Nummer 8, 16. Juni 2017 blick Die ersten Schüler...auf seiner Puch DS 50, mit der er auch in der...

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18 18 Nummer 8, 16. Juni 2017 extra blick extra blick Vor fünfzig Jahren wurden die allerersten Schüler in zwei Klassen im neuen Gym- nasium in Kirchdorf unter- richtet. Damals – noch streng nach Buben und Mädchen getrennt – in der heutigen Ar- beiterkammer. Wir haben mit Schülerinnen und Schülern der Premierenklassen in ihren Erinnerungen und Fotoalben gekramt. Im September 1967 wurde das Gymnasium Kirchdorf als Außenstelle des Gymnasiums Steyr aus der Taufe gehoben. 42 Schülerinnen und 37 Schüler wa- ren in zwei Klassen in der Arbei- terkammer in Kirchdorf unterge- bracht. Die Mädchen im Erdge- schoß, die Burschen im ersten Stock. „Wir saßen eng nebeneinander auf viel zu großen Stühlen und Tischen, die für Erwachsene be- stimmt waren. Turnsaal gabs kei- nen, aber viel Spaß und Freude trotz aller Platznot“, erinnert sich Helga Lenzenweger aus Michel- dorf, die seit 1977 als Lehrerin in der Volksschule ihrer Heimatge- meinde unterrichtet. Wie die „Idioten“ im Kreis gehen Weniger Freude bereitete den Schülerinnen und Schülern die große Pause: „Wir durften nicht herumsitzen, sondern mussten immer unter Aufsicht eines Leh- rers wie die Idioten im Kreis ge- hen – wir hatten quasi damals schon unsere tägliche Turnstun- de“, lacht Kurt Einzinger. Der Kirchdorfer, der nach der Matura sofort ins Berufsleben eintrat und bis heute bei der Sparkasse Kirchdorf beschäftigt ist, war ebenfalls ein Schüler der allerers- ten Stunde. Genauso wie Otmar Eckhart. Er studierte nach der Matura 1975 in Graz Medizin und betreibt seit 1985 als Arzt für Allgemeinme- dizin eine Praxis in Leonstein. „In der Oberstufe fuhren wir mit unseren Mopeds von Molln nach Kirchdorf zur Schule – „ich hatte das langsamste – ein Puch DS 50 – mit dem bin ich auch heute noch bei Oldtimerausfahrten mit dabei.“ Unterrichtet wurden die Erst- klassler in Englisch von Direktor Mag. Adolf Szauerzopf höchst- persönlich. Er trichterte den Schülern auch die nötige Diszi- plin ein. Seine Gattin Edeltraud Szauerzopf brachte den Jugend- lichen Musik, Handarbeit und Chorgesang bei. Für die restli- chen Gegenstände waren junge Professoren wie Heinz Kusché und später auch Manfred Bo- dingbauer, Franz Horcicka oder Anton Aschauer zuständig. Lange Haare – ab zum Friseur Die 1960er und 70er Jahre wa- ren die Zeit der langen Haare – auch bei den Burschen. „Unse- rem lieben Direktor missfiel die- se Entwicklung gewaltig“, kön- nen sich Kurt Einzinger und Ot- mar Eckhart noch genau erin- nern, als alle Buben zum Friseur geschickt wurden. Einer wider- setzte sich dieser Anweisung mit allen möglichen Ausreden. Als er schließlich doch nachgab, ließ er nur die Spitzen schneiden, das brachte den Herrn Direktor natürlich zur Weißglut, auch weil sich der Vater konsequent hinter seinen Sohnemann stellte. Im zweiten Schuljahr übersie- delten die Schüler in die neuen Räumlichkeiten ins Volksschul- gebäude in Kirchdorf, ab der dritten Klasse vermischte man dann Buben und Mädels nach dem Alphabet in zwei Klassen: Die erste Hälfte der Buben kam zu der zweiten Hälfte der Mä- dels – und umgekehrt. Der Altersunterschied war von Anfang an groß: Viele stiegen erst nach der ersten Klasse Hauptschule ins neue Gymnasi- um um und machten dort die ers- te Klasse noch einmal. Einige Stilblüten aus den Schülerläufern 28. September 1968: Alle Fahrschüler haben sich in den öf- fentlichen Verkehrsmitteln ordentlich und gesittet zu beneh- men. Dazu gehört auch, dass den Erwachsenen, vor allem den älteren – sofort Platz gemacht wird. Der Leitsatz muss sein: „Die Jugend macht dem Alter unbedingt Platz!“ 26. Februar 1970: Aufgrund von Beobachtungen mehrerer Personen wird bekannt gegeben, dass das Schneeballwerfen in den Straßen Kirchdorfs, insbesonders in der Parkstraße, und auf dem Vorplatz strengstens verboten ist. Schüler, die dieses Verbot übertreten, werden strengstens bestraft. Außer- dem werden die Täter zum Schadenersatz herangezogen. 5. Dezember 1972: Wegen der zu erwartenden Krampusum- triebe schließt der Unterricht nach der vierten Stunde, damit alle Schüler ungehindert das Elternhaus erreichen können. 25. Oktober 1973: Durch Sommeraufenthalte in Balkanlän- dern sind auch in unserer Gegend, zum Beispiel Micheldorf, die Kopfläuse eingeschleppt worden. Aus diesem Grund müs- sen sämtliche Klassen entsprechende Aktionen des Gesund- heitsamtes über sich ergehen lassen. Die Eltern werden auf das wirksame Mittel „Cupwex“ aufmerksam gemacht, das beim ersten Auftreten angewendet werden muss. Die ersten Schüler Die ersten Schüler Oben: Der Leonsteiner Arzt Dr. Otmar Eckhart auf seiner Puch DS 50, mit der er auch in der Oberstufe schon vom Steyrtal ins Gymnasium nach Kirchdorf ratterte. Elisabeth Schmidhuber- aus Nußbach (links) leitet seit 17 Jahren das Bezirksalten- und Pfle- geheim Kremsmünster.

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Vor fünfzig Jahren wurdendie allerersten Schüler inzwei Klassen im neuen Gym-nasium in Kirchdorf unter-richtet. Damals – noch strengnach Buben und Mädchengetrennt – in der heutigen Ar-beiterkammer. Wir haben mitSchülerinnen und Schülernder Premierenklassen inihren Erinnerungen und Fotoalben gekramt.

Im September 1967 wurde dasGymnasium Kirchdorf alsAußenstelle des GymnasiumsSteyr aus der Taufe gehoben. 42Schülerinnen und 37 Schüler wa-ren in zwei Klassen in der Arbei-terkammer in Kirchdorf unterge-bracht. Die Mädchen im Erdge-schoß, die Burschen im erstenStock.„Wir saßen eng nebeneinanderauf viel zu großen Stühlen undTischen, die für Erwachsene be-stimmt waren. Turnsaal gabs kei-nen, aber viel Spaß und Freudetrotz aller Platznot“, erinnert sichHelga Lenzenweger aus Michel-dorf, die seit 1977 als Lehrerin inder Volksschule ihrer Heimatge-meinde unterrichtet.

Wie die „Idioten“im Kreis gehenWeniger Freude bereitete denSchülerinnen und Schülern diegroße Pause: „Wir durften nichtherumsitzen, sondern musstenimmer unter Aufsicht eines Leh-rers wie die Idioten im Kreis ge-hen – wir hatten quasi damalsschon unsere tägliche Turnstun-de“, lacht Kurt Einzinger. DerKirchdorfer, der nach der Maturasofort ins Berufsleben eintrat undbis heute bei der SparkasseKirchdorf beschäftigt ist, warebenfalls ein Schüler der allerers -ten Stunde. Genauso wie Otmar Eckhart. Erstudierte nach der Matura 1975in Graz Medizin und betreibt seit1985 als Arzt für Allgemeinme-dizin eine Praxis in Leonstein.„In der Oberstufe fuhren wir mit

unseren Mopeds von Molln nachKirchdorf zur Schule – „ich hattedas langsamste – ein Puch DS50 – mit dem bin ich auch heutenoch bei Oldtimerausfahrten mitdabei.“Unterrichtet wurden die Erst-klassler in Englisch von DirektorMag. Adolf Szauerzopf höchst-persönlich. Er trichterte denSchülern auch die nötige Diszi-plin ein. Seine Gattin EdeltraudSzauerzopf brachte den Jugend-lichen Musik, Handarbeit undChorgesang bei. Für die restli-chen Gegenstände waren jungeProfessoren wie Heinz Kuschéund später auch Manfred Bo-dingbauer, Franz Horcicka oderAnton Aschauer zuständig.

Lange Haare –ab zum FriseurDie 1960er und 70er Jahre wa-ren die Zeit der langen Haare –auch bei den Burschen. „Unse-rem lieben Direktor missfiel die-se Entwicklung gewaltig“, kön-nen sich Kurt Einzinger und Ot-mar Eckhart noch genau erin-nern, als alle Buben zum Friseurgeschickt wurden. Einer wider-setzte sich dieser Anweisung mitallen möglichen Ausreden. Als erschließlich doch nachgab, ließ ernur die Spitzen schneiden, dasbrachte den Herrn Direktornatürlich zur Weißglut, auch weilsich der Vater konsequent hinterseinen Sohnemann stellte.Im zweiten Schuljahr übersie-delten die Schüler in die neuenRäumlichkeiten ins Volksschul-gebäude in Kirchdorf, ab derdritten Klasse vermischte mandann Buben und Mädels nachdem Alphabet in zwei Klassen:Die erste Hälfte der Buben kamzu der zweiten Hälfte der Mä-dels – und umgekehrt.Der Altersunterschied war vonAnfang an groß: Viele stiegenerst nach der ersten KlasseHauptschule ins neue Gymnasi-um um und machten dort die ers -te Klasse noch einmal. Einige

Stilblüten aus den Schülerläufern

28. September 1968: Alle Fahrschüler haben sich in den öf-fentlichen Verkehrsmitteln ordentlich und gesittet zu beneh-men. Dazu gehört auch, dass den Erwachsenen, vor allemden älteren – sofort Platz gemacht wird. Der Leitsatz musssein: „Die Jugend macht dem Alter unbedingt Platz!“

26. Februar 1970: Aufgrund von Beobachtungen mehrererPersonen wird bekannt gegeben, dass das Schneeballwerfenin den Straßen Kirchdorfs, insbesonders in der Parkstraße,und auf dem Vorplatz strengstens verboten ist. Schüler, diedieses Verbot übertreten, werden strengstens bestraft. Außer-dem werden die Täter zum Schadenersatz herangezogen.

5. Dezember 1972: Wegen der zu erwartenden Krampusum-triebe schließt der Unterricht nach der vierten Stunde, damitalle Schüler ungehindert das Elternhaus erreichen können.

25. Oktober 1973: Durch Sommeraufenthalte in Balkanlän-dern sind auch in unserer Gegend, zum Beispiel Micheldorf,die Kopfläuse eingeschleppt worden. Aus diesem Grund müs-sen sämtliche Klassen entsprechende Aktionen des Gesund-heitsamtes über sich ergehen lassen. Die Eltern werden aufdas wirksame Mittel „Cupwex“ aufmerksam gemacht, dasbeim ersten Auftreten angewendet werden muss.

Die ersten SchülerDie ersten Schüler

Oben: Der LeonsteinerArzt Dr. Otmar Eckhartauf seiner Puch DS 50,mit der er auch in derOberstufe schon vomSteyrtal ins Gymnasiumnach Kirchdorf ratterte.Elisabeth Schmidhuber-aus Nußbach (links) leitet seit 17 Jahren dasBezirksalten- und Pfle-geheim Kremsmünster.

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kamen sogar von der zweitenoder dritten Klasse Hauptschulezurück in die erste Klasse Gym-nasium.

Nicht so Elisabeth Schmidhuber.„Nachdem ich in der erstenHauptschule sehr gute Noten hat-te, durfte ich direkt in die zweiteKlasse Gymnasium aufsteigen“,erinnert sich die Nußbacherin, dieschon vier Monate nach der Ma-tura heiratete, nach Linz übersie-delte und eine Familie gründete.„Für mich war es ein großes Pri-vileg, in eine höhere Schule gehenzu können. Meine Eltern hattengerade Haus gebaut, und eine sie-benköpfige Familie zu ernähren.Für Schüler gabs kaum finanziel-le Unterstützung. Schulbücheroder die Busfahrt, das alles warselbst zu bezahlen.“ Das Gymnasium Kirchdorf warfür sie die einzige Chance, einehöhere Schule zu besuchen –„sonst wäre mein Lebensweg si-cher ganz anders verlaufen.“ Nach fünfzehn Jahren in Linzübersiedelte Elisabeth Schmid-huber mit ihrer Familie wiedernach Nußbach. Sie absolvierteberufsbegleitend ein Mas terstu-dium und leitet seit siebzehn Jah-ren das Alten- und Pflegeheim inKremsmünster.

Erst in der dritten Klasse kam Dr. Dieter Goppold, der heutigeBezirkshauptmann von Kirch-dorf, in die Premierenklasse. Erwechselte 1970 vom Gymnasiumsamt Internat in Linz nach Kirch-dorf. „Der erste Taschenrechnerwar für uns damals in der Unter-stufe eine Sensation. Wir hattenkeine Cumputer und keine Han-dys, wenn jemand in die Direkti-on zum Telefon geholt wurde,dann war daheim meist etwas

Die ersten beiden Maturaklassen 1975: 1. Reihe v.l.: Ploberger Edith, Trinko Christa, Sonntagbauer Marianne,Breitenfellner Ingrid, Aichberger Helga, Klassenvorstände Grabner Walter und Kusché Heinrich, Breitenfell-ner Renate, Ebner Silvia, Heubrandtner Heide; 2. Reihe: Platzer Dieter, Ramsebner Gunda, Huemer Rainer,Altmann Manfred, Kühhas Edgar, Koppelhuber Helmut, Hollinger Erwin, Eckhart Otmar, Gruber Georg,Resch Johannes, Möslinger Gerhard, Mitterhuber Walter, Reindl Heinz, Kornexl Franz, Hoffmann Helga, Ein-zinger Kurt; 3. Reihe: Singer Paula, Lehki Elfriede, Singer Marianne, Hebesberger Margarethe, Irnberger Irm-gard, Gritsch Ingrid, Katzengruber Brigitte, Hageneder Christine, Gradauer Johanna, Windhager Maria, Rus-peckhofer Elisabeth; 4. Reihe: Schüttmayr Werner, Aigner Ernst, Hufnagl Hans, Stadler Hermann, GoppoldDieter, Iwonski-Bozo Volker, Kroppus Rudolf.

passiert“, erinnert sich der Kirch-dorfer, der die Nachmittage mitseinen Schulfreunden meist inder Konditorei Bachhalm ver-brachte.

Schwere SchicksalsschlägeZwei schwere Schicksalsschlägesetzten den Schülerinnen undSchülern der Premierenklassenhart zu. „Am letzten Wochenendevor Schulbeginn zur sechstenKlasse stürzten zwei Mädels un-

serer Klasse bei einer Bergtourauf dem Kremsmauergrat tödlichab“, erinnert sich Kurt Einzinger.Im Herbst 1974 wurde eine Mit-schülerin, die ihren eifersüchtigenFreund verlassen wollte, von die-sem ermordet. „PsychologischeBetreuung gabs damals nochnicht“, seufzt Dr. Otmar Eckhart. Im Maturajahr übersiedelten dieSchüler im Dezember 1975 insneu errichtete Bundesschulzen-trum am heutigen Standort undlegten die Reifeprüfung ab. DieMaturareise führte die eine Klassenach Rhodos, die andere nach Un-garn – danach verlor man sich ausden Augen. Kurt Einzinger organi-siert alle fünf Jahre ein Matura-treffen beider Klassen – meist inKirchdorf, aber auch bei ehemali-gen Kollegen in der Wachau oderim Burgenland.Das 50-Jahr-Jubiläum desKirchdorfer Gymnasiums wirdam Samstag, 1. Juli von 13 bis 22Uhr mit einem großen Schulfestin einem Zirkuszelt gefeiert. AlleAbsolventinnen und Absolventensowie ehemalige Lehrerinnenund Lehrer sind dazu herzlicheingeladen.

Thomas Sternecker

im Kirchdorfer Gymnasiumim Kirchdorfer Gymnasium

Helga Lenzenweger muss teihren damaligen Wunsch,Medizin zu studieren, we-gen eines Krankheitsfallesauf Eis legen, besuchte diePädak und ist seit 1977Volksschullehrerin.

Kurt Einzinger begann nachder Matura bei der Sparkas-se mit der Vision, später inder EDV-Branche zu arbei-ten. Es gefiel ihm aber sogut, dass er 42 Jahre bis zurPension in der Bank blieb.

Dr. Dieter Goppold wech-selte erst in der drittenKlasse von Linz nach Kirch-dorf. Nach der Matura ab-solvierte er ein Studiumund ist heute Bezirkshaupt-mann von Kirchdorf.