w1, w2, w3) : wj ∈ 1, 2, ..., 6(63 = 216 Elementarereignisse),

• Ereignisalgebra A := A : A ⊆ Ω(Potenzmenge von Ω, 2216 ≈ 1065 Ereignisse),

• Wahrscheinlichkeitsmaß W (A) = 1216 card(A), A ∈ A .

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 80

Zufallsvariable X : Ω→ R : Wurf 7→ Auszahlung,

X((w1, w2, w3)) =∑wj=4 1 +

∑wj=5 2 +

∑wj=6 3.

Offenbar: X(Ω) = 0, 1, ..., 9.

diskrete Dichtefunktion f (Wahrscheinlichkeitsverteilung)

f(x) := W (X = x) = W ((w1, w2, w3) ∈ Ω : X((w1, w2, w3)) = x),x ∈ 0, 1, ..., 9. Beachte

∑9x=0 f(x) = 1.

Im folgenden steht χ fur eine Augenzahl zwischen 1 und 3.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 81

x W (X = x)

0 (χ, χ, χ) [27|216] 27/216

1 (χ, χ, 4) [27|216] 27/216

2 (χ, 4, 4) [9|216]; (χ, χ, 5) [27|216] 36/216

3 (4, 4, 4) [1|216]; (χ, 4, 5) [18|216]; (χ, χ, 6) [27|216] 46/216

4 (4, 4, 5) [3|216]; (χ, 4, 6) [18|216]; (χ, 5, 5) [9|216] 30/216

5 (4, 4, 6) [3|216]; (4, 5, 5) [3|216]; (χ, 5, 6) [18|216] 24/216

6 (4, 5, 6) [6|216]; (5, 5, 5) [1|216]; (χ, 6, 6) [9|216] 16/216

7 (4, 6, 6) [3|216]; (5, 5, 6) [3|216] 6/216

8 (5, 6, 6) [3|216] 3/216

9 (6, 6, 6) [1|216] 1/216

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 82

Verteilungsfunktion F

F (y) := W (X ≤ y) = W ((w1, w2, w3) ∈ Ω : X((w1, w2, w3)) ≤ y)=∑x≤y f(x), y ∈ R.

Beachte limy→−∞ F (y) = 0, limy→+∞ F (y) = 1, F (y1) ≤ F (y2) fur y1 ≤ y2.

Erwartungswert von X

E(X) =∑9x=0 xf(x) = 3, d.h. 3 Euro Einsatz ⇒ faires Spiel.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 83

0 1 2 3 4 5 6 7 8 90

0.05

0.1

0.15

0.2

0.25f(x)= W(X=x)

0 1 2 3 4 5 6 7 8 90

0.2

0.4

0.6

0.8

1

F(x)=W(X <= x)

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 84

Warteschlangen

Zu den zufalligen Zeitpunkten t0 = 0, t1, t2, ... treffen Kunden in der

Warteschlange vor einem Bedienungssystem ein. Wir setzen

Sn := tn − tn−1 (n = 1, 2, ...)

(Zwischenankunftszeiten).

Die Zufallsvariablen Sn seien unabhangig und identisch verteilt (iid).

Ihre Verteilung sei F (x) = W (Sn ≤ x). Beliebt ist die Exponentialverteilung

F (x) = Eλ(x) := 1− exp(−λx), x ≥ 0 (mit einem Parameter λ > 0).

Fλ(x) besitzt eine Dichtefunktion, namlich fλ(t) = λ exp(−λx) (fur x ≥ 0)

(Fλ(x) =∫ x

0fλ(t)dt).

Die Exponentialverteilung”besitzt kein Gedachtnis“:

W (X > x+ y |X > x) = W (X > y), x, y ≥ 0,

was spater noch sehr wichtig wird.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 85

0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5 50

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1

λ = 2

λ = .75

Exponentialverteilung

0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5 50

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

1.4

1.6

1.8

2Dichte der Exponentialverteilung

λ = 2

λ = .75

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 86

Zuruck zur Warteschlange: Die wartenden Kunden werden vom

Bedienungssystem in der Reihenfolge ihres Eintreffens bedient. Durch Tn wird

die Bedienungszeit des Kunden n bezeichnet. Diese Zufallsvariable besitze

die Verteilung G. Auch die Tn seien iie und unabhangig von Sn.

Wir interessieren uns fur die Lange der Warteschlange X(t). Sind auch die Tnexponentialverteilt (mit Parameter µ), spricht man von einem

M/M/1/∞-System (”1“ bedeutet: ein Server,

”∞“ bedeutet: unendlich

grosser Warteraum).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 87

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

0

1

2

Warteschlange

t

X(t

)

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 88

3.3 Diskrete Markoff-Ketten

Ein System S , das sich in genau einem von n Zustanden Z1, Z2, . . . , Zn (oder

kurzer 1, 2, . . . , n) befinden kann, wird einem stochastischen Prozess A

unterworfen. Bekannt sind die Ubergangswahrscheinlichkeiten

ai,j = W(i

A−→ j)

(1 ≤ i, j ≤ n).

ai,j hange nicht davon ab, wie S in den Zustand i kam. Der zukunftige

Zustand des Prozesses hangt also nur vom gegenwartigen, aber nicht von den

vergangenen ab (Markoff-Eigenschaft).

Das Paar (S ,A ) heißt (zeit-) diskrete homogene (d.h. ai,j ist zeitunabhangig)

Markoff-Kette (mit endlichem Zustandsraum 1, 2, . . . , n). Wir werden nur

solche Markoff-Ketten betrachten.

Die Ubergangsmatrix A = [ai,j ] ∈ Rn×n beschreibt diesen Prozess.

A ist eine stochastische Matrix, d.h. A ist nichtnegativ (ai,j ≥ 0, 1 ≤ i, j ≤ n)

mit Zeilensummen gleich 1 (∑nj=1 ai,j = 1, 1 ≤ i ≤ n, oder Ae = e mit

e = [1, 1, . . . , 1]T ∈ Rn).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 89

Zusammengesetzte Prozesse

Sind A und B stochastische Vorgange im System S mit den

Ubergangsmatrizen A bzw. B, dann besitzt der zusammengesetzte Prozess

C = B A die Ubergangsmatrix C = AB. (Insbesondere ist das Produkt

zweier stochastischer Matrizen wieder stochastisch.)

Hier sollen Prozesse A m mit den Ubergangsmatrizen Am

(m-Schritt-Ubergangswahrscheinlichkeiten) und ihr Verhalten fur m→∞untersucht werden:

SA−→ S

A−→ · · · A−→ SA−→ · · ·

Wird das System S im Zeitpunkt m = 0 durch das Wahrscheinlichkeitsmaß

(die Ausgangsverteilung) π(0) = [π(0)1 , π

(0)2 , . . . , π

(0)n ] beschrieben

(Wahrscheinlichkeitsvektoren sind hier stets Zeilenvektoren), dann beschreibt

π(m) = π(0)Am das System S im Zeitpunkt m ≥ 0.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 90

Beispiel. Eine 1-bit Nachricht (”ja“ oder

”nein“ bzw.

”wahr“ oder

”falsch“

bzw.”0“ oder

”1“) wird z.B. mundlich uber viele Zwischenstationen verbreitet

und dabei moglicherweise verfalscht: Mit Wahrscheinlichkeit p (0 ≤ p ≤ 1)

wird”0“ als

”1“ weitergereicht und folglich ist die Wahrscheinlichkeit 1− p,

dass”0“ korrekt als

”0“ wiedergegeben wird. Die

Verfalschungswahrscheinlichkeit von”1“ sei q (0 ≤ q ≤ 1) und deshalb wird

”1“ mit Wahrscheinlichkeit 1− q als

”1“ weitergegeben.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 91

Unser Ubertragungssystem besteht also aus zwei Zustanden, namlich 0 und 1,

und wird durch die vier Ubergangswahrscheinlichkeiten

W (0→ 0) = 1− p, W (0→ 1) = p,

W (1→ 0) = q, W (1→ 1) = 1− q

beschrieben, die wir in der Ubergangsmatrix

A =

[1− p p

q 1− q

]∈ R2×2

zusammenfassen.

Drei Falle:

1. p = q = 0, dann Am = I2 ∀m und limm→∞Am = I2.

2. p = q = 1, dann A2m+1 = A, A2m = I2 ∀m und limm→∞Am existiert

nicht.

3. 0 < p, q < 1, dann limm→∞Am = 1p+q [ q pq p ].

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 92

Im Fall von p = q ∈ (0, 1) (unparteiische Verfalschung) ist

limm→∞

Am =

12

12

12

12

=: A∞.

Nach einer langen Reihe von Zwischentragern kann die Ankunft der

unverfalschten Ausgangsnachricht nur mit der Wahrscheinlichkeit 1/2 erwartet

werden (und zwar unabhangig vom Wert von p = q).

Was”lange“ bedeutet, hangt aber vom Wert von p = q ab:

‖Am −A∞‖∞ = |1− 2p|m,

d.h. die Konvergenz ist umso schneller, je naher p bei 1/2 liegt.

(Interessante Beobachtung: A besitzt die Eigenwerte 1 und 1− 2p.)

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 93

Markoff-Ketten konnen alternativ durch eine Folge Xtt=0,1,... von

Zufallsvariablen beschrieben werden. Dabei ist Xt der Zustand, in dem sich

das System zum Zeitpunkt t befindet.

Die Markoff-Eigenschaft ist dann

W (Xt+1 = it+1|Xt = it, Xt−1 = it−1, . . . , X0 = i0) = W (Xt+1 = it+1|Xt = it).

Die Eintrage der Ubergangsmatrix A konnen als bedingte Wahrscheinlichkeiten

ai,j = W (Xt+1 = j|Xt = i)

interpretiert werden.

Unter der Bedingung Xt = i besitzt die Zufallsvariable Xt+1 die

Wahrscheinlichkeitsverteilung W (Xt+1 = j) = ai,jj=1,2,...,n.

Xt+1 ist stochastisch unabhangig von X0, X1, . . . , Xt−1.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 94

Beliebte Beispiele fur Markoff-Ketten sind Irrfahrten wie die des Springers aus

dem 1. Abschnitt. Dort besteht der Zustandsraum aus 64 Elementen, den

Feldern des Schachbretts.

Die folgenden Abbildungen zeigen die Ubergangsmatrix fur zwei

Nummerierungen der Zustande (Felder). Bei der lexikografischen Ordnung

werden die Felder von links unten (a1) nach rechts oben (h8) zeilenweise

durchnummeriert. Bei der”Schwarz/Weiss-Ordnung“ nummeriert man erst

alle schwarzen und danach alle weissen Felder (jeweils lexikografisch).

0 10 20 30 40 50 60

0

10

20

30

40

50

60

nz = 336

Lexikographische Ordnung

0 10 20 30 40 50 60

0

10

20

30

40

50

60

nz = 336

"Schwarz/Weiß"−Ordnung

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 95

Klassifizierung von Zustanden (und Markoff-Ketten)

Erinnerung: Mit Am =[a

(m)i,j

]1≤i,j≤n

ist W(i

A m

−→ j)

= a(m)i,j .

Der Zustand j heißt vom Zustand i aus erreichbar (i→ j), wenn es ein m ∈ Ngibt mit a

(m)i,j > 0. Gilt i→ j und j → i, so kommunizieren die Zustande i

und j (i↔ j).

”↔“ ist eine Aquivalenzrelation auf dem Zustandsraum 1, 2, . . . , n und

zerlegt ihn damit in Aquivalenzklassen (sog. Kommunikationsklassen).

1, 2, . . . , n = K1 ∪K2 ∪ · · · ∪Ks, Kk 6= ∅, Kk ∩K` = ∅ fur k 6= `,

wobei alle Zustande in Kk miteinander kommunizieren und kein Zustand aus

Kk mit einem Zustand kommuniziert, der außerhalb von Kk liegt.

Die Markoff-Kette heißt irreduzibel, wenn alle ihre Zustande miteinander

kommunizieren, d.h. wenn es nur eine Kommunikationsklasse gibt. Sonst heißt

sie reduzibel.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 96

3.4 Reduzible und irreduzible Matrizen

Ist π eine Permutation der Indexmenge 1, 2, . . . , n dann ist die zugehorige

Permutationsmatrix P = Pπ = [pi,j ] ∈ Rn×n durch

pi,j =

1, falls j = π(i),

0, falls j 6= π(i),

definiert. Es gilt P−1π = Pπ−1 = PTπ .

Ist A = [ai,j ] ∈ Cn×n mit den Zeilen zT1 , . . . , zTn und Spalten s1, . . . , sn, so

besitzt PA die Zeilen zTπ(1), . . . , zTπ(n) und APT die Spalten sπ(1), . . . , sπ(n).

Insbesondere ist PAPT = [aπ(i),π(j)].

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 97

Eine Matrix A ∈ Cn×n heißt reduzibel (zerlegbar), falls eine

Permutationsmatrix P existiert, so dass

PAPT =

[A1,1 O

A2,1 A2,2

]mit quadratischen Matrizen A1,1, A2,2 der Ordnung p > 0 und q > 0

(p+ q = n). A heißt irreduzibel, wenn A nicht reduzibel ist.

Wir ordnen der Matrix A = [ai,j ] ∈ Cn×n n Knoten N1, N2, . . . , Nn zu. Fur

jedes Element ai,j 6= 0 wird Ni mit Nj durch eine gerichtete Kante verbunden.

Falls ai,i 6= 0 ist, so wird Ni mit einer geschlossenen Schleife versehen.

Die Gesamtheit der Knoten und Kanten bildet den gerichteten Graph G(A)

von A.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 98

A =

0 0 1 0

0 0 1/2 1/2

1/3 1/3 1/3 0

1/3 1/3 0 173

⇒ G(A) :

N2

N1

N3

N4

6

?

6

@@@@@@R@@

@@

@@I

-

Ein gerichteter Graph heißt vollstandig zusammenhangend, wenn es fur jedes

geordnete Paar (Ni, Nj) von Knoten einen gerichteten Weg (d.h. eine Folge

von gerichteten Kanten) gibt, der von Ni nach Nj fuhrt.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 99

Satz 3.1 (Charakterisierung von Irreduzibilitat)

Die folgenden Aussagen sind einander aquivalent:

1. Die Markoff-Kette (S ,A ) ist irreduzibel.

2. Die zugehorige Ubergangsmatrix A ist irreduzibel.

3. Der gerichtete Graph von A ist vollstandig zusammenhangend.

Aquivalent: A = [ai,j ] ist genau dann irreduzibel, wenn es fur jede beliebige

Zerlegung Z = S ∪T der Indexmenge (hier: des Zustandraums)

Z := 1, 2, . . . , n mit S ∩T = ∅, S 6= ∅, T 6= ∅ ein Element ai,j 6= 0 gibt

mit i ∈ S und j ∈ T .

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 100

Zu jeder Matrix A ∈ Cn×n gibt es eine Permutationsmatrix P ∈ Rn×n, so dass

PAP> =

A1,1 0 · · · · · · 0

A2,1 A2,2 0 0

A3,1 A3,2 A3,3

......

. . ....

Ak,1 Ak,2 Ak,3 · · · Ak,k

untere Blockdreiecksform besitzt. Die quadratischen Diagonalblocke Aj,j(j = 1, 2, . . . , k) sind dabei entweder irreduzibel oder eindimensionale

Nullmatrizen (Normalform einer reduziblen Matrix).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 101

Sei (S ,A ) eine Markoff-Kette mit Zustandsraum 1, 2, ..., n .

Die Zufallsvariable Tj sei die Zeit, zu der der Prozess zum ersten Mal in den

Zustand j kommt und fi,j(k) = W (Tj = k|X0 = i) sei die Wahrscheinlichkeit,

dass der Prozess, wenn er im Zustand i startet, zur Zeit k zum ersten Mal

nach j kommt. Dann gelten

fi,j(k) =

ai,j , k = 1,∑l 6=j

ai,`f`,j(k − 1), k ≥ 2, und a(k)i,j =

δi,j(Kronecker-δ), k = 1,k∑`=1

fi,j(`)a(k−l)j,j , k ≥ 2,

Aus der ersten Formel folgt fur k ≥ 2

fi,j(k) =∑

ai,`1a`1`2 · · · a`k−1,j ,

wobei uber alle (k − 1)-Tupel (`1, `2, . . . , `k−1) summiert wird mit `s 6= j fur

alle s = 1, 2, . . . k − 1.

Weiter ist f∗i,j =∑∞k=1 fi,j(k) die Wahrscheinlichkeit, dass der Prozess

ausgehend vom Zustand i in endlich vielen Schritten nach j kommt.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 102

Der Zustand i heißt rekurrent, wenn f∗ii = 1, d.h. wenn mit Wahrscheinlichkeit

1 der Prozess ausgehend von i irgendwann wieder nach j zuruckkehrt.

Der Zustand i heisst transient, wenn f∗ii < 1, d.h. es gibt eine positive

Wahrscheinlichkeit (1− f∗i,i > 0) dafur, dass der Prozess nie mehr nach i

zuruckkehrt.

Ein rekurrenter Zustand i heißt periodisch mit Periode p, falls

p = ggTm : a(m)i,i > 0. Ist p = 1, so heißt der Zustand aperiodisch.

Sei Ni die Anzahl, wie oft der Prozess in den Zustand i zuruckkehrt, wenn er

dort gestartet wird (Startpunkt wird mitgezahlt.) Die Zufallsvariable Ni is

geometrisch verteilt:

W (Ni = m) =(f∗i,i)m−1

(1− f∗i,i) (m = 1, 2, . . .).

Das bedeutet:

W (Ni <∞) =∞∑m=1

W (Ni = m) =∞∑m=1

(f∗i,i)m−1

(1− f∗i,i) =

0, f∗i,i = 1,

1, f∗i,i = 0.

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Page 104: Numerische Simulation mathematischer Modelle€¦ · Numerische Simulation mathematischer Modelle 5 1 Mathematische Modellbildung und numerische Simulation am Beispiel eines Wasserkreislaufs

Numerische Simulation mathematischer Modelle 103

Ein transienter Zustand i ist also dadurch charakterisiert, dass der Prozess mit

Wahrscheinlichkeit 1 nur endlich oft nach i zuruckkehrt, wahrend ein

rekurrenter Zustand mit Wahrscheinlichkeit 1 unendlich oft besucht wird.

Satz 3.2 (Klasseneigenschaften bei (endlichen) Markoff-Ketten)

1. Nicht alle Zustande konnen transient sein.

2. Angenommen, die Zustande i und j kommunizieren.

Dann gelten die Solidaritatsprinzipien:

a) Ist i rekurrent, so auch j.

b) Ist i transient, so auch j.

c) Ist i aperiodisch, so auch j.

d) Ist i periodisch mit Periode p ≥ 2, so auch j.

3. Jede (endliche) Markoff-Kette besitzt mindestens eine Kommunikations-

klasse, in der alle Zustande rekurrent sind.

4. Ist die endliche Markoff-Kette irreduzibel, so sind alle Zustande rekurrent.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 104

Wir beschreiben die Struktur der Ubergangsmatrix A:

Der Zustandsraum von (S ,A ) zerfalle in r1 rekurrente und r2 transiente

Kommunikationsklassen.

Dann kann A nach geeigneter Umnummerierung der Zustande in der folgenden

Form dargestellt werden:

A =

A1,1 0 0 0

. . .

0 Ar1,r1 0 0

Ar1+1,1 · · · Ar1+1,r1 Ar1+1,r1+1 0...

. . ....

.... . .

Ar1+r2,1 · · · Ar1+r2,r1 Ar1+r2,r1+1 · · · Ar1+r2,r1+r2

=

[AR,R O

AT,R AT,T

].

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 105

Die quadratischen Matrizen Ak,k (1 ≤ k ≤ r1) sind irreduzible stochastische

Matrizen. Insbesondere besitzen sie alle den Spektralradius 1.

Die quadratischen Matrizen Ak,k (r1 + 1 ≤ k ≤ r1 + r2) sind entweder

Nullmatrizen der Dimension 1× 1 oder sie sind irreduzibel und

substochastisch, d.h. ihre Zeilensummen sind ≤ 1, wobei fur mindestens eine

Zeile strikte Ungleichheit gilt. Das bedeutet, dass die Spektralradien ρ(Ak,k)

echt kleiner als 1 sind und daher limm→∞Amk,k = 0 gilt

(r1 + 1 ≤ k ≤ r1 + r2). Daraus folgt: limm→∞AmT,T = 0.

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Page 107: Numerische Simulation mathematischer Modelle€¦ · Numerische Simulation mathematischer Modelle 5 1 Mathematische Modellbildung und numerische Simulation am Beispiel eines Wasserkreislaufs

Numerische Simulation mathematischer Modelle 106

3.5 Stationare Verteilungen

Sei (S ,A ) eine diskrete Markoff-Kette mit Zustandsraum 1, 2, . . . , n und

Ubergangsmatrix A.

Ein Wahrscheinlichkeitsvektor π heißt stationar (invariant) bez. (S ,A ), wenn

π = πA

gilt.

Aquivalent: π ist linker Eigenvektor von A zum Eigenwert 1.

Aquivalent: πT lost das homogene LGS (In −AT )x = 0 .

Aquivalent: πT liegt in N (In −AT ), dem Nullraum von (In −AT ).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 107

• Existiert π = limm→∞ π0Am (fur eine beliebige Anfangsverteilung π0),

dann ist π stationar.

• Existiert limm→∞Am = A∞, dann ist π0A∞ stationar fur jede Verteilung

π0.

• Gilt limm→∞ a(m)i,j = πj (fur alle i und j), m.a.W.: konvergiert die j-te

Spalte von Am gegen πje (m→∞) fur alle j, dann ist

π = [π1, π2, . . . , πn] stationar.

Satz 3.3 (Satz von Perron (1908) und Frobenius (1912))

Ist A ∈ Rn×n nichtnegativ und irreduzibel, so gelten:

1. Der Spektralradius ρ(A) = max|λ| : λ ist Eigenwert von A > 0 ist

ein (algebraisch) einfacher Eigenwert von A.

2. Der (bis auf skalare Vielfache eindeutige) Eigenvektor von A zum Eigen-

wert ρ(A) kann positiv gewahlt werden.

3. Gilt Ax = λx fur ein x ≥ 0 , x 6= 0 , so folgt λ = ρ(A).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 108

Satz 3.4 (Satz von Perron-Frobenius, Teil II)

Ist A = [ai,j ] ∈ Rn×n nichtnegativ und irreduzibel, so gelten:

1. Besitzt A genau p verschiedene Eigenwerte λ1, . . . , λp vom Betrag ρ(A), dann folgt

(nach einer geeigneten Umnummerierung)

λj = ρ(A) exp

(2πj

pi

)(j = 1, . . . , p).

λ1, . . . , λp sind einfache Eigenwerte von A. Außerdem ist das Spektrum von A

( = Menge aller Eigenwerte) invariant unter der Drehung um den Winkel 2π/p.

2. Ist p > 1, so gibt es eine Permutationsmatrix P ∈ Rn×n mit

PAP> =

O A1,2

O A2,3

. . .. . .

O Ap−1,p

Ap,1 O

(die Nulldiagonalblocke sind quadratisch).

3. Ist wenigstens ein Diagonalelement von A positiv, so folgt p = 1.

4. Gibt es i, j ∈ 1, . . . , n mit ai,jaj,i > 0, so folgt p ≤ 2.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 109

Sei A ∈ Rn×n nichtnegativ und irreduzibel. p sei die Anzahl der Eigenwerte

von A vom Betrag ρ(A). Ist p = 1, so heißt A primitiv. Ist p > 1, so heißt A

zyklisch vom Index p.

Eine nichtnegative irreduzible Matrix A ∈ Rn×n ist genau dann primitiv, wenn

es eine Potenz m gibt, so dass Am nur positive Eintrage besitzt.

Sei A zyklisch vom Index p. Liegt A in der Normalform von Satz 3.4 vor, so

folgt:

Ap =

B1

B2

. . .

Bp−1

Bp,

mit Bj = Aj,j+1Aj+1,j+2 · · ·Ap,1A1,2A2,3 · · ·Aj−1,j .

Alle Bj , j = 1, 2, . . . , p, sind quadratisch, nichtnegativ, irreduzibel und

primitiv.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 110

Satz 3.5 (Romanovsky, 1936)

Es sei G(A) der gerichtete Graph einer nichtnegativen irreduziblen Matrix

A ∈ Rn×n. Fur jeden Knoten Nj von G(A) sei Sj die Menge aller gerichteten

Wege, die Nj mit sich selbst verbinden. Die Lange `(w) eines gerichteten Wegs

w sei die Anzahl der beteiligten Kanten. Wir setzen

pj = ggT `(w) : w ∈ Sj.

Dann gilt p1 = p2 = · · · = pn =: p und p ist die Anzahl der Eigenwerte von

A vom Betrag ρ(A), d.h. A ist zyklisch vom Index p.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 111

Synopsis

Sei A = [ai,j ] ∈ Rn×n die Ubergangsmatrix der Markoff-Kette (S ,A ).

1. Immer existiert

P := limm→∞

1

m+ 1

m∑k=0

Ak.

P ist stochastisch. Außerdem ist P eine Projektion, die mit A

kommutiert, genauer: P = P 2 = PA = AP . Es gilt

N (P ) =⊕

λ∈Λ(A)\1

N ((A− λI)n).

π0P ist stationar fur jede Verteilung π0. Insbesondere besitzt jede

Markoff-Kette (unter den hier ublichen Voraussetzungen) eine

stationare Verteilung.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 112

2. Wenn

Q := limm→∞

Am

existiert, so gilt Q = P .

3. Ist A primitiv, dann gibt es genau einen Vektor z = [z1, z2, . . . , zn]> ∈ Rnmit z > 0 , ‖z‖1 = 1 und z>A = z>.

Der Grenzwert Q = limm→∞Am existiert und es gilt

Q =

z1 z2 · · · zn

z1 z2 · · · zn...

......

z1 z2 · · · zn

.

Ist (S ,A ) irreduzibel und aperiodisch, dann existiert genau eine

stationare Verteilung π. Jede Komponente von π ist positiv. Die

Kette strebt fur jede Ausgangsverteilung gegen π.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 113

4. Ist A zyklisch vom Index p ≥ 2, so existiert limm→∞Am nicht.

Ist (S ,A ) irreduzibel und periodisch, dann existiert genau eine

stationare Verteilung π, aber die Kette strebt nicht fur jede

Ausgangsverteilung gegen π.

5. Die (eindeutig bestimmte) stationare Verteilung π einer p-periodischen

Kette lasst sich wie folgt bestimmen:

Ap = diag(B1, B2, . . . , Bp) besitzt Blockdiagonalform (vgl. die Aussage

auf Seite 109). Die Diagonalblocke Bj sind stochastisch und primitiv, d.h.

sie besitzen eine eindeutig bestimmte stationare Verteilung π(j), die nach

Punkt 3 bestimmt werden kann. Es gilt

π = 1p

[π(1),π(2), . . . ,π(p)

].

Jede Komponente von π ist positiv.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 114

6. Ist A reduzibel mit Normalform

SAST =

A1,1

A2,1 A2,2

.... . .

Ak,1 Ak,2 · · · Ak,k

,so existiert Q = limm→∞Am genau dann, wenn jeder Diagonalblock Ai,iprimitiv ist, fur den ρ(Ai,i) = 1 gilt.

limm→∞Am existiert genau dann, wenn jede rekurrente

Kommunikationsklasse aperiodisch ist.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 115

7. Andere Formulierung: Die Ubergangsmatrix A einer reduziblen Kette

besitzt die Normalform

A =

A1,1 0 0 0

. . .

0 Ar1,r1 0 0

Ar1+1,1 · · · Ar1+1,r1 Ar1+1,r1+1 0...

. . ....

.... . .

Ar1+r2,1 · · · Ar1+r2,r1 Ar1+r2,r1+1 · · · Ar1+r2,r1+r2

=

[AR,R O

AT,R AT,T

],

wenn die Kette r1 rekurrente und r2 transiente Kommunikationsklassen

besitzt.

...

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 116

Der Grenzwert limm→∞Am existiert genau dann, wenn alle rekurrenten

Kommunikationsklassen aperiodisch sind, d.h. genau dann, wenn alle Ak,k(1 ≤ k ≤ r1) primitiv sind.

Dann gelten: limm→∞Ak,k = Qk (1 ≤ k ≤ r1), d.h.

limm→∞AmR,R = QR,R := diag(Q1, Q2, . . . , Qr1) und

limm→∞

Am =

[QR,R O

(I −AT,T )−1AT,RQR,R O

].

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 117

8. Eine reduzible Markoff-Kette besitzt i.a. (unendlich) viele stationare

Verteilungen. Zerfallt sie in r1 rekurrente und r2 transiente

Kommunikationsklassen und sind π(1), π(2), . . . , π(r1) die (eindeutig

bestimmten) stationaren Verteilungen der rekurrenten Klassen, so sind

π(α) =

α1π(1), α2π

(2), . . . , αr1π(r1), 0 ,0 , . . . ,0︸ ︷︷ ︸

r2 Nullvektoren

(αj ≥ 0,

∑r1j=1 αj = 1) genau die stationaren Verteilungen der gesamten

Kette.

...

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 118

Sind alle rekurrenten Kommunikationsklassen aperiodisch, dann gilt fur

die Anfangsverteilung

π0(α) =

α1π(1)0 , α2π

(2)0 , . . . , αr1π

(r1)0 , 0 ,0 , . . . ,0︸ ︷︷ ︸

r2 Nullvektoren

(k)0 ist eine beliebige Anfangsverteilung in der rekurrenten

Kommunikationsklasse Kk und αj ≥ 0,∑r1j=1 αj = 1) die Grenzbeziehung

limm→∞

π0(α)Am = π(α).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 119

3.6 Absorbierende Ketten und Ubergangszeiten

Erinnerung: Tj ist die Zeit, in der die Kette zum ersten Mal in den Zustand j

kommt und fi,j(k) ist die Wahrscheinlichkeit dafur, dass dies zur Zeit k

geschieht, unter der Bedingung, dass der Prozess im Zustand i gestartet wird.

f∗i,j =∑∞k=1 fi,j(k) ist die Wahrscheinlichkeit mit der ein Ubergang von i

nach j in endlicher Zeit stattfindet.

Sei jetzt A eine Teilmenge des Zustandsraums, d.h. A ⊆ 1, 2, . . . , n. Wir

definieren

TA := minn ≥ 0 : Xn ∈ A sowie f∗i,A := W (TA <∞|X0 = i).

Die Zufallsvariable TA (erstmalige Ubergangszeit, hitting time) gibt an, wann

der Prozess zum ersten Mal einen der Zustande aus A erreicht. f∗i,A ist die

Wahrscheinlichkeit dafur, dass der Prozess — ausgehend von i — in endlich

vielen Schritten A erreicht. Ist A eine rekurrente Kommunikationsklasse, so

nennt man f∗i,A eine Absorptionswahrscheinlichkeit (wenn diese Klasse erreicht

ist, kann sie mit Wahrscheinlichkeit 1 nicht mehr verlassen werden).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 120

Besteht eine rekurrente Klasse aus genau einem Zustand j, so nennt man

diesen absorbierend. Aquivalent: Ein Zustand j ist genau dann absorbierend,

wenn aj,j = 1 gilt, d.h. wenn er mit Wahrscheinlichkeit 1 nicht mehr verlassen

werden kann.

Schließlich ist (falls A von i aus erreichbar ist)

ki,A = E(TA |X0 = i) =∞∑k=0

kW (TA = k |X0 = i)

die durschschnittliche Zeit, die der Prozess benotigt, um von i erstmalig nach

A zu kommen (mittlere (erstmalige) Ubergangszeit). Ist A eine rekurrente

Kommunikationsklasse, nennt man die durchschnittliche Zeit bis zur

Absorption in A auch Kettenlange.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 121

Im Folgenden sei A immer eine rekurrente Kommunikationsklasse. Ist i

rekurrent, so gilt offenbar

f∗i,A =

1, i ∈ A,0, i 6∈ A,

und ki,A = 0, wenn i ∈ A.

Bevor wir diese Großen fur transiente i bestimmen, betrachten wir einen

wichtigen Spezialfall:

Sei zunachst (S ,A ) eine absorbierende Kette, d.h.

• sie besitzt s ≥ 1 absorbierende Zustande,

• die n− s nicht-absorbierenden Zustande sind transient,

• alle transienten Zustande kommunizieren miteinander.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 122

Die Ubergangsmatrix hat (nach eventueller Umnummerierung der Zustande)

die Form

A =

[Is O

C B

](In−s −B ist invertierbar) und es gilt

limm→∞

Am =

[Is O

(In−s −B)−1C O

].

Bezeichnet A = 1, 2, . . . , s die Menge der absorbierenden Zustande, so gilt

f∗i,A = 1 fur alle i. (Die Wahrscheinlichkeit einer endgultigen Absorption ist 1.)

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 123

Kanonische Fragestellungen bei absorbierenden Markoff-Ketten

Frage 1. i und j seien transiente Zustande. ti,j bezeichne die

durchschnittliche Anzahl, wie oft der Zustand j erreicht wird, wenn in i

gestartet wird (der Ausgangszustand wird mitgezahlt, falls i = j).

Antwort: Setze T = [ti,j ]s+1≤i,j≤n ∈ R(n−s)×(n−s), dann gilt

T = (In−s −B)−1.

Frage 2. Der Prozess werde im transienten Zustand i gestartet. Wie groß ist

die durchschnittliche Kettenlange ki,A, das ist die durchschnittliche Anzahl der

Schritte bis zur Absorption?

Antwort: Setze e = [1, 1, . . . , 1]T ∈ Rn−s, dann gilt

ki,A =∑nj=s+1 ti,j = [Te ]i (i = s+ 1, s+ 2, . . . , n).

Frage 3. Der Prozess werde im transienten Zustand i gestartet. Wie groß ist

die Wahrscheinlichkeit qi,j fur Absorption im Zustand j (j ≤ s)?

Antwort: Setze Q = [qi,j ]s+1≤i≤n,1≤j≤s ∈ R(n−s)×s, dann gilt

Q = (I −B)−1C.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 124

Beispiel 1 (Vererbung bei reiner Inzucht [Pharaonen]) Eine vererbliche

Eigenschaft werde durch zwei Gene (a und b) bestimmt. Jeder Mensch habe

zwei solche Gene, was 6 Zustande bei der Genverteilung eines Paares ergibt:

1: aa × aa 2: aa × ab 3: aa × bb

4: ab × ab 5: ab × bb 6: bb × bb

Beim Erbvorgang bekommt das Kind je ein Gen von beiden Eltern, und zwar

jedes der Gene mit Wahrscheinlichkeit 1/2. Mit den Mendelschen Gesetzen

ergibt sich

aa × aa 7→ aa aa × ab 7→ 12 aa + 1

2 ab aa × bb 7→ ab

ab × ab 7→ 14 aa + 1

2 ab + 14 bb ab × bb 7→ 1

2 ab + 12 bb bb × bb 7→ bb

Die erstgeborene Tochter und der erstgeborene Sohn bilden das nachste

Pharaonenpaar. (Wir nehmen an, dass es immer mindestens eine Tochter und

einen Sohn gibt.)

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 125

Wir erhalten als Ubergangsmatrix

A =

1 0 0 0 0 0

1/4 1/2 0 1/4 0 0

0 0 0 1 0 0

1/16 1/4 1/8 1/4 1/4 1/16

0 0 0 1/4 1/2 1/4

0 0 0 0 0 1

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 126

bzw. nach der Permutation (1, 6, 2, 3, 4, 5)

A =

1 0 0 0 0 0

0 1 0 0 0 0

1/4 0 1/2 0 1/4 0

0 0 0 0 1 0

1/16 1/16 1/4 1/8 1/4 1/4

0 1/4 0 0 1/4 1/2

=

[I2 O

C B

].

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 127

1. Durchschnittliche Anzahl der Besuche in j, wenn in i gestartet wird

und

2. Kettenlange `i bei Start in i.

i/j aa × ab aa × bb ab × ab ab × bb `i

aa × ab 83

16

43

23

296 = 4.83 . . .

aa × bb 43

43

83

43

203 = 6.66 . . .

ab × ab 43

13

83

43

173 = 5.66 . . .

ab × bb 23

16

43

83

296 = 4.83 . . .

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 128

3. Wahrscheinlichkeit fur Absorption im Zustand j, wenn in i gestartet

wird.

i/j aa × aa bb × bb

aa × ab 34

14

aa × bb 12

12

ab × ab 12

12

ab × bb 14

34

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 129

Beispiel 2 (Bankrott eines Spielers)

Zwei Spieler spielen mit einem Geldvorrat von insgesamt n Euro. Pro Spiel

wird um einen Euro gespielt, der den Besitzer wechselt. Dabei gewinnt Spieler

1 mit Wahrscheinlichkeit p > 0, Spieler 2 mit Wahrscheinlichkeit

q = 1− p > 0. Der Zustand j liegt vor, wenn der erste Spieler genau j Euro

besitzt. Das Spiel endet, wenn einer der Spieler bankrott ist.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 130

Die Ubergangsmatrix ist

A =

1 0 0 0 · · · 0 0 0

q 0 p 0 · · · 0 0 0

0 q 0 p 0 0 0

0 0 q 0 0 0 0...

.... . .

......

0 0 0 0 · · · 0 p 0

0 0 0 0 · · · q 0 p

0 0 0 0 · · · 0 0 1

∈ R(n+1)×(n+1).

Die Zustande 0 und n sind absorbierend, alle anderen sind transient und

kommunizieren miteinander.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 131

Es gilt

limm→∞

Am =

1 0 · · · 0 0

s1 0 · · · 0 1− s1

s2 0 0 1− s2

......

......

sn−1 0 · · · 0 1− sn−1

0 0 · · · 0 1

mit

sj = t

n−1∑k=j

(qp

)kund t

[1 + q

n−1∑k=2

(qp

)k]= q.

1. Fall: p = q = 1/2. Dann folgt sj = n−jn .

2. Fall: p 6= q. Setze r = qp . Dann folgt sj = rn−rj

rn−1 .

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 132

Interpretation: Sei Spieler 2 die Bank. Sie sorgt dafur, dass r (leicht) großer als 1 ist

(Roulette). Die Bank beginne mit k Euro, Spieler 1 mit n− k Euro. Die

Wahrscheinlichkeit fur den Ruin von Spieler 1 ist also

sn−k =rn − rn−k

rn − 1>rk − 1

rk.

0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4

x 104

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1(rk−1)/rk

r=1.0001

r=1.001

r=1.01

Bei gegebenem r > 1 kann die Bank also ihren Geldvorrat k so bestimmen, dass die

Wahrscheinlichkeit fur den Ruin des Spielers deutlich hoher als 1/2 ist (und zwar

unabhangig vom Anfangskapital n− k des Spielers!).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 133

Satz 3.6 (Mittlere Ubergangszeiten)

Der Vektor [ki,A]1≤i≤n der mittleren Ubergangszeiten ist die minimale nicht-

negative Losung de linearen Gleichungssystems

ki,A =

0, i ∈ A1 +

∑j 6=Aai,jkj,A, i 6= A.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 134

Satz 3.7 (Mittlere Ubergangszeiten bei rekurrenten Zustanden)

Sei

A =

[AR,R O

AT,R AT,T

]die Ubergangsmatrix einer reduziblen Kette mit s rekurrenten und t transien-

ten Zustanden (d.h. AR,R ∈ Rs×s und AT,T ∈ Rt,t).

Die mittlere Ubergangszeit von einem transienten Zustand i in die Ver-

einigung A aller rekurrenten Klassen ist ki,A =∑s+tj=s+1 ti,j . Dabei ist

T = [ti,j ]s+1≤i,j≤s+t = (I −AR,R)−1.

Die mittlere Ubergangszeit von einem transienten Zustand i in eine feste re-

kurrente Klasse K ist ki,K = ai,K∑s+tj=s+1 ti,j . Dabei ist ai,K =

∑j∈K ai,j .

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 135

Beispiel 3 (Irrfahrt auf Graphen)

Unter einem Graph verstehen wir jetzt einen vollstandig zusammenhangenden

ungerichteten Graphen mit n Knoten 1, 2 . . . , n ohne Schleifen, also ohne

Kanten, die einen Knoten mit sich selbst verbinden. Mit deg(i), dem Grad des

Knoten i, bezeichnen wir die Anzahl der Kanten in i. In der Irrfahrt wechseln

wir von einem Knoten i zu einem der Nachbarknoten uber mit

Wahrscheinlichkeit 1/deg(i), also zu jedem der Nachbarknoten mit gleicher

Wahrscheinlichkeit. Der Prozess befindet sich im Zustand i, wenn die Irrfahrt

im Knoten i angelangt ist.

Ein solcher Markoff-Prozess ist irreduzibel, besitzt also eine eindeutig

bestimmte stationare Verteilung, namlich

π = 1d [deg(1), deg(2), . . . , deg(n)] mit d =

n∑i=1

deg(i) = 2 cardKanten.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 136

Die Irrfahrt des Springers aus Abschnitt 3.1 ist beispielsweise eine Irrfahrt auf

einem Graphen. Die Knoten des Graphen sind die Felder des Schachbretts.

Zwei Felder sind durch eine Kante verbunden, wenn der Springer von einem

dieser Felder zum anderen ziehen kann. (Die zugehorige Markoff-Kette ist

periodisch mit der Periode 2.)

Satz 3.8 (Mittlere Ruckkehrzeit)

Sei π = [π1, π2, . . . , πn] die stationare Verteilung einer irreduzibeln Markoff-

Kette. Die mittlere Ruckkehrzeit in den Zustand i, also∑∞k=1 kW (Ti =

k |X0 = i), hat den Wert 1/πi.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 137

2

2

2

2

3

3

3

3

3

3

3

3

4 4

4

4

4 4

4

4

4 4

4

4

4 4

4

4

4

4

4

4

6 6

6

6

6 6

6

6

6 6

6

6

6 6

6

6

8

8

8

8

8

8

8

8

8

8

8

8

8

8

8

8

Die mittlere Ruckkehrzeit fur den Springer in eine der vier Ecken des

Schachbretts ist also∑64i=1 deg(i)/2 = 336/2 = 168.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 138

3.7 Geschwindigkeit der Konvergenz zum Gleichgewicht.

A sei die Ubergangsmatrix einer Markoff-Kette.

reduzibel

limk→∞ P k = ?

irreduzibel

primitiv

∃ limk→∞ P k

irreduzibel

zyklisch

6 ∃ limk→∞ P k

Frage: Angenommen A ist primitiv (wird ab jetzt immer vorausgesetzt), d.h.

A∞ = limm→∞Am = eπ existiert (π bezeichnet die eindeutig bestimmte

stationare Verteilung der Kette), wie schnell konvergiert dann Am gegen A∞?

Oder: Wie schnell strebt die Markoff-Kette gegen ihre stationare Verteilung?

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 139

Irrfahrt auf Cn, dem zyklischen Graph mit n Knoten

Zeit 0: W (X0 = 0) = 1.

Zeit 1: W (X1 = n− 1) = 1/3,

W (X1 = 0) = 1/3,

W (X1 = 1) = 1/3.

Zeit 2: W (X2 = n− 2) = 1/9,

W (X2 = n− 1) = 2/9,

W (X2 = 0) = 3/9,

W (X2 = 1) = 2/9,

W (X2 = 2) = 1/9.

Offensichtlich ist die stationare Verteilung π die Gleichverteilung

π = 1n [1, 1, . . . , 1].

Wie schnell strebt πm = π0Am (π0 = [1, 0, . . . , 0]) gegen π?

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 140

0 20 40 60 80 1000

0.01

0.02

0.03

0.04

0.05n=100, m=100

0 20 40 60 80 1000

0.01

0.02

0.03

0.04

0.05n=100, m=500

0 20 40 60 80 1000

0.01

0.02

0.03

0.04

0.05n=100, m=1000

0 20 40 60 80 1000

0.01

0.02

0.03

0.04

0.05n=100, m=2000

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 141

Sei E := A−A∞. Dann (beachte A∞ = A∞A∞ = AA∞ = A∞A)

Am −A∞ = (A−A∞)m

= Em (m = 1, 2, . . .).

Seien π die stationare Verteilung der Kette, π0 eine beliebige

Anfangsverteilung und πm = π0Am die Verteilung nach Schritt m. Dann

(beachte A∞ = eπ)

πm − π = π0 (Am −A∞) = π0Em (m = 1, 2, . . .).

Messe Abstand von Verteilungen durch

‖πm − π‖ := sup |πm(X)− π(X)| : X ⊆ 1, 2, . . . , n = 12‖πm − π‖1

(total variation distance). Beachte außerdem

‖M‖ = max‖σ‖=1

‖σM‖ = ‖M‖∞.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 142

Das bedeutet: Fur jede Anfangsverteilung π0 ist

‖πm − π‖ = ‖π0Em‖ ≤ ‖π0‖‖Em‖∞ = 1

2‖Em‖∞

und es gibt ein π0 (worst case), so dass hier Gleichheit gilt.

Die Abschatzung

‖πm − π‖ ≤ 12‖E

m‖∞ ≤ 12‖E‖

m∞

ist oft zu grob, um brauchbar zu sein. Bei der Irrfahrt auf Cn gilt

beispielsweise ‖E‖∞ = 2− 6n ≈ 2.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 143

Satz 3.9

Es seien A die Ubergangsmatrix einer aperiodischen Kette mit stationarer

Wahrscheinlichkeitsverteilung π, d.h. limm→∞Am = eπ, und E = eπ −A.

Dann folgt Λ(E) = 0 ∪ (Λ(A) \ 1).Setzt man γ(A) := ρ(E) = max|λ| : λ ∈ Λ(A) \ 1, dann gilt

limm→∞

‖πm − π‖1/m ≤ γ(A),

wobei fur fast alle π0 Gleichheit gilt.

Die Markoff-Kette strebt also asymptotisch linear mit Konvergenzfaktor

γ(A) gegen ihre stationare Verteilung.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 144

Sn =

1

. . .

1

1

= Fn

ω0n

ω1n

. . .

ωn−1n

F−1, F =[ω(i−1)(j−1)n

]1≤i,j≤n

Sn ∈ Rn×n heißt zirkulanter Shift. Fn ∈ Cn×n ist die Fourier-Matrix.

Die Eigenwerte von Sn sind die n-ten Einheitswurzeln:

ωjn = exp(i 2π jn) = cos(2π j

n) + i sin(2π j

n) (j = 0, 1, . . . , n− 1)

ω60=1

2 π/6

ω6 ω

62

ω63=−1

ω64 ω

65

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 145

Eine Matrix A ∈ Cn×n heißt zirkulant, wenn sie die Form

A = p(Sn) = α0In + α1Sn + α2S2n + · · ·+ αn−1S

n−1n

=

α0 α1 · · · αn−2 αn−1

αn−1 α0 αn−3 αn−2

.... . .

...

α2 α3 α0 α1

α1 α2 αn−1 α0

besitzt, d.h. wenn sie ein Polynom in Sn ist.

Die Eigenwerte λj von A sind dann

λj = p(ωjn) = α0 +α1ωjn+α2ω

2jn +· · ·+αn−1ω

(n−1)jn (j = 0, 1, . . . , n−1).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 146

Die Ubergangsmatrix A der Irrfahrt auf Cn ist 13 (I + Sn + Sn−1

n ), besitzt also

die Eigenwerte

λj = 13 (1 + ωjn + ω

(n−1)jn ) = 1

3 (1 + 2 Real(ωjn)) = 13 (1 + 2 cos(2π jn )). Das

bedeutet γ(A) = 1− 83π2

n2 + O( 1n4 ) (n→∞).

Fur die Irrfahrt auf Cn kann man zeigen:

12γ(A)m ≤ ‖πm − π‖ ≤ 1

2

n−1∑j=1

| 13 (1 + 2 cos(2π jn ))|2m1/2

≤ 12

√nγ(A)m.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 147

0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000

10−3

10−2

10−1

100

log

of to

tal v

aria

tion

dist

ance

m

Irrfahrt auf Cn, n=100

untere SchrankeFehlerasymptotikobere Schrankeschärfere obere SchrankeAbstand

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 148

Irrfahrt auf HN , dem Hyperkubus in N Dimensionen

Zeit 0: W (X0 = (0, 0, 0)) = 1.

Zeit 1: W (X1 = (0, 0, 0)) = 1/4,

W (X1 = (1, 0, 0)) = 1/4,

W (X1 = (0, 1, 0)) = 1/4,

W (X1 = (0, 0, 1)) = 1/4.

Zeit 2: W (X2 = (0, 0, 0)) = 2/8,

W (X2 = (1, 0, 0)) = 1/8,

W (X2 = (0, 1, 0)) = 1/8,

W (X2 = (0, 0, 1)) = 1/8,

W (X2 = (1, 1, 0)) = 1/8,

W (X2 = (1, 0, 1)) = 1/8,

W (X2 = (1, 1, 0)) = 1/8.

Die Kette besitzt n = 2N Zustande. Die stationare Verteilung ist die

Gleichverteilung.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 149

Ein”

cutoff“-Phanomen

0 2 4 6 80

0.2

0.4

0.6

0.8

1N=8, n=256

0 50 1000

0.2

0.4

0.6

0.8

1N=64, n=1.844674e+019

0 500 1000 15000

0.2

0.4

0.6

0.8

1N=512, n=1.340781e+154

0 n log(n)/4 n log(n)/20

0.2

0.4

0.6

0.8

1N −−> ∞

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 150

Semilogarithmisch

0 2 4 6 8

10−1

100

N=8, n=256

0 50 100

10−1

100

N=64, n=1.844674e+019

0 500 1000 1500

10−1

100

N=512, n=1.340781e+154

γ = .969... γ = .777...

γ = .996...

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 151

‖π − πm‖/‖π − πm−1‖

0 2 4 6 80.6

0.7

0.8

0.9

1N=8, n=256

0 50 1000.94

0.95

0.96

0.97

0.98

0.99

1N=64, n=1.844674e+019

0 500 1000 1500

0.993

0.994

0.995

0.996

0.997

0.998

0.999

1N=512, n=1.340781e+154

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 152

Die Anzahl der Zustande = dim(An) = 2N = n wachst zu schnell mit N , um die

Irrfahrt auf HN (selbst fur moderate Werte von N) nach dem klassischen

Strickmuster analysierenzu konnen.

Bilde durch Aggregation neue Kette mit nur (N + 1) neue Zustanden:

Zj := Knoten ∈ HN , deren Koordinaten genau j 1-Komponenten enthalten

(card(Zj) =(Nj

)). Liegt ein Knoten in Zj , so bedeutet das: Er hat j Nachbarn in

Zj−1, keine Nachbarn (außer sich selbst) in Zj und N − j Nachbarn in Zj+1.

Offensichtlich sind von Zj aus nur Ubergange nach Zj−1, Zj und Zj+1 moglich. Die

Ubergangsmatrix der aggregierten Kette ist also

BN+1 =

1N+1

NN+1

1N+1

1N+1

N−1N+1

2N+1

1N+1

N−2N+1

. . .. . .

. . .

N−1N+1

1

N+11

N+1

NN+1

1N+1

∈ R(N+1)×(N+1).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 153

Formale Bestimmung von BN+1, zum Beispiel fur N = 3, d.h. n = 8:

1

4

1 3 0 0

1 1 2 0

0 2 1 1

0 0 3 1

︸ ︷︷ ︸

BN+1

=

1 0 0 0 0 0 0 0

0 13

13

13

0 0 0 0

0 0 0 0 13

13

13

0

0 0 0 0 0 0 0 1

︸ ︷︷ ︸

IN+1n

1

4

1 1 1 1 0 0 0 0

1 1 0 0 1 1 0 0

1 0 1 0 1 0 1 0

1 0 0 1 0 1 1 0

0 1 1 0 1 0 0 1

0 1 0 1 0 1 0 1

0 0 1 1 0 0 1 1

0 0 0 0 1 1 1 1

︸ ︷︷ ︸

An

1 0 0 0

0 1 0 0

0 1 0 0

0 1 0 0

0 0 1 0

0 0 1 0

0 0 1 0

0 0 0 1

︸ ︷︷ ︸

InN+1

.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 154

Allgemein: BN+1 = IN+1n AnI

nN+1 mit der Klassen-Inzidenzmatrix

InN+1 = [ki,j ] ∈ 0, 1n×(N+1), ki,j =

1 vi ∈ Zj0 sonst

und der Klassen-Wahrscheinlichkeitsmatrix

IN+1n = [`i,j ] ∈ R(N+1)×n, `i,j =

1/card(Zi) vj ∈ Zi0 sonst

.

Es gelten

IN+1n InN+1 = IN+1 und InN+1I

N+1n = P ∈ Rn×n ist blockdiagonal,

genauer P = diag(P1, P2, . . . , PN+1) mit

Pj =1(Nj

)eeT ∈ R(Nj )×(Nj ).Insbesondere ist P eine Projektion (P 2 = P ), die mit An kommutiert (AnP = PAn)

und PInN+1 = InN+1 sowie IN+1n P = IN+1

n erfullt.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 155

Weiter gelten:

P ist eine Orthogonalprojektion (P = PT ) und R(P ) besteht aus genau den

Vektoren, die in jeder Klasse Zj konstant sind (also im Fall N = 3 die Form

[a, b, b, b, c, c, c, d] haben).

BmN+1 =(IN+1n AnI

nN+1

)m= IN+1

n Amn InN+1,

π(B) = 2−N[(N0

),(N1

), . . . ,

(NN

)].

Ist schließlich π(A)0 ∈ Rn eine Ausgangsverteilung, die auf jeder Klasse Zj

konstant ist (d.h. fur die π(A)0 = π

(A)0 P gilt), und ist

π(B)0 = π

(A)0 InN+1 ∈ RN+1 (beachte, dass π

(B)0 ein Verteilungsvektor ist), so

gilt

‖π(A) − π(A)0 Am‖ = ‖π(B) − π

(B)0 Bm‖

(m = 0, 1, 2, . . .).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 156

Beispiele

Irrfahrt auf einer Geraden mit absorbierenden Randern.

Hier (aber nicht nur hier) treten tridiagonale

Ubergangswahrscheinlichkeitsmatrizen der Form

A =

1

p1 q1 r1

p2 q2 r2

. . .. . .

. . .

pn−1 qn−1 rn−1

1

∈ R(n+1)×(n+1)

auf.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 157

Nach der ublichen Umnummerierung (absorbierende Zustande zuerst) ist

A =

[I2 0

C B

]mit

C =

p1 0

0 0...

...

0 0

0 rn−1

und B =

q1 r1

p2 q2 r2

p3. . .

. . .

. . . qn−2 rn−2

pn−1 qn−1

.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 158

A∞ = limm→∞Am existiert beispielsweise, wenn pi > 0, ri > 0 (i = 1, 2, . . . , n− 1)

gilt. Dann ist

A∞ =

[I2 0

S 0

]mit S = (I −B)−1C.

Da A∞ stochastisch ist, besitzt S die Form

S =

s1 1− s1s2 1− s2...

...

sn−1 1− sn−1

.

Ein Koeffizientenvergleich in S = (I −B)−1C bzw. in S −BS = C liefert

s1 = p1 + q1s1 + r2s2,

sj = pjsj−1 + qjsj + rjsj+1 (j = 2, 3, . . . , n− 2),

sn−1 = pn−1sn−2 + qn−1sn−1.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 159

Setzt man jetzt sj =∑n−1k=j tk, d.h. tn−1 = sn−1 und tj = sj − sj+1

(j = 1, 2, . . . , n− 2), so folgt (mit pj + qj + rj = 1)

(1− q1)t1 + p1

∑n−1k=2 tk = p1,

rjtj = pjtj−1 (j = 2, 3, . . . , n− 1),

was fur j = 2, 3, . . . , n− 1 wiederum

tj =pjrjtj−1 =

pjpj−1

rjrj−1tj−2 = · · · = pjpj−1 · · · p2

rjrj−1 · · · r2t1

impliziert. Den Wert von t1 bestimmt man aus

t1

(1− q1 + p1

∑n−1k=2

p2···pkr2···rk

)= p1.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 160

Zwei Spieler spielen mit n ≥ 2 Karten. Im Elementarprozess wird eine dieser

Karten (gleichverteilt) zufallig ausgewahlt, die dann ihren Besitzer wechselt.

Der Zustand j liegt vor, wenn der erste Spieler genau j Karten auf der Hand

hat (der zweite Spieler hat dann also n− j Karten). Das Spiel endet, wenn

einer der Spieler keine Karten mehr besitzt.

Die Ubergangsmatrix ist

A =

1

1/n 0 (n− 1)/n

2/n 0 (n− 2)/n

. . .. . .

. . .

(n− 1)/n 0 1/n

1

∈ R(n+1)×(n+1).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 161

sj = t1∑n−1k=j

2·3···k(n−2)(n−3)···(n−k) mit t1(1 + 1

n

∑n−1k=2

2·3···k(n−2)(n−3)···(n−k) ) = 1

n

ist die Wahrscheinlichkeit dafur, dass der erste Spieler alle seine Karten verliert

unter der Bedingung, dass er das Spiel mit j ≥ 1 Karten beginnt.

Fur große n ist sj , nahezu unabhanig von j, etwa gleich 1/2:

1

2≤ sj ≤

n+ 4

2n+ 2=

1

2+

3

2n+ 2(1 ≤ j < n

2)

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 162

1 2 3 4 5 6 7 8 90.4

0.45

0.5

0.55

0.6

n=10

2 4 6 8 10 12 14 16 180.46

0.48

0.5

0.52

0.54

0.56n=20

5 10 15 20 250.48

0.5

0.52

n=30

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 163

Warteschlangen. Ein Sessellift kann pro Zeiteinheit eine Person

abtransportieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass in einer Zeiteinheit j Personen

in der Talstation ankommen, sei pj (∑∞j=0 pj = 1). Der Wartesaal fasse

maximal n Personen. Personen, die einen vollen Wartesaal antreffen, kehren

um. Der Zustand j liegt vor, wenn sich am Ende einer Zeiteinheit, d.h. in dem

Moment, in dem der Lift abfahrt, genau j Personen im Wartesaal aufhalten.

Die Ubergangsmatrix hat Hessenberg-Form

A =

p0 + p1 p2 · · · pn−1 pn∑∞j=n+1 pj

p0 p1 · · · pn−2 pn−1

∑∞j=n pj

p0 · · · pn−3 pn−2

∑∞j=n−1 pj

. . .. . .

...

p0 p1

∑∞j=2 pj

p0

∑∞j=1 pj

.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 164

Um die Rechnung einfach zu halten, nehmen wir an, dass pj = qpj

(j = 0, 1, . . .) gilt fur ein p mit 0 < p < 1. (Aus der Normierung∑∞j=0 pj = 1

ergibt sich q = 1− p.) Es folgt∑∞j=k pj = pk, so dass A jetzt eine einfachere

Form besitzt:

A =

q + qp qp2 · · · qpn−1 qpn pn+1

q qp · · · qpn−2 qpn−1 pn

q · · · qpn−3 qpn−2 pn−1

. . .. . .

...

q qp p2

q p

.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 165

A ist primitiv, d.h. es gibt eine eindeutig bestimmte stationare Verteilung

π = [π0, π1, . . . , πn]. Ein Komponentenvergleich in π = πA ergibt

π0 = (q + qp)π0 + qπ1,

πj = qpj+1π0 + qpjπ1 + · · ·+ qpπj + qπj+1 (j = 1, 2, . . . , n− 1),

πn = pn+1π0 + pnπ1 + · · ·+ pπn−1 + pπn.

Durch vollstandige Induktion erhalt man

πj = pj+1

qj π0 (j = 1, 2, . . . , n) und π0 =[1 + p2

q + p3

q2 + · · ·+ pn+1

qn

]−1

.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 166

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 200.04

0.06

0.08

0.1n=20, p=0.5

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 200.02

0.04

0.06

0.08n=20, p=0.505

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 200.02

0.04

0.06

0.08n=20, p=0.50845395...

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 167

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 200.02

0.04

0.06

0.08n=20, p=0.51

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 200

0.05

0.1

0.15

0.2n=20, p=0.55

pn+1

(1− p)n≤ 1 ⇒ leerer Wartesaal ist am wahrscheinlichsten

pn+1

(1− p)n≥ 1 ⇒ voller Wartesaal ist am wahrscheinlichsten

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 168

Lagerhaltung. Ein Lager fasst n Maschinen. Im Laufe einer Woche werden

mit Wahrscheinlichkeit pj genau j Maschinen abgerufen (j = 0, 1, . . . , n− 1).

Mit Wahrscheinlichkeit pn werden n oder mehr Maschinen nachgefragt

(∑nj=0 pj = 1). Sei m eine feste Zahl zwischen 1 und n. Im Lager wird

folgende Strategie verfolgt. Sind zu Beginn einer Woche m+ 1 oder mehr

Maschinen vorhanden, so werden die im Laufe der Woche eingehenden

Auftrage (soweit es moglich ist) erledigt. Sind am Anfang der Woche aber nur

m oder weniger Maschinen verfugbar, so wird das Lager zunachst auf n

Maschinen aufgefullt und dann die Abrufe (soweit es moglich ist) bedient.

Der Zustand j liege vor, wenn am Ende einer Woche genau j Maschinen

(j = 0, 1, 2, . . . , n) im Lager sind.

Die Ubergangsmatrix hat die Blockstruktur

A =

[A1,1 A1,2

A2,1 A2,2

]∈ R(n+1)×(n+1)

mit

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 169

A1,1 =

pn pn−1 · · · pn−m

pn pn−1 · · · pn−m...

......

pn pn−1 · · · pn−m

=

1

1...

1

[pn · · · pn−m

]∈ R(m+1)×(m+1),

A1,2 =

1

1...

1

[pn−m−1 pn−m−2 · · · p0

]∈ R(m+1)×(n−m),

A2,1 =

Pm+1 pm · · · p1

Pm+2 pm+1 · · · p2...

......

Pn pn−1 · · · pn−m

∈ R(n−m)×(m+1),

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Page 171: Numerische Simulation mathematischer Modelle€¦ · Numerische Simulation mathematischer Modelle 5 1 Mathematische Modellbildung und numerische Simulation am Beispiel eines Wasserkreislaufs

Numerische Simulation mathematischer Modelle 170

A2,2 =

p0 0 · · · 0

p1 p0 0

. . .. . .

pn−m−1 pn−m−2 · · · p0

∈ R(n−m)×(n−m).

Dabei ist Pj :=∑nk=j pk (j = m+ 1,m+ 2, . . . , n).

Setzt man pj > 0 voraus (j = 1, 2, . . . , n), so ist A irreduzibel und primitiv. Es

existiert eine (eindeutig bestimmte) stationare Verteilung π = [πj ]0≤j≤n, die wir in

zwei Teilvektoren π =[

π(1) π(2)]

(mit π(1) ∈ Rm+1 und π(2) ∈ Rn−m)

zerlegen. Außerdem setzen wir t :=∑m+1j=0 πj = ‖π(1)‖1.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 171

Aus π = πA folgt

π(1) = π(1)A1,1 + π(2)A2,1 = t[pn, . . . , pn−m] + π(2)A2,1,

π(2) = π(1)A1,2 + π(2)A2,2 = t[pn−m−1, . . . , p0] + π(2)A2,2.

Aus der zweiten Gleichung ergibt sich

π(2) = t[pn−m−1, . . . , p0](In−m −A2,2)−1 (beachte ρ(A2,2) = p0 < 1, so dass

In−m −A2,2 invertierbar ist). Einsetzen in die erste Gleichung liefert

π(1) = t[pn, . . . , pn−m] + t[pn−m−1, . . . , p0](In−m −A2,2)−1A2,1. Schließlich

ergibt sich t aus

1− t = π(t)2 e = t[pn−m−1, . . . , p0](In−m −A2,2)−1et =: tγ

(beachte, dass

γ = [pn−m−1, . . . , p0](In−m −A2,2)−1e =∑j=0[pn−m−1, . . . , p0]Aj2,2e eine

positive Zahl ist und dass damit t = 1/(γ + 1) ∈ (0, 1) gilt.)

Fur die Beispielrechnung setzen wir pj = qpj (j = 0, 1, . . . , n).

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Page 173: Numerische Simulation mathematischer Modelle€¦ · Numerische Simulation mathematischer Modelle 5 1 Mathematische Modellbildung und numerische Simulation am Beispiel eines Wasserkreislaufs

Numerische Simulation mathematischer Modelle 172

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 200

0.02

0.04

0.06

0.08n=20, m=5, p=.5

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 200

0.05

0.1n=20, m=10, p=.5

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 200

0.05

0.1

0.15

0.2n=20, m=15, p=.5

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 173

Labyrinthe. Gegeben ist ein Labyrinth, das aus n Kammern besteht. Die Kammer j

besitzt wj > 0 Turen, die in beide Richtungen passierbar sind. Im Labyrinth befindet

sich eine Maus. Der Zustand j liegt vor, wenn sich die Maus in Kammer j aufhalt.

Im Elementarprozess verweilt die Maus mit Wahrscheinlicheit b, 0 ≤ b < 1, in der

Kammer, in der sie gerade ist, oder sie geht (mit gleicher Wahrscheinlichkeit) durch

eine der verfugbaren Turen.

Die Ubergangsmatrix A = [ai,j ] ist

ai,j =

b, i = j,

(1− b)/wi, falls es zwischen i und j eine Tur gibt,

0 sonst.

Ein Labyrinth heißt zusammenhangend, wenn jede Kammer von jeder anderen

Kammer aus erreichbar ist (also genau dann, wenn A irreduzibel ist). A ist dann

entweder primitiv (sicher dann, wenn b > 0) oder zyklisch vom Index 2 (genau dann,

wenn man die Kammern in zwei disjunkte Klassen K1 und K2 zerlegen kann, so dass

von Kammern aus K1 nur direkte Ubergange nach K2 und von Kammern aus K2

nur direkte Ubergange nach K1 moglich sind). Die stationare Verteilung ist

(unabhangig von b) π = [w1 w2 · · · wn] /∑nj=1 wj .

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 174

Mischen von Spielkarten.

Gegeben sind N Karten, der einfach halber seien sie von 1 bis N durchnummeriert.

Als Zustande betrachten wir die n = N ! verschiedenen Reihenfolgen

(Permutationen), in der diese Karten angeordnet werden konnen. Der Zustandsraum

entspricht also der symmetrischen Gruppe SN , d.h. der Menge aller Permutationen

τ1, τ2, . . . , τn von N Objekten (zusammen mit der ublichen Komposition von

Abbildungen).

Ist etwa N = 3, so besteht der Zustandsraum aus den n = 3! = 6 Permutationen

τ1 = [1 2 3], τ2 = [1 3 2], τ3 = [2 1 3], τ4 = [2 3 1], τ5 = [3 1 2], τ6 = [3 2 1].

Sei außerdem p eine Wahrscheinlichkeitsverteilung auf SN , d.h. p : SN → [0, 1] mit∑τ∈SN

p(τ) = 1. (Man kann p = [pi]1≤i≤n, pi = p(τi), als nichtnegativen Vektor

aus Rn mit∑ni=1 pi = 1 auffassen.).

Die Ubergangswahrscheinlichkeit ai,j wird jetzt wie folgt definiert: Es gibt genau eine

Permutation τ ∈ SN , die die Reihenfolge i (reprasentiert durch die Permutation τi)

in die Reihenfolge j (reprasentiert durch die Permutation τj) uberfuhrt, namlich

τ = τjτ−1i . Wir setzen ai,j = p(τ).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 175

Setzt man in unserem Beispiel p = 16[3 1 0 0 1 1], so erhalt man die Ubergangsmatrix

A =1

6

3 1 0 0 1 1

1 3 0 0 1 1

0 1 3 1 1 0

1 0 1 3 0 1

0 1 1 1 3 0

1 0 1 1 0 3

.

A ist offensichtlich (und dies bezieht sich auf den allgemeinen Fall) doppelt

stochastisch, d.h. wenn der Grenzwert limm→∞Am existiert, so ist

limm→∞

Am =1

neeT =

1

n

1 1 · · · 1

1 1 1...

. . ....

1 1 · · · 1

.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 176

Ein Mischverfahren (definiert durch p) heißt fair, wenn limm→∞Am existiert

(und der Mischprozess damit automatisch gegen die Gleichverteilung

konvergiert).

T (p) := τ ∈ SN ; p(τ) > 0 ⊆ SN

heißt Trager von p.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 177

Satz 3.10

Mit den oben eingefuhrten Bezeichungen gilt:

• A ist genau dann irreduzibel, wenn jede Permutation aus SN ein Produkt

von Permutationen aus T (p) ist.

(Man sagt dann, dass T (p) die Gruppe SN erzeugt.)

• Ist A irreduzibel, so ist A entweder primitiv oder zyklisch vom Index 2.

• Ist A zyklisch vom Index 2, so enthalt T (p) nur ungerade Permutationen.

Schließlich sind die folgenden Aussagen einander aquivalent:

• Das Mischverfahren ist fair.

• A ist primitiv.

• T (p) erzeugt SN und enthalt mindestens eine gerade Permutation.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 178

In unserem Beispiel ist

T (p) = [1 2 3], [1 3 2], [3 1 2], [3 2 1].

T (p) erzeugt S3 ([2 1 3] = [3 1 2] [3 2 1], [2 3 1] = [1 3 2] [3 2 1]) und

enthalt gerade Permutationen ([1 2 3] und [3 1 2]). Unsere Mischverfahren ist

daher fair.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 179

Fur ein (etwas realistischeres) Beispiel sei T die Menge aller Permutationen, die wie

folgt entstehen. Wir zerlegen die N Karten 1, 2, . . . , N in zwei oder drei Teilpakete

(stets sei N ≥ 3):

1, . . . , k1︸ ︷︷ ︸1. Teilpaket

, k1 + 1, . . . , N︸ ︷︷ ︸2. Teilpaket

,

oder

1, . . . , k1︸ ︷︷ ︸1. Teilpaket

, k1 + 1, . . . , k2︸ ︷︷ ︸2. Teilpaket

, k2 + 1, . . . , N︸ ︷︷ ︸3. Teilpaket

.

Im Fall von drei Teilen legen wir das oberste (erste) Paket zuunterst, darauf das

mittlere und schließlich darauf das letzte:

k2 + 1, . . . , N︸ ︷︷ ︸3. Teilpaket

, k1 + 1, . . . , k2︸ ︷︷ ︸2. Teilpaket

, 1, . . . , k1︸ ︷︷ ︸1. Teilpaket

.

Im Fall von zwei Teilen wird das untere auf das obere Paket gelegt. Mit anderen

Worten, wir erlauben alle Permutationen der Form

[k2 + 1, . . . , N, k1 + 1, . . . , k2, 1, . . . , k1] oder [k1 + 1, . . . , N, 1, . . . , k1]

mit 1 < k1 < k2 < N (und nur diese).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 180

Diese Menge T erzeugt SN . Sei 2 ≤ j ≤ N − 2:

[1, . . . , j − 1︸ ︷︷ ︸1. TP

, j︸︷︷︸2. TP

, j + 1, . . . , N︸ ︷︷ ︸3. TP

]

↓ τ1

[j + 1, . . . , N︸ ︷︷ ︸3. TP

, j︸︷︷︸2. TP

, 1, . . . , j − 1︸ ︷︷ ︸1. TP

] = [j + 1, . . . , N, j︸ ︷︷ ︸1. TP

, 1, . . . , j − 1︸ ︷︷ ︸2. TP

]

↓ τ2

[1, . . . , j − 1︸ ︷︷ ︸2. TP

, j + 1, . . . , N, j︸ ︷︷ ︸1. TP

] = [1, . . . , j − 1, j + 1︸ ︷︷ ︸1. TP

, j + 2, . . . , N︸ ︷︷ ︸2. TP

, j︸︷︷︸3. TP

]

↓ τ3

[ j︸︷︷︸3. TP

, j + 2, . . . , N︸ ︷︷ ︸2. TP

, 1, . . . , j − 1, j + 1︸ ︷︷ ︸1. TP

] = [j, j + 2, . . . , N︸ ︷︷ ︸1. TP

, 1, . . . , j − 1, j + 1︸ ︷︷ ︸2. TP

]

↓ τ4

[1, . . . , j − 1, j + 1︸ ︷︷ ︸2. TP

, j, j + 2, . . . , N︸ ︷︷ ︸1. TP

] = [1, . . . , j − 1, j + 1, j, j + 2, . . . , N ].

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 181

Wir haben gezeigt, dass die Vertauschung (j, j+1) = τ4 τ3 τ2 τ1 als Produkt von

Permutationen aus T geschrieben werden kann (die Beweise fur die Vertauschungen

(1, 2) und (N − 1, N) sind leichte Modifikationen des vorgestellten Verfahrens). Die

Vertauschungen der Form (j, j + 1), 1 ≤ j ≤ N − 1, erzeugen aber die Gruppe SN .

Die Permutation τ , die dem Abheben der obersten N − 2 Karten entspricht,

τ = [3, 4, . . . , N, 1, 2] ∈ T , ist gerade.

Bemerkungen.

1. Lasst man zur Menge T alle Permutationen zu, die sich bei der Aufteilung der

Karten in irgendeine Anzahl von Teilpaketen (nach dem oben skizzierten

Verfahren) ergeben, so ist dieser Mischprozess erst recht fair.

2. Ist N ≥ 5, so kommt man — um einen fairen Mischprozess zu definieren — mit

den Permutationen aus, die sich aus der Aufteilung der Karten in drei Pakete

ergeben.

3. Ein Verfahren mit T = [2, 1, 3, . . . , N ], [2, 3, . . . , N, 1] ist fair, wenn N

ungerade ist. Ein Verfahren mit T = [2, 1, 3, . . . , N ], [1, 3, . . . , N, 2] ist fair,

wenn N gerade ist.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 182

4 Nichtnegative Matrizen

4.1 Der Ergodensatz

Problem: Sei A ∈ Cn×n. Wann existieren die Grenzwerte

limm→∞

Am und limm→∞

1

m

m−1∑j=0

Aj ?

Bezeichnung. (Jordan-Block)

J = J(λ) =

λ 1

λ 1

. . .. . .

λ 1

λ

∈ Cn×n

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 183

Lemma 1 [Konvergenz von Jordan-Blocken].

(a) Sei |λ| < 1. Dann gilt limm→∞mk[J(λ)]m = O fur jedes k ∈ N0 .

(b) Der Grenzwert limm→∞[J(λ)]m existiert genau dann, wenn die beiden

folgenden Bedingungen erfullt sind:

1. |λ| ≤ 1,

2. Fur |λ| = 1 muss λ = 1 und n = 1 folgen, d.h. J(λ) = 1(∈ R1×1).

Lemma 2 [Permanenz der Cesaro-Mittel].

Sei Amm≥0 eine Folge aus Cn×n. Existiert limm→∞Am, dann existiert

auch limm→∞1m

∑m−1j=0 Aj und es gilt

limm→∞

1

m

m−1∑j=0

Aj = limm→∞

Am.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 184

Lemma 3 [Cesaro-Mittel fur Potenzen von Jordan-Blocken].

(a) Ist |λ| < 1, dann gilt limm→∞1m

∑m−1j=0 [J(λ)]j = O.

(b) Sind |λ| = 1 und n = 1 (d.h. J(λ) ist ein Skalar vom Betrag 1), dann gilt

limm→∞

1

m

m−1∑j=0

[J(λ)]j =

0, falls λ 6= 1,

1, falls λ = 1.

(c) Ist |λ| ≥ 1 und existiert limm→∞1m

∑m−1j=0 [J(λ)]j , dann gelten |λ| = 1

und n = 1, d.h. J(λ) ist ein Skalar vom Betrag 1.

Bezeichnungen. Fur A ∈ Cn×n heißen Λ(A) := λ ∈ C : det(A− λI) = 0das Spektrum von A und ρ(A) := max|λ| : λ ∈ Λ(A) der Spektralradius

von A.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 185

Satz 4 [Ergodensatz, Teil I].

Die Matrix A ∈ Cn×n besitze die Jordansche Normalform

T−1AT =

J1(λ1)

J2(λ2)

. . .

Jr(λr)

mit Jk(λk) =

λk 1

. . .. . .

λk 1

λk

∈ Cnk×nk ,r∑

k=1

nk = n.

Fur λ ∈ Λ(A) sei d(A, λ) := maxnk : λ = λk, k = 1, 2, . . . , r die

Dimension des großten Jordan-Blocks zum Eigenwert λ. Dann gelten:

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 186

(a) Ist ρ(A) < 1, dann folgt fur alle k ∈ N0

limm→∞

mkAm = limm→∞

1

m

m−1∑j=0

Aj = O.

(b) Ist ρ(A) > 1, dann divergieren die beiden Folgen Amm≥0 und

1m

∑m−1j=0 Ajm≥1.

(c) Ist ρ(A) = 1, dann existiert limm→∞Am genau dann, wenn λ = 1 der

einzige Eigenwert von A mit |λ| = 1 ist und daruberhinaus d(A, 1) = 1

gilt.

(d) Ist ρ(A) = 1, dann existiert limm→∞1m

∑m−1j=0 Aj genau dann, wenn

d(A, 1) = 1 fur alle λ ∈ Λ(A) mit |λ| = 1 gilt.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 187

Satz 5 [Ergodensatz, Teil II].

Fur die Matrix A ∈ Cn×n existiere P = limm→∞1m

∑m−1j=0 Aj .

Dann gelten:

(a) P 2 = P = PA = AP , d.h. der Grenwert P ist eine Projektion, die mit A

kommutiert.

(b)

R(P ) = N (A− I) = N ((A− I)m) fur alle m = 1, 2, . . . ,

N (P ) =⊕

λ∈Λ(A)\1

N ((A− λI)n) .

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 188

Lemma 6 [Approximation des Spektralradius durch Matrixnormen].

Sei A ∈ Cn×n. Dann gibt es zu jedem ε > 0 eine Matrixnorm ‖ · ‖ = ‖ · ‖ε auf

Cn×n mit

‖A‖ − ε ≤ ρ(A) ≤ ‖A‖.

Es gibt genau dann eine Matrixnorm ‖ · ‖ auf Cn×n mit ‖A‖ = ρ(A), wenn

d(A, λ) = 1 fur alle λ ∈ Λ(A) mit |λ| = ρ(A) erfullt ist. Das ist insbesondere

dann der Fall, wenn A diagonalisierbar ist.

Satz 7 [Ergodensatz, Teil III].

Bezeichne ‖ · ‖ eine Matrixnorm auf Cn×n und sei A ∈ Cn×n mit ‖A‖ ≤ 1.

Dann gelten:

(a) Der Grenzwert P = limm→∞1m

∑m−1j=0 Aj existiert.

(b) Enthalt die Menge ζ ∈ C : |ζ| = 1 \ 1 keine Eigenwerte von A, dann

existiert auch limm→∞Am.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 189

Lemma 8 [Satz von Gerschgorin].

Fur A = [ai,j ] ∈ Cn×n sind die Gerschgorin-Kreisscheiben durch

Di :=

ζ ∈ C : |ζ − ai,i| ≤n∑

j=1j 6=i

|ai,j |

(i = 1, 2, . . . , n)

definiert. Dann gilt

Λ(A) ⊆n⋃i=1

Di.

Sind k der Gerschgorin-Kreisscheiben, etwa D1,D2, . . . ,Dk, disjunkt von den

restlichen n− k, d.h.(∪ki=1Di

)∩(∪ni=k+1Di

)= ∅, so enthalt ∪ki=1Di genau k

Eigenwerte von A (algebraische Vielfachheiten mitzahlen!).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 190

Satz 9 [Ergodensatz fur stochastische Matrizen].

Es sei A = [ai,j ] ∈ Rn×n eine stochastische Matrix. Dann gelten:

(a) 1 ∈ Λ(A) und ρ(A) = 1.

(b) Die Matrix P = limm→∞1m

∑m−1j=0 Aj existiert und ist stochastisch.

(c) Ist λ = 1 der einzige Eigenwert von A mit |λ| = 1, dann existiert auch

limm→∞Am, und es gilt limm→∞Am = P .

(d) Gilt ai,i > 0 fur i = 1, 2, . . . , n, dann ist λ = 1 der einzige Eigenwert von

A mit |λ| = 1.

(e) Ist N (A− I) eindimensional, dann gilt P = eyT . Dabei ist

e = [1, 1, . . . , 1]T ∈ Rn und y ∈ Rn, y ≥ 0 , ist eindeutig bestimmt durch

yTA = yT und ‖y‖1 = 1.

(f) Ist N (A− I) eindimensional und ist A doppelt-stochastisch (d.h. A

und AT sind stochastisch), dann gilt P = 1nee

T .

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 191

Satz 10 [Erganzung zum Satz von Gerschgorin].

Es sei A ∈ Cn×n irreduzibel. Mit D1,D2, . . . ,Dn werden die zugehorigen

Gerschgorin-Kreisscheiben bezeichnet.

Liegt ein Eigenwert λ von A auf dem Rand der Vereinigung aller

Gerschgorin-Kreisscheiben, so liegt λ auf dem Rand jeder

Gerschgorin-Kreisscheibe:

λ ∈ Λ(A), λ ∈ δ

n⋃j=1

Dj

⇒ λ ∈ δDj ∀ j = 1, 2, . . . , n.

Korollar. Die Matrix A = [ai,j ] ∈ Cn×n heißt irreduzibel diagonaldominant,

wenn

(a) A irreduzibel ist und

(b)∑nj=1,j 6=i |ai,j | ≤ |ai,i| fur alle i = 1, 2, . . . , n gilt, wobei fur

mindestens ein i Ungleichheit vorliegt.

Fur eine solche Matrix gilt dann ρ(A) ‖A‖∞.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 192

4.2 Die Perron-Frobenius-Theorie nichtnegativer Matrizen

Bezeichnungen. Fur A = [ai,j ], B ∈ Cm×n seien

A ≥ O :⇔ ai,j ≥ 0 (1 ≤ i ≤ m, 1 ≤ j ≤ n),

A > O :⇔ ai,j > 0 (1 ≤ i ≤ m, 1 ≤ j ≤ n),

A ≥ B :⇔ A−B ≥ O, A > B :⇔ A−B > O.

Außerdem setzen wir |A| = [|ai,j |] ∈ Rm×n (Betrag von A).

Lemma 11. Es seien A,B,C,D ∈ Cm×n. Dann gelten:

(a) |A| = O ⇔ A = O.

(b) |αA| = |α||A| ≥ O ∀ α ∈ C.

(c) |A+B| ≤ |A|+ |B|.(d) A,B ≥ O und α, β ≥ 0 ⇒ αA+ βB ≥ O.

(e) A ≥ B und C ≥ D ⇒ A+ C ≥ B +D.

(f) A ≥ B und B ≥ C ⇒ A ≥ C.

Lemma 12. Es seien A,B,C,D ∈ Cn×n und x ,y ∈ Cn. Dann gelten:

(a) |Ax | ≤ |A||x |.(b) |AB| ≤ |A||B|, insbesondere |Am| ≤ |A|m.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 193

(c) O ≤ A ≤ B, O ≤ C ≤ D ⇒ O ≤ AC ≤ BD,

insbesondere O ≤ Am ≤ Bm.

(d) A > O, x ≥ 0 , x 6= 0 ⇒ Ax > 0 .

(e) A ≥ O, x > 0 , Ax = 0 ⇒ A = O.

(f) |A| ≤ |B| ⇒ ‖A‖F ≤ ‖B‖F .

(g) ‖A‖F = ‖|A|‖F .

Satz 13. Es seien A,B ∈ Cn×n mit |A| ≤ B. Dann gilt

ρ(A) ≤ ρ(|A|) ≤ ρ(B).

Korollar. Ist B eine beliebige Hauptuntermatrix der nichtnegativen Matrix

A = [ai,j ] ∈ Rn×n, so folgt ρ(B) ≤ ρ(A). Insbesondere gilt ai,i ≤ ρ(A) fur

i = 1, 2, . . . , n.

Sind A,B ∈ Rn×n mit O ≤ A < B, so folgt ρ(A) < ρ(B).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 194

Lemma 14. Sei A ∈ Rn×n, A ≥ O. Sind die Zeilensummen von A alle

identisch, dann gilt ‖A‖∞ = ρ(A). Sind die Spaltensummen von A alle

identisch, dann gilt ‖A‖1 = ρ(A).

Satz 15. Sei A = [ai,j ] ∈ Rn×n nichtnegativ. Dann gelten

min1≤i≤n

n∑j=1

ai,j ≤ ρ(A) ≤ max1≤i≤n

n∑j=1

ai,j und

min1≤j≤n

n∑i=1

ai,j ≤ ρ(A) ≤ max1≤j≤n

n∑i=1

ai,j .

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 195

Satz 16 [Quotientensatz von Collatz].

Seien A = [ai,j ] ∈ Rn×n nichtnegativ und x = [x1, . . . , xn]> ∈ Rn positiv.

Dann gelten

min1≤i≤n

∑nj=1 ai,jxj

xi= min

1≤i≤n

[Ax ]ixi

≤ ρ(A) ≤ max1≤i≤n

[Ax ]ixi

= max1≤i≤n

∑nj=1 ai,jxj

xi

und

min1≤j≤n

xj

∑nj=1 ai,j

xi≤ ρ(A) ≤ max

1≤j≤nxj

∑nj=1 ai,j

xi.

Lemma 17. Ist A ∈ Rn×n nichtnegativ und irreduzibel, dann ist (I +A)n−1

positiv.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 196

Lemma 18. Es seien A ∈ Rn×n nichtnegativ und irreduzibel und

M := x ∈ Rn : x 6= 0 , x ≥ 0. Fur x ∈M definieren wir

g(x ) := minxi 6=0

∑nj=1 ai,jxj

xi= minxi 6=0

[Ax ]ixi

.

Dann existiert r = maxx∈M g(x ).

Satz 19. [Satz von Perron (1908) und Frobenius (1912)]

Ist A ∈ Rn×n nichtnegativ und irreduzibel, so gelten:

(a) Die Zahl r = maxx∈M g(x ) (vgl. Lemma 18) ist positiv. Außerdem ist r

ein (algebraisch) einfacher Eigenwert von A und es gilt r = ρ(A).

(b) Gilt r = g(y) fur ein y ≥ 0 , so folgt y > 0 und Ay = ry . Der (bis auf

skalare Vielfache eindeutige) Eigenvektor von A zum Eigenwert r kann

also positiv gewahlt werden.

(c) Gilt Ax = λx fur ein x ≥ 0 , x 6= 0 , so folgt λ = r = ρ(A).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 197

Korollar. Seien A ∈ Rn×n nichtnegativ und irreduzibel und B ∈ Cn×n mit

|B| ≤ A. Gilt ρ(A) = ρ(B), so gibt es einen Winkel ϕ ∈ [0, 2π) und eine

Diagonalmatrix D = diag(δ1, . . . δn) ∈ Cn×n mit |δj | = 1 (j = 1, . . . , n), so

dass

B = eiϕDAD−1

gilt (insbesondere folgt |B| = A).

Satz 20. Ist A = [ai,j ] ∈ Rn×n nichtnegativ und irreduzibel, so gelten:

(a) Besitzt A genau k verschiedenen Eigenwerte λ1, . . . , λk vom Betrag

ρ(A), dann folgt (nach einer geeigneten Umnummerierung)

λj = ρ(A) exp

(2πj

ki

)(j = 1, . . . , k).

λ1, . . . , λk sind einfache Eigenwerte von A. Außerdem ist das Spektrum

von A invariant unter der Drehung um den Winkel 2π/k,

Λ(A) = Λ(A) exp

(2π

ki

).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 198

(b) Ist k > 1, so gibt es eine Permutationsmatrix P ∈ Rn×n mit

PAP> =

O A1,2

O A2.3

. . .. . .

O Ak−1,k

Ak,1 O

(die Diagonalblocke sind quadratisch).

(c) Ist wenigstens ein Diagonalelement von A positiv, so folgt k = 1.

(d) Gibt es i, j ∈ 1, . . . , n mit ai,jaj,i > 0, so folgt k ≤ 2.

Sei A ∈ Rn×n nichtnegativ und irreduzibel. k sei die Anzahl der Eigenwerte

von A vom Betrag ρ(A). Ist k = 1, so heißt A primitiv. Ist k > 1, so heißt A

zyklisch vom Index k.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 199

Satz 21 [Romanovsky, 1936].

Es sei G(A) der gerichtete Graph einer nichtnegativen irreduziblen Matrix

A ∈ Rn×n. Fur jeden Knoten Pj von G(A) sei Sj die Menge aller gerichteten

Wege, die Pj mit sich selbst verbinden. Die Lange `(w) eines gerichteten Wegs

w sei die Anzahl der beteiligten Kanten. Wir setzen

kj = großter gemeinsamer Teiler von `(w) : w ∈ Sj.

Dann gilt k1 = k2 = · · · = kn =: k und k ist die Anzahl der Eigenwerte von A

vom Betrag ρ(A).

Lemma 22. Seien A ∈ Rn×n nichtnegativ und m ∈ N. Der gerichtete Graph

G(Am) von Am enthalt die Kante Pi Pj genau dann, wenn es in G(A) einen

gerichteten Weg der Lange m gibt, der von Pi auf Pj fuhrt.

Lemma 23. Sei A ∈ Rn×n nichtnegativ. A ist genau dann primitiv, wenn es

ein m ∈ N gibt mit Am > O. (Die kleinste Zahl m = m(A) mit Am > O heißt

Primitivitatsindex von A.)

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 200

Bemerkung: m(A) ≤ n2 − 2n+ 2 und diese Abschatzung ist scharf.

Satz 24. Sei A ∈ Rn×n primitiv. Seien z = [z1, . . . , zn]> und

y = [y1, . . . , yn]> positive linke bzw. rechte Eigenvektoren von A zum

Eigenwert r = ρ(A) mit y>z = 1 (Az = rz und y>A = ry>). Dann folgen:

(a) P = limm→∞ r−mAm existiert und es gilt P = zy> =

[z1y1 ··· z1yn

......

zny1 ··· znyn

].

(b) Fur beliebige nichtnegative Vektoren v ,w ∈ Rn \ 0 gelten

limm→∞

[Amv ]j[Amw ]j

=y>v

y>w(j = 1, 2, . . . , n)

und

limm→∞

[Amv ]i[Amv ]j

=yiyj

(i, j = 1, 2, . . . , n).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 201

4.3 Stochastische Komplemente

Gegeben ist eine Markoff-Kette mit n = k1 + k2 + · · ·+ k` Zustanden, die wirzu ` Aggregaten zusammenfassen,

z1, . . . , zk1︸ ︷︷ ︸Z1

, zk1+1, . . . , zk2︸ ︷︷ ︸Z2

, . . . zk`−1+1, . . . , zk`︸ ︷︷ ︸Z`

,

und der irreduziblen Ubergangswahrscheinlichkeitsmatrix A ∈ Rn×n.Als Beispiel betrachten wir im folgenden immer

A =

.85 .0 .149 .0009 .0 .00005 .0 .00005

.1 .65 .249 .0 .0009 .00005 .0 .00005

.1 .8 .0996 .0003 .0 .0 .0001 .0

.0 .0004 .0 .7 .2995 .0 .0001 .0

.0005 .0 .0004 .399 .6 .0001 .0 .0

.0 .00005 .0 .0 .00005 .6 .2499 .15

.00003 .0 .00003 .00004 .0 .1 .8 .0999

.0 .00005 .0 .0 .00005 .1999 .25 .55

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 202

mit den drei Aggregaten Z1 = 1, 2, 3, Z2 = 4, 5, Z3 = 6, 7, 8.

Aggregation fuhrt innerhalb der Aggregate auf ` Ketten mit UWM’n

Sj := A(Kj ,Kj) +A(Kj , Lj)(I −A(Lj , Lj))−1A(Lj ,Kj),

wobei Kj := [kj−1 + 1 : kj ] (k0 := 0) und Lj := [1 : n] \Kj (j = 1, 2 . . . , `)

(stochastisches Komplement von A(Kj ,Kj) in A).

In unserem Beispiel

S1 =

0.8503 0.0004 0.1493

0.1003 0.6504 0.2493

0.1001 0.8002 0.0997

, S2 =

[0.7003 0.2997

0.3995 0.6005

],

S3 =

0.6000 0.2499 0.1500

0.1000 0.8000 0.0999

0.1999 0.2500 0.5500

.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 203

Satz 25.

Sj , j = 1, 2, . . . , `, ist stochastisch und irreduzibel. Sj besitzt daher eine

(eindeutig bestimmte) stationare Wahrscheinlichkeitsverteilung

π(j) =[π

(j)kj−1+1, π

(j)kj−1+2, . . . , π

(j)kj

].

Bemerkung. Ist A primitiv, so ist Sj nicht notwendig primitiv. Ist aber

A(Kj ,Kj) primitiv (z.B. wenn mindestens ein Hauptdiagonalelement von 0

verschieden ist), so ist auch Sj primitiv.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 204

Zwischen den Aggregaten wird eine Markoff-Kette mit UWM

C =

π(1)A(K1,K1)e π(1)A(K1,K2)e . . . π(1)A(K1,K`)e

π(2)A(K2,K1)e π(2)A(K2,K2)e . . . π(2)A(K2,K`)e...

. . ....

π(`)A(K`,K1)e π(`)A(K`,K2)e . . . π(`)A(K`,K`)e

(Koppelungsmatrix) induziert. In unserem Beispiel

C =

9.9911 · 10−1 7.9083 · 10−4 1.0000 · 10−4

6.1433 · 10−4 9.9929 · 10−1 1.0000 · 10−4

5.5556 · 10−5 4.4444 · 10−5 9.9990 · 10−1

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 205

Satz 26 [Koppelungssatz].

C ist stochastisch und irreduzibel. C besitzt daher eine (eindeutig bestimmte)

stationare Wahrscheinlichkeitsverteilung

γ = [γ1, γ2, . . . , γ`] .

Die stationare Wahrscheinlichkeitsverteilung von A ist durch[γ1π

(1), γ2π(2), . . . , γ`π

(`)]

gegeben.

Abweichung von der vollstandigen Reduzibilitat:

δ(A) := 2 max1≤j≤`

‖A(Kj , Lj)‖∞

In unserem Beispiel: δ(A) = 2 max10−3, 10−3, 10−4 = 2 · 10−3.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 206

1 2 3 4 5 6 7 80

0.05

0.1

0.15

0.2

0.25

0.3

0.35

1 2 3 4 5 6 7 80

0.2

0.4

0.6

0.8

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 207

Λ(A)

Λ(S1) Λ(S

2) Λ(S

3)

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 208

Satz 27. Sei

S := diag(S1, S2, . . . , S`) ∈ Rn×n

mit Eigenwerten

λ1 = λ2 = · · · = λ` = 1 > |λ`+1| ≥ |λ`+2| ≥ · · · ≥ |λn|.

Dabei seien alle Si primitiv und S sei diagonalisierbar

(T−1ST = diag(λ1, λ2, . . . , λn)). Seien τ (0) eine beliebige Anfangsverteilung

und τ (m) = τ (0)Am (m = 1, 2, . . . ). Außerdem sei

σ :=

∑j∈K1

τ(0)j

π(1),

∑j∈K2

τ(0)j

π(2), . . . ,

∑j∈K`

τ(0)j

π(`)

= lim

m→∞τ (0)Sm.

Dann gilt fur alle m = 1, 2, . . .

‖τ (m) − σ‖1 ≤ mδ(A) + cond∞(T )|λ`+1|m.

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 209

Dynamik einer fast vollstandig reduziblen Kette (δ(A) ‘klein’)

Kurzfristig: Falls |λ`+1|m 1 und m 1/δ(A):

τ (m) ≈ σ =[β1π

(1), β2π(2), . . . , β`π

(`)]

mit βj :=∑ν∈Kj

τ (0)ν .

Kurzfristiges Stabilitatsintervall (Niveau ε):

I(ε) :=m : ‖τ (m) − σ‖1 < ε

wird geschatzt durch E(ε) := m : f(m) < ε mit

f(x) := δ(A)x+ cond∞(T )|λ`+1|x:m :

log(ε/(2cond∞(T )))

log |λ`+1|< m <

ε

2δ(A)

⊆ E(ε) ⊆ I(ε).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 210

1 2 3 4 5 6 7 80.2

0.25

0.3

0.35

0.4

0.45

0.5

0.55

0.6

0.65

0.7τ(m)./σ, (m=0,2,...,10)

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 211

Mittelfristig: Sei ε > 0 mit I(ε) 6= ∅. Dann gibt es zu jedem

m ≥ m0 := k : k ∈ I(ε) Konstanten α1(m), α2(m), . . . , α`(m) mit∥∥∥τ (m) −[α1(m)π(1), α2(m)π(2), . . . , α`(m)π(`)

]∥∥∥1< ε.

Dies gilt etwa fur

αj(m) =∑ν∈Kj

τ (m−m0)ν (j = 1, 2, . . . , `).

Langfristig: Falls A primitiv,

limm→∞

αj(m) = γj (j = 1, 2, . . . , `)

(linear mit asymptotischem Konvergenzfaktor max|λ| : λ ∈ Λ(A) \ 1= 0.9998 in unserem Beispiel).

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Numerische Simulation mathematischer Modelle 212

1 2 3 4 5 6 7 80.2

0.25

0.3

0.35

0.4

0.45

0.5

0.55

n=∞n=10 n=100 n=1000 n=10000

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