Nur zur dienstlichen Verwendung -...

193
Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1. Untersuchungsausschuss nach Artikel 44 des Grundgesetzes Nur zur dienstlichen Verwendung 18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 1 von 193 Stenografisches Protokoll der 130. Sitzung - endgültige Fassung* - 1. Untersuchungsausschuss Berlin, den 13. Februar 2017, 11.30 Uhr Paul-Löbe-Haus, Europasaal (4.900) 10557 Berlin, Konrad-Adenauer-Str. 1 Vorsitz: Prof. Dr. Patrick Sensburg, MdB Tagesordnung - Öffentliche Beweisaufnahme Tagesordnungspunkt Zeugenvernehmung Seite - Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche, BK 4 (Beweisbeschluss Z-12) - Bundesminister Peter Altmaier, MdB 88 (Beweisbeschluss Z-16) - Staatssekretär Steffen Seibert, Regierungssprecher 170 (Beweisbeschluss Z-140) _________ * Hinweis: Die Zeugen Fritsche, Altmaier und Seibert haben keine Korrekturwünsche übermittelt.

Transcript of Nur zur dienstlichen Verwendung -...

Page 1: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

18. Wahlperiode

1. Untersuchungsausschuss

nach Artikel 44 des Grundgesetzes

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 1 von 193

Stenografisches Protokollder 130. Sitzung- endgültige Fassung* -

1. UntersuchungsausschussBerlin, den 13. Februar 2017, 11.30 UhrPaul-Löbe-Haus, Europasaal (4.900)10557 Berlin, Konrad-Adenauer-Str. 1

Vorsitz: Prof. Dr. Patrick Sensburg, MdB

Tagesordnung - Öffentliche Beweisaufnahme

Tagesordnungspunkt

Zeugenvernehmung Seite

- Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche, BK 4(Beweisbeschluss Z-12)

- Bundesminister Peter Altmaier, MdB 88(Beweisbeschluss Z-16)

- Staatssekretär Steffen Seibert, Regierungssprecher 170(Beweisbeschluss Z-140)

_________* Hinweis:Die Zeugen Fritsche, Altmaier und Seibert haben keine Korrekturwünsche übermittelt.

Page 2: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

18. Wahlperiode

1. Untersuchungsausschuss

nach Artikel 44 des Grundgesetzes

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 2 von 193

Mitglieder des Ausschusses

Ordentliche Mitglieder Stellvertretende Mitglieder

CDU/CSU Schipanski, Tankred

Sensburg, Dr. Patrick

Warken, Nina

Marschall, Matern von

Ostermann, Dr. Tim

Wendt, Marian

SPD Flisek, Christian

Mittag, Susanne

Zimmermann, Dr. Jens

DIE LINKE. Renner, Martina Hahn, Dr. André

BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN

Notz, Dr. Konstantin von Ströbele, Hans-Christian

Fraktionsmitarbeiter

CDU/CSU Feser, Dr. Andreas

Allers, Fried-Heye

Fischer, Sebastian D.

Puglisi, Livia

Schrot, Jacob

Wehrl, Dr. Wolfgang

SPD Ahlefeldt, Johannes von

Heyer, Christian

Dähne, Dr. Harald

Issel, Jana

Linden, Alexander

Weiß, Benjamin

DIE LINKE. Halbroth, Anneke

Martin, Stephan

BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN

Kant, Martina

Hortolani, Johanna

Leopold, Nils

Pohl, Jörn

Mellentin, Johanna

Baumann, Sophie

Page 3: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

18. Wahlperiode

1. Untersuchungsausschuss

nach Artikel 44 des Grundgesetzes

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 3 von 193

Bundeskanzleramt Heinemann, Martin

Jipp, Daniel

Kämmerer, Marie

Maas, Carsten

Metscher, Andreas

Neist, Dennis

Pachabeyan, Maria

Wolff, Philipp

Bundesministerium des Innern Beyer-Pollok, Markus

Brandt, Dr. Karsten

Darge, Dr. Tobias

Hofmann, Christian

Kiehn, Eva

Matthes, Thomas

Hecheltjen, Dr. Martin

Bundesministerium der Justiz und für

Verbraucherschutz

Unterlöhner, Dr. Ulrike

Bundesministerium für Wirtschaft und

Energie

Krüger, Philipp-Lennart

Bundesministerium für Verteidigung Theis, Björn

Rauch Rüdiger

Voigt, Björn

Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz

und die Informationsfreiheit

Kremer, Dr. Bernd

Löwnau, Gabriele

Auswärtiges Amt Müller-Bernd, Kai Stephen

Page 4: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 4 von 193

(Beginn: 11.43 Uhr)

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Meine sehrgeehrten Damen und Herren, ich eröffne die130. Sitzung des 1. Untersuchungsausschussesder 18. Wahlperiode. Ich stelle fest: Die Öffent-lichkeit ist hergestellt und ist in großer Zahl auchim Sitzungssaal. Ich begrüße Sie alle ganz herz-lich. Genauso begrüße ich unseren heutigen Zeu-gen - nicht zum ersten Mal bei uns -, HerrnKlaus-Dieter Fritsche. Ich darf Sie herzlich begrü-ßen und freue mich, dass Sie da sind.

Bevor ich zum eigentlichen Gegenstand der heu-tigen Sitzung komme, gestatten Sie mir die denmeisten bekannten Vormerkungen.

Ton- und Bildaufnahmen sind während der öf-fentlichen Beweisaufnahmesitzung nicht zuläs-sig. Ein Verstoß gegen dieses Gebot kann nachdem Hausrecht des Bundestages nicht nur zu ei-nem dauernden Ausschluss von den Sitzungendes Ausschusses sowie des ganzen Hauses füh-ren, sondern gegebenenfalls auch strafrechtlicheKonsequenzen nach sich ziehen.

Ich rufe den einzigen Punkt der Tagesordnungauf:

Zeugenvernehmung

StaatssekretärKlaus-Dieter Fritsche, BK(Beweisbeschluss Z-12)

BundesministerPeter Altmaier, MdB(Beweisbeschluss Z-16)

StaatssekretärSteffen Seibert,Regierungssprecher(Beweisbeschluss Z-140)

Die Beweisbeschlüsse Z-12 und Z-16 stammenvom 08.05.2014; der Beweisbeschluss Z-140 istvom 13.02.2017. Es wird Beweis erhoben zumUntersuchungsauftrag - Bundestagsdrucksachen18/843 und 18/8683 - durch Vernehmung derZeugen Klaus-Dieter Fritsche, Staatssekretär imBundeskanzleramt, und Herrn Peter Altmaier,

Bundesminister und Chef des Bundeskanzlera-mtes, und des dritten Zeugen - so hat es die Bera-tungssitzung gerade ergeben -, Steffen Seibert,Regierungssprecher.

Zunächst werden die Zeugen Herr Fritsche undHerr Altmaier öffentlich vernommen. Im An-schluss findet die nichtöffentliche Vernehmungder Zeugen statt. Anschließend wird der ZeugeSeibert öffentlich vernommen. Sollte sich darausdann noch eine nichtöffentliche Sitzung erge-ben - was ich eigentlich nicht glaube bei einemRegierungssprecher -, dann wäre diese noch da-nach anzuberaumen; aber es ist wohl davon aus-zugehen, dass da eine öffentliche Sitzung ausrei-chend ist.

Vernehmung des ZeugenKlaus-Dieter Fritsche

Nochmals begrüße ich ganz herzlich unserenheutigen Zeugen, Herrn Klaus-Dieter Fritsche.Ich stelle fest, dass der Zeuge ordnungsgemäß ge-laden ist. Herr Fritsche, Sie haben den Erhalt derLadung am 14. Dezember 2016 bestätigt. Herzli-chen Dank, dass Sie meiner Einladung gefolgtsind und dem Ausschuss für Fragen zur Verfü-gung stehen.

Herr Fritsche, Sie wurden ja bereits am 18. Juni2015 vor dem Ausschuss vernommen; also wer-den Ihnen die nachfolgenden Hinweise und Be-lehrungen bekannt sein. Ich möchte sie abertrotzdem in dieser Sitzung noch einmal machen.

Ich habe Sie darauf hinzuweisen, dass die Bun-destagsverwaltung auch heute eine Tonbandauf-nahme fertigt. Die Tonbandaufnahme dient aus-schließlich dem Zweck, die stenografische Auf-zeichnung der Sitzung zu erleichtern. Die Ton-bandaufnahme wird nach Erstellung des steno-grafischen Protokolls dann auch gelöscht.

Das Protokoll dieser Vernehmung wird Ihnennach Fertigstellung zugestellt. Sie haben dann,falls dies gewünscht ist, zwei Wochen Zeit, etwa-ige Korrekturen oder Richtigstellungen vorzuneh-men und uns das Protokoll wieder zurückzusen-den.

Page 5: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 5 von 193

Herr Fritsche, vor Ihrer Vernehmung habe ich Siezunächst zu belehren. - Ich hoffe, Sie hören allesgut, weil ich etwas heiser bin. Ich hoffe, eskommt alles rüber; wenn nicht, bitte melden Siesich. - Sie sind als Zeuge geladen worden. AlsZeuge sind Sie verpflichtet, die Wahrheit zu sa-gen. Ihre Aussagen müssen richtig und vollstän-dig sein. Sie dürfen nichts weglassen, was zur Sa-che gehört, und nichts hinzufügen, was derWahrheit widerspricht.

Ich habe Sie außerdem auf die möglichen straf-rechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen dieWahrheitspflicht hinzuweisen. Wer vor dem Un-tersuchungsausschuss uneidlich falsch aussagt,kann gemäß § 162 in Verbindung mit § 153 desStrafgesetzbuches mit Freiheitsstrafen von dreiMonaten bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafebestraft werden.

Nach § 22 Absatz 2 des Untersuchungsausschuss-gesetzes können Sie die Auskunft auf solche Fra-gen verweigern, deren Beantwortung Sie selbst o-der Angehörige im Sinne des § 52 Absatz 1 derStrafprozessordnung der Gefahr aussetzen würde,einer Untersuchung nach einem gesetzlich geord-neten Verfahren ausgesetzt zu werden. Dies be-trifft neben Verfahren wegen einer Straftat oderOrdnungswidrigkeit auch Disziplinarverfahren.

Sollten Teile Ihrer Aussage aus Gründen desSchutzes von Dienst-, Privat- oder Geschäftsge-heimnissen nur in einer nichtöffentlichen odereingestuften Sitzung möglich sein, bitte ich Sieum einen Hinweis, damit der Ausschuss dann ei-nen Beschluss nach § 14 bzw. § 15 des Untersu-chungsausschussgesetzes fassen kann und danndie Sitzung in nichtöffentlicher bzw. eingestufterSitzung fortführen kann und Ihnen dann die ent-sprechenden Fragen stellen kann. - Haben Siehierzu Fragen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein, Herr Vorsit-zender.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dankeschön. - Nach diesen notwendigen Vorbemerkun-gen darf ich Ihnen den geplanten Ablauf kurzdarstellen - da hat sich auch nichts geändert imVergleich zur letzten Befragung -: Eingangs habe

ich Sie zur Person zu befragen; auch da wird sichnichts geändert haben, vermute ich. Zu Beginnder Vernehmung zur Sache haben Sie gemäß § 24Absatz 4 des Untersuchungsausschussgesetzesauch heute die Gelegenheit, zum Beweisthemaim Zusammenhang vorzutragen, also ein soge-nanntes Eingangsstatement abzugeben. Danachwerde ich Sie befragen. Anschließend erhaltendie Mitglieder des Ausschusses das Wort für ihreFragen. Dies geschieht nach dem Stärkeverhältnisder Fraktionen, immer eine Fraktion nach der an-deren.

Ich darf Sie dann nun bitten, zu Beginn IhrerAusführungen sich dem Ausschuss mit Namen,Alter, Beruf und einer ladungsfähigen Anschriftvorzustellen.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, vielen Dank,Herr Vorsitzender. - Klaus-Dieter Fritsche. Es hatsich doch etwas geändert: 63 statt 62 bei der letz-ten Einvernahme. Und Adresse: Willy-Brandt-Straße 1, Bundeskanzleramt, und ich bin dortStaatssekretär.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ganz herzli-chen Dank. - Dann frage ich Sie, wie ich es ge-rade angesprochen habe: Möchten Sie davon Ge-brauch machen, auch heute ein Eingangsstate-ment abzugeben?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein, Herr Vorsit-zender. Ich warte auf Ihre Fragen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ganz herzli-chen Dank. - Dann würde ich mit Fragen begin-nen. Und ich möchte Sie zuerst zu dem ThemaSelektoren befragen. Wann ist Ihnen zum erstenMal der Begriff „Selektor“ oder „Suchbegriff“ be-kannt geworden, dass der Bundesnachrichten-dienst solche einsetzt?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, ich kann michnoch gut erinnern. Das war Freitag, der 13. Märzim Jahre 2015. Ich war auf einer Auslandsdienst-reise und bin telefonisch gebeten worden, nachder Beendigung der Dienstreise ins Kanzleramtzu kommen, dort zu einer Besprechung. Die ha-ben wir dann durchgeführt. Da ging es vor allem

Page 6: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 6 von 193

darum, dass vor dem Hintergrund eines Beweis-beschlusses dieses Ausschusses der Bundesnach-richtendienst nach meiner Kenntnis zum erstenMal Daten, die sich bisher in den automatisiertenDateien- und Vorgangssystemen des BND befan-den, ausgedruckt hat, Listen ausgedruckt hat, diesich mit diesen Selektoren beschäftigen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Können Siedas Datum noch mal sagen? Das Jahr habe ichnicht genau gehört.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das war Freitag, der13. März 2015.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: 15. - Und da-vor, Begrifflichkeit „Suchbegriffe/Selektoren“war nie ein Thema?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Es war nicht einThema, mit dem wir uns in der Fach- und Dienst-aufsicht intensiv beschäftigt haben.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wussten Siedenn in Ihrer Funktion, dass es so etwas grund-sätzlich gibt?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Grundsätzlich warmir natürlich bekannt - auch vor dem Hinter-grund von anderen Operationen, die es mit Part-nern gab -, dass es solche Suchbegriffe gibt. Aber,wie gesagt, in der Ausführlichkeit bisher, bis zum13. März 15, nicht.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Gab es damal irgendwann Unterrichtungen, Papiere ausganz anderen Anlässen, was es mit den Such-begriffen auf sich hat, wie der BND Suchbegriffeverwendet, dass man da vielleicht mehr Speicherbraucht, weil die Zahl der Suchbegriffe hochwird, wie diese Verfahren laufen? Hat da mal ir-gendwer - - Man berichtet ja zu allen möglichenSachen. Wenn nichts gerade Aktuelles aufpoppt,dann hat man ja schon eine Situation, dass mansagt: Da berichten wir mal der Dienst- und Fach-aufsicht. - Gab es irgendwann mal so eine ArtUnterrichtung oder eine Erklärung, was der BNDmit Suchbegriffen macht?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, nach meinerErinnerung gab es das nicht. Wir haben vor demHintergrund der Umstellung von reiner Telefo-nie, von reinem Telefonieverkehr, auch hin zuden internetvermittelten Paketverkehren natür-lich über die Problematiken ganz allgemein auchin der Vergangenheit gesprochen, soweit es umdie Frage von Spams ging. Das hatte ich in derletzten Sitzung hier an der Stelle auch schon malerläutert. Und es hat eine Problematik gegeben,die ich auch in der letzten Sitzung hier schon er-läutert habe, nämlich was mit dem Schutz derG-10-Berechtigten ist. Das hat es in derVergangenheit gegeben, diese Diskussion.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: „In der Ver-gangenheit“ heißt dann, wann?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also vor dem13.03.2015. Das war in der Zeit, in der ich Abtei-lungsleiter 6 im Bundeskanzleramt war, alsocirca 2008/2009.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wie war dieDiskussion dann 2008/2009 bezogen auf Selek-toren, die G-10-relevant sind? Also, ich probiereherauszufinden: Wie war dieses Thema „Such-begriffe/Selektoren“ eingeordnet?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das war vor allemin die Problematik „Wie schütze ich Artikel-10-Berechtigte?“ eingeordnet. Hier hat es Gesprächegegeben vor dem Hintergrund einer konkretenOperation, die mit einem Partner durchgeführtworden ist, wie wir den G-10-Schutz auch in derRoutine erhalten können. Bei dieser Diskussionhat es auch Gespräche mit dem Partner gegebendarüber, wie man den einhalten kann. Das hat imÜbrigen dazu geführt - das dürfte dem Ausschusshier auch bekannt sein -, dass letztlich diese Ope-ration dann eingestellt worden ist.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wenn ich dasrichtig beurteile: Im Bereich SIGINT Anfang der2000er-Jahre, egal welches Tool man nutzt, alsoob das XKeyscore ist oder was auch immer, istdas Thema der richtigen Suchbegriffe, glaube ich,das entscheidende, weil, wenn man die nichthinreichend auswählt, nicht hinreichend ein-setzt, kommt nicht das dabei raus, was man gerne

Page 7: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 7 von 193

möchte. Also ist das Thema der Suchbegriffe,glaube ich, ein sehr entscheidendes für die Effi-zienz und Effektivität der Arbeit des BND. Wiewürden Sie dann den Blick auf die Dienst- undFachaufsicht werfen? Wäre es da im Umkehr-schluss nicht auch sinnvoll, dass die Dienst- undFachaufsicht speziell dieses so relevante Themaauch in den Blick nimmt und hinterfragt: „Wiekönnen wir den BND einerseits unterstützen,dass das gut läuft?“, aber auf der anderen Seite:„Wie können wir auch gewährleisten, dass wirdie Dienst- und Fachaufsicht hinreichend gutausüben können in einem so komplexen Feld?“?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, in der Zeit, alsich im Dezember 2005 Abteilungsleiter 6 imKanzleramt geworden bin, haben wir damalsnicht nur im Hinblick darauf, dass wir die Fach-und Dienstaufsicht auch durch mehr Personal inder Abteilung hinsichtlich des Bundesnachrich-tendienstes abdecken, auch darüber geredet, dasswir den verschiedenen Abteilungen des Bundes-nachrichtendienstes sogenannte Jours fixes an-bieten. Und in diesen Jours fixes sollen die The-men, die entweder von uns aufgegriffen werdenoder die von dem Dienst aufgegriffen werden, be-sprochen werden.

Die Jours fixes laufen in der Regel so ab, dassman in regelmäßigen Abständen sich trifft unddass der Bundesnachrichtendienst Probleme - ge-hen wir jetzt mal auf die Abteilung TA -, die erhat, oder Anforderungen, zum Beispiel dass dasBundeskanzleramt entsprechende rechtliche Än-derungen beim Gesetzgeber zu veranlassen hat - -dass die dort besprochen werden. In diesen Joursfixes, die auf Arbeitsebene in der Abteilung 6 imKanzleramt auf der einen Seite und bei den Mit-arbeitern der TA und des Leitungsstabes desBundesnachrichtendienstes stattgefunden haben,sind Problematiken, die sich mit den Selektorenbeschäftigen, nämlich die Frage, dass es Schwie-rigkeiten gibt mit den Selektoren, dass man dieAuffassung der TA durch die Selektoren - - inirgendeiner Weise behindert ist. Solche Fragensind dort nicht behandelt worden.

Und ganz allgemein zur Fach- und Dienstaufsichtkann ich Ihnen sagen, Herr Vorsitzender, dass es

natürlich nicht so ist, dass Fach- und Dienstauf-sicht quasi eine Hundertprozentkontrolle desBundesnachrichtendienstes ist - dazu bräuchteich dann hinter jedem Mitarbeiter einen weiterenMitarbeiter der Fach- und Dienstaufsicht -, son-dern ich muss natürlich in einem vertrauensvol-len Verhältnis mit dem Bundesnachrichtendienstund wenn ich von außen oder von anderer Seiteetwas erfahre, dem Ganzen nachgehen. In denDiskussionen, die wir damals geführt haben, hatdie G-10-Problematik eine Rolle gespielt und dieProblematik, soweit ich mich erinnere, der Spam;denn die Spamfilter des BND haben damals nochnicht so gewirkt, dass die Spams ausgefiltertwerden konnten.

Das ist das, woran ich mich erinnern kann im Zu-sammenhang der Diskussionen mit Selektoren.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wer wardenn in der Abteilung 6 damals der Selektoren-experte oder Suchbegriffexperte?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, ich glaubenicht, dass man in einer Fach- und Dienstauf-sicht unbedingt für alles, was in den technischenBereichen ist, Experten braucht. Das zuständigeReferat kann ich Ihnen jetzt, weil es auch eineNeuorganisation in der Abteilung 6 gegeben hat,die ja in der letzten Legislaturperiode wieder ein-zügig geworden ist und deren Einzügigkeit jetztauch noch besteht - - Wir haben eine andereOrganisationsform mit dem Stab, der beim Staats-sekretär angesiedelt ist. Also, das genaue Referatkann ich Ihnen aus der Erinnerung jetzt nicht sa-gen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Aber erin-nern Sie sich, dass es da irgendwo in irgendei-nem Referat welche gab, denen man zutrauenkonnte: „Die wissen, was Selektoren sind, unddie können die auch mal prüfen, wenn man malsagt: ,Wir wollen uns mit den Kollegen vom BNDmal was anschauen‘“, dass die auch wussten, wo-von die Rede ist?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, dazu müssen wiraber erst darauf hingewiesen werden, dass es un-ter Umständen bei der Selektorenfrage ein Pro-

Page 8: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 8 von 193

blem gibt. Dann wird die Fach- und Dienstauf-sicht sich darum kümmern, und dann ist dieFolge, dass man unter Umständen sieht, dass dasProblem rein technischer Art ist, wir uns alsotechnische Expertise holen müssen letztlich dannauf Dauer auch für die Fach- und Dienstaufsicht,was in der letzten Zeit in dieser Legislatur-periode vor dem Hintergrund der aktuellen Er-eignisse auch geschehen ist.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ja, richtig.Ich verstehe Dienst- und Fachaufsicht weitest-gehend auch so. Andererseits, glaube ich, gehörtzur Dienst- und Fachaufsicht - so habe ich es zu-mindest im öffentlichen Dienst immer kennenge-lernt - auch eine gewisse Kontrolle von sich aus.Das kenne ich so bei der Bundeswehr - und derBND ist ja nun sehr stark bundeswehrmitge-prägt -, dass man als Vorgesetzter auch malhinschaut, auch mal hingeht und guckt: „WerdenBefehle dementsprechend ausgeführt?“, dass manmal eine Kontrolle durchführt. Und da frage ichmich: Bei einem so relevanten Bereich - deswe-gen hatte ich die Fragen am Anfang gestellt -, derja auch wichtig ist für den BND - man wollte jaauch Anfang der 2000er besser werden im Be-reich SIGINT, und man setzte Suchbegriffe einund eben nicht nur fünf, die alle im Grundekannten, sondern ein paar mehr als fünf -, dahätte ich schon erwartet - und vielleicht ist es jaauch so -, dass man mal sagt: Da haben wir zwei,drei, die können mit dem BND auf einer fachli-chen Ebene kommunizieren.

Das Gleiche ist ja im Bereich Nachrichtenwesen.Also, wenn Sie da einen Techniker haben, derkann uns hier allen wahrscheinlich irgendwas er-zählen, wie ein Kabel funktioniert und weißnicht was, und da müssen Sie irgendwo einenhaben, der sich damit auskennt. Also, wir habenim Ausschusssekretariat am Anfang, als dieserAusschuss eingesetzt wurde, mal überlegt, ob wirnicht einen haben müssen, der in Nachrichten-technik eine Ausbildung hat und sich technischauskennt und die Expertise hat. Und da könnenwir ja auch sagen: Na ja, wenn man es uns nichterzählt, weiß man es nicht. Aber hat man da ir-gendwie in der Dienst- und Fachaufsicht quasiparallel zur Weiterentwicklung des BND sichauch weiterentwickelt? Weil der BND hat sich ja

weiterentwickelt, und das ist auch gut so gewe-sen.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, die Diskus-sion, habe ich ja einleitend gesagt, hat stattgefun-den zu den Punkten, die ich einleitend gesagthabe. Und wir haben auch vor dem Hintergrundeiner Ausweitung des Personals in der Abtei-lung 6 damals uns auch intensiver mit den ein-zelnen Abteilungen beschäftigt. Aber nochmals:Fach- und Dienstaufsicht heißt natürlich nichtgrundsätzliches Misstrauen. Und erklären Sie mirmal - - Im Zusammenhang mit Besuchen von derGeheim tagenden G 10-Kommission sind unteranderem auch die Routinevorgänge - so nennt derBND das ja in dem Bereich - neben den G-10-Vor-gängen auch vorgestellt worden. Dazu hat es Vor-besprechungen gegeben. In diesen Besprechun-gen, in all diesen Besprechungen hat es nie denHinweis gegeben, dass es hier problematischeSelektoren geben könnte.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ich will auchnoch gar nicht so darauf hinaus, ob es da Pro-bleme gab. Vielleicht sind die Probleme ja garnicht so groß; ich weiß das - - Da bin ich noch garnicht. Mir geht es nur darum, dass man auf einerAugenhöhe kommuniziert. Der BND machte An-fang der 2000er einen großen Fortschritt im Be-reich SIGINT. Das ist gewünscht gewesen, das istauch vom Bundeskanzleramt so gewollt gewesen,vom BND so gewollt gewesen und, ich denke,auch vom Parlament so gewollt gewesen, weilman kann da nicht blind sein: Die Welt ist nunmal digital. Das hat man mit den Amerikanernund anderen Freunden gemacht - auch gut.

Aber gleichzeitig, wie der BND seine Kompetenzin großen Schritten aufgrund der Kooperation er-weitert hat, finde ich, muss man, alleine um mit-einander kommunizieren zu können, auch im Be-reich der Dienst- und Fachaufsicht - und da istman ja auch irgendwo Vorgesetzter -, sagen wirmal, zumindest vom Know-how etwas nachzie-hen; sonst weiß man ja gar nicht, wovon dieüberhaupt reden. Und der Teil, der fehlt mirnoch ein bisschen, wo man im Kanzleramt gesagthat - und das kann ja auf Referatsebene sein; icherwarte nicht, dass man da die ganze Abteilung 6dahin gehend ausrichtet - - Aber dass da mal

Page 9: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 9 von 193

zwei, drei, vier Leute sitzen, die sagen: Wir ver-stehen, was - ich sage es jetzt mal flapsig - diemodernen SIGINT-Nerds im BND uns erzählen. -Weil, wenn man das gar nicht weiß, dann weißman vielleicht gar nicht, dass es nicht nur Han-dynummern und E-Mail-Adressen bei Selektorengibt, sondern ganz komplizierte Sachen, die manvielleicht auf den ersten Blick nicht erkennt, obdie G-10-relevant sind. Dann hat man die Sensi-bilität vielleicht gar nicht. Und da ist einfach nurmeine Frage, weil wir ja auch schauen, wie kannman besser werden, ob es da im Kanzleramt dem-entsprechend ein Nachziehen gegeben hat, wieder BND sein Know-how erweitert hat, was ichpersönlich für richtig finde. Aber da hätte ich mirauch gewünscht, dass man sich im Bereich derDienst- und Fachaufsicht, wenn man das schonwill, dass der BND das macht, dementsprechendkompetent macht - - dass man die Dienst- undFachaufsicht auch so ausüben kann, wenn sichda einer mal meldet, dass man es auch versteht.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, ich habe ja ge-sagt, dass die Abteilung damals auch personellverstärkt worden ist, und da ist natürlich - - hatauch eine Rolle gespielt - und ich kann mich andie letzte Sitzung in diesem Gremium hier erin-nern -, dass in der Fach- und Dienstaufsicht dasKnow-how natürlich auch aus dem Bundesnach-richtendienst selbst kommt - was ich übrigens fürabsolut zulässig und notwendig halte gerade vordem Hintergrund der Beschreibungen, die Siejetzt durchgeführt haben. Und es gab in der Ab-teilung und es gibt heute in der Abteilung Leute,die wissen, was die Abteilung TA macht und diehier entsprechend Kompetenz haben. Aber nochmal: Fach- und Dienstaufsicht: Wenn es keinAufzeigen der Problematik gibt, dann hat sich na-türlich die Fach- und Dienstaufsicht nur mit dergenerellen Problematik auseinanderzusetzen, wieSie es ja richtig beschrieben haben, nämlich dasswir neue Dienste haben und dass wir paket-vermittelte Verkehre haben, dass der BND, wenner das Ausland für die Bundesrepublik Deutsch-land aufklären will, hier auch Kompetenzbraucht. Und es hat auch eine Diskussion geradein dieser Zeit, als ich als Abteilungsleiter imKanzleramt war, gegeben; die hat sich aber kon-zentriert auf die Probleme, die der BND uns be-nannt hat. Und die Probleme waren damals die

Frage der Spams auf der einen Seite und dieFrage „Wie kann ich in Kooperationen und wiekann ich als BND den G-10-Schutz“ - und das istdas, was uns am meisten damals beschäftigt hat -„gewährleisten?“

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay, so weitverstanden. - Jetzt sagen Sie, ein Problem kommtdadurch zustande, dass aus dem BND, der Abtei-lung 6, wo auch immer, von wem zu wem, derEinsatz von bestimmten Selektoren nicht gemel-det worden ist oder nicht hinreichend klar ge-meldet worden ist. Denn wenn man nicht weiß,dass was schiefläuft, kann die Dienst- und Fach-aufsicht nicht ansetzen. Habe ich das richtig ver-standen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: So ist es.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wer hat denndann das verbockt?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das hat ja wohl dieBeweisaufnahme dieses Untersuchungsausschus-ses bisher auch so weit ergeben - es war auch Ge-spräch meiner letzten Einvernahme hier -, dass eshier wohl eine Kultur gab, dass man vor demHintergrund des sogenannten Auftragsprofils derBundesregierung eben Selektoren in der eigenenAuswertung eingesetzt hat, die man für richtighielt, und dass man, was die Zusammenarbeitmit dem Partner angeht, hier eben vieles nicht le-sen oder nicht deuten konnte, was eingesteuertworden ist.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. Jetztnoch mal genau: Wer hat es also verbockt?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, so sehe ich es,dass es der Bundesnachrichtendienst nicht kri-tisch genug betrachtet hat.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. Undwer da?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nach dem, was mirbisher bekannt ist - und Sie wissen ja auch, dassFach- und Dienstaufsicht auch während des lau-fenden Untersuchungsausschusses ja weiterge-gangen ist, auch weitergehen musste -, war es

Page 10: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 10 von 193

wohl offensichtlich so, dass auch die Amtslei-tung des Bundesnachrichtendienstes, was jetztdie Selektoren in dem einen Projekt mit demPartner angeht, nicht unterrichtet war über dieProblematiken, und das betrifft wohl auch die ei-gene Steuerung des Bundesnachrichtendienstes.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ja, das ist beiuns auch bisher so angekommen. Da bleibt nurnoch der Abteilungsleiter TA, wenn ich es dannrichtig sehe.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Wenn ich das rich-tig sehe, nicht nur der Abteilungsleiter TA, son-dern es ist ja teilweise der Informationsfluss,nach dem, was mir bisher bekannt ist, auch nichtmal bis zum Abteilungsleiter in generellen Fra-gen gegangen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Also bis zumUnterabteilungsleiter.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: So ist es. Und teil-weise in den Außenstellen sind eben auch Se-lektoren generiert worden, die dann mit nieman-dem besprochen wurden.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Sie sagten ge-rade, die Dienst- und Fachaufsicht lief ja weiter.Klar, wäre ja auch schlimm, wenn die jetzt ausge-setzt wäre. Da würde ich ja sagen, da muss manmal alles ab Unterabteilung durcheinanderrüt-teln, dass so was nicht mehr passiert. Ist dadurcheinandergerüttelt worden? Oder mal andersgesagt: Hat man im Wege der Dienst- und Fach-aufsicht da eine Umstrukturierung angeordnet,oder hat man dem BND-Präsident gesagt: „Dumusst umstrukturieren“? Oder was ist da alsKonsequenz - -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Als Konsequenz hates als Erstes nun das, was uns am augenschein-lichsten war im März 2015, nämlich dass der In-formationsfluss weder bis zum Kanzleramt nochbis zur Amtsleitung gegangen ist - - Und alsSofortmaßnahmen hat es gegeben, dass dieserInformationsfluss sichergestellt werden muss,also auch innerhalb des Bundesnachrichten-dienstes von unten nach oben, und dann gegen-über der Fach- und Dienstaufsicht. Das waren

Sofortmaßnahmen, die wir ergriffen haben, natür-lich auch anderer Art, nämlich Selektoren, dieeben kritisch waren, nicht mehr zu steuern unddamit auch nicht der Erfassung zuzuführen.Letztlich hat der Präsident des Bundesnachrich-tendienstes auch eine Organisationsunter-suchung durch einen Externen uns vorgeschla-gen, und dem Vorschlag sind wir gefolgt.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: War dasnicht schon vorher mit der Organisationsuntersu-chung durch einen Externen, dass Herr Schindlergesagt hat: „Wir holen uns eine Beratungsfirmarein“?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, Herr Schind-ler hat nach meiner Erinnerung das erst nach derKenntnis - - und er hat die ja dann spätestens je-denfalls bei der nächsten Besprechung, nach demFreitag, nämlich am Sonntag, als wir uns imKanzleramt getroffen haben - - dort das im Vor-feld erfahren. Da hat es dann den Externen gege-ben. Das war der Auftrag des Präsidenten.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. - Dannzur Frage „Informationsfluss sicherstellen“: Wasist da wie angeordnet worden? Gab es da eineVerfügung, oder gab es da - - Was ist da konkretgemacht worden?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Es gab Weisungen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Es gab Weisungendes Kanzleramtes, dass erstens der Informations-fluss von unten innerhalb des Dienstes an dieAmtsleitung sichergestellt wird, und zwar durchdie Hierarchien, damit jeder hier mit einbezogenist, und dass anschließend natürlich in diesenFragen das Kanzleramt umfassend zu unterrich-ten ist. Und dann hat es natürlich eine Aufarbei-tung gegeben, die bis heute stattfindet und diewir auch weiter machen müssen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wer hat dieseWeisung erlassen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das waren meineWeisungen.

Page 11: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 11 von 193

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. - Sinddie schriftlich oder mündlich ergangen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: In der Regel erstmal mündlich und dann schriftlich nachgeholtworden.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. - Kön-nen Sie ungefähr sagen, wann die schriftlichnachgeholt wurden, so ein grobes Zeit- -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das muss auchim - - Also, die ersten Weisungen unmittelbar andem Sonntag, glaube ich - - gab diese Sofortmaß-nahmen - - gab es einen Vorschlag des Präsiden-ten des BND für diese Sofortmaßnahmen. Diesind mündlich von mir mitgetragen worden undsind dann noch mal schriftlich wiederholt wor-den Anfang der Woche dann, wenn ich michrichtig erinnere. Und die Weisung, dass die Infor-mationen in der gesamten TA in der Hierarchienach oben bis zur Amtsleitung und zum Kanzler-amt müssen, müssen dann auch Ende Märzschriftlich erfolgt sein.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Also, wasmich halt stutzig macht, ist, dass in einer Unter-abteilung der Abteilung TA ganz sensible, wich-tige Dinge eingesetzt werden - ob wir sie Selek-toren nennen, Telekommunikationsmerkmaleoder Suchbegriffe -, die ja auch, wenn man sieeigengewinnt, ein gewisser Schatz sind, weil manda auch was hat, was man möglicherweise mitPartnern auch tauschen kann und sagt: Mensch,wir haben da Telekommunikationsmerkmale despotenziellen Terroristen X oder Y. Das ist ja auchein Pfund, also was im Bereich von SIGINT wirk-lich wichtig ist. Und da schafft es eine Unterab-teilung, vor sich hinzuwurschteln, ich sage mal,besten Wissens und Gewissens, weil man viel-leicht da einen Fortschritt erreichen wollte, keineKooperationen gefährden wollte und, so wie iches jetzt nach den Monaten dieses Untersuchungs-ausschusses verstehe, weil man wahrscheinlichauch so ein bisschen dachte: „Wir sind die Zu-kunft, und wir müssen das hinkriegen, weil esgewollt ist; da darf jetzt auch nichts schiefgehen,sonst stehen wir blöde da“, und hat so sensibleSachen einfach kaschiert, obwohl es ja gar nicht

notwendig gewesen wäre. Hätte man das unmit-telbar angesprochen: Man hätte die Dinge ja viel-leicht ausräumen können. - Das ist das eine. Manhat, wenn ich es mal positiv und gutwillig be-werte, unter den Teppich gekehrt, weil man wei-termachen wollte mit etwas, was für das Amtwichtig war, ohne dass man es hätte unter denTeppich kehren müssen nach meiner Meinung.

Zum Zweiten erhebt sich bei mir der Eindruck,dass man auch im Know-how wirklich in derEntwicklungsphase war und, glaube ich, auchnicht sagen wollte, dass man bestimmte Sacheneinfach monatelang nicht erkannt hatte. Das wareinem vielleicht peinlich. - Das ist jetzt meineBewertung. Wie wäre Ihre Bewertung? Weilirgendwie muss es sich ja erklären lassen, dassman in einer Unterabteilung so einen Bockgeschossen hat, wer auch immer dafür verant-wortlich ist - anscheinend ja, wenn man sieht,was Disziplinarverfahren betrifft, keiner.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, Herr Vorsitzen-der, ich glaube auch nicht, dass in der Abteilungdie Absicht - - Also, ich bin natürlich nicht in derDiskussion der Abteilung dabei gewesen, son-dern ich konnte es ebenso wie Sie nur retrogradbetrachten aus dem, was ich in der Fach- undDienstaufsicht in dieser Zeit gelernt habe. Ichgehe nicht davon aus, dass man in der Abteilungetwas unter den Teppich kehren wollte. Das istübrigens auch ein Grund, mutmaße ich jetzt, dassman das auch in den Jours fixes nicht angespro-chen hat, sondern man hat gedacht, dass man invielen Bereichen APB-konform, also im Auf-tragsprofil der Bundesregierung, handelt. Dasshier andere Dinge eine Rolle spielen, wie derGrundsatz der Verhältnismäßigkeit, der mit ge-wahrt werden muss, das ist dort offensichtlichnicht mitbedacht worden. Und das ist auch einGrund, warum eine der Weisungen von uns imAnschluss war, dass auch die juristische Kompe-tenz sich nicht nur beziehen kann innerhalb derAbteilung und sich nicht nur beziehen kann aufdie Frage von G-10-Eingriffen, sondern eben aufganz allgemeine Fragen, wie Subsidiaritätsprin-zip, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Wie istder einzusetzen und zu berücksichtigen?

Page 12: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 12 von 193

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ich fragemich halt auch nicht nur mit Blick auf Grund-rechtseingriffe - ich denke, da werden die ande-ren Fraktionen gleich noch nach fragen -, aber al-leine von dem Blick her auf die Kompetenz:Wenn ich das mal richtig beurteile, hat man jaSuchbegriffe, Telekommunikationsmerkmalebzw. Selektoren gepflegt oder eben nicht gepflegt,in einem Topf gehabt wie Kraut und Rüben.Sorry, dass ich das jetzt so direkt sage. Da hätteich mir gewünscht, wenn in einer Abteilungs-leiterbesprechung oder in der Abteilungsbespre-chung - nicht Abteilungsleiterbesprechung - malangesprochen worden wäre: Unser Topf mitSelektoren - sei es der BND-eigene oder derzugelieferte -, der braucht Pflege; wir brauchenmehr Personal, wir brauchen mehr Know-how;das wird zu viel; wir kriegen es nicht mehrordentlich gehandelt. - Weil das sehe ich jetzt ausmeinem Blickwinkel als eine der Hauptproble-matiken an, dass ich den Eindruck habe, dieserTopf an Suchbegriffen, der war nicht ordentlichgepflegt. Und da hätte man doch irgendwann malrufen müssen und sagen - - Wenn meine Mitar-beiter in Arbeit untergehen, irgendwann sagendie: Sensburg, so geht es nicht weiter; das kriegenwir alles nicht mehr hin. - So, da hat aber sichanscheinend keiner gemeldet und hat gesagt: Un-ser Topf an Selektoren ist nicht mehr handelbar;wir wissen da gar nicht, was drin ist, weil wirjahrelang reingepackt haben, alle was reinstopfthaben; das ist teilweise vielleicht alt oder nichtalt; wir wissen es nicht, weil keiner macht da maleine Verifizierung. - So was hätte doch mal kom-men müssen, oder nicht?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Gebe ich Ihnenrecht, so was hätte kommen müssen, sollen. Aberin dem Fall ist das mit uns nicht diskutiert wor-den. Und der Bundesnachrichtendienst hat jaauch in der Zeit immer wieder gesagt, dass einerklecklicher Teil dessen, was er an den Bericht-erstattungen für die Bundesregierung herstellt,aus SIGINT-Informationen besteht, nicht nur ausG-10-Maßnahmen, also im Speziellen in derRechtsgrundlage des G-10-Gesetzes, sonderneben auch auf der Grundlage der sogenanntenRoutine. Und der Dienst hat hier in dem Zusam-menhang auch nie gesagt: Und da haben wir fol-gendes Problem … Zum Beispiel: Wir haben zu

wenig Techniker, wir haben zu wenig Software,wir können im Tausch mit anderen Partnern unshier nicht darstellen. - Das ist nicht erfolgt.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Würden Siedenn sagen, das wäre etwas, was man langsammal dringend anpacken muss, oder ist es viel-leicht schon angepackt worden im BND?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, erstens ist esim BND angepackt worden. Und zweitens ist dasauch jetzt eine aktuelle Aufgabe der Fach- undDienstaufsicht, sich darum zu bemühen. Und daist ja auch einer der Punkte, die Sie vorhin ange-sprochen haben, nämlich das technische Know-how auch innerhalb der Fach- und Dienstaufsichtzur Verfügung zu stellen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Weil das istunterm Strich ja dann auch eine Aufgabe desDeutschen Bundestages, entsprechende Mittelund Möglichkeiten zu gewähren. Und, ich sagemal, wenn man schon so etwas macht, was hoch-sensibel ist, was Grundrechtseingriffe darstellenkann, was auch in die Rechte von Nichtdeut-schen eingreift: Das kann man ja gegebenenfallsrechtfertigen; man müsste es dann nur auch sorg-fältig handeln können, und da erscheint mir alsHauptproblem, dass das sorgfältige Handeln inder Masse der Telekommunikationsmerkmaleschwerfällt - wenn ich so rekapituliere, was wirsehen konnten, das PKGr noch intensiver sehenkonnte. Dann fällt mir schwer, zu glauben, dakann sorgsam und sorgfältig mit umgegangenwerden, bis hin in die Gewährleistung des G-10-Schutzes.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, was den G-10-Schutz angeht, hat es damals, habe ich schon ein-leitend erwähnt, ja eine Diskussion gegeben, wieder gewährleistet werden kann. Und das hatletztlich - das weiß der Ausschuss ja auch - beieinem Projekt dann dazu geführt, dass dieses Pro-jekt nicht mehr weitergeführt worden ist, weileben die Frage der Herstellung des G-10-Schutzesmit den damaligen Mitteln technisch nicht voll-ständig zu beheben war, sondern das auch hän-disch durchgeführt werden musste. Das bedarfnatürlich eines gewissen Zeitraumes, und das hat

Page 13: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 13 von 193

dann letztlich zu der Entscheidung geführt, die-ses Projekt nicht mehr weiterzuführen.

Im Übrigen - da gebe ich Ihnen vollkommenrecht - sind das Dinge, die die Fach- und Dienst-aufsicht auch aufgegriffen hat, nachdem das imMärz 2015 bekannt geworden ist, und die wirauch mit einer besonderen Art von Qualitätssi-cherung künftig beheben wollen, behoben haben,und das Ganze weiter gerechtfertigt auch durcheine neue Rechtsgrundlage durch das BND-Ge-setz - hier gab es ja auch eine politische Diskus-sion; die Bundesregierung hat hier immer gesagt,dass sie von einer rechtlichen Klarstellung aus-geht, dass also auch die allgemeine Befugnisnormdes § 1 Absatz 2 Satz 1 des BND-Gesetzes alsRechtsgrundlage reicht - - dass wir aber auch vordem Hintergrund von gerichtlichen Verfahrenhier eine deutliche Klarstellung hinsichtlich derRoutine brauchen. Und das hat die Bundesregie-rung mit veranlasst, auch durch die Diskussionin diesem Ausschuss.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Zu diesemThemenkomplex vielleicht abschließend: Wennman das jetzt so mal als Status quo nimmt - undSie hatten es, glaube ich, schon angedeutet -,dann macht es schon Sinn, Engagement da rein-zusetzen beim BND auch mit ausreichend Perso-nal, diesen Bereich der Selektoren doch wiederklar aufzustellen, wenn ich das richtig sehe. Unddas könnte ja auch ein Asset sein gegenüber an-deren Nachrichtendiensten. Ich habe den Ein-druck, dass die NSA beispielsweise sich dieseMühe nicht macht, ihre Suchbegriffe ordentlichzu pflegen: Was im Topf ist, ist im Topf; wenn eseinen Treffer gibt, kann man ja gucken, ob ernoch gut ist; Hauptsache, einen Treffer mehr alseinen zu wenig. - Jeder kann das ja machen, wieer meint. Wenn man einen Nachrichtendiensthätte, der da sehr sorgsam mit den Suchbegriffenumgeht und vielleicht auch erklären kann - -nicht jeder Suchbegriff ist ja erklärbar, wo er her-kommt, insbesondere nicht, wenn er von einemDritten zugeliefert wird - - aber bezüglich der ei-genen im Einsatz befindlichen ein hohes Engage-ment daranzusetzen, dass man weiß, was man imKöcher hat. Ich glaube, das wäre ein Asset auchgegenüber Partnerdiensten, dass die sehen: „Da

wird aber mit einem hohen Know-how gearbei-tet“, wenn man schon nicht jedes technische De-tail selber entwickeln kann, weil da auch die fi-nanziellen Mittel zu fehlen; aber da, was mandann drinhat, also gegenlaufen lässt. Wenn dader Bundesnachrichtendienst besonders penibelwäre im Gegenteil zur vorherigen Praxis, wäredas, glaube ich, etwas Positives. So ist mein Ein-druck.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Da gebe ich Ihnenvollständig recht. Und das ist ja auch etwas, wasin der Diskussion im europäischen Rahmen mitden Partnerdiensten durchgeführt wird, nämlichzu erläutern, was wir mit der neuen Rechtsgrund-lage des BND-Gesetzes, mit dem besonderenSchutz, den es ja hier auch für EU-Bürger, Ein-richtungen der EU und der Regierungen des Mit-gliedsstaaten der EU gibt - - dass das hier eineSichtweise ist, die es nach meiner Kenntnis imBereich der anderen Dienste, Partnerdienste sonicht gibt. Diese Diskussion führen wir; die füh-ren wir als Fach- und Dienstaufsicht auf derEbene mit den Partnern; die führt aber auch derBundesnachrichtendienst.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Gut, das soweit erst mal von mir zu den Selektoren. - Ichkomme zu einem zweiten Thema, was wir viel-leicht schnell machen können: das Thema No-Spy-Abkommen. Es ist ja schon immer wiederauch in diesem Untersuchungsausschuss ange-sprochen worden, medial angesprochen. Es be-steht die These, das wäre alles nur ein Scheinge-fecht gewesen, eine Nebelkerze für den Wahl-kampf; so etwas hätte es nie gegeben: Gesprächeüber ein No-Spy-Abkommen, ernsthafte Gesprä-che.

Auf der anderen Seite wird sehr differenziertgesagt: Doch, die gab es, die gab es einmal auf derNachrichtendienstebene, auf der politischenEbene, die wären auch geführt worden, und aufNachrichtendienstebene wäre da sogar etwas beirausgekommen, was auch immer - dazu werdeich gleich noch mal fragen, was das hätte seinkönnen -, aber auf politischer Ebene wäre esdann eingebremst und abgehakt worden. - Wiebewerten Sie die Diskussion damals, im Sommer

Page 14: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 14 von 193

2013, Herbst 2013 bis Anfang 2014, als unser jet-ziger Bundespräsident und damaliger Außenmi-nister ja noch in den USA war, auch ein Pressein-terview gegeben hat? Wie war das mit diesem No-Spy-Abkommen: Nebelkerze oder Versuch, derdann doch nicht zustande kam?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Zunächst einmal ge-statten Sie mir, noch mal darauf hinzuweisen -das habe ich auch bei meiner letzten Einver-nahme gemacht -, dass ich den Begriff „No Spy“für verfehlt halte. Es gibt sicher die Möglich-keit - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wer hat dendenn gebracht? Wo kam der denn her?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Der ist - - Ich weißnicht, wer zuerst war: die Medien oder im An-schluss an die Diskussion an eine der PKGr-Son-dersitzungen, die im Juli/August 2013 stattgefun-den haben - - Aber letztlich spielt das nicht dieentscheidende Rolle. Nur, aus meiner Sicht ist eswichtig, dass man die Frage des Abkommens hiersieht.

Und ich habe es schon in der letzten Einver-nahme gesagt: Aus meiner Sicht hat es Bestre-bungen für ein solches Abkommen tatsächlichgegeben, und zwar nicht von unserer Seite; son-dern den Anlass dafür haben unsere Gesprächs-partner in den Vereinigen Staaten gesetzt. Daskann ich deswegen sagen, weil Sie ja sicher ausden Akten auch wissen, ohne dass ich das jetzt inder offenen Sitzung verbreitern muss, dass ichAnfang August eine Delegation geleitet habe, dienach Washington gereist ist und die dort mit denVerantwortlichen in der NSA und beim Directorof National Intelligence gesprochen hat, und dortist uns das so vermittelt worden.

Wir sind nach Hause gekommen und haben dieseInformation, die wir gehabt haben, hier an diepolitische Spitze gegeben. Und dann sind nachmeiner Kenntnis - Sie wissen ja, ich war damalsnicht im Kanzleramt, sondern war Innenstaats-sekretär im Bundesministerium des Innern -quasi auf zwei Schienen Verhandlungen darüberweitergeführt worden. Die eine Schiene war die

nachrichtendienstliche Schiene, die die Diskus-sion zu so einem Abkommen unter Nachrichten-diensten geführt hat, und die andere Schiene wardie politische, nämlich eine politische Erklärungin dem Sinn zu bekommen. Wenn ich das ver-folgt habe - - Ich habe noch im Januar am erstenoder zweiten Tag meiner neuen Tätigkeit, näm-lich im Januar 2014, als Staatssekretär mit derVerantwortlichen im Weißen Haus telefoniert,und damals ist das in diesem Telefonat nach mei-ner Erinnerung nicht rundweg abgelehnt worden.Also, zu dem Zeitpunkt, Januar, bin ich auchnoch davon ausgegangen, dass ein solches Ab-kommen möglich erscheint. Im Laufe des Früh-jahrs hat es sich dann sich gezeigt, dass es einsolches Abkommen nicht geben wird. Aus mei-ner Sicht ist das eine politische Entscheidungaufseiten unseres Partners gewesen. Wenn ichmich zurückerinnere: Anfang August - wir hattenja mit der Diensteebene dort gesprochen - hat dieDiensteebene gesagt, dass sie sich so etwas vor-stellen kann, dass das aber natürlich unter einempolitischen Vorbehalt steht. Und auf dieser Ebeneist dann weiterdiskutiert worden, auch über dieWahl hinaus bis eben ins Frühjahr 2014.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Jetzt wird im-mer wieder gesagt: So ein No-Spy-Abkommen -oder wie man es auch immer nennt -, das gibt esin keinem einzigen Fall; das haben die USA nochnie abgeschlossen. Wer kann denn glauben, dassdas 2013/2014 mit Deutschland abgeschlossenworden wäre? Das glaubt doch keiner. - Waskönnte die Amerikaner denn bewogen haben da-mals, doch so etwas zum ersten Mal zu machen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, ich kenne jaauch aus der öffentlichen Diskussion zwei Argu-mente. Zum einen: Das macht sowieso nie einer.Und dann das weitere Argument: Wenn wir dasmit den Deutschen abschließen würden, dannwären wir quasi gezwungen, das mit Chinesenoder Russen auch abzuschließen. - Das halte ichfür, offen gesagt, einen Blödsinn; denn man hatnatürlich Partner, mit denen man enger zusam-menarbeitet, und dann hat man nicht nach demGleichheitsgrundsatz die Verpflichtung, mit an-deren Partnern ebenfalls, weil man einmal einAbkommen abgeschlossen hat, ein weiteres Ab-kommen abzuschließen. Das war die Diskussion.

Page 15: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 15 von 193

Und wenn Sie mir noch mal helfen: Die Frage zudem zweiten Punkt - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Im Endeffekt,warum die Amerikaner im Herbst - -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ach so, ja. - Ja, ichgehe mal davon aus, dass vor dem Hintergrundder Diskussion, die in Deutschland ja öffentlichgeführt worden ist, die auch nach den Sondersit-zungen des PKGr im Gegensatz zu dem sonstigenVerhalten nach PKGr-Sitzungen öffentlich kom-mentiert worden ist, sowohl von Regierungsseiteals auch von der Seite des Parlaments - - ausSicht der Dienste gesagt hat: In dem Fall ist eswichtig, dass wir hier ein entsprechendes Ab-kommen vorschlagen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Waren dieAmerikaner denn eigentlich in der Zeit total ent-spannt drauf, so im Sinne von: „Wir haben allesrichtig gemacht, was regt sich der Rest der Weltauf?“?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, bei meinemGespräch - gerade das Gespräch Anfang August -hat sich ganz deutlich gezeigt, dass die Amerika-ner uns vermitteln wollten, dass sie das nicht ge-gen Deutschland explizit durchführen, und beidiesen Gesprächen waren meine Gesprächs-partner auf der amerikanischen Seite nicht ent-spannt.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Insbesondere:Wir gucken immer so entspannt, weil die Ameri-kaner - bös, bös - uns abgehört haben. Jetzt sageich mal ganz locker: Ja, so ist das halt unterNachrichtendiensten. - Waren die vielleicht ausanderen Gründen unentspannt? Ich sage mal: Diewaren die Deppen der Welt. Sie haben Daten-sätze in gigantischem Umfang mit Edward Snow-den nach China und dann nach Russland gehenlassen. Also, blöder kann sich ein Nachrichten-dienst nach meiner Meinung nicht anstellen. Beiuns hat mal das ZNBw ein paar Disketten verlo-ren und ist danach aufgelöst worden, weil manso trampelig war. Also, die Amerikaner habensich einen Bock geschossen; jeder Nachrichten-dienst würde sagen: Oh mein Gott, kann man mitdenen überhaupt noch zusammenarbeiten? - War

nicht da so ein gewisses Feeling an Peinlichkeitbei denen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, ich kann dasnicht beurteilen. Das mag ein Grund gewesensein. Bei den Gesprächen, die wir geführt haben,ist natürlich nicht zur Motivation, warum dasAngebot kommt, mit uns gesprochen worden;denn unterstellt, Sie haben recht und es ist ihnenpeinlich, dann werden sie mit den Vertretern derBundesrepublik Deutschland nicht auf der Ebenereden, sondern sagen: Wie können wir etwa ver-lorengegangenes Vertrauen für die Zukunft wie-derherstellen? Und deswegen bieten wir unteranderem ein solches Abkommen an.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Aber wennman mal sieht, wie viele Standorte denn die USAweltweit haben, wenn man sich mal so einen Atlasanguckt, dann sind relativ viele in der Bundesre-publik Deutschland. Die Bundesrepublik Deutsch-land ist, glaube ich, kein unwesentlicher Standortfür die Amerikaner. Es ist ja nicht nur so, dass wirder kleine Partner wären, der keine Rolle spieltund kein Mitspracherecht hat, sondern ich glaube,dass die Bundesrepublik Deutschland sehr wich-tig ist für die Amerikaner - zumindest zurzeit. Esist nur mein Eindruck; korrigieren Sie mich, wennich da völlig falsch liege. Ich glaube, dass man inso einer Phase, wo man auf Nachrichtendienst-ebene, nicht auf politischer Ebene - ich glaube, dalief die Diskussion eher in die Richtung „So wasgeht ja gar nicht“ -, aber auf Nachrichtendienst-ebene schon peinlich berührt war, dass einem sowas passiert, wo man doch eigentlich so ein gro-ßes Know-how hat. Und ich könnte mir vorstellen,dass das eine Motivation mit war, zum ersten Malvielleicht, etwas einzugestehen, um wieder Ver-trauen aufzubauen. Das war meine Interpretation;aber korrigieren Sie mich, wenn ich da in eine völ-lig falsche Richtung gehe. Vielleicht waren dieauch gar nicht peinlich drauf, vielleicht haben diegesagt: So what?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, den Eindruckhatte ich wieder nicht. Das habe ich versucht vor-hin darzustellen. Es ist nicht gewesen, von obenherab, zu sagen: Regt euch nicht auf, ihr Deut-schen, das machen alle Dienste. - Also in demTenor ist das Gespräch nicht geführt worden.

Page 16: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 16 von 193

Und Ihre Vermutung kann ich weder bestätigennoch widerlegen. Das mag ein Motiv gewesensein.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. - Gut,letzten Endes Anfang 2014, wie ist denn die Dis-kussion beendet worden über No Spy. KönnenSie sich da noch dran erinnern?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also letztlich in deröffentlichen Diskussion durch eine Erklärungvon Herrn Seibert, glaube ich, dass man hier, so-weit ich mich erinnere, nicht mehr davon aus-geht, dass es zu einer politischen Erklärung, zueinem politischen Abkommen hier kommt. Daswar ein Zeitraum, ich glaube, im März/April desJahres 2014. Ich war selbst in Person nur einbezo-gen das letzte Mal in dieser Frage mit dem Tele-fonat Mitte Januar 2014, das ich mit meiner Kol-legin im Weißen Haus geführt habe.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Was sagte dieda im Januar 2014?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Die hat es nichtvollständig ausgeschlossen, dass es zu einer poli-tischen Erklärung kommt und zu einem Abkom-men auf Diensteebene.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay, gut. -Drittes Thema: Kanzlerinnenhandy. Als die Newskam, die NSA spioniert direkt das Handy derBundeskanzlerin aus, was hat das bewirkt imKanzleramt?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Gut, das habe ichdamals nur am Rande miterlebt, weil ich derInnenstaatssekretär war. Aber Sie haben ja ausUnterlagen, die Ihnen vorliegen, gesehen, dassich zu vielen Besprechungen im Kanzleramt warschon vor dem Hinweis auf das Kanzlerinnen-handy durch die deutschen Medien. Vor demKanzlerinnenhandy ging es um die Frage, dieeben im Wesentlichen auch bei meinem Besuchin Washington eine Rolle gespielt hat.

Nach der Meldung, dass das Kanzlerinnenhandyabgehört worden sein soll, hat es natürlich auchdie Frage gegeben: Was ist hier in Deutschland zu

veranlassen? Ich als Innenstaatssekretär war da-mals zuständig für das Bundesamt für Verfas-sungsschutz als Spionageabwehrbehörde. Hier istauch noch mal die Verfestigung des Gedankensgekommen, dass die Spionageabwehr insoweit,also der sogenannte 360-Grad-Blick, der ja auchin den Medien eine Rolle spielt - - dass das ver-festigt werden muss. Das hat ja dann auch im An-schluss das BfV gemacht.

Und was die Diskussion angeht: Zu dem Kanzle-rinnenhandy war ich sicher bei Besprechungendabei, wo dann darüber gesprochen worden ist:„Wie haben wir die Information bekommen? Waskönnen wir an eigenem Know-how zu dieser Be-hauptung“ - und das ist ja eine Behauptung ge-wesen; bewiesen ist es ja nicht - - „Was könnendie Dienste dazu beitragen?“, und da hat nachmeiner Erinnerung auch der Bundesnachrichten-dienst in einer Stellungnahme - aber da war ichja damals nicht für zuständig - erklärt, dass esplausibel erscheint.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das wärenämlich meine Frage gewesen. Zu 100 Prozentbeweisen wird man es nicht, außer man hat je-manden von einem Dienst, der sagt: Ich habe esgemacht, ich habe am Rechner gesessen und dieLeitungen geschaltet. - Aber die Plausibilität warda, und so arbeiten ja Nachrichtendienste: mitPlausibilitäten. - Und wer war es, plausibel?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, die Behauptungwar, dass es die NSA gewesen sei. Und die NSAist ein SIGINT-Nachrichtendienst, und sie hat dietechnische Möglichkeit. Einen Beweis gab esnicht, und von daher ist es eine durchaus plau-sible Überlegung gewesen, die damals ja in denMedien eine große Rolle gespielt hat, auch dieBehauptung, dass es die NSA gewesen ist.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Also es warnicht der BND selber, der für die NSA die Kanz-lerin abgehört hat, was ja auch schon mal alsThese durch den Raum geisterte: Ups, manwusste gar nicht, dass man die Kanzlerin abhörte,und gibt ja alle Daten an die NSA weiter. - Das istnicht plausibel, oder ist das auch plausibel?

Page 17: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 17 von 193

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das ist nicht plausi-bel, weil der Bundesnachrichtendienst ein Aus-landsnachrichtendienst ist, der für die Bundesre-publik Deutschland arbeitet, und deswegen istdas nicht plausibel.

Im Übrigen: Nach allem, was wir auch innerhalbdes BND natürlich vor dem Hintergrund geprüfthaben, gibt es - und das möchte ich hier ganzdeutlich sagen - selbstverständlich keinen Hin-weis, dass der BND in irgendeiner Weise hiereinbezogen sein könnte.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dann wareine These: Der Bundesnachrichtendienst schöpfthier Millionen und Abermillionen Datensätzedeutscher Bürgerinnen und Bürger ab und leitetsie an die NSA weiter, 580 Millionen; diese Zahlgeisterte durch die Gegend. Könnte da die Kanz-lerin nicht drunter gewesen sein?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Na ja, das ist ja, wiesich herausgestellt hat und wie, glaube ich, auchdieser Ausschuss ja dankenswerterweise mit er-arbeitet hat, falsch gewesen. Was mich in demZusammenhang ärgert, ist, dass so lange diesefalsche Meldung in den Medien geistern konnte;denn es handelte sich ja wohl im Zusammenhangmit Bad Aibling - - Und dort sind spezielle Ein-satzgebiete, die auch die Bundeswehr betreffenund deutsche Bundeswehrsoldaten betreffen, be-troffen, und das sind keine Daten von Deutschen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay, also dawar die Kanzlerin auch nicht drunter. Trotzdemhat die Bundeskanzlerin mit dem amerikani-schen Präsidenten Obama gesprochen und auchdieses Thema angeschnitten. Wissen Sie etwasvon diesem Gespräch?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nur das, was mirdurch Aktenstudium bekannt ist und was auchöffentlich bekannt geworden ist. Wie gesagt, ichwar damals Innenstaatssekretär. Natürlich ist esdann so, dass die Kanzlerin - gehe ich mal davonaus - selbstverständlich mit dem Präsidenten derVereinigten Staaten sprechen muss, wenn die Be-hauptung in den Medien ist, dass es durch dieVereinigten Staaten gesteuert worden ist.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wissen Sie,ob der amerikanische Präsident das zugegebenhat?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das weiß ich defini-tiv nicht; aber ich kann mir es nicht vorstellen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ich mir ei-gentlich auch nicht; aber man weiß es ja nicht. -In dem Gespräch ist auch ein weiteres Thema an-geschnitten worden, nämlich der StandortRamstein für die Steuerung von Drohnen, insbe-sondere von Kampfdrohnen. Ist Ihnen zu demThemenkomplex etwas bekannt?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ich meine, die Dis-kussion zu Ramstein gibt es ja schon länger, undich denke, dass auch ein Zeuge hier in diesemAusschuss eine Rolle gespielt hat. Ich sage dasjetzt mal ohne Anerkennung einer Rechtspflicht,weil ich der Meinung bin, dass Ramstein nachdem, was wir wissen, jedenfalls nicht unter-suchungsgegenständlich für diesenUntersuchungsausschuss ist, weil es ja um dieFrage hier geht, ob von Deutschland aus odermithilfe Deutschlands etwas gesteuert oderveranlasst wurde. Das sehe ich nicht so. Dieneueste Meldung, die ich aus den Medien kenne,war ja - und auch wohl in einer Fragestunde imDeutschen Bundestag hat es der Vertreter desAuswärtigen Amtes gesagt, offen gesagt -, dassdie Vereinigten Staaten gesagt haben, dass eskeine Steuerung auf deutschem Boden, auchnicht in Ramstein gibt, dass Ramstein allerdingseine von vielen Relaisstationen, sage ich jetztmal, ist, und es kann sein, dass unter UmständenSteuerungsimpulse über Ramstein laufen. Aberdas sehe ich nicht als ein Steuern oderVeranlassen von deutschem Boden aus.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay, so weitstimmte ich dem zu, weil auch der Zeuge Bran-don Bryant ja hier gesagt hat, es wird nicht ausRamstein gesteuert, sondern über Ramstein. Erhätte dann angerufen, selber anrufen hätte ernicht können; da wäre extra einer gekommen, derdie Nummer gewählt hätte. Irgendwann hat er ge-sagt: „Wir haben auch mal auf Wiederwahl ge-drückt“, wie man sich das alles auch immer vor-

Page 18: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 18 von 193

stellen muss. Also Relaisstation. Ist das nicht ge-nauso traurig, wenn man sagt: „Über eine Relais-station werden da Kampfdrohnen gesteuert, dieirgendwelche Leute töten“?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Herr Vorsitzender,dass in einem bewaffneten Konflikt Leute zuTode kommen können, ist leider eine Folge einesbewaffneten Konfliktes. Und da macht für mich,muss ich ehrlich sagen, auch weniger die Unter-scheidung, ob das ein Special Team ist oder obeine Drohne, die letztlich dazu führt, oder einFlugzeug oder ein sonstiges Kriegsgerät, wie Pan-zer und Artillerie.

Und im Übrigen möchte ich auch noch mal da-rauf hinweisen: Ich habe ja das auch gehört unddie Diskussion in den Medien verfolgt: Drohnen-einsätze, zum Beispiel in den Tribal Areas. Undda kann ich mich wirklich sehr gut erinnern,weil in der Zeit, in der vorletzten Legislatur-periode, in dem dafür vorgesehenen Gremium,Geheim tagenden Gremium darüber des Öfterendiskutiert worden ist. Drohneneinsätze an sichwerden ja auch nach dem Völkerstrafrecht undnach dem Völkerrecht bewertet und sind nichtgenerell unzulässig und nicht durchführbar,sondern es gibt eine Diskussion. Und dieVereinigten Staaten - das wissen wir ja alle -sagen, dass sie einen Krieg gegen denTerrorismus führen, und zwar losgelöst von deneinzelnen Einsätzen wie ISAF oder sonstigenEinsätzen, die wir jetzt auch in Mali zumBeispiel führen, sondern sie führen diesen Krieggegen den Terrorismus. Und da gibt es ja aucheine ganz heftige Diskussion, ob die VN-Chartahier ein sogenanntes Selbstverteidigungsrechtauch generiert. Also, von daher ist es nicht so,dass wir ganz grundsätzlich davon ausgehenkönnen, dass Drohnenangriffe an sich völker-rechtswidrig oder völkerstrafrechtswidrig sind.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Seit wannweiß die Bundesregierung denn, dass Ramsteinals sogenannte Relaisstation genutzt werdenkann, wie einige andere Standorte übrigens auch?Das liegt halt wohl an der Erdkrümmung, wennich das richtig verstanden habe.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: So habe ich es auchverstanden. Aber nach meiner Kenntnis jetzt mitdem Hinweis auf die Relaisstation: aus meinerErinnerung, meiner Kenntnis, weil ich da nichtdirekt mit einbezogen bin, jetzt durch die neue-sten Aussagen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. Also,ich hätte jetzt nichts dramatisch gefunden, wennman das wusste nach Ihrer rechtlichen und völ-kerrechtlichen Einordnung. Nur Nichtwissenfinde ich immer schade. Lieber weiß ich was undhabe eine klare Position dazu, als wenn ich sage:Ich weiß es nicht.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, gut, aber das isttatsächlich eine Angelegenheit, die eben nicht imRessort Innenministerium - und die Diskussionwar ja damals, als ich im Innenministerium war -eine Rolle gespielt hat.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. - Gut.Ich würde es in der ersten Runde damit erst malmit meinen Fragen bewenden lassen und späternoch mal zu anderen Themenkomplexen einstei-gen. - Dann kämen wir jetzt zu den Fragen derFraktionen. Es beginnt die Fraktion Die Linke.Frau Kollegin Renner. - Danke schön.

Martina Renner (DIE LINKE): Danke, Herr Vorsit-zender. - Herr Fritsche, können Sie uns eigentlichdarüber aufklären, warum Herr Schindler entlas-sen wurde? Das konnte er uns nämlich nicht sa-gen.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Frau Abgeordnete,Herr Schindler ist politischer Beamter, so wie ichauch, und wie Sie wissen, hat das Beamtenrechteine besondere Regelung hier vorgesehen: dassnämlich ein politischer Beamter ohne Angabevon Gründen aus seinem Amt entlassen werdenkann, während andererseits ein politischer Beam-ter auch ohne Angabe von Gründen in seinemAmt belassen werden kann.

Martina Renner (DIE LINKE): Also es gab keineGründe?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das ist das, was ichIhnen dazu sagen kann. Herr Schindler ist ohne

Page 19: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 19 von 193

Angabe von Gründen in den Ruhestand geschicktworden.

Martina Renner (DIE LINKE): Aber gab esGründe? Oder wurden sie nur nicht angegeben?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Frau Abgeordnete,es ist bei politischen Beamten üblich, dass hiereine andere Äußerung nicht erfolgt. Ich kannmich an einen Fall aus der jüngeren Vergangen-heit erinnern, wo es Begründungen gegeben hat,die dann auch zu personellen Schwierigkeitenauch in der politischen Spitze geführt haben.Und deswegen sage ich noch mal: Es ist wohl an-geraten, dass man sich an das Beamtenrecht hält,und hier heißt es, dass politische Beamte ohneAngabe von Gründen in den Ruhestand geschicktwerden können.

Martina Renner (DIE LINKE): Haben wir Aus-sicht darauf, dass Herr Altmaier oder Frau Mer-kel uns sagen können, welche Gründe es gab?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das müssen Sie diebeiden Zeugen fragen.

Martina Renner (DIE LINKE): Werden wir tun. -Ich will auf die BND-Selektorenproblematik zusprechen kommen und nicht danach fragen, obSie den Begriff Selektor kannten oder Suchbe-griffe oder TKM oder Sonstiges, sondern ichwürde Sie gerne fragen, ob Sie vor dem13.03.2015 wussten, dass europäische Ziele, wieRegierungseinrichtungen in Partnerstaaten, Bot-schaften, internationale Einrichtungen, EU-Kom-mission und Ähnliches mehr, gesteuert werdendurch den BND.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Dass in der Routinedes Bundesnachrichtendienstes die von Ihnen ge-nannten Ziele gesteuert werden sollten: WennSie so etwas unterstellen, dann kann ich hier inoffener Sitzung nur sagen: Vorher wusste ich da-von nicht.

Martina Renner (DIE LINKE): Das heißt, es gabauch nie eine Meldung, einen Treffer, irgendeineUnterlage, die dem Bundeskanzleramt zugegan-gen ist, aus der man hätte schlussfolgern können,dass diese Ziele erfasst werden?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: So ist es.

Martina Renner (DIE LINKE): Das verwundertuns, weil uns hat hier der Bundesnachrichten-dienst immer so eine Geschäftsphilosophie vor-geführt, dass man nur Produkte für den Kundenerstellt und gar nicht im Eigeninteresse handelt.Wenn aber der Kunde, Sie, das Bundeskanzler-amt, nie so ein Produkt bekommen haben, alsowo dann mal zu sehen war, das französische Au-ßenministerium wird gesteuert oder ein Ministeroder ein Parlament oder Ähnliches, an wen sinddenn die Produkte dann gegangen aus diesen Er-fassungen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Frau AbgeordneteRenner, Produkte des Bundesnachrichtendiens-tes, die er nach draußen gibt, und zwar nicht nurans Kanzleramt, sondern an die Ressorts der Bun-desregierung, sind sogenannte Finished Intelli-gence.

Martina Renner (DIE LINKE): Ja.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, hier wird da-rüber berichtet, welche Kenntnisse man hat imHinblick darauf, was die Bundesregierung imAufgabenprofil dem Bundesnachrichtendienstaufgegeben hat. Daraus ist nicht zu erkennen, wo-her, aus welcher Quelle diese Informationenstammen.

Martina Renner (DIE LINKE): Na ja, gut. Aberwenn man eine Information dann bekommt unddie betrifft zum Beispiel Frau Clinton oder HerrnKerry oder Herrn Netanjahu oder - ich überlegeso einiges -, dann fragt man doch: Ist das - - Fragtman da nicht: Ist das jetzt HUMINT, SIGINT? Istdas okay? Also, ist egal?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein, wenn es kei-nen weiteren Hinweis gibt, dass man fragensollte, fragt man nicht.

Martina Renner (DIE LINKE): Ab welchem Punktwürde man fragen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das kommt, FrauAbgeordnete Renner, auf den Einzelfall an. Hypo-thetisch kann ich darauf nicht antworten.

Page 20: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 20 von 193

Martina Renner (DIE LINKE): Ja, aber zum Bei-spiel: Würde man Fragebedarf sehen, wenn maneine Finished Intelligence bekommt, die ein be-freundetes Parlament betrifft?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, erstens kannich mich nicht erinnern, dass in dem Zusammen-hang ich jemals so eine Finished Intelligence ge-sehen habe, wo Sie dann unterstellen, dass manda nachfragen sollte; sondern es wird ja immervom Bundesnachrichtendienst im Hinblick aufdie Ziele, die die Bundesregierung ihm vorgege-ben hat - - Und nehmen wir an, es geht um einLand; dann wird eben zu diesem Land berichtet,wenn es denn zulässigerweise im APB steht - da-von gehe ich aus -; dann wird zu diesem Land be-richtet und nicht zu einem Parlament eines be-freundeten Staates, um es mal so zu sagen.

Martina Renner (DIE LINKE): Kennen Sie eigent-lich die Weisung aus dem Bundeskanzleramt ausdem 2008 bezogen auf die ITO-Aufklärung, dieausschließt, bestimmte Ziele zu steuern und - -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Definitiv ja.

Martina Renner (DIE LINKE): Die kennen Sie.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Definitiv ja.

Martina Renner (DIE LINKE): Und gab es in demZusammenhang Überlegungen, dass, wenn diesfür die ITO-Steuerung gilt, man möglicherweiseauch darüber nachdenken muss, die BND-Se-lektoren hinsichtlich jetzt der Routineerfassunganzupassen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, wenn ichmich richtig erinnere, hat der ITO-Ansatz - dasist ja eine andere technische Maßnahme, die jaauch nicht in dem Bereich hier eine Rolle spielt,weil sie mit SIGINT nichts zu tun hat - - war jaein ganz anderer. Nach meiner Erinnerung gab eseine zufällige, unbeabsichtigte Aufklärung in ei-nem Bereich, den die Fach- und Dienstaufsichtnicht für zulässig hielt. Das hat sich, wie die ITO-Maßnahme - - Das ist ja damals öffentlich rauf-und runterdiskutiert worden hinsichtlich Afgha-nistan und einer deutschen Journalistin, die dortjedenfalls bei den Maßnahmen eine Rolle gespielt

hat. In dem Zusammenhang hat man sich mit denFällen beschäftigt und hat dann festgestellt, dasseben von einer supranationalen Organisation hierjemand zufälligerweise und nicht als Ziel in dieAufklärung gekommen ist. Deswegen, kann ichmich noch gut erinnern, ist damals gesagt wor-den, es sollten supranationale Organisationen -also unterstellen wir mal: die EU oder die VN -nicht in die - - sollten automatisiert möglichstausgefiltert werden. Und daraufhin gab es eineNachfrage, eine Verständnisfrage des Bundes-nachrichtendienstes, wie denn das zu verstehenist; denn das würde ja bedeuten, wenn man dasgenerell untersagt, dass künftig das auf alle Be-schaffungsmethoden des Bundesnachrichten-dienstes eine Auswirkung hat, also nicht nur imITO-Bereich, sondern eben auch im SIGINT-Be-reich und im HUMINT-Bereich. Und der BND hatdamals geschrieben, wie er es versteht. Wir ha-ben keinen Anlass gesehen, an dem zu zweifeln.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dazu HerrWolff.

MR Philipp Wolff (BK): Ich bitte, dass wir die De-tails dann in eingestufter Sitzung behandeln,weil wir noch - -

Martina Renner (DIE LINKE): Nein, wir sind janoch im Allgemeinen.

MR Philipp Wolff (BK): Wie bitte?

Martina Renner (DIE LINKE): Das ist nur ganzallgemein gefragt.

MR Philipp Wolff (BK): Richtig. Ich wollte nurnoch mal darauf hinweisen, dass da Doku-mente - -

Martina Renner (DIE LINKE): Genau. - Was icheben nicht so verstehe, ist, wenn man sagt, imITO-Bereich sieht man rechtliche Probleme,wenn man supranationale Einrichtungen steuert,wieso man dann sagt, im SIGINT-Bereich ist dasokay.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Weil wir in demZusammenhang auch dann diskutiert haben, ob

Page 21: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 21 von 193

wir eine Dienstvorschrift in dem Bereich machensollten.

Martina Renner (DIE LINKE): Genau.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Wenn ich michrichtig erinnere, ist dabei auch gefragt worden, obim Bereich SIGINT eine Dienstvorschrift notwen-dig ist, und das haben wir mit dem BND bespro-chen und sind zu dem Ergebnis gekommen: Nein.

Martina Renner (DIE LINKE): Weil es dort eineandere rechtliche Grundlage gibt?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ich weiß nicht, wieweit der Text jetzt eingestuft ist; aber ich könnte,glaube ich, ganz allgemein sagen, dass dort vomBND gesagt worden ist: Ähnliche Probleme oderPannen, wie sie im Bereich ITO existieren, kön-nen im SIGINT-Bereich nicht auftreten.

Martina Renner (DIE LINKE): Hat sich ja dannals Fehleinschätzung rausgestellt.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das ist leider so.

Martina Renner (DIE LINKE): Für diese Fehlein-schätzung, trägt da jemand die Verantwortung?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, da gilt eigentlichdas, was ich vorhin auf die Fragen vom HerrnVorsitzenden schon gesagt habe, -

Martina Renner (DIE LINKE): Ja, habe ich vermu-tet.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: - nämlich dass wirdie Verpflichtung haben als Fach- und Dienstauf-sicht, dafür Sorge zu tragen, dass das nicht mehrvorkommt und dass wir durch Strukturen imBundesnachrichtendienst das verstärken müssen,dass es auch innerhalb des Dienstes rechtlichrichtig abläuft.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Jetzt müsstenwir -

Martina Renner (DIE LINKE): Wir wechseln,okay.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: - wiederwechseln. - Wir kommen in der ersten Runde zurFraktion der SPD. Herr Kollege Flisek beginnt.

Christian Flisek (SPD): Danke, Herr Vorsitzen-der. - Herr Staatssekretär Fritsche, guten Morgen!- Ich würde erst einmal eine Frage an Sie richtenwollen in Bezug auf das Amt und die Funktion,die Sie seit Januar 2014 im Bundeskanzleramtwahrnehmen. Das ist ja eine neue Stelle gewesen,die geschaffen worden ist ein halbes Jahr nachden Snowden-Veröffentlichungen, nach den Bun-destagswahlen und nach einer absehbaren Kon-stituierung eines parlamentarischen Unter-suchungsausschusses. Wer ist denn auf die Ideegekommen, so was zu schaffen, also sozusagenneben Kanzlerin, Chef des Bundeskanzleramtesund Abteilungsleiter 6 jetzt zusätzlich einenStaatssekretär hinzusetzen, der die Koordinie-rung der Geheimdienste zu übernehmen hat?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, dazu müsstenSie diejenigen fragen, die die Entscheidung ge-troffen haben.

Christian Flisek (SPD): Hat man da nicht mitIhnen drüber gesprochen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Über die Gründenicht, sondern man hat mich gefragt, ob ich diesePosition übernehmen möchte, und ich habe ge-sagt: Ja.

Christian Flisek (SPD): So, aber irgendwas mussman Ihnen ja erklärt haben im Hinblick darauf,was Sie jetzt zu tun haben und was anders wer-den soll als früher; sonst wäre das Ganze ja eherein Versorgungsposten, und das ist es ja nicht.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das hoffe ich nicht,auch zu meinem eigenen Selbstverständnis. Aberich denke, auch aus der Tätigkeit als Abteilungs-leiter im Kanzleramt, also in der vorletzten - alsovor dieser Entscheidung - Legislaturperiode, wares aus meiner Sicht schon klar, dass, wenn manden Beauftragten für die Nachrichtendienste -den Posten gibt es ja, und den hat es immer gege-ben, den hat in Personenidentität der Chef desKanzleramtes gehabt - - Wenn man in dem Zu-

Page 22: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 22 von 193

sammenhang vor dem Hintergrund unserer inter-nationalen engeren Zusammenarbeit - und ichmeine jetzt nicht das Thema, das hier im Unter-suchungsausschuss eine Rolle spielt; vor allem;das ist am Rande natürlich mit ein Punkt -, aberder Verantwortung, die die BundesrepublikDeutschland durch immer mehr Auslandsein-sätze übernimmt, der Bedeutung, die dann Nach-richtendienste in dem Zusammenhang haben,insbesondere auch der Auslandsnachrichten-dienst - - und die Frage, dass auch in anderenStaaten, wie zum Beispiel den Vereinigten Staa-ten, eine - ich will das jetzt nicht gleichsetzen,aber - ähnliche Position nach 9/11 und nach dendortigen parlamentarischen Untersuchungen ge-schaffen worden ist - - hat man gesagt - und dasist das, war mir bekannt ist -, dass man eine her-ausgehobene Position - Chef BK zum einen ent-lasten und mit der Beauftragtenfunktion - in ei-ner Staatssekretärsfunktion schaffen will. Nachden Erfahrungen - wiederhole ich noch mal -, dieich in der Zeit hier als Abteilungsleiter im Kanz-leramt hatte, halte ich das auch für richtig, unddeswegen habe ich es gerne gemacht.

Christian Flisek (SPD): Also, Ihre persönlicheQualifikation, die spreche ich Ihnen überhauptnicht ab, im Gegenteil; aber die Frage ist halt jetztnoch mal, was sozusagen diese Aufgabe tatsäch-lich beinhaltet im Vergleich zu dem, wie es vor-her war. Es ist zumindest mal, wenn so eine Posi-tion geschaffen wird, so, dass diejenigen, die dasbisher gemacht haben, man kann sagen, entlastetwerden. Einige werden vielleicht das auch eherals eine Entmachtung sehen. Also, ich denke jetztda eher mal an den Abteilungsleiter 6, der ja bis-her eher derjenige war, der dann unmittelbar mitdem Chef BK über die wichtigen Fragen korres-pondiert hat. Und Sie haben jetzt gerade auchselber von der Entlastung des Chefs BK gespro-chen. Was würden Sie denn zu der These sagen,wenn ich sage: „Man hat mitten in einer Zeit, wodie Frage der Aufsicht und Kontrolle über Ge-heimdienste ein Problem war, ein politischesProblem war, sozusagen noch einmal eine perso-nelle Firewall reingezogen, um sicherzustellen,dass gerade die Spitzen des Kanzleramtes, na-mentlich die Bundeskanzlerin und der Chef desBundeskanzleramtes, von diesen Dingen nicht

wirklich mehr als nur notwendig behelligt wer-den“?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Herr AbgeordneterFlisek, ich will nicht ausschließen, dass das einweiterer Punkt ist; aber ich halte es auch aus mei-ner Erfahrung in der Vergangenheit für absolutwichtig, dass die Position gestärkt wird. Undwenn Chef BK vor dem Hintergrund, dass er alsChef des Bundeskanzleramtes in einer Koa-litionsregierung genügend Aufgaben hat, inner-halb der Koalitionsregierung politisch wichtigeVorhaben weiter zu befördern - - halte ich das fürdurchaus gerechtfertigt und vor dem Hinter-grund, was ich vorhin gesagt habe, nämlich dassdie internationale Bedeutung von Deutschland,was Auslandseinsätze angeht, gestiegen ist, dassdieser Posten geschaffen worden ist. Und deswe-gen habe ich auch zugesagt.

Christian Flisek (SPD): Hat sich denn die Befas-sung des Chefs BK mit Fragen der Geheimdienst-aufsicht nach Ihrer Ernennung und nach Schaf-fung dieses Postens geändert? Ist er jetzt - Sie ha-ben ja von einer Entlastung gesprochen - wenigermit solchen Fragestellungen befasst, als es in derRegel früher der Fall war?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Kann ich definitivbejahen. Natürlich bin ich in der Hierarchie, undder Chef des Kanzleramtes wird von mir von denwesentlichen Dingen auch unterrichtet; aber alldie Gespräche, die zum Beispiel mit unseren aus-ländischen Partnern zu führen sind - - auf demgleichen Level bestehenden Positionen unsererPartner auch im politischen Bereich - - denn ichbin ja an der Schnittstelle zwischen den Nach-richtendiensten und dem politischen Bereich.Diese Gespräche übernehme ich. Ich habe das ge-sehen, dass in der Zeit, als ich Abteilungsleiterwar im Kanzleramt, diese Gespräche damals derChef des Kanzleramtes, und zwar alle, führenmusste. Das schließt nicht aus, dass der heutigeChef des Kanzleramtes natürlich, weil er der Mi-nister und der Leiter eines Kanzleramtes ist, auchsolche Gespräche führt; aber er führt sie deutlichweniger als in der Zeit, als es nur den Abtei-lungsleiter 6 gab und den Chef des Kanzleramtesgab.

Page 23: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 23 von 193

Christian Flisek (SPD): Als Sie im Januar in IhrAmt gekommen sind, in Ihre neue Funktion, washaben Sie da für eine Situation vorgefunden? Wiewar sozusagen - - Es ist ja jetzt ein neues Amt;man kann ja jetzt nicht sprechen davon, dassman sozusagen eine Amtsübergabe gemacht hat;es gab keinen Vorgänger. Aber was haben Sie davorgefunden, sage ich mal, bis auf ein Büro undvielleicht einen Schreibtisch und Mitarbeiter?Hat man Ihnen ein Briefing gegeben: Was ist dieaktuelle Situation insbesondere nach dem denk-würdigen Oktober 2013 mit den Aussagen derKanzlerin, mit den Weisungen, die vom damali-gen Chef BK Pofalla erteilt worden sind in denBND hinein? Was war sozusagen Ihre Einstiegs-situation?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, ein Briefing indem Sinne, vor allem mit den Punkten, die Siejetzt angesprochen haben, hat es nicht gegeben.Aber zum einen war mir die Tätigkeit im Kanz-leramt ja nicht ganz unbekannt, weil ich eineLegislaturperiode davor als Abteilungsleiter 6 dawar. Zum anderen war ich ja in den Diskussio-nen als Innenstaatssekretär - das habe ich vorhinauf die Frage des Vorsitzenden ja schon gesagt -jedenfalls in der Zeit Juli/August mit einbezogen.Ich kann mich auch erinnern: Vor dem Hinter-grund des so bezeichneten Abkommens hat esauch Gespräche gegeben, an denen ich teilge-nommen habe, bevor ich diese Position hatte.Also von daher fühlte ich mich auf dem Level, je-denfalls was die Diskussion, die Fortführung derDiskussion nach dem Sommer 2013 angeht.

Christian Flisek (SPD): Dann muss ich mir das sovorstellen: Dann kriegen Sie Akten vorgelegt oderdie Sie selber anfordern können, und Sie müssensich das selber erarbeiten? Ich meine, es ist jadoch schon so: Wenn man jetzt im Innenministe-rium war, dann liest man andere Akten, gehe ichmal davon aus, als jetzt, wenn man im Kanzler-amt ist. Und selbst wenn man vier Jahre vorherda war: Die Welt hat sich in diesen vier Jahrendoch erheblich gedreht. Und sozusagen jetzt ausder Sicht der Fachaufsichtsbehörde noch mal aufdie Dinge zu schauen, auch mit den Informatio-nen, die im Zweifel nur im Kanzleramt vorhan-den sind, ist ja doch noch mal eine andere Per-spektive.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Na ja, ich kannmich erinnern, dass ich zum Teil natürlich zulaufenden Vorgängen schriftliche Unterlagen be-kommen habe, also wenn ich Mitte Januar dorteingestiegen bin. Zum anderen - das ist eine Me-thode, die auch ich persönlich bevorzuge - gibt esnatürlich nicht nur tägliche Runden mit den Re-feratsleitern, Vertretern der Referate, sondern hates dort am Anfang natürlich in besonderer Weisegegeben, an der die Abteilungsleitungen, Stell-vertreter und die Referatsleiter teilgenommen ha-ben, und da fühlte ich mich à jour gesetzt.

Christian Flisek (SPD): „Laufende Vorgänge“ istein gutes Stichwort. Herr Pofalla hat uns hier indiesem Ausschuss unlängst gesagt - und da ha-ben wir sehr intensiv die Instrumente der Fach-aufsicht erörtert und sind auch auf die Frage ge-stoßen, ob es denn ausreicht, in einer Situation,wo man vielleicht Missstände feststellt, dann nurWeisungen zu erteilen -, dass er in Bezug auf dieUmsetzung seiner Weisungen aus dem Oktober2013 auch einen Bericht angefordert hätte. Daswar ganz interessant. Herr Heiß, Abteilungslei-ter 6 wusste davon gar nichts. Und da würde ichSie jetzt ganz gerne mal fragen: Laufende Vor-gänge im Januar: Ist das bei Ihnen aufgetaucht,dass da ein Bericht angefordert wurde von HerrnPofalla, der eventuell mal, wenn er denn nichtjetzt kommt, anzufordern ist noch mal?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein, ist nicht auf-getaucht.

Christian Flisek (SPD): Das halte ich ja, alsojetzt - ich unterstelle das jetzt, was Sie sagen,weil wir ja da auch eine gewisse - - Wir haben jaauch zumindest mal entsprechende Vollständig-keitserklärungen vom Bundeskanzleramt, wovonich ausgehe, dass, wenn es einen solchen Berichtjemals gegeben hätte, er dann auch in unserenUnterlagen wäre, weil man sicherlich davon aus-gehen kann, dass er untersuchungsgegenständ-lich ist. All das gibt es nicht; er ist noch nichtmal irgendwo angedeutet. Wir haben das aber aufmehrfache Nachfragen Herrn Pofalla - - also ihndamit konfrontiert, und er ist dabei geblieben: Ja,er hat einen solchen Bericht angefordert. - Wassagen Sie denn dann dazu? Ist das - - Hat er daserfunden?

Page 24: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 24 von 193

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Herr Abgeordneter,ich kann ja nicht bewerten, was ein Zeuge gesagthat. Ich kann nur feststellen - und da bin ich alsZeuge derjenige, der feststellen muss -: „Hat es soeinen Bericht gegeben? Habe ich ihn gekannt?“,und dazu kann ich Ihnen nur sagen: Nein.

Christian Flisek (SPD): Gut, dann müssen wir da-raus die Schlussfolgerungen ziehen. Und dannwerden wir wohl wahrscheinlich nicht drum her-umkommen, zu sagen, dass das eine Schutzbe-hauptung vielleicht von Herrn Pofalla ist. Aberdas werden wir dann noch mal insgesamt klärenmüssen.

Die Frage, die ich jetzt noch mal an Sie auchhätte, wäre also das berühmte Kanzlerinnenzitat.Wir hängen uns da immer so gerne deswegendran auf, weil das eben - - Die Bundeskanzlerinhat ja insgesamt recht wenig zu dem Thema ge-sagt, und deswegen ist es ganz interessant, dannzumindest damit zu arbeiten.

Also: Ausspähen unter Freunden. Aus Ihrer Sichtauch dann im Januar 2014, war das, was sie dagesagt hat, eine Beschreibung des Status quo,oder war das die Ausübung, ich sage mal, derRichtlinienkompetenz der Kanzlerin im Sinne:„So soll es werden in Zukunft“, oder war es viel-leicht was Drittes, was ich jetzt gerade nicht aufdem Bildschirm habe?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Na, ich habe dieAussage der Kanzlerin - - Übrigens ist es ja nichtdie einzige gewesen. Das war die Zeit nicht nurdes Wahlkampfes, sondern auch der Sommer-interviews, und da sind ja verschiedeneAussagen der Kanzlerin, wenn ich mich richtigerinnere, 2013, im Sommer -

Christian Flisek (SPD): Auch in diese Richtung,genau.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: - gefallen. Und nachmeiner Überzeugung, weil ich ja in groben Zügenauch als Innenstaatssekretär das Auftragsprofilder Bundesregierung kenne, bin ich davon ausge-gangen, dass das eine Äußerung ist, die sich da-mit deckt, dass das, was Partner angeht, nichtAufgabe des Bundesnachrichtendienstes ist.

Christian Flisek (SPD): Also, Sie haben jetzt Be-zug genommen auf das Auftragsprofil. Das ist jaauch richtig. Das ist ja sozusagen die Blaupause,wenn wir die Frage beantworten: Was ist inner-halb deutscher Interessen, und was ist nicht in-nerhalb deutscher Interessen? - Jetzt würde ichSie mal konkret fragen wollen. Wenn der BNDdie Handynummer - fiktiver Fall - eines europäi-schen EU-Außenministers abhört - nehmen wirmal den Fall eines Mitgliedsstaates, was frühereine Kolonialmacht war, mit vielen, vielen ehe-maligen Kolonien in Afrika beispielsweise - undjetzt sagt: „Na ja, den spionieren wir aus, weil dereben oft mit irgendwelchen anderen Außenmi-nistern aus allen möglichen afrikanischen Staa-ten telefoniert und wir über diesen Kontakt un-glaublich viele Informationen aus diesen Ländernbekommen, wo viele dieser Länder oder einigezumindest auch Gegenstand des Auftragsprofilsunserer Bundesregierung sind“: Würden Sie nachdem Zitat der Bundeskanzlerin sagen, dass so et-was noch davon gedeckt ist, oder nicht?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, das, was Siejetzt gerade geschildert hatten: Unterstellt, so et-was hätte stattgefunden, dann ist das durch dasZitat, aber auch durch das Aufgabenprofil derBundesregierung nicht gedeckt. Es gibt auch nachdem neuen BND-Gesetz einen besonderen Schutzfür EU-Regierungen, Mitglieder der Regierungen,Institutionen und EU-Bürger.

Christian Flisek (SPD): Darf ich gerade kurz?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja.

Christian Flisek (SPD): Entschuldigen Sie, dassich unterbreche. Natürlich, das ist sozusagen jetztauch das neue BND-Gesetz. Wir unterhalten unshalt über den damaligen Zeitpunkt. Und wir ha-ben ja jetzt sozusagen damals eine andere Rechts-lage gehabt. Ich würde Sie noch mal mit der altenRechtslage gerne konfrontieren.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Gut. So groß ist derUnterschied nicht; denn der Auftrag des Bundes-nachrichtendienstes wird artikuliert durch dasAuftragsprofil der Bundesregierung. Und nurnach dem Auftragsprofil, also bezogen auf The-

Page 25: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 25 von 193

men oder Länder, die die Bundesregierung vor-gibt, hat der Bundesnachrichtendienst seine Auf-klärung zu betreiben. Da kann es durchaus vor-kommen, dass Themen betroffen sind, die auchin der EU eine Rolle spielen. Das habe ich auchin offenen Gesprächen meinen Partnern, die janachgefragt haben, warum wir jetzt so ein BND-Gesetz haben, dargestellt: Wir haben eben The-men, wie die Bekämpfung des Terrorismus oderdie Bekämpfung der Proliferation, wo es durch-aus, wenn jemand dort tätig ist - das ist wahr-scheinlich der falsche Begriff -, aber jedenfalls indem Bereich hier etwas, was dieses Thema an-geht, begeht oder mit involviert ist - - dass derBundesnachrichtendienst zu Recht hier Aufklä-rung betreiben darf, und das wird es auch künftiggeben.

Christian Flisek (SPD): Also, nur noch mal, da-mit wir es jetzt richtig verstehen: Sie sagen, nachalter wie nach neuer Rechtslage wird der BNDauch weiterhin EU-Regierungsmitglieder, die miteiner hohen Wahrscheinlichkeit regelmäßig mitanderen Regierungen aus Ländern, die in demAuftragsprofil der Bundesregierung genannt sind,konferieren - - wird es so sein, dass man sie aus-spioniert.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das habe ich, HerrAbgeordneter Flisek, nicht gesagt, -

Christian Flisek (SPD): Sondern?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: - sondern ich habegesagt, dass es durchaus im Auftragsprofil desBundesnachrichtendienstes sein kann, dass er zuRecht SIGINT, ob G-10-Maßnahmen oder Rou-tine, auch im Bereich der EU durchführt, wennes um die Themenfelder Terrorismus, Prolifera-tion oder Bekämpfung von organisierter Krimina-lität geht. Das habe ich - -

Christian Flisek (SPD): Aber das ist doch einganz anderes Feld, Herr Fritsche. Noch mal: Dahaben wir ja auch gar keinen Dissens, sonderndas ist die neue Rechtslage. Wir haben gesagt, ge-nauso wie wir beim G-10-Schutz ja kein Absolut-heitsschutz haben - - sondern wenn jemand ir-gendwo terroristischer Gefährder ist oder sonst

irgendwie, dann haben wir da ja auch die Mög-lichkeiten, Ausnahmen von der Regel zu machen.Wir haben jetzt nur nach der neuen Rechtslageeine weitestgehende Gleichbehandlung zwischenG-10- und EU-Bürgern in diesem Bereich. DieAusnahmen stehen da. Die Frage ist: Passt es mitdem Kanzlerinnenzitat zusammen - ich mache esjetzt mal konkret -, dass man - fiktiv - den franzö-sischen Außenminister regelmäßig abhört, weilman weiß, er spricht mit allen möglichen Regie-rungschefs in Afrika, telefonisch, und weil manüber diese Länder Informationen haben will, des-wegen hält man die Leitung zum französischenAußenminister über Überwachung? Ist das nachwie vor aus Ihrer Sicht kompatibel mit dem, wasdie Kanzlerin gesagt hat?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Es ist kompatibel,was die Kanzlerin gesagt, und so habe ich sie ver-standen. Im Übrigen müssen Sie natürlich dieKanzlerin selbst dazu fragen. Aber sie hat es jawiederholt, wie ich vorhin gesagt habe, in ver-schiedenen Interviews, dass es natürlich nur seinkann, dass der Bundesnachrichtendienst aufklärt,sei es HUMINT, SIGINT oder andere Maßnah-men, wenn es sich innerhalb des Aufgabenprofilsder Bundesregierung bewegt, und dass dabeiauch Grundsätze zu beachten sind, wie derGrundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Sub-sidiaritätsgrundsatz. Ich habe, genauso wie Siejetzt gesagt haben, ganz generell bezogen auf Poli-tiker, Ihnen nur ein Beispiel dafür gegeben, dasses eben Themenbereiche gibt.

Christian Flisek (SPD): Ja, ja. Noch mal, HerrFritsche: Aber ist es verhältnismäßig - jetzt frageich Sie -, dass man zur Zweckerreichung, Infor-mationen, ich sage jetzt mal, über beispielsweiseein Land wie Mali zu erreichen, ein französischesRegierungsmitglied überwacht? Also, StichwortMali, unterstelle ich mal, ist mit einer hohenWahrscheinlichkeit vielleicht Teil des Auf-tragsprofils. Weiß ich nicht, kann ich hier auchnicht sagen; wissen Sie; aber unterstelle ich jetztmal. Nehmen wir mal den Fall - wir unterstellendas mal -, Mali ist Teil. Ist es verhältnismäßig,dass ich dann sozusagen ein französisches, alsoein EU-Mitglied, ein Regierungsmitglied der EUunter Überwachung nehme, und wie verhält sichdas mit dem, was die Kanzlerin gesagt hat?

Page 26: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 26 von 193

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein, das habe ichIhnen ja versucht - vielleicht liegt es an mir, dassich es nicht klar genug gemacht habe - - Das istnicht verhältnismäßig. Das ist ja das Problem, daswir gesehen haben im Hinblick darauf, wie dasAPB und die Aufgaben aus dem APB seitens desBundesnachrichtendienstes interpretiert wordensind. Ich wollte nur darauf hinweisen - und ichwill jetzt nicht auf französisches Regierungsmit-glied oder irgendeine Region eingehen -, dass esnicht auszuschließen ist - und das war damals sound ist jetzt mit einem besonderen Schutz insBND-Gesetz aufgenommen worden -, dass es hö-here Hürden dafür gibt, dass EU-Bürger, EU-Re-gierungsmitglieder in die SIGINT-Erfassung gera-ten können, in die Routineerfassung geraten kön-nen. Es ist aber vor dem Hintergrund - was ichgesagt habe - zur Bekämpfung Terrorismus,Proliferation nicht auszuschließen. Das wollteich nur auch aufgrund der neuen Rechtslagenoch mal ganz klar darstellen.

Christian Flisek (SPD): Gut. - Das bedeutet aber:Wenn es jetzt grundsätzlich keinen Fall des Ter-rorismusverdachts gibt gegen irgendein Regie-rungsmitglied, dann können Sie zum heutigenZeitpunkt ausschließen, dass der BND weiterhinRegierungsmitglieder der EU unter diesem Vor-wand unter Überwachung hat.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das ist eine der Fol-gen, die wir auch in der Fach- und Dienstaufsichtmit dem Bundesnachrichtendienst besprochenhaben und wo die Fragen eben, ob Selektorenhier falsch gesteuert werden, in dem Sinn, wieSie es beschrieben haben - - die Qualitätssiche-rung eingeführt haben.

Christian Flisek (SPD): Frage noch mal: KönnenSie das hier heute ausschließen, dass das weiter-hin stattfindet?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, ich muss nachallem, was ich in der Kontrolle des Bundesnach-richtendienstes bisher gesehen habe in der Aufar-beitung - - kann ich das ausschließen.

Christian Flisek (SPD): Gut. Weil der Vorsitzendedas gerade angesprochen hatte. Eigentlich wollte

ich das gar nicht in der ersten Runde machen,aber wir können es jetzt gleich - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Die Zeit wäreauch um.

Christian Flisek (SPD): Ja?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ja.

Christian Flisek (SPD): Wirklich? So schnell?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ja, schondeutlich. Sogar schon drei Minuten, um genau zusein.

Christian Flisek (SPD): Ich hätte gar nicht „Vor-sitzender“ sagen dürfen, jetzt hat er - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ist er wachgeworden.

Christian Flisek (SPD): Also, dann machen wir esin der nächsten Runde. Danke.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dankeschön. - Dann kommen wir zu der FraktionBündnis 90/Die Grünen. Herr Kollege von Notz.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Vielen Dank, Herr Vorsitzender. - GutenTag, Herr Fritsche! - Anknüpfend an die Gedan-ken des Kollegen Flisek und diese grundsätzlicheFrage noch mal, was man denn vor dem März2015 wusste: Sie haben ja sozusagen die Snow-den-Enthüllungen damals aus dem BMI praktischverfolgt - nicht? -, aus der Perspektive des BMI?

(Der Zeuge nickt)

Und als die Kanzlerin das gesagt hat im Sommer,dieses „Abhören unter Freunden geht gar nicht“,hatten Sie da ein Störgefühl, oder haben Sie ge-dacht: „Die Frau hat recht“?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein, ich versuchees noch mal zu wiederholen, was ich auch ver-sucht habe Herrn Abgeordneten Flisek zu sagen:Für mich war das kompatibel mit dem, was das

Page 27: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 27 von 193

Auftragsprofil der Bundesregierung ist und wasder BND zu leisten hat.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Haben Sie gesagt: „Die Frau hat recht, Ab-hören unter Freunden, das ist empörend“?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Da kann ich michnicht mehr erinnern, ob ich das genau so zitierthabe; aber ich habe ein ungutes Gefühl gehabt.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Sie brauchen ja nicht zu sagen, sie hat im-mer recht. Das würde jetzt für den einzelnen - -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das geht über denUntersuchungsgegenstand hinaus.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das stimmt. Na gut. - Aber Sie haben ge-sagt sozusagen aus der damaligen Perspektiveauch des für Spionageabwehr zuständigen BMI:Das ist richtig, Abhören unter Freunden geht garnicht. - Und in den Reisen, die Sie dann unter-nommen haben in die USA und so, da hat Ihnennie mal jemand gesagt: „Sagt mal, Leute, ihrmacht das doch selbst“? Die Washington Post hatdoch dann da irgendwie so veröffentlicht:300 US-Amerikaner werden - -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das wird ja irgendein amerikanischerDienst dann mal zur Information der deutschenSeite öffentlich gemacht haben. - Also haben diedas mal an Sie adressiert, dass man das irgend-wie anders sieht, oder?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Außer dem, was Siezu Recht gesagt haben, was ich in den Medienauch gelesen habe, ist das vonseiten der US-Ge-sprächspartner nicht problematisiert worden undauch nicht von meinen Begleitern; darunter warder BND-Präsident.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Also, das BMI bis zur Wahl und Koali-tionswechsel und dann bis zum März 2015 dasBundeskanzleramt waren im Hinblick darauf,

dass die Praxis des Bundesnachrichtendienstesselbst und die Aussagen der Bundeskanzlerin imWahlkampf 2013 diametral auseinanderfallen,nicht im Bilde?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: So ist es.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Jetzt haben Sie gesagt, der Chef, Präsidentdes BND kann ohne Angabe von Gründen entlas-sen werden. Das ist ja formaljuristisch nicht an-zugreifen und ist sicherlich so. Aber für die öf-fentliche Rezeption dessen, was passiert ist, an-gesichts dieses ungeheuerlichen Zustandes, dassnach diesen Unwahrheiten, die Frau Merkel daverbreitet hat im Bundestagswahlkampf 2013, diePraxis des BND noch über zwei Jahre weiterlief,also, was haben Sie denn für Konsequenzen gezo-gen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das, was ich aucheinleitend auf die Frage des Vorsitzenden schongeantwortet habe, nämlich dass ich dafür zu sor-gen habe, dass die Fehler, die geschehen sind, fürdie Zukunft nicht mehr geschehen werden.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das ist aber - gestat-ten Sie, Herr von Notz -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Verzeihen Sie.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: - natürlich derHauptpunkt. Denn wenn wir gemeinsam zu derÜberzeugung kommen, dass - Grundsatz der Ver-hältnismäßigkeit und weit über das Auftragspro-fil der Bundesregierung hinaus - etwas geschieht,dann hat die Fach- und Dienstaufsicht dafür zusorgen, wenn sie es erfährt, dass sie da etwas un-ternimmt. Das ist die Hauptsache.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aber hat sie nicht eine Holschuld bezüg-lich dieser Information, weil sich die Bundes-kanzlerin da so aus dem Fenster lehnt? Oder istdas einfach so okay, dass - -

Page 28: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 28 von 193

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, für mich hatsich die Bundeskanzlerin nicht aus dem Fenstergelehnt und auch, würde ich jetzt sagen - jeden-falls aus meiner Bewertung; ich bin zwar alsZeuge da, aber vielleicht gestatten Sie mir eineBewertung - - dass sie die Unwahrheit gesagt hat.Sie ist ja, wenn ich das Ganze betrachte - und ichbin ja vorhin gefragt worden, ob ich da irgendwiestutzig geworden bin und irgendetwas gesagthat - - Für mich war das kompatibel. Und deswe-gen hat die Kanzlerin das gesagt, was das Aufga-benprofil - - und das, was der BND im Auftragder Bundesregierung zu machen hat, zu machenist.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aber die Bundeskanzlerin hat sich als Op-fer stilisiert im Bundestagswahlkampf und da-nach, 2013, während die amerikanische Seite ge-sagt hat: Così fan tutte. Und die Deutschen, diewaren irgendwie im Empörungsmodus unter-wegs, und dann stellt sich raus, im März 2015:Wir machen es genauso. Deswegen: Sie könnenjetzt sagen, hat sie die Unwahrheit gesagt odernicht; aber sie hat ein Bild in der Öffentlichkeiterzeugt, was den Realitäten des Bundesnachrich-tendienstes nicht entsprochen hat. Oder, HerrFritsche, ich sage es mal so: Stellen Sie sich malvor, die Bundeskanzlerin hätte im Bundestags-wahlkampf 2013 nach den Snowden-Veröffent-lichungen gesagt oder nachdem ihre Handynum-mer da offensichtlich im Fokus der NSA steht:Ach, das ist alles völlig wurscht, machen wir al-les genauso. - Denn das wäre die wahrheitsge-mäße Antwort gewesen: Liebe Leute, regt euchnicht auf, die Geheimdienste halten sich - - dienehmen das da nicht so genau mit dem Grund-satz der Verhältnismäßigkeit, und übrigens un-sere auch nicht. - Aber das hat sie ja nicht kom-muniziert, sondern sie hat gesagt: Das ist empö-rend, und das geht nicht. Und ich rufe jetzt malbei dem Obama an und sage dem mal, wo eslanggeht. Und mir persönlich hat er gesagt:Meine Nummer wird er nicht mehr steuern. - Sowar, glaube ich, die Linie. Aber das war ja eineIrreführung der Öffentlichkeit.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, auch das istweniger durch einen Zeugen zu beantworten als

mehr durch einen Gutachter oder eine Bewer-tung.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Aber nach dem, wasmir selbst bekannt war, war die Äußerung derKanzlerin insoweit logisch und im Hinblick da-rauf, dass in den Medien dann gesagt worden ist:„Das kann ja wohl nicht sein, das Handy derKanzlerin, dass es hier zu Gesprächen auf hoherEbene führt“, das ist ja auch mehr als selbstver-ständlich.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Jetzt Ihr Wechsel - das wurde ja eben hierauch schon diskutiert - ins Bundeskanzleramt:Das Interessante ist ja, dass durch den Weggangvon Pofalla im Grunde so eine Art Betreuung derNachsorge Snowden-Veröffentlichungen drohteabzureißen. So würde ich jetzt aus meinem ganzlogischen Verständnis das sehen - es sei denn,Herr Pofalla setzt sich mit Herrn Altmaier zusam-men und macht eine Übergabe der Dinge: Ach,übrigens, ich habe da so einen Vermerk angefor-dert, der ist bis heute nicht vom Bundesnachrich-tendienst gekommen, und diese Selektoren undso, da müssen wir auch noch mal nachguckenund so. - Das ist offenbar ja nicht erfolgt. Das ha-ben jetzt mehrfach viele gefragt, und Sie wissenwahrscheinlich davon auch nichts. Und HerrSchindler hat nun mehrfach gesagt - ich zitieredas jetzt wörtlich -, dass Sie, Fritsche, voll imSaft gestanden hätten.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Na hoffentlich!

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, mit 63 Jahren. Nein, also inhaltlich,thematisch und weil Sie offensichtlich in all denRunden nach Snowden-Diskussionen und soeben dabei gewesen sind. Das macht ja auchSinn, fand ich. Jetzt ist eben die Frage, ob es davielleicht dann in dem Austausch oder in demKenntnisstand zwischen Pofalla und dem Innen-ministerium oder wie auch immer irgendwie zueinem Informationsflussabbruch gekommen ist,dass diese Ungeheuerlich, die ich ja teile, wennman die Presseerklärung des Bundeskanzleramts

Page 29: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 29 von 193

liest, dass eben der BND einfach zwei Jahre soweitergemacht hat wie bisher - und würde es die-sen Untersuchungsausschuss nicht geben, dannwürde das bis heute so weiterlaufen - - dass manda eben irgendwie nichts gemacht hat, also dassdiese Übergabe irgendwie nicht funktioniert hat.Wie gucken Sie denn darauf, denn Sie sind ja ir-gendwie auch ein Teil dieser Übergabe?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, zunächst ein-mal haben Sie ja darauf hingewiesen, dass ich invielen Besprechungen im Sommer 2013 dabeiwar. Da habe ich den Papst des Bundesinnen-ministeriums zu spielen gehabt. Da war ja dieFrage, die ich vorhin schon gesagt habe, Spio-nageabwehr: Wie können wir so was aufklärenals zuständig für die Inlandsaufklärung? Insoweithabe ich einen Part gehabt, und insoweit war ichja auch einbezogen als Delegationsleiter AnfangAugust 2013, als die Reise nach Washingtonstattgefunden hat. Aber die Fragen, was jetzt dieSelektoren - - was mir bekannt geworden ist, am13. März 2015, das ist - soweit ich mich erinnere,und da gehe ich wirklich fest davon aus - in kei-ner der Besprechungen angesprochen wordenund auch in keinem Übergabegespräch. Also, ichhabe auch kein Übergabegespräch mit HerrnPofalla geführt. Der war ja, glaube ich, schonlängst weg, wie ich Mitte Januar dann ins Kanz-leramt gekommen bin.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. Er ist, glaube ich, im Dezember gegan-gen. - Aber können Sie denn sozusagen irgend-eine Konsequenz, die das Bundeskanzleramtdann mal, abgesehen von dieser scharfen Presse-erklärung, gezogen hat, benennen im Hinblickdarauf, dass man eben in Unkenntnis gehaltenwurde vonseiten des Bundesnachrichtendienstesüber die tatsächliche Praxis und auch über dasLöschen von Zehntausenden von Selektorenwährend der Affäre, vor der Bundestagswahl?Auch darüber hat man ja offensichtlich weder inden oberen Etagen des Bundesnachrichtendiens-tes noch im Bundeskanzleramt irgendjemandeninformiert. So wird uns das hier zumindest er-zählt. Und hat man da irgendwelche disziplinar-rechtlichen oder irgendwie anders gearteten Kon-sequenzen gezogen, oder sagt man einfach:„Künstlerpech; manchmal läuft es einfach

schlecht. Wir haben eine Presseerklärung rausge-geben, die den BND arg gebasht hat, und das wares jetzt“?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das müsstedann die letzte Frage sein.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, ich habeschon Zweifel, ob diese Frage nach personellenKonsequenzen und disziplinarrechtlichen Konse-quenzen jetzt wirklich vom Untersuchungsgegen-stand gedeckt ist, aber ich gerne bereit, -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Jeglicher Art von Konsequenzen, Herr Frit-sche.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: - noch mal daraufhinzuweisen. Aus meiner Sicht war das Erste,materielle Konsequenzen zu ziehen und zu fol-gern. Das waren die, wie ich vorhin schon aufmehrere Fragen gesagt habe: von den ersten Wei-sungen bis hin Qualitätssicherung und der Frage,wie die Organisation im BND künftig verbessertwerden kann. An zweiter Stelle stehen personelleKonsequenzen. Und da sage ich ganz einfach -das habe ich versucht vorhin ja auch schon maldarzustellen -, dass es hier wohl eine falsche Be-wertung gab seitens der Mitarbeiter im Bundes-nachrichtendienst, was APB-konform seinkönnte, und dass das sicher auch nicht in derHierarchie nach oben getragen worden ist; dennder Präsident des Bundesnachrichtendiensteswusste es ja ebenfalls nicht; der hat es ja mit demKanzleramt erfahren, also fast zeitgleich erfahren.Da gibt es sicher Dinge, die zu Umsetzungen ge-führt haben, zu Versetzungen geführt haben, dieteilweise geplant waren. Da gibt es sicher Ein-schneidungen in der beruflichen Karriere; aber eshat keinen Grund für - aus meiner Sicht - diszi-plinarrechtliche Maßnahmen gegeben.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dann kom-men wir zur nächsten Fraktion, der Fraktion derCDU/CSU. Herr Kollege Schipanski beginnt.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Vielen Dank,Herr Vorsitzender. - Guten Tag, Herr Fritsche! -Ich knüpfe vielleicht direkt an das an, was derHerr von Notz und der Herr Flisek gefragt hatten.

Page 30: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 30 von 193

Noch mal mit Blick auf Januar 2014, der Amts-wechsel von Ihnen ins Bundeskanzleramt. Jetzthaben wir ja diskutiert, dass Herr Pofalla Sie danicht irgendwie eingewiesen hat, es gab keinTreffen zwischen Ihnen. Aber ich möchte da malauf den Abteilungsleiter 6, den Herrn Heiß, bli-cken. Inwieweit hat er Sie denn informiert, insbe-sondere über diese Selektorenproblematik?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, er hat michnicht informiert; sonst würde ja nicht stimmen,was ich einleitend gesagt habe: dass ich erst am13.03.2015 von dieser Selektorenproblematik er-fahren habe.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Wie erklärenSie sich das denn? War das Thema nicht wichtiggenug für so einen Wechsel, dass man jemandendarauf hinweist?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Da bitte ich umNachsicht, da müssen Sie natürlich vor allemHerrn Heiß fragen. Aber für mich war nachvoll-ziehbar, dass er gesagt hat, dass das, was offen-sichtlich im Sommer oder im Oktober, glaubeich - nach Aktenstudium weiß ich das ja -, 2013passiert ist - - dass er die Verknüpfung nicht ge-zogen hat und dass er erst jetzt, als das im März2015 aufgeploppt ist, die Verknüpfung in derDeutlichkeit gesehen hat.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Haben Sie imNachhinein mit dem Herrn Heiß das mal aufgear-beitet oder mal besprochen, wieso er Sie damalsda nicht hingewiesen hat, oder?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das war seine Er-läuterung, und die war für mich nachvollziehbar.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Okay. - Jetzthaben wir ja festgestellt, dass Sie letztlich oderdas Kanzleramt erst im März 2015 über die ge-samte Problematik unterrichtet wurden, dass inder Abteilung TA das schon wesentlich längerlief. Sie haben ja jetzt so ein bisschen probiert zuerklären, wie sich dieser Umstand ergeben hat.Uns würde aber schon interessieren: Was habenSie jetzt - Herr von Notz hat angesprochen dieWeisung, die Sie gegeben haben mit Blick auf dasInformationsverhalten innerhalb des Dienstes

und von der Dienst- und Fachaufsicht - - Was istdenn jetzt konkret passiert an organisatorischenUmstrukturierungsmaßnahmen als Lehre ausdem, was da vorgefallen ist?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also zunächst ein-mal innerhalb der Struktur, weil wir ja gleich rea-gieren mussten, die Aufforderung, dass die Mel-dungen im Bereich der Selektoren, aber anderenwichtigen Dingen bis zur Abteilungsleitung undvon der Abteilungsleitung bis zur Dienstleitungzu transportieren künftig, weil es ja offensicht-lich in der Vergangenheit nicht passiert ist, unddie Fach- und Dienstaufsicht entsprechend zuunterrichten. Das war das Sofortige, was wir hierleisten mussten, vor dem Hintergrund auch derFrage, dass das Ganze ja durch den Untersu-chungsausschuss befangen ist, auch Fragen, dassbis zu einem gewissen Stand, also die Listen, diehier eine Rolle gespielt haben, eingefroren wer-den und zur Verfügung gestellt werden können.Das hat eine Rolle gespielt.

Und dann hat eine Rolle gespielt, was ich ver-sucht habe vorhin auch schon zu sagen, dass wirdie Qualitätssicherung ganz allgemein verbessernmüssen. Hierzu hat der Präsident des Bundes-nachrichtendienstes uns vorgeschlagen in derFach- und Dienstaufsicht, dass er nicht nur dieBundesdatenschutzbeauftragte hier enger mit ein-binden will und dass er selbst ein Kontroll-gremium im Dienst mit der behördlichen Daten-schutzbeauftragten eingerichtet hat, sondern dasser auch im Hinblick auf die Organisations-defizite, die es gibt und die die Bundesregierungja in ihrer Presseerklärung vom Frühjahr 2015angesprochen hat - - dass hier etwas geschehenmuss, dass er vorschlägt, dass das einem Exter-nen zur Untersuchung übergeben wird. Hier be-finden wir uns im laufenden Verfahren. DasGanze hat zu einem Abschlussbericht geführt,und derzeit ist der Dienst dabei - ich bin gernebereit, dieses Wissen mit Ihnen zu teilen -, dasGanze aufzuarbeiten und zu den Vorschlägen, diedort gemacht worden sind, Stellung zu nehmen,damit wir dann gemeinsam, Fach- und Dienst-aufsicht und der Bundesnachrichtendienst, hierdie Struktur verbessern können.

Page 31: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 31 von 193

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Das heißt, obdiese Weisungslage ausreichend ist, um dieseInformationspannen der Vergangenheit zuverhindern, das ist noch offen und kommt jetztfaktisch erst im Rahmen dieses Berichtswesenszum Ausdruck.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, die Weisun-gen haben natürlich zunächst einmal den Sinngehabt, ähnliche Informationsdefizite - und da-von sprechen wir ja hier - seitens der Leitung desDienstes und der Fach- und Dienstaufsicht fürdie Zukunft auszuschließen. Aber systemischeDinge, die müssen natürlich auch dann syste-misch-organisatorisch aufgegriffen werden; undda gibt es ja Dinge, die auch die sachverständigeVertrauensperson kritisiert hat, was Lesbarkeitenim technischen Bereich angeht und, und, und.Und die müssen umgesetzt werden und sind teil-weise auch schon umgesetzt.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Okay. - Ichmöchte zurückgehen auf eine Zeit, wo Sie AL 6im Kanzleramt waren. Sie kennen ja den PKGr-Bericht, diesen Sonderbericht von der Taskforce,die es da gab. Und die stellt nunmehr fest aufSeite 15 des entsprechenden Berichtes - das ist jaeine Bundestagsdrucksache -:

Den Vorgang aus dem Jahr 2008zu unbeabsichtigten Informations-erhebungen von UN und EU-Funktionsträgern hätte das Bun-deskanzleramt zum Anlass füreine kritische Nachfrage zur Steu-erungspraxis bei der strategischenFernmeldeaufklärung des BNDnehmen können.

Hatten Sie denn 2008 Kenntnis von diesem Vor-gang? Sagt der Ihnen was?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das ist der Vorgang,der vorhin schon mal eine Rolle gespielt hat. Ichhabe gesagt, dass ich von diesem Vorgang in ei-ner anderen Maßnahme - da möchte ich aus-drücklich drauf hinweisen, nicht in der Frage derRoutine oder der SIGINT-Aufklärung - - dass hierzufällig etwas in einer supranationalen Organisa-tion aufgefangen worden ist und dass wir damals

gesagt haben seitens der Fach- und Dienstauf-sicht: „Schließt das aus, möglichst automati-siert“, worauf der BND zurückgefragt hat: Ja, giltdas jetzt ganz grundsätzlich? Und wir - - DasSchreiben des BND, wenn ich es noch richtig inErinnerung habe, war: Das werden wir für dieZukunft, was das zufällige Aufgreifen angeht,also das nicht beabsichtigte Aufgreifen, verhin-dern; im Übrigen hätte natürlich das Auswirkun-gen auf HUMINT, SIGINT und auf die gesamteTätigkeit, wenn wir das grundsätzlich untersagenwürden. - Da gilt das, was ich vorhin in der Dis-kussion, ich glaube, mit dem Abgeordneten Fli-sek, gesagt habe: dass es auch nach dem neuenBND-Gesetz und nach dem Auftragsprofil derBundesregierung durchaus möglich ist, dass be-rechtigterweise der BND hier Aufklärung be-treibt. Und das wollen wir nicht über einenKamm scheren. Deswegen haben wir gesagt: „Beiden zufällig Erfassten, das habt ihr auszuschlie-ßen“, und das hat der BND noch einmal rückfra-gend quasi bestätigt. Wir haben dann gesagt dazu:Damit sind wir einverstanden, müssen wir, ichglaube, auch keine schriftliche Antwort geben.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Vielleicht daauch noch mal anknüpfend - das war ja der Mali-Fall vom Kollegen Flisek, also Abhören einesFranzosen, um an Informationen in Mali zu kom-men -: In diesem PKGr-Bericht wird zudem emp-fohlen - ich zitiere wieder -, dass

… der nachrichtendienstlicheMehrwert gegenüber dem potenti-ellen politischen Schaden abge-wogen werden

sollte. - Ist das denn Ihres Wissens bislang nichtpassiert?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das ist Weisungs-lage, ganz grundsätzlich. Und zwar auch schonvor den Vorkommnissen, also der Kenntnis, sageich jetzt mal, im März 2015 seitens des Kanzler-amtes und der Leitung des BND war es schon im-mer so, dass der Nutzen abzuwägen ist mit dem,was man durch das Aufklären erreichen kann.Auch das ist ein Ausfluss aus dem Grundsatz derVerhältnismäßigkeit. Das betrifft aber nicht nurSIGINT, sondern es betrifft auch HUMINT. Das

Page 32: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 32 von 193

kulminiert quasi in dem Satz: Wenn ich etwasdurch öffentliche Quellen erreichen kann, dannmuss ich es mit den öffentlichen Quellen neh-men und kann es nicht noch mal nachrichten-dienstlich nachsteuern, nur um festzustellen,dass ich zu dem gleichen Ergebnis komme - alsojetzt sehr pauschal ausgedrückt.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Wenn wir dasso ähnlich pauschal sehen: Was passiert denn,wenn Sie politisch brisantes Aufkommen habenvon einem Botschafter oder einem Regierungs-mitglied eines befreundeten Staates? Wie wirddamit im Dienst umgegangen? Einmal vielleichtvor Oktober 13 und einmal nach Oktober 13.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Na ja, vor Oktober13 ist es sicher so gewesen, dass der Dienst - dashatten wir auch vorhin schon in der Diskussion -vieles gesagt hat. Das Thema, über das gespro-chen worden ist, oder der Inhalt ist gedecktdurch das APB, und zwar ganz pauschal, unddeswegen dürfen wir das für die Finished Intelli-gence, für unsere Berichte, nutzen.

Nach dem März 2015 haben wir nicht nur unsereWeisungen gegeben, sondern eine der Folgen warauch, das BND-Gesetz zu reformieren, und hierist ganz dezidiert gesagt, dass es einen besonde-ren Schutz für EU-Bürger, für EU-Einrichtungenund für Regierungen von EU-Mitgliedstaaten gibt,dass das zwar nicht ausschließt - das steht auchin dem Gesetz; das ist in der Routine; und hiergeht es ja bei der Rechtsgrundlage nur um dieRoutineaufklärung -, dass das künftig eine Rollespielen könnte, aber es sind bestimmte Hürdenformeller Art, nämlich wer es zu genehmigen hat,bis hin zum Chef des Bundeskanzleramtes, ummit dieser politischen Frage umzugehen. Das istdie definitive Änderung gegenüber der Zeit vordem März 2015.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Okay. Aber werhat denn letztlich diese Abwägung im BND vor-genommen? Wer war denn da zuständig? Warendas die Außenstellen, oder?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Wenn ich das rich-tig sehe, dass es teilweise Mitarbeiter in der Liniewaren, teilweise in den Außenstellen, die das

entschieden haben, nach dem, was mir bekanntist.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Nach dieserWeisungslage, diese Abwägung entsprechendvorzunehmen, das oblag dem einzelnen Mitarbei-ter, der diesen in der Auswertung letztlich gefun-den hat.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: So ist es. Wir habenja auch - und das ist auch eine Folge derTaskforce, auch eine Forderung der Taskforce,dass natürlich grundsätzlich die Auswertung dieBeschaffung zu steuern hat - - Das muss auch ge-steuert werden, denn hier - nach meiner Kennt-nis - ist es eben teilweise so gewesen, dass dieBeschaffung selbst Neues gefunden hat, ohne inKontakt mit der Auswertung zu sein.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Ja. Inwieweitoder wie detailliert wussten Sie um diese BND-internen Prozesse bei der Steuerung derAbteilung TA?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, in der Um-fänglichkeit, wie es mir jetzt bekannt ist, eigent-lich erst mit dem Besuch, mit dem gemeinsamenBesuch von Chef BK am 20., glaube ich, am20. März 2015, als uns auch erstmals rudimentärdie eigene Steuerung des Bundesnachrichten-dienstes vorgestellt worden ist, wozu wir ja dannanschließend, wie Sie den Akten entnehmenkönnen, eine Fülle von Rückfragen, also nichtnur bezogen auf die NSA-Selektoren, sondernauch auf die eigene Steuerung des BND, gestellthaben. Nachdem die mit einem AbschlussberichtEnde September, glaube ich, 2015 befriedigend -bis dahin jedenfalls befriedigend - beantwortetworden sind, sind wir auch an das zuständigeParlamentarische Kontrollgremium gegangen; dasist der Weg, der normal ist.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Genau. Dasführt uns gleich zu dem besagten Besuch am 20.März 2015. Vielleicht könnten Sie noch mal denVerlauf schildern, das Ergebnis ein Stück undwas eigentlich der Anlass für diesen Besuch war,dass Sie mit dem Chef BK dort waren.

Page 33: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 33 von 193

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, der Anlasswar ganz klar gesetzt durch die Informationen,die ich am 13. März bekommen habe. Ich habe datelefonisch auch an dem Tag Chef BK über eineeingestufte Leitung unterrichtet. Dann haben wiram Samstag noch mal selbst die Akten aufberei-tet, dem BND den Hinweis gegeben, dass er dieAkten aufzubereiten hat. Wir hatten am Sonntagdann eine Sitzung mit dem Präsidenten und mitden Verantwortlichen aus der Abteilung TA, wouns in erster Linie mal dargestellt worden ist, be-zogen auf die NSA-Selektoren - damals hat die ei-gene Steuerung des BND noch keine Rolle ge-spielt -, wie das Ganze grob abläuft. Dann war dieFrage, ob wir dann noch mal weitere Bespre-chungen in Berlin durchführen. Letztlich hat,nachdem ich auch von der Sonntagssitzung denChef des Kanzleramtes unterrichtet habe, er ent-schieden, dass wir nach Pullach fahren und unsdas vor Ort in der Abteilung TA erläutern lassen.Das hat dann am 20. März stattgefunden.

Hier ist zunächst einmal vonseiten des BND ganzallgemein die Struktur, die Zusammenarbeit Aus-wertung-Beschaffung dargestellt worden, wie dieSelektoren gesteuert werden. In dem Zusammen-hang kam dann auch die Frage der BND-eigenenSteuerung zum ersten Mal auf, nach meiner Erin-nerung. Und deswegen hatten wir dann auch,glaube ich, einen Fragenkatalog beim Bundes-nachrichtendienst hinterlassen, der zu beantwor-ten war. Diese Antwort haben wir dann im Laufeder nächsten Zeit bekommen und haben eineFülle von Nachfragen gestellt. Deswegen habenwir ja auch immer Sachstandsberichte bekom-men, die fortgeschrieben worden sind, die bis zurSommerpause, glaube ich, dann in einem Ab-schlussbericht, was die NSA-Selektoren an-geht - - hat es da gegeben. In dem Teil dieses Be-richtes gab es auch immer Teile, die sich mit dereigenen Steuerung beschäftigt haben. Dafür ha-ben wir allerdings dann einen separaten Berichtangefordert; das war, glaube ich, im August. Die-ser Bericht ist dann Ende September gekommen.Dann haben wir Chef BK vorgeschlagen, dass wirmit dieser Information ins Parlamentarische Kon-trollgremium gehen, was dann im Oktober in dernächsten Sitzung erfolgt ist.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Waren Siedenn überrascht von den Erkenntnissen, die Sieda in Pullach erhalten haben?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, ich war über-rascht, sage ich mal, von der Selbstständigkeit,die der jeweilige Bearbeiter hatte. Das war fürmich eine Erklärung, warum es zu solchen Se-lektoren gekommen ist, jetzt was die BND-eigeneSteuerung angeht. Die Problematik der NSA-Se-lektoren - das hat ja auch sowohl die Taskforce,glaube ich, als auch die sachverständige Vertrau-ensperson gesagt, bemängelt - ist, dass wir teil-weise nicht wussten, welche Selektoren wir steu-ern, weil es keine Erklärung, erstens keine Les-barkeit und keine Bedeutungserklärung gegebenhat. Das ist jetzt im Moment auch ein laufendesVerfahren, wo das Ganze überprüft wird durchdie von mir beschriebene Qualitätssicherung.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Wie hat dennder Chef BK auf die Kenntnisse oder Erkennt-nisse dort reagiert?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Na ja, er war erstensüberrascht und hat vor allem auch gesagt, dass ersich so was nicht vorstellen konnte.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): War der Be-such, den Sie dort am 20. März getätigt haben,auch ursächlich für die erste Unterrichtung desPKGr im Mai 2015?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das war eine Folge.Im Zuge des Besuchs haben wir ja diesen Fragen-katalog und dann die Sachstandsberichte ange-fordert; wir haben auch den Bericht des internenControllings, das ja der Präsident des BND selbsteingerichtet hat, mit aufgenommen und habendann hierüber, über den Stand zu den Se-lektoren, berichtet - da waren ja auch die Obleutedieses Gremiums mit dabei, wenn ich mich rich-tig erinnere - und haben im Übrigen gesagt, dasswir auch die eigene Steuerung - das hat der Präsi-dent nach meiner Erinnerung gesagt - aufarbeitenwollen. Dann haben wir, nachdem der Ab-schlussbericht, wie gesagt, Ende September in2015 vorlag, das Parlamentarische Kontroll-gremium in der nächstmöglichen Sitzung - und

Page 34: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 34 von 193

die war im Oktober - darüber, also über dieeigene Steuerung, unterrichtet.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Okay. - Wie be-werten Sie dann den Vorwurf der Presse, dass dieUnterrichtung des PKGr im Oktober 2015 nur we-gen Presserecherchen und einer bevorstehendenVeröffentlichung erfolgte?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, das ist eineFama, die von der Presse jetzt schon mehrereMale erhoben worden ist, zuletzt in der heutigenVeröffentlichung in der Süddeutschen Zeitung.Das ist nicht richtig. Und wenn Sie - soweit ichdas nachvollziehen kann - die Aktenlage sehen,können Sie sehen, dass wir immer wieder nach-gefragt haben, dass wir aber natürlich in der Mai-sitzung nur darauf hingewiesen haben, dass wirdran sind, dass aber - das muss man ja auch malsagen - die gleichen Mitarbeiter im Bundesnach-richtendienst in der Abteilung TA für die Bedie-nung dieses Untersuchungsausschusses mit demdamaligen Untersuchungsgegenstand zuständigwaren, dass vor der Sommerpause die Diskussionbestand: Was geschieht mit den NSA-Selektoren?Werden sie dem Ausschuss zur Verfügung ge-stellt? Was ist dann? Wie gehen wir damit um?Da gab es ja dann die sachverständige Ver-trauensperson. Das war für uns absolute Priorität.Und dann haben wir gesagt: Über die Sommer-pause macht ihr jetzt die endgültige Aufarbeitunghinsichtlich der eigenen Selektoren. - Der Berichtist Ende September gekommen, und die nächsteSitzung des PKGr haben wir wahrgenommen.Deswegen meine ich, dass es nicht wahrer wird,auch wenn es häufig in der Presse steht.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Okay. - Nochmal auf den Besuch in Pullach blickend, auf diefragliche Weisung aus dem Oktober 2013 vonPofalla und Heiß damals. War das Thema gewe-sen bei diesem Besuch in Pullach?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Was haben Sieüber diese Weisung im Nachgang des Pullach-Be-suches erfahren, oder wie haben Sie überhauptdavon erfahren?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ich kann mich erin-nern, dass dann im Zuge der Aufarbeitung der ei-genen Steuerung auch auf diese Weisung hinge-wiesen worden ist.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Okay. - Unddann natürlich die Frage: Wann, wie und vonwem wurde denn dann die Bundeskanzlerin überden entsprechenden Sachverhalt unterrichtet,den Sie bei dem Besuch im März 2015 in Pullachfestgestellt hatten?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, das üblicheVerfahren ist so, dass mein Hauptansprechpart-ner der Chef des Kanzleramtes ist - deswegen gibtes auch an den Punkten und Bereichen Vorlagenfür den Chef des Kanzleramtes - und dass derChef des Kanzleramtes insoweit die Bundeskanz-lerin unterrichtet. Aber es hat natürlich, geradevor dem Hintergrund der Frage, die dann alle be-schäftigt hat vor der Sommerpause, nämlich„Wie kommt man dem Spannungsverhältnis - aufder einen Seite dem Untersuchungsrecht des Par-laments, auf der anderen Seite dem Staatswohl-gedanken und der sogenannten Third Party Rulegegenüber dem Partner - entgegen?“, auch Dis-kussionen gegeben, an denen ich teilgenommenhabe, bei der Bundeskanzlerin.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Aber das be-trifft ja jetzt mehr die Öffentlichkeitsarbeit, dieSie da - - Also, unterrichtet wurde die Bundes-kanzlerin vom Chef BK; das habe ich mitgenom-men von Ihnen.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Sie wiesen jetztworauf hin?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Um die Frage, die jaauch politisch wichtig war und die ja teilweisedamals stark angegriffen worden ist: dass dieBundesregierung gesagt hat: Vor dem Hinter-grund des uns gemeinsam am Herzen liegendenStaatswohls, also sowohl dem Parlament als auchder Bundesregierung, wie gehen wir damit um,dass wir dieses Spannungsverhältnis zwischendem Untersuchungsgrundsatz auf der einen Seiteund dem Staatswohlgedanken beheben können?

Page 35: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 35 von 193

Und dankenswerterweise hat ja auch der Unter-suchungsausschuss sich dann einverstanden er-klärt, mehrheitlich, mit der Bestellung der sach-verständigen Vertrauensperson, die ja dann auchim Herbst hier zu ihren Ergebnissen vorgetragenhat. Und letztlich auch bestätigt durch das Bun-desverfassungsgericht.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Mhm. - Ich darfnoch mal blicken - wir hatten das ja schon an-klingen lassen - auf die Änderung im BND-Gesetzjetzt speziell auch mit Blick auf europäische Inte-ressen. Das war ja jetzt ein erster Schritt, den dasParlament hier unternommen hat. Sehen Siedenn über diese konkreten Regelungen, detail-lierten Regelungen hinaus weitere Notwendigkei-ten organisatorischer, finanzieller und personel-ler Art, was jetzt hier insbesondere diese Fern-meldeaufklärung betrifft, und vielleicht auchnoch mal mit Blick auf die Dienst- und Fachauf-sicht?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, ich sehe wei-tere Maßnahmen. Das sind zum einen ganz ein-fach Personalaufwuchs sowohl in dem Bereichim Bundesnachrichtendienst, weil, wenn Sie sicherinnern, die öffentliche Diskussion ja auch vordem Hintergrund des Bedarfs beim Bundesnach-richtendienst seitens der Bundesregierung dazuführt, dass der Bundesnachrichtendienst eben ge-rade im Bereich der SIGINT-Aufklärung neueMittel seitens des Parlaments zur Verfügung ge-stellt bekommen hat, dass das auch vernünftigumgesetzt wird, so wie wir seitens der Fach- undDienstaufsicht uns das wünschen. Personalauf-wuchs natürlich auch im Bereich des Kanzleram-tes. Hier hat es Stellen gegeben für das Kanzler-amt. Derzeit werden wieder durch den Haus-haltsgesetzgeber - - Stellen sind bewilligt worden,die hier noch zur Verstärkung der Fach- undDienstaufsicht natürlich eingesetzt werden sol-len. Und wir sind noch lange nicht fertig in demorganisatorischen Bereich. Denn ich habe ja er-zählt: Herr Schindler hat angeboten das mit Ex-ternen. Wir haben dem zugestimmt. Es gibt einenersten Bericht. Aber das muss jetzt umgesetztwerden. Und das ist noch ein Stück Weg.

Vielleicht noch ein Punkt, weil ja auch aus mei-ner persönlichen Sicht zu der Frage die Taskforce

des Parlamentarischen Kontrollgremiums rechtgut gearbeitet hat, das ja dann als offener Berichtin eine Drucksache gekommen ist, dass die Bun-desregierung in dem Zusammenhang auch aus-drücklich unterstützt hat die Änderung, die es imParlamentarischen Kontrollgremiumsgesetz gege-ben hat, also auch hier die Maßnahmen zu ver-stärken. Und das bedeutet andererseits auf derSeite der Fach- und Dienstaufsicht, dass wir demauch personell nachkommen müssen; denn dasist auch eine Forderung aus dem Taskforce-Be-richt des Deutschen Bundestags.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Auch noch malmit Blick auf diese Entwicklung - Sie haben jaauch betont, dieser neue § 6 Absatz 3 in demBND-Gesetz, wo wir jetzt also erstmals auchdiese europäischen Interessen ausdrücklich er-wähnen -: Gab es da jetzt bereits weitere Diskus-sionen mit anderen EU-Partnern oder Gesprächs-partnern, Verhandlungen, dass die sich ähnlichorientieren? Sie haben ja auf die Fragen des Vor-sitzenden schon gesagt: Das ist ja erstmalig, dassdas überhaupt innerhalb der EU so detailliert inGesetzesform gegossen wird. - Gilt das als Vor-bildcharakter für andere Staaten? Wie schätzenSie das ein?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ich hoffe es, undwir sind auch in Gesprächen mit den Partnern.Ich habe allerdings noch in keinem Partnerlandjetzt ähnliche Bestrebungen, was die Gesetzge-bung angeht, gesehen. Ich glaube, dass das in denPartnerstaaten sicher noch einiger Zeit bedarf.Aber wir haben ja seit dem Aufplatzen dieserSelektorenlisten das Gespräch mit den europäi-schen Partnern, und wir werden auch mit ande-ren Partnern weiter darüber reden und dranblei-ben. Ich hoffe, dass es eine Vorbildwirkung ha-ben wird.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Okay. - Wir ha-ben an dieser Stelle erst mal keine weiteren Fra-gen, und wir würden abgeben an die nächsteFraktion.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ganz herzli-chen Dank. Wir kommen zur zweiten Runde. Esbeginnt wieder die Fraktion Die Linke. Frau Kol-legin Renner.

Page 36: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 36 von 193

Martina Renner (DIE LINKE): Herr Fritsche, ichwürde gerne mal ein ganz anderes Thema anspre-chen. Was wussten Sie zu den Kontrollbesuchender BfDI in Bad Aibling?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, ich glaube,der eine Kontrollbesuch war schon, da war ichnoch gar nicht in der Zuständigkeit; der andere,der zweite Kontrollbesuch hat dann währendmeiner Zeit im Kanzleramt stattgefunden. Dakenne ich selbstverständlich das, was seitens derBfDI gerügt worden ist. Es ist ja dankenswerter-weise von der BfDI auch vor abschließender Stel-lungnahme der Bundesregierung an alle parla-mentarischen Gremien herausgegeben worden.Ich sage das ein bisschen, weil ich das - -

Martina Renner (DIE LINKE): Wir haben es ver-standen. Danke.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, unabhängigdavon: Ich habe auch die Stellungnahme unter-schrieben an die BfDI, wie wir auf die Argumen-tation der BfDI eingehen. Hier halten wir aus un-serer Sicht - und das kann durchaus sein, dassdas in der öffentlichen Diskussion ja noch maleine Rolle spielt, insbesondere wenn der Tätig-keitsbericht der BfDI zu diesem Punkt sich ein-lassen sollte - die rechtliche Bewertung der BfDIin weiten Teilen für nicht nachvollziehbar. Dasmuss ich hier ganz deutlich sagen. Zunächst ein-mal hat die BfDI sich beschwert, dass ihr dieKontrollkompetenz beschränkt worden sei. Dasist aber so; denn selbst das Bundesdatenschutz-gesetz sieht eine solche Beschränkung vor, wennnämlich die Frage des Staatswohls eine Rollespielt. Und Sie erinnern sich an die Diskussion,die ich vorhin geführt habe: Wir haben ja ausStaatswohlgründen die NSA-Selektorenlistendiesem Ausschuss nicht vorgelegt, und der Aus-schuss war einverstanden, dass wir das mit dersachverständigen Vertrauensperson machen.

Martina Renner (DIE LINKE): Nein, der Aus-schuss nicht. Die Mehrheit des Ausschusses.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Die Mehrheit desAusschusses. Sie verzeihen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dazu HerrWolff von der Bundesregierung.

MR Philipp Wolff (BK): Nur mal ganz kurz:Wenn wir zu den Inhalten, zu den konkreten In-halten kommen, machen wir das besser in einge-stufter Sitzung. Der Bericht ist auch weiterhineingestuft.

Martina Renner (DIE LINKE): Nein, nein.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Gut.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Danke für den Hin-weis. Also, all die Punkte, die aufgeschriebenworden sind - es liegt, glaube ich, Ihnen die Stel-lungnahme, die ich unterschrieben habe, ja auchvor -, sind aus meiner Sicht in den wesentlichenTeilen nicht nachvollziehbar. Jetzt bin ich ge-spannt, wie das dann in dem zweijährlichen Be-richt, wenn es denn aufgegriffen wird, aufgegrif-fen wird.

Martina Renner (DIE LINKE): Gab es denn nachden Kontrollbesuchen jeweils Beratungen imBundeskanzleramt? Nach den Kontrollbesuchen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Beratung inwiefern?

Martina Renner (DIE LINKE): Na ja, dass manvielleicht zum Beispiel darüber berät, welche In-formationen seitens des BND an die BfDI gehen;so etwas in der Art.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also ganz grund-sätzlich muss die Fach- und Dienstaufsicht hierentscheiden. Das sind wir im Kanzleramt. Undwir haben entschieden.

Martina Renner (DIE LINKE): Wie war die einge-bunden? Also gab es dort regelmäßig Beratungen?Hat man darüber mit entschieden, ob die BfDI be-stimmte Dinge vorgelegt bekommt, ja oder nein?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Selbstverständlich.

Martina Renner (DIE LINKE): Gut.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das entscheidenwir, und wir haben entschieden: Nein.

Page 37: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 37 von 193

Martina Renner (DIE LINKE): Sie haben ent-schieden zum Beispiel auch: Nein, die NSA-Selektoren werden nicht vorgelegt. - Die Bundes-datenschutzbeauftragte argumentiert ja, in demMoment, wo sie in die Datenverarbeitung desBundesnachrichtendienstes gehen, müssen sieals eigene Datenverarbeitung in einer nachgeord-neten Bundesbehörde betrachtet werden und des-wegen auch zugänglich sein. Sie moniert ja ins-besondere auch, dass diese Selektoren gar nichthätten eingestellt werden dürfen, weil sie ja in ei-nem großen Teil überhaupt nicht verstandenwurden vom Bundesnachrichtendienst. Das hat-ten Sie vorhin nämlich selbst gesagt: Wir konntennicht lesen, was der Partner eingesteuert hat.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Mhm, mhm.

Martina Renner (DIE LINKE): Hat sich das denngrundsätzlich verbessert? Kann man jetzt 100Prozent lesen, was der Partner einsteuert?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja.

Martina Renner (DIE LINKE): Und ich meinenicht, dass die NSA eine Deutung anfügt unddann wahlweise hinten ranschreibt: Counter Ter-rorism, Proliferation, Drogenhandel, OK oderSonstiges, sondern ich meine: Kann das TKM,was vorne steht, auch wenn es sich auf einenMessenger bezieht, auf einen Chat, auf ein Voice-over-IP-Telefonat, egal was, in jedem Fall einemLand und einer Person zugeordnet werden, umauszuschließen, dass deutsche Bürgerinnenbetroffen sind?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Na ja, da sprechenSie, Frau Abgeordnete, von einer Grundsatzpro-blematik.

Martina Renner (DIE LINKE): Ja.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also nach meinerKenntnis ist es ja so, dass das System insoweitverbessert worden ist.

Martina Renner (DIE LINKE): Aber verbessertheißt ja nicht, dass es funktioniert, nicht?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, das ist ja eineRüge, die ich auch aus den Medien - - die hier indem Ausschuss schon häufiger eine Rolle ge-spielt hat, jedenfalls die Diskussion darüber, dasses einen hundertprozentigen G-10-Schutz, wennjemand zum Beispiel eine Telefonnummer voneinem anderen Provider aus einem anderenLand, also nicht mit der Kennung „.de“ oder eineTelefonnummer aus einem anderen Land nutztund dann auch noch nicht in Deutsch spricht - -sondern weil er Doppelstaatsangehöriger ist, ineiner anderen Sprache spricht und es dann erstspäter bekannt wird. Das sind Fälle, mit denenwir tagtäglich leben müssen. Und der BND ist be-müht, mit seinen Filterungen das Ganze zu ver-bessern, damit eben der G-10-Schutz insoweitmöglichst sichergestellt wird

Martina Renner (DIE LINKE): Das war aber nichtdie Frage.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Aber einen hundert-prozentigen Schutz wird es nach meiner Ansichtnie geben, ist aber auch rechtlich nicht gefordert.

Martina Renner (DIE LINKE): Die Frage war, obSie heute, wenn zum Beispiel Messenger wieThreema, Signal, WhatsApp-Gruppen oder Ähn-liches benutzt werden können, wenn ich DirectMessaging schicke über Twitter und Ähnlichesund diese als Selektoren gesteuert werden vonder NSA, aber dann beim Bundesnachrichten-dienst verwandt werden auf den Datenbanken - -Können Sie diese Information lesen und eindeu-tig ausschließen, dass dies ein TKM ist, also einTelekommunikationsmerkmal, was einem deut-schen Bürger zuzuordnen ist?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, soweit mirdas bekannt ist und was mir bisher berichtet wor-den ist: Ja. Aber ich kann Ihnen noch mal sagen:Es gibt aber die Fälle, wo eben sich dahinter- -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Da meldetsich die Bundesregierung. Herr Wolff dazu viel-leicht?

MR Philipp Wolff (BK): Nur noch mal, Frau Ren-ner, auch als Hinweis: Das sind ja jetzt erkennbarlaufende Vorgänge. Also, da sind wir, glaube ich,

Page 38: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 38 von 193

auch wirklich nicht mehr im Untersuchungs-gegenstand: Was kann heute gelesen werden odernicht?

Martina Renner (DIE LINKE): Aber wissen Sie,was hier so eine komische Ungleichzeitigkeit ist?Wenn aufseiten der Großen Koalition, der CDUgefragt wird: „Wie ist das denn heute?“, dannwerden die Fragen immer zugelassen, und dannkann man bis zum Letzten erzählen, dass jetztnach der Novelle des BND-Gesetzes es heute beiden Routineverkehren so und so ist. Da schreitenSie nie ein. Wenn ich nach Vorgängen frage, dieaktuell sind, dann schreiten Sie ein. Das ist einWiderspruch.

MR Philipp Wolff (BK): Nein, Frau Renner, dasist so nicht richtig. Ich habe Sie auch nicht sofortunterbrochen; es gab sogar eine Antwort. Ich willnur darauf hinweisen, dass das grundsätzlichlaufende Vorgänge sind. Ich bewerte auch dieFrage nach dem BND-Gesetz - das muss ich ganzehrlich sagen - etwas anders als die Frage nachder Erkennbarkeit von Selektoren wie Threema… (akustisch unverständlich)

Martina Renner (DIE LINKE): Ich rede vonGrundrechtsschutz. Das ist ja schon irgendwieein Thema, oder?

MR Philipp Wolff (BK): Nein, von der Detailtiefe,was den laufenden Vorgang angeht, sind wir ineiner ganz anderen Dimension. Das ist Ihnenauch bewusst, Frau Renner.

Martina Renner (DIE LINKE): Ja, ich bitte danneinfach auch in Zukunft, wenn wir seitens derGroßen Koalition Fragen zu laufenden Vorgängenhaben, dass Sie in ähnlicher Form was sagen undnicht nur bei uns.

MR Philipp Wolff (BK): Frau Renner, ich habedas in der Vergangenheit auch immer gemacht.Da können wir die Protokolle gerne noch einmaldurchgehen. Wir haben uns da auch schon - -

Martina Renner (DIE LINKE): Nein, haben Sienicht.

MR Philipp Wolff (BK): - - habe ich auch schonvonseiten der Großen Koalition Beschwerden be-kommen. Auch das können wir in den Protokol-len nachschauen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. - FrauRenner.

Martina Renner (DIE LINKE): Sie verstehen jadie Intention der Frage. Es geht darum, irgend-wie, ob man tatsächlich Konsequenzen gezogenhat oder ob man sich von den Amerikanern miteiner Deutung, die man am Ende irgendwie dasTKM … (akustisch unverständlich), so was wieabspeisen lässt.

MR Philipp Wolff (BK): Aber der Zeuge hat dochgesagt, dass Konsequenzen gezogen wurden. Das,was Sie fragen, ist wirklich ein Vorgang für dasPKGr. Wenn da solche Fragen gestellt werden,natürlich, aber nicht für den Untersuchungsaus-schuss.

Martina Renner (DIE LINKE): Okay. - Ist Ihnender Begriff „No Interest List“ bekannt?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ist mir bekannt, ja.

Martina Renner (DIE LINKE): Und aus welchenZusammenhängen? Seit wann kennen Sie ihn?Wie unterscheidet die No Interest List sich vonanderen Listen, die wir ja hier auch zum Teil be-handelt haben?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Wenn ich michrichtig erinnere, ist das ein Begriff, der ganz amAnfang der Aufarbeitung der sogenannten NSA-Selektoren eine Rolle gespielt hat. Es gibt ja daauch in anderen Bereichen eine Fülle von Listen,die auch andere Namen dann bekommen haben.Also das sind die abgelehnten, soweit ich michrichtig erinnere.

Martina Renner (DIE LINKE): Die „disapproved“gestellten, oder was ist das?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Die abgelehnten.

Page 39: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 39 von 193

Martina Renner (DIE LINKE): Bei denen man un-tersagt hat, dass sie gesteuert werden. - Inwie-weit -aus Ihrem Kenntnisstand heraus -war denndie Problematik von abgelehnten NSA-SelektorenGegenstand schon - ich sage mal, im Zuge desBfDI-Berichtes - der Korrespondenz zwischenBND, BfDI und Bundeskanzleramt?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, nur in der ab-strakten Form, wie ich es vorhin ja gesagt habe,nämlich dass der Staatswohlgedanke eine Rollespielt und deswegen keine Kenntnisse weiterge-geben werden.

Martina Renner (DIE LINKE): Wir haben daSchriftwechsel des Bundesnachrichtendienstesan die BfDI, nachrichtlich über das Bundeskanz-leramt vom 12. November 2014 - das ist VS-NfDund deswegen auch verlesbar - Tagebuchnummer212/15. Das ist dort die Seite 1 ff. Und da stehtauf Seite 2 zum Beispiel - - Also noch mal denBetreff, damit Sie es einordnen können:

Nachbereitung der Beratung undKontrollbesuch in Bad Aiblingvom 20. bis 30. Oktober 2014

- Abstimmung hinsichtlich dervom BND noch nachzureichendenInformationen

- Benennung der Anzahl der inBad Aibling verwandtenSelektoren, getrennt nach BND-Selektoren und US-Selektoren

- Abgabe einer Einschätzung zurAnzahl der Permutationen

- Angabe der Anzahl der auf„disapproved“ gesetzten US-Selektoren (?)

Diese Informationen sind offenbar zwischen Bun-desnachrichtendienst und BfDI dann auch überdas Bundeskanzleramt gelaufen, über Frau Pol-zin. Jetzt kann man dann eben schlecht im Bun-deskanzleramt sagen, man hat dann erst späterdavon Kenntnis gehabt. Oder hat Frau Polzinüber diese Vorgänge nicht berichtet?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, das ist nachmeiner Erinnerung nur auf der Arbeitsebene ge-laufen.

Martina Renner (DIE LINKE): Sie sagen also,diese Schreiben, die sind nur auf der Arbeits-ebene ausgetauscht worden, die hat da niemandanderes im Haus zur Kenntnis genommen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das war ein laufen-des Verfahren. Ich bin in dem Zusammenhang,was die Datenschutzbeauftragte angeht, natürlichmit den Ergebnissen konfrontiert worden. Da hates ja zunächst eine Sachverhaltsdarstellung gege-ben und dann eine rechtliche Bewertung. Undich war derjenige, der sich mit der rechtlichenBewertung mit der Hilfe der Arbeitsebene ausei-nandergesetzt hat und dann auch eine entspre-chende Antwort an die Datenschutzbeauftragtegeschickt hat.

Martina Renner (DIE LINKE): Mhm. - Aber dasBundeskanzleramt greift doch ganz vehementein. Wir haben zum Beispiel dann ein weiteresSchreiben. Da geht es auch darum, dass be-stimmte Unterlagen nicht übermittelt werden sol-len usw. Dann hat man sich doch sehr intensivmit diesen ganzen Prüfvorgängen beschäftigt.Und das immer nur auf Arbeitsebene, also - -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das ist auch so inder Hierarchie vorgesehen; denn auch die BfDIhat die Arbeitsebene geschickt. Ich bin dann der-jenige, der sich mit den grundsätzlichen Schluss-folgerungen sowohl der BfDI als auch unseren be-schäftigt, und das sehen Sie ja, dass ich entspre-chend eine Antwort zur rechtlichen Bewertunggegeben habe.

Martina Renner (DIE LINKE): Ja, die haben Sievorgetragen.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Durfte ich nicht, hatHerr Wolff gesagt. Das ist alles Geheim.

Martina Renner (DIE LINKE): Waren denn nochweitere Ministerien außer dem Bundeskanzler-amt eingebunden?

Page 40: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 40 von 193

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Sie meinen jetzt inBezug des Kontrollbesuchs?

Martina Renner (DIE LINKE): Wir sind immernoch bei dieser ganzen Frage BfDI, Prüfung imBND, Bundeskanzleramt.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nach meiner Erin-nerung nicht. Das betrifft ja uns und die Fachauf-sicht. Das betrifft den BND, seine Steuerung, unddie Fachaufsicht; das sind wir, also das Kanzler-amt.

Martina Renner (DIE LINKE): War Herr Heiß in-formiert zu allen einzelnen Schritten?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, wie gesagt,ich denke, das ist alles auf der Diskussion Refe-ratsleitung gelaufen, also damals Frau Polzin.Und Herr Heiß war natürlich in die Vorlagendann mit eingebunden, die zu mir gekommensind, vor dem Hintergrund der Frage: Was ant-worten wir auf die BfDI? Da wird eine Vorlage fürmich gemacht, und da ist Herr Heiß in derHierarchie.

Martina Renner (DIE LINKE): Sie nahmen ja jetztauch regelmäßig an PKGr-Sitzungen teil.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja.

Martina Renner (DIE LINKE): Da gab es ja sicher-lich - ich bin da nicht Mitglied; aber wir könnenes ja annehmen - die eine oder andere kritischeNachfrage, vielleicht auch Nachfragen zum Auf-tragsprofil oder zur Auftragssteuerung. KönnenSie sich an irgendeinen Vorgang erinnern, woman nach solchen kritischen Nachfragen desPKGr gesagt hat: „Oh, da müssen wir an der ei-nen oder anderen Stelle revidieren“?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Revidieren inwie-weit?

Martina Renner (DIE LINKE): Na ja, zum Beispielbestimmte Ziele nicht mehr zu erfassen, be-stimmte Techniken nicht mehr einzusetzen, be-stimmte Software kritisch zu sehen, bestimmte - -

Ich kann ja nur spekulieren. Also, hat irgend-wann mal irgendetwas aus dem PKGr zu materi-eller Wirkung verholfen beim BND?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ganz klar, derTaskforce-Bericht.

Martina Renner (DIE LINKE): Ja, ja, aber ichmeine jetzt, davor.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Aus meiner Kennt-nis gibt es immer wieder Anregungen - -

Martina Renner (DIE LINKE): Nein, Anregungen,die umgesetzt wurden.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, die werden auchaufgegriffen, ohne dass ich jetzt hier einen Ge-heimnisverstoß begehe - - und in offener Sitzungsagen kann; aber in dem Zusammenhang, in demSie beschreiben, nicht.

Martina Renner (DIE LINKE): Mhm. - Also indem Zusammenhang der BND- und NSA-Se-lektoren gab es so etwas nicht. Das PKGr wardazu auch bis zu diesem Moment nicht infor-miert?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also auch hier jetzt,ohne jetzt in offener Sitzung zu weit zu gehen:Das PKGr, wissen Sie ja, ist genauso nach demZeitpunkt März 2015 mit der Materie befasst ge-wesen wie dieser Untersuchungsausschuss.

Martina Renner (DIE LINKE): Wir haben imNachgang eben auch feststellen müssen, dasseine Reihe von Kleinen Anfragen - nicht nurKleinen Anfragen, insgesamt parlamentarischeAnfragen durch Abgeordnete - nicht richtig be-antwortet wurden; ob nun mit Vorsatz, ja odernein, können wir schwerlich beurteilen. Wo se-hen Sie eigentlich die Verantwortung für dieseFälle?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: So wie ich es Ihnengeschrieben habe, auf Ihre Frage, Frau Abgeord-nete Renner. Sie hatten ja gebeten, uns darzustel-len, wo die ganzen Antworten - Kleine Anfragen -auf schriftliche, mündliche bzw. Kleine Anfragenfalsch sein könnten. Wir haben uns dann auch

Page 41: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 41 von 193

der Mühe unterzogen - ursprünglich hatten wirdas auch selbst dem Bundesnachrichtendienst alsFach- und Dienstaufsicht aufgetragen - und ha-ben dann, glaube ich, wenn ich mich richtig erin-nere, an sechs Stellen von solchen Beantwortun-gen - nicht an grundsätzlichen Beantwortungen -Nachbesserungsbedarf gesehen und haben dann,glaube ich, auch das Ihnen noch mal dargelegt.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Jetzt müsstenwir - -

Martina Renner (DIE LINKE): Ja, aber die Fragewar: Ist das Verantwortungsbereich des BND oderdes Bundeskanzleramtes, dass diese in der Ver-gangenheit falsch beantwortet wurden?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, die Beantwor-tung von parlamentarischen Fragen, die beziehtsich auf die Kenntnis, die innerhalb der Bundes-regierung dazu vorliegen. Dazu gehört der BNDals Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich desKanzleramtes und natürlich das Kanzleramt.Dass es in dem Zeitpunkt, als die beantwortetworden sind, zu Fehlern gekommen ist, liegt indem Fall beim Bundesnachrichtendienst, weildort die Kenntnisse zur richtigen Beantwortungvorlagen, aber nicht eben im Kanzleramt.

Martina Renner (DIE LINKE): Okay. - Danke.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dann kom-men wir jetzt Fraktion der Union. Herr KollegeSchipanski stellt die Fragen.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Vielen Dank,Herr Vorsitzender. - Herr Zeuge, ich habe nochmal eine kurze Nachfrage, weil der BfDI-Berichtangesprochen wurde. Das ist sonst eigentlichmehr was für die nichtöffentliche Sitzung. Jedochhat ja die Zeugin Löwnau, die Referatsleiterin beider BfDI, hier auch in öffentlicher Sitzung einerechtliche Bewertung abgegeben, indem sie sagte,dass das Fehlen einer Dateianordnung nicht nurzur formellen Rechtswidrigkeit, sondern auch zurmateriellen Rechtswidrigkeit einer Datei bzw. dererfolgten Erfassung führe. Wie bewerten Sie denndiese Rechtsauffassung?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Aus Sicht der Bun-desregierung falsch. Aus Sicht der Bundesregie-rung - und das hat die Bundesregierung auchschon in anderen Bereichen - - das ist ja nichtzum ersten Mal hier geschehen - ist es so, dassdas Fehlen einer Dateianordnung ein formellerFehler ist, der dazu führt, dass die Datenschutz-beauftragte uns darauf hinweist, dass wir hier dasnachzuholen haben bzw., wenn es eine Uralt-datei ist, sage ich mal, und die nicht mehr exis-tiert, ob das dann überhaupt noch verhältnismä-ßig ist, eine solche Forderung zu erheben - - Aberes führt nicht dazu - und das haben wir ganzdeutlich gesagt -, dass es hier zu einer materiel-len Rechtswidrigkeit kommt. Das teilen wirnicht.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Okay. Danndarf ich noch feststellen, dass das auch die Da-tenschutzbeauftragte des BND so sieht und eben-falls der ehemalige Bundesdatenschutzbeauf-tragte, der Herr Schaar. - Dann haben wir keineweiteren Fragen dazu und geben ab.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: HerzlichenDank. - Dann kommen wir zur nächsten Fraktion,der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Kol-lege Ströbele.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, danke, Herr Vorsitzender. - Herr Frit-sche, ich muss leider noch mal zurückkommen -das haben wir schon mehrfach gemacht - auf dasAbhören des Handys der Kanzlerin. Als Juristensind wir uns doch wahrscheinlich einig darin,dass es sich dabei nicht nur um einen gravieren-den Vorgang, sondern auch um eine Straftat han-delt, wenn das stimmt.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja. Deswegen hat jaauch der GBA hier entsprechend ermittelt.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Und Sie waren im Oktober - das hat-ten Sie auch schon wieder bestätigt - zuständigim Bundesinnenministerium für öffentliche Si-cherheit. Da frage ich mich: Warum haben Sie ei-gentlich nicht versucht, festzustellen, ob es nunwirklich stimmt? Also Sie reden ja auch heutenoch, dass es plausibel ist. Das wurde damals

Page 42: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 42 von 193

auch gesagt: Verfassungsschutz und BND sindder Auffassung, es ist plausibel. - Aber plausibelheißt ja nicht, das stimmt. Was haben Sie dennunternommen, um das festzustellen? Es gab ja,ich sage mal, eine Zeugin, die dazu was beitragenkonnte, um das mal ganz milde auszudrücken.Haben Sie jemals selber bei der Zeugin Bundes-kanzlerin Merkel nachgefragt, ob sie irgendwel-che Erkenntnisse zu diesem Tatbestand hat?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, ich bin nichtder ermittelnde Staatsanwalt, und ich war, wiegesagt, wie Sie richtig sagen, im Innenministe-rium. Ich sehe gar nicht die Veranlassung, warumich bei der Bundeskanzlerin hierzu nachfragensoll, insbesondere - und das wissen Sie ja auch -:Sobald ein Ermittlungsverfahren läuft, hat dieFederführung für alles, was da geschieht, derjeweilige Staatsanwalt, und das ist hier derGeneralbundesanwalt gewesen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Aber Sie waren ja zuständig unter an-derem für die nachgeordneten Behörden Bundes-kriminalamt, Bundesamt für Verfassungsschutz.Die wiederum sind zuständig für die Spionage-abwehr. Auch deshalb war das ja für Sie von - ichsage mal - erheblicher Bedeutung, zu sagen: Müs-sen wir dieser Spur nachgehen? Sind vielleichtnoch andere davon betroffen? Müssen wir da ein-schreiten, dass das nicht weiter passiert? Es gabja danach im Spiegel auch Veröffentlichungen,wo drinstand, auch frühere Bundeskanzler oderandere Teile der Bundesregierung würden darun-terfallen. Und dass der Spiegel nicht ganz dane-benlag, ergab sich ja schon aus der Erstmeldung.Also hatten Sie nicht Grund, von sich aus alsStaatssekretär im Innenministerium der Fragenachzugehen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, ich hatte inso-weit Grund, als ich natürlich - wie Sie richtig sa-gen - für den Staatsschutzbereich oder für das ge-samte BKA mit seinem Staatsschutzbereich zu-ständig bin als auch für das BfV. Die Aufklärungdes konkreten Falles obliegt, wenn wir ein straf-rechtliches Ermittlungsverfahren haben, ganz al-lein der Staatsanwaltschaft, die ja dann nachmeiner Kenntnis auch nachgefragt hat, zum Bei-spiel im Kanzleramt, ob es hier etwas aus Sicht

des Kanzleramtes Wertiges gibt. Das ist, soweitich das aus der Sachlage kenne, weil ich da imBMI war, aus den Akten kenne, auch beantwortetworden. Ich habe ja vorhin auch gesagt, dass derBND eine Bewertung gegeben hat.

Aber wir haben eine grundsätzliche Schwierig-keit: Der Äther - und das ist ja etwas, was imÄther geschieht - ist spurenlos; es wird keine Be-weise geben. Von daher ist die Frage für uns imBMI gewesen: Was wird in dem Zusammenhangunterstellt? Es ist nicht nur plausibel, sondern essollte wahr sein. Was können wir insoweit ma-chen? Und da ist die Frage: Wie kann die Spio-nageabwehr - das ist die Zuständigkeit des BfV -gestärkt werden? Und das ist ja dann auch einepolitische Entscheidung gewesen, das zu stärken,insbesondere was den 360-Grad-Blick angeht.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, aber ich kann mich damit nicht zufrie-dengeben, Herr Fritsche. Die Kanzlerin oder dieZeugin ist ja nicht spurenlos. Eine mögliche Wis-serin - wir wissen es ja alle nicht - sitzt da in ei-nem Haus, in dem Sie ja auch regelmäßig ein undaus gehen und wo Sie mit den Mitarbeitern min-destens verkehren. Liegt es da nicht mal nahe, zusagen: „Also habt ihr oder hat die Kanzlerin jetztzusätzlich zu dem, was wir jetzt zu ermitteln ver-suchen, über der Botschaft zu fliegen, den Ätherabzuhören, der in der Tat vieles Spurenlose oderjedenfalls nicht offenbar eine Spur Hinterlas-sende beherbergt - - da mal nachzufragen? Alsomich wundert das. Ich bin damals davon ausge-gangen - nun höre ich von den ganzen Mitarbei-tern auch im Kanzleramt, dass das nicht gemachtworden ist -, dass Sie natürlich als Allererstes,nachdem die Kanzlerin - so wird das berichtet;wir waren ja alle nicht dabei - mit einem, der eswissen muss, mit Herrn Obama telefoniert, da-nach mal fragen: Sollen wir - - Ist die ganze Sa-che vielleicht von den Russen irgendwas oderstimmt jedenfalls nicht? Sie muss ja nicht Einzel-heiten jetzt aus dem Gespräch - - sondern: Ist dasbestätigt worden, ja oder nein?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Aber noch einmal,Herr Abgeordneter Ströbele: Welchen Part sollteich als Innenstaatssekretär hier haben? Wir habenein laufendes Ermittlungsverfahren, und soweit

Page 43: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 43 von 193

mir bekannt ist aus den Akten, hat damals dasKanzleramt auch schriftlich dem GBA gegenüberStellung genommen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Das haben Sie nie gesehen, was da - -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Die Tatsache alssolche kenne ich nur aus den Akten.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Also das, was die dem Generalbundes-anwalt mitgeteilt haben, haben Sie nie gesehen,haben sich auch nicht drum bemüht?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein, ich will nichtausschließen, dass ich, nachdem ich dann in derZuständigkeit war, das gesehen habe.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Und was steht da drin?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Wie gesagt, ich willnicht ausschließen, dass ich es gesehen habe;aber ich habe keinen Inhalt erinnerlich.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ach so.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Jedenfalls hat esdazu geführt, dass der GBA ja auch irgendwanndas Verfahren eingestellt hatte.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das wissen wir ja alles. Aber mich interes-sieren Sie jetzt. Ich will Ihnen noch einen Grundsagen, warum Sie sich vielleicht darum küm-mern. Gerade in den Gesprächen, Auseinan-dersetzungen, die im Sommer 2013 mit den US-Partnern liefen, wurde ja immer wieder betont:Herr Friedrich kam zurück; andere, ich glaube,Sie auch, kamen zurück, haben gesagt: Die habenuns noch mal versichert, sie halten sich immer inDeutschland an deutsches Gesetz und Recht. -Können Sie sich daran erinnern?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Mhm.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Und wenn das jetzt stimmte, dann war das

ja falsch. Dann war das eine Lüge, und dieseLüge konnte ja nicht nur für diesen Fall, sondernüberhaupt zu Zweifeln führen, was die Amerika-ner da immer sagen, ob das überhaupt stimmt, obman das vielleicht irgendwie absichern müsste,ob man denen noch glauben kann.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: In der Allgemein-gültigkeit würde ich das nicht sagen. Aber nochmal: Ich sehe meinen Part nicht - - Ich war imSommer 2013 als Leiter der Delegation tätig, undda ging es nicht um diese Frage; denn das Handyhat ja erst, wenn ich mich richtig erinnere, imOktober des gleichen Jahres eine Rolle gespielt.Damals hat das Handy bei meinen Gesprächenüberhaupt keine Rolle gespielt.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): War es nicht sogar so, dass Herr Pofalla am24. Oktober - das ist ein relativ berühmtes undhier viel erwähntes Datum - 2013 gesagt hat: Siewollen noch mal auch diese Sache zum Gegen-stand einer besonderen Befragung, Nachfragen, inden USA stellen, weil das in der Tat ja möglich-erweise zu allgemeinem Zweifeln führen könnte,was die da behaupten? Wenn das so eklatantnicht stimmt, eine Unwahrheit war, eine Lügewar - - Sie sagen ja heute noch: Plausibel ist es,aber wir wissen es immer noch nicht. - Das istdoch für die gesamte Politik auch gegenüber denUSA und wie man damit umgehen soll, von ganzerheblicher Bedeutung. Ich will jetzt auf andereFälle, vergleichbare Fälle, Markus R. zum Bei-spiel, gar nicht eingehen. Aber es gab dochGründe, warum man daran zweifeln konnte, dassdie Amerikaner das, was die Chefs der Dienste daimmer wieder betonen, „Selbstverständlich hal-ten wir uns an Gesetz und Recht in Deutsch-land“ - - dass das nicht stimmte.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also noch mal - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das wäredann die letzte -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Sie gehen immer noch davon aus, dass - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: - Anmerkung,vermute ich.

Page 44: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 44 von 193

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Noch mal: Bei mei-nen Gesprächen hat es noch keine Rolle gespielt,weil es zeitlich überhaupt nicht infrage kam. ImÜbrigen war es dann im Bereich der Staatsan-waltschaft, und von daher sehe ich keine Zustän-digkeit für mich, auch wenn Sie das noch so sehrbetonen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. Haben Sie denn Kenntnis, dass - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wir müsstenjetzt wechseln, nämlich zur nächsten Fraktion,der Fraktion der SPD. Herr Kollege Flisek istdran.

Christian Flisek (SPD): Danke, Herr Vorsitzen-der. - Herr Fritsche, ich würde ganz gerne mitIhnen jetzt noch mal die Thematik um das soge-nannte No-Spy-Abkommen aufgreifen. Sie hattenvorhin gesagt, Sie stören sich an dem Begriff.Was stört Sie an dem Begriff?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Die Konzentrationauf die Frage „No Spy“. Ein solches Abkommensollte weit darüber hinausgehen, jedenfalls nachden Vorstellungen, die auf unserer Seite - - also:Was machen wir künftig zusammen? Was versi-chern wir uns gegenseitig? - Das war die Inten-tion, die auf unserer Seite existierte. Deswegenist die alleinige Konzentration auf die Frage „NoSpy“ aus meiner Sicht zu wenig.

Christian Flisek (SPD): Zu wenig?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja.

Christian Flisek (SPD): Ich hätte immer gedacht„No Spy“, das wäre sogar - - Also, das ist ja schoneine Erwartungshaltung, die mit diesem Begriffverbunden ist, die ist ja schon gigantisch.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Die Erwartungshal-tung ist ja nicht von mir initiiert worden, son-dern -

Christian Flisek (SPD): Von wem?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: - die ist von denAmerikanern initiiert worden, indem sie von soeinem Abkommen gesprochen haben.

Christian Flisek (SPD): Die haben also wortwört-lich von diesem „No-Spy-Abkommen“ gespro-chen bei diesem Besuch.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Wie gesagt, dieAmerikaner haben den Begriff „No-Spy-Abkom-men“ nicht benutzt, sondern es ging um dieFrage „Wirtschaftsspionage“ - wie halten wir unsan das Recht auf deutschem Boden? - und dieFrage: Wie arbeiten wir künftig zusammen, undkönnen wir vielleicht ein Abkommen schließen,das so weit geht, und zwar für ganz Deutschland,wie es das in dem besagten MoA für das eine Pro-jekt gegeben hat?

Christian Flisek (SPD): Ja gut, aber noch mal:Wenn Sie jetzt - - Das, was Sie jetzt gerade ge-schildert haben, da gebe ich ja zu, das ist schwie-rig, wenn man das in eine Kamera reinsprechenmuss; aber wenn man das dann trotzdem als „No-Spy-Abkommen“ bezeichnet, ist das dann keinEtikettenschwindel?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Aus meiner Sichtist es ein Teil dessen, was mit dem Abkommenerreicht werden soll.

Christian Flisek (SPD): Also, ich habe das schoneinmal auch eingeführt. Wenn Sie eine Umfragehier auf der Straße machen würden und würdendraußen Menschen fragen - und an die hat man jaauch im Wahlkampf kommuniziert in dieserZeit -: „Was verstehen Sie unter einem No-Spy-Abkommen?“, ich würde mal vorwegnehmen,dass Ihnen eine überwältigende Mehrzahl derLeute sagen wird - wenn sie, ich sage mal, so vielschlechtes Englisch verstehen, dass sie entdeckenkönnen, was „No Spy“ heißt - - dass man sagenwürde: Ja, das ist halt ein Abkommen, wo mansich verpflichtet, eben wechselseitig sich nichtauszuspionieren. - So.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: So ist es.

Christian Flisek (SPD): Ja. Aber das ist doch völ-lig an den Haaren herbeigezogen, oder nicht?

Page 45: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 45 von 193

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Noch mal, HerrAbgeordneter Flisek: Es war nicht meine Inten-tion bei der Reise Anfang August 2013, dass wirdort hingehen und sagen: Wir kommen mit ei-nem irgendwie gearteten Abkommen heraus. -Wir haben es auch nicht von unserer Seite ausangesprochen, -

Christian Flisek (SPD): Schon klar.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: - sondern -

Christian Flisek (SPD): Das haben die Amerika-ner gemacht.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: - es ist von denAmerikanern angesprochen worden. Und von da-her - -

Christian Flisek (SPD): Die NSA; machen wirmal „die Amerikaner“ ein bissel konkreter.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: NSA und der zu-ständige DNI.

Christian Flisek (SPD): NSA und der zuständigeDNI haben ein Angebot ausgesprochen, mitDeutschland ein No-Spy-Abkommen abzuschlie-ßen.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Beide haben ange-sprochen, dass sie sich ein Abkommen vorstellenkönnen, in dem Fragen behandelt werden dieserArt. Das Ganze müsste mit einer Arbeitsgruppevorbereitet werden, bevor es dann finalisiert wer-den kann.

Christian Flisek (SPD): Ja, ja.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Bitte?

Christian Flisek (SPD): Ja.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja. - So war dasnach meiner Erinnerung.

Christian Flisek (SPD): Und das alles unter demVorbehalt der Administration.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: So ist es.

Christian Flisek (SPD): Mhm. - Und wenn man ineiner solchen Verhandlungssituation ist, danntritt man nach einer PKGr-Sitzung am 12. Augustals Chef des Bundeskanzleramtes vor die versam-melte Medienschar und erzählt das in einer Zeit,wo, ich sage mal, ein Stück weit, was die Spiona-gewelt betrifft, unmittelbar nach den Snowden-Veröffentlichungen, die heile Welt aus den Fugengerät.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Noch mal - -

Christian Flisek (SPD): Dann erzählt man alsdeutsche Bundesregierung, in der Person desChefs des Bundeskanzleramtes: Wir haben dasAngebot von den Amerikanern bekommen, einNo-Spy-Abkommen abzuschließen. - Das erzähltman. Ich meine - entschuldigen Sie -, nach dem,was ich gelernt habe darüber, was laufende Re-gierungsgeschäfte sind, was alles Geheim ist, wasStreng Geheim ist, was noch nicht mal das Lichtdes Parlaments erblicken darf, geht der HerrPofalla her und erzählt vor versammelter Kame-raschar: Es ist ein Angebot der US-Regierung da,ein No-Spy-Abkommen abzuschließen. - Das hal-ten Sie für logisch?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein. - Das kann ichnicht bestreiten. Aber noch mal: Ich war damalsder Staatssekretär im Bundesinnenministerium, -

Christian Flisek (SPD): Ja, ja.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: - und es ist eineEntscheidung des damaligen Chefs des Kanzler-amtes gewesen, dieses öffentlich kundzutun.

Christian Flisek (SPD): Nach den Gepflogenhei-ten, die Sie jetzt als Koordinator für die Nach-richtendienste kennen: Wäre ein solcher Gang andie Öffentlichkeit, vorausgesetzt, es gäbe ernst-haft solche Verhandlungen, nicht ein Todesstoßfür solche Verhandlungen gewesen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein, es kann jadurchaus sein, dass der Partner sogar bereit ist,dass man an die Öffentlichkeit geht. Das will ichnicht ausschließen.

Christian Flisek (SPD): War er das denn?

Page 46: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 46 von 193

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Aus meiner Kennt-nis in dem Fall, soweit ich eingebunden war,nicht. Aber es kann durchaus sein, dass der Part-ner sagt: Das ist etwas, was wir gemeinsamöffentlich erklären wollen. - Das ist nicht auszu-schließen.

Christian Flisek (SPD): Frau Donfried hat ja dannin der berühmt gewordenen E-Mail, die ja auchdas Licht der Öffentlichkeit erblickt hat, vom8. Januar 2014 geschrieben:

... dies wird kein No-Spy-Abkom-men werden, und ich glaube, je-der ... auf unserer Seite hat dasauch fortwährend die ganze Zeitüber klar zum Ausdruck gebracht.

„Jeder ... auf unserer Seite“, „die ganze Zeitüber“, „klar zum Ausdruck gebracht“: Funktio-nieren die deutsch-amerikanischen Verhältnisseso schlecht, dass man scheinbar sich überhauptnicht versteht?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Na, ich denke, dassdas Problem eher in der Administration mit denDiensten, also inneramerikanisch, existierte,nach dem, was mir bekannt ist; ich bin ja bei denDiskussionen nicht dabei. Das scheint mir eherder Grund zu sein; denn es hat - das kann nur ichsagen bzw. der ehemalige Präsident des BND undder BfV-Präsident -, wie wir dort waren, diesesAngebot gegeben, dass es eine Arbeitsgruppe ge-ben soll, die so etwas aushandeln soll. Und inden weiteren Verhandlungen bin ich nur nochmal einbezogen worden in dem Telefonat mitdem Weißen Haus, wo das nicht ausgeschlossenwurde. So, mehr kann ich dazu nicht sagen.

Christian Flisek (SPD): Ich muss mir ja darauf ei-nen Reim machen, und ich glaube in der Tat,dass es vielleicht solche Überlegungen gab - dashaben jetzt verschiedene Zeugen neben Ihnenauch ausgesagt -, dass man eventuell Inhalte, diein einem MoA mal gestanden haben, irgendwieweiter fasst, über eine einzelne Kooperation hin-aus. Wissen Sie, was das Problem an der ganzenSache ist? Wann aus der Interpretation eines sol-chen Gespräches, ob das jetzt ein konkretes An-

gebot ist oder nicht, eine Täuschung der politi-schen Öffentlichkeit wird. Und diese Grenzzie-hung, die ist je nach Hierarchie, die wir hier be-fragen, etwas fließend. Aber eines ist auch deut-lich: dass man, was immer da besprochen wurdeund an Angebot existierte, in dem Moment, woder erste deutsche Repräsentant den Begriff „No-Spy-Abkommen“ in den Mund genommen hat,eine absichtsvolle Täuschung der Öffentlichkeitvorgenommen hat, weil die deutsche Öffentlich-keit würde unter diesem Begriff etwas ganz ande-res verstehen als das, was Sie gerade sehr sach-lich als Inhalt eines solchen Abkommens darge-stellt haben.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ich habe aber auchgesagt, dass das nur ein Teil ist - - sondern dasses darüber hinausgeht. Sie selbst haben ja auf einMoA im konkreten Projekt hingewiesen, und dieÄußerungen, wenn ich mich richtig erinnere, wa-ren ja - ähnlich wie in diesem MoA, die grund-sätzlich dort stehen -, auf die gesamte Bundesre-publik zu übertragen und auf die Tätigkeit derDienste, der US-amerikanischen Dienste gegen-über Deutschland. Das ist das, was mir noch inErinnerung ist, und das ist - auf die gesamte Bun-desrepublik bezogen und nicht nur für ein kon-kretes Projekt - doch deutlich weiter gehend.

Christian Flisek (SPD): Gut, aber das ist dann derBereich so nach dem Motto: „Wir kümmern unsum G 10, wir kümmern uns um den Schutz ame-rikanischer Bürger bei Kooperationen“ - ja? -,aber auch nicht mehr.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Na ja, wenn ich dasnoch richtig in Erinnerung habe, sind das natür-lich Dinge, die in dem MoA standen, also: keinegegenseitige Spionage. Das sind Dinge, die eineRolle gespielt haben für das Projekt. Wenn mandas jetzt aber auf die gesamte BundesrepublikDeutschland überträgt, dann ist es natürlich dasvon mir auch nicht gern so bezeichnete No-Spy-Abkommen.

Christian Flisek (SPD): Kennen Sie ein MoA, wodrinsteht, dass man auf gegenseitige Spionageverzichtet?

Page 47: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 47 von 193

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, wenn ichmich richtig erinnere, hat das bezogen - da gehenwir aber jetzt in den geheimen Bereich - - dasMoA, das ja in dieser Diskussion hier im Unter-suchungsausschuss eine Rolle spielt. Das istmeine Erinnerung.

Christian Flisek (SPD): Mhm. - Aber es wird jaauch, sage ich mal, dem Bundeskanzleramt nichtentgangen sein, was sozusagen parallel dazu ei-gentlich sämtliche US-offiziellen Geheimdienst-chefs der Öffentlichkeit immer wieder gesagt ha-ben: dass die US-Geheimdienste schlicht und er-greifend nur ihre eigenen nationalen Interessenals Maßstab ihrer Arbeit sehen.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Es kann auch im na-tionalen Interesse bestehen, dass man sagt: Ichwill ein solches Abkommen mit einem Partnerabschließen. - Also das schließe ich nicht aus.

Christian Flisek (SPD): Isoliert?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja.

Christian Flisek (SPD): Ich sage es mal aus derPerspektive der US-Administration: Ich meine,die Amerikaner - zumindest damals noch; heuteist das ein bisschen anders - waren an sicherlichvielen guten Kooperationen und Partnerschaftenin der Welt interessiert. Und dann allen anderenBündnispartnern und anderen Partnern, wo auchimmer auf der Welt, erklären zu müssen, warumman jetzt ausgerechnet mit den Deutschen dasmacht, ist doch etwas komisch. Weil man kanndoch damit rechnen, dass in dem Moment, wo sowas öffentlich wird - und das wird ja beobachtet;also man kann davon ausgehen, dass der Satzvon Herrn Pofalla über alle Botschaften, die hierin Berlin präsent sind, an die jeweiligen Regie-rungen übermittelt worden ist -, natürlich daauch Begehrlichkeiten entstehen und dass mansagt: Also dann bitte auch mit uns.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, aber diesen Be-gehrlichkeiten muss man ja nicht nachkommen.Warum soll man nicht einen Partner privilegie-ren und mit anderen das nicht machen? Und ichglaube auch nicht - -

Christian Flisek (SPD): Das halte ich - Entschul-digung, Herr Fritsche, dass ich das sage - fürweltfremd.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Noch mal, Herr Ab-geordneter Flisek: Wir müssen das jetzt nicht ineiner retrograden Diskussion sehen, sondern dieDiskussion, in der wir uns damals befunden ha-ben - - Und zu meiner Überraschung ist bei demBesuch ein solches Abkommen von den Ameri-kanern angesprochen worden, und zwar von denAmerikanern. Und da ist es durchaus möglich.Das hat sich halt dann erst im Frühjahr wohldurch eine politische Entscheidung, auf der poli-tischen Ebene dann zerschlagen.

Christian Flisek (SPD): Na ja, gut. Was heißt „imFrühjahr“? Am 8. Januar gab es diese berühmteE-Mail von Frau Donfried an Herrn Heusgen.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, und ich habe miteiner Person gesprochen innerhalb des WeißenHauses, die hierarchisch nach meiner Kenntnisüber Frau Donfried redet. Von dem Gesprächs-vermerk - - Den kenne ich erst aus dem Studiumder Akten. Nach meinem Empfängerhorizont warin diesem Gespräch ein solches Abkommen nichtausgeschlossen. Und das war am 14. oder 15. Ja-nuar.

Christian Flisek (SPD): Sie sind in das Amt - -Wann genau sind Sie Geheimdienstkoordinatorgeworden?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Am 14. Januar.

Christian Flisek (SPD): Am 14. Das heißt, Siesind in dieses Amt hineingekommen noch mitder Agenda: Es könnte ein No-Spy-Abkommengeben.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: So ist es; denn daswar meine Kenntnis.

Christian Flisek (SPD): Mhm. - Und was habenSie dann konkret noch in dieser Funktion unter-nommen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Mein Telefonat mitder betroffenen Person im Weißen Haus, wo es,

Page 48: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 48 von 193

wie ich gesagt habe, nicht ausgeschlossen wor-den ist - -

Christian Flisek (SPD): Wer war das?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ich weiß nicht, obdas jetzt hier aus meiner Sicht gesagt werdenkann.

(Der Zeuge wendet sich anMR Philipp Wolff (BK))

MR Philipp Wolff (BK): Der Vermerk ist auchentsprechend eingestuft zu den Inhalten. Alsodas müssten wir dann in eingestufter Sitzung be-handeln.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also kann ich Ihnensagen, aber nicht in offener Sitzung.

Christian Flisek (SPD): Mhm.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Mit der Person istgesprochen worden. Dann hatte ich über das Ge-spräch oder das Ergebnis - nämlich, dass es nichtauszuschließen ist - Chef BK, nach meiner Erin-nerung, unterrichtet, und dann hat es auf der po-litischen Ebene, wohl eher in der Abteilung 2 lie-gend, weitere Gespräche gegeben; denn - Sie sa-gen ja selbst - am 8. Januar hat wohl der Abtei-lungsleiter 2 mit Frau Donfried gesprochen. DieseDinge sind dann nicht über meinen Tisch gelau-fen. Für mich war dann nur wichtig, dass wir imGespräch bleiben, dass jedenfalls auf Dienste-ebene wir vielleicht ein Abkommen hinbekom-men, wenn auch ohne eine politische Erklärungoder ein politisches Abkommen.

Christian Flisek (SPD): Hat sich denn die Kanzle-rin über den Fortgang der Verhandlungen regel-mäßig informieren lassen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Davon gehe ich aus,aber jedenfalls nicht von mir.

Christian Flisek (SPD): Wer wäre dann sozusagenhier derjenige, der die Informationen gibt?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Na, in Bezug auf diepolitischen Fragen, also ein politisches Abkom-men, wäre das dann nach meiner Kenntnis dieAbteilung 2 im Kanzleramt.

Christian Flisek (SPD): Die Abteilung 2, HerrHeusgen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: So ist es; in Verbin-dung mit dem, was aufseiten des AuswärtigenAmtes dazu besprochen wird.

Christian Flisek (SPD): Also das würde überHerrn Heusgen laufen, und der würde unmittel-bar die Kanzlerin im Zweifel darüber informie-ren.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Davon gehe ich aus.

Christian Flisek (SPD): Mhm. - Wie läuft dennüberhaupt die Kommunikation zur Kanzlerin inFragen der internationalen Geheimdienstkoope-ration?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Na, es gibt natürlichUnterrichtungsvorlagen, die auch an die Kanzle-rin gehen; aber mein Hauptansprechpartner, auchin solchen Fragen, ist der Chef des Bundeskanz-leramtes.

Christian Flisek (SPD): Besprechen Sie mit HerrnAltmaier, wann die Kanzlerin über bestimmteDinge informiert wird und wann nicht?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein. Ich besprechemit ihm das Thema, und er entscheidet dann,wie er die Kanzlerin unterrichtet.

Christian Flisek (SPD): Kriegen Sie eine Rück-meldung von Herrn Altmaier, welche Themen ermit der Kanzlerin besprochen hat und welchenicht, oder können Sie dann aufgrund von Nach-fragen des Herrn Altmaier Rückschlüsse daraufziehen, was der Kanzlerin übermittelt wurde undwas nicht?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ich kann natürlichaus dem, was meinen Bereich betrifft, was ich daals Rückmeldung vom Chef BK bekomme, schlie-

Page 49: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 49 von 193

ßen, dass das mit der Kanzlerin besprochen wor-den ist. Noch mal: In dem Bereich, ob die sach-verständige Vertrauensperson - - gab es auch Ge-spräche mit der Kanzlerin.

Christian Flisek (SPD): Umgekehrt gefragt: DerFall „Abwägung Staatswohl“, Untersuchungsin-teresse des Ausschusses, Aufklärungsinteressedes Ausschusses, Vertrauensperson: Das habenSie ja als einen Fall genannt, wo man offensicht-lich mit der Kanzlerin unmittelbar gesprochenhat.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Mhm.

Christian Flisek (SPD): Gibt es weitere Fälle, dieSie hier nennen können, wo Sie wissen, das istnach Ihren Informationen mit der Kanzlerin be-sprochen worden?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, ich gehe da-von aus, dass mit der Kanzlerin Verschiedenesbesprochen worden ist. Was hier den Untersu-chungsausschuss angeht, habe ich keine weiterenKenntnisse - oder: das Thema des Untersu-chungsausschusses angeht, keine weiterenKenntnisse.

Christian Flisek (SPD): Also selbst - - Ichschließe mal jetzt daraus, dass die Kanzlerin javielleicht nach der Veröffentlichung der Tatsa-che, dass ihr Handy ausspioniert wird - - Ichwende das jetzt mal auf mich: Dann ist man na-türlich schon irgendwo, ich sage jetzt mal, belei-digt, insbesondere wenn man dann sozusagen soeinen programmatischen Satz in die Welt setztund gleichzeitig No-Spy-Abkommen laufen, Ver-handlungen darüber. Gibt es da keinerlei gestei-gerten Gesprächsbedarf auch mit Ihnen als demKoordinator für die Geheimdienste?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, um das nochmal zeitlich einzuordnen: Zu dem Zeitpunkt als -im Oktober 2013, glaube ich - das Handy eineRolle gespielt hat, war ich nicht im Bundeskanz-leramt, -

Christian Flisek (SPD): Das ist klar.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: - sondern da warich nur in den Vorbereitungen zu den Sondersit-zungen PKGr immer mit anwesend, um den Partdes Bundesinnenministeriums zu vertreten. Indem Zusammenhang hat das aus meiner Sichtganz allgemein - das Handy und die Veröffentli-chungen dazu - eine Rolle gespielt, aber nicht imSinne Gespräch von mir mit der Kanzlerin.

Christian Flisek (SPD): Wie oft sitzen Sie mit derKanzlerin zusammen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Immer wenn esDinge gibt, die besonders wichtig sind. Da kannich Ihnen jetzt keine regelmäßige Thematik sa-gen, also keinen regelmäßigen Kalender geben.Wir haben ja unsere normalen Lagen. Da ist im-mer Chef BK dabei. Insoweit gehe ich auch davonaus, dass Chef BK hier die Kanzlerin unterrichtet,und in manchen Fragen bin ich dann dabei, umda an dem Gespräch teilzunehmen; aber es gibtkeinen eingeschliffenen Mechanismus.

Christian Flisek (SPD): Haben Sie jemals irgend-eine Äußerung der Kanzlerin mitbekommen, ichsage mal, dergestalt, dass man sie im Vorfeld ih-res berühmten Zitates im Oktober nicht ausrei-chend informiert hätte?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ein solches Zitat istmir nicht bekannt.

Christian Flisek (SPD): Irgendwelche Äußerun-gen? Wahrnehmungen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein. Keine Äuße-rungen in dem Sinne, wie Sie es gerade beschrei-ben.

Christian Flisek (SPD): Gut. - Würden Sie denn -wie Sie sagen „retrograd“ betrachtet - das Ganzeso interpretieren, dass man die Kanzlerin damalshätte besser informieren müssen, bevor sie einensolchen Satz sagt?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also das ist jetzteine Bewertung zu einer Frage, die ich als Zeugeeinfach nicht beantworten kann, weil ich nichtweiß, vor welchem Hintergrund das Ganze gelau-fen ist.

Page 50: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 50 von 193

Christian Flisek (SPD): Mhm.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. - Wirmüssen wechseln.

Christian Flisek (SPD): Dann wechseln Sie.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wir kommenjetzt zur nächsten Runde. - Da beginnt wieder dieFraktion Die Linke. Herr Kollege Hahn.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja, vielen Dank. -Ich will noch mal an einen Punkt anknüpfen, dender Kollege Flisek eben schon nachgefragt hatte,weil Sie jetzt so die richtige Antwort nicht gege-ben haben: Wie oft treffen Sie denn die Kanzlerinzu persönlichen Gesprächen in Ihrer Funktion?Also, ist das im Schnitt einmal im Monat, oderist das jede Woche einmal, jede Woche zweimal?Nur damit ich da eine Vorstellung habe, wie dasabläuft.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also noch mal: Esgibt keinen festen Termin, dass man sich jedenDonnerstag oder sonst wie trifft. Wenn es seinmuss, in der Zeit vor der Sommerpause des Jah-res 2015, häufiger, sonst weniger. Wie gesagt,mein Hauptansprechpartner ist Chef des Kanzler-amtes, und hier gibt es die Kommunikation zwi-schen dem Chef des Kanzleramtes und der Kanz-lerin.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ich habe Sie ge-fragt: Sehen Sie sie jede Woche zum Gespräch?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein, sehe ich sienicht. Das habe ich doch aber gesagt, dass es hierkeinen Kalender gibt, also keine regelmäßigenTermine.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Sie wissen schon,dass ich vom Schnitt jetzt rede?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ich rede nicht vonjeder Woche. Wenn Sie im Urlaub sind, treffenSie sie natürlich nicht. Ich will wissen, wirklich,wie oft Sie dort Beratungen mit der Kanzlerin ha-ben zu wichtigen Fragen.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Rückblickend be-trachtet ein paarmal; das kann manchmal sogarzwei-, dreimal die Woche sein. Dann kann esauch einen längeren Zeitabschnitt geben, wo ichsie gar nicht sehe und nur Chef BK unterrichte.Also ich bitte um Nachsicht, dass - - Ich verstehegar nicht den Hintergrund Ihrer Frage. Immerwenn es -

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Mir geht es um dieIntensität des Austausches.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: - notwendig ist,spreche ich mit der Kanzlerin.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Gibt es denn vondiesem Telefonat der Bundeskanzlerin mit Präsi-dent Obama einen Aktenvermerk oder ein Proto-koll oder einen Vorgang, von dem Sie Kenntnishaben?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein, habe ichnicht.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Wie wird denn sowas rückgespiegelt? Also, kolportiert ist ja derSatz der Amerikaner: Die Zusage von Obama sei,das Handy werde künftig nicht mehr abgehört.Das heißt ja im Umkehrschluss - oder man kannes im Umkehrschluss so gelten -, dass es vorhertatsächlich abgehört worden ist. Und da steht fürmich die Frage: Gibt es dann im Kanzleramt zumBeispiel keine Gespräche darüber: „Wenn dasjetzt für die Kanzlerin gilt, gilt das für die ge-samte Bundesregierung? Sind da andere Ministernach wie vor von Abhörmaßnahmen betroffen?Wie gehen wir damit um?“? Ist das nichts, was inIhrem Bereich dort mitdiskutiert wurde?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also noch mal: Zuder Zeit war ich Innenstaatssekretär, und da ha-ben wir das unternommen, was ich als Innen-staatssekretär zu unternehmen habe, nämlich zufragen: Was kann die Spionageabwehr zur Auf-klärung leisten? Was kann der Staatsschutz zumBKA - - dazu leisten? Wie können wir so etwasfeststellen im spurenlosen Äther, solange wirnicht direkt den Beauftragten als menschlicheQuelle führen, was wir leider nicht machen? -Von daher haben wir nur das gemacht, was wir

Page 51: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 51 von 193

machen können, was auch realistischerweise zumachen ist, und das war das, was ich im Innen-ministerium gemacht habe. Wie gesagt: Die Frage„Kanzlerinnenhandy“ war, wenn ich mich richtigerinnere, Oktober 13. Da war ich noch nicht imKanzleramt.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Aber im Januar 14waren Sie da, und dann hat es danach viele Ge-spräche auch mit den Amerikanern gegeben.Also, ich kann mir nicht vorstellen, dass man daseinfach auf sich beruhen lässt - - dass in den Ge-sprächen dann - da waren Sie dann im Amt -, dasdort auch diskutiert worden ist, dass Sie sagen:Wie sieht es denn nun eigentlich aus? Gibt es daeine neue Entwicklung? Werden weiterhin Mit-glieder der Bundesregierung überwacht?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also natürlich hates - -

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Oder stellen Siesolche Fragen nicht aus Angst vor den Amerika-nern? Ich möchte es ja nur verstehen.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also noch mal: Na-türlich hat es auch in Folge dann Fragen gegeben,auch an NSA-Vertreter - es gibt ja Vertreter auchhier in Deutschland -; aber wir haben keine Ant-wort bekommen, die jetzt hier sagt Ja oder Nein.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Und damit gebenSie sich dann zufrieden.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Was soll ich ma-chen?

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Sich für die Inte-ressen der Bundesrepublik und auch für die derRegierung einsetzen.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das machen wir tag-täglich, Herr Abgeordneter Hahn. Aber wenn wirkeine Antwort bekommen, was sollen wir dannmachen?

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ich bin nicht da,Ihre Fragen zu beantworten, nicht? Aber - -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Gut, dann verzeihenSie die Gegenfrage. Ich sehe keinen Weg.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Dann möchte ichnoch mal auf Ihre Aussage zurückkommen, Siehätten am 13.03.2015 das erste Mal von den Se-lektoren etwas gehört.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Mhm.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Das ist auch einPunkt, der in - - Sie können jetzt wieder sagen:2013 war vor Ihrer Zeit im Kanzleramt. Aber wirwissen ja aus Zeugenvernehmungen hier, dasszunächst auf Weisung von Pofalla die ganzen EU-Sachen rausgenommen worden sind aus derSteuerung, also zumindest erst mal gesperrt wur-den. Wir wissen aber auch, dass in der Folge,also auch im Jahr 2014, Teile wieder eingestelltworden sind, dass man zu dem Ergebnis gekom-men ist: Man braucht es doch. Da gibt es Pro-bleme, wenn man bestimmte Länder, die im Auf-tragsprofil sind, nicht drinhat. Hier ist die Redegewesen von auch NATO-Ländern. Die sind hierdann nicht weiter genannt worden; da gibt eseine geschlossene Sitzung. Aber da ist ja wiederwas eingestellt worden. Und wenn so etwas pas-siert, nachdem eine Weisung vorher was anderesfestgelegt hat, ist das nicht ein Punkt, an dem Siehätten beteiligt werden müssen?

Also Februar, März, April 2014 waren Sie imAmt, und da wird eine grundlegende Weisung,die der Chef BK gegeben hat, wieder verändert,und Sie sind der zuständige Mann für die Ge-heimdienstkoordination. Davon haben Sie über-haupt nichts gehört und nichts erfahren?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Aber noch mal, umes zu sagen: Ich habe das erste Mal am 13.03.15das gehört und dann nachfolgend aus den Aktenentnommen, dass es dort Weisungen des Abtei-lungsleiters TA von 2014 gibt und, und, und. Daswar mir zu dem Zeitpunkt, als das Ganze passiertist, 2014, nicht bekannt.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Meine Schwierig-keit besteht darin, überhaupt zu verstehen: WennSie einen Abteilungsleiter 6 haben, der zuständig

Page 52: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 52 von 193

ist für die Dienst- und Fachaufsicht, der ja offen-kundig wissen musste, dass diese Einst- - Er warbei dem Gespräch dabei bei Herrn Pofalla. Erkannte die Weisung. Und jetzt wird ein Teil derWeisung wieder rückgängig gemacht, sicherlichnicht ohne Kenntnis von Herrn Heiß. Dann istdoch die Frage: Sie als der neue Mann zwischenChef BK und Herrn Heiß als Abteilungsleiter - -An Ihnen ist das alles vorbeigegangen? Die habenSie da nicht informiert? Keinerlei Kenntnis?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: So ist es. Und es istja wohl auch, wenn ich das aus dem Aktenstu-dium entnehme, mit der Amtsleitung des BNDnur unzureichend besprochen worden.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Nein, die Amtslei-tung - Entschuldigung - hat uns ja mitgeteilt, dassdiese Sachen wieder eingestellt werden mussten,weil man sie brauchte.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Mhm.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Das heißt, dieAmtsleitung wusste das und Herr Heiß, gehe ichdavon aus, auch. Die Frage ist doch, ob Ihre Aus-sage, Sie haben im März 2015 das erste Mal da-von gehört, richtig sein kann. Und da aber dieserzentrale Schritt noch mal erfolgt ist im Jahr 2014,wo Sie im Amt waren, habe ich da eben erhebli-che Zweifel.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Gut, die kann ichIhnen offensichtlich nicht nehmen. Ich kann nurnoch mal wiederholen, dass ich davon erst imMärz 2015 erfahren habe.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Was erhalten Siedenn an Meldungen oder an - - Sie haben vorhinvon Finished Intelligence gesprochen. Was erhal-ten Sie an Informationen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das, was ich vorhinbeschrieben habe, also die Finished Intelligence,die Berichte, die auch an andere Ressorts gehen,wo andere Ressorts dann Rückfragen stellen. -Das ist das eine. Weil das der Ausfluss aus demAufgabenprofil der Bundesregierung - da sind janicht nur das Kanzleramt, sondern auch andereRessorts beteiligt - ist.

Und das andere ist das, was ich versucht habeeingangs zu beschreiben, was die Fach- undDienstaufsicht über den Bundesnachrichten-dienst als solche angeht, nämlich die Jours fixeseinzuführen, über Probleme dort zu reden. Dasmuss dort natürlich auch vorgetragen werden;das habe ich vorhin erläutert. Das ist in vielenFällen geschehen, in diesem besagten Fall vorMärz 2015 nicht.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Na, ich frage mich:Wenn Sie zum Beispiel eine Information bekom-men: „Die amerikanische Regierung plant dasund das, ist aus einem Telefonat von Clintonmit“ - weiß ich nicht - „einem UNO-Verantwort-lichen“ - wie auch immer - „hervorgegangen“,wenn Sie so etwas bekommen - und das ist viel-leicht auch eine wichtige Information -, habenSie sich da nie die Frage gestellt: „Wen von bei-den hören wir denn da ab? Wie kommen die andie Informationen? Unser Dienst? Steht beidesnicht im Auftragsprofil und trotzdem werdenMeldungen generiert?“?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also noch mal: Inder sogenannten Finished Intelligence steht janicht, wer mit wem und woher wir das erfahrenhaben, sondern da ist eine Bewertung des Bun-desnachrichtendiensts aufgrund der Erkennt-nisse, die er durch nachrichtendienstliche Mittelerhalten hat, ohne dass man daraus ziehenkönnte, wie er denn das Ganze erhalten hat, obdas SIGINT ist und wen er dort in welchem Tele-fonat aufgegriffen hat. - Das ist das eine. Und dasandere, worauf Sie bei einem solchen Telefonatabheben könnten - - Mir sind jedenfalls solcheTelefonate nicht bekannt; die sind mir erst be-kannt aus dem Aktenstudium.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Na, ich kenne jadiese Meldungen und diese Sachen, die Sieschriftlich bekommen in der Regel nicht. Ichkann mir nur vorstellen, wenn man eine Mittei-lung weitergibt - ich bleibe wieder bei dem Bei-spiel: die amerikanische Regierung plant diesesund jenes -, dass man dann auch darunter-schreibt, gerade weil man gut gearbeitet hat: Dasist eine besonders wichtige und wertvolle Infor-mation, weil die kommt eben zum Beispiel vonder amerikanischen Außenministerin.

Page 53: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 53 von 193

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Macht man sichernicht, weil ja diese Berichterstattung nicht nurfürs Kanzleramt ist, in der Fach- und Dienstauf-sicht, sondern eine allgemeine Beschreibung desAufgabenprofils des Bundesnachrichtendienstesund auch an die anderen Ressorts geht. Dort wirdkeinesfalls aufgeschrieben von welchen Quellen -SIGINT, HUMINT oder Partnerinformationen -das Ganze herstammt.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Und das Kanzler-amt kriegt -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Jetzt müsstenwir gleich wieder wechseln.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): - keine eigenstän-digen Informationen? Weil Sie sagten: Das gehtimmer an alle Ressorts.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: In den Fällen - -Nein, wir kriegen keine eigenst- - Es kann sein,wenn wir auffordern, in bestimmten Fällen, aberdann nicht im Sinne von - - Wenn uns was aufge-fallen ist, wenn jemand gesagt hat: „Mit derQuelle gibt es zum Beispiel ein Problem; das istim Jour fixe gesagt worden“, dann werden wiruns darum kümmern, selbstverständlich. Das istdie Pflicht der Fach- und Dienstaufsicht. Aberauch in den Berichten, wenn wir nachfragen,wenn es eben nicht so einen Hinweis gibt, son-dern allgemein: „Was gibt es für Berichterstat-tung, die das Kanzleramt allein will?“ - kommtauch vor -, dann ist es auch so, wie ich es Ihnengeschildert habe. Da steht nicht drin: Und das ha-ben wir von der wertigen Quelle XY.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Gut. - Dannkommen wir jetzt zur nächsten Fraktion, derFraktion der Union. Gibt es noch Fragen im öf-fentlichen Teil?

Nina Warken (CDU/CSU): Momentan nicht.Danke.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: HerzlichenDank. - Dann kommen wir zur Fraktion Bünd-nis 90/Die Grünen. Herr Kollege von Notz.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ich versuche hier mal so drei, vier Punktenoch einzusammeln. - Herr Fritsche, Sie erinnernsich daran, wie das war, als diese Frage nach derTelefonnummer von Frau Merkel - von der NSAgesteuert - aufkam?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Mhm.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ich glaube, Sie müssen Ja oder Nein sagen,damit der Stenograf das - -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ach so, Entschuldi-gung. - Natürlich. Das war ja damals in allen Me-dien.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Genau, das war in allen Medien. Aber dasmuss ja auch im BMI eine Rolle gespielt haben.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Habe ich vorhinschon gesagt.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Genau.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Natürlich habe ichnachgefragt, ob irgendwelche Erkenntnisse exis-tieren. Es ist mir bestätigt worden weder vomBKA noch BfV, dass es solche gibt. Und dann ha-ben wir die Frage gestellt: Wenn es nicht beweis-bar ist - weil ich ja gesagt habe: spurenloserÄther -, was können wir im Rahmen der Zustän-digkeit des BMI hier machen? Und da spielt na-türlich die Spionageabwehr eine Rolle. Folge istauch, dass jetzt die Spionageabwehr im BfV ge-stärkt worden ist, der sogenannte 360-Grad-Blickverstärkt wird.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, den soll es ja schon vorher gegeben ha-ben. Aber sei es drum.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Verstärkt.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Gut, verstärkter 360-Grad-Blick. - Aberkam im Zusammenhang in diesen Tagen, wo dasheiß diskutiert wurde - ich glaube, man war auch

Page 54: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 54 von 193

mehrfach im Bundeskanzleramt; ich glaube, Siewaren auch mit von der Partie -, die Frage auf,was eigentlich in Bad Aibling gesteuert wird?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das war kein Thema.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das war keinThema.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Warum eigentlich nicht?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Warum?

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Weil in Bad Aibling die Amerikaner meh-rere Millionen Selektoren einsteuern. Und esleuchtet jetzt gar nicht so richtig ein, warum ei-gentlich ausgerechnet die Handynummer vonFrau Merkel nicht dabei gewesen sein soll.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also noch mal -ohne jetzt dann nur auf die eingestufte Sitzungzu verweisen -: Es gab in Bad Aibling ein Projekt,das sich vor allem mit den Fragen und mit dentechnischen Möglichkeiten von Bad Aibling, alsoauch in der Kooperation, auseinandergesetzt hat.Und da war die Zielrichtung ganz klar, nämlich:Einsatzgebiete der Bundeswehr und Terrorismus.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Herr Fritsche, nein. Das - -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: So war es.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Okay. - Also keine kabelgebundene Kom-munikation wird dort durchrastert, sagen Sie.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Wir sprechen jetztvon dem konkreten Projekt.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das ist die Se-lektorenfrage.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein, nein. - Ich weiß, wovon ich rede. Ichrede davon, was in Bad Aibling geschieht. So.Und da gibt es natürlich auch Satelliten und ir-gendwie Afghanistan usw.; aber es gibt eben auchviel mehr, und in der Vergangenheit gab es vielmehr. Woher nehmen Sie die Erkenntnis, dassnicht bis zum heutigen Tag die Telefonnummervon Frau Merkel dort eingesteuert wird, wennSie es nicht nachgeguckt haben?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, die Telefon-nummer der Kanzlerin einzusteuern, kommtüberhaupt nicht infrage. Das ist etwas, was nichtim Aufgabenprofil des BND ist.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aber wenn der Bundesnachrichten-dienst - - Ja, na klar kommt das nicht infrage undwäre eine Ungeheuerlichkeit; aber der Bundes-nachrichtendienst steuert ja selbst die Telefon-nummern von anderen Staatschefs. Und insofern:Die Amerikaner machen sich vielleicht gar nichtdie Mühe. - Ich sage ja gar nicht, dass das nurbösartig ist, sondern vielleicht ist das auch ein-fach nachlässig, und man sagt: Gut, Leute, wennihr nicht wollt, dass das in Bad Aibling gesteuertwird, die Nummer von der Angela, dann müsstihr sie halt selbst aussortieren. - Deswegen frageich Sie: Woher nehmen Sie oder nimmt das Bun-deskanzleramt oder der BND die Erkenntnis, dassnicht auch in Bad Aibling zumindest der Versuchbestand, dass in diesen Millionen von Selektorenauch die Nummer der Kanzlerin war, wenn Sienicht nachgeguckt haben?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also noch mal ganzdeutlich: Es wird nicht gesteuert durch den Bun-desnachrichtendienst.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Also Sie haben es nachgeguckt.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ich kann hier in of-fener Sitzung nur sagen: Es wird nicht gesteuert.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aber, Herr Fritsche, es ist doch so: Teil-weise mehrfach am Tag streut die NSA in dieses

Page 55: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 55 von 193

System neue Selektoren, Zehntausende, manch-mal Hundertausende von neuen Selektoren ein.Also, wenn Sie nicht nachgeguckt haben, woherwissen Sie, dass unter diesen Millionen von Se-lektoren, die der Bundesnachrichtendienst inBad Aibling - unter anderem in Bad Aibling - fürdie NSA gesteuert hat, die Nummer der Kanzle-rin nicht war?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Noch mal, Herr Ab-geordneter - ich habe versucht, das vorhin zu sa-gen -: Wir haben als Folge dessen, was wir imMärz 2015 und folgende gelernt haben, eine Qua-litätssicherung eingerichtet, die die gesamten ak-tiven Profile, die existieren, überprüft.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, aber das ist eben ab dem Zeitpunkt.Und mich interessiert die Zeit davor. Hat sozusa-gen zehn Jahre lang seit „Eikonal“ die NSA - viel-leicht zweimal am Tag - versucht, die Nummerder Kanzlerin einzusteuern - vielleicht anfangsnoch die Nummer von Herrn Schröder oder vonHerrn Steinmeier oder wem auch immer -, oderschließen Sie das aus? Oder sind die im Filterhängen geblieben, in dem „+49“-Filter, den FrauMerkel ja vielleicht in ihrer Nummer dann erfül-len würde?

Aber haben Sie das mal überprüft? Oder könntees sein, dass tatsächlich im Auftragsprofil dieAmerikaner das regelmäßig versucht haben?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nach meiner Kennt-nis nicht.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aber Sie können es auch nicht ausschlie-ßen, weil Sie nicht haben nachgucken lassen.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein, ich kann esnicht ausschließen, weil, wie Sie wissen, bei derVorlage der Listen - das ist ja eine lebende Listegewesen - teilweise ja auch - sowohl, was die ei-gene Steuerung angeht, als auch die NSA - nichtalles wiederherstellbar ist.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Es war nicht alles wiederherstellbar. Ge-nau.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: So ist es.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Es sind Sachen verschüttgegangen. - Wiegesagt, Sie kennen ja unsere Position hier: Vonden NSA-Selektoren durften wir ja gar nichts an-gucken. Das würde jetzt ungeheuer helfen, zu sa-gen: Also, wir haben uns das alles angeguckt;Frau Merkels Nummer war nicht darauf. - Daskönnen wir jetzt nicht machen. Und meiner An-sicht nach spricht vieles dafür, dass eben sie da-rauf war. Und wenn niemand nachgeguckt hat -na ja.

Und eine Frage aus dem Bundeskanzleramt,nicht von Frau Merkel selbst, aber damals seiner-zeit in Richtung Spionageabwehr oder in denDiskussionen im Bundeskanzleramt, in denen Sieda zusammenkamen nach dem Motto: „Sagt malLeute, machen wir das eigentlich auch?“, dieseFrage ist nie gestellt worden?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, in den Bespre-chungen, an denen ich teilgenommen habe, nachmeiner Kenntnis nicht. Ich habe den Part über-nommen, der das BMI betrifft. Und das sind ebenStaatsschutzfragen und Spionageabwehr.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Also weder Pofalla noch Seibert noch ir-gendjemand haben gesagt: Leute, sagt dochmal - -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: In den Besprechun-gen, an denen ich teilgenommen habe - und zuge-gebenermaßen waren das sehr viele im Juli/Au-gust -, hat das nicht stattgefunden.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Die Erklärung von Herrn Pofalla am 12.08.,die ist ja, ich sage mal - das kann man ja an die-sen No-Spy-Abkommen-Verhandlungen und andem Schriftverkehr da gut sehen -, von langerHand geplant worden, diese 13-Punkte-Liste.Und man hat ja gerade im Hinblick auf das No-Spy-Abkommen auf diese Erklärung von HerrnPofalla am 12.08. hingearbeitet. Haben Sie bei derErstellung dieser 13-Punkte-Liste mitgearbeitet?

Page 56: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 56 von 193

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ich glaube, soweitjetzt nicht das BMI betroffen war - und das ist,glaube ich, direkt bei der 13-Punkte-Liste nichtder Fall gewesen -, nicht; aber das ist meine Erin-nerung.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Also, das Papier ist nicht mit dem BMIab- - Also, diese Presseerklärung hier vom 12.August 2013, Pressestatement vonKanzleramtsminister Pofalla nach der Sitzungdes Parlamentarischen Kontrollgremiums am 12.August 2013, die ist nicht mit dem BMIabgestimmt worden.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also abgestimmt indem Sinne, dass es eine Ressortabstimmung gege-ben hat, nicht. Sie wissen ja, dass es Vorbespre-chungen zum Parlamentarischen Kontrollgre-mium gegeben hat; da ist das sicher angespro-chen worden, aber nicht abgestimmt worden imSinne von: Jetzt gehen wir mal Punkt eins, zwei,drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun durch.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wir müsstendann schon wieder - -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Also, von mir aus; aber dann dauert dashier halt.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Nein, von derZeit aus.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, klar.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Sind halt im-mer die gleichen Zeitansätze. - Wir kommen zurnächsten Fraktion, der Fraktion der SPD. HerrKollege Flisek hat nämlich auch noch Fragen.

Christian Flisek (SPD): Ja, das dauert eben. - HerrFritsche, von Januar 2014 bis März 2015, was wa-ren da Ihre Tätigkeits- und Arbeitsschwerpunkteals Koordinator?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, zunächst einmaldie neue Einheit aufzustellen. Das ist ja vor demHintergrund auch - - Personalbedarf, den wir ha-ben: Wie stellen wir uns insgesamt auf? Wie ma-chen wir das in der internationalen Zusammenar-beit? - Dann kam ja die Einrichtung des Untersu-chungsausschusses; das hat natürlich auch einenPunkt mitbetroffen. In der Zeit waren, glaube ich,auch meine Reisen als Single Point of Contact indem Zusammenhang. Das hat alles eine Rolle ge-spielt.

Christian Flisek (SPD): Weil für uns ist das nachwie vor so, dass wir zwischen der Weisung vonHerrn Pofalla - das habe ich auch gegenüberHerrn Pofalla so formuliert - und dem März 2015,dem Besuch vom neuen Chef des Bundeskanzler-amtes, Herrn Altmaier, in Pullach eben einschwarzes Loch haben. So ein bisschen irgend-wie: Thema ist bekannt.

Eines habe ich ja gelernt: Dass man im Kanzler-amt nicht wirklich proaktiv Dinge angeht. - Viel-leicht werden Sie jetzt widersprechen. Aber dasist mein Eindruck, das ist meine Interpretation,dass man sozusagen nicht mal reingeht irgendwound sagt: „Wie machen die das?“, sondern dassman sozusagen sich berichten lässt und allenfallsreagiert.

Jetzt hat man aber einen Anlass gehabt, man hateben eine Weisung gehabt, nach Aussagen vonHerrn Pofalla sogar eine Berichtsanforderung. Ichstelle mir übrigens die Frage: Warum hat man -jetzt unabhängig davon, ob Herr Pofalla uns hierdie Wahrheit gesagt hat, ob jemals von ihm einBericht angefordert wurde oder nicht - eigentlichnicht später mal, selbst wenn das nie passiert ist,selber gesagt: „Wir wollen einen Bericht“? Also,Herr Heiß hat nur mit den Schultern hier ge-zuckt, hat auch gesagt wie Sie: Einen solchen Be-richt gibt es nicht. - Sie haben das ja auch nochmal bestätigt. Warum hat man die Umsetzung derWeisung dem BND selbst überlassen in so einemsensiblen Bereich?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Zunächst einmalwar mir ja diese Weisung nicht bekannt, sondernerst nach dem März 2015 - also, was meine Per-son betrifft.

Page 57: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 57 von 193

Christian Flisek (SPD): Wissen Sie, da gehen mirdie Nackenhaare hoch. Also dass im Prinzip anoberster Stelle eine Weisung vom Chef des Bun-deskanzleramtes, die mündlich erteilt worden ist,in den BND eingespeist wurde, dass dazu nichtsinnerhalb des Kanzleramtes existiert, wo dann,sage ich mal, jemand wie Sie, der im Januar insAmt kommt, darauf zugreifen könnte, um mal zusagen: So, ich bin jetzt der Koordinator für dieGeheimdienste. Der neue Chef des Bundeskanz-leramtes ist Herr Altmaier. Er soll jetzt entlastetwerden; darum bin ich ja in office. Und jetztweiß ich, was der Vorgänger von Herrn Altmaieralles angeschafft hat, und ich kümmere mich jetztnahtlos darum, dass das auch tatsächlich stattfin-det. - Niente.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nachdem ich dieKenntnis erst im März 2015 habe und in dem Zu-sammenhang dann auch zu dieser 2013er-Bespre-chung - so muss man das ja, jedenfalls nach mei-ner Kenntnis, sagen -, sind wir dem dann voll in-haltlich nachgegangen.

Christian Flisek (SPD): Ja, aber noch mal: Siesind doch - -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Aber in meiner Ver-antwortung erst seit -

Christian Flisek (SPD): Schauen Sie - -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: - März 15.

Christian Flisek (SPD): Ja, gut. - Also vielleichtzoome ich das mal ein bisschen runter, damit wirdas auch nicht so persönlich machen. Es geht jahier nicht nur um die Frage persönlicher Verant-wortung. Es geht am Ende um die Frage desFunktionierens von organisatorischen Struktu-ren. Und am Ende geht es um die Frage, ob so et-was wie das Kanzleramt überhaupt die geeigneteAufsichtsorganisation über so was wie Nachrich-tendienste ist, was angesichts dieser Konstella-tion fraglich erscheint. Weil, wenn der Chef, dieSpitze des Kanzleramtes, Weisungen erteilt, weiler Missstände entdeckt, und innerhalb des Am-tes, des Kanzleramtes, nicht sichergestellt wird,dass ein neu eingeführter Chefkoordinator für dieNachrichtendienste den Ball aufgreifen kann und

weiter fortführen kann, dass Sie überhaupt mitei-nander im März 2015 vor einer solchen Situationstehen angesichts eines Besuches in Pullach, dassSie plötzlich Neuigkeiten erfahren mittendrin inder Arbeit eines Untersuchungsausschusses, dasist doch - - Also, entschuldigen Sie, aber da istLuft nach oben, oder?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Deswegen habe ichganz am Anfang, glaube ich, auf verschiedeneFragen gesagt, dass wir insoweit die Informa-tionsstränge verbessern müssen, dass wir dieFach- und Dienstaufsicht - - dass der BNDgezwungen wird, in dem Bereich die Fach- undDienstaufsicht zu unterrichten. Das war einemeiner ersten Weisungen. Das ist die Reaktiondarauf. Und ich gebe Ihnen vollkommen recht:Schöner wäre es gewesen, ich hätte es ehergewusst.

Christian Flisek (SPD): Darf ich gleich: „Gezwun-gen wird, die Fach- und Dienstaufsicht bes-ser …“: Ich meine, das ist er doch sowieso. Nachden Regularien, die wir haben, auch für dieUnterrichtung des Parlaments, also nicht hier,aber der Kolleginnen und Kollegen, die im Parla-mentarischen Kontrollgremium arbeiten, sind dasdoch alles Themen, die nach geltender Rechts-lage vorgetragen werden müssten.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: So ist es. Aberwenn es nicht funktioniert, dann muss ich aufden konkreten Fall Bezug nehmend natürlichnoch mal eine extra Einzelweisung geben. Es gibtdie Allgemeine Dienstanweisung des Bundes-nachrichtendienstes, wo solche Dinge vorzutra-gen sind. Das existierte vorher schon; da gebe ichIhnen vollkommen recht. Aber vor dem Hinter-grund der Diskussion, die wir vorhin geführt ha-ben, dass ja von Mitarbeitern das eigentlich garnicht als berichtenswert gesehen worden ist, weilsie das selbst entschieden haben, teilweise in denAußenstellen, an der TA, ohne die Vorgesetztenzu unterrichten - was wir jetzt auch verpflichtendhinbekommen haben -, ist das so geschehen, wiees geschehen ist. Die AllgemeineDienstanweisung existierte schon 2013, und sieexistierte lange vorher.

Page 58: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 58 von 193

Christian Flisek (SPD): Na ja. - Nur noch mal:Also aus Sicht der Aufsichtsbehörde und - - Dasfindet ja auch alles nicht in einem luftleerenRaum statt; da gibt es Richtlinien, wie so Auf-sicht auszuüben ist. Bei einer solchen Thema-tik - - Ich gehe vielleicht noch mit Ihnen mit,dass man sagt: „Wir haben Kapazitätsprobleme“,und: „Wir haben nicht die Aufgabe“, auch wennich nicht so weit gehen würde wie Sie, dass mansagt: „Ich müsste hinter jeden Mitarbeiter einenzweiten, der kontrolliert, stellen“ - also das istein bisschen, glaube ich, hoch gegriffen -, aberdass man sagt: „Man muss Schwerpunkte setzenim Rahmen beschränkter Kapazitäten und Res-sourcen“, und dass das ein Stück weit bei einzel-nen Themen dazu führt, dass man eher reaktivdann aufgestellt ist und darauf vertraut, dass imRahmen einer ordnungsgemäßen VerwaltungDinge berichtet werden, auf die man reagierenkann. Aber das stellt sich doch irgendwie völliganders dar, wenn man die Thematik bereits aufdem Bildschirm hatte, noch dazu in Zeiten wieden damaligen, ja? Es ist da gewesen, und es istkein banales Thema gewesen.

Also die Frage: „Welche Selektoren sind in Zu-kunft zu steuern und welche nicht angesichts derGemengelage? Was ist der Rechtsrahmen? Wassind Interessen?“, ist durchaus eine komplexeThematik angesichts der Tatsache, dass mandurchaus Anhaltspunkte hat, dass das innerhalbdes BNDs vielleicht nicht optimal läuft bzw. manden Eindruck haben kann, dass vielleicht ein-zelne Mitarbeiter auch in untersten Hierarchienzu viel Verantwortung haben, der sie ohne klareAnweisung gar nicht nachkommen können. So.

Was sagt das über die Wahrnehmung der Auf-sicht aus, wenn sozusagen es bis März 2015 dau-ert, bis überhaupt dann mal wieder dieses Themabei Ihnen auftaucht?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Aber, Herr Abgeord-neter, bei mir ist das Thema erstmalig da aufge-taucht. Und wenn Sie das Aktenstudium sehen,dann haben wir zu dieser Problematik, die wirgenauso als schwerwiegend betrachten wie Sieund wie der Untersuchungsausschuss insgesamt,uns da permanent berichten lassen, haben ent-sprechende Weisungen erteilt, dass manches

nachgesteuert wird, und haben Aufträge gegeben,wie weiter für die Zukunft noch die AbteilungTA sich aufstellt. Und da sind wir noch dabei.Also, in dem Bereich, als ich es erfahren habe,haben wir definitiv in vielfältiger Art und Weise,und zwar die Fach- und Dienstaufsicht des BND,hier gehandelt und entsprechende Weisungen er-teilt.

Christian Flisek (SPD): Sie reden jetzt immerüber „nach März 2015“.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, so ist es. Weildas ist das, was - -

Christian Flisek (SPD): Genau. Ich rede vor März2015.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Aber das habe ichnicht gewusst, und ich kann als Zeuge dazunichts sagen.

Christian Flisek (SPD): Die Frage ist halt, welcheSchlussfolgerungen man jetzt daraus zieht. - Se-hen Sie einen Punkt in der Nachbetrachtung vonJanuar 2014, wo Sie sagen würden, da hat manvielleicht auch einen Fehler gemacht und hätteaktiver, proaktiv reingehen müssen und hättenachfragen müssen, hätte man vielleicht unab-hängig von der Frage, ob vielleicht Pofalla schoneinen Bericht angefordert hat, mal irgendwie sa-gen können: „Wie läuft das jetzt in Sachen Se-lektoren bei euch?“?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Aber, noch mal,Herr Abgeordneter: Ich kann doch nur als Zeugefür das sprechen, was ich tatsächlich gemachthabe. Das sind hypothetische Fragen: Was hätte,wenn? - Ich weiß nicht, was der Punkt der Ent-scheidung war im Oktober 2013, und ich weißnicht, wie die Diskussion weiter war.

Christian Flisek (SPD): Na ja. Gut. - Also dieFrage, ob man selber sieht im Rahmen einer Re-flexion, dass man da eventuell sagt: „Hier hättenwir vielleicht an der ein oder anderen Stelle unsanders verhalten müssen“, ist ja durchaus aucheine Frage der eigenen Wahrnehmung, es seidenn, es hat so etwas nie an Gedanken bei Ihnenstattgefunden.

Page 59: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 59 von 193

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Aber für mich istwichtig, wenn ich es erfahre, dass ich meine Vor-gesetzten richtig informiere und dass wir dannsofort handeln. Und das haben wir nach meinerfesten Überzeugung ab März 2015 gemacht.

Christian Flisek (SPD): Ich versuche es noch malanders, Herr Staatssekretär Fritsche: Gibt es - Siehaben ja selber mal gerade den Begriff der Kulturverwendet - im Verhältnis BND und Kanzleramteine Kultur, die da lautet vonseiten des Kanzler-amtes: „Also, wir wollen im Zweifel nicht alleswissen. Was ihr bei euch regeln könnt, das regeltbitte bei euch“?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Definitiv nicht. So-wohl als ich Abteilungsleiter 6 war im Kanzler-amt in der vorletzten Legislaturperiode als auchin der Zeit, in der ich jetzt als Staatsekretär dieVerantwortung trage, ist es mein stetes Reden,dass irgendwelche Dinge, die bedeutend sind imSinne der Allgemeinen Dienstanweisung undsonst, mit dem Kanzleramt geteilt werden müs-sen, weil es uns nichts nützt, wenn wir das dannvon anderer Seite erfahren und hinterherhecheln.Deswegen kann ich nur deutlich sagen: MeinPetitum und das, was ich in den Gesprächen mitder Amtsleitung, egal welcher Amtsleitung, vonHerrn Uhrlau bis zur jetzigen Amtsleitung - - ge-sagt worden ist und was mit den Abteilungslei-tern - ich war in den Abteilungsleiterrunden - -war mein stetiges Werben, dass hier Informa-tionspflichten seitens des BND existieren.

Wir haben eine Bringschuld, indem wir den BNDinsoweit als Fach- und Dienstaufsicht unterstüt-zen; aber wir müssen natürlich die Informationendazu haben, und nur dann können wir es ent-sprechend aufgreifen. Und das ist meine festeÜberzeugung. Deswegen bin ich auch froh, dassdie Stelle des Beauftragten mit dem Staatssekre-tär - und da gehe ich jetzt weg von meiner Per-son - hier rausgezogen worden ist, damit hier dasauch intensiv weitergeführt werden kann. Undwir sind, so bedauerlich das ist, dass wir es sospät erfahren haben, derzeit in dem Bereich aufeinem guten Weg; denn wir brauchen gerade dieAufklärung des BND, und die muss eben dannfehlerfrei erfolgen.

Christian Flisek (SPD): Und jetzt noch mal ausIhrer Betrachtung heraus: Dass diese Informatio-nen vielleicht nicht so zeitig an Sie herangetra-gen worden sind, wie das hätte passieren sollenoder müssen, wo lag der Fehler?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ich habe mir die Be-wertung - das habe ich, glaube ich, auf die Fragedes Vorsitzenden ganz einleitend gesagt - des Ab-teilungsleiters angehört. Wie gesagt, mit Pofallahabe ich ja nicht mehr gesprochen, weil er schonlängst weg war, als ich ins Kanzleramt gekom-men bin. Und ich habe das nachvollzogen, was ermir gesagt hat, warum er die Verknüpfung nichtgezogen hat.

Und was die Frage des Berichts angeht, der vor-hin ja in Fragen eine Rolle gespielt hat: Das istmir nicht bekannt, dass ein solcher Bericht gefor-dert worden ist.

Christian Flisek (SPD): Noch mal: Was hat derAbteilungsleiter Ihnen vorgetragen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Er hat gesagt, dasser das, als wir dann nach dem März, nach dem20., in Pullach waren, nicht verknüpft hat unddass er auch hier nicht - -

Christian Flisek (SPD): Was hat er nicht ver-knüpft?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Verknüpft, dass dieFrage, die 2013 im Oktober eine Rolle gespielthat, vielleicht zu dieser Frage der Selektorenhätte führen können.

Christian Flisek (SPD): Das ist für uns natürlichsehr schwer nachvollziehbar, nicht? Also, ichsage es mal so - wir haben die Zahlen vom BNDvorliegen -: Was ist die Bedeutung von SIGINT?Mittlerweile, denke ich mal, 50 Prozent oder ir-gendwie mehr, ja? SIGINT funktioniert ganz we-sentlich über Selektoren. Das heißt, wenn manhergeht und sagt: „Ich informiere mich mal überdie Grundarbeitsweise dieses immer wichtigerwerdenden Bereichs unseres Auslandsnachrich-tendienstes“, dann kommt man automatisch zuder Frage: Was sind die Regularien, nach denenSelektoren, ob eigene oder fremde Selektoren, im

Page 60: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 60 von 193

Rahmen einer Kooperation gesteuert werdenmüssen? - So. Und dann komme ich als eine Be-hörde oder - das ist ein bisschen tiefgestapelt - alsBundeskanzleramt doch mal irgendwann zu derFrage: Wer entscheidet darüber, welcher Selektorscharfgestellt wird und welcher nicht? - Und vorallen Dingen, ich komme doch irgendwann malzu der Frage: Gibt es hier irgendwelche Anwei-sungen, Regularien? Nach welchen Regeln findetdas statt? - So.

Ich sage es Ihnen so: Das sind für mich ganzgrundlegende, banale, einfache Fragen der Auf-stellung, so wie Sie gerade gesagt haben. IhreFunktion ist neu geschaffen worden; da sind Sieerst mal damit beschäftigt gewesen, sozusagendas Amt oder Ihre Einheit neu aufzustellen orga-nisatorisch. So. Genauso wie man an so was her-angeht, geht man doch auch an so ein Problemheran, mal etwas strukturierter und nicht immernur sehr punktuell, situativ, reaktiv. Und wissenSie, das ist halt das, wo ich sage: Das fehlt. - Undich sage auch noch mal: Deswegen ist sozusagender Umgang des Kanzleramtes mit dieser Proble-matik - abgesehen jetzt mal von den Fehlern, diebeim BDN gemacht worden sind - - aber der Um-gang: Also, das beste Bild ist das nicht.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das ist danndie letzte Frage.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Dass es in dem Falloptimaler hätte laufen müssen, haben wir gesagt,hat die Bundesregierung gesagt, hat sie sofort imMärz 2015 gesagt.

Aber wir haben doch hier ein grundsätzlichesProblem, Herr Abgeordneter Flisek: Wenn selbstdie Amtsleitung, also die, die verantwortlichsind, direkt verantwortlich sind für den Dienst,das offensichtlich nicht gewusst haben, dannfrage ich mich wirklich: Wie hätte hier die Fach-und Dienstaufsicht und deren Hauptansprech-partner - jetzt in meiner Position ist es die Amts-leitung - reagieren sollen?

Und noch mal: Wir haben dem Dienst das Ange-bot gemacht, dass wir den Dienst unterstützen,dass wir aber wissen müssen, was dort läuft. Wir

sind ganz allgemein - da war ich noch Abtei-lungsleiter 6 im Kanzleramt - über die Problema-tiken bei dem Neuen, also nicht nur Telefonnum-mern zu selektieren, sondern IP-Adressen, paket-vermittelte Verkehre zu selektieren, unterrichtetworden. Solche Unterrichtungen hat es natürlichgegeben; aber es ist nie gesagt worden, dass wirhier Probleme haben. Und wenn Sie sich erin-nern an die Maßnahme im Zusammenhang mit2008/2009 mit ITO, ist ja auch vonseiten desBND uns geschrieben worden, dass insoweit, wasdie SIGINT-Frage angeht, eine DV-SIGINT nichtnotwendig ist, weil es keinen Fehler in dem Be-reich geben kann. Und wir haben keinen Anhaltgehabt, in der Finished Intelligence - das habeich versucht zu erklären - zu sehen, dass hier Se-lektoren eingesteuert worden sind, die nicht trag-bar sind. Das hatten wir nicht.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wir müsstendann jetzt wechseln und kommen in der nächs-ten Fragerunde wieder zur Fraktion Die Linke.Herr Kollege Hahn.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja, Herr Fritsche,ich möchte noch mal allgemein fragen: Wenn Siejetzt in Ihrem Amt informiert werden, dass derBundesnachrichtendienst reihenweise europäi-sche Regierungen, Staatschefs, Ministerpräsiden-ten, Ministerien, EU-Institutionen, internationaleOrganisationen abhört und ausforscht, wenn dasIhnen mitgeteilt wird, ist das aus Ihrer Sicht einbesonderer Vorgang, ein besonderes Vorkomm-nis?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das ist ein besonde-rer Vorgang.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Warum ist dannim Jahr 2013 das Parlamentarische Kontrollgre-mium nicht über diesen Vorgang informiert wor-den, das ja über besondere Vorkommnisse zu in-formieren ist?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Dazu habe ich keineKenntnis, weil in meiner Zuständigkeit ist dasParlamentarische Kontrollgremium sofort infor-miert worden, wenn Sie sich an die gemeinsameSitzung mit den Obleuten dieses Ausschusses er-innern.

Page 61: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 61 von 193

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Wir haben ja nunden Umstand, dass sowohl Herr Pofalla als auchHerr Heiß - immer wieder im Übrigen der gleicheMann - informiert waren und trotzdem das Parla-ment davon keine Kenntnis erlangt hat.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Noch mal: Was dieMotivation für die damaligen Verhaltensweisenwar, kann ich nicht beurteilen, weil ich nicht da-bei war, weil ich auch nicht dafür verantwortlichwar. Als im März 2015 das Ganze mir bekannt ge-worden ist, sind alle, die unterrichtet werdenmüssen, unterrichtet worden, und wir haben dienotwendigen Weisungen als Fach- und Dienst-aufsicht auch gestellt.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Wenn Sie aber sa-gen: „Es ist ein besonderes Vorkommnis“, dannist damals ja gegen geltendes Recht auch und ge-gen die Informationspflichten der Bundesregie-rung gegenüber dem Parlament verstoßen wor-den.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Herr Abgeordneter,Sie wissen ganz genau, wie schwierig gerade diebesonderen Vorkommnisse zu definieren sind.Das ist meine Bewertung, und ich habe mich anmeiner Bewertung orientiert und habe das ge-macht. Wir haben in dieser Legislaturperiode -daran möchte ich Sie erinnern - auch noch malgemeinsam festgestellt - die Vertreter der Bundes-regierung und das Parlamentarische Kontrollgre-mium -, dass diese allgemeine auszufüllende Be-schreibung ausfüllungsbedürftig ist. Und wennSie sich erinnern, haben wir hier auch quasi ei-nen Katalog erstellt, um es uns beiden leichter zumachen, was berichtswürdig ist. Aber noch mal:Das war eine Entscheidung, die mit mir nicht be-sprochen worden ist. Als ich solche entsprechen-den Informationen hatte, sind alle die - - und vorallem das Parlamentarische Kontrollgremium, na-türlich auch der Untersuchungsausschuss unter-richtet worden.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Na, ich frage des-halb, weil der Herr Heiß dabei war. Der Herr Heißwar es ja offenbar auch, der keinen Zusammen-hang hergestellt hat zwischen, wie Sie sagen, denNSA-Selektoren und der BND-eigenen Steuerung.

Also, wenn ich erfahre, dass rund 40 000 Suchbe-griffe gesperrt sind, weil sie gegen deutsche, eu-ropäische Interessen verstoßen oder eben nicht indiesen Suchprofilen laufen durften, dann wäredoch eigentlich die naheliegendste Frage gewe-sen, wenigstens für Herrn Heiß: Was steuern wireigentlich? - Oder ist das völlig fernliegend?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Da müssen SieHerrn Heiß fragen. Mit mir ist das nicht bespro-chen worden. Und wir haben ja gleichzeitig, wiewir erfahren haben - deswegen hat sich das jaauch überholt - - von der BND-eigenen Steuerungspätestens seit dem Besuch am 20. März erfahrenund haben ja auch hier vom BND gefordert, dasser hier entsprechend berichtet, was er dann letzt-lich Ende September 2015 auch gemacht hat - -und wir dann das Parlamentarische Kontrollgre-mium unterrichtet haben.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja, aber Herr Heißwusste doch die ganze Zeit von 13 bis 2015 vonden Steuerungen des BND. Und es ist niemandauf die Idee gekommen, Sie zu unterrichten, denneuen Chef BK zu unterrichten? Wenn das so ist,wenn Herr Heiß das alles wusste, aber weder Sienoch Herrn Altmaier unterrichtet hat, wieso istdenn der Mann eigentlich noch im Amt?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, das sind Ent-scheidungen, die ja im Hintergrund von verschie-denen Dingen eine Rolle spielen, nämlich ein-mal: Politischer Beamter, was mache ich mitdem? - Da gilt das, was ich vorhin gesagt habe,nämlich dass der politische Beamte ohne Angabevon Gründen im Amt bleibt und ohne Angabevon Gründen aus dem Amt scheiden kann. Dassieht das Beamtenrecht so vor.

Und was den anderen Aspekt angeht, da stellensich Fragen von Disziplinarrecht. Das ist aus mei-ner Sicht aber nicht einschlägig.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Sie können ja im-mer wieder auf das Beamtenrecht verweisen; -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, so ist es.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): - wir reden hieraber über Verantwortlichkeiten. Und dann ist es

Page 62: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 62 von 193

immer eine Schnittstelle im Kanzleramt, wo ent-weder alles vorbeiläuft - angeblich - oder aber al-les gewusst wird und nie an die verantwortlichenpolitischen Spitzen des Hauses weitergegebenwird. Beides ist gleichermaßen unverantwortlich,und trotzdem sitzt der Mann dort noch. Weiß ereinfach zu viel, oder was ist das Problem?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ich weiß wirklichjetzt nicht, was Sie mit der Frage wollen. Fürmich ist doch wirklich nur wichtig: Wann habeich die Information bekommen, und wie bin ichmit der Information umgegangen? - Und das istdas Entscheidende. Und Herr Heiß hat das erläu-tert, wie er das gesehen hat, die Verknüpfung,und mehr kann ich dazu nicht sagen.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ich mache Ihnen jaden Vorwurf für das, was vor 2013 war, logi-scherweise nicht; aber da war Herr Heiß ja auchschon im Amt. Und wenn wir hier erfahren, dasseinfache Sachbearbeiter ohne jede Kontrolle,ohne jede Rücksprache, ohne jede Genehmigungvon übergeordneten Vorgesetzten - angeblich -Staatspräsidenten, Ministerpräsidenten, EU-Insti-tutionen, was sie wollen, einstellen in die Abhör-anlagen des BND und die entsprechenden Such-begriffe steuern, dann ist doch die Aufsicht imKanzleramt offenbar völlig unzureichend gewe-sen.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also ich kann ja nuraus den Akten von dem Vorgang etwas sagen.Und nach meiner Überzeugung ist der Umfangdessen, was damals eine Rolle gespielt hat, so-wohl bei der Steuerung der NSA-Selektoren alsauch bei der eigenen Steuerung, ja erst ab März2015 bekannt geworden.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja, warum hatdenn Herr Heiß nicht gefragt?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Gerade weil Sie denUmfang ja hypothetisch zitiert haben, ist dieserUmfang oder ist ein entsprechender Umfang - ichwill das nicht bestätigen - erst im März 2015 be-kannt geworden.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Sie waren selbstAbteilungsleiter 6 vorher.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: So ist es.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Da haben Sie ge-sagt, schon damals hätten Sie eingeführt, dass dieInformationspflicht besteht, dass also wichtigeDinge auch logischerweise ans Kanzleramt danngegeben werden müssen. Deshalb möchte ich Sienoch mal fragen - wir reden ja immer über März2015; das Datum, das Sie genannt haben -: Mirliegt hier vor - das haben wir vorhin gekriegt,heute zu Beginn der Sitzung; das ist eine strenggeheime Unterlage; da darf ich jetzt also nicht da-raus vorlesen - eine Weisung, die Herr Paulandgeschrieben hat: Grundsätze der technischenAufklärung. Und da - jetzt mal ganz allgemein -steht drin, welche Spitzenpolitiker wie allesnicht mehr abgehört werden dürfen, welche Län-der nicht abgehört werden dürfen, welche viel-leicht unter Ausnahmen doch noch abgehört wer-den dürfen, was weiter gesteuert werden darf,was nicht, alles detailliert. Das ist datiert vom4. April 2014, also ein Jahr vor dem Termin. Dasist eine zentrale Weisung für die technischeAufklärung. Auch die haben Sie nie erhalten?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Beim Studium derAkten.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Bei - - Ich habeSie - -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Jetzt, im Nachgangzur Aufbereitung nach dem März 2015; jedenfallsnicht 2014.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Die haben Sieselbst vorher nicht gesehen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: So ist es.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Und hat Herr Heißdie auf dem Tisch gehabt? Hier sind so verschie-dene Verteiler drin. Ich kenne da nicht alle Ab-kürzungen, abgesehen davon, dass ich es nichtvorlesen darf, aber: Wissen Sie, ob Herr Heiß dasbekommen hat?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, wenn ichmich richtig erinnere - und weil ich die Akten jagelesen habe -, ist das ein internes Papier, das

Page 63: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 63 von 193

den Bundesnachrichtendienst nicht verlassenhat.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Sie haben aber vor-her gesagt, Sie hätten schon damals angewiesen,dass solche Dinge, die wichtig sind, dann tat-sächlich auch dem Kanzleramt mitgeteilt werden.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: So ist es.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Also ist dagegenverstoßen worden.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Herr Kollege,Sie können ja einen stillen Vorhalt machen, dannkann der Zeuge das Dokument auch sehen.

(Martina Renner (DIELINKE): Der weiß schon,

worum es geht!)

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Er weiß ja offen-bar, worum es geht. Also von daher - -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: 04.04., ist mir be-kannt, ja.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Also ist gegen diegeltenden Vorschriften verstoßen worden, unddas hat weder Herrn Heiß noch Sie anschließenddazu bewogen, irgendetwas dort zu verändern.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Moment! Das ist janur eine Detailfrage in der gesamten Problematik.Es sind ja die anderen - - Die Listen, die hier eineRolle spielen in diesem Untersuchungsaus-schuss, sind vor März uns auch nicht bekannt ge-wesen. Das ist ja auch ein Punkt, der unter dieallgemeine Informationspflicht fallen würde. Dasist aber auch nicht bekannt gewesen. Deswegenhat es ja die Maßnahmen gegeben, die wir jetztim Anschluss getroffen haben.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Aber was hat dennHerr Heiß in den zwei Jahren gemacht, in denener das alles wusste? Was hat er denn getan, umdem weiter nachzugehen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ich kann nur nochmal wiederholen: Er hat mir erläutert, dass er die

Verknüpfung nicht gezogen hat und dass es ihmerst im März 2015 klargeworden ist. Das anderemüssen Sie Herrn Heiß fragen. Ich jedenfalls - -

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja, den haben wirja gefragt. Nur allein für die Begründung hätte eraus meiner Sicht gehen müssen.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das ist eine Bewer-tung von Ihnen. Ich bin als Zeuge hier und - -

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Und Sie sind auchsein Vorgesetzter.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das ist richtig.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Na ja, und als Vor-gesetzter sollte man auch entsprechend handeln,wenn man merkt, eine Person ist offenkundignicht in der Lage, den Job auszuführen.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, seitdem ich inder Verantwortung bin - und jetzt losgelöst vondieser Problematik -, ist die Zusammenarbeit mitHerrn Heiß gut, und die Informationen laufen.

Martina Renner (DIE LINKE): Wenn noch Zeitist, hätte ich noch Fragen. - Können Sie uns denGrundsatz „do ut des“ erklären bei der Koopera-tion?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Na, du kriegst nurwas, wenn du mir auch was gibst.

Martina Renner (DIE LINKE): Genau. - Und kannes sein, dass man für diesen Grundsatz auch daseigene Auftragsprofil, die eigene Auftragsrele-vanz verlässt, weil man sonst nicht das bekommt,was man will, oder der Partner beleidigt ist?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, das sehe ichnicht.

Martina Renner (DIE LINKE): Das sehen Sienicht?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein.

Page 64: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 64 von 193

Martina Renner (DIE LINKE): Also dass manquasi nicht mehr unmittelbare Ziele verfolgt, son-dern mittelbare.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein.

Martina Renner (DIE LINKE): Das mittelbareZiel, das Wohlwollen des Partners.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Sehe ich nicht.

Martina Renner (DIE LINKE): Dann würde ichIhnen gerne einen stillen Vorhalt machen; das istdie Akte 281/16. Das ist ein Schriftstück, das Sieselbst verfasst haben am 29. April 2016, und dagibt es Ausführungen. Ich würde Sie bitten, dieaufgeschlagene Seite ganz unten und dann über-gehend auch die nächste Seite sich kurz anzuse-hen.

(Dem Zeugen werdenUnterlagen vorgelegt -

Der Zeuge undMR Philipp Wolff (BK)

nehmen Einblick)

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Können Sieda die Seitenzahl noch mal uns allen - -

Martina Renner (DIE LINKE): Jetzt nicht mehr.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Aber viel-leicht Herr Fritsche gleich, wenn er sie hat, dasswir alle nachblättern können.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja. - Es ist die Seite5.

Martina Renner (DIE LINKE): Da fällt dieser Be-griff. Und wenn Sie dann drumherum lesen,dürfte das der interessante Teil sein.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, ist mir bekannt.

Martina Renner (DIE LINKE): Ist Ihnen bekannt. -Aber da steht ja etwas anderes, als Sie eben aus-geführt haben: dass dieser Grundsatz nicht dazugeeignet ist, -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein, widersp- -

Martina Renner (DIE LINKE): - die unmittelbarenInteressen beiseitezuschieben und mittelbare zuverfolgen.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein, das wider-spricht sich nicht, weil hier geht es ja darum,dass man AND-Kooperationen grundsätzlichdurchführt, und nicht darum, dass man eins zueins aufzählt: Wenn ich eine Information von dirhabe, kriegst du eine Information von mir. - Daskann ja bei verstetigten Kooperationen gar nichtder Fall sein. Und darum geht es.

Martina Renner (DIE LINKE): Hat man dieses dout des im Zusammenhang mit dem Einpflegender NSA-Selektoren angewandt?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, ich habe esgerade gesagt: Es gibt nicht ein Eins-zu-eins, -

Martina Renner (DIE LINKE): Na ja, das ist aberjetzt eine - -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: - sondern man hateine Kooperation, in der die - -

Martina Renner (DIE LINKE): Ich habe da jetzteine konkrete Frage: Spielte dieser Grundsatz imZusammenhang mit den NSA-Selektoren eineRolle?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, beim Ab-schluss des ersten MoAs: Kann ich Ihnen nichtsagen. - Es hat natürlich eine Rolle gespielt, dassman zusammenarbeitet mit anderen Diensten; dagab es ja mehrere Motivationen, warum man ge-rade mit der NSA zusammenarbeiten will. Aberdo ut des im Sinne von - - sehe ich nicht.

Martina Renner (DIE LINKE): Aber hat man viel-leicht, als man gemerkt hat, dass man die Se-lektoren nicht versteht, dass dort Selektoren da-runter sind, die gegen deutsche und europäischeInteressen verstoßen, dass die NSA immer wiederabgelehnte Selektoren versucht erneut durchneue Umschreibungen unterzuschieben, einzu-stellen, in dem Zusammenhang irgendwann ge-sagt: „Formal müssten wir es beenden, aber dasZiel der Kooperation ist zu groß. Das machen wirweiter“?

Page 65: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 65 von 193

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nach meiner Kennt-nis hat es so eine Diskussion, jedenfalls die mirzur Kenntnis gekommen ist, nicht gegeben. Esgab ein anderes Projekt, das auch nur, wenn Siewollen, in einer geheimen Sitzung weiter intensi-ver beraten werden kann, wo die Zusammenar-beit aus anderen Gründen eingestellt worden ist.

Martina Renner (DIE LINKE): Aber das war janach den Snowden-Veröffentlichungen.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Bitte? Ich habe dieFrage nicht verstanden.

Martina Renner (DIE LINKE): Das war ja nachden Snowden-Veröffentlichungen.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein.

Martina Renner (DIE LINKE): Ach nein, Sie mei-nen nicht das mit den Briten.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das, was ich meine,liegt in der Zeit, als ich Abteilungsleiter im Kanz-leramt war.

Martina Renner (DIE LINKE): Also Sie schließenaus, dass es für das Weiternutzen der NSA-Se-lektoren Gründe gab, die nicht aus dem unmittel-baren Auftragszweck des Bundesnachrichten-dienstes herrühren, sondern mittelbar sich nurerklären lassen, weil man - „das Ziel heiligt dieMittel“ würde ich das mal so ein bisschen über-schreiben - irgendwie unbedingt die Kooperationwollte und darauf in Kauf genommen hat, dass -ich würde annehmen, wenn wir von 13 Millio-nen NSA-Selektoren ausgehen, dass ein relevan-ter Anteil in Millionenhöhe nicht verstandenwird - sie auf der Datenbank des Bundesnach-richtendienstes laufen.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, aber jetzt nochmal - unterstellt, Sie haben Recht -: Dann, wennsie nicht verstanden worden sind, kann man janicht schlecht vorher einen Vertrag abschließen,indem man sagt: Drücken wir mal ein Auge zu. -

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Man kann sie aber

nicht steuern!)

Sondern das ist ja der Mangel gewesen, -

Martina Renner (DIE LINKE): Dann darf man sienicht steuern.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: - den wir jetzt auchbehoben haben, beheben werden.

Im Übrigen: Die Zahl der Selektoren kann ich na-türlich in offener Sitzung nicht sagen. Aber Siewissen genau, dass die Zahl im Hinblick auf Te-lekommunikationsmerkmale - und das ist dasEntscheidende - deutlich geringer ist. Ich weißaber, dass natürlich die hohe Zahl hier eine Rollespielt. Ich will nur mal in offener Sitzung auchdarauf hinweisen: So viele waren es eben nicht.

Martina Renner (DIE LINKE): So viele waren esnicht, Selektoren?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: So viele Telekom-munikationsmerkmale. - Aber wir können dieDiskussion gerne in eingestufter Sitzung fortfüh-ren.

Martina Renner (DIE LINKE): Ja. - Sie meinen na-türlich dann die Permutationen, oder dass manzu einem Ziel sowohl Messenger wie E-Mail, wieTelefonnummern, wie sonst was gesteuert hat -IMEI oder so was. Klar. Aber es geht ja darum:Gerade unter den zuletzt Genannten sind danneben auch welche, die der Bundesnachrichten-dienst bis heute nicht versteht. Und wäre es nichtkonsequent, diese einfach nicht im System laufenzu lassen? In dem Moment, wo man sie nicht le-sen kann, darf ich sie nicht verarbeiten.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Deswegen ist eineder Qualitätssicherungsmaßnahmen erstens, le-sen zu können, und zweitens, überhaupt auchmal eine Erklärung zu bekommen - was ja auchein Mangel war.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Da müsstenwir in der nächsten Runde weiter nachfragen. -Wir kommen nämlich jetzt zur Fraktion derUnion. Hat die Union noch Fragen im öffentli-chen Teil? - Das ist nicht der Fall. - Dann sindwir schon bei Bündnis 90/Die Grünen. HerrKollege Ströbele.

Page 66: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 66 von 193

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Herr Fritsche, Sie merken, ich bin in Vor-bereitung der Befragung der Kanzlerin; deshalbhabe ich dazu noch ein paar Nachfragen an Sie. -Sie haben vorhin gesagt, Sie waren bei mehrerenBesprechungen mit der Kanzlerin persönlich an-wesend.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Mhm.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Trifft das auch für die Zeit zu, als Sie nochnicht im Kanzleramt beschäftigt waren, sondernnoch im BMI? Mich interessiert hier vor allenDingen die Zeit beim Bekanntwerden, dass dasKanzlerinnenhandy abgehört worden ist, also umden 20. Oktober herum. Waren Sie da auchschon, also in diesem Vierteljahr, bei Bespre-chungen mit der Kanzlerin dabei?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Erinnern Sie sich an ein Treffen oder anmehrere Treffen - ich glaube, es sollen sogar dreigewesen sein nach dem Terminkalender vonHerrn Pofalla -, drei Treffen an einem Tag, am24.10.2013? Das war auch der Tag der Äußerun-gen der Kanzlerin „Geht nicht“ und so. ErinnernSie sich an diese drei Treffen an einem Tag? Viel-leicht außergewöhnlich.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, ich kann michwirklich nur daran erinnern, dass wir mehrereTreffen mit Pofalla hatten, und zwar immer inzeitlicher Folge oder zur Vorbereitung einer Par-lamentarischen-Kontrollgremium-Sitzung, -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Genau.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: - von denen wir jadamals ziemlich viele hatten, wie Sie sich erin-nern, Herr Abgeordneter Ströbele. Da ist sicher indem Punkt auch das Handy der Kanzlerin mitbe-sprochen worden, weil das ja wohl um die Zeitin den Medien war, ohne dass ich mich jetzt aufein genaues Datum festlegen kann. Da ist das si-cher mitbesprochen worden.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ist Ihnen da schon bekannt gewesen, dasssowohl vom BfV als auch vom BND gesagtwurde: „Ist plausibel“, also: „Kein Beweis; aberes ist plausibel, dass das Handy der Kanzlerin ab-gehört worden ist“?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Kann ich mir aus - -Weiß ich aus der Erinnerung nicht. Ich will es al-lerdings nicht ausschließen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Wollen Sie nicht ausschließen. - KönnenSie sich erinnern, dass in einem dieser Gesprächedarüber gesprochen worden ist, ob man das derKanzlerin mitteilt oder ob man es ihr schon mit-geteilt hat? Ich meine, da können ja nur ein, zweiTage dazwischen gewesen sein.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, das schließeich eher aus, weil ich ja nicht in dem zuständi-gen Geschäftsbereich war. Das werden sicher in-terne Gespräche gewesen sein, die es wahr-scheinlich daneben auch noch gab. Aber, wie ge-sagt - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, aber dass das bei Ihnen Gegenstandwar: „Wir haben mit ihr gesprochen“, oder: „Wirreden jetzt mit ihr“, -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, nicht dass mirdas - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - und - also, mich interessiert dann immerwieder auch der Anruf - vielleicht: -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nicht, dass mir daserinnerlich ist.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - „Die wird dann mal bei Herrn Obama, ih-rem Freund, anrufen“, so in diesem Sinne?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nicht, dass mir daserinnerlich ist.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Können Sie sich nicht erinnern. - Dann

Page 67: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 67 von 193

kommen wir jetzt auf die Zeit danach, als Sie imKanzleramt waren ab Januar: Können Sie sich er-innern, ob in den Gesprächen, an denen Sie teil-genommen haben und an denen auch die Kanzle-rin teilgenommen hat, jemals über das Abhörendes Handys der Kanzlerin die Rede war?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nach meiner Erin-nerung nicht.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nie erwähnt worden?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: In solchen Gesprä-chen nicht, nein.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): In keiner Besprechung. - Wie viele Bespre-chungen waren das denn ungefähr?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ach, das waren -ich habe es ja vorhin versucht - in unregelmäßi-gen Abständen - - Aber so viele Besprechungenwaren das nicht.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, ein Dutzend oder so im Laufe der Mo-nate?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, über mehrereMonate hinweg: Dutzend. Ich kann es Ihnenwirklich nicht sagen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Und ich kann mir trotzdem vorstellen:Auch im Januar war das noch im Fokus des Inte-resses - übrigens auch der Kanzlerin -: „Was istda dran?“, und: „Ist das richtig?“, und so. - Ist danie drüber gesprochen worden, dass neue Er-kenntnisse - - oder auch dann das Verfahren, dasin Karlsruhe gelaufen ist, dass das angesprochenworden ist und wie man letztlich sich da verhältund ob sie als Zeugin verpflichtet ist, auszusa-gen, oder ähnliche Sachen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, nach meinerKenntnis ist nicht darüber gesprochen worden,weil es keinen neuen Erkenntnisstand gab. Wich-tig für mich war in dem Zusammenhang das, wasich vorhin zu dem sogenannten - ich lasse den

Begriff - Abkommen hatte, nämlich mein Telefo-nat, als ich da am ersten oder zweiten Tag imKanzleramt war - - mit dem Weißen Haus telefo-niert hatte. Aber die Problematik „Kanzlerinnen-handy“: Nein.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Und war in diesen Gesprächen dann ab Ja-nuar dieses No-Spy-Abkommen - oder wir nen-nen es ja jetzt allgemein „Abkommen“ - - Wardarüber die Rede, dass die Kanzlerin oder Sie derKanzlerin oder wer auch immer gesagt haben:„Da wird jetzt nichts draus“, oder: „Das war vonAnfang an ein Fake“, oder: „Das war ein Irrtum“,oder irgend so was?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Soweit ich mich er-innere, gab es mal eine Vorlage, in der die Infor-mation, vor allem meine Information, die ich ausdiesem Telefonat gezogen habe, vorgelegt wordenist. Dazu gab es kein Gespräch.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Gab es kein Gespräch.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Kein Gespräch.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Also dass das jetzt - - Ich meine, es war einwichtiges Thema, muss man sehen, -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - vor der Bundestagswahl, dass man jetztmöglicherweise ein No-Spy-Abkommen be-kommt - relativ sicher. Man bildet eine Arbeits-gruppe und so was - war ja alles die Rede in die-sem Pressegespräch -, und jetzt zerschlägt sichdas plötzlich. War da nicht die Rede davon, dassSie gesagt haben: „Ach Mensch, ihr habt mirdoch gesagt: ‚Da ist was im Gange‘“, und: „Wiesoscheitert das jetzt?“?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Noch mal: Dasletzte Mal, wie ich mit den Amerikanern darübergesprochen habe, -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, das haben Sie gesagt.

Page 68: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 68 von 193

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: - war ich optimis-tisch, dass es noch weiter kommt. Und dann hates auf anderen Ebenen noch Gespräche gegeben,an denen ich nicht beteiligt war, wo dann letzt-lich das Ergebnis war: Daraus wird nichts. - Dashat mich persönlich enttäuscht, gebe ich zu, abernicht, weil ich nicht glaubte, dass es von Anfangan nicht möglich schien, sondern weil ich dochgedacht habe nach dem Gespräch, das ich AnfangAugust 13 geführt habe, dass doch daraus etwaswerden könnte.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Jetzt ist die Kanzlerin ja auch in die USAgefahren einige Zeit später. Und vor dieser Reise:Ist da noch mal - kann ich mir vorstellen - einBriefing gemacht worden im Kanzleramt, wodann vielleicht auch die Themen mit der Handy-geschichte angesprochen worden sind?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, da kann ichIhnen nur ganz allgemein sagen: Immer wenn dieKanzlerin reist, kriegt sie schriftliche Vorberei-tungen, -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, das kann ich mir vorstellen.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: - manchmal auchmündliche Vorbereitungen, wo die Themen, dieaktuell sind und die zu besprechen sind, natür-lich mit aufgenommen sind.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Und erinnern Sie sich daran, an Ge-spräche, dass es auch um diese Abhörgeschich-ten ging?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Sie meinen jetzt dasKanzlerinnenhandy. - Kann ich mich jetzt nichterinnern.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Kanzlerin- - Ja, Handy und überhaupt.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, natürlich wirdimmer wieder - ich weiß nicht, ob es dann ange-sprochen worden ist - das, was aktuell ist - unddas war ja nach wie vor aktuell -, -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Na ja, es war eine Belastung ja auch in ge-wisser - -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: - mit in den soge-nannten Turbo aufgenommen. Davon gehe ichdefinitiv aus.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das ist schon mal ein kleiner Schritt. -Jetzt interessiert mich, was da gesprochen wor-den ist. Also, ist mal durchgespielt worden, obsie das bei Obama ansprechen soll und in wel-cher Form und - -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Herr Abgeordneter,wir bewegen uns jetzt hier wirklich im Kern-bereich exekutiver Eigenverantwortung. Dasbetrifft insbesondere die Vorbereitungen derBundeskanzlerin für Gespräche mitausländischen Staatsoberhäuptern. Das ist,glaube ich, hier nicht Gegenstand desUntersuchungsausschusses. Aber ich kann Ihnenganz allgemein sage, dass hier solcheVorbereitungen zu aktuellen Themen - und daszähle ich dazu - natürlich existierten.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, aber ich habe - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Und jetzt be-wegen wir uns außerhalb der Fragezeit und müs-sen schon wieder die Fraktion wechseln.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Darf ich nicht noch eine Frage nach-reichen, dann kann ich den Komplex abschlie-ßen?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dann machenwir das so, wenn es noch eine Frage ist.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, eine Frage. - Als die Kanzlerin dann zu-rückgekommen ist aus den USA - ich weiß nicht,waren Sie dabei in den USA? wahrscheinlichnicht -, -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein.

Page 69: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 69 von 193

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - hat sie dann da berichtet, was sie mitHerrn Obama - - Ich will jetzt den Inhalt zunächstgar nicht wissen, sondern: „War das Thema?“,weil da können wir sie ja auch selber fragen. Wardas Thema, was Obama zu der Affäre „Handy“gesagt hat?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, soweit ichmich erinnere, ist mir dazu nichts gesagt worden.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Oder vielleicht auch grünes Licht gegeben:„Passiert nichts mehr“, oder: „Ist geklärt“?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Noch mal: Nachmeiner Erinnerung ist mir nichts gesagt worden.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Schade.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Tja.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. Gut. -Dann kommen wir zur nächsten Fraktion, derFraktion der SPD. Herr Kollege Flisek.

Christian Flisek (SPD): Ich habe auch noch einpaar Fragen, und zwar auch noch mal in Bezugeben auf das, was wir vorhin erörtert hatten. -Herr Fritsche, haben Sie denn im Nachgang zudem Besuch in Pullach, wo Sie ja sagen, Sie ha-ben damals zum ersten Mal diese ganze Proble-matik dann mit voller Wucht zur Kenntnis ge-nommen, mal ein kritisches Gespräch mit demBND-Präsidenten Schindler geführt über die Zu-stände in seinem Hause?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Tja, es gehört zumeinen Aufgaben, solche Gespräche zu suchen,und es war nicht nur eins.

Christian Flisek (SPD): Können Sie uns darübermal informieren? Was ist da gesprochen worden?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Na ja, das, was wirdie ganze Zeit heute eigentlich schon in offenerSitzung besprochen haben, nämlich welche Defi-zite wir gesehen haben und wie wir diese Defi-zite aufgreifen können. Und Herr Schindler hat

gesagt, dass er hier die eigene Prüfgruppe einge-richtet hat, also BND-intern, und letztlich, dass erdie Organisationsüberprüfung vorschlägt. Das istim Laufe der Zeit gewesen. Also, wir haben eineFülle von Gesprächen geführt, das erste auch amFreitag, als ich es erfahren habe, am 13. März; dawar der Präsident bei mir.

Christian Flisek (SPD): Und war Herr Schindlerda eher so als Reformer unterwegs, oder war er ineiner Verteidigungshaltung? Oder wie muss ichmir das vorstellen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, wenn ich dasrichtig interpretiere, war er selbstkritisch, sowohlfür den Dienst als auch für das, was die Amtslei-tung nicht wusste, und hat alles unterstützt anWeisungen, die wir gegeben haben, damit der In-formationsfluss künftig sichergestellt ist.

Christian Flisek (SPD): Genau den Eindruckhatte ich auch hier; wir haben ihn ja auch mehr-fach befragt. Und Sie haben ja gerade formal kor-rekt - das hat ja auch noch mal Kollege von Notzbetont - herausgearbeitet, dass es dann für dieEntlassung von Herrn Schindler keiner Angabevon Gründen bedarf. Aber da gibt es ja einensachlichen Zusammenhang offensichtlich, oder?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Sie haben es selbergesagt: keine Angabe von Gründen. - Dann kannich natürlich auch nicht - -

Christian Flisek (SPD): Kommen Sie, Herr Frit-sche!

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein, Herr Abgeord-neter, da muss ich mich dran halten und keineAngabe von Gründen.

Christian Flisek (SPD): Wie wurde das vorberei-tet, dass man Herrn Schindler ablösen wollte?Wann tauchte das Thema zum ersten Mal auf?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Auch das ist natür-lich eine Frage, die unter Umständen in die Rich-tung geht, dass Sie Gründe wissen wollen. Wiegesagt - -

Christian Flisek (SPD): Nein.

Page 70: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 70 von 193

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein, es bleibt da-bei: Es gibt keine Angabe von Gründen.

Christian Flisek (SPD): Also, Herr Fritsche, nein,nein, nein. Jetzt müssen wir ein bisschen aufpas-sen. Ich meine, man kann sich hinter allem Mög-lichen verschanzen. Und „keine Angabe vonGründen“ ist okay, ja? Aber ich frage jetzt Sie alsKoordinator der Geheimdienste: Wann ist bei Ge-sprächen, die Sie geführt haben, zum ersten Malaufgetaucht, dass Herr Schindler aus seinem Amtgegebenenfalls zu entlassen ist? - So. Und das isteine Tatsache, und da möchte ich bitte Auskunftdarüber.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Soweit ich mich er-innern kann, erstmals kurz vor dem Ereignis.

Christian Flisek (SPD): Von wessen Initiativeging ein solches Gespräch oder eine solche Maß-nahme aus?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Herr AbgeordneterFlisek, es ist so, dass nach dem Beamtenrecht eshier um die Frage geht: politischer Beamter imVerhältnis zu dem zuständigen Ressortminister. -Und in dem Spannungsverhältnis spielt sich dasab.

Christian Flisek (SPD): Also, ich habe eine kon-krete Frage gestellt: Von wem ging es aus?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nochmals: Nachmeiner Erinnerung ist das - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dazu meldetsich auch die Bundesregierung.

Christian Flisek (SPD): Jetzt bin ich ja mal ge-spannt.

MR Philipp Wolff (BK): Sie können gerne auchnoch mal in den Kommentar vom Bundesbeam-tengesetz schauen. Aber auch die Verantwortlich-keiten zu solchen Fragen - -

Christian Flisek (SPD): Brauche ich nicht. Ichstelle hier Fragen, Herr Wolff, über Dinge, -

MR Philipp Wolff (BK): Richtig.

Christian Flisek (SPD): - über Gespräche, diestattgefunden haben.

MR Philipp Wolff (BK): Aber es wäre vielleichtganz hilfreich, wenn Sie reingeschaut hätten,Herr Flisek, weil auch genau diese Frage der Ver-antwortlichkeiten - wer veranlasst so was? - istnatürlich so eng mit dem Grund verknüpft.

Christian Flisek (SPD): Herr Wolff, Entschuldi-gung, jetzt muss ich mal einhaken, ja?

MR Philipp Wolff (BK): Können Sie gerne ma-chen, Sie sind ja zu - -

Christian Flisek (SPD): Ich rede hier nicht überdie Frage, wo im Beamtenrecht offiziell das auf-gehängt ist, wer wen entlassen kann - das interes-siert mich nicht die Bohne -, sondern wann zumersten Mal in Gesprächen, an denen Herr Fritscheteilgenommen hat, das Thema auftauchte: ImZweifel wollen wir Herrn Schindler entlassen. -So. Und das ist eine Tatsache.

MR Philipp Wolff (BK): Ich versuche Ihnen ge-rade zu erklären, warum Herr Fritsche das nichtbeantworten muss.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Herr Wolffhat jetzt das Wort, warum er meint, dass HerrFritsche das nicht beantworten muss.

MR Philipp Wolff (BK): Weil die Verknüpfungdes Grundes - - Es ist im Beamtenrecht geregelt,dass es ohne Angabe von Gründen geschehenkann. Und die Verknüpfung des Grundes mit„Wer ist dafür verantwortlich?“ und „Wann istdas genau geschehen?“, die liegt doch auf derHand. Also, die ganzen Umstände einer Entlas-sung eines politischen Beamten unterliegen derOption, keinen Grund zu nennen. Und da gehörtauch dazu: Wer ist genau dafür verantwortlich?Wer hat wann mit wem gesprochen? - Könnenwir gerne auch im Kommentar nachschauen.

Christian Flisek (SPD): Entschuldigung, jetzt - -

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Herr Schäuble war

es nicht!)

Page 71: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 71 von 193

- Ich bin dran.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: So, dankeschön, Herr Wolff. - Herr Flisek ist weiter mitFragen dran.

Christian Flisek (SPD): Ich möchte noch einmalauf den Herrn Wolff eingehen. Und wenn Sie dasgerade noch mal von der Zeit bitte - - ja? Weil esgeht nun mal nicht, dass hier die Bundesregie-rung -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Müssten wirgleich eine Beratungssitzung daraus machen.

Christian Flisek (SPD): - durch den HerrnWolff - - Nein, so geht es nicht.

Ich frage über die Tatsache, wann zum ersten Malbei einem Gespräch, an dem Herr Fritsche teilge-nommen hat, das Thema aufgemacht wurde,Herrn Schindler zu entlassen. Und alles, was Siejetzt gerade da gesagt haben, ist überhaupt keinEinwand und schon gar kein Grund, zu sagen:Auf diese Frage muss Herr Staatssekretär Fritschekeine Antwort geben.

MR Philipp Wolff (BK): Dann darf ich auch nochmal antworten: Diese Frage hat Herr Staatssekre-tär Fritsche auch beantwortet: Es war vor der Ent-lassung. - Dann haben Sie weiter gefragt und ha-ben gefragt: Wer ist dafür verantwortlich? Werhat den Stein ins Rollen gebracht?

Christian Flisek (SPD): Ja.

MR Philipp Wolff (BK): Und jetzt sind wir genauin dem Bereich, wo es um die Erforschung desGrundes geht. Und da können wir gerne nochmal ins Beamtengesetz, gemeinsam in den Kom-mentar schauen; das wäre vielleicht ganz hilf-reich.

Christian Flisek (SPD): Brauchen wir nicht.

MR Philipp Wolff (BK): Gut.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Gut. - Undjetzt können wir mit der Befragung weiterma-chen.

Christian Flisek (SPD): Ja. - Ich bleibe bei derFrage jetzt noch mal, Herr Fritsche, weil ich denEinwand von Herrn Wolff a) nicht nachvollzie-hen kann und auch glaube, dass er nicht den Na-gel auf den Kopf trifft. Wann zum ersten Mal unddurch wen ist nach Ihrer Erinnerung bei einemGespräch, an dem Sie teilgenommen haben, dasThema aufgetaucht, Herrn Schindler aus demAmt des Präsidenten des Bundesnachrichten-dienstes zu entlassen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Und ich wiederholenoch mal, dass das kurz vor dem Ereignis warund dass zu der Motivation, wer was vorgeschla-gen hat, ich das, was Herr Wolff gesagt hat, fürüberaus nachvollziehbar halte und deswegenhierzu nichts sagen kann.

Christian Flisek (SPD): Ja, dann glaube ich, müs-sen wir eine Beratungssitzung machen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Muss ich malfragen: Ist das ein Antrag?

Christian Flisek (SPD): Ich stelle Antrag auf Bera-tungssitzung. Ja.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay, gut. -Das wird in der Regel von allen Fraktionen sogoutiert. - Damit unterbreche ich die Zeugenver-nehmung an dieser Stelle. Ich bitte die Öffent-lichkeit, den Saal zu verlassen, weil Beratungssit-zung beantragt ist, die wir auch, sobald der Saalnicht mehr öffentlich ist, so handhaben werden.

(Unterbrechung desSitzungsteils

Zeugenvernehmung,Öffentlich: 15.44 Uhr -Folgt Beratungssitzung)

Page 72: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 72 von 193

(Fortsetzung desSitzungsteils

Zeugenvernehmung,Öffentlich: 16.16 Uhr)

Fortsetzung derVernehmung des Zeugen

Klaus-Dieter Fritsche

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Die unterbro-chene Zeugenbefragung wird fortgesetzt. - HerrKollege Flisek hat weiterhin das Wort. Bitteschön.

Christian Flisek (SPD): Ja. Vielen Dank. - HerrStaatssekretär Fritsche, also, ich würde ganzgerne dann noch mal ansetzen bei der Frage:Welche Wahrnehmung haben Sie? Wer hat zumersten Mal die Thematik „Entlassung von Präsi-dent Schindler“ angesprochen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ich habe vorhinschon gesagt, dass das kurz vor dem Ereignis war,also der Entlassung. Und das war nach meinerKenntnis in einem kleinen Kreis, bei dem min-destens ich und Chef BK dabei waren. Ob esnoch weitere Teilnehmer gab, ist mir jetzt nichterinnerlich. Aber in dem Kreis ist das zum erstenMal besprochen worden, jedenfalls in meinemBeisein.

Christian Flisek (SPD): Gut. Aber jetzt noch mal:Von wem? Wer hat das zum ersten Mal angespro-chen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, nach meiner Er-innerung ist die Diskussion - - Ich kann mich garnicht erinnern, wer da angefangen hat.

Christian Flisek (SPD): War doch ein kleinerKreis, haben Sie gesagt.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, ja. Aber das istja - - Also, Sie müssen sich das so vorstellen: Esgibt natürlich Ereignisse, wo wir ganz allgemeindann darüber reden. Und wer dann letztlich an-fängt, die Problematik aufzugreifen - nicht, dieEntscheidung zu treffen, die Problematik aufzu-greifen; das ist ja das, was Sie wissen möchten -,das kann ich Ihnen nicht sagen. Also, ich geheeher davon aus, dass es nicht von mir kam.

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Von Herrn

Schäuble auch nicht!)

Christian Flisek (SPD): Mir geht es jetzt nur nochmal nur darum: Es geht nicht um die Problema-tik, um den Komplex, -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja.

Christian Flisek (SPD): - sondern nur um diesenPunkt: Herrn Schindler - -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ich verstehe Sie.

Christian Flisek (SPD): So. Und - -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Herr Flisek, ich ver-suche ja - -

Christian Flisek (SPD): Es gibt ja eine Möglich-keit, dass Sie sagen, Sie können sich nicht mehrdaran erinnern.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja.

Christian Flisek (SPD): So.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, ich versuchees, und das ist bei einer kleinen Besprechung imkleinen Kreis - - vor dem Ereignis hat das stattge-funden. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Christian Flisek (SPD): Aber „kleiner Kreis“heißt, das war -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also jedenfalls - -

Christian Flisek (SPD): - kein Jour fixe, regelmä-ßige offizielle Runde. Das war eine informelleRunde.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein, nein, nein.Das ist eine informelle Runde, und Chef BK wardabei.

Christian Flisek (SPD): Und Chef BK war dabei.

Page 73: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 73 von 193

(Dr. Konstantin von Notz(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-

NEN): Und das Ereignis istdie Entlassung selbst?)

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: So ist es.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Herr KollegeFlisek hat das Wort.

(Martina Renner (DIELINKE): Ja, aber eine Ver-

ständnisfrage - -)

Christian Flisek (SPD): Gut. - Also, jetzt fasse ichnoch mal zusammen, und dann schließen wir dasan der Stelle ab. Also, Sie haben keine aktive Er-innerung jetzt mehr, wer zum ersten Mal übereine Entlassung von Herrn Schindler in diesemkleinen informellen Kreis gesprochen hat.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: So ist es.

Christian Flisek (SPD): Gut. - Im März 2015 inPullach, haben Sie da noch Erinnerungen, wiedas Gespräch anlässlich des Besuches mit HerrnSchindler ablief?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Na ja. Wir habendem BND gesagt, er muss sich darauf vorberei-ten - das war im Vorfeld -, damit wir umfassendunterrichtet werden, wie die - -

Christian Flisek (SPD): Wie viel Vorlauf hatte derBND da?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, das war ja amFreitag nach dieser Sonntagsbesprechung. Ichhatte noch mehrere Gespräche mit unseren Leu-ten, die den Fragenkatalog aufbereitet haben.Und ursprünglich war, glaube ich, mal geplant,dass im Kanzleramt wieder diese Besprechungstattfindet. Dann hat allerdings Chef BK entschie-den, dass wir am Freitag besuchen; das mussMitte der Woche gewesen sein.

Christian Flisek (SPD): Also, so zwei Tage Vor-lauf.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Circa zwei Tagevorher. Ja, zwei Tage vorher.

Christian Flisek (SPD): Und Sie hatten eineAgenda, eine Tagesordnung, Fragestellungen.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Wir hatten einenFragenkatalog, hatten allerdings dem Dienst andie Hand gegeben, dass er den nicht - „den Fra-genkatalog, den übergeben wir bei diesem Be-such“ - bei diesem Besuch vollständig zu beant-worten hat, sondern dann anschließend zu beant-worten hat. Wir wollten das Verfahren kennen-lernen und wie das Ganze gelaufen ist. Das istuns dargestellt worden. Ich hatte das vorhinschon mal erwähnt: Zusammenspiel, Auswer-tung, Beschaffung. Nach dieser Besprechung,muss ich ehrlich sagen, bin ich noch davon aus-gegangen - so ist es uns auch vermittelt worden -,dass die Auswertung ganz grundsätzlich, undzwar alles an Selektoren hier - das betrifft jetztvor allem die eigene Auswertung des BND - -dass das von der Auswertung kommt. Und zuden NSA-Selektoren ist gesagt worden, was es fürMechanismen innerhalb der Abteilung TA - istjedenfalls versucht worden darzustellen - gibt,damit man das ausscheiden kann, was erstens G-10-Problematiken hat bzw. gegen deutsche Inte-ressen verstößt.

Christian Flisek (SPD): Und dieser Fragenkata-log, den Sie in Vorbereitung übergeben haben,beschäftigte der sich im Schwerpunkt, vielleichtsogar ausschließlich, mit den NSA-Selektoren?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: So ist es, weil zudem Zeitpunkt war für uns ja die NSA-Se-lektoren- - Darauf bin ich ja am Freitag der Wo-che vorher aufmerksam gemacht worden. DerBND hat aber insgesamt vorgetragen und hatdann eben auch im Hinblick auf die eigene - -wie es bei der eigenen Beschaffung läuft, vorge-tragen. Und das war für uns dann Anlass, auchhier wieder nachzufragen. In den Sachstands-berichten ihrer verschiedenen Fassungen hat esauch nach meiner Erinnerung immer wieder ei-nen Teil gegeben, der sich mit der eigenen Steue-rung beschäftigte.

Christian Flisek (SPD): Das müssen wir jetztnoch mal vertiefen, Herr Fritsche.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja.

Page 74: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 74 von 193

Christian Flisek (SPD): Hat der BND, in dem Fallja - - Der Präsident wird ja dort vorgetragen habenbei der Gelegenheit; davon gehe ich aus. Hat HerrSchindler dort aktiv, aufgrund eigener Initiative,die BND-Selektoren angesprochen, oder ist daserst auf Nachfrage, gegebenenfalls von Herrn Alt-maier, passiert?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nach meiner Erin-nerung waren unser Hauptpetitum, wie gesagt,die NSA-Selektoren. Dazu hat der Präsident, wiees üblich ist, eingeführt und hat dann an die Zu-ständigen in der Abteilung TA verwiesen. Unddie haben den Gesamtmechanismus dargestellt.Und dabei hat auch die eigene Steuerung eineRolle gespielt. Das ist nach meiner Erinnerungnicht vom Präsidenten vorgetragen worden, son-dern von Mitarbeitern der TA.

Christian Flisek (SPD): Also, es war nicht so,dass man dann irgendwann am Ende vielleichtnur über NSA-Selektoren gesprochen hat, unddann hat Herr Altmaier zum Schluss die Fragegestellt, ob es sonst noch was gebe, was man wis-sen müsste.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: So ist es nicht dis-kutiert worden.

Christian Flisek (SPD): Also, der BND selber,Mitarbeiter des BND, haben die Frage der BND-Selektorenproblematik akt- - Wie wurde das dar-gestellt?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, dargestellt: Aus-wertung steuert die Beschaffung. - Und dann warfür uns das der Anlass, auch da nachzufragen bishin zum Abschlussbericht im September 2015.

Christian Flisek (SPD): Wann machte es bei die-ser Unterrichtung durch die BND-Mitarbeiter beiIhnen zum ersten Mal klick, dass da irgendwasnicht ganz koscher ist?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Eigentlich nochnicht bei der Besprechung selbst, sondern erst alsReaktion, als wir die ersten schriftlichen, alsonach meiner Erinnerung, Dinge bekommen ha-ben.

Christian Flisek (SPD): Also, Sie sind fröhlichvergnügt aus Pullach wieder nach Hause gefah-ren oder - -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ich bin weder fröh-lich vergnügt nach Pullach gefahren noch fröh-lich vergnügt aus Pullach; denn das mit denNSA-Selektoren hat ja gereicht.

Christian Flisek (SPD): Gut. - Aber jetzt noch malin Bezug auf die neue Dimension der BND-eige-nen Selektoren: Diese Problematik war für Sie beider Abreise noch nicht in dieser Weise gravie-rend, -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: War noch - -

Christian Flisek (SPD): - wie sich das dann imNachgang auch herausgestellt hat.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nach meiner Erin-nerung war es so.

Christian Flisek (SPD): Sie sind dann wahr-scheinlich geflogen, wieder nach Berlin.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja.

Christian Flisek (SPD): Hat man auf der Rück-fahrt - - Haben Sie mit Herrn Altmaier da Gesprä-che geführt? Also, ich bin auch schon mal mitHerrn Altmaier geflogen. Da gibt es prima Gele-genheiten, sich zu unterhalten. Das ist oft auchsehr interessant.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Wenn ich michrichtig erinnere, hat er noch einen anderen Ter-min gehabt; deswegen bin ich mit den Leuten derAbteilung 6, mit ein paar, alleine geflogen.

Christian Flisek (SPD): Aha. Und im Nachgang,wie wurde das dann aufgegriffen? Was ist dannpassiert?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Na, dann im Nach-gang hat es natürlich eine Fülle von Gesprächengegeben, sowohl bei uns mit der Abteilung alsauch mit Chef BK. Es gab ja auch eine Fülle vonVorlagen, nämlich über die Art und Weise, wie

Page 75: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 75 von 193

es im BND aufbereitet worden ist, was uns vorge-legt worden ist, wo wir gesagt haben: Da müssenwir noch nachhaken. - Das hat sowohl den Punkt„NSA-Selektoren“ als auch den Punkt „eigeneSelektoren“ betroffen.

Christian Flisek (SPD): Und wann wurde Ihnenklar, dass Sie das PKGr oder auch den Untersu-chungsausschuss über die neue Thematik unter-richten müssen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Sie meinen die eige-nen Selektoren?- Ja, sobald wir aus unserer Sichtdie genügende Aufbereitung gemacht haben. Wirhaben in der Sitzung, auch wenn der Taskforce-Bericht hier aus meiner Sicht etwas anderes sug-geriert, von Mitte Mai/Anfang Mai darauf hinge-wiesen - also nicht wir, das Kanzleramt, sondernnach meiner Erinnerung der Präsident des BND -,dass auch die eigenen Selektoren überprüft wer-den. Da hat ja dann im Taskforce-Bericht dasPKGr gerügt, dass das keine ordnungsgemäßeUnterrichtung des PKGr gewesen sei zu den eige-nen Selektoren. Das war auch nicht beabsichtigt,sondern es ist gesagt worden im Mai, dass wir dadran sind, dass wir das aufgegriffen haben unddass wir dann natürlich weiter unterrichten.

So. Und das hatten wir dann Anfang August,nachdem die eine Problematik, nämlich das, wasden Untersuchungsausschuss vor allem interes-siert hat, nämlich die NSA-Selektoren - - und diesachverständige Vertrauensperson eingesetztworden ist, hatten die Mitarbeiter, die sich damitzu beschäftigen hatten, dann ihre Arbeitskraft da-rauf verlegt. Und wir haben einen Abschluss-bericht Ende September 2015 nach meiner Erin-nerung bekommen und dann bei der nächsten re-gulären Sitzung des PKGr das PKGr dazu unter-richtet. Dann ist ja auch dort die Taskforce einge-richtet worden.

Christian Flisek (SPD): Ist nach dem Besuch inPullach die Bundeskanzlerin informiert worden?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Es hat sicher Vorla-gen gegeben, schriftlich, an die ich mich erinnernkann. Es kann sein. Da kann ich mich aber defini-tiv nicht mehr erinnern, dass bei den Gesprä-

chen, die damals auch im Hinblick auf die sach-verständige Vertrauensperson - - dass es da aucheine Rolle gespielt hat.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Jetzt müsstenwir gleich wieder wechseln.

Christian Flisek (SPD): Ja. Dann wechseln wir.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. Herzli-chen Dank. - Wir kommen jetzt zur fünften Frage-runde. Und auch in dieser Runde beginnt wiederdie Fraktion Die Linke. Frau Kollegin Renner be-ginnt.

Martina Renner (DIE LINKE): Ich habe auch nurein Thema erst mal, und zwar würde ich gernefragen zum 24. Oktober 2013.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: 24. Oktober 13.

Martina Renner (DIE LINKE): Genau. - Da wissenwir aus dem Kalender von Herrn Pofalla, dass Sieum 9.30 Uhr bis 10.30 Uhr mit Herrn Schindler,Herrn Heusgen, Herrn Heiß, Herrn Maaßen und -hier steht noch - Herrn Seibert - der will ja mitt-lerweile in Brüssel gewesen sein - zusammensa-ßen. Und das ist der Tag nach der Spiegel-Veröf-fentlichung zum Kanzlerinnenhandy. Und ichwürde gerne wissen, was man in dieser Rundeberedet hat.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja. Nach meiner Er-innerung hat man alles, was aktuell war, beredet,vor allem, weil wir eine Sondersitzung des Parla-mentarischen Kontrollgremiums, glaube ich, amgleichen Tag hatten - nachmittags, wenn ichmich richtig erinnere. Das hat ja, glaube ich, nochmal eine Besprechung direkt für dieses Parlamen-tarische Kontrollgremium gegeben. Aber bei mirverwischen sich jetzt die Besprechungen. Es istsicher über das Handy gesprochen worden. Undda hat dann auch schon zeitnah eine Rolle ge-spielt - ich weiß nicht, ob es direkt in der Bespre-chung gesagt worden ist -, dass es plausibel ist,aber dass es schwer wird, das zu beweisen. Dassind die Fragen, die dort besprochen wordensind jetzt in Bezug aufs Handy.

Page 76: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 76 von 193

Martina Renner (DIE LINKE): Also, ich würde sa-gen, die Vorbereitung der PKGr-Sitzung ist ja daszweite Gespräch an dem Tag, 12.45 Uhr bis13.45 Uhr. Der erste Termin sieht, wenn manauch den Kalender in den anderen Wochen sovergleicht und die PKGr-Tage sich anguckt, eheraußerordentlich aus. Und es liegt sehr nahe, dassman sich eben ad hoc zu dieser Veröffentlichungverständigt hat. Neben dem, dass es plausibel er-scheint: Ich meine, was ist denn - da war nochHerr Heusgen dabei; ich meine, das war ja schoneine größere Runde - noch besprochen worden anMaßnahmen, an „Schaltet man die GBA - - Wasist dort verhandelt worden?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, wenn ichmich richtig erinnere - und da bitte ich wirklicheinfach um Verständnis; ich kann Ihnen jetztnicht unterscheiden, ob in der Morgenbespre-chung extra zu diesem Punkt gesprochen wordenist und dann anschließend in der weiteren Vorbe-sprechung zum Sonder-PKGr gesprochen wordenist -: In diesem Zeitrahmen ist ganz allgemein da-rüber gesprochen worden: Was ist beweisbar?Was gibt es für Möglichkeiten? - Und das ist das,was mich natürlich betroffen hat und was in mei-ner Erinnerung natürlich auch in meiner Zustän-digkeit lag: Was können wir zur Aufklärung sei-tens der Spionageabwehr beitragen? - Und da istbesprochen worden, dass das relativ schwierigist. Nichtsdestotrotz war ja eine der Folgerungen,diese 360-Grad-Blick-Betrachtung durch dieSpionageabwehr zu verstärken; das ist eine di-rekte Folgerung. Aber ich nehme an, nachdem esso zeitlich nah mit der Erkenntnis aus den Me-dien zu dem Handy war, dass hier nur der Statushinsichtlich: „Was? Stimmt das? Von wem ist dieInformation?“, usw. besprochen worden ist.

Martina Renner (DIE LINKE): Und wer konnte indiesem Termin einschätzen, dass die Meldung imSpiegel plausibel erscheint?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, ich weiß ausder Nachbetrachtung, dass solche Plausibilitäts-erwägungen vom Bundesnachrichtendienst er-folgt sind. Ob die jetzt genau in dieser Sitzungwaren oder im zeitlichen Zusammenhang dannanschließend, also nicht am gleichen Tag unbe-dingt, sondern anschließend in der Diskussion,

das kann ich leider nicht mehr sagen. Aber es hatnatürlich diese Gespräche gegeben.

Martina Renner (DIE LINKE): Und was jetzt dasBMI angeht, was waren konkret die Arbeitsauf-träge, mit denen Sie dort herausgegangen sind?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, noch mal zu fra-gen vor dem Hintergrund - ich glaube, das istauch öffentlich gewesen -, was Aufbauten aufBotschaften zu tun haben, inwieweit - das ist jaaus dem parlamentarischen Raum an die Bundes-regierung herangetragen worden - Durchsu-chungsbeschlüsse gegen Botschaften Wirkung ha-ben. Das hat sich allerdings alles, die Diskussion,dann in der Folge ereignet. Und die Diskussionist ja lebhaft befördert worden, ich glaube, durchden Spiegel, in dem dann so Wärmebildaufnah-men von Botschaftsgebäuden in den Spiegel ge-wandert sind. Und in dem Zusammenhang hat esdie Aufklärung gegeben.

Martina Renner (DIE LINKE): Ich glaube, HerrHahn wollte noch fragen.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja. - Herr Flisekhatte ja vorhin sich mit der Antwort zufriedenge-geben - die Opposition geht ja immer ein Stückweiter -, was dieser - wie haben Sie gesagt? habeich richtig aufgeschrieben? - „kleine informelleKreis“ -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): - vor der Entlas-sung von Schindler - - Sie haben gesagt, Sie undder Chef BK offenbar; aber wie groß die Rundewar, haben Sie ja nicht gesagt. War denn HerrHeiß mit dabei?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ist mir nicht erin-nerlich.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): War noch ein an-derer Bundesminister mit dabei?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ist mir auch nichterinnerlich. In die Gespräche, in denen ich zudieser Problematik dabei war, war kein anderesRessort eingebunden.

Page 77: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 77 von 193

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Auch kein Vertre-ter der SPD als Koalitionspartner - ist ja einewichtige Entscheidung -, Herr Steinmeier.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Die Fach- undDienstaufsicht und die Verantwortung für dieobere Bundesbehörde Bundesnachrichtendienstliegt beim Bundeskanzleramt.

(Christian Flisek (SPD): Ichwar dabei!)

- Das muss ich bestreiten mit Nichtwissen.

(Heiterkeit - Christian Fli-sek (SPD): Sehen Sie, daändern sich wieder die

Dinge!)

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Herr Fritsche, ichnehme ja nur an, dass - - So eine Personalie wirdja nicht einfach so mit Daumen hoch, Daumenrunter - - Da hängt ja ein bisschen was dran.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, wir sind ja auchnicht in Gladiatorenwettkämpfen, sondern -

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja, und deshalb - -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: - es geht darum,dass ein Ressort eine solche Entscheidung nachdem Beamtenrecht trifft, und das ist allein in derRessortverantwortung.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Und deshalb warauch kein anderes Ressort dabei, kein andererMinister.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ich wüsste garnicht, was das sollte. Also: Nach meiner Erinne-rung nicht. Und: Ich wüsste gar nicht, was dassollte.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Gut.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das heißt,keine Fragen mehr, die Gestik? - Gut. Das kannich manchmal nicht so richtig interpretieren.Gut. - Dann kommen wir zur nächsten Fraktion.-

Die Union hat in öffentlicher Sitzung keine Fra-gen mehr. - Bündnis 90/Die Grünen. Herr KollegeStröbele hat noch Fragen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Herr Fritsche, der 24.10. ist ja von mirschon zweimal angesprochen worden, von derKollegin hier gerade auch. Das muss ein ganz tur-bulenter Tag gewesen sein, weil am Vorabendkam der Spiegel damit raus. Ich habe mich inzwi-schen, nachdem ich auch noch mal da nachgele-sen habe, erinnert, dass auch ich selber vomSpiegel aufgetrieben worden bin in meinemWahlkreis und mir das vorgehalten worden ist,was Sie da wussten, und gleich eine Stellung-nahme abgeben sollte, musste und gerne getanhabe.

Das heißt, am nächsten Morgen, 24.10. - also,23.10. war diese Meldung abends; ich nehme malan, da waren Sie dann auch informiert -, am24.10. morgens, die erste Sitzung um 8 Uhr mor-gens. Ich kann mir vorstellen, da gab es gar keinanderes Thema, sondern da gab es diesen Spie-gel. Zumal - ich will mal weitermachen - dieKanzlerin am selben Tag - - Und das kann manheute in der Süddeutschen Zeitung noch mal ge-nau nachlesen:

Da stand Angela Merkel am Ein-gang des Ratsgebäudes der Euro-päischen Union in Brüssel undempörte sich darüber, was kurzzuvor durch einen Bericht desSpiegel bekannt geworden war …

Und dann steht da:

Merkel schien darüber ehrlich be-troffen zu sein …

Also, erst morgens Ihre Sitzung, dann äußert FrauMerkel was; die Kanzlerin drastisch betroffen.Und dann war die nächste Sitzung am Nachmit-tag des Tages oder am Mittag. Und dann war eineSonder-PKGr-Sitzung. Haben Sie an dem Tagüberhaupt noch was anderes gemacht als „Handyder Kanzlerin“?

Page 78: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 78 von 193

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ich kann nicht aus-schließen, dass ich auch noch was anderes zwi-schen den Besprechungen gemacht habe. Aber eswar nicht nur der Tag turbulent - das muss ichganz deutlich sagen -, sondern es war seit demAnfang - 6. Juli war das, glaube ich -, seit demSnowden-Auf- -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein, nein, nein. Das weiß ich ja alles.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein. Moment, Mo-ment, Moment. Ich will nur erklären, dass wir inder ganzen Zeit permanent Sitzungen hatten,eine Vielzahl von Sitzungen. Und ich schließenicht aus - ich will Ihnen ja gar nicht widerspre-chen-, dass das das entscheidende Thema in derersten Sitzung am Morgen war; ich gehe auchmal davon aus.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, ja. - Nein, die war - ich habe hier auchden Plan von Herrn Pofalla - 12.45 Uhr bis13.45 Uhr. Dann war irgendwann die PKGr-Sit-zung. Und jetzt nur zu Ihrer Beschäftigung: Mirliegen hier noch zwei nette Briefe von Ihnen vor.Der eine ist gerichtet an den Botschafter derVereinigten Staaten von Nordamerika in Berlin,Herrn Emerson. Können Sie sich daran erinnern?Den haben Sie geschrieben.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ich kann mich erin-nern, dass ich nicht nur an einen Botschafter ge-schrieben haben, sondern auch noch an einenweiteren, wo Fragen gestellt worden sind imSinne von: „Was kann dazu gesagt werden?“,und: „Was ist zu Aufbauten an Gebäuden zu sa-gen?“.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. Kann das auch sein, dass Sie zweiBriefe an Herrn Emerson am selben Tag, am 24.,geschrieben haben? Also, wenn das Datum hiernicht gefälscht ist oder verwechselt ist; kannauch sein.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, von Fäl-schung kann sicher keine Rede sein, weil dieBundesregierung immer nach bestem Wissen und

Gewissen die vollständigen Unterlagen, die rich-tigen Unterlagen vorlegt. Aber ich kann nichtausschließen, dass es zwei Schreiben waren; abernach meiner Erinnerung eins.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Können Sie sich noch daran erinnern, wasSie Herrn Emerson zu dem Handy der Kanzleringeschrieben haben?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Sicher um Aufklä-rung gebeten. Kann ich jetzt nicht definitiv - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Haben Sie von einer Straftat gesprochenoder von strafbarer Spionage, einem Vergehenoder Verbrechen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Kann ich nicht sa-gen, weil - - Ich glaube eher nicht, weil am glei-chen Tag der GBA ja einen Beobachtungsvorgangvorgelegt hat, und da gilt für mich eigentlich nor-malerweise das, was immer gilt, wenn Staats-anwaltschaften sich mit der Ermittlung beschäfti-gen: dass wir jedenfalls dazu nichts weiter sagen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. Wenn ich Ihnen jetzt vorhalte - - In demeinen Brief an Herrn Emerson ist davon die Rede:„Sofern eine solche Datenerhebung erfolgte ...“Also, man kann zu so einem Spionagefall auch„Datenerhebung“ sagen; aber das trifft die Sachenicht richtig. „Datenerhebung“ ist ein bisschensehr milde ausgedrückt, nicht?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, ich will jetztgar nicht bewerten. Es ist eine Datenerhebung.Und wenn ich das so geschrieben habe, wird esrichtig sein.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Kann man damal eben die Fundstelle haben, dass wir dienachblättern können?

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. MAT A BK-1/3a, Blatt 83 und 84. Dassind dann die Seiten 76 und 77. Auf die Seite 76komme ich jetzt noch mal.

Page 79: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 79 von 193

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Super. Dankeschön.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ich will Ihnen das vorhalten. Das ist nichtnur meine Idee jetzt, als ich das gelesen habe,sondern auch das Auswärtige Amt hat sich überIhren „weichen Stil“ nicht beschwert, aber mo-niert und hat gesagt, das „könnte in Washingtondie falsche Schlussfolgerung unterfüttern …“.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Herr Strö-bele, ganz kurz Herr Wolff. Ich halte auch dieZeit an.

MR Philipp Wolff (BK): Ich bitte, dem Zeugendas mal vorzuhalten - weil jetzt wird immer gere-det; der Zeuge hat das Schreiben nicht -, dass ersich es einfach auch mal anschauen kann.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ich dachte, erkriegt es jetzt von der Fraktion.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ich lese das doch vor.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ja, aber derZeuge braucht ja auch ein Dokument.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ist ja nicht Geheim.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Frau Kantbringt es ja schon.

(Dem Zeugen werdenUnterlagen vorgelegt - Er

und MR Philipp Wolff (BK)nehmen Einblick)

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Also, das geht dann weiter:

Der weiche Stil der Briefe könntein Washington die falscheSchlussfolgerung unterfüttern, derVorgang werde hier für nicht sogravierend gehalten.

Den Eindruck habe ich aber auch, jetzt im Nach-hinein. Ich kannte das damals - -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Kann ich so nichtsagen. Es ist eine Datenerhebung, und was dasAuswärtige Amt dazu als Bewertung gibt, das isteine Bewertung eines anderen Ressorts. Aus mei-ner Sicht war das richtig, das so zu schreiben.Und wir haben ja schließlich auch Aufklärunggefordert. Und das ist der eigentlich entschei-dende Punkt, Herr Abgeordneter.

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Alles hartnäckig!)

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/,DIEGRÜNEN): Ja. In einem sehr „weichen Stil“, ummal die Worte des Auswärtigen Amtes -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - zu bemühen.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aber Sie haben den Brief dann nicht mehrverändert. Dahinter ist dann auch der nächsteBrief; der ist noch länger, anderthalb Seiten, Seite79. Also, noch mal die Frage, Herr Fritsche:Wenn ich das so alles lese, dann war die PKGr-Sitzung; da waren Sie ja wahrscheinlich auch an-wesend.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Und dann war anschließend nach derPKGr-Sitzung - - gab es noch eine Presseerklä-rung, wie das ja manchmal geschehen ist, vonChef BK Pofalla. Und ich will Ihnen die ganzenicht vorlesen - die ist hier auch drin -, eine län-gere Presseerklärung offenbar über das Ergebnisder Beratung. Und dann steht da unter anderem,es würde sich hierbei um ein Vorgehen handeln,das „unter Partnern und engen Verbündeten völ-lig inakzeptabel ist. Das würde nach meiner fes-ten Überzeugung“ - Pofallas festen Überzeugung -„einen schweren Vertrauensbruch darstellen“.Also dieser Angriff auf das Handy der Kanzle-rin. - Schon starke Worte. Ich nehme mal an, sowas posaunt man nicht in die Öffentlichkeit, und

Page 80: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 80 von 193

Sie schreiben auch nicht so einen Brief, wenn Sienicht davon ausgegangen sind, dass das sehr,sehr ernst ist und auch vieles dafürspricht, dassdas stimmt.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ich habe ja betont,dass es eine Bewertung gab, die von Plausibilitä-ten, weil es Beweise nicht gibt, gesprochen hat.Und ich denke, wichtig ist doch, was in demSchreiben inhaltlich gesagt worden ist: dass wireine vollständige und rasche Aufklärung fordern.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, ja.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Und ich verstehejetzt nicht Ihre - - Hätte ich es beleidigend ma-chen sollen? Oder was hätte ich aus Ihrer Sichtmachen sollen, -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein, nein. Aber die Sache beim Namennennen.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: - um der Bedeutungder Sache gerecht zu werden?

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Die Sache beim Namen nennen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das werdenwir in der Runde aber nicht mehr klären können,weil wir jetzt schon wieder zur nächsten Fraktionkommen, nämlich zur Fraktion der SPD. HerrKollege Flisek.

Christian Flisek (SPD): Wir haben in öffentlicherSitzung keine weiteren Fragen mehr.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das ist gut. -Dann sind wir bei der Fraktion Die Linke. - FrauKollegin Renner auch nicht. - Die Union auchnicht. - Herr Ströbele, Sie können weitermachen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Herr Vorsitzender, damit führen Sie diesesVerfahren endgültig ad absurdum.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ja, das nenntman Demokratie, Herr Ströbele; aber nicht jedermöchte das so.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das hat mit Demokratie nichts zu tun, son-dern mit Bürokratie oder bürokratischen Vorgän-gen. - Aber jetzt kann ich ja da weitermachen.Also, dann hat an diesem selben Tag anschlie-ßend an das PKGr und anschließend an diese Er-klärung offenbar noch ein weiteres Treffen statt-gefunden, und immer sind dabei gewesen ChefBK, also Herr Pofalla - der muss dann da gleichhingeeilt sein -, Schindler, Maaßen und Heiß undSie. Können Sie sich jetzt erinnern?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, an das spe-zielle Treffen kann ich mich nicht erinnern.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein. Drei sind das ja; drei sind das andem Tag.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, ja. - Aber nochmal: Ich schließe das nicht aus. Wenn das in demKalender steht, gehe ich davon aus, dass es auchin meinem Beisein stattgefunden hat.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Und können Sie sich also an diesendramatischen Tag nicht erinnern -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ich kann mich da-ran - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - und was darüber, über dieses Handyab-hören der Kanzlerin, gesprochen worden ist?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, ich kann michan die dramatischen Monate erinnern, -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein, das haben Sie schon gesagt.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: - nein -, die es seitAnfang Juni gegeben hat; das möchte ich nochmal betonen.

Page 81: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 81 von 193

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das muss man ja imZusammenhang sehen -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Genau.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: - und nicht einfachjetzt sagen: Das müsste Ihnen doch jetzt sofort alsdas aufgefallen sein, und alles andere - - zurück-gestellt haben.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein, mir geht es jetzt darum - -

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Und dass wir unsunter Umständen nach der PKG getroffen haben,ist wahrscheinlich der Diskussion, die im Parla-mentarischen Kontrollgremium darüber geführtworden ist, geschuldet, wo dann Chef BK gesagthat: Kommen Sie alle noch mal hin. Wie bewer-ten wir das insgesamt?

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, das halte ichfür ein ganz normales Vorgehen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Und können Sie sagen, was da bespro-chen worden ist?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Im Einzelnen nicht;das habe ich schon gesagt.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Erinnern Sie sich nicht, oder wollen Sienicht, oder dürfen Sie nicht?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Herr Abgeordneter,ich erinnere mich nicht, was im Einzelnen ge-sprochen worden ist.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Ging es darum oder ging es auch da-rum, wie man die Sache außer mit so einem

freundlichen Brief an den Herrn Botschafter veri-fizieren könnte oder belegen könnte, besser bele-gen könnte?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ich würde sagen, esging vor allem auch darum, zu sagen: Was ma-chen wir alle? Und ich nehme nicht an, dass diebeiden Schreiben, die ich an den Botschafter ge-schickt habe, nach diesem Treffen rausgegangensind. Die werden schon vorher rausgegangensein, am 24. im Laufe des Tages, und dann istwahrscheinlich noch mal besprochen worden,was alle in ihrer jeweiligen Zuständigkeit ge-macht haben und was im ParlamentarischenKontrollgremium dazu besprochen worden ist.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Und spielte jetzt - jetzt komme ichwieder auf meine Anfangsfrage zurück - bei die-sen ganzen Erörterungen auch die Bundeskanzle-rin eine Rolle und insbesondere, was sie viel-leicht tun könnte oder schon getan hat, um beider Verifizierung oder Nichtverifizierung, bei derKlärung zu helfen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nach meiner Erin-nerung nicht; denn wir haben das besprochen,was wir jeweils machen können. Ich war derInnenstaatssekretär und zuständig für Spionage-abwehr.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Haben Sie an den beiden Tagen an einemTreffen teilgenommen mit der Kanzlerin?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Hatte ich vorhin,glaube ich, schon auf Fragen gesagt: Nein.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Haben Sie nicht teilgenommen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Also, Sie wissen überhaupt nichts vonReaktionen der Kanzlerin, außer das, was dannauch übers Fernsehen lief?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Was übers Fern-sehen lief und was allgemeinkundig war, ja.

Page 82: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 82 von 193

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): „Allgemeinkundig“? Was war da allge-meinkundig?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Na ja, durch dieMedien verbreitet; das halte ich für allgemein-kundig. Aber legen Sie mein Wort nicht auf dieGoldwaage.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein, das tue ich gar nicht, gut. - Also,dann bin ich jetzt erst mal mit dem 24.10.2013rum. Da gibt es ja noch andere Zeugen, die wirdazu befragen.

Ich habe nur noch abschließend eine Geschichte,die ich noch mal klären wollte. Da komme ichnoch mal zurück auf das, was der Vorsitzendevorhin ganz am Anfang Sie gefragt hat, nämlichzu Ramstein.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Mhm.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): War Ihnen bekannt - - Oder ab wann warIhnen bekannt, dass der Vorwurf erhoben wurde,dass Ramstein, eine US-Niederlassung inDeutschland, bei dem Drohnenkrieg eine erhebli-che Rolle spielt?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, soweit ichmich erinnere, durch die Veröffentlichung übereine Zeugeneinvernahme hier in diesem Aus-schuss, als ein ehemaliger US-Mitarbeiter, Soldatgefragt worden ist, welche Rolle Ramstein spielt.Im Anschluss, wenn ich mich richtig erinnere,gab es verschiedene parlamentarische Anfragendazu, die, glaube ich, federführend das Verteidi-gungsministerium beantwortet hat, weil es ja einemilitärische Liegenschaft ist. Das ist meine Erin-nerung in dem Zusammenhang.

Und jetzt in neuester Zeit natürlich das, wasnoch mal offensichtlich aufgrund eines Ge-sprächs von US-amerikanischen Diplomaten mitdeutschen Diplomaten dann das Ergebnis füreine Fragestunde war, wo der zuständige Staats-minister des Auswärtigen Amtes die Erkennt-nisse, die man aufgrund dieses Gespräches hatte,weitergegeben hat.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Ich frage Sie deshalb, weil mich inte-ressiert - - Also, Sie sagen, Sie haben erst durchdiese Aussage hier vor dem Ausschuss davon ge-hört.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Mhm.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das war nicht irgendeiner, sondern daswar ein Drohnenpilot mit über 1 000 Drohnen-einsätzen, der dafür auch einen Orden bekom-men hat in den USA. Der hat das hier sehr detail-liert geschildert; das hat der Vorsitzende Ihnen jaschon vorgehalten. Aber die Frage ist: Spätestensda, nachdem Sie jetzt davon gelesen hatten,wussten, da steht so eine Behauptung - nicht vonirgendjemandem, sondern von einem unzweifel-haften Drohnenpiloten, der so was erzählt -, ha-ben Sie da - Sie jetzt als Chef oder als Staats-sekretär im Kanzleramt - Bemühungen unternom-men, mal mit den Amerikanern abzuklären, wasda tatsächlich läuft in Ramstein? Oder hatten Siekeinen Anlass dazu?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein, es gibt ja zu-ständige Ressorts, die sich mit der Frage beschäf-tigt haben. Das ist vor allem der Verteidigungsmi-nister und, ich glaube, auch das Auswärtige Amt.Das sieht man ja auch, dass das Auswärtige AmtGespräche mit Diplomaten geführt hat. Das warin deren Zuständigkeit.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Weil wir alle - also, auch ich habe jamehrere Fragen dazu gestellt - haben immer vonder Bundesregierung die Antwort bekommen, dieauch Herr Obama, also er selber, aber auch dieUS-Administration sonst immer wieder gegebenhaben auf die Fragen. In Ramstein selber, als ichda mal war, hat mir ein General das gesagt. Diehaben immer die Formel gesagt - und die hat dieBundesregierung übernommen -, es starten keineDrohnen aus Deutschland, und es werden keinevon Deutschland aus geleitet. Das war immer dieFormel. Nun gab es ja diese neue Variante mitRelaisstationen.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Mhm.

Page 83: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 83 von 193

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Hatten Sie - „Sie“, das Bundeskanzleramt -nicht Veranlassung, jetzt mal da nachzugehen:Geben wir da immer falsche Auskünfte oder - -Also, wir haben ja immer danach gefragt, obRamstein - - welche Rolle Ramstein im Drohnen-krieg spielt. Wir haben nicht gefragt, ob hier einFlugzeug oder eine Drohne startet, sondern wirhaben gefragt, ob überhaupt Ramstein eine Rollespielt. Und diese Aussagen waren meiner Ein-schätzung nach alle falsch, die wir bekommenhaben, objektiv falsch.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Herr Abgeordneter,alle Fragen, die sich in dem Zusammenhangwährend des laufenden Untersuchungsausschus-ses mit Ramstein beschäftigt haben, habe ich im-mer gesehen vor dem Hintergrund des Einset-zungsauftrags des Untersuchungsausschusses,und da ging es um die Frage, ob von deutschemBoden aus etwas gesteuert wird bzw. veranlasstwird. Das ist - - Dass Ramstein eine von vielenmöglichen Relaisstationen - das ist ja die neuesteAussage, die ich zur Kenntnis genommen habe -ist, bedeutet nicht, dass das von deutschem Bo-den aus gesteuert wird oder etwas veranlasstwird, was die Drohnen dann tatsächlich durch-führen. Ich hatte ja auf eine vorhergehende Frageauch schon mal gesagt: Für mich macht es auchkeinen Unterschied, jetzt in einem bewaffnetenKonflikt, ob Drohnen eingesetzt werden odereben andere Kriegs- -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, noch mal, weilich immer sehe, dass die Frage der Drohne -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: - hier eine beson-dere Rolle spielt. Das macht für mich keinen Un-terschied. Wie gesagt, es gibt nach wie vor aucheine Diskussion - die Amerikaner beurteilen dasanders als wir - im Krieg gegen den Terrorismus,ob es hier ein Selbstverteidigungsrecht nach derVN-Charta gibt. Das ist eine Diskussion, der wiruns alle stellen müssen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Also, Herr Fritsche, immer wenn es einbisschen kritisch wird, dann wiederholen Sienoch mal das, was Sie vorher alles schon gesagthaben; das habe ich ja vorhin schon gehört. Nur,mich interessiert: Sie haben also das Leiten desgesamten Einsatzes der Drohne von den USAüber Ramstein - Glasfaserkabel bis Ramstein undvon dort dann zum Satelliten - nicht als Droh-nenleiten angesehen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: So ist es, und ichweiß gar nicht, in welcher technischen - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ins Ziel, sowohl Zielerkennung als auchZielbekämpfung.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Noch mal: Das seheich so nicht, und ich sehe das im Übrigen auchnicht vom Untersuchungsauftrag gedeckt. Aberich bin gerne bereit gewesen, ohne Anerkennungeiner Rechtspflicht das zu sagen, was ich dazusagen kann, und das habe ich gemacht.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Also, diese von mir so bezeichnetenillegalen Hinrichtungen, diese Art der Beteili-gung von deutschem Boden aus, sehen Sie nichtproblematisch als Staatssekretär im Kanzleramt?Immer noch nicht?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Noch mal, HerrAbgeordneter: Das ist ja zum einen eine Unter-stellung, dass Sie von Illegalität sprechen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ich habe versucht,Ihnen darzustellen, dass es hierzu eine Diskus-sion gibt, auch auf dem Boden der VN-Charta. ImÜbrigen weise ich nochmals darauf hin, dass so-wohl der GBA als auch die StaatsanwaltschaftFrankfurt am Main, die sich mit der Sache be-schäftigen musste aufgrund von Strafanzeigen,ausdrücklich gesagt haben, dass hier eine irgend-wie geartete Beteiligung der Bundesregierung

Page 84: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 84 von 193

und der Bundesrepublik Deutschland nicht gese-hen werden kann. Das ist für mich auch das We-sentliche.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Herr Fritsche, jetzt meine letzte Fragedazu: Ist Ihnen bekannt, dass es im Kanzleramtund in der Bundesregierung - oder „oder in derBundesregierung“ oder beides - eine Sprachrege-lung gibt oder eine Regelung gibt, möglichst andiesem Tabu nicht zu rühren und immer das nurzu antworten, was die US-Behörden selber dazusagen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, Sie unterstel-len jetzt, dass es eine Haltung der Bundesregie-rung und speziell des Kanzleramts gibt, dass manso antworten soll?

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Nein.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Also, das ist reiner Zufall, dass immer dasGleiche geantwortet wird?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ich würde nicht sa-gen, dass das Zufall ist - das ist bewusst so -,nein.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Und diese neue Information, die an dasAuswärtige Amt gegeben worden ist - mit demwir uns ja hier auch schon beschäftigt haben -,dass der Drohnenpilot recht hat, dass das genauso läuft, die war für Sie auch nichts Besonderes?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Was in diesem Zu-sammenhang diskutiert wird und was den Unter-suchungsausschuss betrifft, ist natürlich immerwas Besonderes. Aber es ändert nichts an derEinschätzung der Bundesregierung, und es ändertauch nichts gegenüber den Informationen, diewir vorher schon - - die zuständigen Ressorts ge-habt haben.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Also, es geht weiter so. Die nächsten Droh-neneinsätze können weiter über Ramstein laufen.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Noch mal: Ramsteinist nach der Aussage eine technische Relais-station, und Ihre Unterstellung - Glasfaserkabelhin, Satellit weg - kann ich nicht mehr nach-voll- -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, das hat der Drohnenpilot so geschildert.Der hat ja recht gehabt.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ja, gut. Aber daskann - - Unser Ansprechpartner ist die Regierungder Vereinigten Staaten, nicht ein Drohnenpilot.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Die Regierung derVereinigten Staaten hat sich jüngst auch nochmal dazu geäußert, -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: - und das nehmeich zur Kenntnis.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Haben Sie dann mal versucht, daskonkreter zu machen, zum Beispiel indem Siepersönlich - oder jemand, der sich da besser aus-kennt - mal nach Ramstein gefahren sind unddort die, die das durchführen, sich haben zeigenlassen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Definitiv nicht. Ichwar schon in Ramstein, aber nicht zu diesemZweck.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Und nochmals: Fe-derführend in der Bundesregierung sind hierBMVg und AA.

Page 85: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 85 von 193

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Also, Sie sehen keine Veranlassung, dasweiter aufzuklären? Die können so weiterma-chen?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das habe ich damitnicht ausgedrückt, und ich habe auch nicht ge-sagt, dass sie so weitermachen können, sondernich habe nur gesagt, was ich in meiner Positionals Staatssekretär im Kanzleramt dazu sagenkann.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Sie reden für die Bundesregierung - imKanzleramt.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Das Ressortprinzipwird in der Bundesregierung sehr ernst genom-men.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Außerdem re-det er jetzt hier als Zeuge von seinen Wahrneh-mungen und nicht als Regierungssprecher; derkommt ja gleich noch. - Gut, also, ich sehe, esgibt Fragen noch von der Fraktion Die Linke.Frau Kollegin Renner.

Martina Renner (DIE LINKE): Ich hatte eben nurzurückgestellt, damit Herr Ströbele seine Fragenim Zusammenhang stellen kann. - Ich habe tat-sächlich noch ein ganz anderes Thema. Sie erin-nern sich sicher wie ich an eine denkwürdigeRunde, in der wir zusammensaßen am04.02.2015. Eigentlich waren wir Obleute zusam-mengekommen. Aber dann kamen Sie und HerrSchindler doch überraschend zu uns dazu undberichteten uns von einem Schreiben aus Groß-britannien, das ich natürlich, weil es eingestuftist, hier in keiner Weise zitieren will; aber derVorgang ist ja nun hinlänglich auch in derÖffentlichkeit.

Da wurden ja, ich sage mal, mit Hinweis auf eineuntersuchungsgegenständliche Operation zwi-schen dem GCHQ und dem BND Bitten geäußert,die Sie übermittelt hatten an den Untersuchungs-ausschuss, die dahin zielten, dass wir uns damit

nicht befassen sollten bzw. dass wir sogar nochnicht mal den Operationsnamen nennen wollen.Am nächsten Morgen - also, es vergingen keinezwölf Stunden, meine ich - stand nun alles zudieser Operation im Detail inklusive des Opera-tionsnamens im Focus geschrieben von einemehemaligen BND-Mitarbeiter.

Ich würde jetzt gern wissen: Was haben die Bri-ten daraufhin gesagt? Also, ich meine, uns habenSie gesagt, wenn irgendjemand diesen Opera-tionsnamen ausspricht, dann wird die Zusam-menarbeit eingestellt, und dann haben wir dennächsten Anschlag auf dem Pariser Platz zu ver-antworten. Nun hat der Focus dafür gesorgt, dassam nächsten Tag der Operationsname in der Weltwar. Wir waren es nicht, die aus dieser Sitzunginformiert haben.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Aus - -

Martina Renner (DIE LINKE): Wie auch immerder Focus dazu gekommen ist - meinethalben.Die Frage ist: Was ist denn vonseiten der Britendann passiert?

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Aber Sie wollen si-cher nicht von mir hören, dass wir es waren. Daskann ich auch nur bestreiten; wir waren es nicht.Ich halte das für einen ganz gravierenden Vor-gang, weil das natürlich dazu geführt hat, dasswir in den Diskussionen mit unseren Partnerndem Vorwurf uns ausgesetzt haben, dass, was beiuns geheimhaltenswert ist, überhaupt nicht ge-heim gehalten werden kann.

Ich darf an der Stelle noch mal ausdrücklich sa-gen: Eine Aufklärung auch all dessen, was dasPKGr in seiner normalen Tätigkeit macht oderein Untersuchungsausschuss macht, ist auch ingeheimen Sitzungen möglich. Deswegen ist esnatürlich bei geheimen Tatbeständen dann sehrschwierig. Wir waren damals in großem Druck.Ich glaube, das habe ich bei meinem Besuch beiden Obleuten und bei den Beratungssitzungenauch deutlich gesagt, dass sowohl die Vereinig-ten Staaten von Amerika als auch das VereinigteKönigreich uns sagen: Wenn ihr weiter so machtund weiter Dinge indiskretioniert werden, dann

Page 86: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 86 von 193

gibt es Überlegungen, die Zusammenarbeit zu-rückzufahren.

Ich sage gleichzeitig an dieser Stelle: Das läuftaber bei Nachrichtendiensten nicht so ab, dasssie sagen: „Zum 01.10. kündige ich jetzt die Zu-sammenarbeit“, sondern das werden wir erstnach einem längeren Zeitraum merken, ob wir In-formationen überhaupt noch bekommen, und daskönnen eben auch wertvolle und wertige Infor-mationen zur Verhinderung von Terrorismus aufdeutschem Boden sein.

Das haben wir damals zur Kenntnis genommen,haben bedauert, dass es in die Öffentlichkeit ge-kommen ist, und haben versichert, dass wirgemeinsam mit dem Parlament - und dafür habeich ja auch in den Beratungssitzungen bei Ihnengeworben - alles unternehmen werden, um dieGeheimhaltung, soweit sie notwendig ist, auchherzustellen. Das ist die Reaktion sowohl vonGC- - also sowohl von Vereinigtem Königreich alsauch von den Vereinigten Staaten gewesen.

Martina Renner (DIE LINKE): Ja, ich meinte dasaber jetzt doch etwas konkreter. In diesemSchreiben sind ja konkrete Konsequenzen be-schrieben worden, die eintreten, wenn Detailsaus dieser Operation - inklusive des Operations-namens - bekannt werden. Beides ist eingetreten,also binnen Einmal-Schlafen.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Mhm.

Martina Renner (DIE LINKE): Dann hat man da-nach mit dem GCHQ geredet, und dann war wie-der alles gut, oder - - Wir würden gerne wissen,ob dieses Szenario, was dort aufgemacht wurde,ein realistisches war oder ob es eher eine Inten-tion hatte, die außerhalb nun tatsächlich denVorhaben des GCHQ lag. Es ist schön - - Wir wer-den wahrscheinlich nie mehr klären, wie die In-formation in die Öffentlichkeit gelangte. Wir sindauf der relativ guten Seite, weil am nächsten Tagin der Zeitung Details standen, die Sie uns nichtmehr berichten konnten, weil wir ja die Sitzungdamals abgebrochen hatten. Somit wird es ir-gendwann zu klären sein - oder auch nicht -, vonwelcher Seite die Information die Sitzung verlas-sen hat. Wir als Obleute sind raus. Die Frage ist

nur - es ist damals ganz konkret in diesemSchreiben angekündigt worden, die Veröffentli-chung von Details und des Namens hat diese undjene Folgen -: Sind diese Folgen eingetreten, jaoder nein? Das wäre meine Frage.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, es hat Verhal-ten gegeben, dass man gesagt hat: Wir tun unsschwer, in manchen Operationen erstens zusam-menzuarbeiten und zweitens Informationen zugeben. - Ich muss allerdings gestehen, im Laufeder Zeit jetzt - und der Untersuchungsausschussläuft ja auch schon einige Zeit - ist sowohl dieZusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten alsauch mit dem Vereinigten Königreich aus meinerSicht so, dass ich nicht annehmen muss, dassuns irgendeine Information vorenthalten wird.Aber ich musste es zu diesem Zeitpunkt, und ichnehme es immer, weil es ja nicht die einzige Ver-öffentlichung ist, sehr ernst.

Martina Renner (DIE LINKE): Sie schließen aberaus, dass es eine Drohgebärde gegenüber demUntersuchungsausschuss war.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Also, ich habe über-haupt keinen Anlass, Frau Abgeordnete Renner,das so zu sehen.

Martina Renner (DIE LINKE): Gut, wir hattenihn.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ich guckemal in die Runde. - Jetzt sehe ich keine Wortmel-dung mehr. Damit wären wir am Ende der öffent-lichen Sitzung. Jetzt gucke ich noch mal in dieRunde, ob wir den Zeugen noch in nichtöffentli-cher oder eingestufter Sitzung benötigen. - Ichhatte nicht - -

Martina Renner (DIE LINKE): Wenn, dann nurkurz.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ja, ja.

Martina Renner (DIE LINKE): Nicht unbedingt.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay, dannmüssen wir nämlich keinen Beschluss fassen. -

Page 87: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 87 von 193

Dann danke ich Ihnen ganz herzlich, Herr Frit-sche, dass Sie bei uns waren, Fragen beantwortethaben, die uns - und nicht nur uns - auf der Seelelagen. Ganz herzlichen Dank. Es wird keinenichtöffentliche oder eingestufte Vernehmungmehr geben. Dann haben Sie für heute frei.Danke, dass Sie bei uns waren.

Zeuge Klaus-Dieter Fritsche: Ich bedanke mich.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Gut. - Wirwürden jetzt den nächsten Zeugen in den Sit-zungssaal bitten; das ist Herr Peter Altmaier.Dazu unterbrechen wir jetzt fünf bis zehn Minu-ten, bis Herr Altmaier im Saal ist.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung von17.04 bis 17.12 Uhr)

Page 88: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 88 von 193

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Meine sehrgeehrten Damen und Herren, die unterbrocheneSitzung des 1. Untersuchungsausschusses wirdfortgesetzt.

Vernehmung des ZeugenPeter Altmaier

Ich darf ganz herzlich unseren nächsten Zeugenbegrüßen, Herrn Minister Peter Altmaier.

Ich stelle fest: Der Zeuge ist ordnungsgemäß gela-den. Herr Altmaier, Sie haben den Erhalt der La-dung am 21. Dezember 2016 bestätigt. HerzlichenDank, dass Sie meiner Ladung gefolgt sind unddem Ausschuss für diese Vernehmung zur Verfü-gung stehen.

Vorab gibt es einige Vorbemerkungen. Das be-zieht sich zum einen auf die Tonbandaufnahme,die wir fertigen. Die Bundestagsverwaltung fertigteine derartige Tonbandaufnahme. Diese dientausschließlich dem Zweck, die stenografischeAufzeichnung zu erleichtern. Nach Fertigstellungdes stenografischen Protokolls wird die Tonband-aufnahme gelöscht.

Das Protokoll dieser Vernehmung wird Ihnennach Fertigstellung zugestellt. Sie haben dannzwei Wochen Zeit, etwaige Korrekturen oderErgänzungen am Protokoll vorzunehmen, wenndies notwendig ist, und uns das Protokollzurückzuschicken.

Herr Altmaier, vor Ihrer Vernehmung habe ichSie zunächst zu belehren. Sie sind als Zeuge gela-den worden. Als Zeuge sind Sie verpflichtet, dieWahrheit zu sagen. Ihre Aussagen müssen richtigund vollständig sein. Sie dürfen nichts weglas-sen, was zur Sache gehört, und nichts hinzufü-gen, was der Wahrheit widerspricht.

Ich habe Sie außerdem auf die möglichen straf-rechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen dieWahrheitspflicht hinzuweisen. Wer vor dem Un-tersuchungsausschuss uneidlich falsch aussagt,kann gemäß § 162 in Verbindung mit § 153 desStrafgesetzbuches mit Freiheitsstrafe von dreiMonaten bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe be-

straft werden. Nach § 22 Absatz 2 des Untersu-chungsausschussgesetzes können Sie die Aus-kunft auf solche Fragen verweigern, deren Beant-wortung Sie selbst oder Angehörige im Sinne des§ 52 Absatz 1 der Strafprozessordnung der Gefahraussetzen würde, einer Untersuchung nach ei-nem gesetzlich geordneten Verfahren ausgesetztzu werden. Dies betrifft neben Verfahren wegeneiner Straftat oder Ordnungswidrigkeit auch ge-gebenenfalls Disziplinarverfahren, wenn dies inBetracht kommen sollte.

Sollten Teile Ihrer Aussage aus Gründen desSchutzes von Dienst-, Privat- oder Geschäfts-geheimnissen nur in einer nichtöffentlichen odereingestuften Sitzung möglich sein, bitte ich Sieum einen Hinweis, damit der Ausschuss dann ei-nen Beschluss gemäß § 14 oder § 15 des Unter-suchungsausschussgesetzes fassen kann und dieSitzung dann in nichtöffentlicher bzw. eingestuf-ter Weise fortsetzen kann und Ihnen dann dieentsprechenden Fragen stellen kann. - Gibt eshierzu Fragen?

Zeuge Peter Altmaier: Nein.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das ist nichtder Fall. - Nach diesen notwendigen Vorbemer-kungen darf ich Ihnen den geplanten Ablauf kurzdarstellen. Eingangs habe ich Sie zur Person zubefragen. Danach beginnt die Vernehmung zurSache. Gemäß § 24 Absatz 4 des Untersuchungs-ausschussgesetzes haben Sie die Gelegenheit,zum Beweisthema im Zusammenhang vorzutra-gen, also ein sogenanntes Eingangsstatementabzugeben, bei dem Sie nicht unterbrochen wer-den durch weitere Nachfragen. Danach werde ichSie zunächst befragen. Anschließend erhalten dieMitglieder des Ausschusses das Wort für ihreNachfragen. Dies geschieht nach dem Stärkever-hältnis der Fraktionen, eine Fraktion nach deranderen.

Ich darf Sie dann nun bitten, zu Beginn IhrerAusführungen sich dem Ausschuss mit Namen,Alter, Beruf und einer ladungsfähigen Anschriftvorzustellen.

Zeuge Peter Altmaier: Vielen Dank, Herr Vorsit-zender! Mein Name ist Peter Altmaier. Ich bin

Page 89: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 89 von 193

Mitglied des Deutschen Bundestages und Bun-desminister. Ich bin 58 Jahre alt, und die la-dungsfähige Anschrift ist Bundeskanzleramt,Willy-Brandt-Straße 1.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ganz herzli-chen Dank. - Wie ich es gerade gesagt habe,möchte ich Ihnen zunächst die Möglichkeit ge-ben, wie es § 24 Absatz 4 des Untersuchungsaus-schussgesetzes regelt, Gelegenheit für ein Ein-gangsstatement zu haben. Wünschen Sie dies?Möchten Sie davon Gebrauch machen?

Zeuge Peter Altmaier: Ja.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dann habenSie das Wort.

Zeuge Peter Altmaier: Herr Vorsitzender! MeineDamen und Herren! Ganz herzlichen Dank fürdie Einladung und für die Gelegenheit zu diesemStatement. Ich habe meinen Mitarbeiter HerrnWolff gebeten, mich unsanft zu unterbrechen,wenn ich irgendwo Sachverhalte berühre, die innichtöffentlicher Sitzung zu erörtern sind; das er-leichtert meine Arbeit.

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Wir sind öffent-

lich!)

Ich war im Laufe meiner nun ja doch schon ei-nige Jahre dauernden politischen Tätigkeit mehr-fach mit Angelegenheiten der Nachrichtendienstebefasst, das erste Mal im sogenannten Plutonium-Untersuchungsausschuss von 1994 bis 98 alsstellvertretendes Mitglied; das betraf vor allenDingen den BND. In meiner Zeit als Parlamenta-rischer Staatssekretär im Bundesinnenministe-rium von 2005 bis 2009 war ich alternierend mitThomas Oppermann Vorsitzender des PKGr, desParlamentarischen Kontrollgremiums; Herr Strö-bele mag sich an die Zeit erinnern. Es lag mir vieldaran damals - obwohl ich als Erster Parlamenta-rischer Geschäftsführer der Regierungskoalitiongut zu tun hatte -, dass die Kontrollrechte desAusschusses gewahrt wurden. Deshalb habe ichsowohl Herrn Ströbele wie damals auch HerrnNeskovic, die als Vertreter der Opposition dort

anwesend waren, auch in ihren Aufklärungsinte-ressen unterstützt. Das war vor der Affäre Snow-den.

Die Affäre Snowden habe ich dann erlebt alsBundesminister für Umwelt. In dieser Zeit warich mit Angelegenheiten der Nachrichtendiensteamtlicherseits nicht befasst, sondern habe meineInformationen aus der Presse und den üblichenQuellen entnommen. Ich bin dann seit 2013, seitDezember 2013, als Chef des Bundeskanzleram-tes insbesondere für den BND zuständig, aberauch sonst über die Gremien wie die ND-Lagebeispielsweise mit der Arbeit aller Nachrichten-dienste des Bundes befasst.

Ich war in diesen ganzen Jahren meiner Tätig-keit - und auch heute noch - zutiefst überzeugt,dass insbesondere der demokratische Rechtsstaat,den wir in Deutschland übrigens die längste Zeitunserer Geschichte nicht hatten, zu seiner Aufga-benerfüllung und zu seiner eigenen Verteidigungauf funktionierende Sicherheitsbehörden ange-wiesen ist. Dazu gehören für mich nicht nur dieStreitkräfte und die Polizei; dazu gehören fürmich ganz wesentlich auch ein funktionierenderNachrichtendienst oder funktionierende Nach-richtendienste, wie wir sie haben. Ohne Nach-richtendienste kann die innere und äußere Si-cherheit nicht effektiv gewährleistet sein. Des-halb kenne ich auch kein demokratisches Landauf der Welt, das sich den Luxus leistet, aufNachrichtendienste völlig zu verzichten. Ichkenne auch kein einziges Land, wo der Nachrich-tendienst so autistisch ist, dass er nicht mit ande-ren Nachrichtendiensten spricht und zusammen-arbeitet, weil wir in einer vielfach vernetztenWelt leben, wo die Kooperation der Nachrichten-dienste und die Unterstützung in der Abwehrvon Gefahren für die innere oder äußere Sicher-heit eines Landes nur in einem gemeinsam vonZusammenarbeit und Vertrauen geprägten Ver-hältnis aller Beteiligten möglich ist.

Ich bin auch zum Ergebnis gekommen, dass un-sere Nachrichtendienste in ihrer Effektivität undin ihrer Wirksamkeit ganz sicherlich nicht einge-schränkt, sondern eher noch unterstützt werdenmüssen; ich habe dazu als Kanzleramtsministerauch einiges getan. Ich bin der Auffassung, dass

Page 90: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 90 von 193

wir, so wie wir uns gerade nach den Anschlägenam Breitscheidplatz noch mal vor unsere Polizeigestellt haben, als Politiker auch eine Verantwor-tung haben, uns vor die Nachrichtendienste zustellen. Ich bin fest davon überzeugt, dass derBND, das Bundesamt für Verfassungsschutz undder MAD zu den Guten und nicht zu den Bösengehören und dass ihre Arbeit im Interesse unse-rer Demokratie gemacht wird und dass ihre Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter - Ausnahmen kannund mag es immer geben; deshalb braucht manauch Kontrolle - sich diesem demokratischenRechtsstaat und dem Primat der Politik verpflich-tet fühlen.

Weil ich glaube, dass der Primat der Politik auchfür die Arbeit der Nachrichtendienste unerläss-lich ist, war und bin ich der Auffassung, dass esauch einer wirksamen Kontrolle der Nachrichten-dienste bedarf, sowohl auf Ebene der Regierung -und für mich gilt das insbesondere für den Bun-desnachrichtendienst - wie auch auf Ebene desParlamentes. Deshalb habe ich mich bemüht, so-weit ich das jedenfalls beeinflussen konnte inden drei Jahren meiner Amtszeit, auch Ihre Ar-beit zu erleichtern, wo immer das ging, ohnewichtige Interessen des eigenen Landes dabeiaufs Spiel zu setzen.

Ich glaube, dass die Themen, die Sie heute be-schäftigen, was meine Tätigkeit und meine Ver-antwortung angeht, mich insbesondere erreichthaben in meiner Funktion als Kanzleramtsminis-ter seit dem 18. Dezember 2013. Ich habe fürmeine Ernennung als Chef des Bundeskanzleram-tes - - Etwa eine Woche vorher hat die Bundes-kanzlerin mich gefragt, ob ich bereit sei, diese Ar-beit zu übernehmen. Ich habe dann mit meinemVorgänger ein Übergabegespräch geführt, bei demer mich über wesentliche strukturelle Abläufe imKanzleramt und in der Arbeit des Kanzleramts-ministers informiert hat. Wir haben uns dabeinicht über irgendwelche Einzelheiten von Vor-gängen und Dossiers in den unterschiedlichenAbteilungen des Kanzleramtes unterhalten, we-der im Bereich der Abteilung 6 noch aus anderenBereichen, sondern es ging darum, dass ein mög-lichst reibungsloser Übergang der Verantwortungermöglicht wurde.

Ich habe dann nach der Aufnahme meiner Tätig-keit sehr schnell mit den einzelnen AbteilungenFachgespräche geführt, um mich in die wesentli-chen Themen des Kanzleramtes einzuarbeiten.Ich habe damals auch bereits mit meinen Mitar-beiterinnen und Mitarbeitern in dieser Abteilungdarüber gesprochen, dass sich ein Untersu-chungsausschuss mit dem Thema „NSA, Five-Eyes“ beschäftigen wird. Wir haben dann begon-nen, uns darauf vorzubereiten, indem wir eineentsprechende Arbeitseinheit aufgebaut habenund indem wir das Zusammenstellen der vonIhnen benötigten Unterlagen organisiert haben.

Ich habe dann zum ersten Mal inhaltlich zweiTage nach meinem Amtsantritt eine Vorlage, einegemeinsame Vorlage von zwei Abteilungen be-kommen zu dem Thema „No Spy“. Die Vorlageist eingestuft; deshalb kann ich daraus nicht zi-tieren. Sie dürfte Ihnen aber bekannt sein; es wareine Vorlage vom 20. Dezember. Dort war derSachstand der Verhandlungen zum Thema „NoSpy“ dargestellt. Diese Vorlage hat mich sofort zudem Schluss gebracht, dass wir Rücksprachebe-darf hatten, weil deutlich wurde, dass es erhebli-che Differenzen gab, die bei den Verhandlungenzutage getreten waren auf der Arbeitsebene. Dashat dann dazu geführt, dass ich nach der Ankunftvon Herrn Fritsche, der erst im Januar im Kanz-leramt begonnen hat, in einer Besprechung dasweitere Vorgehen geklärt habe.

Das hat dann am Ende dazu geführt, dass vor ei-ner USA-Reise der Bundeskanzlerin die Bundes-regierung auch offiziell erklärt hat, dass auf ab-sehbare Zeit mit dem Zustandekommen einesNo-Spy-Abkommens nicht zu rechnen ist. WennSie sich die Vorlage anschauen, dann könnenSie, glaube ich, auch Rückschlüsse daraus zie-hen, wie wichtig mir dieses Thema war. Es ist jaso: Manchmal stehen Vorlagen, die wir dem Aus-schuss zur Verfügung stellen, in den Zeitungen,allerdings noch nie eine, die für die Regierunggünstig war; das ist mir jedenfalls noch nicht auf-gefallen. Aber für mich war es der entscheidendePunkt.

Der zweite Punkt war, dass im Frühjahr 2014 derUntersuchungsausschuss seine Arbeit aufgenom-men hat. Ich habe mich damals entschieden, die

Page 91: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 91 von 193

Dokumente, die wir Ihnen zur Verfügung gestellthaben - nicht jedes einzelne Blatt, aber doch allewichtigen Dokumente -, mir anzuschauen, sie zudiskutieren mit meinen Mitarbeiterinnen undMitarbeitern, und habe auf diesem Wege dannKenntnis erlangt von den Vorgängen, die Sieauch kennen. Insofern haben Sie vielleicht nocheinen etwas intensiveren Kenntnisstand, weilIhre Beschäftigung ganz frisch ist; meine war im-mer dann, wenn die Unterlagen übersandt wer-den mussten. Es gab auch manchmal Fälle, wowir diskutiert haben, ob bestimmte Stellen zuschwärzen sind oder nicht. Ich war mit meinenMitarbeitern gemeinsam der Auffassung, dass wirIhnen so viele Informationen wie irgendwie ver-tretbar zur Verfügung stellen müssen, und es gabzwei oder drei Ausnahmen von diesem Prinzip.Auf eine, auf die Third Party Rule, komme ichdann anschließend noch zu sprechen.

Es gab dann im Frühsommer des Jahres 2014 ei-nen Vorgang, in dem nämlich ein Spion mit demNamen Marcel R. [sic!] - das stand in den Zeitun-gen; deshalb kann ich es hier sagen - in Pullachenttarnt wurde und festgenommen wurde. Ichhabe mich sehr intensiv und umfänglich unter-richten lassen über alle Umstände dieses Falles.Es hat dazu geführt, dass wir zum einen den ame-rikanischen Botschafter ins Kanzleramt einbe-stellt haben; wir haben zum anderen den Vertre-ter des JIS aufgefordert, unser Land zu verlassen,wie wir das in vergleichbaren Fällen auch tun.

Es kam zu einem direkten persönlichen Gesprächüber diese Angelegenheit - auch das stand in derZeitung, ist nachzulesen - mit meinem amerika-nischen Kollegen, dem Chief of Staff aus demWeißen Haus, Denis McDonough, mit dem ichdann noch einmal die Bedeutung all dieser Vor-gänge erörtert habe und deutlich die Position derBundesregierung vertreten habe, dass in Deutsch-land deutsches Recht gilt, dass es keine Rabattegeben kann und dass die Bundesregierung dieVerantwortung hat, die Durchsetzung diesesdeutschen Rechts in Deutschland auch sicherzu-stellen. Bei dieser Gelegenheit stellte sich heraus,dass der Beschuldigte auch Informationen über-mittelt hatte, die sehr sensibel waren, weil mandaraus den Schluss hätte ableiten können, dassin Deutschland auch Freunde abgehört werden.

Ich hatte die Aussage der Kanzlerin „Abhörenunter Freunden geht gar nicht“ als Bundes-umweltminister verfolgt, und ich habe sie damalsund auch heute für richtig und absolut notwen-dig angesehen, weil ich glaube, dass man unterFreunden auch bereit sein muss, sich gegenseitigzu vertrauen. Wenn Sie mit jemandem persönlichbefreundet sind und der geht austreten, dannschauen Sie auch nicht, was er im Notizbuch auf-geschrieben hat. Wenn Sie wissen, wie umfäng-lich die Anforderungen an die Tätigkeit moder-ner Nachrichtendienste sind, dann ist man ausmeiner Sicht schlecht beraten, die begrenztenpersonellen und finanziellen Ressourcen, dieman hat, darauf zu verwenden, sich ausgerechnetmit der Tätigkeit der Freunde zu beschäftigen.Ich halte das für unökonomisch und habe das inmeiner Arbeit auch immer wieder zum Ausdruckgebracht.

Damals war es so, dass man den Eindruck habenkonnte, dass es hier einen Verstoß gegeben hat.Ich habe daraufhin sehr intensiv mit dem Präsi-denten Schindler zweimal gesprochen und mirdie Dinge erklären lassen. Mir war zu diesemZeitpunkt bekannt, dass es vor meiner Amtszeiteinen Fall oder Fälle gegeben hat, wo deutscheBotschaften - - wo also Botschaften von EU-Staa-ten und anderen Staaten im Visier waren, unddass Chef BK Pofalla das geändert hat. Ich habees nicht von ihm erfahren. Ich kann Ihnen auchnicht mehr sagen, ob ich es von Herrn Schindlerselber erfahren habe oder von irgendjemand an-derem; aber mir war das bekannt.

Nachdem ich nun diese beiden Vorgänge hatte,den Vorgang aus Oktober 2013, als ich noch nichtim Amt war, und den Vorgang vom Frühsommer2014, habe ich Herrn Schindler ausdrücklich be-fragt - zweimal -, ob es weitere Dinge gibt, die ichwissen müsse, und ob es weitere Fälle gibt, wowir Freunde abhören. Herr Schindler hat mirbeide Male dies verneint. Wir haben dann diePraxis im Hinblick auf sogenannten Beifang auchnoch einmal verändert und dafür Sorge getragen,dass sie im Einklang mit unseren politischenPrinzipien künftig stattfindet.

Ich habe dann - zu dem Thema Selektoren - zumersten Mal überhaupt das Wort „Selektor“ gehört,

Page 92: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 92 von 193

als Herr Staatssekretär Fritsche mich an einemFreitag, dem 13. März 2015, telefonisch über denSachverhalt unterrichtet hat. Das war ein Freitag-abend; ich war auf einer Veranstaltung in Köln.Da wir über eine geschützte Leitung telefonierenmussten aufgrund der Angelegenheit und ihrerImplikationen, bin ich dann spätabends nochnach der Veranstaltung zum BfV gefahren nachKöln. Das war das erste und bisher einzige Mal -vermutlich auch das letzte Mal -, dass ich aufdem Sessel des VerfassungsschutzpräsidentenMaaßen sitzen durfte, und habe dann mit HerrnFritsche die Angelegenheit erörtert. Mir war na-türlich sofort klar, dass es sich hier um eine sehrbedeutsame Angelegenheit handelte, weil sie imGegensatz zu dem stand, was wir als Politik derBundesregierung nun doch schon immerhin seitzwei Jahren vertreten und auch dem BND undanderen Diensten als Richtschnur vorgegeben ha-ben.

Ich habe mehrfach in den nächsten Tagen mitHerrn Fritsche telefonisch und auch persönlichund mündlich über diese Vorgänge gesprochen.Das zuständige Fachreferat hat dann am Montag,der auf den 13. folgte, eine Unterrichtungsvorlagefür mich verfasst. Ich habe die dann am 17., ei-nen Tag später, abgezeichnet; das habe ich mirnoch mal rausschreiben lassen. Wir haben dannauch eine erste Weisung an den BND versandtund ihn angewiesen, detailliert über den gesam-ten Prozess dieser Selektoren zu sprechen. Ichhabe dann auch darum gebeten, dass mir dieListe der Selektoren vorgelegt wird, und ich habemir diese Liste persönlich angesehen, um mir ei-nen Eindruck darüber zu verschaffen, von wel-cher Qualität und Bedeutung die betreffenden Se-lektoren waren. Das hat dazu geführt, dass wirdann in einem vierwöchigen Prozess sehr inten-siv versucht haben, die Sachen - - Licht ins Dun-kel zu bringen.

Ich will hinzufügen: Ich habe immer die Auffas-sung vertreten, dass für alles, was abgeschlossenwar, mit dem Zeitpunkt der Einsetzung desUntersuchungsausschusses die Zuständigkeit beiIhnen lag, aufzuklären, wie die Dinge gelaufenwaren. Wir stellen Ihnen die Dokumente zur Ver-fügung, Sie vernehmen die Zeugen. Ich habe

nicht parallel dazu noch weitere Nachforschun-gen angestellt. Aber das hier war ein Vorgang, derwar eben nicht abgeschlossen, und es war einVorgang, der in die Zuständigkeit des Bundes-kanzleramtes als Fach- und Rechtsaufsicht fiel.Deshalb haben wir uns damit beschäftigt.

Ich habe dann eine Entscheidung getroffen, dieich im Rückblick als die einzig richtige ansehe,nämlich dass ich mit meinen Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern am 20. März nach Pullach zurAbteilung TA gefahren bin und dass wir dortüber einen Zeitraum von mehreren Stunden dieThematik erörtert hatten. Und zwar war es so,dass meine Begleitung bestand aus dem Staats-sekretär Fritsche und Vertretern aller Arbeits-ebenen im Bundeskanzleramt quer durch dieHierarchie. Ich hatte darum gebeten, dass mir inPullach auch alle Verantwortlichen des BND zurVerfügung stehen, sowohl die politische Lei-tungsebene mit dem Präsidenten wie auch derAbteilungsleiter, Unterabteilungsleiter, Referats-leiter bis hin zu denjenigen, die konkret mit denSelektoren beschäftigt waren. Das war aus meinerSicht deshalb notwendig, weil mir daran gelegenwar, umfassend mir ein Bild darüber zu machen,wie die Praxis des BND war, zu welchem Zeit-punkt sie geändert wurde und welcher Ände-rungsbedarf für die Zukunft besteht.

Ich habe den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,die selbstverständlich durch die Ankunft desKanzleramtsministers natürlich auch nicht nur infreudiger Erwartung waren, obwohl mein Ver-hältnis zum BND sehr gut ist - - Ich hatte denBND als Kanzleramtsminister zweimal besucht,einmal relativ kurz nach meiner Arbeitsauf-nahme und ein zweites Mal, um auch in einerPersonalversammlung mit den Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern zu sprechen. Das war der dritteBesuch in Pullach, den ich durchgeführt habe.Ich habe dann den Mitarbeiterinnen und Mitar-beitern gesagt, dass es mir vor allen Dingen umSachverhaltsaufklärung geht und dass ich gekom-men bin, um zu urteilen, und nicht, um zu verur-teilen, und dass vor einer Entscheidung überKonsequenzen zunächst die Aufklärung steht. Ichhabe allerdings auch gesagt, dass es sich um einesehr ernste Angelegenheit handelt und dass die-

Page 93: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 93 von 193

ser Besuch am 20.03. die Gelegenheit war, um al-les, aber auch alles auf den Tisch zu legen, unddass es aus meiner Sicht nicht glücklich wäre,wenn wir dann hinterher noch einmal vonNeuigkeiten in einer Dimension überrascht wür-den, die schwer zu erklären ist.

Bei dieser Besprechung ist es dann auch nocheinmal - ich muss es jetzt summarisch sagen,weil ich ungern über Details in öffentlicher Sit-zung spreche - um die Frage gegangen, wo und inwelchen Fällen wir bis zur Entscheidung vonRonald Pofalla befreundete Botschaften abgehörthätten. Das ist erläutert worden. Ich habe dannnoch mal nachgefragt und nachgefasst, wir sinddie Liste durchgegangen im Hinblick auf einzelneSelektoren, und meine Mitarbeiter, insbesondereauch Herr Wolff, hatten eine große Liste von Fra-gen erstellt, die an den BND gerichtet worden istund wo wir um schriftliche Aufarbeitung gebetenhatten, sofern es nicht möglich war, sie in derBesprechung zu beantworten.

Das hat dann dazu geführt, dass wir später wei-tere Erkenntnisse zu BND-eigenen Selektorenhatten. Ich hatte die Abteilung ausdrücklich er-muntert, alle diese Dinge so zu formulieren, dasswir möglichst präzise Antworten vom BND erhal-ten. Nachdem ich mit den Vertretern der Abtei-lung 4 über die Frage der US-amerikanischenSelektoren gesprochen hatte und auch über dieFrage diskutiert hatte, was der BND selbst dar-über hinaus macht, war ich anschließend von derExistenz einer so umfangreichen BND-eigenenSelektorenliste mit problematischen Selektorenüberrascht und habe das auch ausdrücklich nichtgebilligt.

Nach dem Besuch in Pullach bin ich dann mitHerrn Fritsche so verblieben, dass die fachlichzuständige Abteilung 6 die weitere Aufarbeitungund Klärung übernimmt. Herr Fritsche hat michregelmäßig mündlich über Fortschritte und auchüber neu aufgetauchte Erkenntnisse unterrichtet.Wir haben dann am 22.04. - daran werden Siesich erinnern - die Obleute des Untersuchungs-ausschusses und des PKGr gemeinsam über denFund der Selektorenliste, die gewonnenen Er-kenntnisse und die initiierten Aufklärungsaktivi-täten unterrichtet.

Ich habe darüber hinaus es für sinnvoll gehalten,auch die zuständigen Minister der Bundesregie-rung in angemessener Form in etwa ähnlicherDetailtiefe, wie Sie auch Ihnen zuteil gewordenist, über die Vorgänge zu informieren, weil esVorgänge von einer gesamtstaatlichen Bedeutungwaren, insbesondere auch für die außenpoliti-schen Beziehungen der Bundesrepublik Deutsch-land.

Es war mir wichtig, den Bundestag so einzubezie-hen und auch gegenüber der Öffentlichkeit Stel-lung zu beziehen, dass die Ernsthaftigkeit unse-res Aufklärungswillens keine Sekunde außerFrage stand. Wir haben am 23. April eine Presse-mitteilung herausgegeben. Dort haben wir bereitsdamals ausdrücklich festgehalten, dass wir orga-nisatorische und technische Defizite in denArbeitsabläufen des BND festgestellt haben.Damals ist das hinterfragt worden, und es ist zumTeil auch kritisiert worden nach dem Motto: DieBundesregierung möchte jetzt den BND für allesverantwortlich machen.

Das, was mir persönlich bei dem Besuch inPullach aufgefallen war, war der Umstand, dasseigentlich niemand im BND Kenntnis von denVorgängen hatte. Das kann ich nicht beurteilenund nicht bewerten. Aber es ist natürlich einProblem - - Es wäre ein Problem gewesen, wenndie Leitungsebene, wenn die Abteilungsleiter-ebene, wenn die Unterabteilungsleiterebene vonden Vorgängen gewusst hätte und sie nicht ansKanzleramt weitergegeben hätte. Es ist aber auchein Problem, wenn alle Beteiligten und Verant-wortlichen davon nichts wissen. Das hat nichtszu tun mit in irgendeiner Weise disziplinari-schen oder sonstigen rechtlichen Konsequenzen.Aber es hat viel damit zu tun, wie man den Nach-richtendienst künftig so organisiert, dass ähnli-che Vorgänge sich nicht wiederholen.

Es war dann für mich die ganz besonders schwie-rige Frage - - Nachdem sich herausgestellt hat,dass Sie an der Selektorenliste ein gewisses Inte-resse hatten, war die entscheidende Frage: Wiegehen wir damit um? Es war eine der schwierigs-ten Fragen, die ich in meinem politischen Lebenzu beantworten hatte, weil ich selbstverständlich

Page 94: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 94 von 193

weiß, dass das Aufklärungsinteresse des Parla-mentes ein hohes Gut ist - verfassungsrechtlichgeschützt -, und andererseits aber auch wussteund weiß, dass diese Selektorenliste ja nicht ir-gendein Instrument war, sondern wenn Sie soeine Selektorenliste haben, dann können Sie um-fassende Rückschlüsse aus der Arbeit eines ande-ren Nachrichtendienstes eines anderen Landesgewinnen. Deshalb war es für mich ganz ent-scheidend, dass wir das einhalten, was wir vonunseren Partnern ebenfalls erwarten, nämlichdass sie getroffene Absprachen über Vertraulich-keit und Geheimhaltung nicht einseitig aufkündi-gen.

Wir hatten bereits das Konsultationsverfahrenlaufen zu vielen Dokumenten, und wir habendann noch einmal im Konsultationsverfahrenauch die Frage versucht zu klären, ob wir dieseListe dem Parlament vorlegen dürfen oder nicht.Eine abschließende Antwort darauf ist nicht er-folgt. Es war eindeutig nach der völkerrechtli-chen und nach der rechtlichen Lage so, dass wirdiese Liste nur zur Verfügung stellen durften anStellen außerhalb der Bundesregierung mit aus-drücklicher Zustimmung des amerikanischenPartners. Wir haben deshalb nach Möglichkeitengesucht, wie man dem Aufklärungsinteresse desBundestages auf anderem Wege gerecht werdenkann. Wie Sie wissen, haben wir beispielsweiseein schriftliches Testat durch den BND erstellenlassen. Wir haben die Obleute auch am 6. Mainoch einmal informiert. Wir haben dann - unddas war, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt -Ihnen alle Unterlagen zum BeweisbeschlussBND-26 - mit der einen Ausnahme der Selekto-renliste - zur Verfügung gestellt.

Die Weitergabe der Selektorenliste konnte ichnicht verantworten, weder rechtlich noch poli-tisch. Deshalb haben wir nach einem Weg ge-sucht. Ich habe am 17. Juni dann dem Unter-suchungsausschuss angeboten, dass wir eineunabhängige sachverständige Vertrauenspersoneinsetzen, und auch dem Untersuchungs-ausschuss angeboten, sowohl den Auftrag zu for-mulieren wie auch Vorschläge für die Auswahldieser Person zu machen. Die Mehrheit hat dannHerrn Dr. Graulich vorgeschlagen. Wir haben ihneingesetzt. Er hat die Liste einsehen können. Er

hat Ihnen seinen Bericht im Oktober 2015 über-mittelt und ist dazu auch vernommen worden.Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahre 2016festgestellt, dass dieses Vorgehen verfassungs-konform war. Ich habe mich über dieses Urteilsehr gefreut, auch wenn ich - -

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Wir uns nicht!)

weil es deutlich macht, dass der Bundesnach-richtendienst auch zukünftig verlässlicher Part-ner für andere Nachrichtendienste sein kann unddass wir gegebene Zusagen auch einhalten, soschwierig dies im Einzelfall sein muss.

Was die Selektoren des BND angeht, ist es so,dass bei meinem Besuch in Pullach möglicher-weise das Wort „Quarantäneliste“ gefallen ist. Ichschließe das nicht aus. Ich bin mir allerdings sehrsicher, dass ich die Quarantäneliste damals nichtmit BND-eigenen Selektoren in Verbindung ge-bracht habe, wenn das Wort gefallen sein sollte,sondern mit den Selektoren, die im Auftrag derNSA gesteuert wurden. Ich habe aber meine Mit-arbeiter gebeten, sehr genau aufschreiben zu las-sen und sehr genau zu überprüfen, inwieweit derBND auch mit anderen Nachrichtendiensten zu-sammenarbeitet außerhalb der NSA in diesenFragen und was der BND in eigener Regie tut.

Die Frage, wie diese Quarantäneliste zu beurtei-len ist, wurde dann etwas deutlicher und einfa-cher am 30. September 2015. Da ist mir ein um-fangreicher Bericht von etwa 60 Seiten zur Qua-rantäneliste vorgelegt worden, ein Bericht desBND. Ich habe mir das alles sehr genau ange-schaut und war auch in diesem Punkt der Auffas-sung, dass die Gruppenliste zwar kein Unter-suchungsgegenstand war, dass aber eineUnterrichtung der zuständigen Gremienangezeigt war. Deshalb hat das PKGr auch eineTaskforce eingesetzt, die ihre Aufklärungsarbeitparallel zur Aufklärungsarbeit des Kanzleramtesgeleistet hat und ihren Abschlussberichtveröffentlicht hat.

Ich glaube, meine sehr verehrten Damen undHerren, Sie können aus diesen einleitenden Wor-

Page 95: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 95 von 193

ten ersehen, dass mir das Thema des Unter-suchungsausschusses und auch der Umgang mitden im Laufe seiner Arbeit gewonnenen Erkennt-nissen sehr wichtig war und dass wir versuchthaben, zu allen Zeiten und zu jedem Zeitpunktdiejenigen Entscheidungen zu treffen, die in derSache notwendig waren. Ich habe allerdings auchden BND ermuntert und unterstützt darin, seinetechnischen Fähigkeiten an die veränderteSicherheitslage anzupassen. Deshalb haben wireine strategische Initiative in Gang gesetzt, diemehrere Jahre zu ihrer Umsetzung braucht, aberdie Fähigkeiten des BND erheblich verbessernwird. Wir haben dafür gesorgt, dass der BND,auch was die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter angeht, mit den veränderten Herausfor-derungen der Bekämpfung des Terrorismus undder Gewährleistung der inneren Sicherheit mit-halten kann.

Ich glaube, dass es ganz entscheidend ist, auchwenn dieser Untersuchungsausschuss beendetist, dass wir all das, was im Untersuchungsaus-schuss an Erkenntnissen zutage gefördert wordenist, zum Anlass nehmen, die notwendigen Kor-rekturen zu machen - sie sind zu einem wichti-gen Teil bereits erfolgt -, und dass wir umgekehrtaber auch immer im Auge haben, dass die ent-scheidende Aufgabe des BND darin besteht, unszu schützen, auch gegen Aktivitäten andererNachrichtendienste beispielsweise und im Aus-land - - das BfV im Inland.

Wir haben das BND-Gesetz in einem großen Kon-sens in der Großen Koalition - ich möchte michdafür ausdrücklich noch einmal auch bei denMitgliedern meiner Fraktion und der Fraktionder SPD im Untersuchungsausschuss und imPKGr herzlich bedanken - geändert und damitauch manche rechtlichen Fragen geklärt. Ich gehedavon aus, dass wir alle diese Fragen nicht einfür alle Mal ad acta legen können, sondern dasswir uns immer wieder mit der Frage auseinander-setzen müssen, wie wir das berechtigte Informa-tionsinteresse des Parlamentes und die Notwen-digkeit einer effektiven Arbeit des Dienstes imstaatlich-öffentlichen Interesse so miteinander inEinklang bringen, dass beide Ziele am Ende desTages erreicht werden. - Vielen Dank.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: HerzlichenDank, Herr Minister Altmaier. - Jetzt sind jaschon die wesentlichen Punkte alle angespro-chen; dafür ist ein Eingangsstatement ja auch da.Aber - -

Zeuge Peter Altmaier: Ja. - Ich habe mir gedacht,Sie müssen die dann nicht alle noch mal in Fra-gen kleiden.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Nein, ichwürde eher in Details gehen, und zwar würde ichgern beginnen mit dem Thema No-Spy-Abkom-men. Da ist ja noch nicht so viel im Eingangs-statement zu gewesen, weil das ja auch so in dieSchnittmengenzeit fällt - Regierungswechsel -,und da hat sich lange Zeit hartnäckig die Sicht-weise gehalten, dass es das gar nicht gäbe, dieseDiskussion über ein No-Spy-Übereinkommen,dass das nur eine Finte war vor der Wahl. Jetzthaben eigentlich die letzten Zeugen der letztenSitzungen - aber auch davor - nach meiner Beur-teilung zumindest sehr deutlich gemacht, dassauf zwei Ebenen verhandelt wurde, auf derDiensteebene, aber auch auf der politischenEbene, dass die Diensteebene sehr weit war mitden Verhandlungen und sehr willens, auch von-seiten der Amerikaner, vonseiten der Amerikanerdieses Thema sogar erstmalig eingebracht wurde,dass man bis in den Januar 2014 noch Chancensah zu einem No-Spy-Abkommen, dann aber die-ses No-Spy-Abkommen - oder wie man es auchimmer nennen mag - von der politischen EbeneAnfang des Jahres 2014 nicht mehr gewollt war,insbesondere von der amerikanischen Seite,wenn ich es richtig beurteile.

Für mich ist wichtig, mitzunehmen, dass beidsei-tig - so habe ich es verstanden - ernsthaft über einentsprechendes Abkommen verhandelt wurde.Ich habe eben mit Staatssekretär Fritsche pro-biert, herauszukriegen, was denn wohl die Moti-vation der Amerikaner war. Da hätte man ja auchsagen können, gerade jetzt macht man dicht.Meine Spekulation war, dass man doch etwaspeinlich angegriffen war, dass einem so ein Rie-sendatenleck passiert war, dass man ja selber ei-gentlich als derjenige Dienst dastand, der so eineIndiskretion zu verkraften hatte; dann steht manbei anderen Diensten ja nicht gut da, wenn aus

Page 96: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 96 von 193

den eigenen Reihen einer unzählige Informatio-nen an die Presse weitergibt. Dass das vielleichteine Motivation war, das werden wir wahr-scheinlich im Kern nicht ergründen können.

Mich würde aber interessieren: Wie haben Siedenn diese Zeit wahrgenommen? Gab es da ernst-hafte Verhandlungen, oder war es jetzt vielleichtdoch nur eine Show, und alle sagen, da gab eswas Ernsthaftes? Wie haben Sie die Zeit mit deneinzelnen Schritten erlebt?

Zeuge Peter Altmaier: Also, die Zeit - - Es gab jain dieser Frage drei Phasen. Die erste Phase wardie Zeit im Sommer 2013 bis zum Ins-Amt-Kom-men der neuen Bundesregierung. Das habe ichdamals nur aus der Presse wahrgenommen. Ichhabe mich aber, wie ich eben schon sagte, imVorfeld des Untersuchungsausschusses intensivmit dem Aktenbestand beschäftigt und habe auchmit Herrn Fritsche und mit Herrn Heiß darübermehrfach gesprochen, auch mit Herrn Heusgen.Und mein Eindruck ist, dass jedenfalls wir inDeutschland allen Anlass hatten, davon auszuge-hen, dass die amerikanische Seite zu ernsthaftenVerhandlungen bereit war. Diese Verhandlungenhaben dann ja auch stattgefunden. Diese Ver-handlungen haben sich über den gesamtenHerbst, und zwar auch über den Zeitpunkt - nachmeiner Erinnerung jetzt; wie gesagt, ich war ja danicht dabei, aber so wie ich das rekonstruierthabe - der Bundestagswahl hinweg erstreckt. Wirhatten ja eine lange Phase der Regierungsbildung.Die Große Koalition kam erst relativ spät insAmt, nämlich Ende Dezember. Die Wahlen warenim September.

Mir ist dann - das habe ich vorhin gesagt - zweiTage nach Amtsantritt in einer Vorlage der bei-den zuständigen Abteilungen Außenpolitik undBND sozusagen der Sachstand berichtet worden.Ich konnte dort auch die Texte sehen, die ent-worfen waren. Es gab unterschiedliche Texte,und sie waren von beiden Seiten mit unter-schiedlichen Inhalten gefüllt. In bestimmtenPunkten war man sich einig. Es gab auch Ermuti-gendes. Aber mir war dann ganz entscheidend,dass an einer Stelle - an einer Stelle - ein ziemli-cher Gegensatz war, und das war die Frage, sichdazu zu committen, dass sozusagen von den

Diensten jeweils das geltende Recht des Landes,also von deutschen Diensten in den USA undvon amerikanischen Diensten in Deutschland,eingehalten wird. Da gab es in den Texten - ichhabe in meiner Zeit als EU-Beamter in Brüssel javiel auch mit englischen und französischen undanderen Texten mich auseinandersetzen müs-sen - ganz klar in der englischen Sprachfassungeinen deutlichen Unterschied. Das hat mich danndazu gebracht, dass ich mit Herrn Fritsche, als erim Januar da war, mit Herrn Heusgen und auchmit Herrn Heiß diese Frage noch einmal disku-tiert hatte.

Die dritte Phase begann dann, als der amerikani-sche Präsident in einer großen Rede Anfang2014 - das war im Januar, glaube ich; kann auchim Februar gewesen sein; da müssen Sie in dieUnterlagen schauen; die haben Sie garantiert -sich zu diesen Themen geäußert hat. Dort hat ererklärt, dass sie keine Wirtschaftsspionage zuZwecken der Wirtschaftsspionage betreiben. Erhat erklärt, dass sie die Kommunikation befreun-deter Staats- und Regierungschefs nicht abhören,und hat dann ausdrücklich gesagt: Und im Übri-gen werden wir uns nicht dafür entschuldigen,dass wir besser sind als andere. - Das war einesehr klare Aussage. Das alles zusammengenom-men hat für mich zu dem Ergebnis geführt, dassman ein No-Spy-Abkommen jedenfalls auf abseh-bare Zeit mit den amerikanischen Partnern nichterreichen kann. Das haben wir dann vor demUSA-Besuch der Bundeskanzlerin auch öffent-lich klargestellt.

Ich will hinzufügen, dass nach meiner festenÜberzeugung die Debatten, die im Anschluss andie Aussage der Bundeskanzlerin: „Abhören un-ter Freunden geht gar nicht“, entstanden sind,auch dazu beigetragen haben, dass wir in diesemThema No-Spy durchaus Fortschritte erreicht ha-ben, wenn auch nicht mit dem amerikanischenPartner. Ich bin auch fest davon überzeugt, dassim Laufe der weiteren Entwicklung man zu demErgebnis kommen wird, dass es im Interesse allerBeteiligten wichtig ist, sich nicht gegenseitig aus-zukundschaften, sondern sich um die Fragen zukümmern, die politisch in den jeweiligen Auf-tragsprofilen enthalten sind - - zu klären. Aber

Page 97: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 97 von 193

für uns stand fest etwa im Februar 2014, dass die-ses Abkommen nicht erreichbar war.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Hat man davielleicht Ende der letzten Legislaturperiodenicht beherzt genug zugegriffen? Kamen dann dieWahl und diese Interimszeit dazwischen, dassman bei den Amerikanern nicht schnell genuggesagt hat: „So und so machen wir es“? Vielleichtwar der Druck bei den Amerikanern ja wirklichsehr hoch, wieder die Partner zu besänftigen. Ha-ben wir da geschlafen?

Zeuge Peter Altmaier: Ich habe ja nun auch einegewisse Tradition der Zusammenarbeit mit unse-ren amerikanischen Partnern, weil es ja auch lei-der Anlässe gab, die nicht nur erfreulich warenin dieser ganzen Zeit. Ich habe - - Sie haben dasin Ihren Akten auch, und Sie müssen es selbstbewerten. Aber ich habe aus dem, was ich sehenkonnte, sogar E-Mail-Verkehr auf der Arbeits-ebene zwischen den Amerikanern und uns, Ge-sprächsprotokolle über Treffen, die in den USAstattgefunden haben, in Textentwürfen - - Das al-les haben Sie. Für mich steht außer Frage, dass esim Sommer so aussah, als ob es ein Zeitfenstergibt, in dem man das erreichen kann. Es ist auchnach meiner Einschätzung sehr intensiv undernsthaft verhandelt worden.

Möglicherweise - möglicherweise - hat sich aufder amerikanischen Seite dann ein Prozess voll-zogen, wo man Weiterungen und Implikationenfür das Verhältnis auch zu anderen Ländern miteinbezogen hat. Das kann ich aber nicht beweisenund nicht beurteilen, weil ich bei den Gesprä-chen, wie gesagt, nicht dabei war. Ich habe dannim Frühsommer oder im Sommer 2014 noch ein-mal auch mit amerikanischen Kollegen über die-ses Thema am Rande kurz gesprochen, und es hatsich mein Eindruck bestätigt, dass es einen inter-nen Prozess in der amerikanischen Regierung ge-geben hat, der darauf hinauslief, es nicht zu ma-chen. Ich weiß, dass andere es so darstellen woll-ten, als hätte die amerikanische Regierung dasvon Anfang an anders gesehen.

Mein Eindruck ist: Es gab die Bereitschaft, jeden-falls auf Ebene der Dienste in den USA, und des-

halb haben diejenigen, die diese Gespräche ge-führt haben, nach bestem Wissen und Gewissengehandelt, als sie gesagt haben: Wir halten denAbschluss dieses Abkommens für möglich. - Undsie haben auch kein schuldhaftes Zögern an denTag gelegt, sondern es war ein Prozess, der amEnde, als ich die Fäden aufgenommen habe, dannein eindeutiges Ergebnis bot, dass es nämlichnicht möglich war.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wenn dieserProzess ja sogar so weit ging, dass man Text-bestandteile verhandelte und Sie, Herr Minister,eben gesagt haben, vielleicht auch über dieseskonkrete Abkommen mit Amerika gibt es dafruchtbare Ansätze, dann frage ich mich: Liegendie im Bereich der Five-Eyes-Staaten? Dann wä-ren sie untersuchungsgegenständlich. Wenn,dann würde es mich natürlich interessieren,wenn es in dem Zeitraum ist. Wenn nicht, freutes mich trotzdem, dass es fruchtbare Ansätzegibt.

Zeuge Peter Altmaier: Ja. - Es gibt nichts, was un-tersuchungsgegenständlich wäre, was ich Ihnenvorenthalte.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Hauptsache,es ist dann fruchtbar. - Gut. Weg von den No-Spy-Verhandlungen und diesem Prozess, hinzum zweiten Thema: Selektoren. Das ist ja,glaube ich, das Kernthema. Als wir zum erstenMal von der Relevanz der Selektoren erfahren ha-ben, da kam das aus meiner Sicht alles ziemlichscheibchenweise und war zu Beginn etwasschwer zu durchdringen: verschiedene Listen,wo man sich ja dann erst mal so Listen in Papiervorstellt, als druckt da einer was aus. Dann läuftdas ja technisch anders, dass man „aktiv“ setzt,Häkchen setzt usw. und auswählen kann. Da gabes verschiedenste Listen. Dann hatten Sachbear-beiter, Sachgebietsleiter bis hin zu Unterabtei-lungsleitern irgendwelche Dinge herausgenom-men, eingestellt, und da sprach man auch vonListen. Dann gab es auch noch BND-eigene undNSA-zugelieferte Selektoren. Wann ist denn nachIhrer Erkenntnis im Kanzleramt das ThemaSelektoren zum ersten Mal hochgepoppt?

Page 98: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 98 von 193

Zeuge Peter Altmaier: Das kann ich Ihnen ein-deutig beantworten. Es ist hochgepoppt an die-sem Freitag, den 13, als Herr Fritsche mich ange-rufen hat -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: März, richtig?

Zeuge Peter Altmaier: - März, ja -, und zwar2015. Und ich weiß noch, dass auch Herr Frit-sche nicht nur überrascht, sondern sehr unange-nehm überrascht war über diesen Umstand. Erhat mir glaubhaft versichert - auch Herr Heiß undandere -, dass sie diese Liste vorher nie gesehenhaben und dass ihnen auch der Begriff „Selektor“bis zu diesem Zeitpunkt in der täglichen Arbeitnicht begegnet war.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Aber im BNDprüfte man schon deutlich vorher die Existenzvon Selektoren, richtig?

Zeuge Peter Altmaier: Ja. Es hat beim BND nachmeiner Erkenntnis mehrere Phasen gegeben. DasErste war die Aussage der Bundekanzlerin. Also,das war so: Man prüfte die Selektoren natürlichsowieso von Anbeginn der Zusammenarbeit an,wenn sie eingesteuert wurden, weil wir ja aucheine G-10-Prüfung vornehmen mussten, um zuverhindern, dass Selektoren eingesteuert werden,die nach deutschem Recht gar nicht eingesteuertwerden dürfen. Diese Prüfung - ich habe mir dasangeschaut - ist nach meiner Einschätzung dieganze Zeit über ausgesprochen gewissenhaft undauch mit hohem Erfolg geschehen.

Zweitens gab es die Aussage der Bundeskanzle-rin, dass das Abhören unter Freunden nicht geht.Und das hat nach meiner Wahrnehmung danndazu geführt, dass der BND tatsächlich sich dieListe noch mal angeschaut hat und dass eineganze Reihe von Selektoren aus der Steuerungherausgenommen wurden; aber nach allem, wasich weiß, ist darüber dem Kanzleramt nicht be-richtet worden. Und deshalb konnten das wedermeine Mitarbeiter noch ich zum damaligen Zeit-punkt wissen. Aber es war eine richtige Reaktion,und sie belegt im Übrigen auch, dass der BNDtatsächlich versucht hat, die politischen Vorga-ben umzusetzen, und dass auf der Arbeitsebene

jedenfalls dann eine ganze Reihe von Selektorenherausgenommen wurde.

Das Zweite war dann, dass Chef BK RonaldPofalla im Oktober 2013 dann noch einmal denBND mündlich angewiesen hat, bestimmte Dingenicht zu tun; darüber haben Sie, glaube ich, aus-führlich auch hier schon gesprochen. Auch dashat noch einmal Folgen gehabt.

Und das Dritte war mein Besuch in Pullach mitmeinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Undauch dieser Besuch in Pullach hat dann noch ein-mal dazu geführt, dass besondere und sehr inten-sive Überprüfungen stattgefunden haben mit ent-sprechenden Folgen für den Gesamtbestand derSelektorenliste.

Also, das war ein Prozess, und in diesem Prozesssind wir, glaube ich, schrittweise da hingekom-men, dass wir heute jedenfalls davon ausgehen,dass wir den Anspruch, Freunde nicht abzuhö-ren, auch in unserer Arbeit leben. Und das ist einPunkt, der mir, glaube ich, auch als positive Kon-sequenz aus all dem, was war, wichtig erscheint,weil es zeigt, dass die Nachrichtendienste ebendoch dem Primat der Politik unterliegen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Also, erst malteile ich die Sichtweise - wenn ich Sie so inter-pretieren darf -, dass der Satz der Kanzlerin si-cherlich einiges bewegt hat und auch eine politi-sche Message natürlich gesendet hat. Zumindestscheint er bewegt zu haben, dass eine Unterabtei-lung im BND angefangen hat, die eigenenSelektoren und die US-Selektoren dementspre-chend zu überprüfen im Juli 2013. Jetzt frage ichmich aber: Nach der kontinuierlichen Prüfung,die ja auch unterschiedliche Ansätze immer wie-der hatte, auch verbessert wurde irgendwann,warum war man nicht sorgfältiger, nachdem manja schon in den früheren Jahren gemerkt hatte:„Da sind Suchbegriffe drin, Telekommunika-tionsmerkmale, die da nicht reingehören“?Warum war man nicht sensibler und hat gesagt:„Da müssen wir eine viel differenziertere Prüfunghaben“? Denn wenn man sich die Listenanschaut, dann muss man doch den Eindruckgewinnen - ohne in Details gehen zu können -: Soganz gepflegt ist dieser Haufen der Selektoren

Page 99: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 99 von 193

dann doch nicht. Und da wundert mich einfach,dass plötzlich ein Unterabteilungsleiter sagt:„Jetzt muss ich da mal aufräumen“ - das istmeine Wortwahl jetzt des Ganzen -, und das fürsich behält und das nicht hochmeldet.

Da habe ich eben den Staatssekretär Fritsche ge-fragt: Wenn dies Ganze mit dieser Relevanz - -Wenn man sagt, die Selektoren, die Suchbegriffe,die Telekommunikationsmerkmale also, das istso der Kern nachrichtendienstlicher Erkenntnis,Nachforschung, wenn man die hat, weiß man:Wo guckt der BND oder andere Dienste danneben hin - - Wenn das so wichtig ist, dann hätteman doch in so einer Situation eigentlich dochmal melden müssen, was Sache ist. Und da habeich Fritsche gefragt: Wo hat es denn geklemmt?Und wenn ich ihn richtig verstanden habe, hat ergesagt: Ja, da in der Unterabteilung T2 hat es ge-klemmt. - Wie wird das vonseiten des Kanzler-amtsministers bewertet?

Zeuge Peter Altmaier: Ganz einfach: Zunächstmuss man unterscheiden zwischen dem Kanzler-amt und dem BND. Nach allem, was ich weiß,haben das Kanzleramt und die zuständige Abtei-lung von der Existenz der Selektorenliste über-haupt erst im März 2015 erfahren. Und wenn sievorher davon nicht erfahren haben, konnten sieauch nicht stärker sensibilisieren und Druck ma-chen. Ich war dann, als ich mit meinen Mitarbei-tern in Pullach war - - habe ich dann den dorti-gen Mitarbeitern ausdrücklich auch diese Fragengestellt, die Sie dann ja auch hinterher im Unter-suchungsausschuss erneut gestellt haben, näm-lich die Frage: Haben Sie das hochgemeldet? Unddie Antwort war Nein. - Nun bin ich weder einUntersuchungsausschuss noch ein Gericht, undich kann deshalb mir nicht anmaßen, zu ent-scheiden, ob diese Aussagen korrekt waren odernicht, und wenn sie korrekt waren, warum manes nicht getan hat. Das alles kann ich Ihnen nichtbeantworten. Sie haben ja die Zeugen selber ver-nommen. Für mich war es nur klar: In dem Au-genblick, wo ich davon erfahren habe durch denAnruf von Herrn Fritsche, war für mich klar, dassich als politisch Verantwortlicher handeln muss.Und ich glaube, dass ich das auch in einem er-wartbaren Umfange getan habe.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wo lag dennjetzt der Hauptverstoß bei den Selektoren? Warenes die xy - wie viele es auch immer waren - EU-Ziele, Botschaften oder was weiß ich, was auchimmer? Oder war es - so wie es mein Eindruckist - nicht eher, dass man die Pflege dieser Selek-toren, die Zuordenbarkeit, die Aktualität nichthinbekommen hatte?

Zeuge Peter Altmaier: Wir haben ja in der Presse-erklärung, die wir damals veröffentlicht haben,gesagt: Es gibt inhaltliche und organisatorischeDefizite. So. Und zu den organisatorischen Defi-ziten gehört beispielsweise die Frage: Wie ist derUmgang mit Selektoren so organisiert, dass manzu jedem Zeitpunkt weiß, was man steuert, unddass man nichts steuert, was man nicht steuernsoll, und dass die Listen so gepflegt und geführtsind, dass man auch zu jedem Zeitpunkt wissenkann, was wann gesteuert wurde und von wemund mit welcher Begründung. Das alles fällt un-ter die Rubrik „Organisatorisches“.

Das Zweite ist die Rubrik „Inhaltliches“. Und un-ter inhaltlich gehört für mich selbstverständlich,dass vor dem Einsteuern von Selektoren - seienes eigene oder fremde - immer überprüft werdenmuss, ob das mit der politischen Vorgabe durchdie Bundesregierung und das Bundeskanzler-amt - - ob das davon gedeckt ist, ob es auch ge-deckt ist vom Geltungsbereich internationalerAbmachungen, die man getroffen hat. Das ist einegenuin politisch-inhaltliche Aufgabe, und auchdort hat es offenbar Defizite gegeben. Deshalbhabe ich sie in dieser Presseerklärung benannt,weil mir völlig klar war, dass die Debatte sich umgenau diese beiden Fragen drehen würde. Undwir haben dann in der Folge auch einiges getan,um so zu sensibilisieren und auch so zu organi-sieren, dass es in der Zukunft möglichst nichtmehr vorkommt.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Also im BNDgab es die augenscheinlich. Und das mit der kon-tinuierlichen, gewissenhaften Kontrolle mit ho-her Effizienz, da wäre ich persönlich mir jetztnoch nicht so sicher in der ganzen Zeit; sonst wä-ren nicht so viele Selektoren drin gewesen, dieman, glaube ich, erst bei der Kontrolle im Juli2013 und dann fortlaufend gefunden hatte. Hätte

Page 100: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 100 von 193

man da nicht geschubst - dann hinterher auchvom Kanzleramt -, wäre, glaube ich, doch einigeseinfach weiter im Topf der Selektoren drin gewe-sen. Man kann dann ja punktuell auch entschei-den, ob man es drinhaben will. Da habe ich nochnicht mal ein Problem mit, wenn man sagt: Be-stimmte Ziele wollen wir aus Gründen steuern. -Aber ich muss es schon wissen, was im Topf drinist. Und wenn man dann irgendwann gar nichtmehr weiß, welche Telekommunikationsmerk-male man irgendwann mal reingetan hat und wassie jetzt bedeuten, ist das kritisch.

Bei den Handynummern, E-Mail-Adressen undvergleichbar leicht zu identifizierbaren Telekom-munikationsmerkmalen kann ich das noch nach-vollziehen. Nun können Selektoren ja auch ganzandere Telekommunikationsmerkmale sein oderdie Kombination von weichen oder harten Tele-kommunikationsmerkmalen. Wie gewährleistetman denn da, dass man a) die G-10- relevantenherausfiltert oder aber auch nun weiß, wer sichdenn hinter so einem Suchbegriff verbirgt? Dasmacht mir so ein bisschen Sorgen, weil ichkönnte mir vorstellen, dass man doch jetzt erheb-lich Know-how, aber auch Personal dransetztensollte, um diesen Topf von Selektoren einmal aufden aktuellen Stand zu bringen.

Ich habe eben bei Staatssekretär Fritsche gesagt:Das wäre doch mal ein Asset eines deutschenDienstes, nicht, wie ich es bei den Amerikanernsehe, alles in den Topf zu schaufeln - sei‘s drum,was drin ist; wenn ein Treffer erfolgt, kann ichimmer noch gucken, ob es noch relevant und not-wendig ist -, sondern dass man hier punktgenausagt: Unsere Selektoren, da wissen wir auch, wasdahintersteckt. Nur, das, könnte ich mir vorstel-len, erfordert deutlich mehr Personal und Auf-wand.

Zeuge Peter Altmaier: Nein, wir haben, glaubeich, seit März 2015 wirklich gute Fortschritte er-reicht in diesem Prozess. Ich bin allerdings auchüberzeugt, dass er noch nicht abgeschlossen ist.Und deshalb ist es Aufgabe des BND, weiterhindafür - - Es gab ja auch eine Organisationsunter-suchung in der zuständigen Abteilung - das wis-sen Sie -, die ist inzwischen abgeschlossen. Eswerden weiterhin Konsequenzen gezogen und

die richtigen Entscheidungen getroffen. Und ichweiß, dass in der Vergangenheit sehr viele Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter gebunden waren da-mit, auch die umfänglichen Unterlagen für denUntersuchungsausschuss zusammenzustellen.Das ist ja, glaube ich, inzwischen auch alles erle-digt und getan. Und vielleicht wird es möglichsein, das Personal dort so zu verstärken, wie esangemessen ist. Ich gehe davon aus, dass dasauch geschieht und dass von den Mitarbeiternmeiner Abteilung 6 auch dafür Sorge getragenwird, dass das nicht nur im Dienst intern ge-schieht, sondern dass immer wieder auch an dasKanzleramt berichtet wird. Nachdem wir diesenMissstand erkannt haben, haben wir eine Verant-wortung dafür, ihn abzustellen. Und ich bin sehrzuversichtlich, dass uns das gelingt.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wie vollziehtman das denn im Rahmen der Abteilung 6 nach?Wenn jetzt der technische Fortschritt im BND imBereich SIGINT so wunderbar mithilfe der Part-ner sich weiterentwickelt, man nicht nur Tools,Software und Gerätschaften nutzt, sondern auchneue Verfahren, da muss man doch im Wege derDienst- und Fachaufsicht auch im Kanzleramtdas widerspiegeln, damit ich dementsprechendden BND mit seinen neu erworbenen Kompeten-zen auch adäquat kontrollieren kann. Wird dasjetzt nachgezogen?

Zeuge Peter Altmaier: Das Kanzleramt steht javor der spannenden Aufgabe, nicht nur beimBND, sondern für alle Bereiche des Regierungs-handelns nachzuhalten und nachzuziehen, wasfür die gesamtstaatliche Ebene und für die Ebenedes Kanzleramtes von Bedeutung und wichtig ist.Da haben wir eine gewisse Erfahrung schon inden letzten 60 Jahren aufgebaut. Und ich fühlemich von meinen Mitarbeitern, die ja zum Teilschon ausgesagt haben, in dieser Frage ausrei-chend unterstützt. Ich habe immer die Paroleausgegeben - und es gilt im Übrigen auch für an-dere Bereiche: im Zuständigkeitsbereich des Bun-desinnenministeriums, im Zuständigkeitsbereichdes Bundesverteidigungsministeriums -, dass ge-nügend Personal vorhanden sein muss, um dieseAufgaben zu stemmen.

Page 101: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 101 von 193

Ich will Ihnen aber auch sagen, dass es nicht Auf-gabe des Kanzleramtes sein kann, für jeden BND-Mitarbeiter einen Spiegelmitarbeiter im Kanzler-amt zu beschäftigen. Wir sind eine überschaubareBehörde mit rund 600 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeitern, und ich glaube, dass das die Vorausset-zung dafür ist, dass zum Beispiel auch ein Kanz-leramtsminister das Kanzleramt effektiv steuernkann. Und deshalb hat die Abteilung 6 in derVergangenheit zusätzliches Personal bekommen;das ist richtig. Das hat auch damit zu tun, dassHerr Fritsche in die Abteilung 6 gekommen ist.Ich habe das in meinem Eingangsstatement nichtausdrücklich wiederholt; aber das war eine Ent-scheidung, die die Bundeskanzlerin schon vormeiner Ankunft im Kanzleramt getroffen hatte,die sich als sehr segensreich erwiesen hat, weilnämlich sozusagen für die Koordinierung derNachrichtendienste, aber auch für die Bewälti-gung all der Aufgaben, denen wir uns gegenüber-sehen, neben dem Chef des Kanzleramtes, dersich in keiner Weise aus seiner Verantwortungzurückzieht, aber der darauf angewiesen ist, dasser Mitarbeiter und Helfer hat, die ihn dabei un-terstützen - - Und das haben wir durch dieseOrganisationsentscheidung sichergestellt. DasKanzleramt ist heute in einer guten personellenund organisatorischen Verfassung, um seine Kon-trollaufgaben wahrzunehmen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. - Ichmöchte einen letzten Themenbereich anschnei-den, das ist das Thema „Drohnen und Ramstein“.Das Thema „Drohen und Ramstein“ kommt beiuns im Untersuchungsausschuss immer in demFahrwasser daher, dass der Eindruck erwecktwird, aus Ramstein werden Drohnen gesteuert,gar gestartet, war mal die Vermutung, um - -

(Dr. Konstantin von Notz(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-

NEN): Quatsch!)

- Es stand in der Zeitung. Ich sage ja nicht, dasses so ist. Ich glaube, ich bin der Letzte, der sagt,dass es so ist; aber wenn Bryant das schon nichtgesagt hat - - Und von daher stelle ich mir dieFrage: Was weiß man im Kanzleramt überRamstein, was von dort gesteuert wird oder überRamstein gesteuert wird?

Zeuge Peter Altmaier: Wir wissen das, was Sieauch wissen, weil wir haben Ihnen die Doku-mente vorgelegt.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Darüberhinaus. Mehr als eine Relaisstation sieht man inRamstein nicht, oder doch?

Zeuge Peter Altmaier: Ich habe die Dokumente,die Sie kennen, selbst auch gelesen. Ich habe daszum Anlass genommen, in einer Rücksprache mitmeinen Mitarbeitern auch noch mal Fragen zustellen und zu formulieren, und zwar Fragen so-wohl rechtlicher Natur wie auch technischer Na-tur. Ich bin ja leider nur Jurist und kein Ingeni-eur. Dann hat man es vielleicht etwas schwerermit der Einschätzung bestimmter Dinge; aber ichkann nicht erkennen, dass in Ramstein Dinge ge-schehen, die nicht vereinbar wären mit den ver-traglichen Grundlagen, die für die Stationierungder amerikanischen Streitkräfte dort maßgeblichsind. Und ich kann auch nicht beurteilen, ob - -In der Presse stand ja was von diesen techni-schen Einrichtungen und Koordinierungen undwas auch immer. Ich kann nicht entscheidensozusagen, wie das technisch funktioniert, weilich es mir technisch nicht angeschaut habe; aberich bin fest davon überzeugt, dass die zuständi-gen Ministerien in der Bundesregierung, die fürdiese Fragen zuständig sind, sich das immer wie-der anschauen. Und wenn es Grund gegebenhätte, einzugreifen und einzuschreiten, dannwäre ich von den betreffenden Kollegen ganz si-cherlich darauf auch angesprochen worden.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wir hatten jaeinen Amerikaner hier, der zwar kein Drohnen-pilot war, weil er nie eine Drohne geflogen ist,aber die Sensorik bedient hat

(Hans-Christian Ströbele(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das nennt man Pi-

lot!)

bei vielen Hunderten von Drohnenflügen, deruns gesagt hat, dass Ramstein als eine Relais-station genutzt wird, weil - ich erkläre mir dasjetzt relativ einfach, weil ich auch kein Ingenieur

Page 102: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 102 von 193

bin und keiner, der sich mit den Dingen aus-kennt - die Erdkrümmung eben so ist, dass manirgendwo dazwischen etwas braucht, damit Sig-nale übertragen werden können. Da ist Ramsteineine von. Wenn das der einzige Punkt ist, dannstellt sich doch eigentlich die Frage, ob das, wasdann über Ramstein als Relaisstation stattfindet,rechtmäßig ist - das ist die völkerrechtlicheFrage -, aber auch nicht, ob Ramstein an sich - -ob da Drohnen starten, Drohnen gesteuert wer-den, weil auch Brandon Bryant sagte in seinerVernehmung, er wisse nicht, dass aus RamsteinDrohnen gesteuert werden;

(Hans-Christian Ströbele(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Über Ramstein!)

das sei ihm unbekannt. Deswegen frage ich dieBundesregierung, ob die Bundesregierung Er-kenntnisse in diese Richtung hat.

Zeuge Peter Altmaier: Nein. Über die übermittel-ten Unterlagen hinaus haben wir keine Erkennt-nisse, also ich jedenfalls nicht.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ich habe jetzterst mal keine weiteren Fragen mehr. - Wir kom-men zu den Fragerunden. Und da beginnt in derersten Fragerunde die Fraktion Die Linke mitFrau Kollegin Renner.

Martina Renner (DIE LINKE): Herzlich willkom-men auch von mir, Herr Altmaier. - Sie haben jageschildert, dass Sie sich auch ausführlich mitunseren Beweisbeschlüssen und der Aktenvor-lage beschäftigt haben. Und was uns interessiert,ist, warum die Beweismaterialien zur Selektoren-prüfung erst nach dem expliziten Beweisbe-schluss BND-26 zur Verfügung gestellt wurdenund nicht schon früher, zum Beispiel im Zusam-menhang mit den Beweisbeschlüssen zu„Eikonal“ oder anderen, also nicht zum Beispielschon im Sommer 2014? Gab es dafür einen ex-pliziten Grund?

Zeuge Peter Altmaier: Wenn ich die Selektoren-liste im Sommer 2014 gekannt hätten, hätte ichsie Ihnen zur Verfügung gestellt. Also nicht die

Liste, sondern die Informationen, die sich daraufbeziehen.

Martina Renner (DIE LINKE): Na ja, aber die Prü-fung in 2013 hat ja dann schon stattgefunden zuden NSA-Selektoren.

Zeuge Peter Altmaier: Ja, Moment, passen Sie - -Bitte?

Martina Renner (DIE LINKE): Zu den NSA-Se-lektoren. Und die ganzen Prüfvorgänge, das warja alles schon gelaufen.

Zeuge Peter Altmaier: Ja, im Jahre 2013; aber daswussten wir nicht im Kanzleramt.

Martina Renner (DIE LINKE): Deswegen konnteman uns die Sachen auch nicht zur Verfügungstellen.

Zeuge Peter Altmaier: Wir konnten jedenfallsnicht dafür sorgen. Und welche - - Stellen Siesich - -

Martina Renner (DIE LINKE): Warum ist dann -ich möchte das wirklich erklärt bekommen - erstauf Grundlage des Beweisbeschlusses BND-26 ir-gendwo der Groschen gefallen im BND, dass mandiese Sachen hat und uns zur Verfügung stellenmüsste?

Zeuge Peter Altmaier: Das müssen Sie den BNDfragen. Es ist doch so, dass wir die Beweis-beschlüsse bekommen, und dann stellt jede Ein-heit in der Bundesregierung - also die Abtei-lung 6 zum Beispiel, die Abteilung 2, aber auchder BND - in eigener Regie die Dokumente zu-sammen, die zu den jeweiligen Beweisbeschlüs-sen gehören, und sie geben auch Vollständig-keitserklärungen ab. So. Und ganz offenbar warman damals der Auffassung, dass die Vorlagedieser Liste nicht erforderlich war. Und ganzoffenbar hat man diese Meinung im BND in derzuständigen Fachabteilung geändert, nachdemSie einen neuen Beschluss gefasst hatten; aberdie Gründe, die dazu geführt haben, die müssenSie - - die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mit-

Page 103: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 103 von 193

arbeiter erfragen, die diese Entscheidungen tref-fen mussten. Ich war daran nicht beteiligt undkann es aus der Distanz auch nicht beurteilen.

Martina Renner (DIE LINKE): Das würde ja be-deuten, dass wir bis heute davon ausgehen müs-sen, dass teilweise unsere Beweisbeschlüsse - -

Zeuge Peter Altmaier: Was „dass“?

Martina Renner (DIE LINKE): Dass teilweise un-sere Beweisbeschlüsse nicht ordentlich erfülltsind, weil der BND bis heute noch nicht gemerkthat - wie jetzt bei BND-26 -, was wir daruntermeinen könnten.

Zeuge Peter Altmaier: Frau Renner, das könnenSie jedenfalls aus meinen Aussagen nicht ablei-ten. Ich gehe davon aus, dass wir Ihre Beweisbe-schlüsse alle, so wie sie getroffen wurden, auchumgesetzt haben. Ich biete gerne an, dass meineMitarbeiter Ihnen da noch einmal vielleichtschriftlich nachreichen und mit dem BND be-sprechen, warum man der Auffassung war, dassdie Vorlage der Liste bis zu dem Zeitpunkt, woSie den neuen Beweisbeschluss gefasst hatten,nicht erforderlich war. Aber ich kann es hiernicht selber ausführen, weil ich michsozusagen - - Ich habe zwar die Akten gelesen,die vorgelegt wurden; aber ich konnte natürlichnicht alle anderen Akten lesen, die nichtvorgelegt wurden, um zu entscheiden, ob sierelevant sind.

Martina Renner (DIE LINKE): Das ist auch unserProblem.

Zeuge Peter Altmaier: Ja.

Martina Renner (DIE LINKE): Ich würde gernenoch mal zu der Weisung von Herrn Pofalla bzw.Herrn Schindler nachfragen aus Oktober 2013.Sie nannten es „bestimmte Dinge nicht zu tun“.Das ist mir etwas unbestimmt. Könnten Sie nochmal genau sagen: Wann sind Sie von wem zuwelchem Inhalt in Bezug auf diese Weisungen in-formiert worden?

Zeuge Peter Altmaier: Noch einmal: Ich habe re-lativ kurz nach meinem Amtsantritt - - Im Früh-sommer 2014 bin ich mit dieser Frage konfron-tiert worden, weil es Unterlagen gegeben hat, dieuns bekannt geworden sind im Rahmen auch vonstaatsanwaltschaftlichen Ermittlungen im Falldes Spions Marcel R. [sic!]. Und aus diesen Un-terlagen ging hervor, dass Telefonate befreunde-ter Politiker, wenn ich das mal so in Anführungs-zeichen sagen darf, abgehört worden sind. Ichhabe darüber übrigens dann das PKGr unterrich-tet. Es war Sommerpause. Ich habe die alle ange-rufen, die Obleute aller Fraktionen - auch Ihrer -,habe sie unterrichtet. Es stand dann auch irgend-wann in der Zeitung. Deshalb kann ich darüberin öffentlicher Sitzung jetzt auch reden. Und indem Zusammenhang - -

(MR Philipp Wolff (BK)meldet sich zu Wort -

Dr. Konstantin von Notz(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Schauen Sie mal,

Herr Wolff!)

Martina Renner (DIE LINKE): Da mussten wir solange drauf warten, Herr Wolff.

Zeuge Peter Altmaier: Bitte?

(Dr. Konstantin von Notz(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Sie lösen positiveine Diskussion, die wir

seit drei Jahren führen, auf!Und da sind wir sehr dank-

bar! - Christian Flisek(SPD): Wir hätten Sie schonfrüher vernehmen sollen! -

Hans-Christian Ströbele(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ich zitiere jetzt im-

mer Herrn Altmaier!)

MR Philipp Wolff (BK): Ich glaube, was Herr Alt-maier bisher gesagt hat, ist durchaus noch imRahmen dessen, was man in öffentlicher Sitzungsagen kann. Ich enthalte mich jetzt eines Kom-mentares zur Frage, ob alles, was in der Zeitungist, in öffentlicher Sitzung bestätigt werden kann.Aber das hat Herr Altmaier auch, glaube ich,nicht gesagt.

Page 104: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 104 von 193

Zeuge Peter Altmaier: Nein, habe ich nicht ge-sagt.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Da würde ichdann noch Einspruch nehmen, weil es nochlange nicht bedeutet, dass, wenn etwas in derZeitung steht, man dann aus eingestuften Sitzun-gen die Dinge nacherzählen darf, weil natürlichein Zeuge, der - -

Zeuge Peter Altmaier: Ja, das ist richtig. So, abernoch mal - -

Martina Renner (DIE LINKE): Darf ich eine kurzeNachfrage stellen, weil Sie jetzt tatsächlich einenAspekt benennen, den wir immer nachgefragt ha-ben, aber uns nicht bestätigt wurde - und die Ak-ten geben das auch nicht her -: dass es im Zusam-menhang mit Markus R. Gegenstände gab, dieauch unseren Untersuchungsauftrag betrafen undeben auch bestimmte Schlussfolgerungen imBND und auch im Bundeskanzleramt ausgelösthaben. Das haben wir an verschiedenen Stellen,auch in Beratungssitzungen, hinterfragt - HerrWolff, Sie können nicken, ja -, haben Beweisan-träge zugestellt, und das ist uns in der Form nichtmitgeteilt worden. Es wurde immer gesagt - - Unddeswegen ist das tatsächlich etwas Neues, wasSie sagen.

Zeuge Peter Altmaier: Nein, nein, Frau Renner. -Darf ich mal fragen: War die Arbeit des BND miteigenen Selektoren und seine eigene Arbeituntersuchungsgegenständlich? Nein, das war sienicht. Es ging um die Five Eyes; darum ging es.Und deshalb habe ich damals, als das mir be-kannt wurde, soweit ich weiß, auch nicht die Ob-leute in Ihrem Ausschuss angerufen, sondern ichhabe die Obleute im PKGr informiert. Und überdie Inhalte sage ich deshalb auch an dieser Stellehier nichts und schon gar nicht in offener Sit-zung. Aber in dem Zusammenhang ist mir klargeworden, dass es ein Problem gibt. So. Und da-rüber habe ich dann mit Herrn Schindler gespro-chen, mehrfach - ich habe das in meiner Einlei-tung gesagt -, zweimal insgesamt, und ich habeHerrn Schindler befragt, ob es über das hinaus,was seinerzeit von Herrn Pofalla angeordnet wor-den ist, noch weitere problematische Fälle gibt.

Das, was Herr Pofalla im Oktober 2013 angeord-net hat - da ging es um Botschaften; das hat erauch so vor Ihrem Ausschuss gesagt, wenn ichdas bei netzpolitik.org richtig nachgelesen habe -,das war mein Kenntnisstand zu diesem Zeit-punkt meines Gesprächs mit Herrn Schindler. Ichhabe dann, als ich in Pullach war, noch mal aus-drücklich gefragt, wie das denn so ist mit diesenBotschaften. Und da ist mir gesagt worden: Na ja,es gibt zum Beispiel die Situation, dass eine be-freundete Botschaft des Landes A, die sich imLand B befindet, besonders gute Erkenntnisse hatzu krisenhaften Entwicklungen in der Regionund Ähnliches, und dafür interessieren wir uns. -Und da habe ich gesagt: Meine Güte, dann könnteauch mal der deutsche Botschafter seinen Kolle-gen anrufen und fragen, ob er die Berichte nichtgleich kriegen kann.

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Richtig!)

So. An der Stelle war ich immer Freund einerklaren Aussprache. Aber ich hatte im Übrigen,als mir damals gesagt worden ist, dass Pofalla imOktober 2013 so eine Anweisung erlassen hat,auch gar keinen Grund, erst mal weiter nachzu-fragen, weil ich davon ausging: Es waren einzel-nen Fälle, und sie waren abgestellt. Das Licht imKeller war schon wieder ausgemacht; das branntenicht mehr. Das war mein Eindruck, bis ich dannleider erfahren musste im März 2015, dass es dieSelektoren gab und noch viele andere Dinge, alsodie NSA-Selektoren und noch andere Selektoren,die nicht dem entsprachen, was wir politischvom BND erwarteten.

Martina Renner (DIE LINKE): Als Sie sich daserste Mal mit dieser Problematik „Informationenvon Botschaften“ befasst haben, war Ihnen denndann gewahr, dass es um SIGINT geht, oder sindSie davon ausgegangen, das geht um menschlicheQuellen?

Zeuge Peter Altmaier: Nein, ich ging davon aus,dass es um SIGINT geht. Ist mir aber, glaube ich,nicht ausdrücklich gesagt worden.

Martina Renner (DIE LINKE): Ja, okay.

Page 105: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 105 von 193

Zeuge Peter Altmaier: Aber in meiner Erinnerunghabe ich mich in all diesen Zusammenhängenvor allen Dingen mit SIGINT beschäftigt.

Martina Renner (DIE LINKE): Und wenn man abeinem bestimmten Moment ausschließen will,dass diese Botschaften gesteuert werden - so wirdes ja dann in der Weisung formuliert gewesensein - - Hatten Sie eine Vorstellung, wie so eineSteuerung aussieht?

Zeuge Peter Altmaier: Wenn Sie nach der Tech-nik fragen: Nein. Diese Begriffe „Steuerung“ und„Selektor“ haben vor dem März 2015 weder inden Vorlagen, die für mich gefertigt wurden,noch in den Gesprächen, die ich geführt habe,eine Rolle gespielt.

Martina Renner (DIE LINKE): Aber man mussdoch irgendwie mitgeteilt haben - -

Zeuge Peter Altmaier: Wenn Sie mal auch dieganzen Presseveröffentlichungen zu Snowdenusw. sich anschauen und die Diskussion über dasKanzlerinnenhandy usw., dann ist immer dieRede gewesen von Abhören; das deutet sehr starkauf SIGINT hin. Aber es ist nie etwas gesagt wor-den zum Modus Operandi.

Martina Renner (DIE LINKE): Doch! Es gibt eineFolie von Snowden, -

Zeuge Peter Altmaier: Jedenfalls das Wort Steue-rung - -

Martina Renner (DIE LINKE): - da werden die Se-lektorentypen genau beschrieben und Ähnliches.Und da finden wir auch das Gros der Selektorenwieder, die auch sowohl bei NSA wie bei BNDeingesetzt werden. Also, das findet sich allesschon in den Snowden-Dokumenten.

Zeuge Peter Altmaier: Mir persönlich ist dasWort „Selektor“ zum ersten Mal aufgefallen undauch bei mir hängen geblieben im Zusammen-hang mit der NSA-Selektorenliste.

Martina Renner (DIE LINKE): Gut. Aber dannwürde ich gerne wissen -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das müsstedie letzte Frage sein.

Martina Renner (DIE LINKE): - genau -, als Sievon dieser Weisung hinsichtlich SIGINT-Maß-nahmen bei Botschaften erfahren haben: Was istIhnen erzählt worden oder erklärt worden, wiediese Botschaften abgehört werden?

Zeuge Peter Altmaier: Also - ich bitte herzlichum Verständnis -, ich ging davon aus, dass essich um SIGINT handelt; und wie das im Einzel-nen technisch geht, das hat mich nicht interes-siert.

Martina Renner (DIE LINKE): Okay.

Zeuge Peter Altmaier: Und, ich glaube, dasmusste mich auch nicht interessieren, weil dasSache der zuständigen Experten ist. Es gibt ja,wie Sie wissen, ganz unterschiedliche Möglich-keiten, Kommunikation zu erfassen und abzuhö-ren. In Saarbrücken gibt es ein Institut an derUniversität von Herrn Professor Backes, und diehaben beispielsweise herausbekommen, dassman Gespräche auch abhören kann, indem manSchwingungen auf Fensterscheiben nachvollziehtund Ähnliches. Da gibt es Tausend Möglichkei-ten; und ich habe mich damit aber nicht vertieftbeschäftigt, weil das nicht meine Aufgabe war.

Martina Renner (DIE LINKE): Okay. - Danke.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: HerzlichenDank. - Wir kommen zur nächsten Fraktion derersten Runde. Das ist die Fraktion der SPD. HerrKollege Flisek.

Christian Flisek (SPD): Danke, Herr Vorsitzen-der. - Herr Altmaier, auch von unserer Seite:Guten Abend! Sie hatten vorhin in Ihrem Ein-gangsstatement, auf das ich zunächst einmalzurückkommen möchte, gesagt, dass Sie bei derÜbergabe der Position „Chef Bundeskanzleramt“von Herrn Pofalla ein Übergabegespräch hatten,wo es um allgemeine Abläufe gegangen ist inner-halb des Kanzleramtes, weniger über Einzelhei-ten gesprochen wurde. Noch mal kurz nach-gefragt: Das Thema, was wir hier behandeln, hat

Page 106: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 106 von 193

bei diesem Gespräch überhaupt keine Rollegespielt? Mit keinem Wort?

Zeuge Peter Altmaier: Nein, hat keine Rolle ge-spielt. Weil wir über inhaltliche Dossiers garnicht gesprochen hatten, sondern es ging um dieFragen: Wann finden die Abteilungsleiterrundenstatt? Wann wird die Kabinettssitzung vorberei-tet? Wie ist die Staatssekretärsrunde? Das warenja alles Dinge, die neu für mich waren; aber ichbin ja schon lange genug in dem Betrieb, dass ichdas auch erfassen konnte. Aber über die Fragedes Umgangs mit erneuerbaren Energien oder mitdem BND oder außenpolitische Fragen zum Eurohaben wir kein Wort gesprochen.

Christian Flisek (SPD): Habe ich verstanden. -Sie haben dann gesagt, Sie haben Fachgesprächemit den Abteilungsleitern geführt. Ich gehe da-von aus, dann auch mit dem Abteilungsleiter 6,mit Herrn Heiß. Ist bei diesem Gespräch dannüber - - Sind da Dinge angesprochen worden, dieunseren Untersuchungsgegenstand betreffen?

Zeuge Peter Altmaier: Ja, da sind Sie angespro-chen worden. Nicht in persona, sondern, dass zuerwarten ist, dass ein solcher Untersuchungsaus-schuss eingesetzt wird. Zu diesem Zeitpunkthing das in der Luft und war, glaube ich, auchbekannt, vermutlich auch schon presseöffentlichangekündigt. Ich wusste ja, weil ich als Staats-sekretär im Bundesinnenministerium im Jahre2005 auch an dem damaligen BND-Unter-suchungsausschuss beteiligt war - da ging es umden Irakkrieg, wie Sie wissen -, dass solcheUntersuchungsausschüsse einer umfänglichenVorbereitung durch die Exekutive bedingen, weildie Unterlagen aufbereitet werden müssen, weiles Ressortabstimmungen geben muss über dieFrage, welches Ressort was vorlegt, über dieFrage, was geschwärzt wird und aus welchenGründen. Das alles musste organisiert werden.Darüber haben wir gesprochen; aber nicht überdie inhaltlichen Aspekte, die Sie interessieren,und schon gar nicht über die Selektorenliste,weil wir die nicht kannten.

Christian Flisek (SPD): Auch gar nicht über dieProblematik, die im Oktober 2013 aufgeschlagenwar mit der Weisung von Herrn Pofalla?

Zeuge Peter Altmaier: Nein.

Christian Flisek (SPD): Wir haben eine etwas,sage ich mal, nicht zufriedenstellende Situationaufgrund der Aussage von Herrn Pofalla, der ge-sagt hat, er hat nach den Weisungen, die er jamündlich erteilt hat, die erst danach verschrift-licht worden sind, einen Bericht angefordert, wasja, sage ich mal, ein klassisches Instrument auchder Fachaufsicht ist - Fach- und Rechtsaufsicht -,dass man sagt: Neben einer Weisung fordere ichdann auch mal einen Bericht an, ob das, was ichangewiesen habe, im Zweifel auch zufriedenstel-lend umgesetzt worden ist. - Herr Pofalla hat dashier gesagt. Dieser Bericht findet sich nicht in un-seren Unterlagen. Ich gehe davon aus, dass dasvollständig alles vorgelegt worden ist, und inso-fern haben wir natürlich eine Problematik. HerrHeiß kennt so etwas auch nicht aufgrund seinerAussage. Und jetzt würde ich Sie gerne fragen: IstIhnen mal bei dieser Gelegenheit in Gesprächenirgendwann einmal ein solcher Bericht oderüberhaupt die Idee, dass ein solcher Bericht an-gefertigt werden könnte, untergekommen?

Zeuge Peter Altmaier: Nein. Eindeutig nein. Ichkenne diesen Bericht nicht. Er ist mir auch nichtvorgelegt worden, zu keinem Zeitpunkt. Es magunbefriedigend sein, aber es geschehen auf demWeg vom Referenten zum Minister manchmalDinge zwischen Himmel und Erde, die man amEnde nur konstatieren kann. Im parallelen Unter-suchungsausschuss, im Abgasuntersuchungsaus-schuss, bin ich befragt worden zu meiner Rolleals Umweltminister. Damals hatte ich ein Ge-spräch gehabt mit einer Umweltorganisation undhabe gebeten dann, dass man dazu eine Minister-vorlage erstellt. Die ist dann auch irgendwann er-stellt worden; aber sie kam nie bis zum Minister,weil man dann irgendwann entschieden hat, dassder zuständige Mitarbeiter oder Referatsleiter dastelefonisch erledigt, und es ist dem Ministerdann nicht mehr vorgelegt worden. Das geschiehtvermutlich häufiger, als man glaubt, weil halteben immer auch sozusagen in dem jeweiligenReferat und in der jeweiligen Abteilung entschie-den werden muss: Was ist so wichtig, dass derMinister es persönlich sehen muss, oder nicht?

Page 107: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 107 von 193

Und der Punkt, warum dieser Bericht nicht er-stellt worden ist oder jedenfalls nicht vorgelegtworden ist - ich kenne ihn nämlich nicht -, denmüssen Sie besprechen mit den Zuständigen, diedamals beteiligt waren; aber ich habe das in derVorbereitung auf diese Sitzung heute durch netz-politik.org im Protokoll zum ersten Mal gesehen.

Christian Flisek (SPD): Ja, ich stimme da gernezu, dass manchmal da Dinge passieren können inso hierarchisch aufgebauten Organisationen, dassam Ende Dinge nicht nach oben dringen. Aberselbst wenn der Bericht erstellt worden wäre under nicht nach oben gegangen wäre, dann wäre erauch vorgelegt worden, weil es sind, wie gesagt,ja nicht nur uns die Dinge vorgelegt worden, dieIhnen vorgelegt worden sind, sondern bei uns istja sozusagen alles an Aktenbestand da, was ausdem Bundeskanzleramt in irgendeiner Weiseoder aus dem BND in diesem Kontext erstelltwurde. Also, hätte es einen solchen Bericht je-mals gegeben - unabhängig jetzt von Ihrer persön-lichen Kenntnisnahme -, dann würde er in denUnterlagen sein. Und das ist eben nicht der Fall.Und deswegen ist es halt im Prinzip die Frage, obdas am Ende eine Schutzbehauptung ist, ob niedieser Auftrag erteilt worden ist, weil ich mirpersönlich überhaupt nicht vorstellen kann - dassage ich Ihnen ganz offen -, wenn der Chef BK ei-nen Bericht anfordert, dass sich das alles inSchall und Rauch auflöst und überhaupt garkeine Konsequenzen hat. Weil ich habe so vielZutrauen in deutsche Ministerien und in deut-sche Beamte, dass, wenn sozusagen der Chef desBundeskanzleramtes - jetzt nicht Sie, sondern IhrVorgänger, Herr Pofalla - sagt: „Ich möchte zudem Thema einen Bericht“, der dann auchkommt, selbst wenn Herr Pofalla nicht mehr imAmt ist, sondern Sie dann im Amt sind, unddann irgendwann über Herrn Heiß oder HerrnFritsche das, wenn auch nicht vielleicht zuIhnen, aber zumindest ins Kanzleramt kommt.

Zeuge Peter Altmaier: Ja. - Erst mal: Ganz herzli-chen Dank auch im Namen aller meiner Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter für das große Vertrauen.Zweitens: Ich kenne diesen Vorgang nicht aus ei-genem Erleben, sondern ich habe das zur Kennt-nis genommen schriftlich durch Lesen, was ich

Ihnen eben berichtet habe. Und mehr kann ichdazu nicht sagen.

Christian Flisek (SPD): Die Frage, die sich unsstellt, Herr Altmaier, ist ja die - - Sie haben ja sel-ber dargestellt, dass Sie erst im März 2015 dannin diese Selektorenthematik tiefer eingestiegensind. Und wir haben eben sozusagen im Oktober2015 dieses Thema durchaus im Kanzleramt prä-sent, was zu Aufsichtsmaßnahmen führt; jeden-falls eine Weisung, vielleicht die Anforderung ei-nes Berichtes; wissen wir nicht. Und die Frage,die sich uns stellt, ist halt, wie man sich das vor-stellen muss im Innenleben eines solchen Kanz-leramtes, als Aufsichtsbehörde über Nachrichten-dienste, dass sozusagen ein solch langer Zeit-raum vergeht, wo man keinen Anlass sieht, jetztsozusagen an dieser Thematik dranzubleiben,nachzufassen. Ist das wirklich so, dass man nurreaktiv tätig wird, wenn sozusagen eine Meldungnach oben kommt? Wir haben das mal alsschwarzes Loch bezeichnet hier. Und die Fragewar: Wie kann das sein, dass sozusagen ein sol-cher Zeitraum vergeht, ohne dass an dieser The-matik weitergearbeitet wird, ohne dass mannachfasst: „Setzt ihr das wirklich richtig um?Was wird davon erfasst? Gibt es Probleme bei derUmsetzung?“?

Zeuge Peter Altmaier: Es gibt kein schwarzesLoch, jedenfalls keines, das mir begegnet ist. Wirhaben uns im gesamten Jahr 2014 intensivst mitIhrer Arbeit beschäftigt. Und wir haben uns imÜbrigen intensivst beschäftigt mit den Vorgän-gen, die sich aus den Akten ergeben haben. Ichhabe Ihnen ja gesagt: Es ist so im Kanzleramt -auch im Bereich der Abteilung 6 -, dass wir unsnatürlich ständig mit Dingen der Nachrichten-dienste beschäftigen. Wir haben dazu die ND-Lage jeden Dienstag und weitere Gremien. Es gibtdazu Rücksprachen von Herrn Fritsche undHerrn Heiß mit mir. Das bezieht sich auf Fragender Bekämpfung des Terrorismus, es bezieht sichauf Fragen unserer außenpolitischen Interessen.Das Thema der Nachrichtendienste ist ein inte-graler Bestandteil der Arbeit des Kanzleramtes.

Was nun die Aufarbeitung angeht, habe ich ja ge-sagt, dass für mich, nachdem klar war, es kommtein Untersuchungsausschuss, klar war, dass Sie

Page 108: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 108 von 193

untersuchen und dass wir das nicht parallel ma-chen, zumal es sich um abgeschlossene Vorgängehandelte. Das hat aber nicht bedeutet, dass unsdas nicht interessiert hat, ganz im Gegenteil. Ichhabe dann zum Beispiel, wenn es bei den Ak-ten - - Da ging es ja um bestimmte Projekte; dasstand dann meistens auch hinterher in den Zei-tungen zu lesen. Einmal ist darüber geschriebenworden, was in Frankfurt so passiert ist. Dann istüber ein Projekt geschrieben worden, was wir an-geblich mit einem europäischen Partner, der voreiniger Zeit ein Referendum hatte, mal erörterthaben. Es gab also aus dem Aktenbestand, derIhnen vorgelegt worden ist, viele Dinge, die michnicht nur interessiert haben, sondern die dannauch zu Nachfragen geführt haben.

Ich habe das meistens besprochen mit den Mitar-beitern der Abteilung 6, und wir haben das aufge-klärt, und es hat mich dann schon auch interes-siert beispielsweise, ob solche Projekte nochNachwirkungen haben, ob sie fortgesetzt werden,was daraus geworden ist, warum sie eingestelltworden sind. Also, ich habe mich da nicht nurmit den Akten zufriedengegeben; aber wir habenkeinen parallelen Strang der Aufklärung ge-macht, weil das aus meiner Sicht mit dem Res-pekt vor dem Untersuchungsausschuss nicht soeinfach vereinbar gewesen wäre.

Und dann habe ich Ihnen ja gesagt, dass es erheb-liche Diskussionen und Gesprächsbedarf gegebenhat mit unseren amerikanischen Partnern, nichtim Hinblick auf Snowden, sondern im Hinblickauf das, was - angefangen vom Handy der Kanzle-rin über die Frage von Spionen und anderes - unsso umgetrieben hat. Und auch das ist geschehen.So. Und über das Thema Selektoren kann ich nurnoch mal sagen: Hätte ich das erfahren im De-zember 2013 oder im März 2014, ich hätte michso intensiv darum gekümmert, wie ich es getanhabe, als ich es im März 2015 erfahren habe. Undich habe keinen Anlass, daran zu zweifeln, dassauch meine Mitarbeiter im Kanzleramt - jeden-falls nehme ich das in Anspruch für Herrn Frit-sche, der ja sozusagen mit mir dort eingezogenist, und für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterin unserer Arbeitsgruppe Untersuchungsaus-schuss - - dass es auch für die vollkommen neuund überraschend war. Und das war ja auch der

Grund, warum wir dann so energisch gehandelthaben.

Christian Flisek (SPD): Jetzt haben Sie bei derAufzählung der Mitarbeiter, ob es Zufall war odernicht, die Abteilung 6 nicht genannt. Jetzt frageich etwas provozierend: Aus der Rückschau, wasSie heute wissen, seit März 2015, glauben Sieoder würden Sie sagen, die Abteilung 6 desKanzleramtes hat in diesem ganzen Zeitraumwirklich auch nachvollziehen können, wie ers-tens SIGINT heute funktioniert, welche Bedeu-tung Selektoren bei dieser Thematik haben undwelche politische Sensibilität dahintersteckt?

Zeuge Peter Altmaier: Erst mal ist man im Rück-blick immer schlauer als in der Vorschau. Das istnun mal so, das liegt in der Natur der Sache.Zweitens - das ist aber jetzt sozusagen das, wasich auch aus dem Studium der Akten entnom-men habe - ist es ja so, dass mit 9/11 auch die Ar-beit der Nachrichtendienste vor neuen Herausfor-derungen stand. 9/11 fiel ja zusammen - - Es warnicht nur ein terroristischer Anschlag, sonderndas war ja auch eine Zeit, wo durch die Digitali-sierung und die Weiterentwicklung von Spei-chermedien und anderen Dingen, neue Formennachrichtendienstlicher Tätigkeit im BereichSIGINT möglich geworden sind. Und das hatdann dazu geführt, dass meine Vorgänger imAmt, nämlich Herr Steinmeier, der Bundes-präsident, Herr de Maizière und Herr Pofalla,selbstverständlich in unterschiedlicher Art undWeise auch mit solchen Fragen befasst wordensind - das habe ich in den Unterlagen feststellenkönnen - und möglicherweise nicht mit allen Fra-gen. Das würde ich auch für mich nicht in An-spruch nehmen. Ich muss nicht die Details wis-sen von jeder G-20-Maßnahme [sic!], die geneh-migt wird. Das habe ich gewusst, als ich mitHerrn Ströbele im PKGr saß, und da hatten wirvorher den BND-Präsidenten Herrn Uhrlau. Derhat uns immer nur gesagt: Das muss jetzt so ge-macht werden. - Da haben wir zugestimmt, weilwir der Meinung waren: Wenn der BND das sagt,dann ist es so. - Also, das ist jetzt eine politischeWertung, kein Bericht aus einer eingestuften Sit-zung.

Page 109: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 109 von 193

Aber Herr Schindler hat beispielsweise dann sehrviel intensiver auch über die Einzelheiten derFälle informiert, und so, glaube ich, dass einestärkere Sensibilisierung stattgefunden hat. Unddie Vorgänge im Hinblick auf Snowden und NSAhaben natürlich zu einer weiteren Sensibilisie-rung geführt. Da sind dann auch Konsequenzengezogen worden, und auch das hängt damit zu-sammen, dass man nach diesem Vorgang klügerwar als zuvor. Und deshalb bedeutet das abernicht, dass die Art und Weise, wie die Arbeit da-vor gemacht worden ist, nicht adäquat gewesenwäre. Das kann ich auch nicht beurteilen. Dassind Schlussfolgerungen, die Sie treffen müssen.Ich bin jedenfalls überzeugt, dass die Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter in der Abteilung 6 ihreArbeit nach bestem Wissen und Gewissen erle-digt haben über all die Zeit. Und ich kann es fürdie Zeit, in der ich mit ihnen zusammenarbeite,auch aus eigenem Erleben ausdrücklich bestäti-gen. Das schließt nicht aus, dass, wie überall imLeben, mal irgendwo auch Fehler gemacht wer-den. Darüber kann man trefflich streiten; aber esist aus meiner Sicht so, dass die Kontrolle vonAnfang an vorhanden war, dass aber ihre Wirk-samkeit im Laufe der Zeit aufgrund der gewonne-nen Erkenntnisse größer geworden ist.

Christian Flisek (SPD): Gut. - Eine der Konse-quenzen war ja auch, dass dann Herr Schindlerentlassen wurde. Wann war klar, dass HerrSchindler nicht mehr zu halten ist?

Zeuge Peter Altmaier: Ich mache mir den Satz„nicht mehr zu halten“ ausdrücklich nicht zu ei-gen. Ich bin als Chef des Kanzleramtes nicht nurzuständig für die Aufklärung der Vergangenheitund nicht nur für das Tagesgeschäft, sondern alsverantwortlicher Politiker - das wird Ihnen allenauch so gehen - stellt man sich ja immer auch dieFrage: Was muss denn geschehen, damit auchjenseits unserer eigenen Amtszeit, die immervom Mandat des Wählers abhängig ist, dieSicherheitsbehörden in einer Verfassung sind,die die Erledigung ihrer Aufgaben ermöglicht?Und ich habe mir zunächst einmal das Zielgesetzt, die Vorwürfe, die geäußert worden sindim Zusammenhang mit den Selektoren, nicht nuranzuschauen, sondern so weit wie möglichaufzuklären. Wir haben in der Zwischenzeit aber

dann, jenseits der Arbeit dieses Ausschusses unddes PKGr, auch einige Maßnahmen getroffen, diedie Arbeitsfähigkeit des BND erhöhen sollen. Ichweiß nicht, ob das Thema S - I - T bei Ihnenschon diskutiert worden ist oder SIT, wie man esnennen möchte, was ja einen Umfang hat, der be-achtlich ist. Wir haben personelle Verstärkungenbeschlossen. Wir haben neue Herausforderungen,und ich wollte gerne, dass die Arbeits- und Funk-tionsfähigkeit des BND auch über einen längerenZeitraum hinweg gewährleistet ist.

Und aufgrund seines Lebensalters kann HerrKahl für die mittelfristige Ausrichtung des BNDfür Kontinuität sorgen. Ich habe Herrn Kahl ge-kannt aus unserer gemeinsamen Zeit - die immer-hin vier Jahre dauerte - im Bundesinnenministe-rium, wo er Leiter Leitungsstab war; ich war Par-lamentarischer Staatssekretär. Ich habe ihn ausdieser Zeit geschätzt. Und deshalb kam ich aufden Gedanken, Herrn Kahl dieses Amt zu über-tragen, weil ich auch der Auffassung war, dassdie zunehmende Vernetzung in Fragen der inne-ren Sicherheit, die wir ja auch in der Zusammen-arbeit der Dienste und der Sicherheitsbehördenwiederfinden - - dass er für diese Aufgabe derrichtige Mann ist. Ich habe mich sehr gefreut,dass er mein Angebot angenommen hat. Das istim Übrigen in einer Regierung für diejenigenPositionen, die man als sogenannte „politischePositionen“ versteht, gang und gäbe.

Ich kann mich erinnern, Herr Flisek, als wir dieGroße Koalition gebildet hatten, da habe ichganz, ganz viele Briefe bekommen von Ministern,die auch Ihrer Partei angehören, und Ministerin-nen natürlich, die mich gebeten haben, zum Bei-spiel beamtete Staatssekretäre, Abteilungsleiterin den Ruhestand zu versetzen, was nach demBeamtenrecht ohne Angabe von Gründen jeder-zeit möglich ist, weil das Vertrauen des Ministersentweder nicht mehr in ausreichendem Maßevorhanden ist oder wie auch immer. Und eine in-haltliche Begründung für solche Maßnahmenwird weder von Frau Nahles noch von FrauSchwesig noch von Herrn Maas verlangt. Siekann auch nicht verlangt werden von dem Chefdes Kanzleramtes oder von irgendeinem anderenMinister, weil die Konstruktion so ist, dass die

Page 110: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 110 von 193

übergroße Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter der Ministerien und der Geschäfts-bereichsbehörden eben nicht vom Vertrauen desMinisters abhängig sind, aber eine kleine Zahlvon Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehrwohl. Und deshalb habe ich diese Entscheidunggetroffen. Sie ist vom Bundeskabinett bestätigtworden. Ich habe Herrn Schindler ausdrücklichfür seine Arbeit gedankt. Ich kenne auch HerrnSchindler aus meiner Zeit im Bundesinnenminis-terium. Ich halte ihn für einen hochqualifiziertenund hochengagierten Beamten. Aber ich mussteeine Entscheidung darüber treffen, wie der BNDin den nächsten Jahren seine erfolgreiche Arbeitfortsetzen kann. Und diese Entscheidung habeich getroffen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Jetzt müsstenwir - -

Christian Flisek (SPD): Ich würde ganz gerne,wenn es erlaubt ist, nur eine Frage - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Na klar.

Christian Flisek (SPD): Dann kann ich den Kom-plex abschließen. - Das bedeutet - - Ich meine,wir haben ja hier doch einen sehr engen zeitli-chen Zusammenhang zu, ich sage mal, zumindestden Besuchsvorgängen in Pullach, andererseits,wie ich finde, eine recht ungewöhnliche öffentli-che Einlassung des Kanzleramtes, was die Kritikam BND betrifft, wo man von sehr klaren organi-satorischen Defiziten spricht. Das heißt, diesePersonalie hat nach dem, was Sie mir jetzt sagen,überhaupt nichts damit zu tun, sondern es isteinfach eine Personalie gewesen im Hinblick aufeine strategische Neuaufstellung des BND.

Zeuge Peter Altmaier: Ich habe Ihnen gesagt,dass über die Gründe für Neubesetzungen auf derEbene von Abteilungsleitern in Ministerien,Staatssekretären und bestimmten Geschäftsbe-reichsbehörden nicht öffentlich gesprochen unddiskutiert wird. Das ist eine Entscheidung desGesetzgebers, der hat sie so getroffen im Beam-tenrecht; das ist also das Parlament. Und solangediese Entscheidung Gültigkeit hat, werden Sievon mir nichts anderes erfahren als das, was ichIhnen gesagt habe.

Christian Flisek (SPD): Gut.

Zeuge Peter Altmaier: Ich komme noch mal zu-rück auf die besagte Presseerklärung, wo wir vonden organisatorischen und inhaltlichen Defizitengesprochen haben. Wissen Sie, mir ist das nichtleicht gefallen, weil ich mich immer auch vormeine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stelle.Aber nach dem, was im Zusammenhang mit derSelektorenliste bekannt geworden war - - Wennich Ihnen gesagt hätte, es gibt überhaupt gar kei-nen Grund, irgendetwas zu verändern, dann hät-ten Sie gesagt: Das Kanzleramt mauert und willnicht die notwendigen Konsequenzen ziehen. -Wenn man so etwas sagt, dann wird gesagt: „Hierhaben Sie, das Kanzleramt, den BND aber malstark kritisiert“, oder so. Für mich war immermaßgebend, dass ich angemessen mit den Dingenumgehe. Und das, was ich im Zusammenhangmit der Selektorenliste erfahren habe, war fürmich Anlass, diese Bewertung vorzunehmen,und ich glaube, ich kann sie auch belegen undkann sie in jeder Hinsicht rechtfertigen.

Christian Flisek (SPD): In der Sache sind wirdann, glaube ich, ganz bei Ihnen. - HerzlichenDank erst mal.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: HerzlichenDank. - Wir kommen zur nächsten Fraktion. Dasist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. UndHerr Kollege von Notz beginnt.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. Vielen Dank, Herr Vorsitzender. - GutenAbend, Herr Minister! Ich habe den letzten Punktnicht verstanden und frage deswegen jetzt nochmal nach. Also, wurde jetzt Herr Schindler we-gen der Selektorenliste entlassen oder nicht?

Zeuge Peter Altmaier: Ich habe ganz eindeutiggesagt, dass die einschlägige Vorschrift im Beam-tenrecht nicht verlangt, dass bei der Entlassungeines politischen Beamten Gründe angegebenwerden, -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Genau. Die verlangt es nicht.

Page 111: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 111 von 193

Zeuge Peter Altmaier: - und alle Minister, dieMinister der Grünen, der SPD, der CDU/CSU, dievor mir im Amt waren, haben von dieser Mög-lichkeit vielfältig Gebrauch gemacht.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Klar.

Zeuge Peter Altmaier: Und ich kann mich nichterinnern, dass dann ein Bulletin veröffentlichtwurde, wo drinstand, aus welchen Gründen derBetreffende nicht länger im Ministerium war.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ich habe nur acht Minuten, und das warnicht meine Frage, sondern: Hat es was mit derSelektorenliste zu tun oder nicht? Sie haben jetztin der Antwort vorher auf Herrn Flisek gesagt,dass man das nicht mitteilen muss oder dass dasnicht mitzuteilen ist; so haben Sie das gesagt.Aber wenn man Herrn Fromm entlässt wegen derVorfälle beim NSU, dann sagt man das sofort. Esist eine Kann-Regelung. Sie brauchen vor allenDingen im Innenverhältnis zu den BeamtenGründe nicht zu nennen. Das leuchtet mir ein.Aber ich frage Sie mal andersrum: Sie haben per-sonell aufgrund dieser Affäre trotz der Presse-erklärung, die Sie rausgegeben haben, gegen denBND keine personellen Konsequenzen gezogen?

Zeuge Peter Altmaier: Es hat sich personell eini-ges verändert, auch in der Abteilung TA, undzwar von der Spitze an. Und die Frage der perso-nellen Konsequenzen, da hat ja, wenn ich dasrichtig verfolgt habe heute Nachmittag - ich habedas jetzt nicht im O-Ton verfolgt - - aber in denPresseagenturen ist auch gesagt worden, dassHerr Fritsche beispielsweise gefragt worden ist,ob es disziplinarrechtliche Maßnahmen gegebenhat. Ich habe mich mit der Frage, ob man diszi-plinarrechtliche Maßnahmen ergreifen muss,sehr auseinandergesetzt. Aber dann kann ichIhnen sagen: Wenn der zuständige Abteilungs-leiter oder Unterabteilungsleiter sagt: „Mir wardas nicht bekannt“, dann ist das zunächst einmalvielleicht etwas, wo man sagt, das kann manschwer nachvollziehen; aber eine disziplinar-rechtliche Maßnahme trägt es nicht.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Dann hat es die nicht gegeben?

Zeuge Peter Altmaier: Bitte?

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Dann hat es die nicht gegeben?

Zeuge Peter Altmaier: Die hat es nicht gegeben.So ist es.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Also hat es keine personellen Konsequen-zen aus dieser - -

Zeuge Peter Altmaier: Nein. Aber es hat Verände-rungen gegeben -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, mag ja sein, aber - -

Zeuge Peter Altmaier: - an verschiedenen Stel-len, ja.

Und zur Frage des Präsidenten Schindler habeich Ihnen gesagt, dass es meine Zuständigkeit alssozusagen zuständiger Fachminister für den BNDist, darüber zu entscheiden, wie der BND geführtwird. Und diese Entscheidung haben wir getrof-fen. Und wir haben beim BND auch in regelmäßi-gen Abständen Vizepräsidentenstellen zu beset-zen, und auch dann teilen wir nicht mit, aus wel-chen Gründen jemand berufen wird oder verlän-gert wird oder nicht verlängert wird.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Gut. Aber es ist nicht nachweisbar, weilSie es nicht formulieren, dass das mit den Ver-fehlungen im BND zu tun hat.

Jetzt aber weitere Fragen - von den Abläufen habeich es nämlich noch nicht ganz verstanden -: Wiewar das eigentlich, als Sie im Dezember 2013 insBundeskanzleramt gekommen sind? Hat es eineÜbergabe mit Herrn Pofalla gegeben, und hat derIhnen gesagt: „Achtung, hier die Nachsorge derSnowden-Veröffentlichungen. Da muss man nochmal ein bisschen draufgucken“ und so. „Da lau-fen noch so ein paar Dinge. Da gibt es Probleme“?

Page 112: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 112 von 193

Hat man eine solche Übergabe, eine solche Be-sprechung gemacht?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das hat derZeuge eben detailliert ausgeführt. Ich weiß nicht,ob du da nicht da warst, oder - - Da ist detailliertdrauf eingegangen worden.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ich habe eine Nachfolge. Ich hätte gerneeine kurze Antwort darauf. Das ist sehr freund-lich, Herr Vorsitzender, aber - -

Zeuge Peter Altmaier: Ja, ich habe an demselbenTag, an dem die Kanzlerin mich gefragt hat, obich bereit bin, das Amt des Kanzleramtsministerszu übernehmen, Herrn Pofalla, der mir seit30 Jahren gut bekannt ist, unter anderem durch22-jährige gemeinsame Zugehörigkeit zum Deut-schen Bundestag, aufgesucht, und wir haben eineerste Runde gemacht über die Frage, wie dieArbeit des Kanzleramtsministers organisiert ist,worauf zu achten ist. Wir haben in der Folge - eswaren noch ein paar Tage Zeit - noch mehrfachgesprochen, wenn ich Nachfragen hatte. Es warauch klar, ich kann ihn jederzeit anrufen, wennich Fragen hätte zu irgendwelchen Dingen, diefür mich neu wären. Und als ich dann das Amtangetreten habe, gab es noch eine offizielle Über-gabe mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterndes Kanzleramtes und der Bundeskanzlerin. HerrPofalla hat sich verabschiedet, ich habe mich vor-gestellt. Und wir haben bei all diesen Gelegenhei-ten über politische Einzelfragen nicht gespro-chen.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Okay. - Und auch Herr Fritsche - im Hin-blick auf seinen Wechsel ins Bundeskanzleramt -war nicht Teil dieser Fragen?

Zeuge Peter Altmaier: Nein, mir war bekannt -das hatte mir die Bundeskanzlerin gesagt -, dassHerr Fritsche als beamteter Staatssekretär kommt.Ich habe das sehr begrüßt, weil ich glaube, dasswir in einer Zeit, wo gerade auch der Kanzler-amtsminister auskömmlich zu tun hat - das kannich Ihnen aus den letzten Jahren bestätigen - -dass es wichtig war nach den Vorgängen in derAffäre Snowden, aber auch im Hinblick auf die

gestiegenen Anforderungen im Bereich der inne-ren Sicherheit, sich personell an dieser Stelle zuverstärken. So.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aber - -

Zeuge Peter Altmaier: Herr Fritsche kam dannungefähr, ich glaube, zehn Tage nach mir - - imAmt. Und Herr Fritsche war ja jemand, der imKanzleramt bereits die Abteilung 6 geleitet hatte.Er war dann vier Jahre Staatssekretär im Bundes-innenministerium, und insofern kannte er dieMaterie. Und trotzdem war es dann so, dass ichauch Herrn Fritsche informieren konnte, weil ichja in der Zwischenzeit schon einiges gelernt hattezum Thema „No Spy“. Herr Fritsche konnte dasbeitragen, was er erlebt hatte als Staatssekretär imInnenministerium im Sommer und im Herbst2013. Und den neuen Herausforderungen habenwir uns dann gemeinsam gestellt.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Also, Herr Fritsche ist explizit auch ge-kommen wegen seiner Kenntnisse in den Fragen„Snowden“?

Zeuge Peter Altmaier: In den Fragen der Nach-richtendienste. Herr Fritsche ist ja nicht nur fürHerrn Snowden zuständig, sondern Herr Fritscheist zuständig - das gibt es seit den 80er-Jahren - -Er ist Koordinator der Nachrichtendienste unddamit eben auch für Angelegenheiten, die dasBfV betreffen, den MAD betreffen.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Peter Altmaier: Und Herr Fritsche warund ist ein ausgewiesener Experte in diesen Fra-gen, weil der die Abteilung 6 im Kanzleramt vierJahre geleitet hat und der Sicherheitsstaats-sekretär von Herrn de Maizière und von HerrnFriedrich war.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Und auch wegen seiner Kenntnisse in Sa-chen Snowden.

Zeuge Peter Altmaier: Also, das müssen Sie - -

Page 113: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 113 von 193

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Und haben Sie dann - -

Zeuge Peter Altmaier: Das müssen Sie - - Ent-schuldigung.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Peter Altmaier: Das müssen Sie die Bun-deskanzlerin fragen in dem Fall.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das werden wir gern tun.

Zeuge Peter Altmaier: Die hat nämlich die Ent-scheidung getroffen mit Herrn Pofalla zusammen,dass Herr Fritsche kommt, und ich habe dieseEntscheidung für exzellent gehalten und halte sienach wie vor für exzellent und habe mit HerrnFritsche in all diesen Jahren eine extrem vertrau-ensvolle und extrem gute Zusammenarbeit ge-habt, die mir geholfen hat, auch Ihre Fragen so zubeantworten, wie es angemessen ist.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, sehr gut. Sehr dankenswert. - Aber ha-ben Sie dann mit Herrn Fritsche vor der Markus-R.-Geschichte schon über die Nachsorge der Fra-gen im Zusammenhang mit Snowden-Veröffentli-chungen gesprochen, zum Beispiel - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das ist danndie letzte Frage.

Zeuge Peter Altmaier: Jetzt verstehe ich IhreFrage nicht. - Über die Vorsorge der Nachsorgevon Snowden oder - -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Über die Nachsorge der Snowden-Veröf-fentlichungen, also der Dinge, -

Zeuge Peter Altmaier: Ja.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - die praktisch offensichtlich - -

Zeuge Peter Altmaier: Ja, ja, natürlich, natürlich.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Herr Minister, ganz kurz - - meine Frage zuEnde formulieren. - Also Dinge, die ganz offen-sichtlich noch offen waren, die Herr Pofalla nichtabgeschlossen hat und die bei Ihnen dann ja imMärz 2015 in Form einer Liste irgendwie auf-blitzten: Wurde darüber zwischen Ihnen undHerrn Fritsche im Vorfeld sozusagen dieser Mar-kus-R.-Geschichte und dann der Erkenntnis, dieman im März 2015 hatte, gesprochen?

Zeuge Peter Altmaier: Noch mal: Über die Listeaus dem Jahre 2015 konnten wir im Jahre 2014nicht reden, weil uns ihre Existenz nicht bekanntwar; das hat Herr Fritsche Ihnen gesagt; -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, aber die Dinge, die auf der Liste stan-den vielleicht.

Zeuge Peter Altmaier: - ich habe es Ihnen auchgesagt. Im Übrigen habe ich aber mit Herrn Frit-sche sehr intensiv bei vielen Gelegenheiten überdie Arbeit des Untersuchungsausschusses gespro-chen und über die Themen, die dort abgearbeitetwurden.

So, und da gab es ja ein Projekt, das fing mit„MS“ an, und ein anderes fing mit „E“ an, und esgab - - Die hatten zum Teil eine Vorgeschichteseit 2002, 2003. So, und dann hatte ich Fragenaus den Akten, die ich gelesen habe, und ichhabe darüber - das waren alle die Snowden-Kom-plexe, von denen Sie sprechen - auch mit HerrnFritsche gesprochen, selbstverständlich.

Aber es ergab sich aus allem, was ich studierthatte, keinerlei Hinweis darauf, dass es - - Wirwussten natürlich, dass es Bad Aibling gibt. Undes gibt in Bad Aibling auch ein Dokument, wasdie Arbeit dort regelt; das ist Streng Geheim. Esstanden Teile davon, glaube ich, auch schon ir-gendwo in der Öffentlichkeit. Aber ich habe mirdieses Dokument auch angeschaut, und zwarschon vor der Selektorengeschichte, und dasDokument ist nicht problematisch; problematischist das, was mit der Selektorenliste gemacht wor-den ist. Und das haben wir erfahren 2015.

Page 114: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 114 von 193

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay, gut. -Wir kommen zur nächsten Fraktion, der Fraktionder CDU/CSU. Frau Kollegin Warken beginnt.

Nina Warken (CDU/CSU): Ja, vielen Dank. - HerrMinister, guten Abend auch von unserer Seiteund vielen Dank für Ihr Eingangsstatement. - Ichmöchte zeitlich zunächst da anknüpfen, wo auchder Kollege eben aufgehört hat: bei der Amtsüber-nahme, zu der Sie ja schon einiges gesagt haben.Es gab keine Übergabe bzw. das Thema, das wirhier behandeln, war nicht Thema der Übergabeoder des Übergabegespräches mit Herrn Pofalla.

Mich würde dennoch interessieren, wie es dannweiterging, wie Sie dann die Aufgaben, die jadoch im Raume standen - die Snowden-Veröf-fentlichungen waren ein paar Monate her -, ange-gangen sind, wie die Aufgabenverteilung auchwar zwischen Ihnen, Herrn Fritsche, Herrn Heiß,wie oft Sie sich haben unterrichten lassen undwie dann auch wiederum die Kanzlerin durchSie eingebunden war.

Zeuge Peter Altmaier: Es ist so, dass ich eigent-lich vom ersten Tag meiner Arbeit an mit diesenFragen befasst war. Ich habe ja vorhin von derVorlage gesprochen, die es am 20. Dezember ge-geben hat. Und das, lieber Herr von Notz, ist na-türlich sozusagen ein noch ausstehender Teil derAufarbeitung von Snowden und dessen, was war,gewesen, dass wir diese Verhandlungen zuNo Spy hatten. Und dass wir die Hoffnunghatten, ein solches Abkommen zustande bringenzu können, das hatte auch was zu tun mit denDiskussionen über das Kanzlerinnenhandy. Unddarüber habe ich mit Herrn Fritsche und mitHerrn Heusgen und anderen nicht nur einmal,sondern nach meiner Erinnerung auch mehrfachgesprochen.

Herr Fritsche hat zu bestimmten Themen Vorla-gen gefertigt, die Sie haben, soweit sie untersu-chungsgegenständlich sind. Herr Fritsche hat na-türlich auch zu anderen Themen Vorlagen gefer-tigt, die sich zu aktuellen Fragen der inneren Si-cherheit ergeben haben. Wir haben es auch zutun bisweilen mit Geiselnahmen, die zu lösensind gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt unddem Krisenstab dort. Und in all diesen Fällen hat

mich Herr Fritsche entweder durch Vorlagen un-terrichtet, oder er hat mich mündlich unterrichtetentweder in der Abteilungsleiterrunde, die es imKanzleramt zweimal die Woche gibt, oder wenndie Information sensibel war, dann gab es auchvorher oder nachher eine Rücksprache zwischenHerrn Fritsche und mir.

Im Übrigen haben wir über Fragen der Nachrich-tendienste natürlich - - reden wir jeden Dienstagin der ND-Lage, und es gibt noch ein paar weitereFormate, die auch einschlägig sind.

Nina Warken (CDU/CSU): Wenn Sie jetzt davonsprechen, dass Herr Fritsche Sie regelmäßig in-formiert hat auch durch Vorlagen, auch teilweisemündlich, dann stellt sich da mir doch die Frage,dass wir bei unserer Ausschussarbeit bei der Vor-lage - - oder bei der Durchsicht der vorgelegtenUnterlagen jetzt recht wenige Vorlagen oder Be-richte gefunden haben, die Ihre oder die Parapheder Bundeskanzlerin tragen. Wie erklären Siesich das? Nachdem ja jetzt schon auch rüberge-kommen ist, dass Sie sich selbst auch intensivmit der Aufarbeitung beschäftigt haben.

Zeuge Peter Altmaier: Es ist ganz einfach zu er-klären: weil nämlich der Kanzleramtsministerund auch die Bundeskanzlerin nicht nur fürdiese Politik zuständig sind, sondern praktischfür alle Politikbereiche. Und wenn Sie die Vorla-gen sehen würden - es ist ja nicht untersuchungs-gegenständlich -, die mich im Laufe meiner Tä-tigkeit als Kanzleramtsminister aus den unter-schiedlichsten Bereichen erreicht haben, dannwerden Sie feststellen, dass es eine sehr hoheZahl ist - obwohl aus den einzelnen Ministerienvielleicht die Zahl überschaubar ist - was weißich, zum Thema - - Wir haben auch ein ReferatKirchenrecht; die haben vielleicht nicht ganz soviele Vorlagen wie andere. Aber wenn Sie alleszusammennehmen, ist der Arbeitstag eines Kanz-leramtsministers ausgefüllt; denn die Vorlagenwollen ja nicht nur abgezeichnet sein, sie wollenauch gelesen sein.

Der Kopf des Kanzleramtsministers ist auch nichtviel größer und auch nicht viel besser als andereKöpfe auf der Welt. Das heißt, ich muss ja mitmeinen begrenzten Ressourcen, die ich habe, die

Page 115: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 115 von 193

Dinge angehen, die wichtig sind. Und das wirdentweder von mir entschieden, wenn ich eineAnforderung stelle und bitte, mir zu etwas zu be-richten oder eine Rücksprache zu machen, weilich es in der Zeitung lese, weil mich ein Kollegedarauf anspricht, weil es eine Überlegung ist, dieich anstelle, oder aber es wird in der Abteilungentschieden.

Und wenn in der Abteilung entschieden wird,dass es wichtig ist, dann wird es selbstverständ-lich dem Minister vorgelegt. Und das haben wirso gehandhabt. Allerdings ist es auch so, dass ge-rade in diesen Fragen sensible Informationensehr oft mündlich ausgetauscht werden, zum Bei-spiel dann, wenn es um Entführungsfälle geht.Da gibt es nicht sehr viele Vorlagen, aber es gibtdarüber Gespräche, und die sind in ihrer Natur,weil es um Menschenleben geht, so sensibel, dassman auch nicht jede Einzelheit verschriften solltezum Schutz der Betroffenen; denn wenn sie ver-schriftet sind, dann sind sie irgendwo gespei-chert, und dann kann es natürlich auch sein, dasssie in falsche Hände gelangen.

Nina Warken (CDU/CSU): Und wie müssen wiruns dann vorstellen, dass die Unterrichtung derKanzlerin abläuft? Wahrscheinlich durch Sie.Über welche Themen haben Sie sie unterrichtet?In welchen Abständen? Natürlich jetzt nur betref-fend den Untersuchungsausschuss.

Zeuge Peter Altmaier: Es ist meine Aufgabe alsKanzleramtsminister, die Kanzlerin über all dieDinge zu unterrichten, die sie für ihre Arbeit wis-sen muss. Und auch die Kanzlerin ist so, dass sie,wenn sie sich für ein Thema interessiert, auchvon sich aus mich bittet, sie dazu zu unterrich-ten. Und umgekehrt entscheide ich, worüber ichdie Kanzlerin unterrichte. Dafür habe ich dieMöglichkeit des jederzeitigen Zugangs zu ihr,und das geschieht in aller Regel mündlich. Esgibt aber auch Fälle, wo es schriftlich geschieht.Sie haben ja auch eine ganze Reihe von Bundes-kanzlerinnenvorlagen in Ihren Akten, die es inden letzten Jahren gegeben hat.

Nina Warken (CDU/CSU): Also war die Aufarbei-tung der Themen dieses Ausschusses schon auch

regelmäßig Gegenstand von Gesprächen zwi-schen Ihnen und der Kanzlerin.

Zeuge Peter Altmaier: Wir haben im Untersu-chungsausschussrecht ein sehr schönes Wort; dasheißt Arkanum. Das ist der geschützte Bereichder Willensbildung der Bundesregierung, und dabitte ich einfach um Verständnis, dass Einzelhei-ten dieser Willensbildung auch im Bereich derBundesregierung geschützt sind. Das ist zum Bei-spiel der Grund, warum wir über Gesprächs-inhalte mit ausländischen Staats- und Regie-rungschefs nicht berichten über Presseerklärun-gen hinaus; das ist der Grund, warum auch an-dere Gesprächsinhalte etwa der Kanzlerin mit zu-ständigen Ministern und auch mit dem Chef desKanzleramtes sich nur sehr unvollkommen füreine Erörterung in diesem Kreise - - äußern.

Nina Warken (CDU/CSU): Die Bundeskanzlerinhat in der Regierungspressekonferenz am 19. Juli2013 einen Achtpunkteplan als Konsequenz derBundesregierung aus den in den Wochen zuvorbekannt gewordenen Berichten zur Tätigkeit derNSA, zu Prism und Tempora bekannt gegeben.Jetzt waren Sie zu der Zeit als Bundesumwelt-minister Mitglied der Bundesregierung, habenauch an den Kabinettssitzungen teilgenommen.Können Sie sich an die Sitzungen im Juli, August2013 erinnern und auch daran, wie es zu demAchtpunkteplan gekommen ist?

Zeuge Peter Altmaier: Nein. Ich habe die Unter-lagen, die Ihnen auch zur Verfügung stehen, diees dazu gibt; aber ich kann mich aus meinem Er-leben als Bundesumweltminister an diese Dis-kussionen nicht erinnern. Das hängt aber auchdamit zusammen, dass wir damals - für die, diesich für Umweltfragen interessieren - mit derEnergiewende sehr, sehr schwierige und wichtigeAufgaben zu lösen hatten, was mich ausgespro-chen stark beansprucht hat. Und ich hatte eineganze Reihe von Gesetzen wie das Endlagersuch-gesetz, das noch kurz vor der Bundestagswahldurch das Kabinett und durch das Parlament ver-abschiedet wurde. Das hat dann zur Folge gehabt,dass man sich als Ressortminister natürlich inerster Linie auch um die eigenen Zuständigkeitenkümmert. Und deshalb kann es durchaus sein,

Page 116: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 116 von 193

dass in meiner Anwesenheit auch darüber ge-sprochen worden ist; aber erinnern kann ichmich daran nicht mehr.

Nina Warken (CDU/CSU): Und in Ihrer jetzigenTätigkeit: Haben Sie damit dann zu tun gehabt?Also, manche Dinge des Plans konnten ja rechtkurzfristig umgesetzt werden; manche Maßnah-men waren längerfristig angelegt, zum Beispieleine Initiative des BND mit Vertretern von Nach-richtendiensten von EU-Partnern, gemeinsameStandards der Zusammenarbeit zu erarbeiten. Ha-ben Sie damit noch mal zu tun gehabt?

Zeuge Peter Altmaier: Ja. Mit den laufenden Vor-gängen habe ich zu tun gehabt und habe immernoch zu tun. Es gibt dort auch sehr viel Erfreuli-ches. - Aber wenn ich es richtig verstehe, HerrWolff, ist es so, dass laufende Vorgänge vom Un-tersuchungsgegenstand ausgenommen sind.

(MR Philipp Wolff (BK)nickt)

Nina Warken (CDU/CSU): Ich würde dann auchnoch mal auf die Zusammenarbeit mit den Ame-rikanern, die Kooperation BND und NSA zu spre-chen kommen.

Es gab ja bereits im Jahr 2013 auf Veranlassungeines Unterabteilungsleiters im BND - der ZeugeD. B., den wir hier auch gehört haben - eine Über-prüfung der vom BND in Bad Aibling eingesetz-ten NSA-Selektoren. Die BND-Spitze und dasKanzleramt haben davon wohl erst mit fast zwei-jähriger Verspätung Kenntnis erlangt. WelcheSchlüsse würden Sie daraus ziehen im Blick aufdie Frage der Funktionsfähigkeit der Kommuni-kationsstrukturen innerhalb des BND und auchder Effektivität der Dienst- und Fachaufsicht desKanzleramts über den BND?

Zeuge Peter Altmaier: Ja, zunächst einmal: Wennes Vorgänge sind, die der Leitungsebene des BNDselber nicht bekannt waren und, so wie mir ge-sagt worden ist, auch der Abteilungsleiterebenenicht bekannt waren, dann spricht das sehr da-für, dass es diese Defizite gibt oder gegeben hat.

Dass es im Jahre 2013 diese Überprüfung gegebenhat, und zwar ganz offensichtlich wohl auch imZusammenhang damit, dass die Bundeskanzlerineine politische Aussage getroffen hat, nämlich zuder Frage des Umgangs mit Freunden, zeigt ja imÜbrigen, dass der BND tatsächlich das auch auf-genommen hat und versucht hat umzusetzen, al-lerdings offenbar sehr unzureichend; sonst hättenwir nicht die Probleme gehabt, die wir uns imganzen Jahr 2015 dann noch - - mit denen wiruns beschäftigen mussten. Insofern finde ich,dass der Primat der Politik, auf dem wir bestehenmüssen, nicht zu allen Zeiten und nicht zu jedemZeitpunkt befriedigend umgesetzt worden ist.Das war für uns alle der Anlass und der Grund,zu überlegen, wo wir besser werden müssen. Dasgilt übrigens für das Kanzleramt genauso wie fürden BND; da nehme ich niemanden aus, und ichwage zu sagen, dass uns eine ähnliche Situationvermutlich heute - - dass es unwahrscheinlicherist, dass uns eine ähnliche Situation passiert. Ichkann allerdings natürlich über Dinge, die ichnicht kenne und die ich nicht weiß, auch nurschwer spekulieren.

Ich hoffe nur, dass das, was wir in der AbteilungTA gelernt haben, auch in anderen Bereichenvom BND entsprechend berücksichtigt wird. Sowie ich diese Organisation kennengelernt habe - -Und wir haben sehr, sehr viele junge Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter eigentlich aus allen Berei-chen: Sprachexpertinnen, Chemiker, Geografen,Geologen, Juristen, Betriebswirte, Volkswirte. Dassind alles exzellente junge Mitarbeiterinnen undMitarbeiter, wo ich überzeugt bin, dass auchdiese Debatten, die wir geführt haben - teils öf-fentlich geführt haben -, ihre Wirkung hinterlas-sen haben und dass der BND heute verantwor-tungsbewusster damit umgeht.

Und vor allen Dingen: Ich habe als Kanzleramts-chef mehrfach klare Ansagen gemacht über dieInformationen, von denen ich erwarte, dass sieder politischen Führung vorgelegt werden. So,und das habe ich in diesen drei Jahren immerwieder anlassbezogen getan, insbesondere imZusammenhang mit den Selektoren, und ich gehedavon aus und habe auch keinen Grund, daranzu zweifeln, dass auch diese Ansagen nicht nur

Page 117: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 117 von 193

gehört wurden, sondern dass sie umgesetzt wur-den.

Nina Warken (CDU/CSU): Man kann ja auchnoch ein paar Jahre zurückgehen. Wir habenrausgefunden, dass ja schon im Jahr 2005 US-Se-lektoren auffielen beim BND, die gegen deutscheund europäische Interessen und damit ja gegendie Vereinbarung, die der Kooperation in BadAibling zugrunde liegt, aus dem Jahr 2002 versto-ßen haben. Schlagworte sind die Firmenbezeich-nungen EADS und Eurocopter. Der BND hat dieErkenntnisse wohl ja jahrelang für sich behalten.2010 wurde dann das Kanzleramt mal beiläufiginformiert; aber das Thema war schon deutlichvor 2013 oder vor 2015 im Dienst und auch imKanzleramt bekannt. Wie ist es denn dann zu er-klären, dass es weder dem BND noch dem Kanz-leramt in all den Jahren gelungen ist, die US-Part-ner dazu zu bewegen, derlei gegen deutsche odereuropäische Interessen gerichtete Praktiken zuunterlassen? War vielleicht die Vereinbarung, dieman 2002 getroffen hat, schon ungeeignet, dieseszu gewährleisten, dass eben gegen deutsche undeuropäische Interessen nicht verstoßen wird?Oder woran lag es?

Zeuge Peter Altmaier: Nein. Also, erst mal: Das,was der Arbeit in Bad Aibling zugrunde liegt, istaus meiner Sicht inhaltlich nicht zu beanstan-den.

Der zweite Punkt war: Es gab in der Tat - dashabe ich den Akten entnommen - Informationendes BND an die politische Leitungsebene imKanzleramt. Sie haben dafür den schönen Aus-druck „beiläufig“ gebraucht. Ich weiß nicht - -Oder: Ich hatte jedenfalls im Nachhinein mir dieFrage gestellt, ob über solche Vorgänge dannauch nicht in anderer Weise hätte informiert wer-den müssen. Aber ich möchte jetzt ungern überVorgänge sprechen, die sich in der Amtszeit vonHerrn Uhrlau oder von Herrn Schindler abge-spielt haben, zu einem Zeitpunkt, wo ich nochnicht Kanzleramtsminister war. Ich glaube, dasist eine Frage des Stils sozusagen, dass man dasnicht nachträglich bewertet.

Aber der entscheidende Punkt ist doch, was wirab dem Zeitpunkt, wo wir Kenntnisnahme hat-ten, gemacht haben. Und da haben wir gesehen,es gab dieses Defizit, und wir haben versucht,dieses Defizit abzustellen.

Nina Warken (CDU/CSU): Was die Zusammen-arbeit mit den Amerikanern anbelangt, wie wür-den Sie denn die Kooperationsbereitschaft derFive-Eyes-Staaten zusammenfassend beschrei-ben, vor allem wenn es darum geht, auch zumBeispiel Auskünfte für die Arbeit unseres Aus-schusses zu erhalten, Freigabe von Dokumenten?Ich denke, es gab ja diverse Bemühungen auchder Bundesregierung, da auch was zu erreichen,auch uns was vorlegen zu können. Wir habendann das Konsulationsverfahren gehabt, wo esum die direkte Einsichtnahme der Selektorenging, das ja negativ verlaufen ist. Aber wie wür-den Sie insgesamt die Kooperationsbereitschaftbeschreiben? Und welche politischen Schlüsseoder Konsequenzen haben Sie daraus gezogen?

Zeuge Peter Altmaier: Also, erst einmal ist es so,dass ich glaube, dass die Zusammenarbeit derNachrichtendienste funktioniert, nicht nur mitNachrichtendiensten der Five Eyes; wir habenandere europäische Partner, außereuropäischePartner. Der BND ist darauf angewiesen, dass erzur Erfüllung seiner Aufgaben mit vielfältigenPartnerdiensten weltweit zusammenarbeitet. Ichhabe das immer ermuntert, weil ich es wirklichfür entscheidend halte, wenn es darum geht,Informationen zu gewinnen über geplante An-schläge in einem frühen Stadium, wenn es darumgeht, den internationalen Terrorismus so aufzu-klären, dass man dann auch die notwendigenpolizeilichen und richterlichen Maßnahmenergreifen kann. Diese Zusammenarbeit hat funk-tioniert.

Im Zuge der Aufarbeitung der Causa Snowdenkam es dann auch zu einem erheblichen Ge-sprächsbedarf. Das hatte aber auch halt eben zutun mit der Frage Kanzlerinnenhandy und mitanderen Fragen. Und das hat dann wiederumdazu geführt, dass es auch schwierigere Gesprä-che gegeben hat, die aber bisher die Zusammen-arbeit in der Sache - Gott sei Dank! - nicht verun-möglicht haben.

Page 118: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 118 von 193

Bei dem Konsultationsverfahren war es so, dassHerr Fritsche in Absprache mit mir zu einemsehr frühen Zeitpunkt, als die Arbeit des Aus-schusses angefangen hat, die Partner besucht hatund mit seinem sozusagen Gegenüber in den Re-gierungszentralen der wichtigsten Länder da-rüber gesprochen hat, welche Unterlagen wir vor-legen, für welche Unterlagen wir die Zustim-mung benötigen.

Da gab es dann auch schwierige Fälle. Wir hatteneinmal einen Fall, da ging es um ein Konsulta-tionsverfahren, wo uns die Zustimmung verwehrtworden ist. Ich habe dann in Rücksprache mitHerrn Fritsche entschieden, dass wir Ihnen dieDokumente trotzdem geben - das war im Trep-tow-Verfahren -, dass Sie diese Dokumente be-kommen, weil ich das in dem konkreten Fall fürvertretbar gehalten habe. Das war nicht ganz ein-fach. Ich habe dazu auch selbst Gespräche ge-führt - - also nicht das technische Konsultations-verfahren - - aber auf meiner Ebene. Und amEnde haben wir das Ding vorgelegt im Treptow-Verfahren, und ich war superstolz, dass vier oderfünf Wochen nichts rausgekommen ist. Und alsich dann das PKGr, die Obleute, und den NSA-Ausschuss, die Obleute, unterrichtet habe überdie Selektoren, habe ich gesagt: „Mensch, jetztsage ich Ihnen mal was“, und es scheint ja indem anderen Fall auch funktioniert zu haben.Und dann hat es, glaube ich, ungefähr noch14 Tage gedauert, und dann war dieser andereGegenstand auch öffentlich. Bei den Selektorenwar es, glaube ich, schon nach einem halben Tagöffentlich. Da hatte ich mir auch keine Illusionengemacht.

Aber Sie können sich vorstellen, dass, wenn wirsagen: „Wir halten ein bestimmtes Verfahren,Treptow, für okay, und wir sind überzeugt, eskommt nicht raus“, und es kommt dann anschlie-ßend doch raus, die Partner dann, was das Kon-sultationsverfahren angeht, noch rigider sind.

Wir hatten ja zu Anfang eine ganze Reihe von Do-kumenten, die wir auf diese Weise auch klärenkonnten und Ihnen vorlegen durften mit Zustim-mung von Partnern, und es ist dann im Laufe derArbeit schwieriger geworden. Ich kann nicht be-urteilen, woher die Durchstechereien kommen.

Sie wissen ja, ich hatte mal einen Brief geschrie-ben an den Ausschussvorsitzenden und gesagt:Ich weiß nicht, wer verantwortlich ist. Vielleichtlassen wir das mal klären. - Und dann ist gesagtworden, ich hätte dem Ausschuss gedroht. Daswar niemals meine Absicht - ich bin ein so zart-fühlender und feinfühlender Mensch, dass ichniemandem drohen würde -,

(Vereinzelt Heiterkeit)

sondern es hätte ja auch der Ausschuss von sichaus sich an die Staatsanwaltschaft wenden kön-nen; aber es ist nicht geschehen. Ich habe dann,nachdem Sie traurig waren, gedacht: Dann macheich es auch nicht. - So, und so wissen wir halteben bisher immer noch nicht, woher die Durch-stechereien kommen; aber sie finden leider Got-tes statt.

(Martina Renner (DIELINKE): Was? Selbstan-

zeige!)

Das ist etwas, was auf Dauer auch die Effektivitätder parlamentarischen Kontrolle nicht leichtermacht. Das ist meine feste persönliche Überzeu-gung. Ich habe immer gewollt, dass wir scho-nungslos und so umfassend wie irgend möglichSie und vor allen Dingen das PKGr immer unter-richten über alle wesentlichen Dinge, und daswerden wir auch in Zukunft tun. Aber solcheVorgänge erleichtern das nicht. Wir haben aucheine Verantwortung dafür, dass unsere Nach-richtendienste am Ende nicht als unzuverlässiggelten, weil es nicht garantiert ist, dass vertrau-lich überreichte Unterlagen vertraulich bleiben.

Das hat übrigens nicht nur mit diesem Ausschussetwas zu tun. Wir hatten ja auch ein paar andereFälle in der jüngeren Vergangenheit, wo es umvereitelte terroristische Anschläge usw. ging, wodann plötzlich Dinge öffentlich wurden - für dieSie gar nichts können, weil Sie die Unterlagennicht hatten -, die dann diejenigen, mit denenwir zusammenarbeiten, in Probleme bringen.

(Hans-Christian Ströbele(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-

NEN): Gibt Ihnen das nicht

Page 119: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 119 von 193

zu denken, wo die Quelleist?)

Nina Warken (CDU/CSU): Anfang Mai 2015wurde in der Presse gemeldet, dass die NSA dengrößten Teil der Zusammenarbeit mit dem BNDin Bad Aibling vorläufig beendet hätte; Auslöserseien Ihre Forderungen gewesen, für jeden US-Selektor künftig eine detaillierte Begründungmitzuliefern. - Stimmt das? Oder war es eher derBND, der die Zusammenarbeit mit der NSA beider Überwachung von paketvermittelten Verkeh-ren aus Krisenregionen in Bad Aibling vorüber-gehend eingestellt hat? Das haben ja wiederumandere Medien berichtet.

Zeuge Peter Altmaier: Nein. Ich habe bei meinemBesuch in Pullach und auch bei anderen Gesprä-chen immer großen Wert darauf gelegt, dass wirsolche Selektoren steuern, von denen wir auchwissen, was sie bedeuten. Andernfalls könnenwir unserer Verpflichtung nicht gerecht werden.Wir müssen ja prüfen, ob es G-10-relevant ist.Wir müssen prüfen, ob es vom Anwendungs-bereich der Abmachungen erfasst ist, und wirmüssen auch prüfen, ob es im deutschenInteresse liegt. Und das hat dazu geführt, dassman sich im BND die Selektoren genauerangesehen hat.

Ich weiß jetzt nicht, Herr Wolff, wie weit ich inöffentlicher Sitzung gehen kann, aber ich willvielleicht Folgendes sagen: Die amerikanischeSeite hat das verstanden, und es hat eine guteKooperation gegeben.

Nina Warken (CDU/CSU): Also, hält sich dieNSA daran? Oder werden die Forderungen jetzterfüllt und wurde die Zusammenarbeit wiederaufgenommen?

Zeuge Peter Altmaier: Über laufende Vorgängesollten wir, glaube ich, hier nicht reden.

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Sie brauchen nur

zu nicken!)

- Kriegt das Tonband eigentlich auch mit, wennich nicke?

Nina Warken (CDU/CSU): Nein.

Zeuge Peter Altmaier: Die Stenografin wahr-scheinlich ja.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Nina Warken (CDU/CSU): Ich kann dann sagen:Der Zeuge nickt. - Ich muss trotzdem noch mal - -Gibt es Unterschiede zur Zus- - noch mal viel-leicht - -

Zeuge Peter Altmaier: Ja, ich verstehe ja IhreFrage, und Ihre Frage ist berechtigt. Ich muss nurentscheiden, wie ich sie beantworte. Und ichsage mal so: Wir haben auch in der Zusammenar-beit mit der amerikanischen Seite in den Dingen,die Sie zu Recht monieren und beanstanden,Fortschritte erzielt.

Nina Warken (CDU/CSU): Gut. Dann ist meineZeit rum, und ich würde nachher weiterfragen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ganz herzli-chen Dank. - Wir kommen jetzt in die zweiteFragerunde, und auch in der zweiten Fragerundebeginnt die Fraktion Die Linke. Frau KolleginRenner.

Martina Renner (DIE LINKE): Ja, Sie sagten, HerrAltmaier, aus Ihrer Erinnerung heraus hat mansich zu vier Anlässen mit Selektoren befasst, alsodiese überprüft: im Zusammenhang mit G 10, imZusammenhang mit dem Ausspruch der Kanzle-rin - muss ich nicht mehr zitieren -, im Zusam-menhang mit der Weisung im Oktober und mitdem Besuch in Pullach. Jetzt fällt mir hier dieZeugenaussage von D. B. ein, der sagte, man hätteschon früher, vor Snowden, angefangen, die Se-lektoren zu prüfen und auch herauszunehmen,weil man das Gras wachsen hörte.

Zeuge Peter Altmaier: Weil man das …?

Martina Renner (DIE LINKE): Gras wachsenhörte. - Also, entweder wusste man schon, waskommt mit den Snowden-Dokumenten, weil dieUS-amerikanische Seite gesagt hat: „Wir habenhier ein Leck; Achtung Partner: Da kommt was

Page 120: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 120 von 193

auf euch zu!“, oder war auch, warum auch im-mer - - Wussten Sie von diesem „schon vorherangefangen, zu prüfen“?

Zeuge Peter Altmaier: Nein. Also, vorher hätteich es ja nicht wissen können, weil ich nichtKanzleramtsminister war.

Martina Renner (DIE LINKE): Nein, ob Sie - -

Zeuge Peter Altmaier: Ich kenne auch diese Aus-sage von Herrn D. B. nicht. Für mich ist der Zu-sammenhang erkennbar mit der Aussage derBundeskanzlerin, also der zeitliche Zusammen-hang. Inwieweit man sich vorher schon Gedan-ken gemacht hat, weiß ich nicht. Wenn es gesche-hen wäre, wäre es löblich gewesen, sage ich aus-drücklich, weil es natürlich die Intention war - -Und ich muss auch sagen: Als die Bundeskanzle-rin diese Aussage gemacht hat - ich war damalsUmweltminister und, wie gesagt, nicht mit denDingen konkret befasst -, ging ich selbstverständ-lich davon aus, dass wir keine Freunde abhören.Weil es wäre mir gar nicht in den Kopf gekom-men. Also, wenn ich vor zehn Jahren Chef BK ge-wesen wäre, und jemand hätte mir gesagt: „Jetzthören wir mal Freunde ab“, oder wie auch im-mer, hätte ich gesagt: „Haben Sie schlecht ge-schlafen?“

(Hans-Christian Ströbele(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): So ist es mir auch

gegangen, als ich es erfah-ren habe!)

- Genau, und das kann ich nachvollziehen. - Des-halb habe ich dann versucht, als ich es 2015 ge-hört habe zum ersten Mal, das alles so zu rekon-struieren, und kann Ihnen aber jetzt aus demKopf heraus nicht genau sagen, an welchem Tagder Herr D. B. damit angefangen hat und was derAuslöser dafür war. Die G-10-Überprüfungen, diesind immer schon gemacht worden, -

Martina Renner (DIE LINKE): Ja, klar.

Zeuge Peter Altmaier: - und die sind auch gut ge-macht worden.

Martina Renner (DIE LINKE): Aber dass vor denSnowden-Veröffentlichungen es schonSelektorenprüfungen gab und auch - -

Zeuge Peter Altmaier: Kann ich aus dem Kopfheraus jetzt nicht beantworten, wird sich aberaus den Akten wahrscheinlich ergeben, die Ihnenvorliegen.

Martina Renner (DIE LINKE): Okay. - Ich gebedann ab an meinen Kollegen an der Stelle.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja, Herr Altmaier,ich fange noch mal in der Vorbemerkung an, weilSie das jetzt wieder gesagt haben mit dem parla-mentarischen Raum, wenn hier Informationenoder geheim zu haltende Dinge kommen undDurchstechereien usw.

Also, wir haben mehrfach erlebt, dass Sachen,die das Parlament noch gar nicht erreicht hattenund geheim zu halten waren, in den Zeitungenstanden. Das heißt, da konnten es unmöglichAbgeordnete gewesen sein. Ich will das einfachhier auch noch mal so festhalten.

Ich möchte jetzt aber gerne auch noch mal zu ei-ner Gesamtschau kommen, wo ich Sie dann bitte,auch mal klar zu antworten. Also, wenn ich malRevue passieren lasse, was dieser Ausschuss bisjetzt herausgefunden hat: Da nehme ich die Ope-ration „Eikonal“, Täuschung der G 10-Kommis-sion, „Türöffner“, wurde gesagt, um an Routine-verkehr zu kommen am Frankfurter Knoten, dieNSA mit am Kabel. Die G-10-Filterung, haben wirdurch Berichte gehört, funktionierte in vielenFällen nicht zuverlässig, gerade auch beiDomains und Adressen, die nicht nur auf „.de“endeten, usw. Wir hatten eine Funktionsträger-theorie, zu der uns hier erklärt worden ist, dortkönnte auch der deutsche EU-Kommissar - deut-sche EU-Kommissare - abgehört werden; sei allesvöllig legitim. Dann haben wir mitgekriegt, dassein deutscher Botschafter bei der EU tatsächlichabgehört worden ist. Wir haben die NSA-Selekto-renliste, von der Sie ja auch schon gesprochenhaben, fast 40 000 hochproblematische rechts-widrige Suchbegriffe gegen deutsche und europä-ische Interessen. Wir haben circa ein Drittel dermehreren Millionen NSA-Selektoren - - haben

Page 121: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 121 von 193

wir hier gehört, die der BND nicht lesen konnteund trotzdem gesteuert hat, von Millionen.

Jetzt, haben Sie gesagt, fordert man eine Begrün-dung für Suchbegriffe. Die wird geliefert oderauch nicht geliefert, und wenn sie geliefert wird,können wir sie nicht überprüfen. Und noch im-mer gibt es offenbar viele Selektoren, die mannicht lesen kann, und steuert sie trotzdem.

Nach dem Skandal um die NSA-Selektoren kamoffenbar niemand im Kanzleramt auf die Idee, zusagen: Was machen wir denn selbst? Wie steuernwir? Was steuern wir? Was ist da drin? Keinerhat gesagt: Wir prüfen unsere eigenen Dinge, wasda alles so gesteuert wird.

Wir wissen, der Bericht - der des Parlamentari-schen Kontrollgremiums; Sie waren ja selbstauch da - beinhaltet auch, dass über Jahre EU-Re-gierungen, Staats- und Regierungschefs, interna-tionale Organisationen, Botschaften in anderenLändern durch den BND ausgeforscht wordensind. Die Kanzlerin war darüber angeblich nichtinformiert. Und wir wissen auch, dass die Ein-steuerung dieser Selektoren also auch von Staats-und Regierungschefs, von Ministerpräsidenten,Ministern angeblich auf Sachbearbeiterebene al-lein entschieden worden ist, ohne Informationder Vorgesetzten, ohne Kenntnis des Kanzler-amtes, und das über viele Jahre. Dann haben wireine Weisung Ihres Amtsvorgängers Pofalla: EUund NATO-Selektoren sollen aus der Steuerunggenommen werden. Die stammt vom Oktober2013.

Wir wissen aus den Unterlagen, dass noch imApril 2015 solche Selektoren, die eigentlichherausgenommen werden sollten, weitergelaufensind. Die Umsetzung der Weisung hat offenbarniemand kontrolliert, hat nicht überprüft, ob dasgemacht worden ist. Und dann ließ man dieKanzlerin im Regen stehen, als sie sagte: „Aus-spähen unter Freunden, das geht gar nicht“, ob-wohl der BND dasselbe gemacht hat - und das al-les - das ist der Kern meiner Frage, die ich jetzt inder Zusammenfassung der ganzen Punkte hier,die sich noch weiter fortsetzen ließen, mal ein-kleide - unter der Fachaufsicht und Dienst-aufsicht des Bundeskanzleramtes. Und dort

wollte man offenbar - - Das wusste entwedernichts, oder man wollte nichts wissen. Man hataber jedenfalls auch nicht nachgefragt oder eigen-ständig mal Prüfvorgänge unternommen, in allden Jahren nicht, auch nach den Enthüllungenvon Edward Snowden. Und der Mann, der dafürals Abteilungsleiter 6 die Hauptverantwortungträgt, sitzt nach wie vor auf seinem Stuhl.

Ich muss Ihnen sagen, Herr Altmaier, ich findedas eigentlich unglaublich, und möchte Sie jetzthier noch mal fragen: Wo sind denn die Konse-quenzen, die Sie als Chef Bundeskanzleramt ausdiesen ganzen Vorgängen, die hier in diesem Un-tersuchungsausschuss ans Licht gekommen sind,gezogen haben? Und wie können Sie es verant-worten, dass Herr Heiß immer noch in seinemAmt ist, angesichts all dieser Punkte, für die inIhrem Amt eigentlich die Dienst- und Fachauf-sicht liegt?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Eigentlich istdie Redezeit jetzt um. Wir kämen zur nächstenFraktion, weil durch dieses lange Statement istdie Redezeit verbraucht. Außer, der Zeuge würdejetzt noch antworten wollen - das geht nicht zurRedezeit der Fraktion -; dann würde sich das umdie Antwort des Zeugen verlängern. Ansonstenwar das ein wunderbares Statement der FraktionDie Linke.

Zeuge Peter Altmaier: Also, Sie sind das jetzt al-les wieder losgeworden. Ich glaube aber nicht,dass sich dadurch etwas an den grundlegendenDingen verändert.

Das Erste ist - das haben wir auch in der Presseer-klärung gesagt; es steht mir nicht zu, die Arbeitdes Ausschusses zu bewerten, aber meine eigenevielleicht -, dass ich nach wie vor der Auffassungbin, dass der ursprünglich erhobene Vorwurf ei-ner massenhaften anlasslosen Ausspähung nichtbelegt werden konnte.

(Dr. Konstantin von Notz(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das stimmt nicht!)

Deshalb wird darüber auch so gut wie nicht mehrgesprochen in der öffentlichen Diskussion. Wir

Page 122: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 122 von 193

sprechen über den Vorgang mit den NSA-Se-lektoren, und wir sprechen über einige andere - -und den BND-Selektoren, -

Dr. André Hahn (DIE LINKE): „Eikonal“.

Zeuge Peter Altmaier: - und zwar zu Recht. Undzwar zu Recht, ja. Und wenn Sie nun über„Eikonal“ reden, dann muss ich Ihnen sagen, dasind die wesentlichen Entscheidungen nicht inder Zuständigkeit von Herr Heiß getroffen wor-den. Das begann zu einem Zeitpunkt, als derKanzleramtsminister noch nicht von meinerFraktion gestellt wurde. Sie haben die Unterlagenalle und können das rekonstruieren.

Es gab dann einen Prozess, und der hat, als dieFiltermaßnahmen nicht zufriedenstellend funk-tionierten, dazu geführt, dass das Projekt einge-stellt wurde. Also, da hat die politische Kontrolleam Ende funktioniert. Und deshalb bitte ich ganzherzlich, dass man die Dinge auch so trennt, wieman sie trennen muss, und nicht alles zusam-menrührt.

Im Fall der Selektoren hat es - noch einmal - De-fizite gegeben, die waren bedeutend, sonst hätteich nicht Sie umgehend alle unterrichtet, sofernSie Obleute sind, und die waren auch nicht hin-nehmbar; deshalb habe ich sie abgestellt. Aberwenn mir Herr Heiß sagt und auch alle anderenMitarbeiter der Abteilung 6, dass uns das nichtbekannt war, dann muss ich davon ausgehen,dass diese Antwort ehrlich und richtig ist.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: HerzlichenDank. - Wir kommen jetzt zur nächsten Fraktion,der CDU/CSU. Frau Kollegin Warken beginnt.

Nina Warken (CDU/CSU): Herr Altmaier, es gibtja Presseberichte, nach denen die Bundesregie-rung als Reaktion auf die NSA-Affäre und das an-gebliche Abhören des Handys der Bundeskanzle-rin 2014 den Plan entwickelt haben soll, künftigauch befreundete Geheimdienste in Deutschlandüberwachen zu lassen. Und die Berichte sagen,dass diese Entscheidung von Ihnen, Innenminis-ter de Maizière und dem damaligen Außenminis-ter Steinmeier getroffen worden sein soll. Trifftes zu? Gab es tatsächlich solche Erwägungen?

Zeuge Peter Altmaier: Was Sie sagen, beziehtsich auf das Thema 360-Grad-Blick.

Nina Warken (CDU/CSU): Mhm.

Zeuge Peter Altmaier: Wir müssen ja auch im In-land - das ist ja dann die Zuständigkeit des BfVvor allen Dingen und nicht des BND - unsere In-teressen wirksam schützen, und da ist die Frage:Wo setzt man denn die Ressourcen ein? - Wirkümmern uns seit vielen Jahren intensiv darum,Spionagetätigkeiten und andere aufzudecken,und zwar mit erheblichem Erfolg auch. Das istmeistens in der Presse kein großes Thema, aberes geschieht regelmäßig, dass wir Verstößen ge-gen deutsches Recht auf die Spur kommen. Unddas, was wir als 360-Grad-Blick bezeichnen, isteigentlich eine Selbstverständlichkeit. Und sieergibt sich daraus, dass wir darauf bestehen müs-sen, dass auf deutschem Boden deutsches Rechteingehalten wird, und deshalb ein Interesse ha-ben, zu wissen, welche Aktivitäten hier stattfin-den. Ich habe in der Tat mit meinen Ministerkol-legen auch darüber geredet, und das ist eigentlichauch eine Frage der Fairness unseren Partnerngegenüber und unserer Verpflichtung, das deut-sche Recht zu beachten.

Der amerikanische Präsident hat gesagt: Wir hö-ren die Kommunikation von Regierungschefsnicht ab und entschuldigen uns im Übrigen nichtdafür, dass wir besser sind als andere. - So, unddann ist es doch ganz selbstverständlich, dasswir auch dort hinschauen, wie das unsere Auf-gabe ist. Und wenn wir irgendwo einen Verstoßfeststellen gegen deutsches Recht, was wir ja ineinem Fall dann tatsächlich auch gemacht haben,obwohl das, glaube ich, noch vor Beginn dieseröffentlichen Debatte war, dann muss das deut-sche Recht durchgesetzt werden.

Nina Warken (CDU/CSU): Zeugen aus der Abtei-lung TA des BND, aber auch Vizepräsident Mül-ler haben uns berichtet, dass es einen großenKnow-how-Gewinn gibt im Bereich der Internet-aufklärung aus der Zusammenarbeit mit derNSA. Und Herr Müller sagte auch, dass wir dieHerausforderungen, vor denen wir im Momentstehen, in einer Burden-Sharing-Welt nur ge-meinsam meistern können. Wie beurteilen Sie

Page 123: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 123 von 193

denn den Wert der Kooperation mit ausländi-schen Nachrichtendiensten, insbesondere mit de-nen der Five-Eyes-Staaten? Und wie kann dennbei solchen Kooperationen gewährleistet werden,dass es eben keine Hintertüren, keine Backdoors,gibt und leistungsstarke Dienste wie die NSAdeutsche Bürger überwachen können?

Zeuge Peter Altmaier: Zunächst einmal ist es so,dass wir die Zusammenarbeit brauchen, weilkein einziger Nachrichtendienst der Welt so vieleMitarbeiter beschäftigten kann und so viele Infor-mationen verarbeiten kann, dass er sämtliche Be-drohungen für die eigene innere Sicherheit er-kennt. Es fallen immer wieder Erkenntnisse an,wo uns Partnerdienste Informationen geben, sowie wir wiederum auch, wenn wir Erkenntnissehaben, dass gegen die innere Sicherheit oder ge-gen Menschen in anderen Staaten Anschläge ge-plant werden, natürlich diese Länder auch da-rüber informieren, weil der Kampf gegen denTerrorismus, den wir führen, ist ein gemeinsamesund ein weltweites Anliegen.

Das vollzieht sich heute mehr mit technischenMitteln und mit SIGINT, als das früher der Fallgewesen ist, weil die technischen Möglichkeitenzugenommen haben. Das sind übrigens dannauch sehr schwierige Grenzfragen und manchmalauch juristische Fragen, denen wir uns stellenmüssen. Und wir haben in der Vergangenheitfestgestellt - vor allen Dingen in der Zeit unmit-telbar nach den Anschlägen von 9/11 -, dass derBND in vielen Bereichen nicht auf der Höhe derZeit war. Deshalb hat er seine Fähigkeiten in demBereich ausgebaut und verstärkt. Wir haben jabeispielsweise dann auch in Bad Aibling die Ver-antwortung übernommen.

Und das alles zusammen muss ständig wiederüberprüft werden, ob es im Hinblick auf denSchutz von Grundrechten, ob es im Hinblick aufDatenschutz, ob es im Hinblick auf andere Ge-setze gerechtfertigt und vertretbar ist. Das tunwir. Da gab es in der Vergangenheit auch bei-spielsweise im BND schon mal unterschiedlichejuristische Bewertungen zu bestimmten Vorgän-gen. Das muss dann geklärt und ausgetragen wer-den. Aber es ist eine sehr anspruchsvolle Tätig-keit, und der Mehrwert ist allerdings beachtlich.

Und deshalb ist diese Zusammenarbeit nicht ver-zichtbar.

Es gibt natürlich Herausforderungen: Zum Bei-spiel gab es vor vielen Jahren so etwas wie dasTor-Netzwerk noch nicht. Wir reden heute nichtnur vom Internet, wir reden vom Darknet, wo SieWaffen kaufen können, wo kriminelle Akte ver-abredet werden. Wir haben es damit zu tun, dassTerroristen und Gefährder heute über Verschlüs-selungstechnologie verfügen in vielen Fällen, diewir uns vor einigen Jahren noch gar nicht vorstel-len konnten. Es ist wie ein Wettrennen, wo manversuchen muss, dann immer wieder bei neuenEntwicklungen den Rückstand aufzuholen, undwo man niemals eine Situation hat, dass man sa-gen kann: „Jetzt haben wir diese Probleme allegelöst“, weil auch die Gegenseite an diesemWettrennen teilnimmt, und wir die Verpflichtunghaben, zum Beispiel wenn es darum geht, be-stimmte Kommunikationen, die heute aus krimi-neller Absicht verschlüsselt wird, dann auch zuentschlüsseln. Dann müssen Sie dafür etwas tun:Sie brauchen dafür Man-and-Woman-Power, Siebrauchen dafür Technologie, und all das wird ge-macht, aber eignet sich halt eben auch nur sehrunvollkommen zur ausführlichen Erörterung inoffener Sitzung.

Nina Warken (CDU/CSU): Die Notwendigkeit derZusammenarbeit ist uns, glaube ich, allen be-wusst, zumindest fast allen. - Ist aus Ihrer Sichtsichergestellt - allgemein gefragt -, dass bei die-sen Kooperationen deutsche Bürger nicht miss-bräuchlich überwacht werden können, weil wirvielleicht im BND technisch nicht stark genugsind, um das zu verhindern?

Zeuge Peter Altmaier: Na ja, eine absolute Si-cherheit kann es nicht geben. Aber was ich bestä-tigen kann, ist, dass die Mitarbeiter des BND dasihnen Mögliche und das Menschenmögliche tun,um deutsche Bürgerinnen und Bürger zu schüt-zen. Dazu gibt es Strategien; dazu gibt es Metho-den. Das ist auch, glaube ich, in den Unterlagen,die wir Ihnen vorgelegt haben, alles beschrieben.

Aber es kann trotzdem Fälle geben, wenn bei-spielsweise - - Jetzt nehme ich mal an: Der Bürger

Page 124: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 124 von 193

des Staates A, der hier geboren ist, der die deut-sche Staatsangehörigkeit erworben hat - - Oder:Ein Deutscher wandert aus, vererbt die deutscheStaatsangehörigkeit weiter; irgendwann ist derTräger der deutschen Staatsangehörigkeit inzweiter oder dritter Generation jemand, der nichtmehr den deutschen Namen hat, der nicht mehrDeutsch spricht, sondern meinetwegen einen ara-bischen Namen oder einen chinesischen Namenoder einen anderen Namen hat und eine Sprachespricht, die man jedenfalls - - hinter der man kei-nen Deutschen vermutet. Dann ist es sehr, sehrschwer, zu identifizieren, dass der Deutscher ist,zumal er vielleicht sogar sich dieser deutschenIdentität gar nicht bedient persönlich.

Insofern: Eine hundertprozentige Sicherheit kannes nicht geben, und trotzdem arbeitet der BNDmit Hochdruck daran, diese Verpflichtungen zuerfüllen. Und wenn ich mir angeschaut habe, wieviele Selektoren - auch unter dem GesichtspunktG 10 - ausgesondert wurden, dann glaube ich,dass die Arbeit nicht völlig erfolglos ist.

Also, ich gehe von einem hohen Schutz aus, aberich kann Ihnen nicht garantieren, dass nicht maldas eine oder andere geschieht. Dann geschiehtes aber versehentlich und nicht bewusst.

Nina Warken (CDU/CSU): Es gab im Mai 2015Presseberichte über erste Hinweise, dass nebender NSA auch die Nachrichtendienste andererLänder die Kooperation mit dem BND einschrän-ken. Können Sie uns dazu was in öffentlicher Sit-zung erklären, ob das zutreffend ist?

Zeuge Peter Altmaier: Na ja, in dieser Pauschali-tät natürlich nicht, sondern es ist sehr genau be-obachtet worden - übrigens nicht nur von Nach-richtendiensten, auch von Regierungen -, wie dieDiskussion hier in Deutschland abläuft. Und ichhabe ja auch mit meinen Konterparts in anderenHauptstädten - nicht nur mit einem, sondern mitmehreren -, mit Abgeordneten aus nationalenParlamenten, mit Ministerkollegen über allediese Fragen sprechen können, und es ist schonso, dass vielfach der Eindruck entstanden ist,dass bei uns sehr, sehr sensible Fragen der inne-

ren Sicherheit und der Nachrichtendienste ziem-lich schnell und ziemlich umfassend öffentlichwerden.

Ich sage das, Herr Hahn, bewusst nicht als Vor-wurf gegen Sie. Ich bestätige, dass es auch Durch-stechereien schon gegeben hat, wo Sie überhauptgar nicht in den Verdacht kommen konnten, weilSie diese Infos nicht hatten, weil es nicht unter-suchungsgegenständlich war, sondern andere Be-reiche betroffen hat. Aber es hat auch schon wel-che gegeben, wo Sie die Infos hatten, und auchdann sage ich nicht: Das waren Sie oder Sie oderSie oder irgendeiner. - Ich kann es nicht wissen,und ich weiß es nicht. Aber der Umstand, dass soviel öffentlich wird, unterscheidet uns von derÖffentlichkeit in anderen europäischen und au-ßereuropäischen Ländern.

Ich war mit Herrn Ströbele und mit ThomasOppermann mal in den USA, und dann habenwir uns über das System der dortigen nachrich-tendienstlichen Kontrolle informieren lassen.Und das war hochspannend. Da gab es eine Gangof Eight und eine Gang of Six; das waren die Vor-sitzenden der Kontrollausschüsse im Senat undim Repräsentantenhaus; das waren wenige Frak-tionsvorsitzende. Und das Ergebnis ist, dass dortrelativ wenig rausgekommen ist in der Vergan-genheit.

(Dr. Konstantin von Notz(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-

NEN): Na ja!)

Dieses System hätten wir natürlich auch inDeutschland einführen können; aber ich kennekeine politische Fraktion im Deutschen Bundes-tag, die sich dafür starkgemacht hat. Das ist eineEntscheidung des Parlamentes, wie die Nachrich-tendienste parlamentarisch kontrolliert werden.Das ist im PKGr- - auch niedergelegt.

So, und deshalb ist es für uns sehr, sehr wichtig,dass wir eben nicht am Ende ein Image bekom-men, dass Informationen, die an Deutschlandweitergegeben werden, dort nicht sicher sind,weil das fatale Folgen haben könnte. Ich habeeben noch, als ich kam, im Vorbeigehen dasLetzte gehört, was Herr Fritsche zu der einen

Page 125: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 125 von 193

Frage gesagt hat, wo er gesagt hat: Na ja, wir glau-ben jetzt nicht, dass die Zusammenarbeit dras-tisch eingeschränkt ist. Wir können allerdingsnicht wissen, welche Informationen ein Sach-bearbeiter bei einem befreundeten Dienstweitergibt oder vielleicht nicht weitergibt, weil erder Auffassung ist, dass er damit seine eigenenInteressen gefährdet. - Aber insgesamtfunktioniert die Zusammenarbeit, und wir habenein großes Interesse, dass sie weiter funktioniert.

Nina Warken (CDU/CSU): Dann kann man sagen:Die Situation hat sich auch ein bisschen ent-spannt mittlerweile wieder zu dem - - Also, esgab damals auch eine Anfrage des Kollegen vonNotz, auf die die Bundesregierung auch schrift-lich geantwortet hat und sinngemäß gesagt hat,dass es eben deutliche Anzeichen gebe, dasswichtige Partner die Zusammenarbeit auf denPrüfstand stellen. Die Frage wäre, was es für An-zeichen gab und ob sich das dann weiterentwi-ckelt hat innerhalb des Untersuchungszeitraums.Können Sie dazu noch was sagen?

Zeuge Peter Altmaier: Nein. Es hat diese Be-fürchtung bei Partnerdiensten, aber auch bei Part-nerregierungen tatsächlich gegeben. Das kann ichaus eigenem Erleben bestätigen, bitte aber umVerständnis, dass ich keine Einzelheiten nennenmöchte.

Jetzt ist es so, dass die Durchstechereien - undnoch mal: ich verbinde das nicht mit einemSchuldvorwurf an irgendeinen, weil ich nichtweiß, von wem sie kommen, und sie kommenvermutlich auch nicht von einem oder einer, son-dern - - Das ist ja gerade das Problem. Sie sindauch seltener geworden, weil die wesentlichenDinge ja alle bekannt sind inzwischen, öffentlich.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Und das Zweite ist, dass die Notwendigkeit derZusammenarbeit durch das Wiederaufleben desinternationalen Terrorismus und insbesonderedas Vordringen des IS, durch die Anschläge inFrankreich - Charlie Hebdo und Stade deFrance -, durch den Anschlag auf dem Breit-scheidplatz und die Vorgänge in Ansbach und inWürzburg, durch den verheerenden Anschlag in

Brüssel und viele andere mehr - - ist die Notwen-digkeit einer Zusammenarbeit noch mal viel stär-ker in den Fokus gerückt. Und ich glaube, dassdas auch dazu beiträgt, dass die Zusammenarbeitin der Sache besser wird. Wir haben auf euro-päisch- - übrigens nicht nur ein Interesse anZusammenarbeit mit der NSA und mit Five-Eyes-Staaten, wir haben auch ein hohes Interesse anZusammenarbeit und Datenaustausch im euro-päischen Bereich. Da haben wir die Situation,dass die Tätigkeit der Nachrichtendienste nichtin den Geltungsbereich des EU-Vertrages fällt,weil kein Mitgliedstaat dazu bereit gewesenwäre, so etwas zu tun seinerzeit, und dass des-halb diese Zusammenarbeit stattfinden muss zwi-schen den einzelnen Nachrichtendiensten in be-sonderen Formaten. Es gab mal vor einiger Zeit -das hat man, glaube ich, umbenannt; das hießmal SITCEN - - Das habe ich noch als Staats-sekretär in Brüssel besucht. Das war so eineKeimzelle einer solchen Kooperation. Das ist inder Zwischenzeit weitergegangen und ist heutewesentlich besser, als es vor zehn Jahren war.

Nina Warken (CDU/CSU): Gut, dann würde ichan den Kollegen abgeben. - Vielen Dank.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Ja, Herr Bun-desminister, ich würde bei dem Thema „BND-ei-gene Erfassung“ noch ein bisschen weitermachenwollen, das Thema ein Stückchen vertiefen. Dashatten wir vorhin auch mit dem StaatssekretärFritsche gehabt, und zwar noch mal mit Blick aufdas allgemeine Auftragsprofil der Bundesregie-rung.

Wenn wir also jetzt sehen, dass hier NATO- bzw.EU-Staaten oder Einrichtungen aufgeklärt wur-den: Wie ist hier Ihre rechtliche oder politischeBewertung, sofern sich das in dem allgemeinenAuftragsprofil der Bundesregierung widerspie-gelt? Ist es dann möglich und richtig, auch EU-und NATO-Staaten aufzuklären?

Zeuge Peter Altmaier: Das Auftragsprofil ist jaein Dokument, was lebt und was in Abständenvon ein, zwei oder drei Jahren, manchmal auchvier oder fünf Jahren, überarbeitet und neu ge-fasst wird. Dieses Auftragsprofil ist die Grund-lage, an die sich alle halten müssen. Es sagt den

Page 126: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 126 von 193

Nachrichtendiensten auch, auf welche Informa-tionen und auf welche Art der Arbeit wir Wert le-gen. Wir haben aber, wenn ich das so sehe, mitdem bislang gegoltenen Auftragsprofil offenbarnicht verhindern können, dass Personen und In-stitutionen aufgeklärt wurden, von denen wirnicht wollten, dass sie aufgeklärt werden. Des-halb haben wir auch eine Konsequenz gezogenund haben im neuen BND-Gesetz zum ersten Maldazu Aussagen aufgenommen. Das ist ein erster,aber wichtiger Schritt.

Und wir haben bei der Überarbeitung des Auf-tragsprofils ebenfalls Konsequenzen gezogen,und es hat, wie gesagt, zusätzlich noch eine klareAnsage gegeben, nicht nur durch die Kanzlerin,sondern durch Herrn Pofalla und in den letztendrei Jahren durch mich - - das aus meiner Sichtuns heute besser davor schützt, dass die falschenPersonen und Institutionen aufgeklärt werden,und das uns trotzdem eine hinreichende Flexibi-lität gibt, zum Beispiel in Krisenregionen und an-derswo die notwendige Aufklärungsarbeit zu be-treiben.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Okay, das heißtim Ergebnis also, im Fall von Proliferation oderÄhnlichem oder organisierter Kriminalität kannich natürlich auch bei diesen NATO- und EU-Partnern weiterhin aufklären.

Zeuge Peter Altmaier: Das muss im Einzelfallentschieden werden.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Okay. - Nochmal mit Blick auf die Dienst- und Fachaufsicht:Ich will mich da jetzt nicht im vollen Umfang derBewertung vom Kollegen Hahn in dem langenStatement anschließen, aber Fakt ist ja - das ha-ben wir ja auch gemeinsam erörtert -, dass bei-spielsweise die Weisung von Ihrem Amtsvorgän-ger am 28. Oktober 2013 ja nicht - - Ja, darüberwurde schlecht informiert, teilweise gar nicht in-formiert.

Wir haben ja - das hat Kollege Hahn auch ange-sprochen - durchaus entscheidende Informations-defizite und unseres Erachtens auch organisatori-sche Defizite, insbesondere eben bei der Dienst-und Fachaufsicht des BND in der Abteilung 6 des

Kanzleramtes, kennenlernen müssen. Es ist daeine ganze Menge unentdeckt geblieben, was imBND gelaufen ist.

Da würde uns natürlich interessieren, zum einen,wie Sie das beurteilen, die Qualität der Dienst-und Fachaufsicht in Ihrem Hause, und zum zwei-ten, ob Sie konkrete strukturelle Defizite dazu imBundeskanzleramt sehen.

Zeuge Peter Altmaier: Vielen Dank. - Niemandkann uns hindern, klüger und besser zu werden.Das ist eine ständige Herausforderung. Wir habenauf die Erkenntnisse, die wir hatten, reagiert. Diewichtigste Maßnahme, die wir ergriffen haben,war die Berufung von Herrn Fritsche zum beam-teten Staatssekretär und der damit verbundene,auch personelle Aufwuchs in der zuständigenAbteilung im Kanzleramt.

Im Übrigen ist es so, dass natürlich das Funktio-nieren jeder Dienst- und Fachaufsicht davon ab-hängig ist, dass die Geschäftsbereichsbehörde,um die es geht, all das nach oben meldet, was sienach oben melden muss. Die Dienst- und Fach-aufsicht bedeutet nicht, dass man staatsanwalt-schaftliche Befugnisse hat, unangekündigt zu er-scheinen und die Akten zu durchsuchen undmitzunehmen, sondern das ist eine Zusammenar-beit, die in zwei Richtungen geht, zum einen,dass die Fachbereichsbehörde die notwendigenInformationen liefert, auch über Probleme undüber Dinge, die nicht so funktionieren, wie siesollen, und dass umgekehrt die Dinge, die an unsherangetragen werden, aufgegriffen und geprüftwerden.

Wir bekommen zum Beispiel - das erleben wir jaauch im PKGr - zur Arbeit der Dienste ständigHinweise. Manche sind mit Namen versehen, an-dere sind eher anonym. Dann ist es für uns natür-lich immer auch Anlass, den Dingen nachzuge-hen. Das macht auch die Fachabteilung. Aber esnie - das habe ich eingangs gesagt - - Wir werdenniemals imstande sein, neben jeden Mitarbeiterim BND einen Mitarbeiter der Abteilung 6 zustellen, der ihm über die Schulter schaut und beider Arbeit zuguckt. Aber wir können organisato-

Page 127: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 127 von 193

risch die Dinge so machen, dass sie nachvollzieh-bar sind. Das ist, glaube ich, zu einem erhebli-chen Teil auch gelungen.

Ich bin niemand, der voreilig irgendwo perso-nelle Konsequenzen zieht, weil ich glaube, dassauch die Expertise unserer Mitarbeiter ein hohesGut ist, das wir nicht verschwenderisch behan-deln dürfen. Aber es ist schon so, dass wir ge-lernt haben. Und ich hoffe, dass auch die Kolle-ginnen und Kollegen im BND gelernt haben. Ichbin mir sicher, dass das für die allermeisten vondenen gilt.

Ich glaube natürlich - das will ich dann an dieserStelle politisch sagen -, dass der Untersuchungs-ausschuss, auch wenn er zum eigentlichen Unter-suchungsgegenstand zum Bedauern von Herrnvon Notz und Herrn Hahn und manchen anderennicht die Sensationen erbracht hat, die man sicherhofft hat - - Aber die Arbeit hat schon dazu ge-führt, dass wir Defizite erkannt haben und dasswir diese Defizite abstellen. Insofern bedanke ichmich ausgesprochen. Ich weiß, welche Arbeit da-mit für Sie in diesen drei Jahren verbunden war.Das war nicht immer nur vergnügungssteuer-pflichtig. Aber wir haben durch diese Arbeitselbstverständlich auch viele Punkte entdeckt,wo wir dann Veränderungen vorgenommen ha-ben.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Herr Bundes-minister, existieren denn jetzt schriftliche Wei-sungen des Kanzleramtes hinsichtlich dessen,welche Themen vorzulegen sind bei Kooperatio-nen, bei Rechtsfragen? Mich würde persönlicheinfach noch ein Stückchen konkreter interessie-ren, welche Maßnahmen jetzt eigentlich getroffenwurden, damit diese Defizite, die Sie ja auch ge-rade beschrieben haben, die wir hier im Aus-schuss herausgefunden haben, aufgearbeitet wer-den.

Zeuge Peter Altmaier: Ja, wir haben selbstver-ständlich Anweisungen gegeben, und zwar prak-tisch von dem zweiten oder dritten Tag an, nach-dem damals die Selektorenliste bekannt gewor-den ist. Es gibt mündliche Anweisungen. Es gibtschriftliche Berichte, die uns vorgelegt worden

sind. Es gibt im Auftragsprofil der Bundesregie-rung - - Im BND-Gesetz haben wir Änderungenvorgenommen. Ich glaube, dass wir das alles ge-macht haben. Ich kann Ihnen gerne für das Proto-koll noch mal die genaue Aufzählung dieserMaßnahmen vorlegen. Ich habe sie hier in mei-nem Sprechzettel irgendwo drin, weil es mir dieMitarbeiter aufgeschrieben haben. Ich will jetztaber nicht zu lange in den Papieren blättern, aberes ist umfassend behandelt worden.

(Der Zeuge blättert inseinen Unterlagen)

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Gut. Wenn wirdann doch mal die Übersicht haben - ich weißnicht, ob man das noch erreichen kann odernicht - - Aber es wäre natürlich für uns schonhilfreich und wichtig.

Zeuge Peter Altmaier: Ja.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Dann darf ichnoch mal auf einen Punkt eingehen, der schonein Stück angesprochen wurde. Das war also dieAmtsübergabe vom Herrn Pofalla zu Ihnen, dannauch noch mal mit Blick auf den 28. Oktober2013. Nun war ja in diese ganze Problematikauch der Abteilungsleiter 6, der Herr Heiß, letzt-lich involviert und verwickelt. Wir hatten dasden Staatssekretär Fritsche vorhin schon gefragt.Auch der wurde ja nicht informiert vom HerrnHeiß über die Weisung Ihres Vorgängers mitBlick auf die BND-eigenen Selektoren.

Haben Sie noch mal mit dem Herrn Heiß gespro-chen, warum er Ihnen das damals nicht mitgeteilthat, obwohl er das ja eigentlich zum damaligenZeitpunkt schon wusste? Fehlte ihm da Gespürfür die Problematik? War das Thema zwischenIhnen und dem Herrn Heiß?

Zeuge Peter Altmaier: Nein, das hat Herr Heiß,glaube ich, auch so ausgesagt. Ich kann michauch nicht erinnern, dass Herr Heiß mich daraufangesprochen hat. Ich habe allerdings eben auchgesagt, dass ich davon erfahren habe, entwedervon Herrn Schindler oder von jemand anderem,der es wusste; das kann ich nicht rekonstruieren.Aber mir war der Vorgang bekannt, als wir im

Page 128: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 128 von 193

Frühsommer 2015 dieses Thema „Beifang“ hat-ten.

Ich habe dann aber zu diesem Vorgang jetzt garkeinen Anlass gesehen, tätig zu werden; denn daswar nach dem Motto - - Das war ja sozusagen - -Es galt ja als gelöst. Die Weisung von HerrnPofalla galt als umgesetzt. Und das Problemschien sich zu beschränken auf einige Botschaf-ten, insbesondere in Krisenregionen. Damit wardas sozusagen ein abgeschlossener Vorgang.Punkt! Also, ich hatte gar keinen Grund, denHerrn Heiß darauf anzusprechen.

Sie müssen sich die Arbeit im Kanzleramt auchso vorstellen, dass immer genügend davon vor-handen ist. Es gibt einen hohen Kommunika-tionsbedarf, nicht nur mit allen Abteilungsleiternund Referatsleitern, sondern mit Abgeordneten-kollegen, mit Ministerkollegen, mit Staats-sekretärskollegen. Und ich bemühe mich, soweitmir das mit meinen Möglichkeiten gegeben ist,wichtige Themen zu identifizieren und inwichtigen Themen tätig zu werden. Das ist meineAufgabe.

Diese Frage hier, dass der BND offenbar in derVergangenheit Botschaften in Krisenregionen ab-gehört hatte, war durchaus ein wichtiges Thema.Aber es war zu dem Zeitpunkt, wo ich es erfah-ren habe, gelöst. Deshalb war es für mich jetztkein Gegenstand, noch mal tätig zu werden, zu-mal dieses Thema auch nicht untersuchungs-ausschussgegenständlich war - zum damaligenZeitpunkt; heute ja, aber zum damaligenZeitpunkt nicht.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Gut. - Jetztmüssten wir zur nächsten Fraktion kommen. Esbeginnt Herr Kollege Ströbele, glaube ich. Ichsehe keinen, der zum Mikro greift. - Herr KollegeStröbele für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Wir mussten erst mal anderthalb oder zweiStunden warten, aber gut. - Herr Altmaier, als Siediese neue Aufgabe Ende 2013 bekommen haben,da kamen Sie ja jetzt nicht vom Fach, also nicht

aus dem Bereich der Sicherheit und der Nach-richtendienste, sondern Sie kamen aus dem Um-weltministerium.

Zeuge Peter Altmaier: Mhm.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Sie haben ja vorhin geschildert, dass Sievon Herrn Pofalla in zwei oder mehreren Bespre-chungen informiert wurden über das Prozedereund darüber, wie das da alles so läuft. Mich inte-ressiert, wie Sie inhaltlich, als Sie dann ab De-zember tätig waren, eine Kontinuität hergestellthaben. Also, sind Sie zum Beispiel - - Sie habenja selber mehrfach darauf hingewiesen: Da drohteoder war in Aussicht ein Untersuchungsaus-schuss. Es war klar, dass davon vor allen Dingender Bundesnachrichtendienst und auch dasKanzleramt befasst oder Thema werden würden.

Wie haben Sie sich informiert über die Auffas-sung im Bundeskanzleramt, beispielsweise zuder Frage: „Welche Erkenntnisse haben wir, undwelche Auffassung haben wir darüber, dass dasHandy der Kanzlerin abgehört worden ist?“? IstIhnen - - Ich nehme mal an, Sie haben das vorherin der Zeitung mitverfolgt als Minister. Aber jetztwollten Sie doch - - Also, wenn ich dahin gekom-men wäre, hätte ich erst einmal gefragt: Wie istdenn da jetzt der Stand?

Zeuge Peter Altmaier: Ja, ich habe mich selbst-verständlich über diese Fragen informiert. Geradebei dem Kanzlerinnenhandy war es ja auch so,dass es, soweit ich weiß, ein staatsanwaltschaftli-ches - - oder sogar von der Generalstaatsanwalt-schaft - das weiß ich nicht mehr auswendig - Vor-ermittlungen gegeben hat.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): GBA war das.

Zeuge Peter Altmaier: Ja, GBA, so. - Das alles istmir selbstverständlich vorgelegt worden. Selbst-verständlich habe ich mir das, was wir hatten,auch angeschaut und versucht, es einzuschätzen.Nur, es war halt eben nicht so schrecklich viel,was wir hatten. Und deshalb - - Aber ich habemich damit auseinandergesetzt, so wie ich mich

Page 129: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 129 von 193

übrigens auch mit allen anderen Fragen, die die-sen Untersuchungsausschuss betroffen haben, an-lässlich der Aktenübergabe auseinandergesetzthabe, -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, aber - -

Zeuge Peter Altmaier: - weil es mich persönlichinteressiert hat und weil ich verstehen wollte,was vorgegangen ist, und weil ich mir auch eineigenes Urteil bilden wollte über das, was viel-leicht besser oder schlechter gelaufen ist.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Welche - -

Zeuge Peter Altmaier: Da gab es zum Beispieleine Operation - das will ich nur sagen -, die istgeplant worden, aber nicht zustande gekommen.Da ging es auch um die Frage: Wann wusste - -Wann hat der BND das Kanzleramt darüber infor-miert? So. Darüber habe ich mich natürlich mitdem Präsidenten des BND unterhalten, obwohldie Operation nicht zustande gekommen war undschon vor meiner Amtszeit eingestellt war. Aberes hat mich interessiert.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Was war denn dann die Meinung, dieSie vorgefunden haben und die Sie sich selbergebildet haben, über das Handy der Kanzlerin?Waren Sie der Auffassung: „Das ist wohl so“? Ichwill jetzt gar nicht die einzelnen Informations-quellen abfragen, sondern eine zusammenfas-sende Beurteilung. Welcher Meinung waren SieEnde des Jahres 13?

Zeuge Peter Altmaier: Also, ich war Ende desJahres 13 - ich kam drei oder vier Tage vor Weih-nachten ins Amt, das war am 18. Dezember, am24. war Weihnachten - - So. Es war eine Vielzahlvon Dingen zu regeln, von der Frage der amtli-chen Reihenfolge der Minister und wer wo aufder Regierungsbank sitzt bis hin zu der Frage,welche Abteilungsleiter und Staatssekretäre inden Ruhestand versetzt werden von den einzel-nen Ministern. Also, es gab viel Arbeit.

Dann war für mich sehr erhellend - darüber kannich offen sprechen, weil es eine offene Rede war -die Rede von Präsident Obama Anfang 2014. Undin dieser Rede Anfang 2014 hat er in aller Offen-heit - - Da waren für mich bestimmte Rück-schlüsse denkbar, weil er nämlich sagte: Wir hö-ren die Kommunikation von befreundeten Staats-und Regierungschefs jetzt und künftig nicht ab. -Daraus habe ich für mich den Schluss gezogen,dass für die Vergangenheit keine Aussage getrof-fen wurde, dass das vielleicht seinen Grund hat.

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Richtig!)

Wir entschuldigen uns nicht, dass wir bessersind als andere. - Daraus habe ich für mich denSchluss gezogen, dass ich aus dem Umstand,dass das Handy der Kanzlerin nicht abgehörtwird, nicht schließen kann, dass automatisch alleanderen Regierungshandys nicht abgehört wer-den.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. Kann man unterm Strich - ich habeauch nur wenige Minuten - sagen, Sie waren we-gen der Äußerungen von Obama und dem, wasSie da erfahren haben, der Auffassung: „Also, eswird schon so gewesen sein, dass das Kanzlerin-nenhandy bis zu dem Zeitpunkt, vielleicht bis zudem Telefonat abgehört wurde“?

Zeuge Peter Altmaier: Nein, ich habe es nichtausgeschlossen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ausschließen kann man nie.

Zeuge Peter Altmaier: Ich hatte auch keinenGrund, darüber zu spekulieren. Aber ich kannmir vorstellen, dass die Kommunikation von Re-gierungsmitgliedern für eine ganze Reihe vonNachrichtendiensten möglicherweise interessantist und dass man solche Kooperationen und dassman solche Kommunikationen auf unterschied-lichste Art und Weise sozusagen auch abfangenkann.

Was ich damals noch nicht so genau wusste, weilich es mir erst im Laufe der Zeit angeschaut und

Page 130: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 130 von 193

auch angeeignet habe, war die Frage, wie dasdenn technisch geht mit der Erfassung und derAusleitung von Daten und der Steuerung von Se-lektoren. Das alles habe ich im Laufe der Zeit ge-lernt.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Peter Altmaier: Aber das haben ja meineVorgänger im Amt nach ihrer eigenen Aussage inihrer Amtszeit auch nicht alles im Detail über-schaut, weil es nicht aktuell war und nicht an sieherangetragen wurde.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, das hatten Sie schon erzählt. - Jetzthatte die Kanzlerin - das haben Sie wahrschein-lich auch in der Zeitung gelesen; vielleichtwurde Ihnen auch noch mal berichtet - mehrfach,aber vor allen Dingen dann am 24. Oktober - dawaren Sie nur noch nicht da - sehr drastische Äu-ßerungen im Fernsehen gebracht - aus Brüssel,also gar nicht mal hier aus Deutschland - anläss-lich eines netten Interviews, offenbar sehr enga-giert und sehr dahinterstehend und vielleichtauch empört: Abhören oder Ausspähen unterFreunden, das geht gar nicht.

Zeuge Peter Altmaier: Ja.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Lag das auf der Linie? Also, auch dieKanzlerin geht davon aus, dass da was dran ist?Das ist vielleicht nicht hundertprozentig sicher,aber - -

Zeuge Peter Altmaier: Das müssen Sie mit ihrdiskutieren.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, das tun wir auch.

Zeuge Peter Altmaier: Aber ich kann einen Punktnennen, wo ich sehr früh beschäftigt war. Daswar nämlich die Abgabe der Regierungserklärungder Bundeskanzlerin. Dort hat sie ja noch malihre Aussagen konkretisiert und wiederholt. Daswar, glaube ich, Ende Januar oder Anfang Fe-bruar. Das heißt also, dass wir sagen: Wenn das

alles so gewesen sein sollte, dann war es nicht inOrdnung.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aber das „Wenn“ hat sie ja nicht gesagt,sondern sie hat das ziemlich drastisch geäußert.Aber wir wollen nicht ins Einzelne gehen.

Wie war denn überhaupt die Auffassung, dieIhnen berichtet wurde, im Kanzleramt oder auchvon der Leitung des BND, zu Edward Snowden?Wurde Ihnen vermittelt, dass die Dokumente allezweifelhaft sind, möglicherweise Fake sind odergefälscht oder nachgemacht sind? Oder wurdeIhnen gesagt: „Es stellt sich immer mehr heraus -auch die Reaktion der Amerikaner deutet daraufhin -: Das ist wohl echt“? Das ist ja eine wichtigeFrage.

Zeuge Peter Altmaier: Ja. Mir wurde vermittelt,dass die Dokumente von unterschiedlicher Quali-tät und Güte waren. Es sind im Laufe der Zeit,wahrscheinlich auch nicht nur aus dem Fundusvon Herrn Snowden, unterschiedliche Dinge ver-öffentlicht worden. Nicht alle waren falsch, nichtalle waren unzutreffend.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Gab es denn falsche?

Zeuge Peter Altmaier: Nein. Und umgekehrt sindauch nicht alle Dokumente gleichermaßen aussa-gekräftig. Ich habe das mal in einem Interview imSpiegel gesagt.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Peter Altmaier: Da sind Snowden-Doku-mente veröffentlicht worden. Da standen alsNummern drin, die abgehört werden, beispiels-weise die Nummern von Ministern und Vorzim-mern von Ministern und Kanzleramtsministers.Das alles stand da drin. Das hat, glaube ich, dieSüddeutsche Zeitung zusammen mit dem Nord-deutschen Rundfunk gebracht.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aber war Falsches drin?

Page 131: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 131 von 193

Zeuge Peter Altmaier: Nun ist es so: Wenn Sie ir-gendwo in einem Dokument lesen, dass die Num-mer des Kanzleramtsministers so und so ist: Daskönnen Sie auch rauskriegen übers Internet oderwenn Sie meinen Briefkopf irgendwo mal genaulesen. Da steht die Telefonnummer nämlich drin.Das sagt dann natürlich noch nichts darüber aus,ob dieses Telefon tatsächlich abgehört wordenist.

Dann gibt es im Bereich SIGINT ganz unter-schiedliche Möglichkeiten. Das eine ist, Sie grei-fen an der Quelle zu. Das ist aber nach meinerEinschätzung in den Fällen, von denen wir heutereden, nicht in erster Linie der Fall; denn es gehtja um Selektoren, wie wir inzwischen wissen.Und Selektoren werden eingesetzt, um bestimmteKommunikationen zu überprüfen im Hinblickauf Inhalte und Nummern.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, das weiß ich alles.

Zeuge Peter Altmaier: So. Das kann zum Beispielbedeuten, wenn ich als Kanzleramtschef telefo-niere, dass mein Telefon völlig in Ordnung ist,aber dass ich irgendwo in einem Land anrufe, wozufällig irgendein anderer ausländischer Nach-richtendienst diese Leitung mit einem Selektorsteuert. Dann kann es durchaus sein, dass meineGespräche mitgeschnitten werden.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, das ist mir alles bekannt, Herr Altmaier.Mich interessiert einfach, welche Auffassung be-stand - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Jetzt müsstenwir aber wieder wechseln, weil leider schon zehnMinuten rum sind, Herr Kollege Ströbele.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ich meine, er redet die ganze Zeit.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ja, das ist dieAufgabe des Zeugen.

(Heiterkeit)

Zeuge Peter Altmaier: Das wird aber nicht ange-rechnet auf Sie.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Er wiederholt das, was er schon dreimalgesagt hat. Ich würde gerne meine Fragen beant-wortet haben.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das müssenSie in der nächsten Runde versuchen. Denn jetztstellt die Fraktion der SPD die nächsten Fragen.Herr Kollege Flisek.

(Hans-Christian Ströbele(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-

NEN): Dann dauert es ebenlänger!)

Christian Flisek (SPD): Herr Altmaier, ich würdeganz gerne noch mal auf einen Bereich zu spre-chen kommen, den Sie auch selber angesprochenhatten. Das war ja damals Ihr Schreiben in Bezugauf die Frage: Wo gibt es eventuell eine Durchste-cherei und wo nicht? Ich würde Sie mal ganzgerne fragen. Sie wissen ja, wir haben eine Reiseals Untersuchungsausschuss in die USA ge-macht. Wir sind dort eigentlich in dem Wissenhingefahren, dass es noch einen Konsultations-prozess mit der US-Seite gibt.

Wir hatten dort auch in den Gesprächen vor Ort -wir haben zumindest die führenden Köpfe im Re-präsentantenhaus, was die Geheimdienstkon-trolle betrifft, treffen können; im Senat war dasdann nicht möglich - immer wieder mehr oderweniger freundliche Andeutungen gehabt, dassman uns sozusagen eben, ich sage mal, nichttrauen könne; alles, was man da sagt, das seisozusagen morgen gleich in der Zeitung. - Wirkonnten das bei diesen Gesprächen nicht wirk-lich einordnen. Und wir haben dann im Nach-gang erfahren, dass das Konsultationsverfahren jabeendet worden war. Jetzt will ich Sie ganz gernefragen: Warum haben wir das nicht vor der Reiseerfahren?

Zeuge Peter Altmaier: Das Konsultationsverfah-ren zu den Dokumenten oder zu der Selektoren-liste? Welches meinen Sie?

Page 132: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 132 von 193

Christian Flisek (SPD): Das Konsultationsverfah-ren, ich denke mal, was ausgesetzt wurde.

Zeuge Peter Altmaier: Was ausgesetzt wurde.

Christian Flisek (SPD): Ja, genau.

Zeuge Peter Altmaier: Das kann ich jetzt nichtnachvollziehen. Aber ich habe selbst erfahren,dass es ausgesetzt ist, habe auch die Begründungerfahren. Ich gehe eigentlich davon aus, dass manSie darüber informiert hat. Ich weiß aber nicht,ob das geschehen ist.

Christian Flisek (SPD): Wir haben das hier ei-gentlich erst mit einem Jahr Verzögerung erfah-ren.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dazu kannHerr Wolff etwas sagen.

MR Philipp Wolff (BK): Sie haben es ja intensivin einer Beratungssitzung geklärt - da war, glaubeich, auch Herr Staatssekretär Fritsche anwesend -und darüber diskutiert. Ich glaube, dass derZeuge dazu tatsächlich auch in seinem Zeugen-status weder wahrscheinlich aussagefähig ist, wieer gerade gesagt hat, und ich gehe auch davonaus, dass das eher ein Fall für eine Beratungssit-zung wäre.

Christian Flisek (SPD): Dass das was ist?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ein Fall füreine Beratungssitzung.

MR Philipp Wolff (BK): Dass das eher ein Fall füreine Beratungssitzung nochmals wäre, weil dasist jetzt wirklich die Durchführung des Konsulta-tionsverfahren und weniger die Frage des Unter-suchungsgegenstandes.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Aha.

Christian Flisek (SPD): Ich frage Sie hier jetzt au-ßerhalb einer Beratungssitzung, Herr Altmaier,einfach als Zeuge natürlich über Ihre Wahrneh-mung. Insofern an Sie gerichtet die Frage: Sind

Sie mit der Thematik, wann wir über die Ausset-zung des Konsultationsverfahren informiert wer-den sollen, befasst?

Zeuge Peter Altmaier: Ich bin mit dem ThemaKonsultationsverfahren befasst gewesen, kannaber aus eigenem Erleben jetzt nicht sagen, ers-tens, wann sie informiert wurden und zweitens,ob das zu spät war oder wie viele Tage zu spät.Das kann ich Ihnen nicht sagen.

Christian Flisek (SPD): Gut. Dann lassen wir dasan dieser Stelle dabei. - Aber noch mal auch zudem Komplex selber. Ein solches Konsultations-verfahren ist ja nur deswegen erforderlich, weilbei den Vereinbarungen, die die Dienste mitei-nander über ihre Kooperation treffen - Sie habenes bereits angesprochen - eine sogenannte ThirdParty Rule oder -Klausel existiert, also sinn-gemäß, dass das Material des jeweiligen Diensteseiner dritten Seite nur dann übermittelt werdendarf, wenn die jeweilige Seite, von der das Mate-rial kommt, zustimmt.

Jetzt frage ich Sie auch mal unter dem Blick aufdas, was wir jetzt hier gemacht haben: Kann eswirklich Sinn machen, dass die Bundesregierungvielleicht auch in Zukunft noch solche Koopera-tionsvereinbarungen billigt, wo genau solcheDrittparteienklauseln drinstehen, wenn man jetztsagt: „Die Bundesregierung stellt sich auf denStandpunkt, im Verhältnis zu ihr ist auch dasParlament und damit auch ein Untersuchungs-ausschuss dritte Partei“?

Zeuge Peter Altmaier: Ja, die Vereinbarungenmachen auf jeden Fall für die Zukunft Sinn, weilwir ansonsten viele Informationen nicht bekä-men, weil der Partner sagt: Wir vertrauen euchals Partnerdienst. Aber wir wollen nicht, dassdiese Information in dritte Hände gelangt, undzwar völlig egal, ob das Regierungsstellen sindoder ob es irgendeine NGO ist oder ob es wasauch immer ist. - Das ist die Voraussetzung dafür,dass wir diese Informationen bekommen.

Warum gibt es denn diese Third Party Rule? Siegibt es deshalb, weil die Informationen oftmalssehr sensibel sind und weil ihre unkontrollierte

Page 133: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 133 von 193

Verbreitung und Veröffentlichung Quellen ge-fährden könnte, weil es dazu führt, dass manArbeitsmethoden anderer Nachrichtendienste re-konstruieren und nachvollziehen kann, weil esdazu führt, dass bestimmte Quellen auch versie-gen, wenn es bekannt würde. Das hat dazu ge-führt, dass sich diese Praxis etabliert hat.

Sie ist sehr alt. Sie ist sozusagen einer der Grund-pfeiler der Zusammenarbeit der Nachrichten-dienste. Diese Zusammenarbeit ist heute wichti-ger denn je. Sie war auch schon in früheren Jah-ren wichtig. Aber angesichts der Globalisierungund der Globalisierung des Terrors und der Glo-balisierung von Proliferation und von organisier-ter Kriminalität und vielem anderen mehr kom-men wir ohne Zusammenarbeit mit anderenNachrichtendiensten nicht aus.

Christian Flisek (SPD): Jetzt würde ich Ihnenaber in der Einschätzung widersprechen wollen,dass so eine Klausel konstituierend ist für die Ko-operation. Es mag sein, sage ich mal, dass dieAmerikaner so viel Druck erzeugen können, dassdie Deutschen sich dem beugen. Aber wir habenaus unserer Arbeit gelernt, dass in den USA wie-derum - also mit Verlaub - kein Mitglied des Kon-gresses, was mit Geheimdienstkontrollfragen be-schäftigt ist, auf die Idee kommen würde: Ich binzufrieden, wenn meine Administration mir sagt,wir haben mit den Deutschen so eine Third PartyRule vereinbart. Deswegen müssen wir sie jetzterst fragen, ob wir es vorlegen dürfen. Wenn dieNein sagen, dann legen wir es euch nicht vor. -Da würde jedes Mitglied des Repräsentantenhau-ses und des Senats sagen: Sorry. Da lache ich malkurz.

Zeuge Peter Altmaier: Nein. Sie sind ja meingroßkoalitionärer, befreundeter Abgeordneter.

(Heiterkeit)

Trotzdem kann ich mir das jetzt nicht verkneifen:Genau das haben die USA respektiert, und zwargab es nach 9/11 eine Untersuchungskommis-sion. Da ging es um die Frage, ob bestimmte Do-kumente, die die USA erhalten hatten, dem Par-lament vorgelegt werden dürfen - ohne Zustim-mung des jeweils anderen. Da hat sich dann

herausgestellt, dass die USA eine Kommissiongegründet hatten, die der Exekutive zuzurechnenwar, und dass die Dokumente eben nicht an denSenat und ans Repräsentantenhaus gegeben wur-den, sondern nur an die Mitglieder dieser Kom-mission, die im Bereich der Exekutive angesie-delt war.

Das hat mich damals, als ich das nachvollzogenhabe aus den alten Akten - sie sind ja auch schon15 Jahre alt -, dazu inspiriert, diese Konstruktionmit Herrn Professor Graulich ins Auge zu fassen,wo man sagt: Das Informationsinteresse des Par-lamentes muss zwar so weit wie möglich aner-kannt und auch erfüllt werden, aber so, dass diegeschützte Nachricht im Herrschaftsbereich derExekutive bleibt. Das war der Grund, warum wirdafür, um Herr Graulich die Selektoren zu zei-gen, keine Zustimmung der amerikanischen Seitebrauchten. Wenn wir aber beispielsweise zuge-lassen hätten, das sie hier in diesem Untersu-chungsausschuss eingesehen werden, in wel-chem Verfahren auch immer, dann hätten wirdiese Zustimmung benötigt. Das Bundesverfas-sungsgericht hat ausdrücklich anerkannt, dassdies verfassungskonform war.

Christian Flisek (SPD): Sehen Sie denn in dieserKonstellation keine Problematik dahin gehend,dass die internationale Nachrichtendienstkoope-ration damit in einen kontrollfreien Bereich mün-den kann, in einen Bereich, der gerade über einesolche Klausel, wo man ja dann von der Zustim-mung des anderen Partners abhängig ist, jeweilsdazu führt, dass ganze Bereiche einer solchenKooperation einer parlamentarischen Kontrolleentzogen sind?

Zeuge Peter Altmaier: Es ist eine Herausforde-rung; das gebe ich gerne zu. Aber erstens hat dasKonsultationsverfahren in einigen Fällen ja auchdazu geführt, dass Unterlagen vorgelegt werdendürfen; das ist so. Zweitens sind Möglichkeiten,wie das Verfahren mit Herrn Graulich denkbar,wie man dem Informationsinteresse des Parla-mentes entgegenkommt. Und drittens ist die Kon-trolle dieser nachrichtendienstlichen Zusammen-arbeit dem Parlament und der Regierung gemein-sam anvertraut. Das heißt, auch die Regierung hateine Verantwortung, zu kontrollieren, wie die

Page 134: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 134 von 193

Nachrichtendienste mit ihren Partnerdiensten zu-sammenarbeiten. Und dort, wo wir alleine ent-scheiden können, da ist die Stellung des Parla-mentes eine stärkere, und dort, wo aus Gründender inneren und äußeren Sicherheit solche Ab-sprachen notwendig sind, ist die Rolle der Regie-rung eine stärkere.

Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir jedenfalls mitwichtigen Partnerorganisationen - und das sindnicht nur die Five Eyes; wir arbeiten ja mit sehrvielen Nachrichtendiensten weltweit zusam-men - - mit wichtigen Partnerdiensten bekämenwir ohne diese Regel diese Informationen nicht.Und wir würden auch unsere Informationennicht weitergeben, wenn es nicht eine solche Re-gel gäbe.

So, jetzt können Sie die Frage stellen und sagen:Ja, aber dort, wo Deutschland eine starke Stellunghat, weil wir mit einem Land zusammenarbeiten,das vielleicht viel kleiner und viel ohnmächtigerist und das im besonderen Maße auf die Zusam-menarbeit mit uns angewiesen ist, da könntenwir doch vielleicht einmal sagen, dass wir derenUnterlagen auch weitergeben müssen, können,ohne dass die zustimmen. - Ich glaube nicht, dasses funktionieren würde, und es wäre auch nichtrichtig; denn wir haben gemeinsam ein Interessedaran, sensible Informationen zu schützen, unddafür halte ich diese Regel für geeignet.

Christian Flisek (SPD): Ja, ich bin ganz bei Ihnen,dass wir nach wie vor Kooperationen brauchen.Ich glaube auch, dass aus diesen Kooperationensehr wichtige, zum Teil sehr sensible Informa-tionen herrühren. Ich glaube aber auch, dass wirsolche Kooperationen mittelfristig nur auf einetragfähige Basis stellen können in einer rechts-staatlichen Demokratie, wenn wir hier eine ent-sprechende Kontroll- und Aufsichtsdichte errei-chen, auch und gerade in solchen Kooperationen.Und da sage ich ganz offen - ich adressiere dashier -: Da mache ich mir eben Sorgen, wenn sozu-sagen über solche vertraglichen Klauseln - dassind ja nichts anderes als vertragliche Klauseln -ein Stück weit die vertragschließenden Parteiendarüber disponieren können, was überhaupt Ge-genstand einer Kontrolle sein kann und was

nicht. Das heißt, sie haben die Dispositions-macht, das dem Ganzen zu entziehen. Und inso-fern - wir reden ja auch darüber, wie wir die Ge-heimdienstarbeit in Zukunft mit einem hohenMaß an Legitimation versehen können; das ist,glaube ich, unser aller Interesse, sage ich mal - istdas einer der Bereiche, wo ich die allergrößtenBauchschmerzen habe, also die Frage: Wie kannich Kooperationen überhaupt einem Verantwort-lichkeitsregime unterstellen? Wir haben in derBND-Reform dazu die ersten wesentlichenSchritte gemacht. Aber wie kann ich es auch ei-ner Kontrolldichte unterziehen, die nicht dazuführt, dass die vertragschließenden Parteien sel-ber definieren können: Was ist drin, und was istnicht drin?

Zeuge Peter Altmaier: Ich halte ja die parlamen-tarische Kontrolle für notwendig. Allerdings ha-ben wir ja auch schon in der Vergangenheit im-mer anerkannt, dass nicht alles, was die Nach-richtendienste betrifft, auch einer öffentlichenKontrolle unterworfen sein muss. Deshalb habenwir zum Beispiel - das hat Herr Ströbele immerund immer wieder beklagt - im PKGr manche In-formationen mitgeteilt, die für Herrn Ströbelewohl hochinteressant waren, über die aber in derÖffentlichkeit nicht berichtet wurde, was er alssehr unbefriedigend empfunden hat. Aber es warein Weg, eine solche Kontrolle zu ermöglichen,und zwar nicht für alle Parlamentarier gleicher-maßen, sondern für das damit beauftragte Gre-mium des Deutschen Bundestages, das wir getrof-fen haben.

So, und nun ist es ganz offenbar so, dass wirnicht wissen, woher die Indiskretionen kommen,aber wir wissen, dass sie stattfinden. Wir wissennicht, ob es Abgeordnete sind, wir wissen nicht,ob es Mitarbeiter der Ausschüsse sind, wir wis-sen nicht, ob es Mitarbeiter der Nachrichten-dienste sind. Das alles können wir nicht wissen.Aber was wir wissen können - auch nach diesendrei Jahren -, ist, dass doch sehr, sehr vieles öf-fentlich geworden ist, was aus Sicht der Partner-dienste und aus Sicht der Bundesregierung nichtwerden sollte.

Die Quadratur des Kreises besteht nun darin,eine parlamentarische Kontrolle zu organisieren,

Page 135: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 135 von 193

die so effizient ist, dass verhindert wird, dass dieDinge in falsche Kanäle und am Ende an die Öf-fentlichkeit gelangen. Ich habe dafür keine Ant-wort. Und solange ich diese Antwort nicht gebenkann, kann ich es verstehen, dass Partnerdienstesagen: Wir geben euch Informationen, aber nurdann, wenn ihr nicht darüber entscheidet, wersie sonst noch alles bekommt. - Sondern es istzum Beispiel auch so, dass bestimmte Informatio-nen weitgehende Rückschlüsse zulassen auf dieTätigkeit der betreffenden Nachrichtendienste.Wir haben hier eine Verantwortung, den deut-schen BND zu kontrollieren. Wir haben aberkeine Verantwortung und kein Recht, den Nach-richtendienst von Frankreich, Italien oder Groß-britannien zu kontrollieren. So, und in diesemSpannungsfeld muss man Lösungen suchen. Ichbin überzeugt, dass es diese Lösungen gibt.

Und ich frage mich, wenn der Kollege von Notzdas Verfassungsgerichtsurteil vielleicht schonvorher gekannt hätte, ob er sich dann nicht dochin die Auswahl der Vertrauenspersonen und indie Formulierung des Mandates stärker mit ein-geschaltet hätte. Ich hätte nicht ausgeschlossen -damals, als wir das mit Ihnen diskutiert haben -,auch jemanden zu benennen, der von der Oppo-sition vorgeschlagen wird. Ich habe mit meinenMitarbeitern darüber gesprochen und auch mitdem Kollegen Oppermann und wenn mich nichtalles täuscht, auch mit Ihnen damals über dieFrage, wie weit man auf die Opposition zugeht.Ich habe dann gesagt: Natürlich entscheidet dieMehrheit am Ende; aber wenn die Opposition je-manden vorschlägt, wo wir von der Integrität derPerson und dass sie die Auflagen zur Vertraulich-keit beachtet, überzeugt sind, warum dann nichtauch jemanden von der Opposition nehmen? Esist dann kein Vorschlag gemacht worden. Abervielleicht gibt es irgendwann mal, wenn ichlängst nicht mehr in der heutigen Verantwort-lichkeit bin, wieder einen anderen Fall, wo mansich dann überlegen kann: Kann man dieses Mo-dell, was wir damals praktiziert haben, was Sie jaauch sehr engagiert vertreten haben, nicht auchnoch ausweiten und weiterentwickeln und ver-bessern, um parlamentarische Kontrolle zu er-möglichen, ohne dass man diese Verpflichtungenbricht oder umgeht?

Christian Flisek (SPD): Ja, ich bin da bei Ihnen,dass man darüber nachdenken muss, weil - nochmal, ich möchte das wirklich noch einmal deut-lich unterstreichen - ich glaube, dass es so etwaswie ein Elefantenargument in der Debatte gibt.Und das Elefantenargument lautet nach meinemDafürhalten: Wenn wir eine Kooperation gefähr-den und infolgedessen auch nur eine Informationnicht bekommen würden, die einen terroristi-schen Anschlag verhindern würde - diese Verant-wortung will kein Mensch tragen - - dass wirsozusagen mit so einem zunächst Elefanten, derdurch den Raum marschiert, schwer leben kön-nen, wenn wir gleichzeitig die Verantwortungauch haben, gerade die immer bedeutender wer-dende Kooperation von Geheimdiensten im Be-reich SIGINT - weil SIGINT-Überwachung nuneinmal ein internationales Geschäft zunehmendist und damit auch ein Kooperationsgeschäftist - wie man das in den Griff bekommt. Ichglaube, wenn wir sagen: „Es wird weiterhin eineThird Party Rule geben, die auch dazu führt, dassdas PKGr dann nicht über Dinge informiert wird,wenn der jeweilige Kooperationspartner es nichtwill“, dass wir hier sozusagen ein Loch, einenBereich haben, der kontrollfrei ist.

Zeuge Peter Altmaier: Noch einmal: Ich glaubenicht, dass er kontrollfrei ist. Aber es ist einSpannungsfeld, und es macht die Kontrolleschwieriger. Aber ich muss hier eine Güterabwä-gung vornehmen, und das Bundesverfassungs-gericht hat diese Güterabwägung auch vorgenom-men und ist dann - - Das Bundesverfassungsge-richt hätte dann ja auch sagen können: Wir hal-ten die Third Party Rule für unbeachtlich im Ver-hältnis zum Bundestag, weil wir glauben, dassdie Kontrolle durch das Parlament über allemsteht. Das hat aber das Bundesverfassungsgerichtnicht gesagt, sondern es hat in einem sehr klugargumentierenden Urteil - wobei mir nicht zu-steht, Urteile des Verfassungsgerichtes zu bewer-ten -, in einer sehr umfänglichen Argumentationdargelegt, warum es glaubt, dass die Position derBundesregierung in der Sache angemessen undrichtig war - - und das Bundesverfassungsgerichtdiese Konstruktion mit der Vertrauenspersonausdrücklich anerkannt hat als einen Versuch, soweit zu gehen im parlamentarischen Kontroll-

Page 136: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 136 von 193

recht wie irgend möglich, ohne das Sicherheits-interesse der Bundesrepublik zu gefährden undaufs Spiel zu setzen. Da haben Sie, die Abgeord-neten, Rechtsgeschichte geschrieben mit diesemInstitut. Und ich kann mir durchaus vorstellen,dass das letzte Wort in künftigen Fällen nicht ge-fallen ist. Aber ich könnte als Kanzleramtsminis-ter nicht die Verantwortung dafür übernehmen,zu sagen: „Ich schließe solche Vereinbarungennicht mehr ab oder ich kündige sie auf“, weil ichgenau weiß, dass es erhebliche Konsequenzenhätte, und das möchte ich gerne verhindern.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Eigentlichsollten wir damit zur nächsten Fraktion überge-hen, mit so einem tollen Abschluss: „Rechtsge-schichte“.

Christian Flisek (SPD): Wir gehen nur dann über,wenn die Zeit abgelaufen ist.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ja, die ist seitdrei Minuten abgelaufen.

Christian Flisek (SPD): Ja, also den Einwandrespektiere ich.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Na, da habeich Glück gehabt. - Gut, dann kommen wir jetztzur nächsten Fraktion: Die Linke. Herr KollegeHahn.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja, das Problem,das der Herr Flisek hat, habe ich in gewisserWeise auch. Wenn ich mir vorstelle, dass Siekünftig fast alle internationalen Operationen desBND mit einem Partner durchführen - -

Zeuge Peter Altmaier: Bitte? Noch mal.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Wenn ich mir vor-stelle, dass Sie künftig fast jede Kooperation desBND im Ausland mit anderen Partnern durchfüh-ren würden, -

Zeuge Peter Altmaier: Ja.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): - dann steht jedesMal die Frage, dass dort ein anderer Nachrichten-

dienst beteiligt ist, und dann würden Operatio-nen, die das Ausland betreffen, tatsächlich weit-gehend jeder Kontrolle entzogen.

Zeuge Peter Altmaier: Ja.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Und das kann na-türlich nicht der Ausweg sein für die Bundesre-gierung, Kontrolle nicht stattfinden zu lassen.Dann würde sie parlamentarisch zur Farce, wennSie immer einen Partner einfach dazunehmen,und dann war es das mit der Kontrolle. Und dasist ja genau die Sorge, die wir haben.

Und was die Person Graulich angeht, wo ichdazu jetzt noch gleich eine Frage noch mal habe -nicht die Person, sondern zu dem Vorgang -: Wirhaben ja auch das Problem gehabt, a) dass er vonder Mehrheit bestimmt worden ist und b) dassdie Regierung ihn eingesetzt hat. Ich möchte fra-gen, was der denn konkret geprüft hat.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dazu hatHerr Wolff eine Anmerkung.

MR Philipp Wolff (BK): Herr Hahn, Sie werdenjetzt gleich wieder sagen, ich mache das nur beider Opposition, aber - -

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ist ja auch so!

MR Philipp Wolff (BK): Nein, ich habe es vorhinauch sogar bei der Unionsfraktion gemacht. - Esgeht jetzt wirklich ausschließlich ums Konsulta-tionsverfahren bzw. um die Konstruktion Grau-lich. Das ist nämlich nicht Untersuchungs-gegenstand. Der Minister kann natürlich gernewas dazu sagen, ohne Anerkenntnis einer Rechts-pflicht. Ich will nur darauf hinweisen: Es ist tat-sächlich ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht,weil es ist nicht der Gegenstand dieses Ausschus-ses.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Zumal wir esdann auch entre nous mal diskutieren müssen. Esgibt da entsprechend Mehrheitsbeschlüsse in die-sem Ausschuss, die müssen ja nicht jedem gefal-len. Aber von daher müssten wir das unter unsdiskutieren.

Page 137: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 137 von 193

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Nein, da müsstenwir gar nichts diskutieren. Ich möchte einfachwissen, was der konkret geprüft hat. Und ichfrage das aus den Zeugenaussagen, die wir hierhaben, auch Unterlagen. Wir haben ihn ja mit derMehrheit eingesetzt als es um diese 40 000er-Liste geht, oder 38 000 und ein paarZerquetschte. Inzwischen wissen wir, dass nochmehr NSA-Selektoren rausgenommen wordensind, gesperrt worden sind; eine ganze Mengeoffensichtlich in der Folgezeit. Und meine Frageist: Wer hat die kontrolliert? Hat Graulich dieweiteren Begriffe, die ebenfalls gesperrt wordensind, weil der BND und das Kanzleramt rausge-funden haben, auch die sind problematisch, auchdie sind rechtswidrig, auch die sind gegen deut-sche Interessen - - Wer hat die geprüft? Sind dieüberhaupt noch mal von jemandem geprüft wor-den?

Zeuge Peter Altmaier: Moment! Also, Herr Grau-lich hat sich mit den NSA-Selektoren beschäftigt.Das war in seinem Mandat ausdrücklich so for-muliert. Und es war ja so: Die Regierung hat ihnzwar eingesetzt, aber wir haben den Ausschussgebeten, Vorschläge zu machen. So. Natürlich,wenn wir ihn einsetzen, sind wir nicht gezwun-gen, jeden Vorschlag anzunehmen; aber es be-stand bei der Regierung die Bereitschaft, sichVorschläge der Opposition sowohl zum Mandatwie auch zur Person vorurteilsfrei anzuschauenund gegebenenfalls auch zu berücksichtigen.

Was Herr Graulich im Einzelnen im Hinblick aufdie NSA-Selektoren geprüft hat, das ergibt sichaus seinem Mandat und aus seinem Abschlussbe-richt. Das ist jetzt nicht Gegenstand meiner Befra-gung. Aber war die BND-Selektoren angeht: Diehatte er nicht zu prüfen.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ich rede nicht überdie - -

Zeuge Peter Altmaier: Dort gibt es keine ThirdParty Rule. Da gab es ein Kontrollrecht des Parla-mentes, und deshalb hat das PKGr eine Taskforceeingesetzt, und diese Taskforce hat sich das ange-schaut. Und das war für die Regierung auch nichtimmer einfach und nicht immer schmeichelhaft;

aber da konnten wir uns auf die Third Party Rulenicht berufen und haben es auch nicht getan.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Das war auch nichtmeine Frage. Ich habe ausdrücklich nach NSA-Selektoren gefragt. Nach dem, was wir hier erfah-ren haben in den letzten Wochen, sind weitereNSA-Selektoren gesperrt worden, weil rechts-widrig gegen deutsche, gegen europäische Inte-ressen. Und die Frage, die ich habe, ist: Was istdort noch dabei an möglichen riesigen Pro-blemen, Skandalen, über die wir alle nicht infor-miert sind und die offenbar auch Herr Graulichnicht gesehen hat? Und die Frage ist: Wer hatdiese Suchbegriffe jetzt durchgesehen, und werkann dem Untersuchungsausschuss für seinenAbschlussbericht dort eine Information geben?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Darf ich nocheinmal verständnishalber - - weil ich kann geradenicht folgen. Welche NSA-Selektoren wurdenwann herausgenommen? Über welchen Zeit-punkt reden wir?

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Die 40 000-er wa-ren damals relativ am Anfang. Und es sind dann -das ist uns mitgeteilt worden - weitere rausge-nommen worden; man hat noch mal gesucht,man hat durchgeguckt die noch in der Steuerungbefindlichen NSA-Selektoren, und es sind wei-tere herausgenommen worden. Ich weiß jetzt garnicht, ob wir die genaue Zahl wissen. Aber essind weitere etliche herausgenommen worden.Meine Frage ist: Wer - -

(Zuruf)

- Tausende!

Zeuge Peter Altmaier: Darf ich mal dazu - - Es istja eine interne Diskussion im Ausschuss. Ich willabschließend vielleicht noch Folgendes dazu sa-gen: Als wir Herrn Graulich eingesetzt haben,war es das Anliegen des Ausschusses - ichglaube, übrigens auch der Opposition -, dass seinBericht nicht irgendwann zum Ende der Arbeitdes Ausschusses kommt, sondern so zeitnah,dass man die Erkenntnisse, die in dem Berichtenthalten sind, für die weitere Arbeit des Aus-schusses noch berücksichtigen kann. Und das im

Page 138: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 138 von 193

impliziert denknotwendigerweise, dass all das,was möglich sich noch ereignet hat, nachdem erden Bericht fertiggestellt hat, von ihm nicht be-wertet werden konnte, weil es eben erst nach die-sem Zeitpunkt war.

(Dr. Konstantin von Notz(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-

NEN): Ja!)

Ich kann Ihnen aber so viel sagen - vielleicht be-ruhigt Sie das -, dass nach meiner Kenntnis undnach meiner Einschätzung alle wesentlichenDinge Herrn Graulich vorlagen, von ihm bewertetworden sind, und alles andere, was dann viel-leicht noch bei weiteren Prüfungen, die fortlau-fend durchgeführt werden, weil wir nämlichauch wollen, dass sozusagen die Dinge ja verbes-sert werden - - dass das in der Qualität undQuantität nichts Entscheidendes verändert hat.Das ist mein Eindruck.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Was heißt denndas konkret?

Zeuge Peter Altmaier: Ja, das heißt, dass HerrGraulich nur Dinge prüfen konnte, die vorlagenbis zu dem Zeitpunkt, wo er den Bericht abge-schlossen hat.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Das weiß ich sel-ber, Herr Altmaier.

Zeuge Peter Altmaier: Ja.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Bloß, weil Sie sa-gen, Sie wollen etwas Abschließendes sagen. MitVerlaub: Wann Sie etwas Abschließendes sagen,hängt von unseren Fragen ab.

Zeuge Peter Altmaier: Ja.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Und insofern gibtes dort nach wie vor Unklarheiten für mich. HerrGraulich hat nicht geprüft die noch in der Steue-rung befindlichen anderen Millionen Selektoren,sondern er hat die 40 000 oder 38 900 - wie auchimmer - geprüft. Jetzt finden Sie im BND, imKanzleramt, weitere Suchbegriffe, vielleicht nochschlimmer oder noch gravierender. Wissen wir

nicht; hat auch Herr Graulich nicht gesehen. Unddie Frage ist: Was ist dort gefunden worden? Wiebrisant ist das? Und wer prüft das? Da wir es janicht sehen dürfen und Herr Graulich nicht ge-sehen hat, weil sein Abschlussbericht schon vor-liegt: Wer prüft, was dort noch gefunden wordenist in den letzten Monaten?

Zeuge Peter Altmaier: Herr Hahn, ich finde jetztdas, ehrlich gesagt, nicht ganz fair. Sie hätten dieMöglichkeit gehabt, am Mandat von Herrn Grau-lich mitzuwirken. Und wenn Sie der Auffassungwaren, dass das Mandat nicht umfassend genugwar, wenn Sie der Meinung gewesen wären, essollten noch andere Dinge aufgenommen werden,dann hätten Sie das beantragen können, dannhätte der Ausschuss darüber befunden. Ich weißnicht, ob Sie es gemacht haben. Nach meiner Er-innerung hat die Opposition sich an der Formu-lierung des Mandates und an den Vorschlägenfür die Personen nicht beteiligt. So. Und dannfinde ich es nicht ganz fair, wenn Sie hinterherdann sagen: Und das war nicht, und das warnicht, und das war nicht. - Das ist der erstePunkt.

Der zweite Punkt ist: Hat sich nach Abschlussder Untersuchung von Herrn Graulich ein neuerSachverhalt ergeben, der es notwendig machenwürde, noch einmal eine Prüfung vorzunehmen?Das kann ich nicht erkennen. Das habe ich Ihnenso gesagt. Das ist meine persönliche Auffassung.Im Übrigen ist das eine Frage, die der Ausschussbeurteilen muss.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja, wir wissen janicht, was dort ist. Deshalb können wir das nichtbeurteilen. Aber Fairness ist ein schönes Stich-wort. Es war die Bundesregierung, die gesagt hat,dass sich die Untersuchung des Beauftragtenselbstverständlich nur auf diese gesperrte Listebeschränkt und nicht auf die noch laufenden Se-lektoren. Und demzufolge konnten wir dort nichterweitern, selbst wenn wir gewollt hätten. Daswar die Voraussetzung, dass gesagt worden ist:nur die gesperrte Liste, nicht die laufenden Se-lektoren. Und demzufolge war nichts mit der Er-weiterung durch uns möglich.

Page 139: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 139 von 193

Zeuge Peter Altmaier: Also, ich kann das jetztnicht nachvollziehen, ob wir das so gesagt haben.Aber wenn wir es so gesagt haben, hat es natür-lich damit etwas zu tun, dass sich das Unter-suchungsrecht des Parlamentes auf abgeschlos-sene Vorgänge bezieht, und daraus hat sich danndas Weitere ergeben. - Wenn es so war; ich weißes nicht.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja, ja, das ist danndie Fairness. Richtig. - Ich möchte aber noch malfragen, wie Sie das denn bewerten, wenn derBND-Präsident zum Kanzleramtschef, der jetztSie sind, kommt - damals war es Herr Pofalla, IhrVorgänger -, teilt mit: Wir haben da ein größeresProblem. EU-Staaten, Botschaften usw. werdenvon uns in der Steuerung ebenfalls überwacht. -Wann ist der Punkt erreicht, wo man die Bundes-kanzlerin informieren muss aus Ihrer Sicht? Siehaben ja vorhin gesagt, Sie sind dafür jetzt auchzuständig, Sie bewerten das. Wann ist der Punkt,wo man die Bundeskanzlerin informieren muss,die zeitgleich durchs Land läuft und sagt: „Spio-nieren, Ausspionieren unter Freunden geht garnicht“?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das ist jetztdie letzte Frage in der Runde.

Zeuge Peter Altmaier: Ich bitte um Verständnis.Ich war bei dem Gespräch zwischen HerrnPofalla und Herrn Schindler nicht dabei. Ichweiß nicht, was konkret besprochen worden ist.Es ist mir berichtet worden, und ich habe es ausIhren Unterlagen gesehen. Deshalb bitte ich ganzherzlich um Verständnis, dass ich da keine nach-trägliche Bewertung vornehme, sondern ich ent-scheide in den Fällen, in denen ich zu entschei-den habe, nach meinen besten Fähigkeiten.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Wenn Sie das, wasSie jetzt wissen, damals gesagt bekommen hät-ten - jetzt rede ich davon, was Sie in eigener Ent-scheidung tun würden -, würden Sie es wirklichso halten, dass die Kanzlerin davon keine Kennt-nis erhält?

Zeuge Peter Altmaier: Noch einmal, noch ein-mal: keine hypothetischen Antworten auf hypo-thetische Fragen. Als ich damals mit Herrn

Schindler über die Frage selbst noch mal imFrühsommer 2015 gesprochen habe, da habe ichmit Herrn Schindler über dieses Thema geredet,und es erschien mir nicht als ein größeres Pro-blem, sondern es erschien mir damals als einProblem, das einige Botschaften betroffen hatund das abgestellt und gelöst war. So.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Gut. Wirkommen zur nächsten Fraktion, das ist die Frak-tion der CDU/CSU. Frau Kollegin Warken.

Nina Warken (CDU/CSU): Ja, vielen Dank. - HerrAltmaier, Sie haben sich in der Vergangenheit jadas eine oder andere Mal schon zu Fragen, diedie Ausschussarbeit betreffen oder die die Tätig-keit des BND betreffen, ja auch via Twitter geäu-ßert, unter anderem im Mai 2015. Da haben Siegeäußert auf die Frage, ob der BND Europäer le-gal überwachen dürfe: Es handelt sich bei derThematik um - ich zitiere - „keine Meinungs-,sondern eine Rechtsfrage“ und diese sei - Zitat - „... von denen zu beantworten, die dazu berufensind“.

Zeuge Peter Altmaier: Ja.

Nina Warken (CDU/CSU): Der ehemalige BND-Präsident Herr Schindler hat bei uns im Aus-schuss, auch im Mai 2015, gesagt - ich zitiereihn -:

Die Aufklärung europäischerZiele, wenn sie denn erfolgt wäre,wäre daher kein Gesetzesverstoß,sondern dieses vielmehr eineFrage der politischen Bewertung.

Wer hat denn jetzt Recht: Herr Schindler oderSie?

(Dr. Konstantin von Notz(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-

NEN): Ja, so etwas wird alsZeitspiel gepfiffen!)

Zeuge Peter Altmaier: Ich vermute übrigens, dasswir beide Recht haben.

Page 140: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 140 von 193

(Hans-Christian Ströbele(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das ist einfach! -Dr. Konstantin von Notz(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ehrlich! Das ist so

verrückt!)

Und im Übrigen ist es so, dass die Frage auchvon Fall zu Fall zu entscheiden und zu beantwor-ten ist. Und wir haben politisch entschieden,dass wir Freunde nicht abhören. Und es gibt aberimmer auch Grenzfälle und Fälle, die besonderszu bewerten und zu entscheiden sind. Aber gene-rell ist es so, dass wir Freunde nicht abhören,und das gilt insbesondere für die Mitgliedstaatender Europäischen Union.

(Hans-Christian Ströbele(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aber wer Freunde

sind, bestimmen wir!)

Nina Warken (CDU/CSU): Wo verläuft denn Ih-res Erachtens die Grenze, wenn es jetzt um strate-gische Fernmeldeaufklärung von Einrichtungenvon Partnerstaaten geht, wenn das Ziel dabei dieallgemeinpolitische Aufklärung von Drittstaatenist, sofern es sich alles innerhalb des APB be-wegt? Wo ist da die Trennlinie des Erlaubten?

Zeuge Peter Altmaier: Na ja, ich weiß nicht, obich das in öffentlicher Sitzung beantworten darfoder - - Ich könnte das jetzt schon sehr detailliertauch noch einmal auseinanderklabüsern. ZumBeispiel ist es ja so, dass es oftmals Kommunika-tionen gibt, an denen Stellen in zwei verschiede-nen Staaten beteiligt sind, unter anderem auchein Staat, den Sie aufklären. So. Und dann erge-ben sich solche Fragen. Aber ich glaube nicht,dass ich das hier in öffentlicher Sitzung tunsollte, oder?

MR Philipp Wolff (BK): Also den Einzelfall si-cher nicht. Wenn es um die Gesetzeslage geht - -

Zeuge Peter Altmaier: Also, es ist zum Beispielso: Wenn wir uns entschieden haben, einen be-stimmten Staat aufzuklären, weil es dafür Gründegibt, dann kann es zum Beispiel auch sein, dassKommunikation erfasst wird, die geführt wird

mit einem Vertreter dieses Landes, der mit einemVertreter eines europäischen Landes telefoniertoder spricht, den wir nicht aufklären. So, undtrotzdem ist das dann sozusagen nicht die Auf-klärung dieses europäischen Landes, sondern esgeht um das Land, was im Auftragsprofil derBundesregierung enthalten ist und wo wir imnationalen Interesse an dieser Aufklärung einhohes Interesse haben und was dann völlig vomAuftragsprofil gedeckt ist. Was dann im Übrigendie Frage der Rechtsmäßigkeit angeht, so beur-teilt die sich vor allen Dingen natürlich nachdem BND-Gesetz und was dort drinsteht. Unddas haben wir ja gerade erst novelliert, und dieÄnderungen sind Ihnen ja auch, glaube ich, allebekannt.

Nina Warken (CDU/CSU): Gut. Dann gebe ich anden Kollegen ab. Vielen Dank.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Herr Bundes-minister, ich habe noch einmal eine Frage. DieKollegin Warken hat das vorhin relativ abstraktgefragt; ich möchte es einfach noch mal konkreterfassen.

Sie hatten ja den Besuch in Pullach am 20. März2015 gehabt. Dann haben Sie auch in Ihrem Ein-gangsstatement erklärt: was war der Anlass, wieüberrascht man war, was anschließend alles ge-schehen ist, schriftliche Anfragen usw. usf. Wasuns natürlich jetzt auch mit Blick auf diese Wo-che Donnerstag interessiert, ist, wie Sie von die-sen Erkenntnissen, die Sie da gewonnen haben,die Bundeskanzlerin unterrichtet haben.

Zeuge Peter Altmaier: Ich habe vorhin gesagt,dass ich über diese Erkenntnisse auch Mitgliederder Bundesregierung informiert habe, und ichhabe gesagt, dass ich die Bundeskanzlerin in sehrwichtigen Frage informiere. Und alles andere ist -die Einzelheiten dieser Informationen, dieserKommunikation -, glaube ich, vom Kernbereichexekutiver Eigenverantwortung, dem berühmtenArkanum, umfasst. Und deshalb bitte ich herz-lich um Verständnis, dass ich diese Frage nichtbeantworten möchte, was die Details angeht.Aber Sie können davon ausgehen, dass dies ein

Page 141: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 141 von 193

sehr wichtiger und sehr bemerkenswerter Vor-gang war und dass alle informiert wurden, diedarüber informiert werden mussten.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Gut. Dannbitte der Kollege Wendt weitermachen.

Marian Wendt (CDU/CSU): Ja, vielen Dank. - Ichwill nur noch mal auf die Selektorenliste zu spre-chen kommen. Es gibt ja immerhin eine Zahl von40 000 Selektoren, und das Entscheidende ist jaaus meiner Sicht nicht ein Selektor an sich, son-dern im Endeffekt die Person dahinter, die dahin-tersteht und eine gewisse Information generiertoder nicht generiert. Und dann kann man ja aus-rechnen: Es gibt soundsoviele Selektoren, einePerson generiert soundsoviele verschiedene Da-ten, E-Mails, Telefonnummern, und dann kom-men wir vielleicht auf eine vierstellige Zahl,kann man sich herunterbrechen, je nachdem -aus Ihrer Erfahrung heraus als Chef des Nachrich-tendienstes, der Nachrichtendienste bzw. dannauch andere Herleitungen - - Der Vorwurf ist ja,dass dort befreundete Botschaften, befreundetePartner mit einer entsprechenden E-Mail-Endunggeführt wurden; von der Knesset zum Beispiel,haben wir gelesen, oder andere Bereiche. Ist esaus Ihrer Erfahrung her auch so, dass es in be-freundeten Ländern Personen gibt, die es nötigmachen, überwacht zu werden, auch durch uns,weil zum Beispiel sie Anschläge planen, weil sieeine Gefahr für die öffentliche Sicherheit in unse-rem Land oder in Europa darstellen, die es even-tuell auch begründen würden, dass solche Perso-nen auch aus dem Grund heraus, dass Nachrich-tendienste im Sinne unserer Sicherheit agieren,entsprechend geführt werden sollten?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Also, das warein Beispiel, kein konkreter Fall.

Zeuge Peter Altmaier: Ja, ich habe ja gar keinenAnlass, mich über die Frage zu beklagen. - Ja,wenn ich sage: „Freunde hören wir nicht ab“,dann meine ich damit, dass wir ganz grundsätz-lich sagen, dass wir Parlamente, Regierungen, Ge-richte, Behörden befreundeter Ministerien, be-freundeter Staaten nicht abhören wollen undnicht abhören werden. Ich habe mich vorhinschon auf die Frage, die gestellt worden ist zu

dem Thema: „Können dann auch unter Umstän-den europäische Stellen, wenn sie mit ausländi-schen Stellen, die wir aufklären, sprechen, be-troffen sein?“, geäußert, in aller Vorsicht. Undselbstverständlich haben wir ein Interesse daran,dass wir terroristische Gefährder, organisierteKriminelle, Leute, die mit Proliferation sich be-schäftigen, dass wir das aufklären und dass wirdenen möglichst das Handwerk legen.

Marian Wendt (CDU/CSU): Ich wollte das nurnoch einmal auch erläutert darstellen, weil dashalt oft der Vorwurf ist: Es gibt dann diese Liste,und da wird massenlos und anlasslos -

Zeuge Peter Altmaier: Nein.

Marian Wendt (CDU/CSU): - überwacht usw.usf., sondern dass man ja auch ein konkretes,ein - -

(Dr. Konstantin von Notz(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): „Massenlos“? Was

ist denn das?)

- Das ist ja der Vorwurf, der immer wieder imRaum steht - - sondern dass die Selektorenliste -

(Dr. Konstantin von Notz(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-

NEN): Massenlos, hat nochniemand behauptet!)

- Massenhaft - - dass das auch gewisse Gründesind, warum man auch aus gutem Grund diesePerson eventuell im Visier hat.

Ich will noch einmal auf einen anderen Bereichkommen. Wir sind ja als Ausschuss auch gehal-ten, Konsequenzen aus einem gewissen Sachver-halt, den wir erforscht haben, zu ziehen. Undwas man ja zumindest feststellen muss, ist, dassin den letzten Jahren, vielleicht seit den Snow-den-Veröffentlichungen, zumindest der Blick-winkel der Öffentlichkeit - von vielen Fachpoliti-kern und der Fachebene schon sicherlich eher -auf die ganze Frage Cybersicherheit gelenktwurde. Im November 2016 wurde auch eine ent-sprechende Cybersicherheitsstrategie fürDeutschland verabschiedet. Und da vielleicht

Page 142: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 142 von 193

einmal aus der nachrichtendienstlichen Perspek-tive, aus Ihrem persönlichen Standpunkt auchheraus, noch einmal gefragt: Tun wir bereits allesund sind alle erforderlichen Maßnahmen bereitsgetan, um unsere Bürger, um unsere Unterneh-men, aber natürlich auch die Kommunikation derstaatlichen Verwaltung vor Angriffen von außenzu schützen? Aber natürlich auch, also den An-griff des Datenabflusses, dass dieser nicht pas-siert, aber natürlich auch, um eine entsprechendeSicherheit zu gewährleisten: Was müsste dortnoch aus politischen, finanziellen und gegebe-nenfalls auch anderen Gründen noch getan wer-den, um diese Cybersicherheitsstrategie umzuset-zen und im Endeffekt den Schutz unserer Gesell-schaft zu verbessern?

(Dr. Konstantin von Notz(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein! Das ist nicht

untersuchungsgegenständ-lich! Leute!)

Die Konsequenzen aus einem Sachverhalt - -Wenn ihr beklagt, dass es so und so ist, dannmüssen wir auch Konsequenzen daraus ziehen,etwas zu ändern.

(Dr. Konstantin von Notz(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Wie verzweifelt

muss man sein! - Heiter-keit)

- Wir haben hier keine Verzweiflung.

Zeuge Peter Altmaier: Also, es ist doch selbstver-ständlich, dass wir in den letzten Jahren nichtnur erlebt haben, dass das Internet und die Kom-munikation sich vervielfacht hat, sondern wir ha-ben eben festgestellt, dass sich auch die Gefah-ren, die über Cyber, von Cyber ausgehen können,von Cyberaktivitäten ausgehen können, stark zu-genommen haben und dass nicht nur staatlicheAkteure dort unterwegs sind, sondern auchnichtstaatliche Akteure. Und das bedeutet, dasswir uns darauf einstellen müssen. Wir sind nichtschlecht. Wir haben das BSI, das sich damitschon länger beschäftigt, und, wenn ich das ein-mal so sagen darf, wir haben den Kommunika-tionsverbund der Bundesregierung, und dort sind

wir inzwischen, sind wir bisher - - haben wir alleAngriffe und Gefahren recht erfolgreich abge-wehrt. Es gab auch andere Vorkommnisse vonKommunikation, die nicht über IKT geschütztwar, die nicht ganz so erfolgreich war, und daszeigt, dass wir besser werden müssen. Und dasist der Grund, warum wir bei der Bundeswehreine sozusagen nicht neue Teilstreitkraft - aberweit davon weg ist es auch nicht -, also einenSchwerpunkt Cyber gebildet haben. Das ist derGrund dafür, warum der Bundesinnenminister inseinem Zuständigkeitsbereich einen neuenSchwerpunkt in dieser Frage bildet, und das istder Grund dafür, warum der BND ein durchausfinanzaufwendiges, aber absolut notwendigesTechnikprogramm aufgelegt hat, weil wir auchnicht davon ausgehen können, dass ein einmalerreichter Stand für alle Zeit ausreichend ist, son-dern die Fähigkeiten müssen ständig verbessertwerden, weil diejenigen, die uns über Cyber be-drohen, ihre Fähigkeiten auch verbessern. Unddeshalb ist das eine sozusagen permanente Auf-gabe, wo man niemals sagen kann: „Wir habenabsolute Sicherheit“, sondern wir müssen unsimmer wieder bemühen, die Firewall zu verbes-sern und die - -

Alleine die Detektion, das Feststellen von Nach-richtenabflüssen ist eine schwierige Geschichteund erfolgt manchmal erst mit erheblicher zeitli-cher Verzögerung. Außerdem ist die Sensibilisie-rung gerade auch in der Wirtschaft ein ganzwichtiges Thema, dem sich der Bundesinnenmi-nister und auch viele andere, der Bundeswirt-schaftsminister, widmen, ganz wichtig, weil auchviele Unternehmen noch gar nicht so sensibili-siert sind, dass sie wissen, worauf sie achtenmüssen und wie sie erkennen können, wenn sieOpfer eines Cyberangriffs werden.

Marian Wendt (CDU/CSU): Vielen Dank. Keineweiteren Fragen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ganz herzli-chen Dank. - Kommen wir jetzt zur nächstenFraktion: Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. DerKollege von Notz beginnt.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Vielen Dank, Herr Vorsitzender. - Es ehrt

Page 143: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 143 von 193

die Opposition, dass hier so auf Zeit gespieltwird. Es muss ja eine große Furcht vor unserenFragen bestehen, aber - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ja, die jetztkommen, weil das ist ja keine Theaterveranstal-tung hier.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ach so!? Da wird es jetzt so präzise, HerrVorsitzender, ja? So scharf dann, ja?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Immer beider Opposition.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das fällt Ihnen ja früh ein, ja? Jeder diskre-ditiert sich, so gut er kann.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ihr seid jajetzt dran.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, ja, genau. - So. Herr Minister, ichkomme noch einmal auf diesen Vorgang IhrerKenntnisnahme der Pofalla-Weisung zurück.Wenn ich das vorhin richtig verstanden habe,war das im Frühjahr 2014, dass Sie von dieserWeisung erfahren haben.

Zeuge Peter Altmaier: Frühsommer.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Frühsommer. Wie ist das genau passiert?Also, wer hat Sie über diese Weisung, die jamündlich erteilt worden ist, unterrichtet?

Zeuge Peter Altmaier: Das habe ich, glaube ich,schon gesagt. Ich weiß, dass ich darüber in zweiGesprächen mit Herrn Schindler gesprochenhabe; aber ich kann ich Ihnen jetzt nicht sagen,ob ich es von Herrn Schindler erfahren habe odervon jemand anders. Da bitte ich einfach - -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Also Sie erinnern - -

Zeuge Peter Altmaier: Ich antworte nach bestemWissen und Gewissen. Aber es war mir bei die-sen Gesprächen bekannt, und weil ich wusste

sozusagen, dass es das gegeben hatte, und weilich dann überrascht war über diese neue Proble-matik „Beifang“, habe ich die Frage gestellt: Gibtes noch andere Dinge, die ich wissen muss, dieproblematisch sind, die möglicherweise geändertwerden müssen? So. Und da bin ich mir ganz si-cher, und das weiß ich auch sehr genau. Aber obes nun Herr Schindler selber war oder jemandanders, entzieht sich meiner Kenntnis.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Sie wissen ganz genau, dass Sie HerrSchindler diese Frage gestellt haben.

Zeuge Peter Altmaier: Ja, -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Genau!

Zeuge Peter Altmaier: - ich wusste zu dem Zeit-punkt, als ich mit Herrn Schindler über denneuen Vorgang sprach - im Zusammenhang mitMarcel R. [sic!], -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Markus R.

Zeuge Peter Altmaier: - Markus R., ja, und demBeifang -, da habe ich dieses Thema auch mitHerrn Schindler aufgenommen in zwei verschie-denen Rücksprachen. Und ich bin jemand, dernatürlich auch ein bisschen immer evidenz-basiert denkt. Und als ich gehört habe, dass sozu-sagen, nachdem wir erklärt hatten, Freunde hö-ren wir nicht ab, und damit auch der politischeWille ja spätestens mit dieser Aussage der Kanz-lerin ganz klar erkennbar war und es dann den-noch notwendig war, dass Herr Pofalla im Okto-ber noch einmal die Praxis geändert hat undAnweisungen gegeben hat, und dann wieder einVorgang mir auf den Tisch flattert, den ich fürproblematisch hielt - - kam mir selbstverständ-lich der Gedanke: Ist es das jetzt, oder gibt esnoch irgendetwas?

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, nur - -

Zeuge Peter Altmaier: Und das habe ich mitHerrn Schindler diskutiert.

Page 144: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 144 von 193

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das haben Sie mit Herrn Schindler disku-tiert. Nur: Herr Heiß hat Sie nicht informiert überdiesen Vorgang?

Zeuge Peter Altmaier: Nein, ist mir nicht be-kannt.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das können Sie nicht erinnern. Und: Werhat gesagt, dass das Beifang ist?

Zeuge Peter Altmaier: Herr Schindler.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Der sagte, dass das Beifang ist.

Zeuge Peter Altmaier: Ja. - Nicht die Geschichtemit den Botschaften; das war der neue Fall.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein.

Zeuge Peter Altmaier: Ich habe doch vorhin,ohne den Fall zu nennen - es stand auch schon inder Zeitung, und Sie werden sich bestimmt daranerinnern - - Es gab damals Zeitungsberichte, dassKommunikation von westlichen Politikern undVerantwortungsträgern abgehört worden sei.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, zum Beispiel US-Außenministerium.

Zeuge Peter Altmaier: So. Darüber ist geschrie-ben worden.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Peter Altmaier: Und das war natürlichdann Gelegenheit zur Rücksprache von HerrnSchindler mit mir, als wir das festgestellt haben.Und ich habe mich dann über den Umgang mitBeifang - das heißt, das sind Informationen, dieman nicht gezielt sucht, sondern die sozusagenanlässlich einer Aufklärung beifällig sozusagenoder beiläufig erlangt werden - , darüber infor-mieren lassen. Das hat mich sehr interessiert.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aber wer hat gesagt, dass es Beifang ist,Herr Minister? Wer sagte, was ist Beifang?

Zeuge Peter Altmaier: Ja, der Bundesnachrich-tendienst sagte mir das. Herr Schindler.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Okay. Und daraufhin haben Sie nachge-fragt: Steuern wir die nicht etwa direkt? Unddann haben die Sie angelogen und haben Ihnengesagt: Nein, das haben wir zufällig erfasst.

Zeuge Peter Altmaier: Nein, es ging ja um eineganz konkrete Kommunikation. So. Und da istmir das geschildert worden, dass es zufällig er-fasst worden ist und nicht gezielt danach gesuchtworden ist.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Peter Altmaier: So. Und ich habe dann ge-sagt: Das ist gravierend, darüber muss ich dasPKGr unterrichten, die Obleute. Ich weiß, es wardie Ferienzeit schon angebrochen, und ich habedann - - Ich glaube, Herrn Hahn habe ich erst re-lativ spät erreicht, und andere habe ich sofort er-reicht und habe sie darüber - auch Herrn Ströbeleseinerzeit - unterrichtet in allgemeiner Form,aber so, dass die Bedeutung des Vorgangs erkenn-bar war, und weil ich ungern wollte, dass sichdann irgendwann noch einmal zu den Obleutenmuss, um zu sagen: Es war noch mehr. Ich hattekeine Ahnung von der Selektorenliste, die warnicht bekannt zu dem Zeitpunkt, habe ich abergefragt: Gibt es noch sonst etwas, was nicht imEinklang steht mit dem Spruch „Freunde hörenwir nicht ab“? Und dann ist mir klar gesagt wor-den: Das war’s.

Dann kam die Selektorenliste im März 2015, unddann habe ich selbstverständlich wieder mit BNDund auch mit Herrn Schindler, aber nicht nur mitihm, sondern auch mit anderen Verantwortlichendarüber gesprochen, und dann habe ich gesagt:Sie haben mir doch damals gesagt, es gibt sonstnichts. - So, und dann hat Herr Schindler - dashat er ja auch im Ausschuss wiederholt - mir ge-sagt: Ich wusste es halt eben nicht. - So. Und das

Page 145: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 145 von 193

kann ich auch nicht widerlegen, und ich kann esnicht bestätigen, sondern ich muss es so nehmen,wie er mir es gesagt hat und wie es mir der Leiterder Abteilung TA gesagt hat. Und das war dannfür mich der Grund zum Handeln und die Dingezu verändern. Aber bei diesem Gespräch imFrühsommer waren die Selektoren noch keineProblematik. Ich wusste damals noch gar nicht,was ein Selektor ist, also wie die technische Artder Steuerung geht.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Also Sie sagen: Sie sind da im Frühsom-mer 2014 vom Bundesnachrichtendienst überden Umstand, dass man zum Beispiel ausländi-sche Staatschefs direkt steuert, zum Beispiel dasAußenministerium der USA, falsch informiertworden vom Präsidenten des BND, dem Sie dieseFrage direkt praktisch gestellt hatten.

Zeuge Peter Altmaier: Falsch hätte er mich danninformiert - es ist ja immer die Frage, ob es objek-tiv oder subjektiv falsch ist -, wenn Herr Schind-ler selbst davon ausging, dass es überhaupt garkeine derartigen Erfassungen gibt, die zielgerich-tet sind. Dann hätte er aus seiner subjektivenSicht mich nicht falsch, sondern richtig infor-miert.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Peter Altmaier: Ja, verstehen Sie?

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, aber - -

Zeuge Peter Altmaier: Und das kann ich - - Ob-jektiv war es natürlich falsch, weil es BND-Se-lektoren gab, die es nicht hätte geben dürfen.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. Nur, jetzt mal - -

Zeuge Peter Altmaier: Und deshalb habe ich jaauch dann entsprechend gehandelt, was die Ver-änderungen angeht, und es sind Selektoren ausder Steuerung herausgenommen worden, -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Herr Minister, ganz kurz - -

Zeuge Peter Altmaier: - weil wir im Kanzleramtdas so wollten.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, nur, die Frage ist ja - - Objektiv undsubjektiv falsch, ist ja eine feine Unterscheidung.Die Antwort wäre ja wohl gewesen von HerrnSchindler: „Jetzt mal ganz im Ernst, ich kann esIhnen gar nicht genau sagen. Ich gehe mal nachHause und gucke nach“, oder: „Wir diskutierendieses Thema seit 2005, seitdem wir EADS undEurocopter steuern; ich guck mal nach.“ Oder ichwürde fast sagen: Die Fach- und Rechtsaufsichtsagt: „Legt uns mal hier eine Auseinandersetzungmit den Millionen von Selektoren vor, die ihrsteuert“, also sozusagen diesen Bericht, denPofalla meint angefordert zu haben, der danneben das Bundeskanzleramt darüber informiert,dass man da nie eine systematische Aufarbeitunggemacht hat. Aber das ist ja irgendwie nicht er-folgt.

Zeuge Peter Altmaier: Ja. Und ich habe wedervon - - Bis zu dem Zeitpunkt am 13. März habeich von der Frage, wie diese Steuerung von Se-lektoren funktioniert und welche gesteuert wer-den und welche problematisch sind, nichts erfah-ren, weil es auch im Kanzleramt erst bekannt ge-worden ist mit der Vorlage dieser Liste, die anden Ausschuss gehen sollte.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Okay.

Zeuge Peter Altmaier: Ich habe im Übrigen HerrnSchindler diese Frage gestellt, und wie er damitumgegangen ist. Das müssen Sie mit HerrnSchindler besprechen.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Haben wir gemacht.

Zeuge Peter Altmaier: Genau, haben Sie gemacht,und es ist nicht meine Aufgabe, das zu bewerten.

Page 146: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 146 von 193

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Jetzt müsstenwir wieder zur nächsten Fraktion kommen, näm-lich zur Fraktion der SPD, wenn es nochFragen - - Ich frage ich mal in die Runde: Gibt esbei den anderen Fraktionen in öffentlicherSitzung noch Fragen? - Noch mal eben in dieRunde gucken. - Bei der Fraktion Die Linke gibtes noch Fragen. - Die Kollegin Warken meldetsich.

Nina Warken (CDU/CSU): Ich würde nur anre-gen, dass wir uns vielleicht mal verständigen,wie wir jetzt den Rest noch strukturieren. Weilwir haben ja die Stenografen für die geheime Sit-zung nur bis 12. Danach können wir ja noch un-begrenzt öffentlich weitermachen. Ob wir dannzwischendurch jetzt mal Geheim gehen wollenoder nicht oder was jetzt da - - Nur dass wir dasim Auge behalten. Ich weiß nicht, ob wir dazujetzt eine Beratungssitzung brauchen - -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Können wir jetzt kurz mal überschlägighören, wer wie viele Fragen gestellt hat schonzeitmäßig?

Nina Warken (CDU/CSU): Nein, ich sage ja auchnicht, dass wir jetzt aufhören müssen, nur, wirmüssen ja zwischendurch - -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das kann das Sekretariat mal kurz sagen.

Nina Warken (CDU/CSU): Wir müssen jetzt - -Mir ist es egal. Wir können ja mit ihm hier nochöffentlich weitermachen, bis ihr fertig seid. Nurwir müssen ja bis 12 mit der geheimen durchsein. Da ist die Frage, ob wir jetzt unterbrechenoder ob wir das noch so fertigkriegen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das ist docheine kluge Anmerkung.

Nina Warken (CDU/CSU): Das haben wir ja auchso vereinbart. Wir können es auch machen, wieihr es wollt.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ich frage jetztmal in die Runde: Ich höre, dass die Koalitions-fraktionen im öffentlichen Teil keine Fragen

mehr haben. Wie viele hat denn noch die Oppo-sition? Vielleicht kriegen wir das ja ungefähr - -

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Das hängt auchvon den Antworten ab. Ich kann nur sagen: Ichhabe keinen Bedarf für eine nichtöffentliche Sit-zung zum Beispiel.

(Marian Wendt (CDU/CSU):Das ist doch die Frage!)

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Genau. Hierauch nicht.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): In öffentlicher Sit-zung habe ich schon noch ein paar Fragen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Bei der SPD:Besteht Bedarf an einer nichtöffentlichen Sit-zung?

Christian Flisek (SPD): Nein.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Nein. - Jetztmuss ich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünennoch fragen, weil dann könnten wir entspanntmit den Oppositionsfraktionen weitermachen,mit ihren Fragen.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das könnten wir in jedem Fall tun, weilwir hier fragen, solange wir fragen wollen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Aber ichmeinte ja, entspannt.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aber um die gute Absicht zu dokumentie-ren, können auch wir auf den nichtöffentlichenTeil verzichten.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ihr seid su-per.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dann ist derKollege Hahn jetzt in der nächsten Runde dran,ganz ungestört und entspannt.

Page 147: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 147 von 193

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja, ich wollte jetztnoch mal auf den letzten Punkt zurückkommen,den der Kollege von Notz gefragt hat. Weil Siesprechen vom Frühsommer 2014, und da habenSie den BND-Präsidenten gefragt: Ist da nochmehr, oder gibt es da noch was, was ich wissenmüsste? Ist da noch was Problematisches? - Ichgebe das jetzt mal so sinngemäß wieder. Wie ver-einbart sich denn das damit, dass der BND-Präsi-dent im Oktober 2013 bei Herrn Pofalla war undihm gesagt hat: „Botschaften, EU usw. steuernwir“, und Pofalla die Weisung gibt, das einzustel-len? Und da wusste ja der BND-Präsident, dass esda noch was gibt. Und warum ist ihn das nichtgefragt worden?

Zeuge Peter Altmaier: Nein, das ist ja in dem Ge-spräch erörtert worden, dass es damals eingestelltworden sei.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja, aber es war janoch gar nicht eingestellt.

Zeuge Peter Altmaier: So ist es.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Es ist ja im Früh-jahr 2015 immer noch gesteuert worden.

Zeuge Peter Altmaier: Ja, so ist es. Und es sindauch offenbar noch einzelne Selektoren auchnach meinem Besuch - - und gerade nach mei-nem Besuch noch Selektoren ausgesondert wor-den. So ist es. Und das habe ich beschrieben mitden organisatorischen und inhaltlichen Defiziten,die es gegeben hat. Die habe ich öffentlich klarbenannt. Und ich möchte aber auch um Ver-ständnis bitten, dass es nicht jetzt meine Aufgabeist, darauf endlos rumzureiten. Ich habe ein Inte-resse an einem funktionierenden Bundesnach-richtendienst. Der Bundesnachrichtendienstmacht eine hervorragende Arbeit. Das hier wareine Kiste, mit der ich nicht einverstanden war,und das haben wir geändert. Punkt.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja, und wir wollengerne wissen, wer wann was gewusst hat undvielleicht auch unterlassen hat.

Zeuge Peter Altmaier: Ja.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Damit bin ichdann auch noch wieder bei der Abteilung 6. Siehaben vorhin gesagt, was vor der Zeit von HerrnHeiß war, und Sie haben gesagt, was er nichtbeeinflussen konnte. Ich will wenigstens dreiPunkte noch mal nennen, und daran schließt sichdann die Frage an, warum es keineKonsequenzen gibt.

Ich nehme mal den letzten Punkt: Es gibt eineWeisung - die wird erlassen -, die Sachen rauszu-nehmen, und das Ganze wird noch zum Teil an-derthalb Jahre länger trotz Weisung des Chefs desKanzleramts gesteuert. Warum hat niemand ge-prüft, dass das auch rausgenommen wird? Washat Herr Heiß, der dabei war, getan, um festzu-stellen, ob die Weisung umgesetzt wird? MeinVerständnis ist: Wenn eine solche Weisungergeht, frage ich spätestens nach zwei Monaten -das ist schon eine lange Zeit - nach: Habt ihr dasgetan? Ist das raus? Läuft da noch was? Das istdoch offenkundig zu keinem Zeitpunkt gemachtworden. Warum?

Zeuge Peter Altmaier: Ja, aber das müssen Siedoch mit Herrn Heiß diskutieren. Mir ist gesagtworden - und das war mein Kenntnisstand, auchnoch im Gespräch mit Herrn Schindler -, dass dieWeisung von Herrn Pofalla umgesetzt worden ist.Und damit war das Problem aus meiner Sicht ge-löst. Dass die Weisung nicht komplett umgesetztwar, das haben wir hinterher erfahren. Und wel-che Maßnahmen und welche Schritte Herr Heißdann in der Zwischenzeit unternommen hat, dasmüssen Sie mit ihm diskutieren. Für mich ist je-denfalls auch nachvollziehbar, dass ein Abtei-lungsleiter im Kanzleramt davon ausgehen kann,dass Weisungen, die er oder der Chef des Kanz-leramtes geben, dann auch tatsächlich umgesetztwerden. Das ist das Mindeste, wovon man ausge-hen muss. Ich bin den ganzen Tag mit Themati-ken beschäftigt, wo ich Entscheidungen treffenmuss, wo ich auch Weisungen geben muss - jetztnicht im nachrichtendienstlichen Bereich - anandere Abteilungen und Referate im Kanzleramt,und ich gehe selbstverständlich davon aus, dasses umgesetzt wird, und tauche da nicht unange-meldet in den Büros auf und sage: Bitte zeigt mirmal, was ihr umgesetzt habt. - Dass man den In-formationsfluss zwischen dem BND und dem

Page 148: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 148 von 193

Kanzleramt verbessern muss, das ist allerdingsdann am 15. unabweisbar deutlich geworden,und deshalb haben wir dann auch dafür gesorgt.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Sie können sich javorstellen, dass wir Herrn Heiß danach gefragthaben. Und daher wissen wir ja, dass er nichtsgetan hat in dieser Sache. Und da ist für micheben die Frage: Was heißt das für Sie als ChefKanzleramt, wenn der zuständige Abteilungslei-ter für Rechts- oder Dienst- und Fachaufsichtnichts tut in dieser Frage?

Zeuge Peter Altmaier: Die Frage ist doch: HätteHerr Heiß mit dem, was er bis zum 13. oder 12.März 2015 wusste, Anlass haben müssen, nach-zufragen und zu fragen: „Habt ihr es auch umge-setzt?“? Wenn der Präsident des BND jedenfallsmir gesagt hat, er hat es umgesetzt, und zwar imJahre 2014, als ich ihn danach gefragt habe, dannkann ich doch - - Und dann ist die Frage: Hätteich, als Herr Schindler mir sagte: „Es gab da malein Problem mit den Botschaften in Krisenregio-nen, und Herr Pofalla hat dann gesagt, wir sollendas ändern. Das haben wir geändert“, dann einenAnlass haben sollen, zu Herrn Heiß zu gehen undzu sagen: „Habt ihr das auch nachkontrolliertund nachgeprüft? Womöglich haben die mich an-geschmiert“? Ich hatte diesen Anlass auch fürmich persönlich nicht gesehen; das sage ichIhnen ganz offen.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Nun, nach allenErfahrungen, die man vorher, in den Monatenvorher mit dem Bundesnachrichtendienst ge-macht hat, wäre es vielleicht sinnvoll gewesen,das zu tun.

Zeuge Peter Altmaier: Nein, meine Erfahrung,die ich über einen Zeitraum von insgesamt zehnoder elf Jahren in der Zusammenarbeit mit HerrnSchindler in unterschiedlichen Funktionen hatte,als Staatssekretär, als PKGr-Mitglied und als Chefdes Kanzleramtes, waren sehr positive Erfahrun-gen. Ich habe Herrn Schindler nicht nur in derVergangenheit geschätzt, ich schätze ihn auchheute noch und seine Person. In diesem einenPunkt sind die Dinge nicht gut gelaufen. Das än-dert aber nichts daran, dass Herr Schindler in sei-

nem Wirken für die innere Sicherheit Deutsch-lands über viele, viele Jahre wirklich Gutes undWichtiges geleistet hat.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja, wenn HerrSchindler gehen musste, dann ist die Frage, wa-rum der Abteilungsleiter immer noch da ist. Dasist der - -

Zeuge Peter Altmaier: Nun haben Sie doch - Ent-schuldigung - - Nun machen Sie schon wiedereine Unterstellung. Ich habe vorhin eindeutig ge-sagt, dass über die Fragen, die dazu führen, dassein politischer Beamter in den einstweiligen Ru-hestand versetzt wird - - dass diese Gründe nichtangegeben werden, und zwar aus gutem Grund -das ist gesetzlich so vorgesehen -, und dass ichdeshalb auch das gesagt habe, was für mich maß-geblich war, Herrn Kahl zu berufen, nämlich dassder BND damit eine Entwicklungsperspektivehat, auch an der Spitze, die für die Umsetzungder großen und wichtigen Herausforderungennotwendig ist.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Und das warIhre - -

Zeuge Peter Altmaier: Das habe ich Ihnen gesagt,und alles andere habe ich Ihnen gesagt. Was dieEntlassung betrifft, das ist eine Frage, die nichtöffentlich zu diskutieren ist.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Und Herr Kahl warIhre Idee, nicht die von Herrn Schäuble?

Zeuge Peter Altmaier: War meine Idee, ja. Dashat Herr Schäuble übrigens öffentlich selbst ge-sagt.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja, das sagt janichts.

Zeuge Peter Altmaier: Ja, ich kann es Ihnen abersagen. Ich habe Herrn Schäuble am Rande einerPlenarsitzung darauf angesprochen, und HerrSchäuble war, glaube ich, zunächst von der Per-sonalie selber auch überrascht, aber konntemeine Argumente sehr gut nachvollziehen. Undich habe dann die Personalie auch in der Bundes-

Page 149: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 149 von 193

regierung abgestimmt, mit den übrigen zuständi-gen Ministern, mit der Bundeskanzlerin. Und dasist der Vorgang, wie Herr Kahl zum BND-Präsi-denten wurde.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Wir haben vorhinja noch - - von der Zeugenvernehmung von HerrnFritsche noch kein Protokoll logischerweise. Mirist bloß von der Erinnerung - ich versuche, dasmal sinngemäß wiederzugeben -, dass er gesagthat, er hat erst am 13.03.2015 erfahren, dass es sowas gibt.

Zeuge Peter Altmaier: Ja.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Wenn er das ge-wusst hätte, dass EU-Institutionen oder Ähnli-ches ausspioniert worden sind, dann hätte er dassofort unterbunden.

Zeuge Peter Altmaier: Ja.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Und da frage ichjetzt noch mal: Sie haben gesagt, Frühsommer2014, wo auch die beiden Gespräche stattgefun-den haben mit Herrn Schindler - - Da war es vonBeifang - - und da waren - - die anderen Sachenwaren abgestellt, hatte Ihnen Herr Schindler dortgesagt. Auch das wusste Herr Fritsche nicht. Ha-ben Sie damals über diese Situation mit HerrnFritsche gesprochen, also nach den Gesprächenmit Schindler? Der ist ja eigentlich dazwischen-geschaltet normalerweise. Haben Sie Herrn Frit-sche - -

Zeuge Peter Altmaier: Ja, natürlich habe ich mitHerrn Fritsche gesprochen, und Herr Fritschewar auch, glaube ich, der Erste, der mich überdas Thema informiert hat. Und danach haben wirdann mit Herrn Schindler gemeinsam darüber ge-sprochen. Und es gab ein zweites Gespräch; dashabe ich mit Herrn Schindler alleine geführt.Aber das ist doch kein Gegensatz zur Aussagevon Herrn Fritsche. Herr Fritsche hat Ihnen ge-sagt, dass er die Vorgänge der NSA-Selektoren-liste und mit den darin befindlichen Selektoren,die gegen unser Prinzip verstoßen haben, erst er-fahren hat am 15. März 2015, und über die BND-Selektoren, die noch nach der Anweisung vonHerrn Pofalla weiterhin gesteuert wurden, hat er

noch viel später erfahren, genauso wie ich - dahabe ich Ihnen ja gesagt, wann wir das Prüfergeb-nis hatten und dass ich dann eine 60-seitige Vor-lage hatte, wo das im Einzelnen auseinanderge-setzt war -, sodass die Aussage von Herrn Frit-sche und die Aussage von mir nun wirklich, abermillimetergenau deckungsgleich sind. Herr Frit-sche hat von der NSA-Selektorenliste zu diesemZeitpunkt nichts gewusst, und ich habe davonauch nichts gewusst, und Herr Schindler sagt,auch er hat davon nichts gewusst.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Weiter müss-ten wir dann in der nächsten Runde fragen; dennich glaube, zumindest die Fraktion Bünd-nis 90/Die Grünen hat noch Fragen. Herr KollegeStröbele.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, Herr Altmaier, das wird ja immer bun-ter. Wir haben ja Herrn Schindler gehört, undzwar mehrfach. Und Herr Schindler hat erklärt,das, was ihm von seinem Bundesnachrichten-dienst mitgeteilt worden ist vor dem Gesprächmit Herrn Pofalla, sei - ich lese Ihnen das jetzthier mal vor - - Die kam auch nicht - - Wir habenein Problem, hätten die gesagt, also seine Mitar-beiter, weil wir etwas - - Nein. Die haben nichtgesagt:

„Wir haben ein Problem, weil wiretwas Ungesetzliches machen ...“,sondern sie haben nur auf dieProblematik hingewiesen, dassdoch

- jetzt kommt das -

eine beachtliche Anzahl von EU-und NATO-Zielen gesteuert wirdim Bundesnachrichtendienst unddas unter dem Gesichtspunkt derpolitischen Äußerung der Kanzle-rin möglicherweise ein Problemwerden könnte.

So hat er hier ausgesagt. Und das entsprach auchdem, was ich vorher wusste.

Page 150: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 150 von 193

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Können wirdie Quelle noch mal genau hören? Dann könnenwir mal nachblättern.

Zeuge Peter Altmaier: Kann mir das jemand malvorlegen?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Also, was fürein Protokoll, welche Seite?

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Protokoll, Seite 26 von 82.

Zeuge Peter Altmaier: Darf ich das mal sehen?

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das ist -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wir probie-ren, es gerade herauszukriegen, aber die Verneh-mung - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - 19. Januar 2017, 126. Sitzung.

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Vor vier Wochen

ungefähr!)

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wenn Sie eshaben als Fraktion, könnten Sie es ja dem Zeugenzur Verfügung stellen, weil wir suchen es gerade.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ich wollte da noch was vorlesen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dann kriegenSie gleich unseres.

(Dem Zeugen werdenUnterlagen vorgelegt)

Zeuge Peter Altmaier: Wo steht das? Seite 26?

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das ist 26 links, der vorletzte Absatz.

Zeuge Peter Altmaier: Moment.

(Der Zeuge liest in den ihmvorgelegten Unterlagen)

Wann soll das geschehen sein, an welchem Tag,in welchem Jahr?

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das war - - Also, es geht dann weiter, dasser das dann Herrn Pofalla mitgeteilt hat, also daskommt auf der nächsten Seite. Sehen Sie?

Zeuge Peter Altmaier: Ja.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Und so haben - -

Und wie haben Sie es genau HerrnPofalla berichtet?

Und dann sagt er, also in der Mitte auf der ande-ren Seite:

Ja, ich bin hingefahren und habees ihm gesagt.

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Oktober 2013!)

Das ist im Oktober vor dieser ganzen - -

Zeuge Peter Altmaier: Ja, ja, das kann ich natür-lich aus eigenem Erleben jetzt nicht bestätigen.Das ist mir auch - - In dieser Form ist mir dieAussage nicht bekannt gewesen. Also hier stehtja, dass eine beachtliche Anzahl von EU- undNATO-Zielen - - Mir ist gesagt worden, von eini-gen Botschaften, insbesondere in Krisen-regionen - das habe ich gewusst -, und dass es ab-gestellt ist. Und alles andere entzieht sich meinerKenntnis.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Ich mache den Vorhalt trotzdem wei-ter. Dann soll dieses Gespräch mit Herrn Pofallagewesen sein am - - Ende Oktober. Und da sollauch Herr Heiß dabei gewesen sein. Und darauf-hin hätte Herr Schindler vorgeschlagen: „Wirnehmen das raus“, und da hätte Herr Pofalla ge-sagt: Ja, ja, das wird gemacht. So, das soll ge-macht werden. - Und dann haben wir auch vonHerrn Schindler gehört und auch von anderen,dass danach - - Aber man hat sich das nachhernoch mal überlegt und hat einzelne Sachen wie-der eingestellt in die Erfassung.

Page 151: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 151 von 193

Zeuge Peter Altmaier: Ja.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Und jetzt - - So. Das war jetzt 2013, das,was ich Ihnen gerade vorgelesen habe. Und2014 - so habe ich Sie jetzt verstanden -, im Som-mer hat Herr Schindler Ihnen gesagt: Da istnichts mehr. - So meine Zusammenfassung. -Sonst ist da nichts. - Nun kommen Sie wieder einDreivierteljahr später, im März 2015, 13. und 20.und so, dann geht das weiter. Also was sagen Siedenn dazu? Also kann - - Er hat Ihnen doch of-fensichtlich die Unwahrheit gesagt. - Also wasgibt es daran noch rumzuzuckeln? Wenn dasstimmt, was Sie sagen, hat er die Unwahrheit ge-sagt. Und wir haben ihn dazu jetzt nicht befragt,weil wir ja nicht wussten, was Sie sagen.

Zeuge Peter Altmaier: Ja. Jetzt bitte ich - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das wäre die Unwahrheit. Was kann ei-gentlich ein Präsident Schlimmeres machen, alsseinem aufsichtführenden Minister im Kanzler-amt so was falsch zu sagen? Gibt es noch ein grö-ßeres Vergehen?

Zeuge Peter Altmaier: Das kann ich Ihnen - -Also, ich werde mich nicht auf dieses Glatteis be-geben, dass ich jetzt darüber urteile, ob HerrSchindler die Wahrheit oder die Unwahrheit ge-sagt hat. Ich habe mit ihm viele Jahre gut zusam-mengearbeitet. Und ich hätte mir selbstverständ-lich im BND einen anderen Umgang mit diesenSelektoren, eigenen und fremden, gewünscht,weil ich der Auffassung bin, dass spätestens mitder Aussage der Kanzlerin ein Grund vorhandengewesen wäre, umfassend zu überprüfen, ob esProbleme gibt. Ich weiß aber nicht und kann esauch nicht einschätzen und nicht beurteilen,welche Überlegungen dazu im Dienst genau getä-tigt worden sind. Sie haben ja einige Zeugenauch vernommen, die damit befasst waren.

Das alles wurde aus meiner Sicht der politischenBedeutung der Sache nicht gerecht. Und es warauch - - Unabhängig von der Ansage der Kanzle-rin, Freunde hört man nicht ab, glaube ich, dasses auch vorher schon die eine oder andere Gele-genheit gegeben hätte, genauer hinzuschauen.

Und ich habe vorhin selber gesagt, dass für michganz entscheidend ist, wenn ich Selektoren steu-ere - und das ist nun mal nicht zu vermeiden,dass man das tut, wenn man Nachrichten gewin-nen will -, dass man erstens sich darüber Rechen-schaft abgibt, wen man steuert, und dass mandann auch dafür sorgt, dass es technisch entspre-chend umgesetzt wird.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Peter Altmaier: So. Und das habe ich klarbenannt. Und ansonsten werden Sie mir kein Ur-teil zur Person des BND-Präsidenten entlocken,auch nicht zu seinen Vorgängern im Amte, weilich glaube, dass der gegenseitige Respekt auch et-was wert ist. Ich will allerdings eine Sache auchdeutlich sagen: Ich habe keinen Anlass, irgendwoauch nur zu vermuten, dass etwas geschehen ist,was strafrechtlich in dem Zusammenhang rele-vant wäre.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Es kommt jetzt hier auf Wahrheit und Un-wahrheit an.

Zeuge Peter Altmaier: Ja.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Sind Sie richtig informiert worden, als erIhnen sagte - - Nein. Und ich kann nur sagen:Nein, Sie sind nicht richtig informiert worden.

Zeuge Peter Altmaier: Ja, das ist ja alles wahr. Ichhatte in diesem Raum die Ehre, den sogenanntenWahllügenuntersuchungsausschuss im Jahre2002, 2003 als Obmann zu begleiten. Und da ginges um die Frage, nur um das mal colorandi causamitzuteilen, wann die Bundesregierung wusste,dass der Haushalt aus dem Leim gegangen warund dass die Verschuldung explodierte und weres wem gesagt hat. Und dann hat Herr Eichel bei-spielsweise, der Finanzminister - - Dem hat derStaatssekretär berichtet, dass die Verschuldungenorm ansteigen wird, und dann hat man ihn ge-fragt: Und haben Sie dann darauf reagiert? - Undda sagte er: Nein, ich habe es nicht geglaubt. - So.Und dann habe ich den Bundeskanzler gefragt indiesem Raum, ich habe gesagt: Wie haben Sie

Page 152: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 152 von 193

sich denn informieren lassen darüber - den da-maligen Bundeskanzler -, wie sich die Staatsver-schuldung entwickelt? - Und da guckte er michan und sagte - also sinngemäß, ich kann es nichtzitieren aus dem Kopf - - nach dem Motto: Ichhatte damals Wichtigeres zu tun, als mich dar-über alle paar Tage informieren zu lassen.

So. Das können Sie dann bewerten. Aber dieseBewertung kommt an Grenzen. Ich kann nur dasbewerten, was ich selbst erlebt habe in meineramtlichen Zuständigkeit als Kanzleramtsminis-ter. Und da habe ich versucht, die Dinge so zu or-ganisieren, dass Fehler korrigiert werden unddass Fehler in der Zukunft unwahrscheinlicherwerden. Ob mir das gelungen ist, wird man inspäteren Jahren vielleicht abschließend beurtei-len können. Aber ich glaube, dass wir auf einemguten Weg sind. Und dass ich im Übrigen dannaber auch den erforderlichen Respekt vor ehema-ligen und jetzigen Präsidenten des BND beflei-ßige, kann man, glaube ich, nachvollziehen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Jetzt müsstenwir mit der Fraktion Die Linke weitermachen,wenn noch Fragen im öffentlichen Teil bestehen.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja. Ich würde gernnoch mal auf die Regierungserklärung der Bun-deskanzlerin kommen. Sie haben das vorhin sel-ber ins Spiel gebracht. Sie haben gesagt, Sie sindda ja auch noch mit befasst gewesen. Und sie hatja in der Regierungserklärung sich auch zu derThematik geäußert. Nun will ich jetzt nicht imDetail wissen, wie das praktisch läuft, damit Sienicht wieder den Kernbereich der exekutiven Ei-genverantwortung irgendwie dort mit ins Spielbringen. Aber ich könnte mir vorstellen, wennman eine Passage zu Geheimdiensten schreibtund auch zu Dingen, die die Amerikaner tatsäch-lich oder vermeintlich gemacht haben, und manwill sich da positionieren, dass die Bundeskanz-lerin sich nicht mit einem Stift hinsetzt und dasaufschreibt, sondern dass es da Leute gibt, die daauch zuarbeiten. Und ich könnte mir vorstellen,wenn man Aussagen zur NSA trifft oder gegen-über der amerikanischen Regierung, dass da ne-ben dem Kanzleramtschef auch der BND-Präsi-dent oder der zuständige Abteilungsleiter 6 im

Kanzleramt vielleicht Hinweise geben oder Vor-schläge machen, wie man das formulierenkönnte.

Worauf ich hinauswill, ist: Da die Kanzlerin ja inihrer Regierungserklärung im Kern erstens dieVorgänge kritisiert hat und auch noch mal gesagthat, dass man das eigentlich nicht macht unterFreunden oder Partnern, wie auch immer - -Wenn jemand von denen, die ich jetzt genannthabe, dabei gewesen sein sollte, wäre das nichtspätestens der Moment gewesen, wo entwederder BND-Präsident oder Herr Heiß, die ja wuss-ten, dass der BND das macht - deshalb waren sieja bei Pofalla -, der Kanzlerin hätten sagenmüssen: „Das kann so nicht bleiben“, oder: “Dagibt es ein Problem“, wie Herr Schindler hierformuliert hat, um die Kanzlerin davor zubewahren, etwas zu wiederholen, wo sowohl diedeutschen Nachrichtendienste wie auch dieAmerikaner vermutlich wussten, dass der BNDdas genauso macht?

Zeuge Peter Altmaier: Also, ich bin ja gar nichtin der Verlegenheit, jetzt vertrauliche Meinungs-bildungsprozesse schildern müssen; denn die Re-gierungserklärung ist ja öffentlich abgegeben wor-den. Und die Passagen, um die es geht, standenauch in allen Zeitungen, waren, glaube ich, sogareiner der Hauptpunkte, die öffentlich transpor-tiert wurden. Deshalb hätte selbstverständlich je-mand, der über die Vorgänge informiert war undwusste, dass es Selektorenlisten usw. gibt, auchzu dem Zeitpunkt durchaus sagen können: Da ha-ben wir noch ein Problem, und da müssen wirnoch handeln. - Das ist mir gegenüber nicht er-folgt und auch noch ein ganzes Jahr lang nicht er-folgt. Und über die Gründe und die Ursachen,wie das gekommen ist, haben wir ja ausführlichschon geredet.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Meine Frage war jaeher tatsächlich, wie eine solche Ausarbeitungstattfindet.

Zeuge Peter Altmaier: Die Regierungserklärungist eine sehr persönliche Erklärung der Bundes-kanzlerin. Sie verantwortet den Text, und derText, den sie vorträgt, erfährt einen Prozess des

Page 153: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 153 von 193

Werdens und des Entstehens. Aber den hier öf-fentlich zu schildern, ist, glaube ich, -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Zumindestnicht untersuchungsgegenständlich.

Zeuge Peter Altmaier: - das, was gerade schon ei-nen Schritt zu weit geht im Bereich der exekuti-ven Eigenverantwortung.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Also dass da einProzess des Werdens und Entstehens ist, glaubeich gerne.

Zeuge Peter Altmaier: Ja.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ich habe ja konkretgefragt, ob der BND-Chef oder der Abteilungslei-ter 6 in dieser Frage beteiligt waren.

Zeuge Peter Altmaier: Das weiß ich nicht.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Und da ist dannmeine Frage: Hätten Sie die Kanzlerin nicht in-formieren oder wenigstens ihr sagen müssen, wasSie wissen zu diesem Fall?

Zeuge Peter Altmaier: Noch mal: Ich weiß nicht,ob Herr Heiß oder Herr Fritsche an der Entste-hung der Passage beteiligt waren. Und selbstwenn es so gewesen wäre, was ich, wie gesagt,nicht weiß, dann hätten sie ja nur dann Anlassgehabt, etwas zu sagen, wenn sie etwas gewussthätten von den Praktiken. Und sowohl Herr Frit-sche wie Herr Heiß wie Herr Schindler haben vordiesem Ausschuss eindeutig und ganz klar ge-sagt, dass sie erst im Jahre 2015 davon erfahrenhaben.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Entschuldigung,Herr Minister, Kollege Ströbele hat Ihnen geradevorgelesen, dass Schindler von diversen Zielengegen EU, NATO usw. im Oktober 2013 berichtethat. Und Herr Heiß saß dabei.

Zeuge Peter Altmaier: Und Herr Schindler hatgesagt: Das ist abgestellt worden.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Nein, da gab eseine Weisungslage, die - -

Zeuge Peter Altmaier: Er hat doch berichtet - dashat auch Herr Ströbele im Nachgang noch vorge-lesen -, dass die Runde, die zusammensaß, dannzum Ergebnis kam, dass man das ändern möge,und dass Herr Pofalla dann angewiesen hat, diesePraxis zu beenden.

(Hans-Christian Ströbele(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-

NEN): Ja!)

So. Und von diesem Zeitpunkt an gab es keinenHinweis darauf, dass irgendwo eine Selektoren-liste existiert, in der sich Ziele von EU-Mitglie-dern, NATO-Partnern usw. befinden, die nichtabgehört werden dürfen, sondern das ist erst wie-der akut und aktuell geworden im Jahre 2015.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Also selbst mal un-terstellt, es wäre tatsächlich die Weisung umge-setzt worden und abgestellt worden, hätte mandann nicht vielleicht doch mit einer anderen At-titüde dort rangehen müssen, wenn man weiß,wir haben es bis vor wenigen Wochen nochselbst gemacht, auch wenn es abgestellt ist? Manhat es ihr ja offensichtlich nicht gesagt, obwohlHerr Heiß es wusste.

Zeuge Peter Altmaier: Also, noch einmal: Ichhabe den Prozess dieser Rede inso- - was die Ein-bindung der einzelnen Abteilungen angeht, kannich Ihnen nicht schildern. Und das ist eine Frage,die müssen Sie mit Herrn Heiß oder mit HerrnFritsche diskutieren, aber nicht mit dem Kanzler-amtsminister.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Das ThemaRamstein hat vorhin eine Rolle gespielt; das istder letzte Komplex oder Punkt, den ich anspre-chen möchte. Sie sagen immer - jetzt nicht nurSie; da meine ich jetzt die Bundesregierung -: Wirhaben da mal nachgefragt, und die haben unseine Information gegeben oder auch nicht oderauch nicht so richtig. - Es steht ja der Verdachtim Raum, dass Tötungen über Ramstein laufenals Relaisstation. Und die Aussage war hier:Keine der Drohnen in bestimmten Bereichenkönnte das Ziel finden, wenn nicht Ramsteinexistieren würde als Relaisstation. - Wäre es da

Page 154: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 154 von 193

nicht die Pflicht der Bundesregierung, dort ein-mal nachzuschauen, hineinzugehen, was dort losist, zu prüfen, was tatsächlich passiert, wennüber Jahre ein solcher Vorwurf im Raum ist, derja vom Grundsatz her richtig ist, wie wir seit eini-gen Tagen wissen, dass es eine Relaisstation ist?Warum hat die Bundesregierung zu keinem Zeit-punkt sich selbst ein Bild gemacht, was inRamstein passiert?

Zeuge Peter Altmaier: Nun müssen wir aber,glaube ich, mal exakt bleiben. Der Umstand, dasseine Station eine Relaisstation genannt wird, sagtnichts aus über die Frage der völkerrechtlichenund der strafrechtlichen Bewertung, auch nichtdarüber etwas aus, ob dort jemand sitzt, der Tö-tungen vornimmt oder der sie möglich machtoder wie auch immer. Und ich habe Ihnen vor-hin, glaube ich, auf Ihre Frage oder die eines Kol-legen gesagt, dass ich keinerlei belastbare Hin-weise darauf habe, dass dort Dinge gemacht wer-den, die mit den Vereinbarungen, die wir mit denAmerikanern über Ramstein haben, unvereinbarwären.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): War nie einer drinvon Ihnen.

Zeuge Peter Altmaier: Im Übrigen war das eineFrage - da bitte ich herzlich um Verständnis -, diebei mehreren Gelegenheiten an unterschiedlicheRessorts in der Bundesregierung herangetragenworden ist und auch beantwortet worden ist.

(Hans-Christian Ströbele(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-

NEN): Genau!)

Und ich habe diesen Antworten nichts hinzuzu-fügen. Ich habe keinerlei darüber hinausgehendeKenntnisse, vor allen Dingen keinerlei Kennt-nisse, die dazu führen müssten, dass ich von miraus in dieser Frage irgendwelche Schritte unter-nehme.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Das ist über Jahregeleugnet worden, dass es eine Relaisstation ist.Jetzt gibt man es zu. Aber keiner war drin; nie-

mand von der Bundesregierung hat sich das an-geguckt, kein Staatsanwalt, keiner hat die Sachekontrolliert. Warum?

Zeuge Peter Altmaier: Also der Kanzleramts-minister ist ja mit vielen Dingen beschäftigt, aberich kann doch nicht die Motivationslage vonStaatsanwälten nachvollziehen.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Nein. Es gibt ja ei-nen Vertrag, dass die da nicht reindürfen offen-bar; der kommt aus dem Kanzleramt.

Zeuge Peter Altmaier: Tja.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Das müssen Sie jawissen, nicht ich.

Zeuge Peter Altmaier: Also, ich kann Ihnen zuder Frage nicht mehr sagen, als ich Ihnen gesagthabe. Und für mich gehört auch sozusagen zumeinen Verpflichtungen, dass ich, wenn ich ir-gendwo belastbare Indizien habe, dann versuche,diesen Dingen nachzugehen. Und ich habe inmeiner Amtszeit keine neuen Indizien erfahren.Ich habe die Unterlagen gesehen, die sich aufRamstein beziehen, die ich in öffentlicher Sit-zung nicht gerne zitieren möchte; aber Sie ken-nen den Inhalt auch und wissen, dass ich Ihnendas nur vorlesen würde. Und ich habe die Beant-wortung von Anfragen durch die Bundesregie-rung zur Kenntnis genommen. Ich habe mir alleUnterlagen, die ich habe, angeschaut. Das Ergeb-nis ist so, wie ich es Ihnen vor zwei Stundenetwa schon einmal dargelegt habe.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Gut, herzli-chen Dank. - Dann sind wir jetzt wieder bei derFraktion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Kollegevon Notz.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Vielen Dank. - Herr Minister, ich wolltenoch mal ganz kurz auf die Stelle Bezug nehmen,die der Kollege Ströbele eben angesprochen hat.Das ist ja völlig richtig, und wir können Sie nurbefragen zu dem Kenntnisstand, den Sie haben;aber es ist natürlich für die Frage, seit wann dasBundeskanzleramt als Behörde praktisch von denProblemen des Bundesnachrichtendienstes

Page 155: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 155 von 193

wusste, schon relevant, was der Zeuge Schindlerda aussagt in Gegenwart von Herrn Heiß auch ge-sagt zu haben. Sie können aber noch mal - - Des-wegen frage ich Sie jetzt das noch einmal expli-zit: Herr Heiß hat Sie über das, was Herr Schind-ler da sagt, so nicht informiert?

Zeuge Peter Altmaier: Ich kann mich jedenfallsnicht daran erinnern.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Gut. - Ich habe noch mal eine Frage zu derKonstruktion Graulich, wie das hier vorhin ge-sagt wurde, und zu der Frage, was er eigentlichüberprüft hat bei den NSA-Selektoren. Jetzt ha-ben wir hier mehrfach gehört, dass es eine ganzeReihe von gesteuerten Selektoren der NSA gab,die man eben nicht lesen konnte, also wo keineErklärung stand, aber die man auch so nicht rich-tig lesen konnte. Haben Sie eine Einschätzung,wie viele Selektoren das waren, die man nicht le-sen konnte? Weil in dem Graulich-Bericht findetman das so nicht. Der hat sich ja 40 000 Stück an-geguckt.

Zeuge Peter Altmaier: Nein, dazu habe ich keineEinschätzung, weil meine Beschäftigung mit denSelektoren zwar eine umfangreiche war; aber esist auch nicht sozusagen meine Aufgabe, jedeneinzelnen Selektor zu überprüfen. Ich habe mirdie Liste, diese 2 000er-Liste, die allererste, sehrintensiv und genau angeschaut und im Übrigendann dafür gesorgt, dass die Abteilung 6 imKanzleramt die Aufklärung vorangetrieben hat;darüber wurde ich auch informiert. Aber zu demKomplex, den Sie hier vortragen - - Ich schließenicht aus, dass ich darüber schriftlich informiertworden bin; ich weiß es aber nicht mehr aus ak-tuellem Wissen. Deshalb kann ich das nicht be-antworten.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das verstehe ich, wollte nur noch mal Be-zug darauf nehmen, warum ich finde, dass dasein schwieriger Vorgang ist, und warum wir die-sem Verfahren, praktisch dann einen Mittler ein-zuschalten, um die parlamentarische Kontrolleauszuüben - - warum wir die kritisch sehen.

Wenn wir uns die Selektorenzahlen angucken imVerlauf der Zeit, dann sind da Millionen von Se-lektoren irgendwie verschwunden. Also diesind - - Am Anfang wurden ganz viele gesteuert,und dann verschwanden - - halbierten sichirgendwie die Zahlen. Und am Ende hat sichGraulich 40 000 Stück angeguckt, und die konnteer offenbar lesen. Es geisterte mal so eine Zahldurch den Raum, dass ein Drittel der von denUSA gesteuerten Selektoren, weil es Messenger-Dienste betraf, weil es irgendwie verhashteSelektoren waren oder so - - dass man die ebennicht lesen konnte. Und da stellt sich eben dieFrage im Hinblick auf die Aussagekraft des Grau-lich-Berichts, ob man hier eben tatsächlich nureinen sehr eingezirkelten kleinen Kreis vonSelektoren gesehen hat, wo doch Millionen vonanderen nicht da sind.

Zeuge Peter Altmaier: Es ging ja um die proble-matischen Selektoren.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Peter Altmaier: Und dort gibt es in der Tatunterschiedliche Zahlenangaben, die aber zu ei-nem erheblichen Teil auch etwas zu tun habenmit den sogenannten Permutationen; darübersind Sie, glaube ich, auch ausführlich unterrich-tet worden.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Peter Altmaier: Es gibt darüber hinausweitere Gründe, warum sich die Zahlen unter-scheiden. Und ich muss Ihnen ganz ehrlich sa-gen, als ich mich dann über die unterschiedli-chen Listen und die unterschiedlichen Inhaltegebeugt habe, dass das auch nicht einfach nach-vollziehbar war. Ich glaube aber - das ist meinepolitische Bewertung -, dass das nicht in böserAbsicht erfolgt ist, sondern dass es einfach sowar, dass der Umgang mit diesen Selektoren ineiner unzureichenden Art und Weise organisiertwar und dokumentiert war. Deshalb haben wirdafür gesorgt, dass es verändert worden ist. Ichwiederhole noch einmal: Für mich ist ganz ent-

Page 156: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 156 von 193

scheidend, dass der Dienst weiß, welche Se-lektoren er steuert, und dass es auch politischvertretbar sein muss, die Selektoren zu steuern.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das teile ich absolut. Und wenn das einErfolg dieses Untersuchungsausschusses ist, dassdas jetzt zukünftig so gehandhabt wird inDeutschland - da stimme ich Ihnen völlig zu,Herr Minister -, dann ist das ein Erfolg. Trotzdemstellt sich ja im Hinblick auf die Kooperation mitden USA oder den Five Eyes insgesamt die Frage:Was passiert eigentlich außerhalb von Deutsch-land? Also, die NSA hat ja, glaube ich, Dutzendesolcher Kooperationen wie mit Deutschland. Undan all diesen anderen Knotenpunkten, an denenIhre E-Mails und meine E-Mails und die Telefo-nate von Herrn Wolff und Ihnen und was weißich nicht alles auch vorbeilaufen, da sortiert janiemand die +49-Nummern raus.

Deswegen die Frage: Gab es eine Diskussion imBundeskanzleramt, dass man am Ende des Tagesnatürlich auf deutschem Boden versucht, sich andeutsches Recht irgendwie zu halten - mehrschlecht als recht, muss man rückschauend sa-gen; zukünftig hoffentlich besser -, aber eben imRest der Welt die NSA sich um deutsches Rechtüberhaupt nicht schert und man deswegen in ei-nem, sage ich mal, Gesamtmechanismus derÜberwachung mitwirkt, bei dem deutsche Grund-rechte, deutsche Rechtsinteressen milliardenfachjeden Tag verletzt werden? Hat man das disku-tiert?

Zeuge Peter Altmaier: Es ist, glaube ich, ein nichtzu bestreitender Tatbestand, dass ausländischeNachrichtendienste in der Wahl und Anwendungihrer Methoden, wenn sie im Ausland tätig sind,schwer zu kontrollieren sind, zumal dann, wennsie uns nicht alles erzählen, was sie tun. Da müs-sen Sie gar nicht mal mehr nur nach USAschauen, da gibt es vermutlich ganz andere Nach-richtendienste aus ganz anderen Ländern, wo ichnicht weiß, ob die Grundrechte deutscher Grund-rechtsträger in jedem Einzelfall respektiert wer-den, um das mal vorsichtig auszudrücken.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aber mit denen kooperieren wir halt nicht.

Zeuge Peter Altmaier: Doch, wir kooperieren mitsehr vielen Nachrichtendiensten.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, gut.

Zeuge Peter Altmaier: Da haben wir auch schonmal drüber gesprochen.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das haben wir.

Zeuge Peter Altmaier: Wir kooperieren natürlichmit Nachrichtendiensten befreundeter Staatenund Demokratien. Aber wir kooperieren auch mitNachrichtendiensten aus Ländern, die keine De-mokratien in unserem Sinne sind, weil es im In-teresse der Sicherheit unseres Landes absolutnotwendig ist. So. Und wir versuchen, die Inte-ressen unserer Bürgerinnen und Bürger zu schüt-zen, wo immer wir können. Aber wir haben keineAhnung und keine Kontrollmöglichkeit, wennandere Nachrichtendienste in anderen Ländern -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das - - Ja - -

Zeuge Peter Altmaier: - Kommunikation auslei-ten, die auch deutsche Staatsbürger betrifft. Nur -und das möchte ich dann auch mal sagen -, ichhabe mich mit dieser ganzen Kooperation undauch mit der Tätigkeit der Nachrichtendienstedoch etwas intensiver beschäftigen müssen. Undmein Eindruck ist, dass das, was dort gemachtwird, der Informationsgewinnung dient und derBekämpfung von Gefahren des Terrorismus undder Proliferation. Manches, was ich gesehenhabe, erschließt sich mir in seiner Sinnhaftigkeitnicht. Aber ich glaube, dass jedenfalls von Län-dern wie den USA, Großbritannien, Frankreich,Italien keine gezielt kriminellen Tätigkeiten ge-gen deutsche Staatsbürger ausgehen, -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das wollen wir schwer hoffen.

Zeuge Peter Altmaier: - sondern dass es sich umInformationsgewinnung handelt, die wir nicht in

Page 157: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 157 von 193

jedem Einzelfall billigen können, aber die insge-samt im Wesen der Nachrichtendienste begrün-det liegt.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Okay. - Herr Altmaier, ich bin auch wirk-lich jemand, der das hier gerne wiederholt, dasswir natürlich Kooperationen auch brauchen unddass man auch Dienste braucht; das ist alles völ-lig unstreitig. Die Frage ist eben: Ist das am Endedes Tages eine formaljuristische Definition, wennman eben sagt: „Ja, gut, es sind eben nicht Milli-arden“ - wobei ich da auch noch einige Fragezei-chen habe bei dieser Geschichte -, „nicht Milliar-den von Daten täglich, die vom Frankfurter Kno-tenpunkt deutsche Grundrechtsträger verletzen,aber wissen wir nicht, dass sozusagen in dieserÜberwachungsmühle, die insgesamt läuft, jedenTag milliardenfach deutsche Grundrechtsträgerverletzt werden“? Und sozusagen stellt einen dasnicht tatsächlich auch vor ein Problem bei derKooperation, die man betreibt, und auch bei denInformationen, die man von diesen Diensten an-nimmt?

Jetzt sagen Sie immer - das haben hier auch alleBNDler immer gesagt -: Terrorismus. Terrorismusist ja ein gutes Argument für vieles, und Prolife-ration ist es auch. Aber Terrorismus, das sindnoch nicht mal 10 Prozent aller Selektoren. 90Prozent betreffen vollkommen andere Sachen; beiuns übrigens auch, wenn ich das richtig - -

Zeuge Peter Altmaier: Noch mal: Wir arbeiten imBereich Terrorismus und in den anderen Berei-chen, die Sie genannt haben, zusammen, weil esim Interesse Deutschlands und seiner Sicherheitliegt, -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Peter Altmaier: - diese Zusammenarbeit zumachen.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aber die 90 Prozent der anderen Se-lektoren, Herr Minister.

Zeuge Peter Altmaier: Wenn ein ausländischerNachrichtendienst irgendwo im Ausland einendeutschen Staatsbürger mit einem Selektor steu-ert und daraufhin Kommunikation abfängt, dannist das nach deutschem Recht strafbar. Man musses nur wissen, dass es geschieht und wo es ge-schieht, und dann muss man den Verantwortli-chen noch bekommen können, weil er sich in al-ler Regel nicht in Deutschland aufhält, sondernirgendwo auf der Welt.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nur, da haben Sie ja eine Liste mit40 000 Selektoren, die Ihnen das beweisen. Ja?

Zeuge Peter Altmaier: Nein. Entschuldigung.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, ich habe sie nicht gesehen. Also inso-fern - -

Zeuge Peter Altmaier: Ja, gut, dann sind wir unswieder einig.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Also Sie können jetzt sagen, dass das nichtso ist?

Zeuge Peter Altmaier: Dann sind wir uns wiedereinig.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, aber - - Also dieses Liste gibt es ja, dasseben - - Und dieses System, -

Zeuge Peter Altmaier: Nein, nein, das ist - -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - das haben wir hier nun lange betrachtetdie letzten Jahre. Dieses System funktioniert ebenglobal. Die USA machen sich nicht großartig dieMühe, die Nummer der Bundeskanzlerin aus denSelektorenlisten rauszufischen.

Zeuge Peter Altmaier: Aber ich will das, Herrvon Notz, noch mal sagen - vielleicht war ich danicht deutlich genug -: Es war auch den Amerika-nern bekannt und mit den Amerikanern bespro-chen, dass wir die Selektoren, die wir bekom-men, überprüfen im Hinblick auf deutsche

Page 158: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 158 von 193

Grundrechtsträger und dass die selbstverständ-lich nicht gesteuert werden. Und insofern istdeutsches Recht in diesem Punk beachtet wor-den. Die Amerikaner haben uns überhaupt nichtverpflichtet, irgendetwas zu steuern. Wir hättenauch die Selektoren, um die es dann im Graulich-Bericht ging von europäischen Partnern usw., diehätten wir auch jederzeit rausnehmen können.Wir waren nicht verpflichtet, die zu steuern. Nurhaben wir in der politischen Führung eben davonerst Kenntnis bekommen im März 2015 und danngehandelt. Und wenn wir es früher gewusst hät-ten, dann hätten wir früher gehandelt.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, nur die Amerikaner haben natürlich diedeutschen Nummern gesteuert und haben gesagt:Filtert sie halt raus.

Zeuge Peter Altmaier: Ja.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Und das hat halt schlecht funktioniert.

Zeuge Peter Altmaier: Es hat unterschiedlichfunktioniert. Wenn Sie - -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. Bei paketvermittelten - -

Zeuge Peter Altmaier: Sie haben ja vorhin zumBeispiel „Eikonal“ angesprochen. Da wissen Sie,dass die Probleme, die es gab, dann auch dazugeführt haben, dass Dinge beendet worden sind.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, da hat man nachher die Filter so harteingestellt, dass gar nichts mehr durchgegangenist. Dann wurde die Kooperation beendet. Genau.Aber danach hat man eben eine neue gemacht,und das lief eine ganze Zeit lang sehr gut. Undbei der Paketvermittlung - ich sage es jetzt mal et-was blumig - glaube ich inzwischen aufgrund derAktenlage, dass die Filter nie funktioniert habenund dass das genau das Problem war, das Kern-problem, dass eben bei den paketvermitteltenVerkehren die Filter dann eben nicht funktionierthaben.

Aber ich will noch einmal Bezug nehmen aufdiese Frage - weil ich das interessant fand; ichhabe vorhin genau zugehört, als Sie das mitHerrn Flisek bewegt haben - der zukünftigen par-lamentarischen Kontrolle und der kulturellenUnterschiede mit den USA, die es gibt. Das seheich nämlich ganz ähnlich. Ich glaube, da könnteman sich tatsächlich eine Scheibe abschneiden.Nur, wenn Sie in die USA gehen und mit denenreden, dann sagen die, bei ihnen muss die parla-mentarische Kontrolle stärker werden - sie mussstärker werden. Und das Hauptproblem, was dieAmerikaner so kommunizieren - wie sie es zu-mindest gegenüber Abgeordneten sehen -, ist,dass hier diese Darstellung der Exekutive gegen-über der Öffentlichkeit natürlich auch viel damitzu tun hatte, dass man es den Parlamentariernnicht erzählt hatte, was man macht. Man hat jadie parlamentarischen Kontrollgremien belogeneigentlich zehn Jahre lang. Und dadurch war - -

Zeuge Peter Altmaier: Wo? Bei uns, oder wo?

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Bei uns, ja.

Zeuge Peter Altmaier: Wer hat die belogen?

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Verschiedene Vertreterinnen und Vertreterder Exekutive, beginnend im Jahr 2002/2003.Also es hat nichts mit politischer Couleur zu tun,aber nicht - - Man hat - - Und der BND hat das jamehrfach auch aufgeschrieben und hat gesagt:Wenn das rauskommt, dann ist der Arsch ab, ja,dann ist sozusagen - - dann ist der Verlust desVertrauens final da. Das hat man schwarz aufweiß eben reingeschrieben, weil man wusste das.

So. Und was ich jetzt sagen will: Diese Arkan-staatlichkeit, die ein Teil unseres Problems ist,die ist schon was typisch Preußisches und ehernichts US-Amerikanisches. Und deswegen: Ichstimme Ihnen völlig zu: Es darf nicht so vieldurchgestochen oder es darf eigentlich überhauptnicht durchgestochen werden. Natürlich gibt eseinen Anspruch darauf, dass rechtswidrige Vor-gänge transparent werden. Aber da kann mansich bei den USA halt auch was abschneiden. DerFolterbericht, den Frau Feinstein da öffentlich

Page 159: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 159 von 193

gemacht hat: Das möchte ich einmal in Deutsch-land erleben, dass das Parlament sich so durch-setzt in so einer Frage.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wir folternerst gar nicht.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Bitte?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wir folternerst gar nicht.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, wir foltern erst gar nicht, genau. Ja, daist sie wieder: die Selbstgerechtigkeit diesseitsdes Atlantiks, Patrick, die man da drüben soschätzt.

Aber ich sage das jetzt mal perspektivisch imHinblick auf den neuen Präsidenten und seine of-fensichtliche Agenda - aus der er keinen Hehlmacht -, die Europäische Union zerlegen zu wol-len, und seiner nicht sehr liebevollen Beziehungzu Frau Merkel: Wird das diskutiert, was manjetzt zukünftig mit dieser Kooperation macht?

Zeuge Peter Altmaier: Also, erstens gibt es unterden Entscheidungen der neuen Administration inden USA ja auch zumindest eine, von der wiruns öffentlich distanziert haben; das hat nichtsmit Nachrichtendiensten zu tun. Aber ich glaube,dass wir die transatlantische Freundschaft dannam besten instand halten, wenn wir auch ehrlichmiteinander sprechen. Und dort, wo es unter-schiedliche Wertungen gibt, muss das zur Spra-che kommen.

Bei den Nachrichtendiensten habe ich bislang -das sind allerdings laufende Vorgänge, nicht er-fasst von Ihrem Untersuchungsauftrag; ich sagees aber trotzdem - aus den Kontakten, die zwi-schen den neuen Verantwortlichen dort und un-seren Verantwortlichen geführt worden sind, kei-nen Grund, irgendetwas infrage zu stellen. Wirsind weiterhin an einer sehr engen Zusammen-arbeit auf der Grundlage der Ihnen bekanntenPrinzipien, die wir vertreten, interessiert.

Und was den Umgang mit dem Muslim Ban an-geht, da kann man aber dann schon sehen: Das istja ein Dekret, das erlassen worden ist, aber alsdann das Gericht gesagt hat: „Wir setzen die An-wendung aus“, und es dann auch noch in derBeratungsinstanz bestätigt worden ist, ist es nichtmehr angewendet worden. Und das unterschei-det die USA dann immer noch von vielen ande-ren Ländern, dass sie eben ein Rechtsstaat sind,wo in letzter Instanz die Gerichte entscheiden -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): So ist es.

Zeuge Peter Altmaier: - und nicht die politischenMehrheiten.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. So ist es.

(Nina Warken (CDU/CSU):Habt ihr noch Fragen, die

im Untersuchungszeitraumliegen?)

- Vielen Dank, sehr aufmerksam. - Ja, ich habenoch eine Frage zu diesem Untersuchungszeit-raum, und zwar über das Gerichtsurteil, was wirhier schon miteinander bewegt haben und beidessen Auswirkungen ich mir nicht so sicher bin,Herr Altmaier, ob wir uns darüber gemeinsam alsParlamentarier, die wir sind, aber selbst als Exe-kutive freuen sollten.

Ich lese Ihnen mal die Seite 25 von 29 Seiten die-ser Entscheidung des Zweiten Senats vor. Dasteht - ich zitiere -:

Der „Third Party Rule“ wird alsAuskunftsverweigerungsgrund ge-genüber Strafverfolgungsbehördenund Gerichten Bedeutung beige-messen …

Dann folgen Zitate.

Ob dieser Grundsatz nachrichten-dienstlicher Zusammenarbeitauch gegenüber Kontrollorganendes Parlaments und selbst gegen-über Aufsichtsbehörden gilt …

Page 160: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 160 von 193

- wieder Zitate -,

bedarf keiner abschließenden Be-wertung. Denn jedenfalls im vor-liegenden Zusammenhang ist derbekundete Wille der herausgeben-den Stelle maßgeblich. Sie be-stimmt, wen sie als „Dritten“ an-sieht.

Ich sage Ihnen mal: Der Bundesnachrichtendienstliest das und sagt, er muss noch nicht einmal derFach- und Rechtsaufsicht sagen, was er tut. Undich garantiere, dass uns - -

Zeuge Peter Altmaier: … (akustisch unverständ-lich)

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, wenn Sie es anders interpretieren! Ichkann es Ihnen auch noch mal geben. - Aber ichglaube, dass das von den Auswirkungen her ver-heerend ist im Hinblick auf die parlamentarischeKontrolle, und ich glaube, dass selbst die Fach-und Dienstaufsicht durch diesen sehr lässig da-hingeschriebenen Absatz geschwächt ist. Und ichbin mal sehr gespannt, wie das zukünftig imHaus interpretiert wird. Vielleicht haben Sie jaschon mal eine Anfrage gestellt, wie der BND dasgedenkt zu interpretieren, wenn er bestimmt - dieherausgebende Stelle -, wer Dritter ist und obnicht eventuell sogar die Bundesregierung selbstdas sein kann.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Aber, lieberKollege, das wären Teile von Beratungssitzungenoder gegebenenfalls von gerichtlichen Klärungen.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Also, vorhin waren Sie so interessiert, alsHerr Flisek diese rechtlichen Überlegungen mitHerrn Altmaier angestrengt hat.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ich habe daauch schon Beratungssitzungen in den Raum ge-worfen. Ich finde es auch spannend rechtlich -unstreitig. Der Zeuge kann auch gern was dazusagen - wir sind immer an Rechtsexegese interes-siert -, nur, es ist nicht Teil einer Zeugenbefra-gung.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Der Kollege Ströbele hat noch - -

Zeuge Peter Altmaier: Es ist nicht Teil der Zeu-genbefragung. Es ist im Übrigen auch eine vomKollegen von Notz, der ja nun selber auch ein gu-ter Jurist ist, sehr weit gehend, extensiv vorge-nommene Interpretation, die ich mir so natürlichnicht zu eigen mache.

Im Übrigen: Ich habe ja damals wirklich vergeb-lich meinen ganzen politischen Charme inves-tiert, um die Opposition für diese Konstruktionzu gewinnen, und das ist mir damals nicht gelun-gen. Dafür haben wir jetzt aber ein Urteil, was -jedenfalls aus Sicht der Bundesregierung - es er-möglicht, das Staatsinteresse und das Sicher-heitsinteresse zu gewähren.

Aber ich biete ausdrücklich an, dass man sichdann auch noch in Zukunft Gedanken macht, wieman bei ähnlichen oder anders gelagerten FällenWege der Zusammenarbeit entwickeln kann, dieauch dazu beitragen, dass die Opposition sichdiesem neuen Instrumentarium mit Freude undmit Erfolg nähert.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Jetzt blickeich mal auf die Uhr, weil wir ja noch einen Zeu-gen haben. Gibt es denn noch Fragen im öffentli-chen Teil?

(Hans-Christian Ströbele(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aber natürlich!)

- Ja, gut. Wir müssen nur gucken, wie wir dasdann mit dem noch übrigen Zeugen machen.Herr Kollege Ströbele.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ich darf jetzt endlich mal so lange fragenwie die Kollegin Warken. Das muss ich doch aus-nutzen.

(Zurufe von der CDU/CSU -Gegenruf des Abg. Dr. Kon-stantin von Notz (BÜND-

NIS 90/DIE GRÜNEN): Wa-rum seid ihr so ungedul-

dig?)

Page 161: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 161 von 193

Also, ich fange mal an. - Herr Altmaier, im An-schluss an viele Diskussionen, die jetzt schon ge-wesen sind, interessiert mich noch mal: Sie ha-ben ja gesagt, Sie wollen jetzt über einzelne Ge-spräche mit der Kanzlerin nicht reden, also dashier nicht darstellen. Deshalb frage ich mal an-dersrum: Ab wann wusste die Kanzlerin nach Ih-rer Kenntnis, dass - jetzt in Anführungsstrichen -ihr Dienst, der Bundesnachrichtendienst, dochFreunde ausspioniert, was eigentlich gar nichtgeht? Was können Sie dazu sagen?

Zeuge Peter Altmaier: Ich würde - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ab wann wusste sie das?

Zeuge Peter Altmaier: Herr Ströbele, ich würdevorschlagen, dass Sie diese Frage der Kanzlerinstellen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, das tue ich sowieso.

Zeuge Peter Altmaier: Ja. Dann ist ja alles gut.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Da können Sie sicher sein.

Zeuge Peter Altmaier: Ja.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. Also Sie wollen das nicht sagen. Siekönnen doch sagen: Ab dann war das bei uns ins-gesamt - - Sie brauchen ja gar nicht sagen, wer ihrdas gesagt hat.

Zeuge Peter Altmaier: Ich bin überzeugt, dass dieKanzlerin Ihre Neugierde umfassend aufklärenund befriedigen wird.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein, aber dass sie vielleicht geäußert hat:„Jetzt kann ich das ja nicht mehr sagen“, oder ir-gendwas, was auch für den Dienst und für ihreArbeit von Bedeutung gewesen ist.

Zeuge Peter Altmaier: Nein, Entschuldigung. DieKanzlerin - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ich nehme mal an, die Kanzlerin liest auchZeitung.

Zeuge Peter Altmaier: Also: Ich weiß ja nicht,was die Kanzlerin im Ausschuss sagen wird; aberaus den Gesprächen, die ich mit der Kanzleringeführt habe, weiß ich, dass sie von der Richtig-keit des Grundsatzes „Freunde hört man nichtab“ überzeugt ist, nach wie vor - und ich bin dasauch, mehr denn je. Und dass in der Vergangen-heit dieser Grundsatz nicht so beachtet wordenist, wie es hätte sein sollen, und dass sogar nachder deutlichen Aussage der Kanzlerin nicht alleKonsequenzen gezogen und getroffen wurden,die hätten gezogen werden müssen, das ist be-dauerlich; aber es ändert nichts daran, dass wirnach wie vor der Auffassung sind, dass Nachrich-tendienste sehr viele andere Aufgaben haben alsausgerechnet die, die eigenen Verbündeten undFreunde abzuhören, und dass wir alles tun, da-mit dieser Grundsatz auch von den Beteiligtennicht nur akzeptiert, sondern auch aktiv umge-setzt wird.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Na ja, das war doch schon mal was.

Zeuge Peter Altmaier: Ja.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Und das, sagen Sie, ist auch die Auffas-sung - nach Ihrer Kenntnis - der Kanzlerin.

Zeuge Peter Altmaier: Jedenfalls war das in denGesprächen, die wir in meiner Amtszeit geführthaben, immer so, dass wir der Auffassung waren,dass die Dienste sich auf diejenigen konzentrie-ren sollten, von denen tatsächlich Gefahren aus-gehen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. Das ist doch schon interessant, dass dasauch immer noch die Meinung der Kanzlerin ist.

Zeuge Peter Altmaier: Na gut, das wird sie Ihnenja dann selber noch mal erklären, aber - -

Page 162: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 162 von 193

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, ja, klar. Das ist dann noch wichtiger, alswenn Sie es sagen.

Zeuge Peter Altmaier: Und meine Meinung ist esnach wie vor.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Dann kann ich ihr das vorhalten. Ist dochauch schon was. - So, jetzt kommt die nächsteFrage. Die USA haben in der gesamten Diskus-sion und auch in sonstigen Zusammenhängenüber die Snowden-Dokumente - über den Som-mer 2013, auch im Herbst noch - immer wiederbetont, dass sie sich selbstverständlich - wie dasja auch in dem ursprünglichen MoA drinsteht -in Deutschland an deutsches Gesetz und Rechthalten - haben sie immer! Da waren Sie - - HabenSie vielleicht auch in der Zeitung gelesen.

Zeuge Peter Altmaier: Nein.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein?

Zeuge Peter Altmaier: Nein. Wenn sie das erklärthätten, wäre ich sehr froh gewesen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Doch, doch haben sie. Sie haben immer - -Als die ersten Boten zurückkamen aus den USA,wurde das immer wieder betont, haben wir auchhier schon von mehreren Zeugen gehört. - Das istgar nicht Ihre Meinung oder Ihre Kenntnis.

Zeuge Peter Altmaier: Das ist nicht meine Kennt-nis, aber ich habe Ihre Quellen nicht. Also wennSie mir da was vorhalten können, dann wäre ichsehr daran interessiert, das zu erfahren.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein. Das sollen die Kontaktpartner hierder Dienste, also des Bundesnachrichtendienstes,das Bundesamt für Verfassungsschutz beispiels-weise, und zwar jedenfalls die Leiter der Dienste,also Keith Alexander - von dem habe ich es zumBeispiel selber gehört, also in den Nachrich-ten -, -

Zeuge Peter Altmaier: Ja, ja.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - immer wieder betont haben, dass sie sichselbstverständlich in Deutschland an Gesetz undRecht halten.

Zeuge Peter Altmaier: Also, es kann sein - - Wasich halt eben weiß aus meiner Erinnerung ausden Sommermonaten 2013 und aus den Unterla-gen, die wir Ihnen zur Verfügung gestellt haben,ist, dass wir auf der Ebene der Dienste die be-rechtigte Erwartung hatten, dass man zu einemsogenannten No-Spy-Abkommen kommen kann.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein, nein.

Zeuge Peter Altmaier: Und für mich war ent-scheidend, für mich war das Abkommen nurdann etwas wert, wenn dort dringestanden hätte,dass sich die USA verpflichten, auf deutschemBoden deutsches Recht einzuhalten.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Peter Altmaier: Und da eine solche Ver-pflichtung dann, wie wir Ende 2013, Anfang2014 gelernt haben, nicht zu erzielen war, kam esam Ende nicht zu dem No-Spy-Abkommen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Also Sie kennen nicht - jetzt mal unabhän-gig von dem No-Spy-Abkommen - die Bekundun-gen, die Beteuerungen aus den USA, der Dienste,aber auch aus der Politik, dass sie sich inDeutschland an Gesetz und Recht halten, wasübrigens in dem alten MoA auch drinsteht.Haben wir auch schon hier erörtert.

Zeuge Peter Altmaier: Ja.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das kennen Sie nicht, das ist Ihnen unbe-kannt.

Zeuge Peter Altmaier: Also, wenn es drinsteht,dann habe ich es wahrscheinlich auch gelesen inder Vorbereitung der Übersendung der Unterla-gen an den Ausschuss.

Page 163: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 163 von 193

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Peter Altmaier: So. Dann müssten Sie esmir aber vorhalten, -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aha.

Zeuge Peter Altmaier: - weil ich es im Momentnicht erinnern kann. - Es ist ja so: Wenn die ame-rikanischen Dienste sich betätigen, dann kann essein, dass sie sich betätigen gemeinsam mit demBND.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Peter Altmaier: Dann ist natürlich selbst-verständlich, dass deutsches Recht eingehaltenwerden muss. Das können wir dann ja auch mitbeeinflussen natürlich, wenn wir gemeinsameOperationen machen. Wir können - - Wenn dieAmerikaner sich in anderen Ländern betätigen,dann können sie zum Beispiel auch sicherstellen,dass sie ihr eigenes Recht dabei einhalten. Undweil sie ein Rechtsstaat sind, nehme ich mal an,dass sie das auch tun. Und die Gretchenfrage istaber doch, wenn sich ein Nachrichtendienst ineinem anderen Land betätigt, ob er dann dasRecht dieses Landes in jedem Fall einhält.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, genau.

Zeuge Peter Altmaier: So. Und Sie wissen so gutwie ich, dass bei einer Tätigkeit von Nachrichten-diensten, die sich im Ausland betätigen, dasnicht in jedem Einzelfall so ohne Weiteresvorausgesetzt werden kann. Sonst würden nichtmit SIGINT-Methoden sehr viele Informationengewonnen, die in anderen Ländern wiederum alsrechtswidrig angesehen werden - und strafbar.

Ich habe jedenfalls, als ich ins Kanzleramt kam,festgestellt, dass die Amerikaner, amerikanischeSeite nicht bereit war, diese Garantie in einer sol-chen Weise zu geben, dass der Abschluss einessolchen Abkommens mir sinnvoll erschien. Undda ich die Texte sehr genau gelesen habe, weiß

ich auch, was drin war. Das kann ich aber in deröffentlichen Sitzung natürlich nicht sagen. AberSie haben ja diese Unterlage, diese Vorlage, undda haben Sie alle Dokumente, glaube ich, die Siebrauchen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das heißt, wenn ich jetzt nur Ihr Gedächt-nis oder Ihre Meinung abfrage, dann sagen Sie, esist nicht sicher, dass die sich immer an Gesetzund Recht halten.

Zeuge Peter Altmaier: Ja, ich möchte Sie - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Sonst hätten Sie ja auf dieser Klausel nichtbestanden, die da drinsteht, weil das selbstver-ständlich ist.

Zeuge Peter Altmaier: Ja. Und ich möchte - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ich muss malganz kurz unterbrechen, weil ich habe den Ein-druck, wir reden hier von einem Dokument, waseingestuft ist, wenn ich mich nicht total vertue -nicht von den Vertragsverhandlungen hier zumNo-Spy-Abkommen, sondern, Herr Kollege Strö-bele, Sie reden von einem - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein. Ich rede jetzt gar nicht - - Ich redejetzt davon, was der Zeuge gesagt hat: Er kenntEntwürfe von einem No-Spy-Abkommen, -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - in dem drinsteht als Bedingung, -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Da könnenwir gerne von reden.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - dass die sich an Gesetz und Recht halten,und dass die das nicht wollten. So.

Zeuge Peter Altmaier: Ich habe das Ding - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Und daran ist das gescheitert.

Page 164: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 164 von 193

Zeuge Peter Altmaier: Ich habe mir das Ding - -Ich habe mir die Dokumente angesehen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Peter Altmaier: Ich habe dann entschie-den, dass es dazu sehr zeitnah eine Rücksprachegeben muss mit Herrn Fritsche und Herrn Heus-gen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, ja, das haben Sie alles gesagt.

Zeuge Peter Altmaier: Genau. So ist es.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Okay. Gut. Also, ich ziehe daraus denSchluss, Sie gehen mit mir davon aus, dass dasnicht sicher ist, dass die US-Behörden sich inDeutschland an Gesetz und Recht halten, jeden-falls eine solche Verpflichtung nicht eingehenwollten.

Zeuge Peter Altmaier: Ich hoffe sehr, dass siesich daran halten und dass sie sich immer mehrdaran halten.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, ja, hoffen tun wir alle.

Zeuge Peter Altmaier: Aber eine völkerrechtlichverbindliche Aussage dieser Qualität war ja derGegenstand der No-Spy-Verhandlungen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Peter Altmaier: Und die sind, wie Sie wis-sen, nicht zum Abschluss gekommen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das wäre ja auch außergewöhnlich oderwürde ja auch nicht stimmen, wenn Sie das auchfür die Vergangenheit sagen, weil, wie man anMarkus R. sieht, aber wie man auch an dem Aus-spähen des Handys der Kanzlerin sieht - wenndas stimmt, sage ich jetzt auch mal -, dann ist dasja nicht wahr, weil Ausspähen des Handys derKanzlerin entspricht nicht dem deutschen Gesetz

und Recht - sind wir uns einig -, ist ein Verbre-chen.

Zeuge Peter Altmaier: Wenn es erfolgte, dannentsprach es nicht dem deutschen Recht. So istes.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Peter Altmaier: Und ob es erfolgt ist, dasmuss die Staatsanwaltschaft entscheiden.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, ja, klar. - Gut. Jetzt kommen wir nochmal auf die Staatsanwaltschaft. Ich komme jetztnoch mal zu Ramstein. Herr Altmaier, es stimmtja: Wir waren gemeinsam im ParlamentarischenKontrollgremium, und wenn ich mich erinnere,in Ihrer Zeit, als wir da gemeinsam waren, habeich auch immer wieder die Frage der Beurteilungund der möglichen deutschen Hilfe beim Einsatzvon Drohnen - - Ich habe die Killerdrohnen ge-nannt oder Drohnen, die illegale Hinrichtungenbetreiben. Das war auch Gegenstand vieler - auchdamals schon - Anfragen an die Bundesregierung,und die Bundesregierung hat damals immer ge-äußert, genauso wie die USA, wie auch HerrObama sich geäußert hat - ich glaube sogar, als erin Berlin war -, dass keine US-Drohnen von deut-schem Gebiet aus starten und dass keine Drohnenvon deutschem Gebiet aus gesteuert werden. Dashat die Bundesregierung dann immer übernom-men und hat das auch geantwortet, fast immergleichlautend, egal welches Ministerium.

Und nun haben wir aber in diesem Jahr ganzüberraschenderweise eine Erklärung, die vomAußenministerium vermittelt worden ist - auchdem Deutschen Bundestag -, der US-Botschaft be-kommen, dass in Ramstein zwar weder Flug-zeuge starten noch gesteuert wird, aber sich eineRelaisstation befindet und dass - - Wir haben jahier einen Zeugen gehört, einen ehemaligenDrohnenpiloten, der erklärt hat, dass über dieseRelaisstation der Einsatz von Drohnen aus USAgesteuert wird, dass er das selber gemacht hat inweit über 1 000 Fällen - 1 400 oder so was - under dafür sogar einen Orden bekommen hat in denUSA. So.

Page 165: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 165 von 193

Und jetzt hat der Zeuge dies ausgesagt und hatuns auch genau erklärt, wie das funktioniert.Nämlich per Glasfaser wird sein Befehl, den er je-weils an die Drohnen gibt - seine Anleitung odersein Führen -, an die Drohne weitergegeben, undzwar über Ramstein. Er musste immer - - DieTelefonnummer musste gewählt werden vonRamstein, und dann hat er den Befehl darüber ge-leitet, und es wurde von Ramstein dann überSatellit der Drohne übermittelt, die woanders ge-startet war. - So haben wir das hier gelernt. Unddas ist meiner Ansicht nach ein Führen einerDrohne über Deutschland, über Ramstein. SehenSie das auch so?

Zeuge Peter Altmaier: Nein, ich sehe es nicht so.Also, erst mal ist es so - ich will das nur derForm halber sagen -, dass aus unserer Sicht dieAktivitäten in Ramstein nicht untersuchungsge-genständlich sind. Wir haben ja in verschiede-nen - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Doch.

Zeuge Peter Altmaier: Und zwar deshalb: weilder Untersuchungsauftrag sich bezieht auf Tötun-gen auf deutschem Staatsgebiet - oder solche, dievon deutschem Staatsgebiet ausgehend durchge-führt oder veranlasst werden.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, durchgeführt.

Zeuge Peter Altmaier: So. Und das ist sozu- -Und da ist die Auffassung, dass dies bei einerbloßen Weiterleitung von Signalen nicht der Fallist.

(Zuruf des Abg. Dr. AndréHahn (DIE LINKE))

So. Darüber ist auch vonseiten der Bundesregie-rung, zwar nicht in diesem Ausschuss, aber je-denfalls mit Obleuten mehrfach intensiv gespro-chen worden. Wir haben dazu Fragen gestellt andie amerikanische Seite. Wir haben die Erkennt-nisse, die wir gewonnen haben, auch den Obleu-ten des Auswärtigen Ausschusses mitgeteilt, undzwar am 26. August -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, ja.

Zeuge Peter Altmaier: - 2016. So. Und nach die-sen Informationen hat die US-Seite bestätigt, dassunbemannte Luftfahrzeuge von Ramstein aus we-der gestartet noch gesteuert würden.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. Das ist die Form, ja. Aber dass dort eineRelaisstation ist - - Und der Zeuge, den wir hiergehört haben, hat gesagt, über diese Relaisstationhat er selber - nicht irgendwo mal gehört, son-dern er selber - in mühevoller Arbeit aus einerWüste in den USA Drohnen gesteuert.

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Und ohne die

geht’s nicht!)

- Ja, genau - wir haben ihn auch gefragt -: Ohnediese Relaisstation wäre das nicht möglich. Dasnehme ich als - -

Zeuge Peter Altmaier: Ja. Aber die Frage istdoch - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Wir können dann ja immer noch im Be-richt nachher darüber streiten - -

Zeuge Peter Altmaier: Herr Ströbele, also erstmal: Ich weiß nicht, ob jemals Signale über dieRelaisstation in Ramstein gesendet worden sind,die zur Tötung von Menschen geführt haben.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, aber wir wissen das.

Zeuge Peter Altmaier: Ich kann es weder bestäti-gen noch ausschließen; ich weiß es einfachnicht. - Erster Punkt.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das haben wir hier in der Beweisaufnahmegeklärt.

Zeuge Peter Altmaier: Zweiter Punkt ist, dass dieBundesregierung der Auffassung ist, dass diebloße Weiterleitung von Signalen keine Tötung

Page 166: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 166 von 193

auf deutschem Staatsgebiet ist oder keine Tötungist, die von einem deutschen Staatsgebiet ausge-hend durchgeführt oder veranlasst wird.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Peter Altmaier: Und deshalb bedeutetes - - Das bedeutet nun nicht, dass es inirgendeiner Weise gerechtfertigt wird; aber esbedeutet, dass es dann nichtuntersuchungsgegenständlich in diesemAusschuss ist, -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Doch. Durchgeführt werden - -

Zeuge Peter Altmaier: - sondern Sie müssen esdann in den dafür vorgesehenen Gremien anspre-chen - mit den dafür zuständigen Ressortminis-tern.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein, Herr Altmaier. Wir werden das na-türlich auch in den Bericht reinschreiben, dassdas eine Art der Durchführung, eine Hilfe bei derDurchführung ist. Weil der Pilot, der Zeuge, denwir hier gehört haben, hat erklärt, ohne dieseRelaisstation geht es nicht.

Zeuge Peter Altmaier: Ja.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): So. Also ist das eine „sine qua non“ - sonstfunktioniert das Ganze nicht.

Zeuge Peter Altmaier: Ja.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Und deshalb ist das eine Unterstützungoder Teil einer Durchführung. Aber das sollenSie mir hier gar nicht lösen, sondern Sie sollenmir - - Nach der Mitteilung, die Sie jetzt von denAmerikanern selber bekommen haben, die dannauch weitergegeben worden ist an den Auswärti-gen Ausschuss, inzwischen auch bei uns gelan-det ist: Gehen Sie weiterhin davon aus, dass dasin Ordnung ist und dass es keine Probleme gibt,dass Sie auch nicht mal ein Wort reden müssen -

Sie als Chef des Kanzleramts - mit den Amerika-nern in Ramstein, dass einzelne dieser Drohnen-einsätze, wie zum Beispiel in Somalia - die lau-fen zum Beispiel über Ramstein - möglicherweisedoch

(MR Philipp Wolff (BK)meldet sich zu Wort)

rechtlich, moralisch in höchstem Maße bedenk-lich sind und eine Beihilfe zur Tötung - und ichsage: zum Mord - bedeuten könnten?

Zeuge Peter Altmaier: Also, damit das auch klarist - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dazu HerrWolff. - Das habe ich nicht gesehen. Und ichhabe auch nicht gehört, ob das Land Somalia ge-nannt war. Irgendwie kommt hier nur die Hälftean.

MR Philipp Wolff (BK): Also, ich will noch maldas unterstützen, was der Zeuge schon gesagt hat:Wir halten es nicht für untersuchungsgegen-ständlich. Wir haben das auch schon ausführlicherläutert.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Es ist nicht Aufgabe des Zeugen, das zubeurteilen.

MR Philipp Wolff (BK): Es ist aber meine Auf-gabe. Deswegen sitze ich als Beauftragter hier. -Zumal - und ich weiß gar nicht, ob dem Zeugendas bewusst ist - auch hier vor kurzem ohne eineAnerkenntnis einer Rechtspflicht das AuswärtigeAmt genau zu diesen Fragen in einer Beratungs-sitzung vorgetragen hat und entsprechendeUnterlagen auch ohne Anerkenntnis einerRechtspflicht vorgelegt wurden. Deswegen findeich das jetzt auch nicht ganz fair, dass hiergegenüber dem Zeugen suggeriert wird: „Doch,doch, das ist alles so“, und er muss jetzt hier dieentsprechenden Fragen beantworten.

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Ich habe Herrn

Steinmeier danach auch ge-fragt!)

Page 167: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 167 von 193

Die sind vom zuständigen Ressort auch im Rah-men einer Beratungssitzung schon beantwortetworden.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Herr Wolff, das stand in der Zeitung.

(Tankred Schipanski(CDU/CSU): Ja, in der Zei-

tung steht vieles!)

MR Philipp Wolff (BK): Dann hätten wir ja garnicht vortragen müssen. Warum haben Sie denndas Auswärtige Amt dann hergebeten?

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein, ich will ja jetzt von dem Zeugen wis-sen, ob er als Vertreter der Bundesregierung, dermit dieser Sache ja auch befasst ist, mal Anlassgesehen hat, selber oder bei den Fachkollegen tä-tig zu werden, dass diese Praxis abgestellt wird,dass man den Amerikanern klarmacht, dass dasnicht geht über deutschen Boden - „geht garnicht.“

Zeuge Peter Altmaier: Ich habe ja vorhin gesagt,dass die Bundesregierung vielfältig mit unseremPartner USA im Gespräch ist zu diesen Themenund dass wir auch um Auskünfte gebeten haben -nicht alle Auskünfte wurden erteilt -, dass wiraber auch klare Aussagen haben. Die habe ichIhnen eben zitiert, und die kannten Sie ja schonvorher. So. Insofern ist die Bundesregierung tätiggeworden, nicht in meiner Person, aber in Personder zuständigen Ministerien, die dafür nach demRessortprinzip zuständig sind.

Die andere Fra- - So. Und wir haben auch imÜbrigen als Bundesregierung - um das dann auchzu sagen - zur Frage der Tötung von Einzelperso-nen eine sehr klare Auffassung, die wir immerwieder auch geäußert haben. Das ist den Ameri-kanern bekannt, und deshalb wirken wir auch ansolchen Aktionen nicht mit. Aber darüberhinausgehend jetzt zu verlangen, dass sämtlicheAktivitäten - - Es sind ja auch nicht alle Drohnen-einsätze so, wie Sie es beschreiben. Ich weiß - -Ich habe bis heute keinen Hinweis darauf, dassirgendeine konkrete Tötung über Ramstein wei-terge- - also das Signal weitergeleitet worden ist.

Der Zeuge hat ja auch ausgeführt, dass - - wie erdas macht usw., aber, soweit ich weiß, nicht ge-sagt, dass er über Ramstein Leute getötet hat.Oder sehe ich das falsch?

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Na, er hat ja ge-

schossen!)

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Er hat geschossen. Das war ja der Sinn sei-nes Handelns.

(Nina Warken (CDU/CSU):Er hat geschossen?)

- Der hat die Drohne da zum Vergnügen da krei-sen und dann schießen lassen. - Ich meine, Siekönnen sich ja die Aussage sicherlich vom - - Diewar ja öffentlich, -

Zeuge Peter Altmaier: Ja.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - und die haben Sie ja offensichtlich. Dannlesen Sie noch mal nach.

Zeuge Peter Altmaier: Also, ich kann Ihnen gerneanbieten, dass -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Also, viel-leicht lesen wir uns - -

Zeuge Peter Altmaier: - mir das Ausschusssekre-tariat die Aussage, wenn sie schon verschriftetist, noch mal zugänglich macht. Ich werde siemir gerne anschauen, ob sie einen Grund bietet,in irgendeiner Weise tätig zu werden. Das mussich dann beurteilen, wenn ich es sehe, undwürde es besprechen mit den zuständigen Res-sortkollegen. Aber ich bitte herzlich um Ver-ständnis: Ich war bei der Vernehmung nicht an-wesend, Sie haben mir auch keine konkreten Zi-tate vorgehalten, und im Übrigen kann ich auchdie Glaubwürdigkeit des Zeugen hier nicht ein-schätzen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, das werden wir machen. Das könnenSie ja von hier aus nicht.

Page 168: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 168 von 193

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ja. Vielleichtlesen wir uns alle die Aussage noch mal durchund fangen schon damit an, dass Brandon Bryantkein Drohnenpilot ist, sondern die Sensorik be-dient hat.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Bitte?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dass BrandonBryant kein Drohnenpilot war, sondern die Sen-sorik bedient hat nach seiner eigenen Aussage. Erhat nie eine Drohne selbst geflogen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein, da waren immer - - Das machen im-mer zwei.

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Blasphemie ist

das! Blasphemie!)

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Weil Sie nurmehrmals gesagt haben, er wäre Drohnenpilot.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Deswegenrege ich an, dass doch alle die Zeugenaussagejetzt noch mal lesen die nächsten Tage.

(Nina Warken (CDU/CSU):Auch der Fragesteller!)

- Genau.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Es sind zwei Piloten, -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Nein.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - und einer leitet, und der andere schießt.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ich würde daauch noch mal raten, die Zeugenaussage, -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, aber gemeinsam - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: - die ich mirin den letzten Tagen mehrmals angeguckt habe,noch mal durchzulesen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Gemeinsam vollstrecken sie diese Tötung -beide. Ob der eine nun an dem Hebel drückt undder andere an dem Hebel: Das ist wahrscheinlichdann nicht der entscheidende Punkt, -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ja, schon.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - wer auf den Auslöser drückt.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: So. Gibt esdenn jetzt noch Fragen an den Zeugen? Jetzt wäredie Möglichkeit.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein, ich bin jetzt durch.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. - Wennes keine weiteren Fragen mehr an den Zeugengibt, dann sind wir am Ende der Zeugenverneh-mung, Herr Altmaier.

Das Protokoll dieser Sitzung wird Ihnen zuge-stellt. Sie haben dann, wie ich es am Anfang ge-sagt habe, 14 Tage Zeit, entsprechend Korrektu-ren oder Änderungen vorzunehmen und uns dasProtokoll dann wieder zurückzusenden.

Ich danke Ihnen ganz herzlich für die lange Be-reitschaft, uns hier Rede und Antwort zu stehen.Nichtöffentliche oder eingestufte Fragen sindnicht beabsichtigt von diesem Ausschuss. DieSitzung ist damit diesbezüglich für Sie zu Ende.Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.Ganz herzlichen Dank noch mal, dass Sie uns solange hier zur Verfügung gestanden haben.

Zeuge Peter Altmaier: Vielen Dank.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ich würdebitten, dann den nächsten Zeugen auch in denSitzungssaal zu bitten. Und wir unterbrechenjetzt mal für fünf Minuten, um dementsprechendhier einmal durchzulüften. Die Sitzung ist fürfünf bis zehn Minuten unterbrochen.

Page 169: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 169 von 193

(Unterbrechung von22.31 bis 22.41 Uhr)

Page 170: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 170 von 193

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: So, meineDamen und Herren, ich würde wieder anfangen.Die Öffentlichkeit ist etwas geringer geworden.Nichtsdestotrotz freue ich mich, dass diejenigen,die da sind, noch da sind.

Vernehmung des ZeugenSteffen Seibert

Ich darf ganz herzlich unseren nächsten Zeugenbegrüßen: Herrn Steffen Seibert.

Herr Seibert, Ihnen wurde die Ladung vom heuti-gen Tage zugestellt, und Sie haben diese auch an-genommen. Ich freue mich, dass Sie so kurzfristigvor dem Untersuchungsausschuss erscheinenkonnten und für eine Vernehmung zur Verfügungstehen. Bitte entschuldigen Sie, dass ich etwasheiser bin. Bis jetzt hat die Stimme gehalten; aberso langsam wird es schwierig. Wir kriegen dasaber heute noch hin.

Ich habe Sie darauf hinzuweisen, dass dieBundestagsverwaltung eine Tonbandaufnahmeder Sitzung fertigt. Diese dient ausschließlichdem Zweck, die stenografische Aufzeichnung derSitzung zu erleichtern. Die Tonbandaufnahmewird nach Erstellung des StenografischenProtokolls dann auch gelöscht. Das Protokolldieser Vernehmung wird Ihnen nach Fertig-stellung zugestellt. Sie haben, falls diesgewünscht ist, die Möglichkeit, innerhalb von 14Tagen Korrekturen und Ergänzungen vorzuneh-men, wenn dies notwendig sein sollte.

Herr Seibert, vor Ihrer Vernehmung habe ich Siezunächst zu belehren. Sie sind als Zeuge geladenworden. Als Zeuge sind Sie verpflichtet, dieWahrheit zu sagen. Ihre Aussagen müssen richtigund vollständig sein. Sie dürfen nichts weglas-sen, was zur Sache gehört, und nichts hinzufü-gen, was der Wahrheit widerspricht.

Ich habe Sie außerdem auf die möglichen straf-rechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen dieWahrheitspflicht hinzuweisen. Wer vor demUntersuchungsausschuss uneidlich falsch aus-sagt, kann gemäß § 162 in Verbindung mit § 153des Strafgesetzbuchs mit Freiheitsstrafen von

drei Monaten bis zu fünf Jahren oder mit Geld-strafen bestraft werden. Nach § 22 Absatz 2 desUntersuchungsausschussgesetzes können SieAntworten auf solche Fragen verweigern, derenBeantwortung Sie selbst oder Angehörige imSinne des § 52 Absatz 1 der Strafprozessordnungder Gefahr aussetzen würde, in eine Unter-suchung nach einem gesetzlich geordneten Ver-fahren involviert zu werden. Dies betrifft nebenVerfahren wegen einer Straftat oder Ordnungs-widrigkeit gegebenenfalls auch Disziplinarverfah-ren, wenn dies in Betracht kommen könnte.

Sollten Teile Ihrer Aussage aus Gründen desSchutzes von Dienst-, Privat- oder Geschäfts-geheimnissen nur in einer nichtöffentlichen odereingestuften Sitzung möglich sein, bitte ich Sieum einen Hinweis an den Ausschuss, sodass wireinen Beschluss nach § 14 oder § 15 des Unter-suchungsausschussgesetzes treffen können unddie Sitzung dann in nichtöffentlicher bzw.eingestufter Sitzung fortführen und Ihnen danndie entsprechenden Fragen stellen können.

Nach diesen notwendigen Vorbemerkungen darfich Ihnen den geplanten Ablauf kurz darstellen.Eingangs habe ich Sie zur Person zu befragen. ZuBeginn der Vernehmung zur Sache haben Sienach § 24 Absatz 4 des Untersuchungsausschuss-gesetzes Gelegenheit, zum Beweisthema imZusammenhang vorzutragen, also ein sogenann-tes Eingangsstatement abzugeben, wenn dies ge-wünscht ist. Danach werde ich Ihnen einige Fra-gen stellen. Anschließend erhalten die Mitgliederdes Ausschusses die Möglichkeit, ihre Fragen zustellen. Dies geschieht dann nach dem Stärkever-hältnis der Fraktionen, immer eine Fraktion nachder anderen. - Gibt es hierzu Fragen?

Zeuge Steffen Seibert: Erst mal: Guten Abend! -Nein, keine Fragen dazu.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dankeschön. - Dann darf ich Sie bitten, sich zu BeginnIhrer Ausführungen dem Ausschuss mit Name,Alter, Beruf und einer ladungsfähigen Anschriftvorzustellen.

Page 171: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 171 von 193

Zeuge Steffen Seibert: Ja. Mein Name ist SteffenSeibert. Ich bin 56 Jahre alt, bin Regierungsspre-cher und Chef des Presse- und Informationsamtsder Bundesregierung, und die Adresse wäre:Bundespresseamt, Dorotheenstraße 84 in 10117Berlin.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ganz herzli-chen Dank. - Und ich hatte gesagt, zum Anfanghaben Sie die Möglichkeit, ein sogenanntes Ein-gangsstatement abzugeben. Möchten Sie hiervonGebrauch machen?

Zeuge Steffen Seibert: Nein.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ganz herzli-chen Dank. - Dann hätte ich nur einige wenigeFragen an Sie. Das ganze Thema, mit dem wiruns hier im Untersuchungsausschuss beschäfti-gen: Wann hat Sie das zum ersten Mal erreicht?

Zeuge Steffen Seibert: In den ersten Junitagen desJahres 2013, nach meiner Erinnerung aus derPresseberichterstattung, mit der dann alles be-gann.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. SindSie dann in der Funktion als Pressesprecher in-volviert worden? Wurde Ihnen gesagt, dass Sie zubestimmten Dingen den Untersuchungsausschussbetreffend Statements abgeben sollen, oder habenSie es nur verfolgt?

Zeuge Steffen Seibert: Sie meinen ab 2013?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ja. Von miraus auch vorher, wenn Sie es vorher wissen.

Zeuge Steffen Seibert: Das Thema war ja dann ei-nes der beherrschenden Themen in der deut-schen Politik für viele Monate und ist auch 14,15, 16 immer wieder aufgetaucht. Insofern habeich in meiner Aufgabe als Regierungssprecherunzählige Male darüber gesprochen.

Nun muss man sagen, dass der ganze Bereich derNachrichtendienste für einen Regierungssprecherin gewisser Weise ein Ausnahmebereich ist, weilich ja sehr wenig öffentlich darüber sagen kann.Wann immer ich über dieses Thema spreche: In

Regierungspressekonferenzen komme ich sehr,sehr schnell an den Satz, dass darüber die Bun-desregierung den zuständigen, Geheim tagendenGremien des Deutschen Bundestages berichtet. -Den kennen ja alle Journalisten schon, diesenSatz. Das heißt, das ist ein Bereich, über den ichsehr wenig öffentlich aussagen kann und überden ich auch sehr wenig im Gespräch - Hinter-grund oder andere Formate - mit Journalistensage. Es verhält sich anders mit diesem Themaals mit nahezu allen anderen politischen The-men, mit denen ich zu tun habe.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Die Kanzlerinselber hat ja auch was zu dem Thema gesagt,nämlich den Satz: „Abhören unter Freunden, dasgeht gar nicht.“ - War der mit Ihnen abgespro-chen?

Zeuge Steffen Seibert: Na ja, die Bundeskanzlerinbraucht ja keinen Souffleur. Sie hat diesen Satzgesagt, weil er vollkommen ihrer Überzeugungentsprach, weil es ein politischer Satz ist, der ei-nen Grundsatz formuliert. Inzwischen wissenwir, wie anspruchsvoll dieser Grundsatz ist unddass man immer wieder aufs Neue daran arbeitenmuss, den auch durchzusetzen. Ich denke, in die-sem Sinne hat sie diesen Satz gesagt: als Aus-druck ihrer tiefen Überzeugung.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Er hat ja auchviel bewirkt: ein Umdenken im Bundesnachrich-tendienst, eine erhöhte Sensibilität - zumindestab dieser Aussage - und vielleicht auch eine Dis-kussion zwischen den Partnern, die dann nochNachdruck bekommen hat. Ich frage mich nur, obsie den spontan gebracht hat - ich glaube, unsereBundeskanzlerin kann das - oder ob sie ihn ge-plant und mit Ihnen vielleicht abgesprochen ge-sagt hat.

Zeuge Steffen Seibert: Ich kann mich wirklichnicht erinnern, wie es zu diesem Satz kam. Nocheinmal: Die Bundeskanzlerin hat in diesem Satzsicherlich eine sehr tiefe eigene Überzeugungausgedrückt, auch einen sehr politischen Satzformuliert. Und ich kann Ihnen jetzt nicht mehrsagen, wie es zu diesem Satz gekommen ist. Ichstehe aber auch vollkommen hinter diesem Satz,

Page 172: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 172 von 193

habe ihn selber dann in zahlreichen oder in meh-reren Pressekonferenzen variiert benutzt, weil ichglaube, dass er sehr gut beschreibt, was dazu zusagen ist.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. - Ichkomme zu einer anderen Aussage, aus dem Jahre2015 jetzt, und die lautet:

Im Rahmen der Dienst- und Fach-aufsicht hat das Bundeskanzler-amt technische und organisatori-sche Defizite beim BND identifi-ziert.

Wie ist es denn dazu gekommen, dass es zu so ei-ner doch drastischen Kritik, vielleicht abschlie-ßenden Kritik, über die Arbeit des Bundesnach-richtendienstes im Bereich der Abteilung TA -denn darum ging es ja - kommen konnte? Das istja schon ein starker Satz, oder nicht?

Zeuge Steffen Seibert: Ich komme noch mal aufdas zurück, was ich vorhin über den Bereich derNachrichtendienste als einen gewissen Ausnah-mebereich beschrieben habe. Was meine ich da-mit? Damit meine ich, dass ich als Regierungs-sprecher bei diesem Thema, über das ich wenigin der Öffentlichkeit sagen kann und darf, ver-traue und auch vertrauen muss, aber auch ver-trauen kann auf die Zuständigen im Kanzleramt,die im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Dienst-und Fachaufsicht über den BND führen. Die ha-ben den Einblick in die operativen Einzelheiten.Die haben die Kontakte mit den Menschen ausden Diensten. Die formulieren gewissermaßenauch das, womit wir dann - und da bin ich dannwieder im Spiel - an die Öffentlichkeit gehen.Das ist in diesem Bereich der Nachrichtendiensteeigentlich das Verfahren. Und so könnte ich jetztauch über diesen Satz sprechen, also diese Pres-semitteilung, die wir herausgegeben haben. Ichweiß gar nicht mehr: Oktober - ich müsste esnoch - - oder April.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Es müsste23.04.2015 gewesen sein.

Zeuge Steffen Seibert: Genau, ja. Ich hatte mir diePressemitteilung auch noch mal hier - -

23.04.2015. Genau. So. Das ist also eine Presse-mitteilung, die im Inhalt genau auf das zurück-geht, was die Zuständigen im Kanzleramt, denendie Dienst- und Fachaufsicht obliegt, mir sozusa-gen für die Öffentlichkeit mitgegeben haben.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Also Sie wür-den sagen, das ist eine Bewertung, die im Kerndoch im Bundeskanzleramt getroffen worden ist,in der Regel auf Prüfung etc. Es kommt also nichtvon Ihnen oder von der Bundeskanzlerin selbst;es ist im Kanzleramt, wer auch immer da beteiligtwar, getroffen worden, diese Bewertung.

Zeuge Steffen Seibert: Es ist jedenfalls aus demKanzleramt und aus der zuständigen Abteilungzu mir gekommen von den Zuständigen für dieDienst- und Fachaufsicht, also Büro des Chefsdes Bundeskanzleramts und Abteilung 6.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ist danachnoch mal irgendwas aus dem Kanzleramt gekom-men, was das relativiert hat? Erinnern Sie sich daan irgendwelche - Sie sagten ja, Sie haben vielePresseerklärungen abgegeben -, irgendwas, wasdieses vom 23.04.2015 relativiert hat?

Zeuge Steffen Seibert: Nein, es ist ja nichts relati-viert worden. Im Gegenteil: Es ist ja dann umge-setzt worden - die Abstellung dieser Defizite. Daswar ja dann das Thema der folgenden Monate.Und auch darüber haben wir ja dann wieder inPressemitteilungen berichtet, was geschehen istund welche Dinge nun verändert werden. Das ha-ben Sie ja hier, glaube ich, sehr ausführlich be-sprochen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Vielleichtletzte Frage von mir: Erinnern Sie sich an Erklä-rungen zum ehemaligen BND-PräsidentenSchindler, zu seinem Ausscheiden? Hat es davonseiten der Bundesregierung eine Erklärung zugegeben, und von wem kam die?

Zeuge Steffen Seibert: Da hat es - - Ich erinneremich jetzt nicht wörtlich. Da hat es mit Sicher-heit eine Erklärung gegeben, oder wir sind mitSicherheit in Regierungspressekonferenzendanach gefragt worden. Und wir haben mitSicherheit - das weiß ich - dafür natürlich, wie in

Page 173: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 173 von 193

solchen Fällen üblich, keinen Grund genannt,sondern ich glaube, dass ihm gedankt wurde fürseinen Einsatz und dass das einfach als Faktumvermeldet wurde.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. Daswären schon meine Fragen. - Wir kommen jetztzur ersten Fragerunde der Fraktionen. Es beginntdie Fraktion Die Linke. Herr Kollege Hahn be-ginnt.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Dieser Satz „Aus-spähen unter Freunden, das geht gar nicht“, derist ja nun inzwischen schon fast sprichwörtlichund wird immer wieder häufig verwandt. Undauch Sie haben den in Pressekonferenzen - habenSie eben gesagt - in zum Teil abgewandelterForm, aber vom Grundsatz mehrfach wiederholt.Ist Ihnen bekannt, dass, nachdem die Bundes-kanzlerin den Satz öffentlich gesagt hat, derBND-Präsident ins Kanzleramt gekommen ist undden Chef des Bundeskanzleramtes darüber infor-miert hat, dass der BND das auch macht, dasAusspähen unter Freunden?

Zeuge Steffen Seibert: Ich habe über die Art undWeise, wie der Chef des Bundeskanzleramts unddie Abteilung 6 diese Dienst- und Fachaufsichtüber den BND durchführen, und welche Gesprä-che es da gibt, keine Kenntnis. Das ist auch nichtmeine Rolle als Regierungssprecher.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja. Sie müssenaber - und wollen das sicherlich auch als Regie-rungssprecher - die Politik der Bundesregierunga) erläutern, verkaufen, darüber informieren usw.Und das setzt ja nach meinem Kenntnisstandvoraus, dass man dann auch wichtige Informatio-nen hat, weil man danach gefragt werden kannoder weil die eigene Chefin möglicherweise insMesser läuft, wenn sie immer etwas wiederholtund dabei Gefahr läuft, dass sie irgendwann maldarauf angesprochen wird, dass der eigene Nach-richtendienst das auch macht.

Also, ist die Unterrichtung des Chefs des Bundes-kanzleramtes - - Ich kenne ja Ihre Abläufe nichtganz genau; das muss ich ja sagen. Wenn derChef Bundeskanzleramt unterrichtet wird, dassder BND das auch tut - Freunde, EU-Partner,

NATO-Länder ausspioniert, Regierungen, Regie-rungschefs -, ist das nicht etwas, was Sie hättenwissen müssen für die Öffentlichkeitsarbeit, fürNachfragen, für eine eventuelle Sprachregelung?

Zeuge Steffen Seibert: Ich wiederhole - - Auf dieGefahr hin, mich zu wiederholen: Der Bereichdes Nachrichtendienstlichen ist ein Bereich, indem ich vertraue - und auch gar keinen Zweifelhabe, dass ich nicht vertrauen könnte - derDienst- und Fachaufsicht, die im Kanzleramt aus-geführt wird, und dem, was mir von dort anInformationen gegeben wird, die für die Öffent-lichkeit bestimmt sind, im Rahmen, in dem sehrbegrenzten Rahmen, in dem ein Regierungs-sprecher überhaupt öffentlich über nachrichten-dienstliche Angelegenheiten spricht. Ich habeauch gar keinen Zweifel, dass diese Kollegen ausdem Kanzleramt mir zu jedem Zeitpunkt nachbestem Wissen und Gewissen die Informationenhaben zukommen lassen, die für die Öffentlich-keit bestimmt waren und die auch zu dem Kennt-nisstand, der zu diesem Zeitpunkt herrschte, dierichtigen und wahrheitsgemäßen waren.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Die Frage warnicht, ob Sie der Rechts- und Fachaufsicht oderDienst- und Fachaufsicht vertrauen, sondern dieFrage war, ob Sie nicht hätten darüber informiertwerden müssen. Also, dass dieses Gespräch statt-gefunden hat, wissen wir. Wir wissen es vonHerrn Schindler, dem ehemaligen Präsidenten.Wir wissen es von Herrn Pofalla, der hier war.Wir wissen es von Herrn Heiß. Da sind die Dingebesprochen worden. Wie detailliert, da gibt esunterschiedliche Sichten; aber es ist angespro-chen worden, dass die BND-Selektoren, die ei-gene Erfassung ebenfalls Partner, Freunde betref-fen. Insofern ist für mich überhaupt nicht nach-vollziehbar, dass man Sie - und da will ich auchein Stück weit, dass Sie hier in Schutz genom-men werden - da draußen rumlaufen lässt, diesenSatz immer wiederholend, obwohl im Kanzler-amt, dem Sie ja unterstellt sind, Informationenvorliegen, aufgrund derer das, was Sie dort stän-dig sagen oder sagen müssen oder sagen wollen,gar nicht so einfach weiter aufrechtzuerhalten ist.

Zeuge Steffen Seibert: Ich habe dennoch, obwohlSie mich schützen wollen, was sehr nett ist, -

Page 174: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 174 von 193

Dr. André Hahn (DIE LINKE): So bin ich, ja.

Zeuge Steffen Seibert: - keinen Zweifel daran,dass - - Also, ich sehe meine Rolle als Regie-rungssprecher und nicht als ein beigeordneterGeheimdienstkoordinator. Ich bin der Regie-rungssprecher, und in diesem Bereich - da be-harre ich darauf - halte ich es für richtig, dass derRegierungssprecher denen vertraut, die dieDienst- und Fachaufsicht führen. Ich behaupte,ich kann das auch. Ich habe das jedenfalls zu je-dem Zeitpunkt getan, und ich hatte nie das Ge-fühl, dass ich nicht nach dem richtigen derzeiti-gen oder jeweiligen Kenntnisstand ausgerüstet indie Öffentlichkeit geschickt wurde.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Aber Sie beratendoch sicherlich - ich weiß nicht im Detail, wiedas funktioniert; noch mal - die Bundeskanzlerinauch beim sogenannten Wording: Wie geht manmit bestimmten Dingen um? Wäre es nicht we-nigstens notwendig gewesen - wir werden sie jafragen -, dass die Kanzlerin erfährt, dass es einesolche Information im Kanzleramt gegeben hat,und sich darauf einstellen kann, dass sie nichtpermanent etwas wiederholt, was ihr auf dieFüße fallen könnte?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dazu HerrWolff von der Bundesregierung.

MR Philipp Wolff (BK): Entschuldigung, nurganz kurz. - Herr Hahn, das sind aber alles hypo-thetische Fragen. Da kann der Zeuge eigentlichkeine Aussage dazu treffen, ob es notwendig ge-wesen wäre, dass man informiert hätte, odernicht. Auch für den Zeugen: Es besteht einfachkeine Rechtspflicht, auf hypothetische Fragendieser Art zu antworten.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ich habe jetzt vonkeiner Rechtspflicht gesprochen. Ich spreche da-von, dass der Zeuge die Kanzlerin sicherlichauch berät, möglicherweise auch bei Regierungs-erklärungen, die es ja dazu auch gegeben hat,mitschreibt, mitberät, wie auch immer. Ein zen-traler Punkt der Regierungserklärung, wo es dannauch eine Presseerklärung hinterher gibt, be-schäftigt sich mit dem Thema Ausspionieren,sprich mit dem Thema Geheimdienste. Und da

ist meine Frage, ob für diese zentrale Frage nichtdie Information der Bundeskanzlerin und/oderdes Regierungssprechers erforderlich wäre, damiter seinen Job vernünftig machen kann. Er sagt ja,er hat die Information nicht gehabt, und wir wol-len ja feststellen: Wer hätte die Pflicht gehabt, be-stimmte Informationen weiterzugeben, auch ge-genüber der Bundeskanzlerin und dem Regie-rungssprecher?

Zeuge Steffen Seibert: Also, ich habe jetzt fürmich gesagt, dass ich keinen Anlass zum Zweifelhatte und habe, dass ich von denjenigen, die dieDienst- und Fachaufsicht führen, nach bestemWissen und Gewissen informiert bin, um dieÖffentlichkeit in dem begrenzten Maße, das beidiesem Thema überhaupt nur möglich ist, zuinformieren. Das galt damals, und das gilt heute.

Es gibt im Kanzleramt eine Arbeitsteilung, wo-nach die Abteilung 6 und der Chef des Bundes-kanzleramtes zuständig für die Dienst- und Fach-aufsicht sind und der Staatssekretär Fritsche, denSie ja heute auch schon ausführlich befragt ha-ben. Insofern hat die Bundeskanzlerin ganz an-dere Ansprechpartner als mich bei diesemThema. Ich schlage einfach vor, wenn ich dasdarf, dass Sie sie am Donnerstag dann selber fra-gen.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Das werden wirmachen; vorschlagen können Sie auch. - Trotz-dem: Ich möchte von Ihnen gerne wissen: Sitzenda fünf, sechs Leute zusammen, wenn so einePassage zu den Nachrichtendiensten geschriebenwird, oder wird das - - Also, bespricht man sichda? Meine Frage ist doch: Wenn es eine solcheRunde gegeben hat, hat dort jemand der Beteilig-ten gesagt: „Seid vorsichtig bei dieser Passage.Das kann uns auf die Füße fallen. Überlegt nochmal, ob ihr das so sagen wollt, weil wir machendas auch“, oder: „Bei uns gibt es auch eventuellProbleme“? Hat es so etwas gegeben im Zusam-menhang mit der Äußerung der Bundeskanzlerin,mit Ihren Äußerungen bzw. dann auch der Vor-bereitung einer Regierungserklärung?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das wäredann auch die letzte Frage.

Page 175: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 175 von 193

Zeuge Steffen Seibert: Also, ich stehe mit derBundeskanzlerin - das ist, glaube ich, normal füreinen Regierungssprecher - nahezu ständig imKontakt, ganz sicherlich täglich im Austausch.Ich weiß jetzt nicht, welches konkrete Treffenoder welche konkrete Sitzung Sie vor welcherRegierungserklärung ansprechen. Regierungs-erklärungen sind sehr persönliche Erklärungen.Da erklärt die Bundeskanzlerin am Ende genaudas, was ihr richtig erscheint. Da mögen vielerleiEinflüsse einfließen; aber ich kann Ihnen jetzthier nicht genau sagen, an welcher Stelle etwasvon mir da reingerutscht sein könnte.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Entschuldigung,mir geht es - damit das noch mal klargestellt ist -um die Regierungserklärung nach der Wahl derBundeskanzlerin, die erste Regierungsklärung,die sie abgegeben hat. Das ist ja für eine Legisla-tur etwas Besonderes. Die wird man ja nicht ein-fach so aus dem Ärmel schütteln, sondern da gibtes doch Beratungen. Eine solche Beratung habeich gemeint, wo es um die Frage der Formulie-rung zu Geheimdiensten ging.

Zeuge Steffen Seibert: Sie meinen die von 29. Ja-nuar 2014?

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja, ja.

Zeuge Steffen Seibert: Ja, genau. - Ich schreibenicht die Regierungserklärungen der Bundes-kanzlerin. Am Ende verfasst die Bundeskanzlerindiese Regierungserklärungen so, wie sie sie hal-ten möchte. Ich habe da jetzt über meinen Anteilhier nichts weiter zu berichten.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay, gut. -Wir kommen in der ersten Runde zur nächstenFraktion, zur Fraktion der SPD. Herr Kollege Fli-sek.

Christian Flisek (SPD): Danke, Herr Vorsitzen-der. - Guten Abend, Herr Seibert!

Zeuge Steffen Seibert: Guten Abend!

Christian Flisek (SPD): Sie haben gerade gesagt,dass Sie ständig, täglich mit der Bundeskanzlerin

im Kontakt sind. Wie muss man sich das vorstel-len? Gibt es da so eine Morgenlage? Man trifftsich, geht die Themen des Tages durch, versucht,Sprachfähigkeit in einzelnen Themenbereichenherzustellen?

Zeuge Steffen Seibert: Es gibt eine Morgenlage -ich glaube, das ist allgemein bekannt -, und an-sonsten gibt es überhaupt kein Muster, nach demdie Kontakte oder die Kommunikation mit derBundeskanzlerin ablaufen, weil natürlich jederTag vollkommen unterschiedlich ist. Sie habennur alle gemeinsam, diese Tage, dass man in derRegel viel miteinander spricht: auf Reisen, beiTerminen. Heute habe ich sie bei Terminen be-gleitet, und wenn es mal keinen gemeinsamenTermin an einem Tag gibt, dann spricht manauch auf eine andere Art. Es gibt da kein Musterund keine feste Struktur, die ich Ihnen hier verra-ten könnte.

Christian Flisek (SPD): Okay. - Aber man hatdurchaus einen Jour Fixe oder - - Also, es gibt soeinen festen Termin; das ist diese Morgenlage.Das Ziel - korrigieren Sie mich, wenn ich dasjetzt falsch wiedergebe - ist schon, dass man, sageich mal, natürlich eine einheitliche Sprache zueinzelnen Themenbereichen findet.

Zeuge Steffen Seibert: Na gut, das gemeinsameSprechen über die Themen, aber auch über dieKommunikation von Themen ist zentral für dasVerhältnis einer Bundeskanzlerin zu ihrem Re-gierungssprecher, ja.

Christian Flisek (SPD): Ganz genau. - Als dieSnowden-Veröffentlichungen hochploppten, daswar mitten im deutschen Bundestagswahlkampf2013. Können Sie uns da mal berichten aus IhrerErinnerung heraus, welche Gespräche Sie mit derKanzlerin über genau diesen Punkt geführt ha-ben: „Wie kommuniziert man in dieser Affäre imdeutschen Bundestagswahlkampf?“?

Zeuge Steffen Seibert: Ich kann Ihnen da wirk-lich keine einzelnen Gespräche mehr aus meinerErinnerung hervorholen. Das ist mir nach drei-einhalb Jahren oder fast vier einfach nicht mehrmöglich. Das war natürlich ein Thema - nebenanderen -, und es war auch ein Thema über viele

Page 176: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 176 von 193

Wochen; aber ich könnte Ihnen keinen einzigenGesprächsschnipsel jetzt mehr hier liefern. Wasich Ihnen sagen kann, war, dass die Gesprächeschon von dem gekennzeichnet waren, was dieBundeskanzlerin an vielen Stellen auch öffent-lich gesagt hat:

Erstens. Das muss aufgeklärt werden. Da mussman die Berichterstattung zum Anlass nehmen,um Sachaufklärung zu betreiben.

Zweitens. Das Unverständnis für die Maßnah-men, für diese Überwachungsmaßnahmen oderAusspähungsmaßnahmen, von denen da berich-tet wurde, sofern sich herausstellen würde, dassdie stimmen - - Davon konnte man ja jetzt nichtvon vornherein automatisch ausgehen, nur weiles berichtet wurde. Aber wenn es zugetroffenhätte, dann wäre da großes Unverständnis gewe-sen. Die Bundeskanzlerin hat ja auch bei spätererGelegenheit mal öffentlich gesagt, dass sie letzt-lich solche Überwachungen von Freunden odervon den Einrichtungen, auch diplomatischenEinrichtungen von Partnern für eine totale Ver-schwendung von Zeit und Energie hält, weil wireigentlich alle ganz anderen Herausforderungengegenüberstehen als demokratische Staaten undals transatlantische Partner.

Also, das Thema der Sachaufklärung, das Themades drohenden Vertrauensverlustes in diesemenorm wichtigen außenpolitisch-transatlanti-schen Verhältnis, das Thema, dass immer wiederzwischen dem Bedürfnis nach Sicherheit unddem Bedürfnis nach Freiheit eine Balance herge-stellt werden muss, das waren die Themen, diewir da in vielerlei Weise auch in unseren Gesprä-chen variiert haben. Aber ich kann Ihnen wirk-lich beim besten Willen kein einzelnes Gesprächoder einen Ausschnitt aus einem einzelnen Ge-spräch mehr wiedergeben.

Christian Flisek (SPD): Mir geht es auch nichtjetzt, sage ich mal, um ein Wortprotokoll. Dasgebe ich gerne zu, dass man aufgrund der The-menfülle, mit der man betraut ist, nach drei Jah-ren da nicht mehr einzelne Dinge referieren kannjetzt aus dem Gedächtnis.

Zeuge Steffen Seibert: Mhm.

Christian Flisek (SPD): Aber mir geht es um diegroßen Linien in dieser Frage. Noch mal: Wir hat-ten eine Situation: Es war Bundestagswahlkampf.Es sind damals im Parlament natürlich auch zumTeil sehr ausführliche Anfragen gestellt worden.Man konnte vielleicht auch schon auf die Ideekommen, dass so was wie ein parlamentarischerUntersuchungsausschuss im Raum stehen würde.Die transatlantischen Beziehungen haben Sie ge-rade selber angesprochen, die ja durchaus mitdiesem Thema belastet waren. All das - - Es kamsehr schnell eine Russland-Komponente dazu,weil eben Edward Snowden in Moskau sich dannaufgehalten hat. Können Sie zumindest in dengroben Zügen noch mal darstellen: „Was warenda die internen Beratungen über die Frage: Wiegehen wir damit kommunikativ öffentlich um?Wie stellen wir uns als Bundesregierung zu die-sen ganzen Punkten, insbesondere auch in derFrage: Wie kommunizieren wir gegenüber unse-ren amerikanischen Partnern in dieser Frage?“?

Zeuge Steffen Seibert: Also, das Wichtigste undsicherlich das, was am Anfang stand, war der Ge-danke, dass diese Vorwürfe, die in den Berichtenerhoben wurden gegen die NSA, aufgeklärt wer-den müssen, dass man herausfinden muss, wasda wirklich Sache ist. Das, denke ich, stand amAnfang, und daraus ergab sich a) die Notwendig-keit zu Gesprächen mit den amerikanischen Part-nern. Es gab dann auch - - Die Bundeskanzlerinhat ja in ihrer Sommerpressekonferenz 2013,wenn ich mich recht erinnere, eine Liste von achtPunkten, acht Forderungen, in denen sie sinn-volle Konsequenzen sah, vorgestellt. Das war na-türlich der Ausfluss aus der Berichterstattungund aus dem Bedürfnis, Sachaufklärung zu be-treiben und dann natürlich daraus auch Konse-quenzen zu ziehen. Das ist mir noch sehr in Erin-nerung.

Und dann immer wieder dieses Thema des Ver-trauens, um das es geht, also einerseits des Ver-trauens unter befreundeten und miteinander ver-bündeten Staaten, aber natürlich auch das Themades Vertrauens der Bürger, die das Recht haben,zu wissen, ob deutsches Recht gilt und eingehal-ten wird - nicht nur von unserem eigenen Dienst,auch von den Diensten von befreundeten Staa-ten -, und die sich sicherlich auch natürlich

Page 177: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 177 von 193

Gedanken machten nach der Berichterstattung,wie mit ihren eigenen Daten umgegangen wird.Also, das Thema „Einen Vertrauensverlust ver-meiden“ bzw. „Vertrauen wieder zurückgewin-nen da, wo es gestört ist“ war auch ein wichtiges.

Christian Flisek (SPD): Inwieweit war denn beidiesen ganzen Gesprächen der damalige Chef desBundeskanzleramtes, Herr Pofalla, eingebunden?

Zeuge Steffen Seibert: Also, in aller Regel, wennich jetzt von Gesprächen mit der Bundeskanzle-rin berichte, waren das Gespräche, die wir zuzweit geführt haben. Aber es gab natürlich auchGespräche mit dem damaligen Chef des Bundes-kanzleramtes, und es mag auch Gespräche zudritt gegeben haben oder in größeren Runden.

Christian Flisek (SPD): Wie erklären Sie denn,wenn Sie sagen, die Bundeskanzlerin hat in denGesprächen, die Sie mit ihr geführt haben, entwe-der bilateral oder vielleicht auch in einer erwei-terten Runde, vor allen Dingen den Schwerpunktauf das Thema Aufklärung gesetzt, dass dannHerr Pofalla von dieser berühmten USA-Reise jawiederkam mit einem Koffer voller Zusicherun-gen der Amerikaner und er sich dann in der deut-schen Öffentlichkeit hingestellt hat und gesagthat: „Die Affäre ist beendet“? Ich finde - -

Zeuge Steffen Seibert: Ich habe da eine etwas an-dere Erinnerung an das, was er gesagt hat. Ichhabe jetzt seinen O-Ton nicht dabei. Aber nachmeiner Erinnerung hat er ja einen Teil der Vor-würfe sozusagen für aufgeklärt erklärt, und zwarden Vorwurf der massenhaften Abschöpfung vondeutschen Datensätzen. Damit war, jedenfallsnach meinem Verständnis, nie alles geklärt, underst recht nicht hatten wir schon die acht Punkteumgesetzt, die die Bundeskanzlerin in ihrer Som-merpressekonferenz ja selber ins Spiel gebrachthatte.

Christian Flisek (SPD): Nun ist das vielleichteine gewisse Überforderung, wenn ich Sie als Re-gierungssprecher jetzt frage: Halten Sie das nichtfür völlig couragiert, dass, wenn man in die USAreist, also zu demjenigen, gegenüber dem dieseVorwürfe zu richten sind - - Man hat jetzt Mate-rial, das man erst mal prüfen muss auf seine

Authentizität, das zum Teil eben jetzt im Internetkursiert, wo man selber gar nicht weiß: „Was istder Sachstand?“, auch in Bezug auf die eigenenDienste. Dass man dann hergeht und - ich meine,Sie sind Experte für politische Kommunikationin Ihrem Beruf - sich dann vor die deutsche Öf-fentlichkeit stellt und, wenn auch nur zum Teil,das Ganze für aufgeklärt und beendet erklärt, dasist doch schon irgendwo zum damaligen Zeit-punkt - - Also, ich würde es jetzt mal freundlichals „couragiert“ bezeichnen.

Zeuge Steffen Seibert: Ja, das ist Ihre Wertung.Ich hätte da eine andere. Ich glaube - -

Christian Flisek (SPD): Welche?

Zeuge Steffen Seibert: Meine Wertung wäre, dasses richtig ist, wenn man in einem Teilaspekt Klä-rung hat erzielen können, dass man das den Bür-gern auch sagt; er hat das ja auch begründet. Da-mit ist noch nicht alles vom Tisch. Damit istnoch nicht die Arbeit getan, und so ist es dann jaauch nicht weitergegangen. Wir haben ja dannweitergearbeitet.

Christian Flisek (SPD): Gut. - Ein anderes Thema,das damals aufgetaucht ist, auch anlässlich derErklärung von Herrn Pofalla nach einer Sitzungdes PKGr, war, dass er gesagt hat, die amerikani-sche Seite hat der Bundesregierung angeboten,ein No-Spy-Abkommen abzuschließen. Wann istder Begriff „No-Spy-Abkommen“ bei Ihnen daserste Mal aufgetaucht?

Zeuge Steffen Seibert: Ich glaube, es war - - Also,ich bin nicht sicher. Ich glaube, es war Pofalla,der diesen Begriff möglicherweise das erste Malverwendet hat.

Christian Flisek (SPD): In einer internen Bespre-chung oder - -

Zeuge Steffen Seibert: Bitte?

Christian Flisek (SPD): In einer internen Bespre-chung, oder haben Sie es zum ersten Mal gehört,als er da nach der PKGr-Sitzung sich - -

Page 178: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 178 von 193

Zeuge Steffen Seibert: Also, ich bin jetzt nicht si-cher. Der Begriff waberte irgendwie in den Me-dien, weil er ja auch griffig ist, und er hat ihnöffentlich an einem bestimmten Punkt verwen-det. Es kam, zumindest für die Bundeskanzlerin,nach meiner Auffassung, nach meinem Eindrucknie auf diesen Begriff an. Es kam darauf an, dasswir einen besseren Kooperationsrahmen mit denamerikanischen Partnern ausmachen können, ei-nen, in dem vermutete Probleme der Vergangen-heit ausgeschlossen sein würden, und darübersollte gesprochen werden.

Es war der Eindruck auf der deutschen Seite,dass die Amerikaner dieses angeboten hatten unddass sie bereit waren, darüber zu sprechen. Da-rüber wurde dann - über Monate zog sich das -immer wieder gesprochen, bis dann an einem be-stimmten Punkt, im Frühjahr 2014 nach meinerErinnerung, klar war, dass die amerikanischenVorstellungen in diesem Bereich mit unserennicht auf ein Blatt zu bringen wären und wir des-wegen nicht mehr davon ausgehen könnten, dasses zu dieser Vereinbarung eines anderen, besse-ren Kooperationsrahmens kommen würde. Also,der Begriff „No Spy“ wurde, glaube ich, in derÖffentlichkeit zuerst von Pofalla verwendet. Erspielt jetzt hier keine Rolle. Ich glaube, es gingum den Kern dessen, was man wollte.

Christian Flisek (SPD): Na ja, da scheiden sichdie Geister, Herr Seibert, weil es ist halt so, dassmomentan alle Zeugen irgendwo versuchen - dasind Sie in guter Gesellschaft -, diesen Begriff einStück weit zu relativieren und zu sagen: Es ginguns eigentlich nicht um den Begriff, sondern ei-gentlich um ein Paket von Standards, Maßnah-men, Inhalten, Rahmensetzungen. - Fakt ist aber,dass alle im Kanzleramt, insbesondere eben HerrPofalla, diesen Begriff verwendet haben. Ichmeine, das brauche ich Ihnen ja nicht zu sagen:Wenn man sozusagen - das ist ja eine Art vonFraming - so einen Begriff setzt und benutzt undweiß, welche Erwartungshaltungen hinter einemsolchen Begriff stecken - - Also, „No-Spy-Abkom-men“ ist einfach ein Begriff, der die Erwartungs-haltung schürt, hier würde ein Land mit einemanderen sozusagen einen spionagetechnischenNichtangriffspakt verabreden, und alles, was jetzterklärt wird, ist weit unter dieser Messlatte. Noch

mal: Es war Wahlkampf. Also, würden Sie michkorrigieren, wenn ich jetzt sage - -

Zeuge Steffen Seibert: Na ja, der war ja dann imOktober auch schon vorbei.

Christian Flisek (SPD): Ja, gut. Aber würden Siemich denn - - Nein, nein, nein. Als Pofalla das - -

Zeuge Steffen Seibert: Gut, aber wir haben ja die-ses - -

Christian Flisek (SPD): Nein, nein. Da waren wirmittendrin.

Zeuge Steffen Seibert: Ja.

Christian Flisek (SPD): Da waren wir in der hei-ßesten aller Wahlkampfphasen, als Pofalla sichhingestellt hat; aber lassen wir das.

Zeuge Steffen Seibert: Richtig, aber die Gesprä-che über dieses Abkommen, wie auch immer,oder diese - -

Christian Flisek (SPD): Ich habe nur meine Fragevielleicht noch nicht ganz - -

Zeuge Steffen Seibert: Entschuldigung.

Christian Flisek (SPD): Lassen Sie mich geradenoch zu Ende fragen.

Zeuge Steffen Seibert: Pardon.

Christian Flisek (SPD): Würden Sie mich korri-gieren, wenn ich sage, dass das schon eine ab-sichtsvolle Verwendung eines falschen Begriffeswar für eine Maßnahme, die eigentlich einen an-deren Inhalt hatte? Hat man sich dankbar auf die-sen Begriff in Wahlkampfzeiten gestürzt, weilman gedacht hat. „Damit können wir vielleichtdas Thema ein wenig in der Öffentlichkeitberuhigen“?

Zeuge Steffen Seibert: Also, ich würde mich fürdie Bundesregierung auf jeden Fall gegen die bei-den Begriffe „absichtsvoll“ und „falsch“ in einemSatz in diesem Zusammenhang verwehren. Ja,das würde ich.

Page 179: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 179 von 193

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Das kann man

auch in zwei Sätzen sagen!)

- Entschuldigung?

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Das kann man

auch in zwei Sätzensagen! - Gegenruf des Abg.

Tankred Schipanski(CDU/CSU): Ja, aber dann

sind beide falsch!)

- Dann würde ich mich dennoch dagegen ver-wehren; ich werde ja gefragt, ob ich da jetzt waszu sagen würde.

Also, wie gesagt, den Begriff gab es irgendwie,und ich glaube, Pofalla hat ihn auch - - Also, erhat ihn definitiv benutzt. Er ist in unseren Regie-rungspressekonferenzen mal benutzt worden,mal gar nicht benutzt worden, mal hieß es „soge-nanntes No-Spy-Abkommen“. Der war keines-wegs sozusagen gesetzt dafür, und es kam auf ihnauch nicht an. Worauf es angekommen wäre,wäre eben, mit den Amerikanern einen Koopera-tionsrahmen, einen Modus Vivendi zu schaffen,der stärker als das, was möglicherweise vorherder Fall war, dem Status als Partner und alsFreunde entspricht und der sicherstellt, dass be-stimmte Missstände der Vergangenheit jedenfallsnicht wieder auftauchen würden. Das war in un-serem Interesse. Das wäre auch nach meiner fes-ten Überzeugung im Interesse der Amerikaner ge-wesen; aber es ist anders gekommen.

Christian Flisek (SPD): Gut. Also, ich nehme daszur Kenntnis. Sie haben jetzt noch mal versucht,es ein wenig kleinzukochen. Ich meine, wir ha-ben hier den Zeugen Schindler ja gehabt, denehemaligen Präsidenten des BND, der gesagt hat,dieser Begriff „No Spy“ ist von den Amerikanerngesetzt worden. Auf mehrfachen Vorhalt hat erdas - - Er hat quasi fast darauf bestanden, dassdas so war, dass das also keine deutsche Erfin-dung gewesen sei. Man habe den dann sozusagenmit dem Flugzeug auf dem Rückflug importiertnach Deutschland und habe ihn dann hier ver-wendet.

Jetzt frage ich Sie noch mal - weil das sozusagennoch keine Aussage auf meine Frage war -: Wennman diese Agenda vor Augen hat, die Sie geradegeschildert haben, und dann trotzdem nach wievor diesen Begriff „No Spy“ verwendet für dieseAgenda, ist nach meinem Dafürhalten zwischender Benutzung eines Begriffes und dem Inhalt,den man meint und politisch erreichen will, einDelta. Sehe ich das falsch?

Zeuge Steffen Seibert: Also, ich war natürlichnicht, wie der BND-Chef, der damalige, in denUSA und habe deswegen auch keine Begriffe imGepäck mit zurückgebracht. Klar ist aber - unddavon bin ich fest überzeugt -, dass es ein Ange-bot der Amerikaner gab, über so etwas zu spre-chen - ich weiß nicht, ob die Amerikaner es sonannten oder anders; ich weiß nicht, ob der Be-griff von den Amerikanern kam -, was wir jetztmal entweder ein No-Spy-Abkommen, ein soge-nanntes, nennen können oder einen besserenKooperationsrahmen, und dass es richtig war fürdie Vertreter der Bundesregierung, einem solchenAngebot nachzugehen und zu schauen, was mandaraus machen kann.

Christian Flisek (SPD): D’accord. - Jetzt nochmal - die Frage war aber eine andere, HerrSeibert -: -

Zeuge Steffen Seibert: Ja. - Ich - -

Christian Flisek (SPD): - Wenn man sozusagen -noch mal -, was Sie gerade sehr deutlich heraus-gearbeitet haben, an einem verbesserten Koopera-tionsrahmen arbeitet, der politisch wünschens-wert ist, trotzdem hartnäckig an einem solchenBegriff in der öffentlichen Darstellung festhält,dann ist nach meinem Dafürhalten zwischen In-halt und Verpackung oder Etikett eine erheblicheDiskrepanz. Ein No-Spy-Abkommen ist ein wech-selseitiger Pakt, sich nicht gegenseitig auszuspio-nieren. Ein besserer Kooperationsrahmen ist et-was sachlich Vernünftiges, aber etwas anderesund in jedem Fall ein erhebliches Weniger. Des-wegen verstehe ich nicht, warum man dann aneinem solchen Begriff festgehalten hat und eineso hohe Erwartungshaltung geschürt hat in derdeutschen Öffentlichkeit, wenn man doch mit

Page 180: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 180 von 193

viel besseren sachlichen Argumenten hätte erklä-ren können, was auch im Zweifel viel realisti-scher gewesen wäre, nämlich einen verbessertenKooperationsrahmen in der gemeinsamen Koope-ration der Dienste herzustellen.

Zeuge Steffen Seibert: Dieser Begriff ist ja auchgefallen in der Zeit. Den habe ich jetzt ja nicht er-funden. Der ist ja auch in dieser Zeit gefallen.Wann immer man darüber sprach, was man ei-gentlich damit meint, hat man ja solche Begriffewie „besserer Kooperationsrahmen“ verwendet.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Jetzt müsstenwir wieder wechseln.

Christian Flisek (SPD): Ja.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wir kommenin der ersten Runde jetzt zur Fraktion Bündnis90/Die Grünen. Herr Kollege von Notz.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Herr Seibert, wer hat denn den Spruch al-ler Sprüche für unseren PUA erfunden?

Zeuge Steffen Seibert: Entschuldigung. Wer hatden Spruch aller Sprüche - -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - - unseres PUAs, nämlich das „Ausspähenunter Freunden geht gar nicht“ erfunden?

Zeuge Steffen Seibert: Ach so, Entschuldigung.Ich kannte die Abkürzung „PUA“ nicht.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Entschuldigung.

Zeuge Steffen Seibert: Das war natürlich jetztmein Fehler.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das ist mein Fehler.

Zeuge Steffen Seibert: Aber ich erarbeite mir das,okay.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Sehr gut.

Zeuge Steffen Seibert: Wer hat den erfunden? Da-ran habe ich keine Erinnerung.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ich habe Sie im Verdacht.

Zeuge Steffen Seibert: Warum?

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Weil Sie am 1. Juli, als da die Pressekonfe-renz, -

Zeuge Steffen Seibert: Da habe ich den benutzt,ja.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - die 628. - - Das wissen Sie jetzt so schnellwieder?

Zeuge Steffen Seibert: Nein. Das weiß ich, weilich das mal nachgeguckt habe.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Genau, da haben Sie das gesagt. - Langevor der Kanzlerin, -

Zeuge Steffen Seibert: War das so?

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - praktisch im dritten oder vierten Satz,haben Sie gesagt:

Es muss also aufgeklärt werden.

Das finden wir ja hier immer noch.

Wenn sich aber bestätigt, dass tat-sächlich diplomatische Vertretun-gen der Europäischen Union undeinzelner europäischer Länderausgespäht worden sind, dannmüssen wir ganz klar sagen: Ab-hören von Freunden ist inakzepta-bel. Das geht gar nicht. Wir sindnicht mehr im Kalten Krieg.

Das haben Sie, glaube ich, zuallererst gesagt.

Zeuge Steffen Seibert: Wenn ich der Erste war,was ich jetzt nicht mehr weiß - - Aber ich weiß,dass ich es in dieser Pressekonferenz gesagt habe;

Page 181: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 181 von 193

denn das habe ich jetzt in der Vorbereitung aufheute Abend mal nachgelesen.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Die Kanzlerin hat das viel später erstgesagt, und Sie haben es, glaube ich, noch malgesagt. Am 14.08. haben Sie das noch mal gesagt.

Zeuge Steffen Seibert: Ja.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Da stellen sich ja - - Also, deswegen: MeinGedanke ist so ein bisschen, dass Sie - - Also, Siehaben ja vorhin gesagt, dass die Kanzlerin ihr ori-ginäres Gefühl zu dieser Thematik damit zumAusdruck gebracht hat. Aber es könnte schonsein, dass der Satz oder dieser Gedanke so beiIhnen entstanden ist und die Kanzlerin das über-nommen hat oder sich zu eigen gemacht hat. Daskann ja trotzdem ganz originär sein. Das ist jaeine symbiotische Beziehung zwischen Regie-rungssprecher und - -

(Heiterkeit)

Also, so stelle ich mir das zumindest vor; das tutnichts zur Sache und ist nicht untersuchungs-gegenständlich - - also dass sozusagen dieKanzlerin von Ihnen diesen Satz einfachübernommen hat.

Was mich daran wundert, Herr Seibert - um die-sen Spannungsbogen nicht zu lange aufzu-bauen -: In dieser 628. Bundespressekonferenz istgenau die Problematik, mit der wir uns bis heutebefassen, aufgegriffen worden. Da kommt näm-lich die Zusatzfrage - - Also, Sie verweisen aufsBND-Gesetz, weil irgendwie die Frage ist: Wasmachen wir eigentlich? Und dann wird gefragt:

Das müsste doch eigentlich grund-sätzlich nicht so schwierig zu be-antworten sein. Dürfen wir diediplomatischen Niederlassungenbefreundeter Staaten beobachten,abhören und dergleichen oderdürfen wir es nicht? Es müsstedoch irgendeiner von Ihnen hiersagen können, ob das BND-Gesetzdas erlaubt oder ob das BND-Ge-setz das nicht erlaubt.

Ich sah mich jetzt gerade im Dia-log mit dem Kanzleramt, wennHerr Seibert sich nicht angespro-chen fühlt.

Und dann antworten Sie darauf:

Ich werde noch einmal mit denAuslegungsexperten sprechen.Dann werden wir versuchen, dazueine Antwort nachzuliefern.

Daraufhin sagt der Mensch: „Gut.“ Was habendenn die Auslegungsexperten, lange bevor FrauMerkel sich diesen Spruch zu eigen gemacht hat,zu dieser Frage gesagt, ob das eigentlich nachdeutschem Recht möglich ist und ob wir das amEnde des Tages - diplomatische Vertretungen,EU-Institutionen - nicht vielleicht sogar alles sel-ber machen?

Zeuge Steffen Seibert: Also, ich will noch malauf den Spruch, wie Sie es sagen, eingehen. DerSpruch, also dieser Satz, war doch eine politi-sche Reaktion auf eine sehr intensive Berichter-stattung, -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Klar.

Zeuge Steffen Seibert: - die wir bekommen hat-ten.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Herr Seibert, das verstehe ich total.

Zeuge Steffen Seibert: Ich glaube, dass er dochziemlich gut zusammenfasst, was die Reaktionder Bundesregierung war und was uns dann jaauch über lange Zeit geleitet hat, dass auch - -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Herr Seibert, ich sage Ihnen mal: Der Satzfasst Folgendes gut zusammen - und darin liegtein großes Talent -: Er fasst zusammen, was manselbst dazu findet, mit normalem Bauchgefühl.Man sagt: Das geht gar nicht. - Das bringt das zumAusdruck.

Zeuge Steffen Seibert: Ja, was aber natürlichauch, wenn ich das so sagen darf, Leitbild unse-rer Politik ist, -

Page 182: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 182 von 193

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Klar.

Zeuge Steffen Seibert: - erstens im Verhältnis zuunseren Partnern und was wir von unseren Part-nern erwarten, was aber natürlich auch unsereVorstellung von unserem eigenen Dienst ist.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aber wir haben - - Genau, aber er war haltfalsch. Wir haben es halt selbst gemacht, und wirhaben - - Dieser Satz verirrt die öffentliche Mei-nung. Er gibt zwar das Bauchgefühl, was jederhat, wieder, nämlich dass das gar nicht geht.Aber es verkleistert und verwischt damit die Ver-antwortung, dass wir genau das Gleiche machenund dass auch die Bundeskanzlerin und in ihrerVerantwortung der Rechts- und Fachaufsicht desBundesnachrichtendienstes wir genau dieselbenempörenden Praktiken so handhaben, wie dieNSA es handhabt, nur dass es bei uns keinendeutschen Edward Snowden gab, der das öffent-lich gemacht hat. Da frage ich mich, wenn Sie dieAuslegungsexperten gesprochen haben, was Siehier sagen am 01.07.2013: Haben die Ihnen nichtgesagt: „Das geht auch nach deutschem Recht“?Und hat Ihnen nicht der Bundesnachrichten-dienst gesagt: „Leute, jetzt mal Vorsicht an derBahnsteigkante; das machen wir alles selbstauch“?

Zeuge Steffen Seibert: Das, was ich in derselbenPressekonferenz gesagt habe, war damals und istbis heute meine Überzeugung, nämlich dass derBundesnachrichtendienst auf Grundlage desBundesnachrichtendienstgesetzes handelt; das istmeine Überzeugung. Da Sie sich ja jetzt hier in-tensiv damit befasst haben, wissen Sie, dass Defi-zite festgestellt wurden, dass der damalige Bun-desminister Pofalla Anweisung gegeben hat, be-stimmte Praktiken zu ändern, dass es Konsequen-zen gegeben hat. Das wissen Sie alles.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, für die Zukunft.

Zeuge Steffen Seibert: Ja, gut. Ich kann aber janur - - Ich spreche, wenn ich für die Bundesregie-rung spreche, nach bestem Wissen und Gewissenauf dem Kenntnisstand, den ich habe -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Okay.

Zeuge Steffen Seibert: - und mit den Informatio-nen, die mir zugeliefert werden, von denen ichwiederum überzeugt bin, dass sie mir nach bes-tem Wissen und Gewissen zugeliefert werden.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das glaube ich, und das ist auch logisch.Aber am 01.07. - -

Zeuge Steffen Seibert: Und das ist genau derStand.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Genau, am 01.07. war das Ihr Stand, HerrSeibert - das glaube ich sogar -, wobei man hätteda - - Aber gut, sagen wir, am 01.07. war das IhrStand. Aber dann sind Sie ja gefragt worden: Wieist die rechtliche Situation in Deutschland? Undda haben Sie gesagt: Ich werde die Auslegungs-experten befragen. - Wen haben Sie befragt? Unddie Frage ist noch x-mal aufgetaucht, alles am01.07.

Zeuge Steffen Seibert: Richtig.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Da wird dann gefragt:

Gibt es eine politische Ansage anden BND, dass man Regierungenbefreundeter Staaten nicht aus-forscht?

Und da antworten Sie drauf:

Es gehört nicht zur Politik derBundesregierung, befreundeteStaaten in ihren Botschaften aus-zuforschen. Ich glaube, das ver-steht sich von selbst.

Wenn Sie die Selektorenliste sehen, die wir gese-hen haben, dann spottet das wirklich jeder Be-schreibung, dieser Satz, den Sie hier gesagt ha-ben.

(Tankred Schipanski(CDU/CSU): Wieso? Wenn

Page 183: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 183 von 193

es in das Auftragsprofil derBundesregierung passt!)

- Bitte?

(Tankred Schipanski(CDU/CSU): Aber wenn esins Auftragsprofil der Bun-

desregierung passt!)

- Was?

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Der Zeuge sollte

lieber die Frage beantwor-ten! - Weiterer Zuruf: Ach,

lass ihn!)

Zeuge Steffen Seibert: Ich bin jetzt etwas ver-wirrt, was die Frage an mich ist, Entschuldigung.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Der Tatortreiniger versucht hier, dieFragen zu verunklaren.

(Heiterkeit)

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Jetzt wäre estrotzdem gut, wenn es hier im Sitzungssaal wie-der ruhiger wäre, dass der Kollege von Notz seineFrage stellen kann.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ich habe meine Frage gestellt. Sie habenhier noch mal gesagt, dass das Abhören unter an-derem von Botschaften nicht zur Politik der Bun-desregierung gehört, obwohl der Bundesnach-richtendienst, der Auslandsgeheimdienst derBundesregierung, genau diese Praktiken ausgeübthat. Deswegen die Frage, Herr Seibert: Haben Sie,wie Sie es hier angekündigt haben gegenüber denversammelten Hauptstadtjournalisten, Ausle-gungsexperten befragt: „Dürfen wir das eigentlichselbst machen, und machen wir das eigentlichselbst?“ Und wie kann es dann sein, dass dieBundeskanzlerin ein paar Wochen später genaudas dann noch mal sagt? Bedienen Sie einfachdas Bauchgefühl der Leute fernab von der Sach-lage, -

Zeuge Steffen Seibert: Nein.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - oder haben Sie keine Auslegungsexper-ten gefragt und haben sich gesagt: „Ich will esmal lieber gar nicht wissen, was wir machen;Hauptsache, die Bundestagswahlen gehen jetzterst mal über die Bühne“?

Zeuge Steffen Seibert: Erstens. Nein, ich bedieneniemandes Baugefühl.

Zweitens. Wenn ich gesagt habe, ich werde dieAuslegungsexperten befragen, war das ein ande-res Wort dafür, dass ich wieder mit denjenigen inKontakt treten werde, die im Bundeskanzleramtfür die Dienst- und Fachaufsicht zuständig sind,

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Haben Sie dasdenn auch gemacht?)

also mit der Abteilung 6 und dem Chef des Bun-deskanzleramtes. Das habe ich natürlich getan.Das tue ich regelmäßig; in den Wochen habe iches noch regelmäßiger getan. Wenn Sie sich diePressekonferenzprotokolle der kommenden Wo-chen durchlesen, wo das ja fast jedes Mal Themawar, sehen Sie, dass da keine veränderte - - ersteinmal noch keine veränderte Kommunikation zubemerken ist.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeuge Steffen Seibert: Das heißt, ich habe keineanderen Informationen von dort bekommen alsdie, die mir sagten, deutsche Dienste tun dasnicht.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Wer hat Ihnen das gesagt? Hat PofallaIhnen das gesagt? Oder hat Herr Heiß Ihnen dasgesagt?

Zeuge Steffen Seibert: Ich gehe in Pressekonfe-renzen zum Thema Nachrichtendienste und be-komme konkrete Empfehlungen für das, was ichsage, aus der entsprechenden Abteilung zugelie-fert. Das ist das Verfahren bei nachrichtendienst-lichen Themen.

Page 184: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 184 von 193

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Der Abteilung 6?

Zeuge Steffen Seibert: Ich habe vorhin versucht,zu erklären, warum ich das auch für das vollkom-men richtige und vernünftige Verfahren halteund warum ich volles Zutrauen in diese Kollegenhabe.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das ist die Abteilung 6 aus dem Bundes-kanzleramt, die Ihnen das dann zuarbeitet?

Zeuge Steffen Seibert: Das ist der Regelfall, ja.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Und war das in diesem Fall konkret so?

Zeuge Steffen Seibert: Ich bin immer in diesenWochen mit Material, mit Informationen aus derFachabteilung in die Pressekonferenzen gegan-gen.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das Material haben wir, glaube ich, nicht.

Zeuge Steffen Seibert: Das würde ich bei einemsolchen Thema nie anders machen.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Also, ich glaube, wir haben das Materialnicht, und ich hätte großes Interesse daran, dasmal zu sehen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Gut. - Dierestlichen Fragen müssten wir in der nächstenRunde stellen. Wir kommen jetzt zur Fraktion derCDU/CSU. Herr Kollege Schipanski.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Vielen Dank. -Herr Staatssekretär, zunächst eine Frage, was diePressemitteilung betrifft vom 23.04., wo da vonden organisatorischen Defiziten gesprochenwurde. Hatten Sie Zweifel oder hatten SieGründe, zu zweifeln an den Informationen, dieIhnen die Abteilung 6 des Bundeskanzleramteszur Verfügung stellt oder gibt?

Zeuge Steffen Seibert: Nein. Das habe ich vorhinversucht zu sagen, dass ich die damals nicht

hatte und heute nicht habe und dass das auch für

die Tage gilt, die auf diesen 23. Oktober zuliefen.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Okay. - Zu demThema No-Spy-Abkommen. Wir haben ja gesagt,der Herr Pofalla hat diesen Begriff verwendet. Be-raten Sie in Ihrer Funktion als Regierungsspre-cher auch den Chef des Bundeskanzleramtes oderexplizit nur die Bundeskanzlerin?

Zeuge Steffen Seibert: Er braucht mich nicht alsBerater. Ich habe auch mit ihm wie auch mit an-deren Ministern immer wieder zu tun. Ich bin jaauch der Sprecher der Bundesregierung, zu der ergehört. Aber ich mache da keine - - nicht in demSinne, wie Sie es meinen, eine Beratung, -

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Hat der - -

Zeuge Steffen Seibert: - zumal der Chef des Bun-deskanzleramtes anders als ich ja inhaltlich, ope-rativ mit der Dienst- und Fachaufsicht über denBND befasst ist und deswegen eine ganz andereKenntnistiefe hat.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Okay. - Hatder - - Halten Sie den Begriff, der verwendetwurde, den Begriff des No-Spy-Abkommens fürfalsch?

Zeuge Steffen Seibert: Ich glaube, man würde,wenn ein solches Abkommen zustande kommt,immer erklären müssen, was drin ist. Es wirdsich nie in der Überschrift erschöpfen. Und drinwäre - - Darüber hätte man dann sprechen müs-sen. Es ist ja leider nicht zustande gekommen. Esist bei Gelegenheiten ja auch mehr als nur „No-Spy-Abkommen“ dazu gesagt worden. Es ist ge-sagt worden, was wir uns darunter vorstellen. Ichglaube, eine Überschrift alleine macht es nie.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Okay. - Dieweitere Frage noch einmal jetzt mit Blick auf dieFragen, ob es möglich ist nach altem und nachneuem BND-Gesetz, auch EU- oder NATO-Ein-richtungen aufzuklären. Da stellt sich für uns dieRechtslage so dar, dass das sowohl nach altem alsauch nach neuem BND-Gesetz erlaubt war bzw.erlaubt ist, wenn es zum Auftragsprofil der Bun-desregierung gehört.

Page 185: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 185 von 193

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Der sollte lieber

Märchenbücher schreiben!)

Von daher erblicken wir auch keine falsche Dar-stellung in dem Satz: „Abhören unter Freunden,das geht gar nicht.“ Ich glaube, Sie haben das jasehr deutlich gemacht, dass man da auf das BND-Gesetz auch abstellen muss, um zu schauen: Waslässt das BND-Gesetz hier zu, oder was lässt esnicht zu? Wenn es sich um das Auftragsprofil derBundesregierung handelt, dann lässt das BND-Gesetz selbstverständlich auch das Aufklären vonEU- und NATO-Einrichtungen zu. - Wir haben ander Stelle keine weiteren Fragen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ganz herzli-chen Dank. - Wir kommen dann jetzt zur zweitenFragerunde, bei der auch wieder die Fraktion DieLinke beginnt. Kollege Hahn fängt an.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ich versuche jetztgar nicht, auch aus Zeitgründen, den ganzen Un-sinn noch mal richtigzustellen; deshalb stelle ichlieber Fragen.

(Tankred Schipanski(CDU/CSU): Sie brauchen

nichts richtigzustellen,weil nichts falsch war!)

Die erste Frage bezieht sich noch mal auf die be-reits erwähnte Presseerklärung mit den organisa-torischen und strukturellen und wie auch immerDefiziten beim BND, die man im Bundeskanzler-amt ausgemacht oder festgestellt hätte. Nun gibtes ja so eine Presseerklärung, die ja durchaus et-was Ungewöhnliches ist und nicht jeden Tag pas-siert, und es ist ja davon auszugehen, dass Siedann auch befragt werden: „Was steckt denn daeigentlich dahinter?“ -

Zeuge Steffen Seibert: Mhm.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): - und Nachfragenkommen; das ist ja eigentlich absehbar. Was hatman Ihnen denn gesagt? Also, da Sie ja selber danicht beteiligt sind: Was waren denn das fürorganisatorische und strukturelle Defizite?Worüber hat man Sie denn da in Kenntnis ge-setzt, damit Sie gewappnet sind für diese Fragen?

Zeuge Steffen Seibert: Da kommen wir genau aufden Punkt zurück, weswegen ich am Anfang überdie Sonderstellung, die nachrichtendienstlicheThemen im Leben eines Regierungssprechers ha-ben, gesprochen habe. Ich bin als Regierungsspre-cher nicht in der Lage - es ist nicht meine Rolleund ich darf es auch nicht -, über operative De-tails oder strukturelle Details der deutschenNachrichtendienste zu sprechen - ich glaube, dasversteht auch jeder -, weil daraus natürlich diefalschen Leute Erkenntnisse haben könnten. Da-für gibt es parlamentarische Gremien, dafür gibtes die parlamentarische Kontrolle der Nachrich-tendienste, und dort wird so etwas berichtet.

Jeder im Bundeskanzleramt, der in dieser Dienst-und Fachaufsicht arbeitet, weiß, dass da meineAuskunftsfähigkeit und Auskunftsfreude in einerRegierungspressekonferenz auch endet. Dasheißt, es gab wahrscheinlich Nachfragen: Wasmeinen Sie damit, mit diesen Defiziten? Unddann habe ich darauf verwiesen, dass darüber dieparlamentarischen Gremien, die zuständigen, in-formiert werden. Das ist genau der Punkt,warum - anders als bei 1 000 anderen Themen,die einem als Regierungssprecher begegnenkönnten - das Nachrichtendienstliche ein Bereichist, auf dem ich in ganz engen Grenzen michbewege.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Also, das versteheich, soweit es sich um Operationen der Nachrich-tendienste handelt im In- und Ausland und ein-zelne Fälle, Personen, V-Leute. Da kann ich dasnachvollziehen. Aber wenn es um strukturelleoder organisatorische Defizite geht, da muss manIhnen doch wenigstens sagen: Hat da jemand Un-terlagen entwendet? Hat sich da irgendwas ver-selbstständigt? Was steckt - - Also, wenigstensdie Richtung muss man Ihnen doch eigentlich sa-gen. Sonst gehen Sie in eine Pressekonferenz,vertreten einen Text der Bundesregierung undwissen überhaupt nicht, was damit gemeint ist.Da kann man Sie doch auch nicht im Regen ste-hen lassen.

Zeuge Steffen Seibert: Ich weiß aber, dass dieje-nigen, die diesen Text verfasst haben, wissen,was gemeint ist, und dass die darüber Ihnen oder

Page 186: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 186 von 193

anderen Abgeordneten des Deutschen Bundesta-ges auch Rede und Antwort stehen müssen; unddas halte ich für ein sehr gutes Prinzip demokra-tischer Kontrolle. Ich glaube, anders als Sie, dasseben nicht nur eine Gefahr daraus entstehenkönnte, dass man über Operatives in der Öffent-lichkeit spricht, sondern dass man über Struktu-relles spricht. Ich glaube, auch das könnte denfalschen Leuten Aufschluss geben.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Gut, wenn wir im-mer informiert werden würden, wäre das schonganz gut. Aber es gibt natürlich ein berechtigtesInteresse, wenn Sie etwas öffentlich machen -„Sie“ meine ich jetzt nicht als Person, sondernals Regierungssprecher -, eben diese Defizite,dass dann auch die Öffentlichkeit irgendwie wis-sen muss: Worum geht es da eigentlich? Ist da einDoppelagent? Was ist da eigentlich los? - Also, esmuss doch eine Hintergrundinformation für Siegeben, was dort an Problemen vorhanden ist. Ichkann mir das überhaupt nicht anders vorstellen,dass man Sie - - und dass Sie damit zufriedensind: Ihr schickt mich jetzt vor die Bundespresse-konferenz, und ich weiß gar nichts.

Zeuge Steffen Seibert: Ich habe damit kein Pro-blem.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Und es gab keineHintergrundinformationen für Sie? Sie habenauch nicht gefragt?

Zeuge Steffen Seibert: Ich wusste all das, undfühle mich ohnehin von dem zuständigen Kanz-leramt immer so ausreichend und gut informiert,dass ich in die Öffentlichkeit gehen kann, wennman bedenkt, dass ich in der Öffentlichkeit überNachrichtendienstliches ohnehin sehr wenig sa-gen kann.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Aber hier könnenSie jetzt was sagen.

Zeuge Steffen Seibert: Und außerdem, wenn ichdas noch ganz kurz sagen darf: Wenn wir jetztmal sechs Monate weiterspulen, sind wir im Ok-tober 2015. Da gibt das Bundespresseamt wiedereine Presseerklärung heraus. In dem Fall war esmeine damalige Stellvertreterin Frau Wirtz. Und

da werden ja mehrere Punkte genannt von Maß-nahmen, die eingeleitet worden sind, Maßnah-men also, mit denen man diesen festgestelltenDefiziten begegnet. Daraus kann ja der Kundigeschon ein bisschen ablesen, wo die Defizite gele-gen haben mögen.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Das war ja jetztaber Monate später.

Zeuge Steffen Seibert: Richtig.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Und meine Fragean Sie war: Sind Sie über Hintergründe dieser Sa-che informiert worden damals? Den Journalistenmüssen Sie vielleicht nicht antworten; aber imUntersuchungsausschuss geht es jetzt um dieFrage, was Sie tatsächlich gewusst haben.

Zeuge Steffen Seibert: Genau. - Und ich sage,dass ich immer in diesen nachrichtendienstli-chen Angelegenheiten so viel weiß, wie ich wis-sen muss, um meine Arbeit als Regierungsspre-cher tun zu können, dass ich hier aber weiter-gehende Kenntnisse nicht habe.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Nein, nicht wasSie den Journalisten sagen, sondern was Sie ge-wusst haben.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das hat er,glaube ich, gerade gesagt.

Zeuge Steffen Seibert: Ich habe es gerade gesagt.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Und Sie habenauch nicht nachgefragt bei der Abteilung 6, wo-rum es geht.

Zeuge Steffen Seibert: Ich habe meine Arbeit alsRegierungssprecher getan, wissend, dass ich überviele Themen des Nachrichtendienstlichen, überdas allermeiste, ohnehin weder Journalisten, we-der im Hintergrund noch unter 2 noch unter 3,noch in der Regierungspressekonferenz berichtenkann - und auch nicht Bürgern.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Aber vor dem Un-tersuchungsausschuss schon.

Page 187: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 187 von 193

Zeuge Steffen Seibert: Ja, aber Sie haben mit Si-cherheit viel kundigere Menschen hier schon sit-zen gehabt, die Ihnen über die operativen oderstrukturellen oder organisatorischen Defizite be-richten können. Da brauchen Sie jetzt ja nichtmich.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ich hätte trotzdemgerne gewusst, was man Ihnen gesagt hat.

(Nina Warken (CDU/CSU):Das hat er gerade gesagt!)

- Nein, das hat er noch nicht gesagt. - Man hatIhnen doch irgendetwas gesagt. Was war das?

Zeuge Steffen Seibert: Also, ich wiederhole jetzt,dass ich vor dieser Presseerklärung wie vor ande-ren Regierungspressekonferenzauftritten die not-wendigen Informationen an der Hand hatte, ummeine Arbeit als Regierungssprecher zu tun.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Was hatten Siedenn für Informationen? Das ist doch eine ganzeinfache Frage. Ich verstehe das jetzt, ehrlich ge-sagt, nicht. Sie hatten die notwendigen Informa-tionen. Ich frage: „Welche?“, und dannschweigen Sie.

Zeuge Steffen Seibert: Ich hatte die notwendigenInformationen, die in dieser Presseerklärungstanden. Die, und nichts Weiteres habe ich in derRegierungspressekonferenz auch vorgetragen unddann in Dutzenden von Variationen noch malvorgetragen. So ist das.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Sie haben jetztauch in Dutzenden Variationen gesagt, was Sievor der Presse gesagt haben, aber nicht, was manIhnen vorher mitgeteilt hat.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Also, es istzulässig, auch die gleiche Frage mehrmals zustellen; nur dass da keine Missverständnisse ent-stehen.

Zeuge Steffen Seibert: Natürlich. Ich komme nurzu keiner anderen Antwort, wenn ich da um Ver-ständnis bitten darf.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das ist auchzulässig.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Vielleicht habenSie dann die Frage auf eine andere Antwort [sic!].Es gab ja das Telefonat der Bundeskanzlerin mitPräsident Obama, wo es um ihr Kanzlerhandyging. Ich nehme ja an, das, wenn ein solches Te-lefonat - - Ich bin mir gar nicht mehr sicher, ob esda eine Presseerklärung gab von Ihnen oder vomKanzleramt nach dem Telefonat. Zumindest hatsich ja die US-Administration dann geäußert. Dagibt es ja Positionen, dass man gesagt hat: Künftigalso kein Ausspähen mehr des Handys der Kanz-lerin. - Wie läuft denn das da ab? Auch da wer-den Sie ja wissen, dass es ein solches Telefonatgibt. Und dann wird doch, vermute ich mal, dasInteresse groß sein bei Ihnen, zu sagen: Was hater denn nun zu der Handysache gesagt? - Ich willjetzt nichts über die außenpolitischen Beziehun-gen, über die Floskeln, die da ausgetauscht wer-den, sondern ich möchte wissen: Was ist zu demHandy gesagt worden? Das ist hier Unter-suchungsgegenstand. Und da muss die KanzlerinIhnen ja gesagt haben: Das hat der Präsident mirgesagt.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Aber zuerstsagt Herr Wolff was dazu.

MR Philipp Wolff (BK): Ich will nur darauf hin-weisen, dass die Inhalte der Telefonate der Bun-deskanzlerin mit ausländischen Regierungschefsexekutiver Kernbereich sind und vor dem Hinter-grund dazu auch keine Aussage erfolgen kann.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Danke schön.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Wir reden hier dieganze Zeit darüber, ob das tatsächlich passiert istoder nicht passiert ist und hangeln uns immerzusammen - - Und dann gehe ich mal davon aus,wenn er es nicht darf, die Bundeskanzlerin darfaber über ihr Gespräch wohl reden. - Ja, wir wol-len - - Das ist doch nun ein zentraler Punkt, obdas stattgefunden hat oder nicht. Und ich bin inmeiner Naivität, meiner grenzenlosen, davon aus-gegangen, dass die Bundeskanzlerin ihrem mitengsten Mitarbeiter dann sagt: Also, stell dir vor,die haben das wirklich gemacht.

Page 188: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 188 von 193

Zeuge Steffen Seibert: Wenn ich - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. - Mitdieser Selbsteinschätzung müssen wir jetzt zurnächsten Fraktion kommen.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja, das ist aber - -Das kann doch aber kein Problem sein - -

Zeuge Steffen Seibert: Also, ein erheblicher Teildessen, was - - Oder: Immerhin ein Teil dessen,was Gegenstand dieses Gesprächs war, geht jaaus der Pressemitteilung, die wir am 23. Oktober2013 herausgegeben haben, hervor. Darin steht:

Die Bundeskanzlerin hat heutemit Präsident Obama telefoniert.Sie machte deutlich, dass sie sol-che Praktiken, wenn sich die Hin-weise bewahrheiten sollten, un-missverständlich missbilligt undals völlig inakzeptabel ansieht.Unter engen Freunden und Part-nern, wie es die BundesrepublikDeutschland und die USA seitJahrzehnten sind, dürfe es solcheÜberwachung der Kommunika-tion eines Regierungschefs nichtgeben. Dies wäre ein gravierenderVertrauensbruch. Solche Prakti-ken müssten unverzüglich unter-bunden werden.

Im Übrigen äußerte Bundeskanzle-rin Angela Merkel die Erwartung,dass die US-Behörden Aufklärungüber den möglichen Gesamtum-fang solcher Abhörpraktiken ge-genüber Deutschland geben wer-den und damit Fragen beantwor-ten, die die Bundesregierung be-reits vor Monaten gestellt hat. Alsenger Bündnispartner der Verei-nigten Staaten von Amerika

- ich bin gleich zu Ende -

erwartet die Bundesregierung fürdie Zukunft eine klare vertraglicheGrundlage über die Tätigkeit derDienste und ihre Zusammenarbeit.

So, das ist ja immerhin schon mal relativ aus-führlich - sehr viel ausführlicher, ehrlich gesagt,

als wir das bei anderen Telefonaten tun - wieder-gegeben, was die Bundeskanzlerin zu diesemThema in diesem Telefonat gesagt hat.

Dass wir in unserer Pressemitteilung nicht wie-dergeben, was der amerikanischer Präsident ge-sagt hat, ist, ehrlich gesagt, Usus. Wahrscheinlichhat es auch eine Pressemitteilung der amerikani-schen Seite, des Weißen Hauses, zu dem gleichenTelefonat gegeben. Wenn man die nun nebenei-nanderlegen würde, würde man auch seine Aus-führungen wenigstens in groben Zügen noch er-fahren.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. - Wirmüssen jetzt wechseln und kommen zur Fraktionder CDU/CSU.

Nina Warken (CDU/CSU): Wir haben keine Fra-gen mehr.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dann kom-men wir zur Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Herr Seibert, haben Sie eigentlich in derdamaligen Zeit mal eine Umfrage zu diesemThema „Snowden“ gemacht, vonseiten des Bun-deskanzleramts und des Bundespresseamts dieStimmung und die Lage zum Thema„Snowden“ - -

Zeuge Steffen Seibert: Zum Thema „Snowden“oder zum Thema „NSA“ oder „Snowden“ spezi-ell?

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Genau. Na ja, mit „Snowden“ meine ichnicht: „Wie finden die Leute Snowden?“, son-dern: „Was sagen die zu der Überwachung?“

Zeuge Steffen Seibert: Ja, okay. - Ehrlich gesagt:Ich weiß es nicht aus dem Hut. Es gab eine Reihevon, sagen wir mal, öffentlich zugänglichen Um-fragen in der Zeit. Das wurde ja ständig abgefragt.Ob wir dazu was gemacht haben? - Da bin ichnicht sicher, weil unsere Umfragen sich eher soauf die größeren gesellschaftlichen Veränderun-gen usw. beziehen. Aber ich will es auch nichtausschließen. Ich weiß es nicht.

Page 189: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 189 von 193

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Hm.

Zeuge Steffen Seibert: Also in meiner Erinnerungkann ich es jetzt nicht sagen. Das müsste ichnachreichen. Ich weiß gar nicht, ob man so washier nachreichen kann.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Nein, dasmacht die Bundesregierung dann im Zweifel.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ich muss eine gewisse Bildungslücke of-fenbaren: Es ist so, dass das Bundespresseamteine eigene Bundesbehörde ist.

Zeuge Steffen Seibert: Ja, richtig.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das ist richtig, nicht?

Zeuge Steffen Seibert: Ja.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Und Akten von Ihnen haben wir nicht,weil wir die bisher nicht gezielt angefragt ha-ben. - Das kann man ja zum Glück noch ändern,weil mich interessiert schon - - Herr Seibert, viel-leicht können Sie noch erinnern. Also, wenn esRunden der Information gab, mit wem hat mandenn direkt gesprochen, jetzt über diese Frage:„Machen es nicht alle so wie die Amerikaner,und sind wir moralisch überhaupt berechtigt, mitdem Zeigefinger in die USA zu zeigen und zu sa-gen: ‚Freunde der Nacht, so geht es nicht‘?“?Oder war man nicht in demselben Business sounterwegs?

Zeuge Steffen Seibert: Solche Runden soll es imBundespresseamt gegeben haben?

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein, solche Runden soll es zur Vorberei-tung Ihrer Bundespressekonferenzen gegeben ha-ben -

Zeuge Steffen Seibert: Ach so.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - und zur Vorbereitung der Abstimmung

einer Linie der Kanzlerin in diesen sensiblen Fra-gen. Ich erinnere mich an ein wirklich schwieri-ges - - auf dem roten Sofa im Spreebogen da un-ten. Das ist das - -

Zeuge Steffen Seibert: ARD-Sommerinterview.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): ARD-Sommerinterview. Das war ehernicht so gemütlich, und zwar nicht - - Wegen derSnowden-Veröffentlichungen. Da muss man docheine Linie abgestimmt haben, und da waren Siedoch bestimmt Teil davon. Da stellt sich doch dieFrage: Hat man das abgeklärt, dass dieser morali-sche Impetus und diese Aussage „Ausspähen un-ter Freunden geht gar nicht“ nicht der Wirklich-keit des eigenen Bundesnachrichtendienstes ent-sprochen hat?

Zeuge Steffen Seibert: Ich bin nicht in der Lage,Ihnen zu sagen, welche Runden und Gesprächees dazu in der dafür zuständigen Abteilung gege-ben hat. Das weiß ich nicht. Da würde ich so wasvermuten, weil dort die Fachkenntnis, die Kon-takte mit dem Dienst, die Kenntnis der Struktu-ren, der Organisationen, der Operationen ange-siedelt ist. Ich könnte Ihnen darüber jetzt ausmeiner Erinnerung keine einzelne Runde nen-nen, außer dass es natürlich so war, dass in die-sen Monaten und, ehrlich gesagt, dann auch nochüber relativ lange Zeit das Thema immer wiedernatürlich auch Gesprächsgegenstand war.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, aber Sie haben schriftliche Zuarbeitendazu bekommen aus der Abteilung 6. Wenn eskeine Runden gab, wo man es besprochen hat,haben die Ihnen irgendwas geschickt, oder?

Zeuge Steffen Seibert: Ja, man hat sich manchmalmündlich abgesprochen, bevor ich in eine Presse-konferenz gegangen bin. Es kann auch - - Es gibtauch schriftliche - -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Okay. - Und mit wem haben Sie da gespro-chen, wenn es mündlich war? Also, wer ist dader Ansprechpartner? Ist das - ich habe wirklichkeine Ahnung - Heiß selbst, oder gibt es in der

Page 190: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 190 von 193

Abteilung 6 jemanden, der für das Bundespresse-amt zuständig ist?

Zeuge Steffen Seibert: Sie wissen ja, dass dannauch zu einem bestimmten Zeitpunkt Staats-sekretär Fritsche installiert wurde. Das heißt, dasdurchläuft, bis es bei mir angekommen ist, nachmeinem Gefühl - ich weiß es gar nicht ganz ge-nau - sicherlich mehrere Etappen. Ich könnteIhnen das nicht sagen. Es kommt dann meistensüber den CvD im Bundespresseamt zu mir.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Darf ich noch mal ganz kurz die Bundes-regierung fragen, weil wir dazu auch keine - -Oder: Ich habe das jetzt nicht erinnerlich. Also,es müsste dazu ja auch dann im Bundeskanzler-amt, in der Abteilung 6, schriftliche Vorbereitun-gen für das Bundespresseamt geben. Das ist mirbisher nicht begegnet. Gibt es so etwas? Und,wenn ja, wo finde ich es? Oder können wir nochmal nachgucken, ob man das bisher gesehen hat?

Und für das Bundespresseamt selbst würden wirnoch mal einen Beweisantrag stellen. Das kün-dige ich schon mal an.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ja, okay.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Vielleicht sagt Herr Wolff was dazu?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ich dachte,das wäre damit jetzt schon erledigt.

MR Philipp Wolff (BK): Kann keiner was dazu sa-gen. - Also, bei mir erinnerlich - ich muss sagen,ich bin da jetzt auch nicht völlig auf dem Laufen-den - - sind durchaus Sprachentwürfe an dasBundespresseamt auch vorgelegt worden. Ichmüsste jetzt in die Akten gehen. Ich habe jetztnicht alle Akten im Kopf.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Okay. - Dann gucken wir auch noch mal.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ja. Vielleicht,bevor wir einen Beweisantrag stellen, dass maneinfach noch mal guckt, ob die notwendigenDinge da sind.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Für das Bundespresseamt. Da haben wir jaauf jeden Fall nichts, glaube ich, vom Bundes-presseamt selbst. Und das würden wir dannschon machen.

Und sagen Sie, Herr Seibert - letzter Gedanke vonmir -, dann diese Presseerklärung, die Frau Wirtzgemacht hat im März 2015 [sic!], also in Reaktionauf die großen organisatorischen Mängel beimBundesnachrichtendienst, ist das bei Ihnen dis-kutiert worden, dass dieser Vorwurf sich daraufbegründet, dass das, was man - -

Zeuge Steffen Seibert: Sie meinen die vom April2015?

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): April 2015.

Zeuge Steffen Seibert: 23. April.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Genau, die aus diesem Märzbesuch unddiesen Erkenntnissen da resultierte. - Dass imGrunde diese harte Kritik konsequent war, weilman eben vonseiten der Bundesregierung zweiJahre lang einfach die Tatsachen falsch darge-stellt hat - - Also, dass es einen Graben gab zwi-schen dem, was man gesagt hat, und was derBND gemacht hat, und dass man deswegen denBundesnachrichtendienst so hart kritisiert hat.Also, wurde das diskutiert, oder hat die Bundes-kanzlerin da gesagt: „Also, Freunde, jetzt geht esaber los“?

Zeuge Steffen Seibert: Wenn man die Monate da-vor sieht und natürlich auch Presseveröffentli-chungen davor, dann ergibt sich, dass dieses einenotwendige Pressemitteilung war, die wir am23. April gemacht haben. Trotzdem noch einmalzu dem Vorwurf „falsch dargestellt“: Ich bleibedabei, dass mit dem jeweiligen Kenntnisstand,den wir zu bestimmten Zeiten hatten, den ich zubestimmten Zeiten hatte, aber auch die Kollegenim Kanzleramt, wir nach bestem Wissen undGewissen dargestellt haben gegenüber der Öffent-lichkeit.

Page 191: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 191 von 193

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Na klar, aber jahrhundertelang habenLeute behauptet, die Erde sei eine Scheibe, nachbestem Wissen und Gewissen, aber es war trotz-dem falsch, nicht? Also, wir hatten das vorhinschon mit dieser objektiven und der subjektivenFalschheit. Aber wir versuchen zumindest alsAusschuss, objektiv draufzugucken, und dieÖffentlichkeit würde, glaube ich, auch gerne eineobjektive Aussage dazu bekommen. - VielenDank für die späten Antworten an so einem Tag.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ganz herzli-chen Dank. - Wir kommen zur nächsten Fraktion,der Fraktion der SPD. Herr Kollege Flisek.

Christian Flisek (SPD): Danke. - Herr Seibert,wann haben Sie denn zum ersten Mal erfahren,dass als Teil der Auslandsaufklärung des BNDauch EU- und NATO-Partnerstaaten mit ins Vi-sier genommen werden, zu welchem Zweck auchimmer?

Zeuge Steffen Seibert: Ich hatte da keine exklusi-ven Erkenntnisse. In dem Moment, wo das etwaswar, worüber auch - - Also, Sie wissen, dass - Siehaben ja hier darüber gesprochen - Chef BK,Pofalla, da Veränderungen vorgenommen hat. Indem Moment, wo dieses Thema überhaupt in denMittelpunkt rückte, auch durch Presseberichter-stattungen, habe ich das auch erfahren. Ich habedas nur aus der Presse erfahren.

Christian Flisek (SPD): „Nur aus der Presse“?

Zeuge Steffen Seibert: Ich habe das aus derPresse erfahren, ja.

Christian Flisek (SPD): Laut dem Terminkalen-der von Herrn Pofalla waren Sie am 24.10., also,wenn ich mich jetzt nicht täusche, einen Tagnachdem die Kanzlerin dieses Zitat gesagt hat,bei einem Treffen dabei, wo Herr Pofalla natür-lich dabei war, wo Herr Schindler dabei war, woHerr Fritsche dabei war, Herr Heusgen, HerrHeiß, Herr Maaßen und Sie.

Zeuge Steffen Seibert: Ich war nicht dabei.

Christian Flisek (SPD): Sie waren nicht dabei?

Zeuge Steffen Seibert: Nein. Ich war definitivnicht dabei. Ich weiß, weil mir das berichtetwurde, dass ich da auf der Liste derjenigen stand,die man dazu vielleicht haben wollte, oder - - Ichweiß es nicht. Ich war definitiv nicht dabei. Ichkann mich erstens nicht an die Teilnahme an die-sem Treffen erinnern, und zweitens haben wir inden Unterlagen meiner Fahrer nachgeschaut, unddas Fahrtenbuch macht klar, dass ich zu demZeitpunkt dieses Treffens nicht im Kanzleramt,sondern im Bundespresseamt war, erst später insKanzleramt zurückkehrte und dann mit der Bun-deskanzlerin nach Brüssel aufbrach von dort. Ichwar nicht bei diesem Treffen.

Christian Flisek (SPD): Mhm. - Und die Tatsache,dass Sie dort gern gesehener Gast gewesen wären,hat auch nicht dazu geführt, dass man Sie imNachgang über den Inhalt der Gespräche infor-miert hat?

Zeuge Steffen Seibert: Ich bin mit der Bundes-kanzlerin dann zum Europäischen Rat nach Brüs-sel geflogen und war dann in Brüssel mit dem be-schäftigt, was man da als Regierungssprecher sozu tun hat.

Christian Flisek (SPD): Ja gut, als Regierungs-sprecher ist man - so stelle ich mir das zumindestvor - immer mit allem beschäftigt, egal wo mangerade auf der Welt weilt.

Zeuge Steffen Seibert: Irgendwie ist das auchwahr. Das stimmt.

Christian Flisek (SPD): Das bedeutet natürlich,auch wenn man in Brüssel ist, hat man im Zwei-fel den Draht zu dem, was in Berlin gerade soläuft. - Also, jetzt noch mal die Frage: Sie habenüber dieses Treffen dort, wo Sie dann, aus wel-chen Gründen auch immer, im Terminkalenderals einzuladende Person erschienenen sind, woSie sagen, da waren Sie nicht dabei, nichts, keineInformationen darüber am Ende bekommen, wasdort besprochen wurde?

Zeuge Steffen Seibert: Ich habe keine Erinnerungdaran. Ich war definitiv nicht bei dem Treffen da-bei, und ich habe keine Erinnerung daran, ob mir

Page 192: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 192 von 193

jemand danach etwas aus diesem Treffen mitge-teilt hat. Das war ja der Tag nachdem wir diePressemitteilung über die mögliche Abhörungdes Kanzlerhandys herausgegeben haben. Also,in diesen Tagen war mit diesem Thema ohnehinnatürlich sehr viel los. Aber ich habe keine - -Also, ich war nicht dabei, und ich habe keine Er-innerung daran, ob mir jemand einen Inhalt ausdiesem Treffen mitgeteilt hat oder nicht.

Christian Flisek (SPD): Haben Sie denn wahrge-nommen, dass es nach dem Satz der Kanzlerineine höhere Betriebsamkeit aufseiten der Diensteund auch der Fachaufsicht gegeben hat, also imSinne, dass die Kanzlerin mit dem Satz was aus-gelöst hat?

Zeuge Steffen Seibert: Na ja, ich denke mal, dieKanzlerin hat von vornherein - das war mein Ein-druck, und das hat sich ja auch niedergeschla-gen -, wie ich es vorhin sagte, auf Sachaufklärungund auf Konsequenzen gedrängt. Und es war jadie Kanzlerin, die diesen Achtpunkteplan oderdiese acht Forderungen in ihrer Sommerpresse-konferenz genannt hatte und damit natürlichschon den Weg beschrieben hatte, von dem siewollte, dass die Regierung ihn geht und dass wirihn mit unseren Partnerstaaten in Europa undtransatlantisch gehen. Das heißt, schon dieserAchtpunkteplan der Bundeskanzlerin hat, wennSie das jetzt so sagen wollen, Zug in die Sachegebracht.

Christian Flisek (SPD): Na ja, gut, aber es ist jakein Zufall, dass dann unmittelbar nach demAuftritt in Brüssel, dem sehr knappen, mit demsehr berühmten Satz dann erstmals Dinge in dieWege geleitet worden sind. Man hat sich getrof-fen, es wurden Weisungen erteilt - infolgedessen.Haben Sie darüber Wahrnehmungen?

Zeuge Steffen Seibert: Ich kann auch - - Wie ge-sagt: Ich war nicht bei dem Treffen dabei. Ichweiß auch nicht, ob es ähnliche Treffen in ähnli-cher Besetzung vorher schon gegeben hat. Ichwar bei keinem Treffen in der ganzen Zeit in An-wesenheit der Geheimdienstchefs dabei.

Christian Flisek (SPD): Sie haben aber nicht ge-hört, dass Herr Pofalla Ihnen irgendwann mal ge-sagt hätte - oder Sie es von Dritten herangetragenbekommen haben-, er hat sich jetzt mit HerrnSchindler getroffen und hat Anweisungen in denBND hinein erteilt?

Zeuge Steffen Seibert: Ich kann mich daran wirk-lich jetzt nicht im Einzelnen erinnern.

Christian Flisek (SPD): Sie haben aber gesagt, derAchtpunkteplan hat Zug in die Sache reinge-bracht. Den hatten wir bisher nicht gesehen, denZug. Wo machen Sie das fest, dass da Zug rein-kam, ausgehend vom Sommerinterview?

Zeuge Steffen Seibert: Ich denke schon, dass daZug war. Erstens mal ging es ja in dem Acht-punkteplan - ich glaube, das war einer der erstenPunkte - auch darum, dass man noch bestehende,sehr alte Verwaltungsvereinbarungen mit den da-maligen Alliierten, die de jure noch bestanden,obwohl sie de facto schon nicht mehr genutzt wa-ren, abschaffen wollte. Es ging um eine Beschleu-nigung der Arbeit an der europäischen Daten-schutzrichtlinie. Ich glaube, dass man, wenn mandie Punkte durchgeht, schon sehen kann, dassdarin Arbeitsaufträge - national und europäisch -lagen und dass deswegen - - Das habe ich jetztmal mit „Damit kam Zug in die Sache“ - -

Natürlich hat dann die Berichterstattung über diemögliche Abhörung des Handys der Bundeskanz-lerin dem Ganzen noch mal eine neue Dringlich-keit gegeben, obwohl ich eines sagen will: DerBundeskanzlerin - das war ganz stark mein Ein-druck in diesen Zeiten - ging es wirklich nie inerster Linie um ihr Handy, sondern der ging esnatürlich um diese grundsätzlichen Fragen, diesich da stellten. Ich habe es vorhin versucht zubeschreiben: diese Fragen von Vertrauen, dieseFragen, wie man in einem Zeitalter, in dem tech-nisch nahezu alles möglich ist, eben dieses Ver-hältnis zwischen Sicherheit und Freiheitjustiert. - Darum ging es ihr sehr viel mehr als umihr Handy.

Christian Flisek (SPD): Gut. - Wir haben keineweiteren Fragen.

Page 193: Nur zur dienstlichen Verwendung - dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/CD12850/D_I_Stenografische_Protokolle... · Stenografisches Protokoll 130 I 18. Wahlperiode 1.

Stenografisches Protokoll 130 I

1. Untersuchungsausschuss

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 193 von 193

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: HerzlichenDank. - Dann kommen wir jetzt zur dritten Frage-runde. - Es beginnt jetzt wieder die Fraktion dieLinke. Herr Kollege Hahn.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ich habe nur nocheine Frage, und die bezieht sich auf die Tagenach der Presseerklärung mit der Kritik am BND.Sie sind ja sicher auch mitverantwortlich, wennes Artikel gibt, die die Bundesregierung betreffen,die kritisch sind, oder wo es gewisse Informatio-nen gibt, die gar nicht in die Zeitung sollen, abertrotzdem drinstehen. Und da sind in den Tagennach der Kritik am BND mehrere Zeitungsartikelin der Bild-Zeitung erschienen - ich kann Ihnenjetzt die ganzen Artikel nicht vorhalten; aber essind mehrere erschienen -, nach dem Motto: DasBundeskanzleramt wusste doch das alles, dieBundeskanzlerin hat da Fehler gemacht und daFehler gemacht, und jetzt werden wir angezähltals BND; aber das Bundeskanzleramt selbst ist jaeigentlich mit in der Haftung. - Ich sage das jetztmal ganz vereinfacht, ohne die Artikel zu nen-nen.

Haben Sie denn da mal nachgeforscht oder Infor-mationen gehabt, ob das jetzt eine beleidigte Re-aktion des BND war, den man öffentlich kritisierthat, dass dort vertrauliche Informationen durch-gestoßen worden sind oder durchgestochen wor-den sind? Denn die Artikel waren ja - mehrereaufeinander - sehr heftig auch gegen die Bundes-regierung, gegen das Bundeskanzleramt. Hat dasbei Ihrer Arbeit dann irgendeine Rolle gespielt?

Zeuge Steffen Seibert: Sie meinen: Habe ichNachforschungen angestellt, wer da Informatio-nen durchgestochen haben könnte?

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja, oder man redetda darüber: Wo kommt das her? Wie kann dassein? - Ich dachte, dass so was auch diskutiertwird.

Zeuge Steffen Seibert: Also, Berichterstattungwird ohnehin häufig diskutiert, negative wie po-sitive. Aus der negativen kann man oft auch waslernen. Ich kann jetzt nur aus meiner Erfahrungsprechen. Das ist eine leidvolle Erfahrung, dass

halt verdammt viel durchgestochen wird und un-heimlich viel in der Presse landet, wovon manfindet: Da gehört es eigentlich nicht hin. Aber dasist jetzt keine Bemerkung über konkrete Texte inder Bild-Zeitung, an die ich mich im Einzelnenauch nicht erinnere. Ich denke mal, wenn aussolchen Berichten, wie Sie sie jetzt zusammenfas-sen, sich Fragen ergeben hätten oder ein Hand-lungsbedarf, dann hätte er doch bei denen gele-gen, die die tägliche Arbeit mit dem BND ma-chen, nicht beim Regierungssprecher.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ich schauemal in die Runde. - Ich sehe, es gibt keinen Fra-gebedarf mehr in öffentlicher Sitzung. Eine nicht-öffentliche Sitzung ist nicht anberaumt.

Ich darf mich daher ganz herzlich bei Ihnen be-danken, dass Sie so vielen Fragen Rede und Ant-wort gestanden haben. Ich hatte es zu Anfang ge-sagt: Das Protokoll der Sitzung wird Ihnen zuge-stellt. Sie haben dann zwei Wochen Zeit, etwaigeKorrekturen oder Berichtigungen vorzunehmen,wenn das der Fall sein sollte. Ich wünsche Ihnennoch einen schönen Abend.

Damit ist die Sitzung jetzt auch geschlossen. - Al-len anderen auch einen guten Nachhauseweg.Vermutlich bis Donnerstag!

Zeuge Steffen Seibert: Das wünsche ich auch. Ei-nen schönen Abend und vielen Dank.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Gerne. - DieSitzung ist geschlossen.

(Schluss: 0.05 Uhr)