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Stenografisches Protokoll 108 I 18. Wahlperiode 1. Untersuchungsausschuss nach Artikel 44 des Grundgesetzes Nur zur dienstlichen Verwendung 18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst/Sprachendienst Seite 1 von 133 Stenografisches Protokoll der 108. Sitzung - endgültige Fassung* - 1. Untersuchungsausschuss Berlin, den 8. September 2016, 11.30 Uhr Paul-Löbe-Haus, Europasaal (4.900) 10557 Berlin, Konrad-Adenauer-Str. 1 Vorsitz: Prof. Dr. Patrick Sensburg, MdB Tagesordnung - Öffentliche Beweisaufnahme Tagesordnungspunkt Öffentliche Anhörung von Sachverständigen - Timothy H. Edgar, Watson Institute - Ashley Gorski, ACLU, National Security Project - Dr. Morton H. Halperin, Open Society Foundations - Dr. Christopher Soghoian, ACLU, Principal Technologist - Amie Stepanovich, Access Now, U.S. Policy Manager _________ * Hinweis: Die Korrekturen und Anmerkungen der Sachverständigen Amie Stepanovich sind im Protokoll eingefügt. (siehe Anlage 1) Die Sachverständigen Edgar, Gorski, Halperin und Soghoin haben keine Korrekturen übermittelt.

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  • Stenografisches Protokoll 108 I

    18. Wahlperiode

    1. Untersuchungsausschuss

    nach Artikel 44 des Grundgesetzes

    Nur zur dienstlichen Verwendung

    18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst/Sprachendienst Seite 1 von 133

    Stenografisches Protokollder 108. Sitzung- endgültige Fassung* -

    1. UntersuchungsausschussBerlin, den 8. September 2016, 11.30 UhrPaul-Löbe-Haus, Europasaal (4.900)10557 Berlin, Konrad-Adenauer-Str. 1

    Vorsitz: Prof. Dr. Patrick Sensburg, MdB

    Tagesordnung - Öffentliche Beweisaufnahme

    Tagesordnungspunkt

    Öffentliche Anhörung von Sachverständigen

    - Timothy H. Edgar, Watson Institute

    - Ashley Gorski, ACLU, National Security Project

    - Dr. Morton H. Halperin, Open Society Foundations

    - Dr. Christopher Soghoian, ACLU, Principal Technologist

    - Amie Stepanovich, Access Now, U.S. Policy Manager

    _________* Hinweis:Die Korrekturen und Anmerkungen der Sachverständigen Amie Stepanovich sind im Protokoll eingefügt. (siehe Anlage 1) DieSachverständigen Edgar, Gorski, Halperin und Soghoin haben keine Korrekturen übermittelt.

  • Stenografisches Protokoll 108 I

    1. Untersuchungsausschuss

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    Mitglieder des Ausschusses

    Ordentliche Mitglieder Stellvertretende Mitglieder

    CDU/CSU Sensburg, Prof. Dr. PatrickLindholz, AndreaSchipanski, TankredWarken, Nina

    Marschall, Matern vonOstermann, Tim, Dr.Wendt, Marian

    SPD Flisek, ChristianMittag, Susanne

    Zimmermann, Jens, Dr.

    DIE LINKE. Renner, Martina Hahn, André, Dr.

    BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN

    Notz, Dr. Konstantin von Ströbele, Hans-Christian

    Fraktionsmitarbeiter

    CDU/CSU Feser, Andreas, Dr.Bredow, Lippold vonFischer, Sebastian D.Kordon, DavidPuglisi, LiviaSchrot, JacobAllers, Fried-Heye

    SPD Heyer, ChristianAhlefeldt, Johannes vonDähne, Dr. HaraldEtzkorn, IreneHanke, Christian-DiegoHaupt, PhilipKilimann, CeciliaWeiß, Benjamin

    DIE LINKE. Halbroth, Anneke

    BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN

    Kant, MartinaLeopold, NilsPohl, Jörn

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    1. Untersuchungsausschuss

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    18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst/Sprachendienst Seite 3 von 133

    Beauftragte von Mitgliedern der Bundesregierung

    Bundeskanzleramt Jipp, DanielHeinemann, MartinKämmerer, MariePachabeyan, MariaWolff, Philipp

    Auswärtiges Amt Berkemeier, Gunnar

    Bundesministerium des Innern Akmann, TorstenBeyer-Pollok, MarkusBrandt, Dr. KarstenDarge, Dr. TobiasMatthes, ThomasMeyer, TillWeiss, Jochen

    Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Scholl, Kirsten, Dr.

    Bundesministerium für Verteidigung Rauch, RüdigerTheis, Björn

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    1. Untersuchungsausschuss

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    18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst/Sprachendienst Seite 4 von 133

    Original Deutsche Übersetzung

    (Beginn: 12.25 Uhr)

    Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ich eröffnedie 108. Sitzung des 1. Untersuchungsausschus-ses der 18. Wahlperiode.

    Ich stelle fest: Die Öffentlichkeit ist hergestellt.Die Öffentlichkeit, die Vertreter der Presse undder Medien darf ich an dieser Stelle wieder ganzherzlich begrüßen.

    Bevor ich zum eigentlichen Gegenstand der heu-tigen Sitzung komme, gestatten Sie mir einigeVorbemerkungen.

    Ton- und Bildaufnahmen sind während der öf-fentlichen Beweisaufnahme grundsätzlich nichtzulässig; die meisten, die hier regelmäßig sind,kennen das. Wegen des besonderen öffentlichenInteresses hat der Ausschuss nach § 13 des Un-tersuchungsausschussgesetzes beschlossen, vonder heutigen Sitzung ausnahmsweise eine Vi-deoaufzeichnung durch die Bundestagsverwal-tung fertigen zu lassen. Diese wird im Hauskanaldes Deutschen Bundestages live übertragen.Sonstige Bild-, Ton- und Filmaufnahmen sindwie immer nicht zulässig. Entsprechende Gerätemüssen leider abgeschaltet werden. Und, ichglaube, die Bundestagsverwaltung macht das inso einer exzellenten Qualität, dass wir dement-sprechend auch eine gute Übertragung von die-ser hochinteressanten Sitzung bekommen wer-den.

    Ein Verstoß gegen dieses Gebot, Ton- und Bild-aufnahmen während der Ausschusssitzung zumachen, kann nach dem Hausrecht des Bundes-tages nicht nur zu einem dauerhaften Aus-schluss von den Sitzungen dieses Ausschussessowie des ganzen Hauses führen, sondern gege-benenfalls auch strafrechtliche Konsequenzennach sich ziehen. Ich bitte also darum, dem Aus-schuss einen ungestörten Verlauf zu ermögli-chen.

    Ich rufe den einzigen Punkt der Tagesordnungauf:

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    1. Untersuchungsausschuss

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    18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst/Sprachendienst Seite 5 von 133

    Original Deutsche Übersetzung

    Öffentliche Anhörung vonSachverständigen

    - Timothy H. Edgar, Watson Institute

    - Ashley Gorski, ACLU, National SecurityProject

    - Dr. Morton H. Halperin, Open SocietyFoundations

    - Dr. Christopher Soghoian, ACLU, PrincipalTechnologist

    - Amie Stepanovich, Access Now, U.S.Policy Manager

    Heute findet die öffentliche Beweisaufnahmeaufgrund des Beweisbeschlusses SV-015 und desBeweisbeschlusses SV-016 statt. Es wird Beweiserhoben zum Untersuchungsauftrag - Bundes-tagsdrucksache 18/843 - durch Anhörung vonSachverständigen aus den Vereinigten Staaten.Die Anhörung findet ausschließlich öffentlichstatt.

    An dieser Stelle darf ich unsere Sachverstän-digen herzlich begrüßen, der Reihenfolge nach:Herrn Timothy Edgar vom Watson Institute,Frau Ashley Gorski, Anwältin bei ACLU, Natio-nal Security Project, Herrn Morton Halperin,Senior Advisor der Open Society Foundationsund ehemaliger Direktor von U.S. Advocacy,Herrn Chris Soghoian, technischer Experte beiACLU, und Amie Stepanovich, Autorin beiAccess Now und U.S. Policy Manager.

    Herzlichen Dank, dass Sie heute hier sind, dassSie unserer Einladung gefolgt sind und den wei-ten Weg auf sich genommen haben und demAusschuss heute für diese Anhörung zur Ver-fügung stehen. Es ist ja der einzige parlamenta-rische Untersuchungsausschuss, der sich mitdieser Thematik beschäftigt, und von daherfreue ich mich sehr, dass Sie uns die Gelegen-heit geben, doch einen viel deutlicheren und in-neren Einblick in die Situation mit Blick auf dieVereinigten Staaten heute werfen zu können.

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    1. Untersuchungsausschuss

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    18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst/Sprachendienst Seite 6 von 133

    Original Deutsche Übersetzung

    Ich habe Sie darauf hinzuweisen, dass die Bun-destagsverwaltung nicht nur eine Video-Live-übertragung anfertigt, sondern auch eine Tonauf-nahme dieser Sitzung. Diese dient ausschließ-lich dem Zweck, die stenografische Aufzeich-nung der Sitzung zu erleichtern. Diese Tonauf-nahme, wird nach Erstellung des Protokollsdann gelöscht. Sie sehen ja auch unsere Steno-grafen - von Ihnen aus gesehen auf der rechtenSeite -, die dann eben dementsprechend ein Pro-tokoll anfertigen, und da ist die Tonbandauf-nahme noch mal eine ergänzende Hilfe.

    Das Protokoll dieser Anhörung wird Ihnen nachFertigstellung zugestellt. Sie haben, falls dies ge-wünscht ist, dann die Möglichkeit, innerhalbvon zwei Wochen Korrekturen und Ergänzungenvorzunehmen, falls etwas falsch aufgenommenworden ist oder falls Sie meinen, Korrekturensind notwendig. - Gibt es hierzu Fragen von derSeite der Sachverständigen?

    (Die Sachverständigenschütteln den Kopf)

    Das ist gut. - Alle schütteln den Kopf. Dann habeich zumindest eine kleine Gewissheit, dass dieÜbersetzung bei Ihnen ankommt. Okay.

    Meine Damen und Herren Sachverständige, vorIhrer Anhörung habe ich Sie als Sachverständigezu belehren. Sie sind als Sachverständige gela-den worden. Als Sachverständige sind Sie eben-falls verpflichtet, die Wahrheit zu sagen. Ihr Gut-achten ist unparteiisch, nach bestem Wissen undGewissen zu erstatten.

    Ich habe Sie darauf hinzuweisen, dass es mög-liche strafrechtliche Folgen haben kann, wenngegen diese Wahrheitspflicht verstoßen wird.Wer vor dem Untersuchungsausschuss uneidlichfalsch aussagt, kann gemäß § 162 in Verbindungmit § 153 des Strafgesetzbuches mit Freiheits-strafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren oderGeldstrafen bestraft werden.

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    Nach § 28 in Verbindung mit § 22 Absatz 2 desUntersuchungsausschussgesetzes können Sie dieAuskunft auf solche Fragen verweigern, derenBeantwortung Sie selbst oder Angehörige imSinne des § 52 Absatz 1 der Strafprozessord-nung der Gefahr aussetzen würde, einer Unter-suchung nach einem gesetzlich geordneten Ver-fahren ausgesetzt zu werden. Dies betrifft theo-retisch - bei Ihnen dürfte das bei allen fünfennicht in Betracht kommen - auch Nebenverfah-ren bezüglich einer Straftat oder Ordnungswid-rigkeit, auch Disziplinarverfahren; aber ich gehedavon aus, dass keiner von Ihnen in einem Be-amtenverhältnis zu einer deutschen Behördesteht. - Gibt es hierzu Ihrerseits Fragen?

    (Die Sachverständigenschütteln den Kopf)

    Nein. Sehr gut. - Nach diesen notwendigen Vor-bemerkungen darf ich Ihnen kurz den Ablaufder Untersuchungsausschusssitzung heute dar-stellen. Zu Beginn haben Sie nach § 28 in Ver-bindung mit § 24 Absatz 4 des Untersuchungs-ausschussgesetzes Gelegenheit, zum Beweis-thema im Zusammenhang vorzutragen. Die Rei-henfolge richtet sich nach dem Alphabet, alsodementsprechend auch nach der Sitzordnung.Wir würden mit Herrn Edgar anfangen und dannvon mir aus gesehen von links nach rechts al-phabetisch weitergehen.

    Sie haben die Möglichkeit, zu Anfang in einemsogenannten Eingangsstatement Ihre Sicht derDinge - einige haben ja auch dementsprechendGutachten bei uns abgegeben - zum Untersu-chungsgegenstand innerhalb von 15 Minutendarzulegen. Also, wir haben uns vereinbart, dassein Eingangsstatement Ihrerseits von jeweils15 Minuten möglich ist. Ich hoffe, das ist für Sieausreichend Zeit, um Ihre Sicht der Dinge dar-zulegen. So würden wir erst nacheinander dieEingangsstatements von Ihnen, sehr verehrteSachverständige, hören und danach zu den Fra-gen der Mitglieder dieses Ausschusses kommen.

    Es würde so sein, dass nach den Eingangsstate-ments dann die Fragen der Ausschussmitglieder

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    kommen. Und wir haben uns darauf geeinigt,dass wir dies nicht nach einer Reihenfolge derFraktionen machen oder nach festen Zeitkontin-genten, sondern dass wir einfach nach der Rei-henfolge der meldenden Kolleginnen und Kolle-gen die Fragen einzeln abarbeiten. Jeder Abge-ordnete hat die Möglichkeit, Fragen zu stellen,nämlich zwei Fragen: entweder zwei Fragen aneinen Sachverständigen oder an zwei Sachver-ständige jeweils eine Frage. Das ist das üblicheProzedere bei Sachverständigenanhörungen hierim Deutschen Bundestag. Und dann darf dernächste Kollege oder die nächste Kollegin hieraus diesem Kreis fragen. - Gibt es hierzu Nach-fragen Ihrerseits zum Prozedere?

    (Die Sachverständigenschütteln den Kopf)

    Nein. - Dann sollten wir, glaube ich, loslegen.Ich würde gerne beginnen mit dem Eingangs-statement von Ihnen, Herr Edgar. Ich darf Ihnendas Wort geben für Ihre 15 Minuten. - Dankeschön.

    Sachverständiger Timothy H. Edgar: Thank youvery much, Professor Dr. Patrick Sensburg andmembers of the committee. Thanks for the op-portunity to testify on the topic of surveillancereform in the United States. We have mademany reforms in the wake of the Snowdenrevelations and I just want to give you a fewhighlights of those in my written statement.

    Sachverständiger Timothy H. Edgar: Ich dankeIhnen vielmals, Herr Professor Dr. Patrick Sens-burg, und auch Ihnen, sehr geehrte Ausschuss-mitglieder. Vielen Dank für die Gelegenheit,heute hier zu Ihnen zum Thema der Überwa-chungsreform in den Vereinigten Staaten spre-chen zu dürfen. Wir haben im Zuge der Snow-den-Enthüllungen zahlreiche Reformen umge-setzt. Ich möchte Ihnen hierzu nur einige derwichtigsten aus meinem schriftlichen Gutachtenvorstellen.

    First I want to start out by reminding us that be-fore a crowd of tens of thousands of Germans inthe summer of 2008 we really saw an extraordi-nary scene of a young senator from Illinois, acandidate for President, Barack Obama, and hewas promising a new spirit of cooperation in ourforeign policy. When I looked back at that scenein preparation for this committee’s hearing, Iwas really struck by his use of the word - - thatwe would look for allies who listen to eachother, who learn from each other and who will,

    Beginnen möchte ich jedoch mit einem Rück-blick in den Sommer 2008, in dem wir erlebten,wie ein junger Senator aus Illinois, der Präsi-dentschaftskandidat Barack Obama, in eineraußergewöhnlichen Rede vor Zehntausendenvon Deutschen einen neuen Geist der Zusam-menarbeit in unserer Außenpolitik versprach.Als ich mir diese Szene bei den Vorbereitungenfür diese Ausschussanhörung in Erinnerung rief,stolperte ich förmlich über seine Worte - dass esuns um Verbündete geht, die einander zuhören,

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    above all, trust each other. And, of course, theuse of the word “listen” has a different contextnow after 2013.

    die voneinander lernen und die sich vor allemgegenseitig vertrauen. Die Wortwahl „zuhören“hat nach 2013 natürlich eine ganz neue Dimen-sion bekommen.

    Still, I think that we do want that kind of co-operative relationship, and so I welcome theopportunity to give the German parliament theexperience that we have had since 2013 thanksto the Snowden revelations". And we’ve seensubstantial reforms in intelligence practices. So,President Obama’s legacy will not simply be thatof “the NSA scandal” as it’s called here or, as it’scalled in the United States, “the Snowden reve-lations”, but will also be some of the bigger in-telligence reforms when it comes to surveillancethat we have seen, really, since the period of themid-1970s, which my colleague Dr. Halperincan tell you about from personal experience.

    Dennoch denke ich, dass wir eine solche koope-rative Beziehung wirklich wollen. Und deshalbbegrüße ich die Gelegenheit, dem DeutschenBundestag die Entwicklungen, die sich infolgeder Snowden-Enthüllungen seit 2013 ergebenhaben, schildern zu dürfen. Es hat grundlegendeReformen in der Arbeit der Geheimdienste gege-ben. So wird das politische Erbe von PräsidentObama also nicht nur im „NSA-Skandal“, wie esin Deutschland heißt, oder auch in den „Snow-den-Enthüllungen“, wie man in den USA sagt,bestehen, sondern auch in einigen der größtenReformen der geheimdienstlichen Überwachungseit Mitte der 1970er-Jahre, von denen Ihnenmein Kollege Dr. Halperin aus persönlicher Er-fahrung erzählen kann.

    My perspective on the issue of privacy and sur-veillance is shaped by my unique experience aswell. From 2001 to 2006, I was the LegislativeCounsel for national security for the AmericanCivil Liberties Union, which is represented here,one of the largest and oldest non-governmentalorganizations in the world with a mission of de-fending fundamental rights. As an ACLU lawyer,I argued against many of the counterterrorismpolicies adopted by the administration of GeorgeW. Bush that we believed posed a threat to pri-vacy and other civil liberties.

    Das Thema Datenschutz und Überwachung istdurch persönliche Erfahrungen geprägt. Von2001 bis 2006 war ich als Legislative Counsel[Rechtsberater] für nationale Sicherheit derAmerican Civil Liberties Union [ACLU; Amerika-nische Bürgerrechtsunion], die hier vertreten ist,eine der größten und ältesten nichtstaatlichenOrganisationen der Welt, die sich für Bürger-rechte einsetzt. Als Anwalt der ACLU habe ichmich gegen viele Terrorbekämpfungsmaßnah-men der Regierung von George W. Bush ausge-sprochen, die wir als Gefahr für den Daten-schutz und andere Grundrechte betrachteten.

    In early 2006, I had a unique opportunity, whichwas to go inside the intelligence community in anew office dedicated to safeguarding privacyand civil liberties. The Office of the Director ofNational Intelligence, which is the office thatoversees all of the intelligence agencies in theUnited States, had created a new office insidethat Office of the Director of National Intelli-gence called the Civil Liberties and PrivacyOffice. So, for the first time in American history,there would be a top advisor to the Director of

    Anfang 2006 ergab sich für mich eine einzig-artige Gelegenheit, und zwar konnte ich in einerneuen Abteilung innerhalb des Geheimdienstesarbeiten, die sich dem Schutz der Privatsphäreund der Bürgerrechte widmen sollte. Das Bürodes Director of National Intelligence, das sämt-liche Geheimdienste der USA beaufsichtigt,hatte eine neue Dienststelle in ebendiesem Bürodes Director of National Intelligence mit demNamen Civil Liberties and Privacy Office [Bürofür Bürgerrechte und Privatsphäre] geschaffen.

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    National Intelligence, the head of the intelli-gence community, looking just at these issues ofprivacy and civil liberties. And they offered mea job to go in and work as the deputy in thatoffice.

    Zum ersten Mal in der amerikanischen Ge-schichte sollte es also einen hochrangigen Bera-ter des Director of National Intelligence, des Lei-ters aller Geheimdienste, nur für die ThemenPrivatsphäre und Bürgerrechte geben. Und mirwurde die Position des Stellvertreters in diesemAmt angeboten.

    And when I came inside this office, I really wasshocked and surprised by the breadth of NSAsurveillance activities. Certainly, we knew thatthey had broad authorities, so we had made thecase in the ACLU for the need for oversight ofintelligence agencies. And yet the ways in whichour intelligence agencies were using some of thenew laws like the Patriot Act, they exceeded thekinds of things that I’d imagined as a civil liber-ties advocate in the ACLU: bulk collection, masssurveillance, these kinds of activities, which wehadn’t even really anticipated in making thecriticisms that we had of the sections of thePatriot Act that were being used in this way.

    Als ich meine Arbeit aufnahm, war ich wirklichschockiert und überrascht vom Ausmaß derÜberwachungsaktivitäten der NSA. Sicherlich -wir wussten, dass die NSA weitreichende Voll-machten besaß, weswegen wir mit der ACLU jaauch die Aufsicht der Geheimdienste geforderthatten. Und trotzdem gingen die Methoden, mitdenen unsere Geheimdienste einige der neuenGesetze wie den Patriot Act ausnutzten, über dashinaus, was ich mir als Bürgerrechtsanwalt inder ACLU hätte vorstellen können: massenhafteDatenerfassung, massenhafte Überwachung -Aktivitäten, die wir eigentlich gar nicht wirklichfür möglich gehalten hatten, als wir die Passa-gen im Patriot Act kritisierten, die zu diesenZwecken ausgenutzt wurden.

    At the same time, I was somewhat surprised byhow seriously everyone inside the governmenttook the rules that governed intelligence surveil-lance. They may have interpreted these rulesand stretched them well beyond what I had ex-pected as a civil liberties lawyer, but they werevery intent on ensuring that they adhered tothose rules that they had. And what really wasgoing on was not so much a clash between anout-of-control intelligence establishment thatdidn’t want to obey the law or an intelligenceestablishment that was simply doing everythingthat they could to keep us safe, they were doingwhat they could to keep us safe but under lawsthat were inadequate for the digital age.

    Gleichzeitig war ich doch recht überrascht da-von, wie ernst jeder innerhalb der Regierung dieRegeln nahm, denen die geheimdienstlicheÜberwachung unterlag. Diese Regeln wurdenvielleicht weit über das, was ich als Bürger-rechtsanwalt erwartet hatte, hinaus ausgelegtund ausgedehnt; aber man war sehr darauf be-dacht, die Regeln, die es gab, einzuhalten. Waseigentlich stattfand, war also nicht das Auf-einanderprallen zwischen einem außer Kontrollegeratenen Geheimdienstapparat, der dem Gesetznicht gehorchen wollte, und einem Geheim-dienstapparat, der einfach alles in seiner Machtstehende tat, um uns zu schützen; sie taten allesin ihrer Macht stehende, um uns zu schützen,aber unter Gesetzen, die dem Digitalzeitalternicht gerecht wurden.

    And what I mean by that is that the rules thatgoverned intelligence surveillance, rules thatmost of the people I’ve met - all of the peopleactually, without exception - were intent oncomplying with, had simply been drafted for a

    Was ich damit meine, ist, dass die Regeln für ge-heimdienstliche Überwachung, Regeln, auf de-ren Einhaltung die meisten Leute, die ich getrof-fen habe - eigentlich ausnahmslos alle Leute, dieich getroffen habe -, bedacht waren, schlicht und

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    completely different period of time: a period be-fore the Internet, a period before globalization,and a period before the rise of terrorism. Andalthough these had been changed in certainways to loosen them up after 9/11 to deal withthe threat of terrorism, they had not beenchanged to deal with the threats to privacy thatwe’ve experienced as a result of the rise of theInternet.

    einfach für eine andere Zeit gemacht wordenwaren: in einer Zeit vor dem Internet, einer Zeitvor der Globalisierung und einer Zeit vor derAusbreitung des Terrorismus. Diese Regeln wa-ren nach 9/11 zwar in bestimmter Weise geän-dert und gelockert worden, um den Gefahren desTerrorismus zu begegnen; sie waren aber nichtgeändert worden, um den Gefahren zu begegnen,denen unsere Privatsphäre durch den Siegeszugdes Internets ausgesetzt ist.

    We were intending in our office to engage in adialogue with civil society over many of thesechanges. We had several meetings with my for-mer group, with the ACLU, and others in orderto engage in that kind of dialogue. But it wasdifficult to have that dialogue because of thedemands of secrecy. It was hard for us to sharewith civil society the things that were reallygoing on. These were classified activities. Wecould discuss in general ways the authoritiesthat we had, but there’s a big difference betweendiscussing generally, “Here are some of theauthorities that we have, and here are the waysin which they might be used”, and saying,Here’s what’s really happening, let’s talk aboutwhat to do to protect privacy.

    Unser Amt wollte mit der Zivilgesellschaft ineinen Dialog treten, um über viele dieser Ände-rungen zu diskutieren. Wir sind mehrmals mitmeiner ehemaligen Gruppe, der ACLU, und an-deren zusammengekommen, um diesen Dialoganzustoßen. Doch die Geheimhaltungsanforde-rungen machten den Dialog schwierig. Was dawirklich passierte, ließ sich der Öffentlichkeit sokaum vermitteln. Die Aktivitäten waren Ver-schlusssache. Wir konnten allgemein über dieVollmachten sprechen, die wir hatten; aber es istein großer Unterschied, ob man ganz allgemeinsagt: „Dies sind einige der Vollmachten, die wirhaben, und mit denen könnten wir dieses oderjenes tun“, oder ob man sagt: „Das ist das, waswirklich geschieht; lasst uns darüber reden, wiewir unsere Privatsphäre schützen können.“

    A few days after I left government service to pur-sue my academic career at Brown University, ayoung government contractor, Edward Snow-den, chose to reveal the details of two of the ma-jor programs on which I had worked - Prism andthe bulk collection of telephone records - andthen, over the next several months and now intoyears, has revealed many, many more details ofprograms that the NSA and other agencies haveengaged in. And this decision precipitated anopen debate on privacy and surveillance, thedebate that we had wanted to have but neverreally were able to have. And that debate hasforced significant changes to the way in whichthe United States government operates in thesignals intelligence area. So I’ll go through a fewof those that are in my written statement.

    Ein paar Tage nachdem ich den Staatsdienstquittiert hatte, um meine akademische Laufbahnan der Brown University weiterzuverfolgen, ent-hüllte ein junger Auftragnehmer der Regierungnamens Edward Snowden die Einzelheiten zuzwei der großen Programme, mit denen ich michbeschäftigt hatte - Prism und die massenhafteErfassung von Telefonaufzeichnungen -, umdann, im Verlauf der nächsten Monate und mitt-lerweile Jahre, viele, viele weitere Einzelheitenzu Programmen zu enthüllen, die die NSA undandere Geheimdienste zum Einsatz gebracht ha-ben. Mit diesem Schritt kam er einer offenen De-batte über Privatsphäre und Überwachung zu-vor, also der Debatte, die wir führen wollten,aber nie wirklich konnten. Und diese Debattehat grundlegende Änderungen in Bezug auf dieArt und Weise, wie die US-amerikanische Regie-rung im Bereich der Signalaufklärung arbeitet,

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    erzwungen. Ich werde also einige von denenskizzieren, die in meinem schriftlichen Gutach-ten erwähnt sind.

    The first one really is just the transparency. Ob-viously, there’s transparency that came from theleaks that the government was forced to dealwith, but instead of simply digging in its heelsand saying, “These are leaks, and we don’t com-ment on intelligence operations”, under Presi-dent Obama’s leadership the intelligence com-munity engaged in a major transparency drive todeclassify thousands of pages of documents in-cluding documents from the once very secretForeign Intelligence Surveillance Court. In fact,many of the revelations that we’ve talked about,especially those having to do with programsoverseen by the FISA Court, have come fromthose documents rather than from the Snowdendocuments.

    Die erste ist einfach nur die Transparenz. Natür-lich stellten die Leaks, mit denen die Regierungsich gezwungenermaßen auseinandersetzenmusste, an sich schon eine gewisse Transparenzher; aber anstatt einfach auf stur zu stellen undzu sagen: „Das sind Leaks, und wir kommentie-ren Geheimdienstoperationen nicht“, machtensich die Geheimdienste unter der Führung vonPräsident Obama daran, in einer großen Trans-parenzoffensive Tausende Dokumentseiten,unter anderem aus Dokumenten des einst sehrgeheimen Foreign Intelligence SurveillanceCourt, freizugeben. Im Grunde stammen vieleder Enthüllungen, über die gesprochen wurde,insbesondere jene, die mit Programmen zu tunhaben, die durch den FISA Court [Gericht derVereinigten Staaten betreffend die Überwachungder Auslandsaufklärung] überwacht wurden,aus diesen Dokumenten und nicht aus denenvon Snowden.

    The second series of reforms has to do with theprivacy of foreign citizens, citizens in Germanyor anywhere else in the world. When I workedinside the intelligence community, there was nowritten policy or directive that I could point tosay: This program has a massive impact on pri-vacy around the world, of foreign citizens, it’snot yielding very much intelligence, maybe weshould scrap this program or change it. The onlything I could point to were directives and poli-cies that had to do with the privacy of Americancitizens or permanent residents. So, you canlook at these rules and you can say, “Well, thereare holes or weaknesses” - and some of my col-leagues have done that; I think that’s a good ex-ercise -, but I just want to pause for a minute andconsider how important this change is that theworld’s largest intelligence power with some ofits most important intelligence capabilities hasmade a policy statement written down in a waythat it binds the intelligence communities thatyou do have to consider the privacy and civilliberties of everyone around the world and not

    Die zweite Serie von Reformen hat mit der Pri-vatsphäre ausländischer Bürger zu tun, Bürgerin Deutschland oder anderswo auf der Welt. Alsich innerhalb des Geheimdienstes tätig war, gabes keine schriftliche Richtlinie oder Vorschrift,die sich hätte heranziehen lassen, um zu sagen:Dieses Programm hat massive Auswirkungen aufdie Privatsphäre ausländischer Bürger weltweit;es liefert nicht sehr viele Erkenntnisse; vielleichtsollten wir dieses Programm ausmustern oderändern. - Das einzige, was sich heranziehen ließ,waren Richtlinien und Vorschriften, die mit derPrivatsphäre von amerikanischen Staatsbürgernoder Aufenthaltsberechtigten zu tun hatten. Siekönnen sich diese Regeln nun ansehen undsagen: „Na gut, aber da gibt es Lücken undSchwächen.“ Und einige meiner Kollegen habendas gemacht - ich denke, das ist eine guteÜbung. Aber ich möchte hier einfach einen Mo-ment innehalten und überlegen, wie wichtigdiese Entwicklung ist, dass das Land mit demmächtigsten Geheimdienst der Welt und dengrößten Aufklärungsfähigkeiten der Welt eine

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    Original Deutsche Übersetzung

    just those of American citizens or residents. AndI would suggest that this should lay down amarker for other countries, including Germany,to adopt similar policies, to say: Yes, we mayhave more restrictions for domestic surveillanceand that’s appropriate - we can get into why -,but we’re not going to have no restrictions at allfor external surveillance; we’re going to havesome level, some minimal level of understand-ing that the privacy of people outside our coun-try does matter.

    Grundsatzerklärung niederschreibt, die seineGeheimdienste dazu verpflichtet, die Privat-sphäre und Bürgerrechte von jedermann auf derWelt und nicht etwa nur von amerikanischenStaatsbürgern oder Einwohnern zu berücksichti-gen. Und ich finde, dass dies auch für andereLänder, einschließlich Deutschland, den Anstoßliefern sollte, ähnliche Regeln einzuführen, zusagen: „Ja, die inländische Überwachung unter-liegt vielleicht stärkeren Beschränkungen unddas ist angemessen - wir können gern darüberreden, warum -, aber wir werden keinesfalls garkeine Beschränkungen für eine ausländischeÜberwachung haben; wir werden ein gewissesMaß, ein Mindestmaß an Verständnis dafürhaben, dass die Privatsphäre von Menschenaußerhalb unseres Landes eine Rolle spielt.“

    The other thing is that we have ended the bulkcollection of American telephone records. Thathas less impact here in Germany, so I’ll just saythat it was an important debate inside theUnited States about the bulk collection idea.

    Die andere Sache ist die, dass wir die massen-hafte Erfassung amerikanischer Telefonauf-zeichnungen eingestellt haben. Das ist fürDeutschland weniger relevant. Deswegen sageich hier lediglich, dass in den USA eine großeDebatte über das Konzept der massenhaftenErfassung stattgefunden hat.

    The Foreign Intelligence Surveillance Court hasopened itself up. There are now cleared lawyerswho appear in front of it to argue the other sideof issues that are important, where they used toonly hear from government lawyers.

    Der Foreign Intelligence Surveillance Court hatsich mittlerweile geöffnet. Vor ihm erscheinenjetzt zugelassene Anwälte, die in den wichtigenFragen, zu denen früher nur die Anwälte derRegierung angehört wurden, die andere Seitevertreten.

    And then we can talk a little bit more also aboutthe impact of the Schrems decision of the Courtof Justice of the European Union, which hasopened our intelligence services up to scrutinyby an international court and by internationalbodies, forcing us to justify why it is that wehave certain types of practices. I think that thatprocess is far from finished. I think that we inthe United States are going to have to adoptadditional reforms to address Schrems, and Ithink that’s going to take many, many years.

    Und dann können wir auch noch ein bisschenmehr über die Auswirkungen des Schrems-Ur-teils des Gerichtshofes der Europäischen Unionsprechen, durch das unsere Geheimdienste insVisier eines internationalen Gerichts und inter-nationaler Organe gerieten und wir gezwungenwaren, zu erklären, warum wir bestimmteMethoden anwenden. Ich denke, dieser Prozessist noch lange nicht abgeschlossen. Ich glaubevielmehr, dass das Schrems-Urteil in den USAweitere Reformen notwendig macht. Und daswird noch viele, viele Jahre dauern.

  • Stenografisches Protokoll 108 I

    1. Untersuchungsausschuss

    Nur zur dienstlichen Verwendung

    18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst/Sprachendienst Seite 14 von 133

    Original Deutsche Übersetzung

    So I think this is a new reform era for intelli-gence surveillance in the United States. There ismore to do. That era is not over. The Prism pro-gram and something called “Upstream collec-tion” under Section 702 of the Foreign Intelli-gence Surveillance Act will come up for reviewnext year in Congress, and we will have to de-cide whether to tighten up some of the provi-sions there. I think that they should be tightenedup, specifically to address the Schrems decisionand other concerns that have been expressedabout the breadth of the surveillance under thatauthority.

    Ich denke also, wir befinden uns in den USA ineiner neuen Phase der Reform der geheimdienst-lichen Überwachung. Da gibt es noch einiges zutun. Diese Phase ist noch nicht vorbei. DasPrism-Programm und die sogenannte „Up-stream-Datenerfassung“ nach § 702 des ForeignIntelligence Surveillance Act [FISA; Gesetz überÜberwachungsmaßnahmen in der Auslandsauf-klärung] wird im nächsten Jahr dem Kongresszur Überprüfung vorgelegt, und man wird ent-scheiden müssen, ob nicht einige der entspre-chenden Bestimmungen verschärft werden soll-ten. Meiner Meinung nach sollten sie verschärftwerden, insbesondere im Hinblick auf dasSchrems-Urteil und andere Bedenken, die be-züglich des Ausmaßes der Überwachung unterdieser Vollmacht aufgekommen sind.

    I’ve written in a paper that I’ve submitted for therecord a three-step process for how we could goabout this next phase of intelligence reform. Andmy basic message here is that it’s time to go big,to go global in intelligence reform. And thatmeans that we should, in the United States, sub-ject all of our mass surveillance programs underthe NSA to judicial review by the Foreign Intelli-gence Surveillance Court, that we should haveagreements with citizens of other democraticcountries that we will limit the use of these ex-traordinary capabilities only to security threatsand that we should provide a greater ability tochallenge these kinds of surveillance programsin court. And here, I think, the United Statescould learn from the European practice in thecase of Klass vs. Germany of essentially assum-ing that the surveillance is taking place in orderto allow it to be tested in court rather than re-quiring people to show that they have actuallybeen injured by surveillance, which is the rulein an American court and which frustrates theability of ordinary federal courts to inquire intosurveillance programs.

    In einer von mir eingereichten Stellungnahmehabe ich einen Drei-Schritte-Plan vorgeschlagen,wie sich diese nächste Phase der Geheimdienst-reform in Angriff nehmen ließe. Ich vertrete da-rin die Ansicht, dass es an der Zeit ist, die Ge-heimdienstreform im großen Stil und weltweitvoranzutreiben. Und das bedeutet, dass wir inden USA sämtliche Programme der NSA zurmassenhaften Überwachung einer rechtlichenÜberprüfung durch das Foreign Intelligence Sur-veillance Court unterstellen sollten, dass wir mitden Bürgern anderer demokratischer Länder ver-einbaren sollten, die Nutzung dieser außerge-wöhnlichen Fähigkeiten auf Sicherheitsbedro-hungen zu beschränken und dass mehr Möglich-keiten geschaffen werden, rechtlich gegen dieseArten von Überwachungsprogrammen vorzuge-hen. Hier können die USA meiner Meinung nachvon der europäischen Verfahrensweise im FallKlass gegen Deutschland lernen, und zwar dahingehend, dass man die Tatsache, dass Über-wachungsmaßnahmen stattfinden, voraussetzt,damit diese vor Gericht überprüft werden kann,anstatt von den Menschen den Nachweis zu ver-langen, dass sie durch die Überwachung geschä-digt wurden, was vor amerikanischen Gerichtendie Regel ist und wodurch es ordentlichen Bun-desgerichten unmöglich ist, Nachforschungen zuÜberwachungsprogrammen anzustellen.

  • Stenografisches Protokoll 108 I

    1. Untersuchungsausschuss

    Nur zur dienstlichen Verwendung

    18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst/Sprachendienst Seite 15 von 133

    Original Deutsche Übersetzung

    So, with that I’ll conclude my statement. Thankyou very much for the opportunity to testify.

    Damit beende ich mein Statement. Ich dankeIhnen vielmals dafür, dass ich hier aussagendurfte.

    Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Danke. Herz-lichen Dank. - Ich freue mich nun über dasnächste Eingangsstatement von Frau Gorski undwürde Ihnen das Wort geben.

    Sachverständige Ashley Gorski: On behalf ofthe American Civil Liberties Union I would liketo thank the committee of inquiry for holdingthis hearing and for the opportunity to testify onelectronic surveillance conducted by the U.S.National Security Agency.

    Sachverständige Ashley Gorski: Im Namen derAmerican Civil Liberties Union [AmerikanischeBürgerrechtsunion] danke ich dem Untersu-chungsausschuss für die Durchführung dieserAnhörung sowie für die Gelegenheit, zu den vonder US-amerikanischen NSA durchgeführtenelektronischen Überwachungsmaßnahmen aus-sagen zu dürfen.

    I’ll begin today by speaking about three of themost significant lessons that we’ve learned fromthe Snowden disclosures. I’ll then briefly dis-cuss two major surveillance authorities: Section702 of the Foreign Intelligence Surveillance Act,or FISA, and Executive Order 12333, which werefer to as “twelve-triple-three”; I don’t know ifthat’s much shorter, but that’s the nomenclature.A more thorough discussion of these surveil-lance authorities is included in my written testi-mony, but I will present the abbreviated versionhere today. And I’ll conclude by explaining whyPresidential Policy Directive 28, otherwiseknown as PPD-28, one of the major post-Snow-den surveillance reforms, does not go nearly farenough to curb in either Section 702 or EO12333 surveillance.

    Beginnen werde ich meine Ausführungen mitdrei der wichtigsten Lehren, die wir aus denSnowden-Enthüllungen gezogen haben. An-schließend spreche ich kurz über zwei zentraleÜberwachungsvollmachten: § 702 des ForeignIntelligence Surveillance Act, kurz FISA, und dieExecutive Order EO 12333, die wir „Zwölf-Drei-Drei-Drei“ nennen; ich weiß nicht, ob das vielkürzer ist, aber so ist die Nomenklatur. In mei-ner schriftlichen Stellungnahme gehe ich näherauf diese Überwachungsvollmachten ein; aberhier stelle ich heute die Kurzversion vor. Ab-schließend werde ich erklären, warum die Presi-dential Policy Directive 28, auch bekannt alsPPD-28, als eine der zentralen Reformen der ge-heimdienstlichen Überwachung, die infolge derSnowden-Enthüllungen umgesetzt wurden, nichtannähernd ausreicht, um die Überwachungs-maßnahmen nach § 702 oder EO 12333 ange-messen einzudämmen.

    Thanks to Edward Snowden and a group ofparticularly courageous reporters, over the pastthree years the U.S. public and elected officialshave engaged in a long-overdue debate aboutgovernment surveillance and civil liberties. Thisdebate is ongoing and has been informed bythree fundamental lessons about the nature of

    Dank Edward Snowden und einer Gruppe ausge-sprochen mutiger Reporter haben die US-ameri-kanische Öffentlichkeit und Politik in den letz-ten drei Jahren eine seit langem überfällige De-batte über staatliche Überwachung und Bürger-rechte geführt. Grundlage dieser noch andauern-den Debatte sind drei fundamentale Erkennt-nisse über das Wesen der US-amerikanischen

  • Stenografisches Protokoll 108 I

    1. Untersuchungsausschuss

    Nur zur dienstlichen Verwendung

    18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst/Sprachendienst Seite 16 von 133

    Original Deutsche Übersetzung

    U.S. surveillance and the legal and politicalstructures in which it takes place.

    Überwachung und die rechtlichen und politi-schen Strukturen, in denen sie stattfindet.

    First, through the Snowden disclosures and sub-sequent government revelations, the public isnow aware that pervasive surveillance is not justtheoretically possible, but it is in fact happening.Since the summer of 2013, we have learned,among other facts, that the NSA was collectingin bulk Americans’ domestic phone records, thatthe NSA searches the content of substantially alltext-based Internet communications that enter orexit the United States and that the NSA collectsdata outside of the United States on a massivescale, including emails, text messages, Internetchat transcripts, the full content of phone con-versations, cell phone location information, andcontact lists. For example, as reported by thepress, the NSA collects and retains data fromapproximately 500 million German phone andInternet communications each month.

    Erstens ist der Öffentlichkeit durch die Snow-den-Enthüllungen und anschließenden Offen-legungen der Regierung bewusst geworden, dassallgegenwärtige Überwachung nicht nur theore-tisch möglich ist, sondern tatsächlich stattfindet.Seit dem Sommer 2013 haben wir zudem erfah-ren, dass die NSA massenhaft amerikanischeTelefongespräche aufzeichnete, dass die NSAden Inhalt praktisch der gesamten textbasiertenInternetkommunikation durchsucht, die in denUSA empfangen oder von dort aus versendetwird, und dass die NSA auch außerhalb derUSA im großen Stil Daten sammelt, darunterE-Mails, Textnachrichten, Internet-Chat-Proto-kolle, den gesamten Inhalt von Telefongesprä-chen, Positionsdaten von Mobiltelefonen undKontaktlisten. Beispielsweise sammelt und spei-chert die NSA laut Presseberichten monatlichdie Daten zu etwa 500 Millionen deutschen Tele-fon- und Internetkommunikationen.

    Second, we’ve learned that the U.S. lacks anadequate system of checks and balances to over-see and restrain executive-branch surveillance.When the government conducts surveillancethat takes place on U.S. soil or targets Ameri-cans, a secret court, known as the Foreign Intel-ligence Surveillance Court or FISC, is supposedto serve as a check on the executive branch’ssurveillance activities. But it has become ap-parent that the secret court has failed to mean-ingfully constrain the executive branch. Evenmore problematically, when the U.S. conductssurveillance overseas, it is subject to very littlecongressional oversight and no judicial oversightdespite the fact that this surveillance sweepscountless Americans into its dragnet. And, asmy colleague mentioned, as a general matter, itis exceptionally difficult to challenge thegovernment’s surveillance programs in ordinarycourts. Civil litigants are almost always stymiedby the doctrine of “standing”, which requiresthem to show with sufficient likelihood thatthey have been or will be subject to secret sur-veillance. In addition, the government has an

    Zweitens haben wir erfahren, dass die USA überkein hinreichendes gegenseitiges Kontrollsystem[Checks and Balances] verfügen, um die Über-wachung von Organen der Exekutive zu beauf-sichtigen und zu begrenzen. Im Falle von Über-wachungen der Regierung auf US-amerikani-schem Boden oder von Amerikanern ist ein ge-heimes Gericht, auch bekannt als der Foreign In-telligence Surveillance Court oder FISC, für dieKontrolle der Überwachungsaktivitäten gegen-über der Exekutive zuständig. Noch problema-tischer ist, dass Überwachungsaktivitäten derRegierung im Ausland nur in sehr geringem Um-fang vom Kongress und überhaupt nicht von Ge-richten kontrolliert werden, obwohl auch zahl-lose Amerikaner ins Schleppnetz dieser Überwa-chungen geraten. Zudem ist es, wie mein Kollegebereits sagte, grundsätzlich sehr schwierig, aufdem ordentlichen Rechtsweg gegen die Überwa-chungsprogramme der Regierung vorzugehen.Zivilklagen werden fast immer durch die Doc-trine of „Standing“ [Klagebefugnis-Doktrin] ab-gewürgt, die verlangt, dass der Kläger mit hinrei-chender Wahrscheinlichkeit nachweist, Ziel

  • Stenografisches Protokoll 108 I

    1. Untersuchungsausschuss

    Nur zur dienstlichen Verwendung

    18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst/Sprachendienst Seite 17 von 133

    Original Deutsche Übersetzung

    obligation to notify criminal defendants when itintends to use evidence against them that wasobtained or derived from surveillance programs,and the government relies on a very narrow in-terpretation of its notice obligation. As a result,countless criminal defendants who have beensubject to highly controversial surveillance pro-grams are unable to challenge them in any court.

    einer Überwachung zu sein oder gewesen zusein. Darüber hinaus ist der Staat verpflichtet,einen Angeklagten in einem Strafverfahren da-rüber zu informieren, dass er Beweise gegen ihnverwenden will, die durch Überwachung erlangtoder daraus abgeleitet wurden. Der Staat legtdiese Mitteilungspflicht jedoch sehr eng aus. Da-her ist es unzähligen Angeklagten, die Ziel hoch-kontroverser Überwachungsprogramme gewor-den sind, nicht möglich, sich vor einem ordent-lichen Gericht dagegen zur Wehr zu setzen.

    Third, the U.S. government is not sufficientlytransparent about its interpretations of surveil-lance law and the scope of its practices. Indeed,in many respects, the Snowden disclosuresthemselves were the product of a culture of ex-cessive secrecy. No one is suggesting that theU.S. should reveal every last operational detailrelated to its surveillance activities. But in orderto maintain democratic legitimacy, the govern-ment must be more forthcoming with the publicabout the general scope of its surveillance aswell as its understanding of the breadth of itslegal authorities.

    Drittens legt die US-Regierung nicht transparentgenug dar, wie sie die gesetzlichen Bestimmun-gen zur Überwachung auslegt und in welchemUmfang sie Überwachungen durchführt. ImGrunde waren die Snowden-Enthüllungen selbstdas Ergebnis einer exzessiven Geheimhaltungs-kultur. Niemand verlangt, dass die US-Regie-rung ihre Überwachungsaktivitäten bis ins letzteDetail offenlegt. Damit die demokratische Legiti-mierung gewahrt bleibt, darf die Regierung derÖffentlichkeit jedoch nicht verheimlichen, inwelchem allgemeinen Umfang sie Überwachungbetreibt und wie weit die entsprechenden Voll-machten ihrem Verständnis nach reichen.

    Informed by these three lessons, the debate overprivacy and surveillance has resulted in somereforms, the most significant of which relates tothe NSA’s domestic call-records program. Formore than a decade, the NSA kept a record ofsubstantially all phone calls made or received onmajor U.S. telephone networks. The ACLUchallenged the legality of this surveillance incourt, and a federal court of appeals ruled inMay 2015 that this bulk surveillance was illegal.Shortly thereafter, Congress passed the USAFreedom Act, which put an end to the NSA’sbulk collection of domestic call records. Whilethe passage of this act was a milestone, thelegislation left many of the government’s mostintrusive and overbroad surveillance authoritiesuntouched.

    Auf Grundlage dieser drei Lehren hat die De-batte über Privatsphäre und Überwachung zueinigen Reformen geführt. Die wichtigste davonbezieht sich auf das NSA-Programm zur Auf-zeichnung inländischer Telefongesprächsdaten.Über mehr als ein Jahrzehnt hinweg hat die NSApraktisch alle Telefonanrufe erfasst, die über diegrößten US-amerikanischen Telefonnetze ge-tätigt bzw. angenommen wurden. Die ACLU istgegen diese Überwachung vor Gericht gegangen,und im Mai 2015 hat ein Bundesberufungs-gericht entschieden, dass diese massenhafteÜberwachung rechtswidrig war. Kurz darauf er-ließ der Kongress den USA Freedom Act, der diemassenhafte Erfassung inländischer Anrufdatenbeendete. Auch wenn die Verabschiedung diesesGesetzes einen Meilenstein darstellt, ließ die Ge-setzgebung viele der Vollmachten unberührt, diebesonders unverhältnismäßig sind und denSchutz der Privatsphäre am stärksten beein-trächtigen.

  • Stenografisches Protokoll 108 I

    1. Untersuchungsausschuss

    Nur zur dienstlichen Verwendung

    18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst/Sprachendienst Seite 18 von 133

    Original Deutsche Übersetzung

    Next, I’ll briefly discuss two of those authorities:Section 702 of FISA, which authorizes surveil-lance that takes place on U.S. soil, and ExecutiveOrder 12333, which authorizes electronic sur-veillance that largely takes place abroad.

    Als nächstes werde ich kurz über zwei dieserVollmachten sprechen: § 702 des FISA, wonachdie Durchführung von Überwachungsmaßnah-men auf US-amerikanischem Boden zulässig ist,und EO 12333, wonach die überwiegend im Aus-land stattfindende elektronische Überwachungzulässig ist.

    Section 702 authorizes the government’s large-scale, warrantless acquisition of the contents ofcommunications inside the U.S. when two pri-mary conditions are satisfied: first, the target ofthe NSA’s surveillance must be a foreigner lo-cated abroad and, second, the purpose of thesurveillance must be to gather “foreign intelli-gence information”. But, importantly, neither ofthese conditions imposes a meaningful restrainton the government’s surveillance. Section 702does not require the government to make anyfinding - let alone demonstrate a probable causeto a court - that its surveillance targets are for-eign agents, engaged in criminal activity, or evenremotely associated with terrorism. Addition-ally, the phrase “foreign intelligence” is definedextraordinarily broadly to include informationrelated to the foreign affairs of the United States.Thus, the government’s authority is not limitedto the surveillance of suspected terrorists orcriminals, but extends to the surveillance of in-dividuals who are not suspected of any wrong-doing whatsoever.

    Der § 702 bildet die Rechtsgrundlage für dieweitreichende Beschaffung von Kommunika-tionsinhalten ohne richterlichen Beschluss in-nerhalb der USA, sofern zwei Voraussetzungenerfüllt sind: Erstens muss das von der NSA über-wachte Ziel ausländischer Staatsbürger sein undsich im Ausland befinden, und zweitens mussder Zweck der Überwachung darin bestehen,„ausländische geheimdienstliche Informatio-nen“ zu sammeln. Wichtig ist hier jedoch, dasskeine dieser beiden Bedingungen die Überwa-chung durch die Regierung in konkreter Weisebeschränkt. Der § 702 verlangt von der Regie-rung keinerlei Ermittlungsergebnisse, geschweigedenn das Vorbringen wahrscheinlicher Gründegegenüber einem Gericht, dass die von ihr über-wachten Ziele ausländische Agenten, in Straf-taten verwickelt oder auch nur im Entferntestenmit Terrorismus in Verbindung zu bringen sind.Zudem ist der Begriff „ausländische geheim-dienstliche Informationen“ im Sinne von Infor-mationen, die die Außenpolitik der USA betref-fen, ausgesprochen weit gefasst. Somit be-schränkt sich die Vollmacht der Regierung nichtauf die Überwachung von Verdachtspersonen,wie mögliche Terroristen oder Kriminelle, son-dern erstreckt sich auch auf die Überwachungvon Personen, die unter keinerlei Verdacht einerStraftat stehen.

    The Snowden revelations and subsequentgovernment disclosures show that the govern-ment uses Section 702 to conduct at least twotypes of surveillance: Prism and Upstream sur-veillance. Upstream involves the mass copyingand searching of virtually all Internet communi-cations flowing into and out of the UnitedStates. With the help of companies like Verizonand AT&T, the NSA conducts this surveillanceby tapping directly into the Internet backbone in

    Die Snowden-Enthüllungen und anschließendenOffenlegungen der Regierung zeigen, dass dieRegierung sich bei zumindest zwei Arten derÜberwachung auf § 702 stützt: Prism und Up-stream-Überwachung. Upstream ist das massen-hafte Kopieren und Durchsuchen praktisch allerInternetkommunikationen, die in die USAhinein- oder aus den USA hinausfließen. Mit-hilfe von Unternehmen wie Verizon und AT&Tzapft die NSA bei dieser Art von Überwachung

  • Stenografisches Protokoll 108 I

    1. Untersuchungsausschuss

    Nur zur dienstlichen Verwendung

    18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst/Sprachendienst Seite 19 von 133

    Original Deutsche Übersetzung

    the U.S., the system of cables, switches androuters, the physical infrastructure that carriesAmericans’ communications with each otherand with the rest of the world. After copyingnearly all of this traffic, the NSA searches boththe metadata and the content for key terms,called “selectors”, that are associated with itstens of thousands of foreign targets. We knowthat these selectors take the form of email ad-dresses and phone numbers, for example. Butthat’s not an exhaustive list. Communicationscontaining selectors are retained on a longer-term basis for further analysis and dissemina-tion, with few restrictions.

    das Rückgrat des Internets in den USA an, alsodas System aus Kabeln, Verteilern und Routern,die physische Infrastruktur, über die alle Ameri-kaner untereinander und mit dem Rest der Weltkommunizieren. Die NSA kopiert nahezu dengesamten Datenverkehr und durchsucht an-schließend sowohl die Metadaten als auch denInhalt nach Schlüsselbegriffen, sogenannten„Selektoren“, die eine Verbindung zu den Zehn-tausenden von ausländischen Zielen aufweisen.Wir wissen, dass diese Selektoren zum Beispielaus E-Mail-Adressen und Telefonnummern be-stehen können. Aber es gibt noch weitere. Kom-munikationen, die Selektoren enthalten, werdenohne wesentliche Beschränkungen zur genaue-ren Analyse und zur Weitergabe langfristiger ge-speichert.

    The second type of Section 702 surveillance isknown as Prism. Through Prism, the govern-ment obtains communications directly fromU.S.-based service providers such as Google,Yahoo, Microsoft and Facebook. The govern-ment identifies the user accounts it seeks tomonitor, for example, particular Yahoo emailaddresses, and then it collects from the providerall communications to or from those accounts.As of April 2013, the NSA was monitoring atleast 117,000 targeted accounts via Prism.

    Die zweite Art von Überwachung gemäß § 702ist unter der Bezeichnung „Prism“ bekannt. MitPrism bezieht die Regierung die Kommunikatio-nen unmittelbar von US-amerikanischen Pro-vidern wie Google, Yahoo, Microsoft und Face-book. Die Regierung identifiziert dann die ge-suchten Nutzerkonten, um zum Beispiel be-stimmte E-Mail-Adressen von Yahoo zu überwa-chen, und holt sich dann vom Provider die ge-samte Kommunikation, die über diese Kontenversendet oder empfangen wird. Im April 2013betrug die Zahl der von der NSA via Prism über-wachten Zielkonten 117 000.

    I’ll now speak briefly about Executive Order12333, which was originally issued in 1981 byPresident Reagan. It’s the primary authority un-der which the NSA gathers foreign intelligence.It provides broad latitude for the government tosurveil Americans and others alike without judi-cial review or other protections that apply tosurveillance conducted under statutory authori-ties. Despite its breadth, EO 12333 has not beensubject to meaningful oversight. Surveillanceprograms operated under the executive orderhave never been reviewed by any court. And, asthe former chairman of the Senate IntelligenceCommittee has conceded, they are not overseenin a meaningful way by Congress. EO 12333authorizes the government to conduct electronic

    Ich werde jetzt kurz auf die EO 12333 eingehen,die ursprünglich im Jahr 1981 von PräsidentReagan erlassen wurde. Dies ist die primäreRechtsgrundlage, unter der die NSA geheim-dienstliche Aufklärung im Ausland betreibt. Siebietet der Regierung einen großen Spielraum fürdie Überwachung von Amerikanern und ande-ren Staatsbürgern ohne richterliche Kontrolleoder andere Schutzbestimmungen, die auf ge-setzlich zugelassene Überwachungsmaßnahmenanwendbar sind. Trotz der weitreichenden Be-fugnisse unterliegt EO 12333 keiner nennenswer-ten Kontrolle. Überwachungsprogramme, die un-ter der Executive Order betrieben werden, sindnoch nie gerichtlich überprüft worden. Und wie

  • Stenografisches Protokoll 108 I

    1. Untersuchungsausschuss

    Nur zur dienstlichen Verwendung

    18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst/Sprachendienst Seite 20 von 133

    Original Deutsche Übersetzung

    surveillance abroad for the purpose of collecting“foreign intelligence”, and again, this term is de-fined extremely broadly, even more broadly thanit’s defined under Section 702. Essentially itlikely permits surveillance of any foreign per-son.

    der ehemalige Vorsitzende des Senate Intelli-gence Committee einräumte, unterstehen sie kei-ner nennenswerten Kontrolle durch den Kon-gress. EO 12333 bevollmächtigt die Regierungzur Durchführung elektronischer Überwachungs-maßnahmen im Ausland zwecks Sammlung"ausländischer geheimdienstlicher Informatio-nen", und auch hier ist dieser Begriff weit ge-fasst, und zwar sogar noch weiter als nach§ 702. Im Prinzip genehmigt er wahrscheinlichdie Überwachung jeder ausländischen Person.

    In addition, the order and its implementingregulations permit two forms of bulk surveil-lance. First, they permit the government to en-gage in what is sometimes termed “bulk collec-tion”. That is the indiscriminate collection andretention of electronic communications or data.Second, the order and its implementing regula-tions allow what might be called “bulk search-ing”, in which the government has access, on ageneralized basis, to electronic communications,temporarily copies those communications,searches them for “selection terms”, whicharen’t limited to email addresses and phonenumbers, and retains for long-term use any com-munications containing those terms. This is thebulk searching that also happens under Section702 of FISA, but in that context there are greaterlimitations on the nature of the selectors that areused.

    Darüber hinaus erlauben die Executive Orderund ihre Durchführungsverordnungen zwei For-men von massenhafter Überwachung. Erstens er-möglichen sie der Regierung die Praxis der soge-nannten „massenhaften Erfassung“. Hierunterversteht man die willkürliche Erfassung undSpeicherung elektronischer Kommunikationenoder Daten. Zweitens erlauben die ExecutiveOrder und ihre Durchführungsverordnungen dassogenannte „massenhafte Durchsuchen“, beidem die Regierung den allgemeinen Zugang zuelektronischer Kommunikation erhält, dieseKommunikation vorübergehend kopiert, sie nach„Selektionsbegriffen“, zu denen nicht nurE-Mail-Adressen und Telefonnummern gehören,durchsucht und schließlich die Kommunikation,in denen diese Begriffe enthalten sind, langfris-tig speichert. Dies ist die massenhafte Durchsu-chung, die auch nach § 702 des FISA stattfindet,jedoch bestehen in diesem Zusammenhang grö-ßere Beschränkungen hinsichtlich der verwende-ten Selektoren.

    So I’ll now touch on the most significant aspectsof PPD-28 and explain why these reforms are animportant step in the right direction but do notgo nearly far enough.

    Ich komme jetzt also zu den wesentlichen As-pekten der PPD-28 und erkläre, warum dieseReformen ein wichtiger Schritt in die richtigeRichtung sind, aber nicht annähernd weit genuggehen.

    PPD-28 was issued in January 2014 by PresidentObama. It is an executive-branch directive thatarticulates broad principles to govern the collec-tion of signals intelligence, and it imposes cer-tain constraints on the use of electronic commu-nications that were obtained in bulk and the re-tention and dissemination of communications

    Die PPD-28 wurde im Januar 2014 von PräsidentObama erlassen. Es handelt sich dabei um eineDirektive der Exekutive, in der grobgefasste Prin-zipien zur Reglementierung der Datenerfassungim Rahmen von Signalaufklärung formuliertsind. Die Direktive setzt gewisse Grenzen hin-

  • Stenografisches Protokoll 108 I

    1. Untersuchungsausschuss

    Nur zur dienstlichen Verwendung

    18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst/Sprachendienst Seite 21 von 133

    Original Deutsche Übersetzung

    containing personal information of non-U.S. per-sons. The ACLU applauds PPD-28’s recognitionof the privacy interests of non-U.S. persons.However, the directive includes few meaningfulreforms, and these reforms can easily be modi-fied or revoked by the next U.S. President. Atbottom, PPD-28 is designed to accommodate thegovernment’s ongoing bulk surveillance of bothU.S. and non-U.S. persons.

    sichtlich der Verwendung von massenhaft be-schaffter elektronischer Kommunikation und derSpeicherung und Weitergabe von Kommunika-tionen, die personenbezogene Daten ausländi-scher Personen enthält. Die ACLU begrüßt, dassmit der PPD-28 die Datenschutzinteressen vonNicht-US-Personen Anerkennung finden. Jedochenthält die Direktive wenig ernstzunehmendeReformen. Und diese Reformen lassen sich vomnächsten US-Präsidenten nur zu leicht ändernoder zurücknehmen. Unter dem Strich kommtdie PPD-28 der fortlaufenden massenhaftenÜberwachung von sowohl US- Personen als auchNicht-US- Personen durch die Regierung entge-gen.

    The directive provides that when the U.S. col-lects non-publicly available signals intelligencein bulk, it shall use that data only for the pur-poses of detecting and countering six specifiedactivities, which I think Dr. Halperin may dis-cuss in greater detail. One of these activities ispotentially quite broad though, and that’s trans-national criminal threats. These restrictions areobviously a step in the right direction, but theydo not go nearly far enough to constrain the col-lection of U.S. and non-U.S. person data. In es-sence, they effectively ratify the practice of bulk,indiscriminate surveillance for a variety of pur-poses despite the fact that bulk surveillance vio-lates article 17 of the International Covenant onCivil and Political Rights and, separately, thatsuch bulk surveillance is at odds with theCJEU’s opinion in Schrems.

    Die Direktive sieht Folgendes vor: Wenn die USASignalaufklärung zur massenhaften Erfassungnicht öffentlich zu empfangender Daten betrei-ben, dürfen diese Daten ausschließlich zur Auf-deckung und Verhinderung von sechs bestimm-ten Aktivitäten, die Dr. Halperin, glaube ich,noch näher erläutern wird, verwendet werden.Eine dieser Aktivitäten ist allerdings potenziellziemlich weit gefasst, und zwar die Bedrohungdurch grenzüberschreitende Kriminalität. DieseBeschränkungen sind natürlich ein Schritt in dierichtige Richtung; aber sie setzen der Erfassungpersonenbezogener Daten von US-Personen undNicht-US-Personen nicht annähernd ausrei-chende Grenzen. Im Grunde segnen sie die Pra-xis der massenhaften, willkürlichen Überwa-chung für eine ganze Reihe von Zwecken ab, ob-wohl die massenhafte Überwachung gegen Arti-kel 17 des Internationalen Pakts über bürger-liche und politische Rechte verstößt und obwohl,davon abgesehen, eine solche massenhafte Über-wachung der Auffassung des Gerichtshofs derEuropäischen Union im Schrems-Urteil zuwider-läuft.

    Moreover, PPD-28’s limitations on bulk collec-tion do not extend to other problematic types ofmass surveillance including the bulk searchingof Internet communications that I described ear-lier. In other words, these restrictions on use donot apply to data that is held for a short periodof time and searched in bulk, such as the data

    Außerdem erstrecken sich die in der PPD-28 for-mulierten Beschränkungen der massenhaften Er-fassung nicht auf andere problematische For-men der massenhaften Überwachung, ein-schließlich des eingangs beschriebenen massen-haften Durchsuchens von Internetkommunika-

  • Stenografisches Protokoll 108 I

    1. Untersuchungsausschuss

    Nur zur dienstlichen Verwendung

    18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst/Sprachendienst Seite 22 von 133

    Original Deutsche Übersetzung

    that is held and searched in bulk through Up-stream surveillance under Section 702.

    tionen. Mit anderen Worten: Diese Beschränkun-gen bezüglich der Verwendung gelten nicht fürDaten, die nur kurze Zeit gehalten und massen-haft durchsucht werden, wie zum Beispiel die imRahmen der Upstream-Überwachung gemäߧ 702 gehaltenen und massenhaft durchsuchtenDaten.

    PPD-28’s most significant reforms are with re-spect to the retention and dissemination of com-munications containing personal information ofnon-U.S. persons. However, even these reformsdo little to rein in the government’s mass viola-tions of the privacy rights of foreigners. Underthe directive, the government may retain or dis-seminate the personal information of non-U.S.persons only if retention or dissemination ofcomparable information about U.S. personswould be permitted under EO 12333. Critically,however, EO 12333 imposes very few restraintson the government: it authorizes the retentionand dissemination of communications to, from,and about U.S. persons when, just as an exam-ple, those communications contain “foreign in-telligence,” which, again, is defined extremelybroadly. Thus, while the executive branch’s ef-forts to create new protections for non-U.S. per-sons are welcome - and they are certainly longoverdue -, these protections are extremely weak.

    Die wichtigsten in der PPD-28 enthaltenen Refor-men beziehen sich auf die Speicherung undWeitergabe von Kommunikationen, die perso-nenbezogene Daten von Nicht-US-Personen ent-halten. Aber selbst diese Reformen wirken dermassenhaften Verletzung des Rechts auf Pri-vatsphäre ausländischer Bürger durch die Re-gierung kaum entgegen. Der Direktive zufolgedarf die Regierung die personenbezogenen Datenvon Nicht-US-Personen nur dann speichern oderweitergeben, wenn die Speicherung oder Weiter-gabe vergleichbarer Daten über US-Personennach EO 12333 zulässig wäre. Unglücklicher-weise sind die Beschränkungen, die der Regie-rung durch EO 12333 auferlegt werden, jedochsehr gering: Es erlaubt die Speicherung und Wei-tergabe von Kommunikationen an, von und überUS-Personen, wenn, nur als Beispiel, diese Kom-munikation „ausländische geheimdienstliche In-formationen“ enthält, die wiederum einer sehrweitgefassten Definition unterliegen. Insofernsind die Bemühungen, neue Regeln zum Schutzevon Nicht-US-Personen einzuführen zwar begrü-ßenswert - und sie sind sicherlich seit langemüberfällig -, aber der Schutz ist extrem schwach.

    So, in conclusion, I’ll just note that the Snowdendisclosures and subsequent domestic debatesover privacy have resulted in some surveillancereforms in the U.S. However, two of the mostsignificant surveillance authorities, Section 702and EO 12333, remain largely intact.

    Also möchte ich abschließend festhalten, dassdie Snowden-Enthüllungen und anschließendenDebatten über Privatsphäre in den USA zu eini-gen Überwachungsreformen geführt haben. Den-noch bleiben zwei der wichtigsten Rechtsgrund-lagen für Überwachung, § 702 und EO 12333,weitgehend unverändert bestehen.

    I’d like to thank you again for the invitation todiscuss the legal frameworks governing U.S.foreign intelligence surveillance. The ACLUappreciates the committee of inquiry’s attentionto these issues.

    Ich möchte mich nochmals dafür bedanken,dass ich hier heute zu Ihnen über den Rechts-rahmen der geheimdienstlichen Überwachungs-aktivitäten der USA sprechen durfte. Die ACLU

  • Stenografisches Protokoll 108 I

    1. Untersuchungsausschuss

    Nur zur dienstlichen Verwendung

    18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst/Sprachendienst Seite 23 von 133

    Original Deutsche Übersetzung

    weiß zu schätzen, dass der Untersuchungs-ausschuss auf diese Problematik aufmerksammacht.

    Thank you. Vielen Dank.

    Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: HerzlichenDank für Ihre Ausführungen, Mrs. Gorski. - AlsNächsten hätten wir jetzt Herrn Halperin. Siesind ja schon angesprochen worden. Ich darf dasWort direkt weitergeben an Sie für Ihre Einfüh-rungsausführungen. Danke schön.

    Sachverständiger Dr. Morton H. Halperin: I joinmy colleagues in expressing appreciation for theopportunity to testify before this committee.

    Sachverständiger Dr. Morton H. Halperin:Ebenso wie meine Kollegen möchte ich mich beiIhnen ausdrücklich für die Gelegenheit, vor demAusschuss aussagen zu dürfen, bedanken.

    I think what I want to do is to focus my remarkson one aspect of the problem. I agree that the re-forms in the United States since the Snowdenrevelations have been important, and I also agreethat they don’t go anywhere near far enough andthat there is still a great deal to be done, even interms of surveillance of American citizenswithin the United States. But I think, in someways, the most important change that’s takingplace is the recognition in the American govern-ment for the first time that there is an obligation,a commitment, a need to respect the privacy ofprivate citizens of other countries.

    Ich denke, ich werde mich auf einen Aspekt desProblems konzentrieren. Ich bin ebenfalls derMeinung, dass die Reformen, die seit den Snow-den-Enthüllungen in den USA umgesetzt wur-den, wichtig sind. Und ich stimme zu, dass sienicht annähernd weit genug gehen und dass esnoch viel zu tun gibt, und zwar sogar auch inBezug auf die Überwachung amerikanischerStaatsbürger in den USA. Aber ich denke, in ge-wisser Weise besteht die wichtigste der geradestattfindenden Änderungen in der erstmaligenEinsicht der amerikanischen Regierung, dass eseine Pflicht, eine Verpflichtung, eine Notwendig-keit gibt, die Privatsphäre von Bürgern andererLänder zu respektieren.

    We can have a long argument about whether thisis required by existing international legal obliga-tions. We can have an argument about whetherthe American constitution applies or not. But Ithink the important fact is that as a matter ofpolicy the American government has begun adialogue which says: democratic governmentsowe respect to the privacy of private citizens, atleast of other democratic countries. And I thinkthere is a real opportunity, which I think de-pends on the cooperation between the FederalRepublic and the United States, to pick up onthat opening and to make a change, whichwould be a fundamental change, in the way

    Wir können lange darüber streiten, ob dies nichtbereits entsprechend den bestehenden interna-tionalen rechtlichen Vereinbarungen verpflich-tend ist. Wir können darüber streiten, ob dieamerikanische Verfassung anwendbar ist odernicht. Aber ich denke, die wichtigste Tatsacheist, dass die amerikanische Regierung begonnenhat, einen politischen Dialog zu führen, in demdie Verpflichtung demokratischer Regierungenzur Beachtung der Privatsphäre zumindest derBürger anderer demokratischer Länder zur Spra-che kommt. Und ich denke, hier gibt es, wenndie Bundesrepublik und die USA zusammen-

  • Stenografisches Protokoll 108 I

    1. Untersuchungsausschuss

    Nur zur dienstlichen Verwendung

    18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst/Sprachendienst Seite 24 von 133

    Original Deutsche Übersetzung

    democratic governments treat the citizens ofeach other’s countries. And this is - I think it’simportant to emphasize - a reciprocal problem.As this committee, I understand, has begun todiscover, there is not a single country that hasclean hands on this subject. I’m not aware of anydemocratic country that has committed itself inits enacted laws to protect the privacy of citizensof other countries who are not in their own terri-tory. And I think no country has, in my view,adequate laws to protect its own citizens, butnone has any laws - and that’s still the case inthe United States - which provide protection forcitizens of other countries.

    arbeiten, eine echte Gelegenheit, auf diesen ers-ten Schritt aufzubauen und eine Veränderungherbeizuführen, und zwar eine fundamentaleVeränderung in der Art und Weise, wie demo-kratische Regierungen mit den Bürgern der je-weils anderen Länder umgehen. Und das ist -ich denke, dies ist wichtig zu betonen - ein ge-genseitiges Problem. Wie dieser Ausschuss, so-weit ich weiß, bereits herausgefunden hat, gibtes kein einziges Land, das in dieser Hinsichteine weiße Weste hat. Mir ist kein demokrati-sches Land bekannt, das sich selbst gesetzlichverpflichtet hat, die Privatsphäre von Bürgernanderer Länder, die sich nicht auf dem Gebietdieses Staates befinden, zu schützen. Meines Er-achtens hat kein Land adäquate Gesetze zumSchutz der eigenen Bürger, und nicht ein einzi-ges hat - und das gilt auch nach wie vor für dieUSA - ein einziges Gesetz verabschiedet, das dieBürger anderer Länder schützt.

    But I think we now have the agreement in prin-ciple that that is something that democraticcountries need to do. We have the EuropeanCourt suggesting that, at least under Europeanlaw, that is required. And, therefore, I thinkthere is a real opportunity here, which I hopeour two governments will seize, and that is tocome together with other like-minded demo-cratic governments to draft a set of principles,which each country would then agree to takeback and enact into binding legislation, whichwould provide for adequate protection of theprivacy of private citizens of all of our countriesagainst surveillance.

    Aber ich denke, jetzt haben wir im Prinzip dieÜbereinkunft, dass dies etwas ist, das demokra-tische Länder tun müssen. Wir haben den Euro-päischen Gerichtshof, der sagt, dass dies zumin-dest unter europäischem Recht verlangt wird.Und deswegen denke ich, es gibt hier eine echteGelegenheit, von der ich hoffe, dass unsere Re-gierungen sie ergreifen, und zwar indem sie sichmit anderen gleichgesinnten demokratischen Re-gierungen zusammensetzen, um Grundsätze zuformulieren, die von den einzelnen Länderndann in verbindliche nationale Gesetze gegossenwerden, die den Bürgern unser aller Ländereinen adäquaten Schutz ihrer Privatsphäre vorÜberwachung bieten.

    Now, obviously, we need protection - as we’vebeen learning again - from non-democraticgovernments who seem very interested in ourprivate communications, and we need protec-tion from just private citizens of all our coun-tries who engage in illegal surveillance of ourmaterials. But I think those are separate and dif-ferent questions as is the question of whethergovernments should spy on other governmentsand, if so, in what ways and at what levels.

    Nun müssen wir uns natürlich - wie wir gelernthaben - auch vor undemokratischen Regierun-gen schützen, die sich offenbar sehr für unsereprivate Kommunikation interessieren. Und wirmüssen uns vor Privatpersonen in allen unserenLändern schützen, die unser Datenmaterial ille-gal überwachen. Aber ich glaube, das sind von-einander getrennte und eigenständige Fragen,ebenso wie die Frage, ob Regierungen andere Re-gierungen ausspionieren sollten und, falls ja, aufwelche Weise und in welchem Maße.

  • Stenografisches Protokoll 108 I

    1. Untersuchungsausschuss

    Nur zur dienstlichen Verwendung

    18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst/Sprachendienst Seite 25 von 133

    Original Deutsche Übersetzung

    Those are all important, hard questions, but theyare separate from the one that I want to focus on,which is the surveillance by democratic govern-ments of private citizens of other democraticcountries who are not in their own territory.And I think we need to start with the principlethat such surveillance should be subject to legalauthority and should only take place subject toan enactment of laws which are legally bindingand which have the public meaning that theaverage person would think they have. We needto move away from what the United States hasdone in the past and may still be doing now,which is to say that it has a private, secret inter-pretation of what the law means and says,“Don’t worry, we’re following the law”, but thatturns out to mean something very different.

    Dies sind alles wichtige und schwierige Fragen,aber sie sind getrennt von der zu beantworten,auf die ich mich hier konzentrieren möchte. Mirgeht es um die Überwachungsaktivitäten demo-kratischer Staaten gegen private Bürger andererdemokratischer Länder, die sich nicht auf demHoheitsgebiet dieser Staaten befinden. Und ichdenke, wir brauchen zunächst den Grundsatz,dass eine solche Überwachung einer Rechts-grundlage bedarf und verbindlichen Gesetzenunterliegen sollte, deren öffentlicher Wortlautvon Otto Normalverbraucher verstanden wird.Wir müssen von dem wegkommen, was die USAin der Vergangenheit getan haben und vielleichtimmer noch tun, und zwar einer eigenen, gehei-men Auslegung dessen, was in dem Gesetz stehtund was es bedeutet, zu sagen: „Macht euchkeine Sorgen, wir halten uns an das Gesetz“; al-lerdings sieht diese Auslegung dann ganz andersaus.

    So, what I would propose is that our two govern-ments come together and agree that we are goingto develop this protocol, agreement - whateverone would want to call it - which would thenlead to the enactment of binding legislation, andthat we would invite other like-minded demo-cratic countries to join in this process, as I sug-gest in my paper. I think we also need to inviteinto those discussions civil society and busi-nesses that are affected by this process. And thisshould be a multi-stakeholder discussion, whichmay obviously require some private conversa-tions just among governments. But I think mostof this could be discussed and should be dis-cussed in a multi-stakeholder forum. And thenotion would be to agree on a set of principleswhich would then be enacted into law.

    Ich schlage also vor, dass unsere beiden Regie-rungen zusammenkommen und vereinbaren,dass wir ein Protokoll, Abkommen - wie auchimmer man es nennen will - entwickeln, dasdann zur Verabschiedung verbindlicher Gesetzeführt, und dass wir andere gleichgesinnte demo-kratische Länder auffordern, sich diesem Pro-zess anzuschließen, wie ich dies auch in mei-nem schriftlichen Statement vorgeschlagenhabe. Ich denke, wir müssen in diese Diskussionauch den Bürger und jene Unternehmen, die vondiesem Prozess betroffen sind, einbinden. Essollte eine Diskussion mit vielen Akteuren sein,in der selbstverständlich auch einige nichtöf-fentliche Gespräche nur zwischen den Regierun-gen erforderlich sein werden. Doch ich glaube,das meiste könnte und sollte zwischen den zahl-reichen Akteuren gemeinsam besprochen wer-den. Und der Gedanke dahinter wäre die Verein-barung von Grundsätzen, die anschließend innationale Gesetze umgesetzt würden.

    The first principle, as I said, would be that thesepersons - I describe them as “protected persons”in my paper - could only be surveilled subject tolegislation duly enacted into law and binding onthe governments. Second, that the surveillance

    Der erste Grundsatz wäre, wie bereits gesagt,dass diese Personen - ich nenne sie in meinemschriftlichen Statement „geschützte Personen“ -nur unter geltenden, für die jeweiligen Staaten

  • Stenografisches Protokoll 108 I

    1. Untersuchungsausschuss

    Nur zur dienstlichen Verwendung

    18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst/Sprachendienst Seite 26 von 133

    Original Deutsche Übersetzung

    should be limited to specific purposes. There isa set of purposes that has been mentioned in thePPD; it’s not narrow enough. But it is the funda-mental principle that you move away from thenotion that you can conduct surveillance just togather foreign intelligence, where you don’t haveto suspect anybody of anything illegal. TheAmerican view has been that if two German pri-vate citizens are having a conversation, talkingabout what they think Germany might do, that’sforeign intelligence information and can be col-lected. That is still the position of the Americangovernment and - I think - needs to change.There needs to be a set standard including crimi-nal activity, and, obviously, there will be a de-bate about how to make that narrow enough sothat you don’t have a catch-all at the end thaterases the communication.

    verbindlichen Gesetzen überwacht werden dür-fen. Zweitens sollte die Überwachung auf be-stimmte Zwecke beschränkt sein. Die PPD nennteine Reihe von Zwecken. Die sind aber nicht enggenug gefasst. Der eigentliche Grundsatz bestehtjedoch darin, von der Idee wegzukommen, dassman Überwachungen durchführen kann, einfachum ausländische geheimdienstliche Informatio-nen zu beschaffen, wenn es keinerlei Hinweiseauf illegale Aktivitäten gibt. Der amerikanischeStandpunkt ist der, dass, wenn zwei deutschePrivatpersonen sich darüber unterhalten, wasDeutschland ihrer Meinung nach tun wird, diesausländische geheimdienstliche Informationensind und erfasst werden dürfen. Das ist nach wievor die Ansicht der amerikanischen Regierung,und das muss sich - so denke ich - ändern. Esmuss ein Standard festgelegt werden, der krimi-nelle Aktivitäten einschließt. Natürlich wird eseine Debatte darüber geben, wie sich dieser enggenug fassen lässt, sodass nicht ganz am Endeein allumfassendes Kriterium dasteht, das dieAbsicht zunichtemacht.

    We need, as has been suggested, to apply theserules to all forms of collection, not just bulk col-lection, which in the United States is a term ofart, which means when you collect things withno sense at all of what you’re collecting and whoyou’re collecting it from. If you have any kind ofindicators, for example, as far as I can tell, an in-dicator like “all cables from Afghanistan”, thenit’s not bulk collection. And so, these rules haveto apply to all forms of mass collection of datawhether they’re called bulk collection under thecurrent law or not. And there need to be stand-ards not only for the collection of this informa-tion, but for the retention of this information andfor the sharing of this information, includingsharing back to the government of the countrythat the person is a citizen of. And, obviously,there we need to make sure that governmentsdon’t collaborate with each other to get aroundrestrictions in their own laws by simply havingthe other country collect the information.

    Wie bereits vorgeschlagen wurde, müssen wirdiese Regeln auf alle Arten der Erfassung an-wenden, nicht nur die „Bulk Collection“ [un-differenzierte massenhafte Erfassung], die in denUSA ein Kunstbegriff ist, der bedeutet, dass manDinge erfasst, ohne überhaupt eine Ahnung da-von zu haben, was man erfasst und von wem esstammt. Insoweit aber irgendeine Art von Indi-kator vorgegeben ist, sagen wir, ein Indikator wiezum Beispiel „alle Telegramme aus Afghanis-tan“, ist es dann keine Bulk Collection. Alsomüssen diese Regeln auf alle Arten der massen-haften Erfassung von Daten angewendet werden,und zwar unabhängig davon, ob sie nach gelten-dem Recht als „Bulk Collection“ betitelt werdenoder nicht. Und nicht nur für die Erfassung die-ser Daten muss es Standards geben, sondernauch für deren Speicherung und Weitergabe,einschließlich der Weitergabe an die Regierungdes Landes, dessen Bürger die betreffende Per-son ist. Und natürlich müssen wir dabei sicher-stellen, dass Regierungen sich nicht zusammen-tun, um Beschränkungen in ihren eigenen Geset-

  • Stenografisches Protokoll 108 I

    1. Untersuchungsausschuss

    Nur zur dienstlichen Verwendung

    18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst/Sprachendienst Seite 27 von 133

    Original Deutsche Übersetzung

    zen zu umgehen, indem sie die gewünschten Da-ten einfach von dem jeweils anderen Land erfas-sen lassen.

    Now there are obviously going to be difficultiesin determining whether the person being sur-veilled is a protected person, the informationbeing gathered is from a protected person. Ithink the starting point should be the assump-tion that if you collect information about a per-son, that is information from a protected personunless you have a reasonable basis to know thatthe person is not a protected person, becausethey’re a citizen of a country that’s outside thescope of the agreement or because they’re agovernment official. And only then should yoube able to proceed under different procedures.

    Nun wird es natürlich nicht immer leicht sein,festzustellen, ob die überwachte Person eine ge-schützte Person ist, die erfassten Daten voneiner geschützten Person stammen. Ich denkeder Ausgangspunkt sollte die Annahme sein,dass, wenn man Daten über eine Person sam-melt, dies die Daten von einer geschützten Per-son sind, es sei denn, man verfügt über hinrei-chendes Wissen, dass die Person keine ge-schützte Person ist, etwa weil sie Bürger einesLandes ist, das nicht der Vereinbarung unter-liegt, oder weil sie Staatsbediensteter ist. Undnur dann sollte eine andere Verfahrensweise zu-lässig sein.

    There needs to be a commitment from eachcountry to provide for effective oversight, andthat will differ from country to country. Somecountries have effective ombudsmen; the UnitedStates does not. But there needs to be effectiveadministrative oversight, legislative oversight,and the possibility, as has already been sug-gested, of judicial oversight, so that the courtsreview the surveillance in advance, but also thatthere’s a clear opportunity for people to chal-lenge it and there is some procedure for chal-lenging the legality of the surveillance andwhether it’s consistent with the agreed pro-cesses.

    Es muss eine Verpflichtung jedes Landes geben,eine effiziente Kontrolle zu schaffen, und diewird von Land zu Land unterschiedlich sein.Einige Länder haben effiziente Ombudsstellen.Die USA haben dies nicht. Doch es muss einewirksame behördliche Kontrolle geben, ebensowie eine Kontrolle vonseiten des Gesetzgebersund, wie bereits angeregt wurde, die Möglichkeiteiner gerichtlichen Kontrolle, in deren Rahmendie Gerichte die Überwachung im Voraus prüfenkönnen, es aber auch eine klare Möglichkeit fürdie Bürger gibt, sich gegen die Überwachung zurWehr zu setzen, sowie ein Verfahren, in dem dieRechtmäßigkeit einer Überwachung und ihreÜbereinstimmung mit der vereinbarten Vorge-hensweise angefochten werden kann.

    I think this process, if it went forward, wouldforce all of our governments to think hard aboutwhat kinds of restrictions they want to put onand are willing to put on their own collection,with the added, for the first time, bonus that itwould be protecting their own citizens from thesurveillance of other countries, because theywould be subject to the same limitations. Thiswill not solve all of the problems, and it willonly be useful and effective if at the same timewe put more restrictions on our own citizens.

    Ich denke, dieser Prozess würde, wenn es damitvorangeht, alle unsere Regierungen zwingen,sich genau zu überlegen, wie sie die Überwa-chung beschränken wollen und welche Be-schränkungen sie ihren eigenen Erfassungsakti-vitäten auferlegen wollen - und dies erstmals mitdem zusätzlichen Vorteil, dass es ihre eigenenBürger gegen die Überwachung durch andereLänder schützt, weil diese denselben Beschrän-kungen unterliegen wü