Nutztierforum 2011 - Thüringer Schweinetag · Schweinen heute so viele Tiere in Thüringer...

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Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft Nutztierforum 2011 Thüringer Schweinetag Schriftenreihe Heft 9 / 2011 Schriftenreihe Landwirtschaft und Landschaftspflege in Thüringen

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Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft

Nutztierforum 2011 Thüringer Schweinetag

Schriftenreihe Heft 9 / 2011

Schriftenreihe

Landwirtschaft und Landschaftspflege

in Thüringen

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Erschienen als Heft 9/2011 der Schriftenreihe "Landwirtschaft und Landschaftspflege in Thüringen.“

Herausgegeben als Tagungsband anlässlich des „Thüringer Schweinetages 2011“

am 1. Dezember 2011 in Stadtroda.

Impressum 1. Auflage 2011 Herausgeber: Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft

Naumburger Str. 98, 07743 Jena Tel.: (03641) 683-0, Fax: (03641) 683 390 e-Mail: [email protected]

Eigenverlag, November 2011 ISSN 0944 - 0348

Die Autoren sind für ihre Artikel eigenverantwortlich. - Nachdruck - auch auszugsweise - nur mit Quellenangabe gestattet. -

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Thüringer Schweinetag 2011 3 9/2011

Inhaltsverzeichnis

Begrüßung und Eröffnung Dr. Armin Vetter .......................................................................................................5

Wirtschaftliche Situation und aktuelle Herausforderungen der Schweineproduktion in Thüringen Peter Ritschel, Dr. Jürgen Müller und Dr. Michael Mußlick.......................................... 8

Was bewegt die Schweineproduzenten in Thüringen? Dr. Klaus Kliem.......................................................................................................12

Erfahrungen zum Schwanzbeißen bei Schweinen Dr. Thomas Bauer und Katrin Rau ...........................................................................16

Gibt es im Fortpflanzungsmanagement noch Einsparpotenzial? Dr. Arnd Heinze, Siegfried Schuster, Bernhard Weißenborn und Ursula Mörl ...............23

Beeinflusst die mütterliche Herkunft die Leistung von Masthybriden? Frank Ulbrich und André Telle................................................................................. 28

Das Zuchtprogramm des Mitteldeutschen Schweinezuchtverbandes e. V. - Ausgerichtet auf Effizienz Dr. Gunter Hallfarth ...............................................................................................36

Schlachtung und Verarbeitung von Ebern - Machbar ohne Risiko? Hans-Jörg Eynck..................................................................................................... 42

Vergleichende Untersuchungen zur Haltung von Mastschweinen auf Voll- und Teilspaltenboden Katrin Rau, Anne Amthor und Dr. Jürgen Müller ...................................................... 46

Fleisch - Ein Stück Lebenskraft im freien Fall? Udo Pollmer .......................................................................................................... 50

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Schriftenreihe der TLL 4 9/2011

WEITERE ARTIKEL ZUM THEMA

Grenzkosten in der Ferkelerzeugung bei hoher Produktionsintensität Dr. Jürgen Müller ....................................................................................................54

Erste Thüringer Erfahrungen zur Ebermast Dr. Simone Müller ................................................................................................. 64

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Thüringer Schweinetag 2011 5 9/2011

Begrüßung und Eröffnung

Dr. Armin Vetter (Stellv. Präsident der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft)

Inzwischen ist es eine gute Tradition geworden, sich aller zwei Jahre zu treffen, um wichtige fachliche Schwerpunkte der Schweineproduktion zu thematisieren und zu dis-kutieren.

2011 war kein gutes Jahr für die Schweineproduktion. Noch gebeutelt von den steigenden Futtermittelpreisen ab 3. Quartal 2010 wurde die Branche gleich Anfang des Jahres durch die Verunreinigung von Futtermitteln durch Dioxin empfindlich getroffen. Innerhalb weniger Tage war ein starker Preisverfall zu beobachten. Doch auch nachdem sich die Schweinepreise erholt hatten, sorgten um 30 bis 40 % höhere Futtermittelpreise weiter für schlechte Bruttomargen.

Deutlich früher als in anderen Jahren mussten Ferkelproduzenten bereits ab Mai mit Ferkelpreisen auskommen, die erheblich unter den Herstellungskosten liegen. Das steigende Produktionsaufkommen aus heimischer Produktion traf auf preisgünstige Angebote aus den Niederlanden bzw. Dänemark. Damit geriet der Ferkelmarkt immer stärker unter Druck. Solche Situationen treffen ein Land mit einem deutlichen „Ferkel-überschuss“ wie Thüringen natürlich besonders stark. Sieht man sich die Bestandsentwicklung an, wird diese Abhängigkeit von der aufneh-menden Hand - den Mästern - in den nächsten Jahren charakteristisch bleiben. Es sei denn, es gelingt, auch in die Mast zu investieren. Immerhin stehen mit 833 Tausend Schweinen heute so viele Tiere in Thüringer Ställen wie nie zuvor nach der politischen Wende. Es ist nicht zu erwarten, dass der bis 2010 zu beobachtende Produktionszuwachs beim Schweinefleisch weiter so steigt. Sowohl deutschlandweit als auch in Thüringen liegen die Schlachtzahlen im ersten Halbjahr leicht unter dem Durchschnitt des Vorjahres-zeitraumes.

Neben dem hohen wirtschaftlichen Druck bereiten erhöhte Tierschutzauflagen und zu-nehmend auch öffentlich geführte Diskussionen um die Art und Weise der Tierhaltung große Sorgen. Die Schweineproduzenten und ihre Mitarbeiter in den Ställen bekom-men mehr denn je ein zunehmendes Unverständnis der Gesellschaft für die etablierten Haltungsformen zu spüren. Dies umso mehr, wenn aus einer Verkettung unglücklicher Umstände Tiere zu Schaden kommen oder verenden. Wir wissen, dass alles getan wird, um Ausfälle technischer Anlagen, die auch zu extremen thermischen Belastungen von Schweinen führen können, auch in Zukunft zu vermeiden.

Die Schweineproduzenten erzeugen heute wie in der Vergangenheit gesundes Fleisch für eine gesunde Ernährung unserer Menschen. Mit großem Sachverstand werden Tie-re gehalten, gefüttert und der Schlachtung zugeführt. Trotzdem, es ist bisher nicht genug gelungen, das auch unseren Mitbürgern auf einer Weise nahezubringen, die auf mehr Akzeptanz trifft.

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Schriftenreihe der TLL 6 9/2011

Das Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz (TMLFUN) verfolgt in Zusammenarbeit mit dem Thüringer Bauernverband (TBV) eine gemeinsame Strategie zur besseren Darstellung der Landwirtschaft in der Öffentlich-keit. Dabei geht es um die gesamte Wertschöpfungskette.

Die Themen des Schweinetages orientieren sich an sehr aktuellen Fragen: Herr Ritschel, Abteilungsleiter im TMLFUN, wird detailliert die wirtschaftliche Situation und aktuelle Herausforderungen der Schweineproduzenten beleuchten. Sicher können wir auch davon ausgehen, dass Dr. Klaus Kliem als Präsident des Thü-ringer Bauernverbandes vieles, was die Schweineproduzenten so dringend bewegt, auf den Punkt bringen wird. Die Fachthemen berühren unmittelbare aktuelle Fragen, z. B. geht es um die Geneh-migung von Anlagen, um Rechtstreitigkeiten und um dabei auftretende Fragen des Tierschutzes, nämlich dem Schwanzkupieren. Das sind Bereiche, mit denen sich sehr intensiv beschäftigt werden muss, weil die Gesellschaft zunehmend kritischer wird und hohe Forderungen stellt. Manchmal fehlen sogar praktikable Ansätze für die Umset-zung. Die Ankündigung der Regierungskoalition, bereits im Januar 2012 das Tierschutzgesetz zu novellieren, ist ernst zu nehmen. Wir brauchen hier die Unterstützung unserer be-rufsständigen Vertreter und Agrarpolitiker. Wir erachten es als äußerst wichtig, dass eine Folgeabschätzung vorgelegt wird. Nur so können Deutsche Tierhalter nicht noch mehr Nachteile am europäischen Markt erlangen, als schon vorhanden.

Zur Diskussion stehen natürlich auch solche unmittelbar praxisrelevanten Fragen wie kostenbewusste Managementsysteme für die Fortpflanzung oder auch die Genetik. Wir beobachten in Thüringen in den letzten beiden Jahren eine zunehmende Veränderung der Zuchtlandschaft, die sicher auch ihre Ursachen hat. Umso mehr ist es zu begrüßen, wenn sich Zuchtorganisationen dem Wettbewerb stellen und schauen, wo sie stehen. Nützliche Erkenntnisse sind daraus immer zu erwarten.

Die beiden Themen am Nachmittag berühren auch wieder die Rahmenbedingungen der Produktion. Als vor drei Jahren die Düsseldorfer Erklärung ein Nachdenken zu möglichen Alternativen zur chirurgischen Kastration initiierte, war man versucht zu glauben, das erledigt sich von allein. Doch inzwischen ist die Ebermast, wenn auch in Thüringen noch in verhaltenem Um-fang, teilweise schon Realität geworden. Große Schlachtunternehmen berichten über zunehmende Nachfragen nach Fleisch von unkastrierten Ebern. Dass es die Schweineproduzenten als Erzeuger nicht kalt lässt, wie mögliche geruchs-belastete Eber trotz fehlender elektronischer Nase erkannt werden, ist ein gutes Recht. Nicht zuletzt auch wegen der nicht immer abschätzbaren Folgen auf den Schweine-fleischverzehr.

Der Vergleich zweier Haltungssysteme mit unterschiedlicher Fußbodengestaltung ist nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch interessant.

Die Idee, Udo Pollmer als Lebensmittelchemiker und Fachbuchautor für Ernährung zu uns einzuladen, wuchs bereits Anfang des Jahres im Zusammenhang mit dem „Dioxin-Skandal“. Seine Auseinandersetzung mit den Sachverhalten, seine sicher unkonventio-nellen Denkansätze lassen die Hoffnung zu, dass er als nicht unmittelbar mit der Schweineproduktion verwachsener eigenständiger Mensch, uns helfen kann. Wir brau-

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chen neue Gedanken und innovative Ideen in der Öffentlichkeitsarbeit, wenn wir zu-künftig agieren und nicht mehr nur reagieren wollen. Und wir müssen unsere Verbrau-cher besser bilden. Wenn es tatsächlich so ist, dass landwirtschaftliche Unternehmen nur dann Berechti-gung haben, wenn sie den gesellschaftlichen Erwartungen entsprechen (so postuliert von DLG-Präsident Carl-Albrecht Bartmer zu unserer 13. Jahrestagung), sollten wir ver-suchen, auch auf gesellschaftliche Erwartungen Einfluss zu nehmen. Und wie geht das besser, als durch Wissensvermittlung über das, was in den Ställen passiert und warum es so geschieht? Lassen wir uns überraschen.

Wir hoffen, wir haben einen „Thüringer Schweinetag“ vorbereitet, der neue Sichtweisen vermittelt bzw. vorhandene Kenntnisse vertieft und schärfen kann.

Wir und unsere Mitveranstalter, der Schweinekontroll- und Beratungsring im Thüringer Verband für Leistungs- und Qualitätsprüfung e. V., der Mitteldeutsche Schweinezucht-verband e. V. und der Thüringer Bauernverband e. V., bedanken uns bei folgenden Fir-men für die finanzielle Unterstützung bei dieser Veranstaltung: • Agrargesellschaft Priessnitz mbH • AGRAVIS Raiffeisen AG • VitaVis GmbH • BaSu GmbH • BHZP GmbH, KB-Station Bösewig • Big Dutchman Pig Equipment GmbH • Biomin Deutschland GmbH • Danbauer GmbH • Deutsche Tiernahrung Cremer GmbH & Co. KG • Intervet Deutschland GmbH • SCHAUER Maschinenfabrik GmbH Vertriebsgesellschaft • Wima-Mirakel Spezialfutter GmbH

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Schriftenreihe der TLL 8 9/2011

Wirtschaftliche Situation und aktuelle Herausforderungen der Schweineproduktion in Thüringen

Peter Ritschel (Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz), Dr. Jürgen Müller (Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft) und Dr. Michael Mußlick (Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz)

Schweinehalter wissen, der Markt für Mastschweine und Ferkel ist in Europa nicht re-guliert. Mit dem Auf und Ab der Preise und der schwankenden Nachfrage hat man ge-lernt umzugehen. Das anhaltende Preistief bei Ferkeln und die durchschnittlichen Schlachtpreise einerseits sowie die hohen Futter- und Energiekosten andererseits set-zen Mäster und Ferkelerzeuger unter immensen Druck. Das Tal war wohl noch nie so tief und so breit.

Viele Erzeuger fragen sich, ist der Schweinezyklus zur Einbahnstraße geworden? Wo soll das enden? Viele Ferkelerzeuger stehen mit dem Rücken zur Wand. Der Schweine-zyklus verläuft bei Ferkelpreisen und Schlachtpreisen disproportional. Den Mästern fällt es leichter ihre Kosten, aufgrund des guten Angebotes an Ferkeln, auf die Ferkeler-zeuger abzuwälzen. Nach Zahlen der EU-Kommission sind die Futterkosten von Januar 2010 bis August 2011 im Mittel der EU um 40 % angestiegen. Eine Kostenentlastung ist aufgrund der zuletzt kräftig nach unten gerutschten Getreide- und Energiepreise jedoch nicht un-wahrscheinlich und dürfte damit in nächster Zeit zu verbesserten Margen in der Schweineproduktion führen. Trotz allem belasten zyklisch auftretende Hochpreispha-sen besonders für Futtermittel den Wirtschaftszweig erheblich.

Abbildung 1

Variation der Wertschöpfung in der Stufenproduktion

-0,50

0,00

0,50

1,00

1,50

2,00

2,50

3,00

3,50

1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012

€/kg

-15

0

15

30

45

60

75

90

105€/Stück

Wertschöpfungsvorteil Ferkelerzeugung

Ferke lpre is nach Regression Pi-Abstamm ung, 25 kg LG (€/kg LG)

Marktpreis Schlachtschweine,alle Hande lsklassen (€/kg SG)

Wertschöpfungsvorteil Schw einemast

Marktp reis Fe rkelPi -Abs tamm ung, 25 kg LG (€/kg LG)

>20.000 Mastschw eine/Woche (ZMP/TLL); >9.000 Ferkel/Woche (SKBR/TLL); zu Monatsmittelw erten > 20.000 Mastschweine/Woche (ZMP/TLL); > 9.000 Ferkel/Woche (SKBR)TLL); zu Monatsmittelwerten

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Thüringer Schweinetag 2011 9 9/2011

0,79

2,07

1,3860,95

3,12

1,928

y = 0,0003x + 1,8924

y = 0,0004x + 1,343

0,00

0,50

1,00

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2,00

2,50

3,00

3,50

1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012

€/ kg

Schlacht schweinepreise, al le Handelsklass en (€/ kg SG) Ferkelpreise, P i-Abst amm ung (€/kg LG, bis 25 kg )

Marktnotierungen: >20.000 Mas ts chweine/Woche (ZMP/TLL); >9.000 Ferkel/ Woche (SKBR/TLL); zu Monatsmi ttelwerten verdichtet

Entwicklung der Schlacht- und Ferkelpreise in Thüringen

Marktnotierungen: > 20.000 Mastschweine/Woche (ZMP/TLL); > 9.000 Ferkel/Woche (SKBR)TLL); zu Monatsmittelwerten

Abbildung 2

Entwicklung der Einkaufspreise für Futtermittel

17 ,73

17 ,76

32,66

34,44

25,76

28,95

0

5

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20

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35

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2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012

€/d tAFM für säugende Sauen,13,0 MJ/kg

AFM für Mastschweine, EM abca. 50 kg, 12,6-13,4 MJ/kg,mind. 0,9% Lys

Ferkelaufzuchtfutter, gepreßt,13,0 MJ/kg

Sojaschrot (Normtyp), 43 - 44% Rp, ab 3 t

Futtergerste

Futterweizen

ZMP Marktberichte / A MI

Abbildung 3

ZMP Marktberichte / AM

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Schriftenreihe der TLL 10 9/2011

Für die Deutschen Landwirte haben sich Futterkosten in der Schweineproduktion von Januar 2010 bis August 2011 sogar um mehr als 50 % erhöht. Gleichzeitig bewegten sich die Schweinepreise in der EU von April bis September 2011 (dank der regen Expor-te) relativ stabil auf einem Niveau um 1,55 €/kg SG. Bis zum Jahresende wird am euro-päischen Terminmarkt keine wesentliche Preisveränderung erwartet. Die Europäer konnten von der sehr guten Nachfrage am Weltmarkt profitieren und ihre Exporte im Vergleich zum Vorjahr um 20 % steigern, was zu einer Stabilisierung der Schlacht-schweinepreise beitrug. Jedoch reicht das Exportwachstum nicht aus, um positive Im-pulse für den Binnenmarkt, vor allem am Ferkelmarkt zu geben. Was tun? Thüringer Unternehmen haben nach Untersuchungen der Thüringer Landes-anstalt für Landwirtschaft (TLL) eine beachtliche Leistungsentwicklung in allen Berei-chen der Schweinehaltung genommen. Die Zahl der abgesetzten Ferkel ist kontinuier-lich im Mittel auf über 25 Ferkel je Sau und Jahr angestiegen. In Spitzenbetrieben sind 30 und mehr Ferkel keine Seltenheit. Tägliche Zunahmen von über 800 g/Tag und Mastschwein sind heutzutage Durchschnitt. Der Trend zur Haltung in großen Bestän-den ist ungebrochen und aus ökonomischer Sicht alternativlos. Jedoch muss betont werden, sowohl die gestiegenen Leistungen in der Mast und in der Ferkelerzeugung als auch die zunehmende Konzentration der Bestände können bei gegenwärtigen Preisen kein positives ökonomisches Ergebnis in der Schweineproduktion sichern. Die Brutto-margen nach Deckung der Tiereinsatzkosten und der Futterkosten reichen für eine Rentabilität nicht aus.

Große Herausforderungen kommen auf die Schweinehalter permanent aus dem Be-reich Tierschutz und Tiergesundheit zu. Egal ob • die durchgängige Umsetzung der Gruppenhaltung von Sauen im Wartebereich zur

Umsetzung der Nutztierhaltungsverordnung, • das Verbot der Kastration von Ferkeln oder • das Verbot, Schwänze von Ferkeln zu kupieren

betrachtet wird, es kommen auf die Landwirte Zwänge zur Investitionen in Ställe und zur Neugestaltung der Produktionsverfahren zu. In den „Schweineregionen“ Deutschlands geraten die Probleme im Zusammenhang mit hohen Tierkonzentrationen immer stärker ins Blickfeld der Gesellschaft. Wenn 6 GVE/ha gehalten werden, sind die fachgerechte Verwertung der Gülle sowie die anfal-lenden Emissionen nur noch schwer zu beherrschen. Diese Situation ist oft Anlass für kritische Betrachtungen der modernen Tierhaltung und für Diskussionen über eine wei-tere Verschärfung gesetzlicher Standards (z. B. die Forderung, Luftwäscher zum Stand der Technik zu erklären oder Forderungen zur Änderung des Baugesetzbuches im Zu-sammenhang mit der Privilegierung der Landwirte).

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Thüringer Schweinetag 2011 11 9/2011

Kein Landwirt kann sich aber leisten, die gegensätzlichen Anforderungen der Gesell-schaft nach billigen Produkten bei höchsten Tierschutzstandards zu ignorieren. Land-wirtschaftliche Tierhaltung ohne gesellschaftliche Akzeptanz ist langfristig nicht mög-lich. Die Diskussion hierzu bedarf aber einer dringenden Versachlichung und muss den Landwirt angemessen einbeziehen. Ein aktueller Ansatz hierfür ist die Entwicklung der Charta für Landwirtschaft und Verbraucher des Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), die speziell einen Workshop zum Thema „Tierhaltung“ durchführte.

Autoren: Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz Peter Ritschel und Dr. Michael Mußlick Beethovenstraße 3 99096 Erfurt

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Schriftenreihe der TLL 12 9/2011

Was bewegt die Schweineproduzenten in Thüringen?

Dr. Klaus Kliem (Präsident des Thüringer Bauernverbandes e. V.)

Ausgangssituation

Die Landwirtschaft ist ein bedeutender Bestandteil der Deutschen Wirtschaft. Allein 2009 lag die Bruttowertschöpfung je Erwerbstätiger bei 20 150 € (Statistisches Bun-desamt). Schaut man sich weiterhin den hohen Selbstversorgungsgrad an, den wir bei verschiedenen Agrarprodukten in Deutschland bereits erreicht haben, ist die Rolle der heimischen Landwirtschaft umso bedeutender, da hierdurch die Abhängigkeit von Ag-rarimporten entgegengewirkt wird. Bei Schweinefleisch zum Beispiel hat Deutschland aufgrund der steigenden Produktivität mittlerweile die Möglichkeit bei gleichzeitiger Deckung des Eigenbedarfs zu exportieren. Deutschland lag 2009 mit 5,3 Mio. t produ-ziertem Schlachtgewicht auf Platz 3 der weltweiten Schweineerzeuger nach China und den USA (Stand 2009).

Thüringen ist ein Bundesland welches einen Arbeitskräfteeinsatz in der Landwirtschaft von 2,1 je 100 ha aufweist und damit zu den produktivsten in Deutschland zählt. Der Tierbesatz von 47,5 GVE/100 ha zeigt allerdings, dass Thüringen ein veredlungsarmes Bundesland im Gegensatz zu den anderen ist. Der gesamtdeutsche Schweinefleischverbrauch liegt bei 54 kg pro Kopf. Nimmt man diesen Verbrauch auch für Thüringen an, lässt sich aufgrund des relativ geringen Tier-bestandes schnell abschätzen, dass die Thüringer Schweineproduktion nicht in der La-ge ist, diesen Eigenbedarf zu decken. Die einheimischen Betriebe können aktuell ca. 85 Mio. kg Schweinefleisch produzieren. Dies sind pro Einwohner ca. 38 kg Fleisch im Jahr. Thüringen muss somit ca. 30 % der selbst verbrauchten Schweinefleischmenge zusätzlich aus anderen Bundesländern „importieren“ bzw. müsste die Bestände ent-sprechend erhöhen, um eine vollständige Selbstversorgung zu erreichen. Unterstellt man gar den um ca. 15 % höheren Fleisch- und Wurstverzehr der Thüringer, der 2008 innerhalb der „Nationalen Verzehrsstudie“ des Max-Rubner-Institutes Kulmbach ermit-telt wurde, zeigen sich schnell noch größere Produktionspotenziale.

In diesem Jahr stiegen die landwirtschaftlichen Erlöse in Thüringen leicht an. Dieser allgemeine Trend traf allerdings nicht auf die Schweineproduktion zu. Das liegt vor al-lem an den Anteilen, die der Verbraucher bereit ist von seinem Gehalt für Nahrungs-mittel auszugeben. Vor 100 Jahren betrug der Anteil der Ausgaben für Nahrungsmittel am gesamten Konsum noch etwa 50 %, heute beträgt dieser Anteil nur noch 11 %. Da-bei ist zu berücksichtigen, dass sich Qualität und Verarbeitung der Nahrungsmittel enorm verbessert haben. Der Grund für den langfristigen Rückgang des Anteils der Nahrungsmittelausgaben liegt in den Einkommenssteigerungen und in dem unter-durchschnittlichen Anstieg der Nahrungsmittelpreise. Allerdings sinkt hierdurch auch der Erlösanteil der Landwirte bei Nahrungsmitteln. Von 1 € Verbraucherausgaben für Nahrungsmittel erhält der Landwirt heute nur noch 21 Cent.

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Thüringer Schweinetag 2011 13 9/2011

Hinzu kam Anfang des Jahres der Dioxinskandal, der das Vertrauen der Verbraucher in die Fleischindustrie stark erschüttert hat, welches ein Absinken des Schweinepreises auf 1,12 €/kg SG zur Folge hatte.

Einfluss der Agrarpolitik, Zertifizierungssysteme und weiterer Überlegungen Die Landwirte haben an die Agrarpolitik folgende Erwartungen: Sie soll die nötigen Rahmenbedingungen für eine flächendeckende, multifunktionale und nachhaltige Landwirtschaft erhalten. Deutschland ist ein Land, welches schon immer stark die Inte-ressen der Verbraucher berücksichtigt. Dies resultiert in hohen Standards, die im Tier, Umwelt- und Verbraucherschutzbereich etabliert wurden und immer weiter entwickelt werden. Die steigenden Anforderungen sind mit Investitionen oder Ertragseinbußen verbunden. Die Agrarpolitik hat hier mit der Direktzahlung ein Instrument, um diese Verluste annähernd auszugleichen. Die Auszahlung der so genannten Betriebsprämie ist an die Erfüllung der Cross Compliance-Richtlinien gebunden. Diese enthalten u. a. Grundanforderungen an die Betriebsführung in den Bereichen Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanzen, Umwelt und Tierschutz sowie Forderungen zur Erhaltung eines guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustands der Flächen. Wird gegen diese Anforderungen verstoßen sind Sanktionen und damit u. a. die Prämienkürzung die Folge.

Ein weiteres System, um die Lebensmittelsicherheit und auch Tierschutz zu gewähr-leisten, ist das QS System. Dies garantiert eine lückenlose Kontrolle der einzelnen Pro-duktionsschritte von der Herstellung, Verarbeitung und Vermarktung von Lebensmit-teln. Dies wird an Hand von Checklisten geprüft und dokumentiert. Kriterien, die be-sonders wichtig sind für die Lebensmittelsicherheit, den Tierschutz oder die Integrität des QS-Systems, sind als K.O.-Kriterien definiert. Ihre Nichteinhaltung führt zum Ver-lust der Lieferberechtigung in das System und zur Einleitung eines Sanktionsverfah-rens. Das QS System ist im Zuge der BSE Krise entstanden. Die Anforderungen sind im Rahmen der Dioxinkrise entstanden und werden aufgrund aktueller Unfälle in der Schweineproduktion erweitert. Weitere gesetzliche Anforderungen denen der Schweineproduzent unterliegt sind u. a. die des Baugesetzbuches und des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, bei Neu- und Umbauten von Stallanlagen (eventuell mit Umweltverträglichkeitsprüfung). In naher Zukunft kommen hier Änderungen im Baugesetzbuch sowie Verschärfung der Hal-tungsbedingungen im Rahmen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung auf die Schweineproduzenten zu. Weiterhin wird gerade die „Charta für Landwirtschaft und Verbraucher“ vom Bundes-ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) entwi-ckelt. Diese soll unter Beteiligung von Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Ver-tretern aller gesellschaftlicher Gruppen Handlungsoptionen für die zukunftsorientierte Landwirtschafts- und Verbraucherpolitik festlegen.

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Schriftenreihe der TLL 14 9/2011

Einfluss der Märkte Die deutsche Landwirtschaft befindet sich seit ca. vier Jahren in einer schwierigen wirt-schaftlichen Lage, die geprägt ist von volatilen Märkten. 2009 waren die Erzeugerpreise auf einem relativ geringen Niveau, die Landwirte nahmen deshalb Abstand von Verkäu-fen, lieber verfütterten sie das Getreide selbst, um Zusatzkosten beim Einkauf einzu-sparen. Nach einer leichten Stabilisierung stiegen die Erzeugerpreise 2010 wieder an. Die Betriebsmittelpreise und damit die Futtermittelpreise zogen allerdings nach und führten zu geringeren Erlösen bei steigenden Kosten. Weltweit ist momentan davon auszugehen, bedingt durch die schlechte Witterung, dass die Erzeugung von Grob- und Futtergetreide mit 1 085 Mio. t unterhalb des welt-weiten Verbrauchs mit 1 124 Mio. t liegt. Die Prognose für die Preisentwicklung von Ölsaaten zeigt für die kommenden Jahre ebenfalls einen stetigen, wenn auch leichten Anstieg. Die Landwirte müssen sich langfristig auf weiterhin steigende Preise der Be-triebsmittel einstellen.

Ausblick Die deutsche Schweineproduktion steht an einem Scheideweg. Die Produzenten müssen sich entscheiden, ob sie weiterhin Schweinefleisch für den regionalen Markt und damit für den Verbraucher, mit gehobenen Ansprüchen an Herkunft und Haltung produzieren oder sich den Bedürfnissen des globalen Schweinefleischmarktes anpassen. Es ist aller-dings anzumerken, dass die Direktvermarktung den regionalen Fleischbedarf nicht de-cken kann. Ein Teil kommt über den Großhandel und damit über Fleisch, welches zu Weltmarktkonditionen produziert und gehandelt wurde, dass kompensiert werden muss. Unabhängig von dieser Entscheidung kommen in den nächsten Jahren weitere gesetz-liche Vorgaben auf die Schweinehalter zu. So werden ab 2013 Veränderungen der Tier-schutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) bindend. Diese erfordern erhebli-che Veränderungen an Stallanlagen zum Halten von Zuchtsauen und Mastschweinen. Hierbei werden erhöhte bauliche Anforderungen in Bezug auf das Stallklima und das Gruppenmanagement, aber auch an die Tierbeschäftigung und das direkte Tierwohl gelten. Dies führt zu einem erhöhten Investitionsbedarf in einigen Betrieben. Nichts desto trotz können die Schweineproduzenten in Thüringen auf eine über Jahre hinweg stetige Steigerung der Arbeitsproduktivität, der tierischen Leistung in Form von Schlachtgewichtszunahmen und Fruchtbarkeit zurückblicken. Das Wachstum der Pro-duktivität wird auch weiterhin ein entscheidender Faktor einer positiven wirtschaftli-chen Entwicklung in der Thüringer Landwirtschaft bleiben. Um diesen Trend weiter zu verfolgen, ist auch in Thüringen eine weitere Forschung im Zucht- und tiergesundheit-lichen Bereich notwendig. Ein Engpass-Faktor ist dabei die gesellschaftliche Skepsis gegenüber moderner Verfahren der Biotechnologie. Hier ist die politische Führung aufgerufen, aufklärend zu wirken. Denn Thüringen verfügt über eine wettbewerbsfähige Schweineproduktion, die es in einem strukturschwachen Bundesland u. a. als Arbeit-geber zu erhalten gilt.

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Thüringer Schweinetag 2011 15 9/2011

Die Thüringer Landwirtschaftsbetriebe stehen jedoch einem anderen Problem gegen-über, der Altersstruktur der Betriebe und dem Fachkräftemangel. Wurden 2009 noch 706 Ausbildungsverträge in der Land- und Hauswirtschaft abgeschlossen, waren es 2010 gerade einmal 621 (Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft, Jahresbericht 2009/2010). Ein zu verbesserndes Lohnniveau und sinkende Umsätze der Branche tragen nicht zur Attraktivität der Grünen Berufe bei. Es sind Berufe, die von der Leiden-schaft zur Aufgabe getragen werden und diese Leidenschaft zu vermitteln muss auch Aufgabe der Betriebe sein. An die Landwirtschaft und die Tierhalter werden immer anspruchsvollere Aufgaben gerichtet. Der Verbraucher ist bereit für die Einhaltung höherer Tierhaltungsansprüche zu zahlen. Dies gilt allerdings hauptsächlich für die regionalen Direktvermarkter. Be-trachtet man den Großhandel, gestaltet sich der Absatz über einen entsprechenden Mehrpreis schwieriger, da hier der Schweinefleischpreis vom Weltmarktpreis bestimmt wird und damit stärkeren Schwankungen unterliegt.

Die Gesellschaft ist zunehmend an Fragen des Schutzes von Umwelt, Biodiversität, Klima und Landschaft interessiert. Deshalb ist aktuell die Tierhaltung besonders in den Focus der Öffentlichkeit gerückt. Grundsätzlich ist dies wichtig um den Verbraucher über die Art und Weise der Erzeugung von Nahrungsmitteln aufzuklären. Aber beson-ders die Schweinehalter mit ihren so genannten „Tierfabriken“ unterliegen einer meist nicht objektiven Darstellung in der Öffentlichkeit. Auch hier ist die Politik gefragt, sich umfassend zu informieren und Stellung zu beziehen.

Autor: Thüringer Bauernverband e. V. Dr. Klaus Kliem

Alfred-Hess-Straße 8 99094 Erfurt

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Schriftenreihe der TLL 16 9/2011

Erfahrungen zum Schwanzbeißen bei Schweinen

Dr. Thomas Bauer und Katrin Rau (Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft)

Rechtsgrundlagen

Nach der Richtlinie 2008/120/EG des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Min-destanforderungen für den Schutz von Schweinen (Anhang 1, Kapitel 1) darf das Kupie-ren des Schwanzes von Ferkeln nicht routinemäßig und nur dann durchgeführt wer-den, wenn nachgewiesen ist, dass Verletzungen an den Ohren anderer Schweine ent-standen sind. Bevor man solche Eingriffe vor nimmt, sind andere Maßnahmen zu tref-fen, um Schwanzbeißen und andere Verhaltensstörungen zu vermeiden, wobei die Un-terbringung und Bestandsdichte zu berücksichtigen sind. Aus diesem Grund müssen ungeeignete Unterbringungsbedingungen oder Haltungsformen geändert werden. Diese Regelung gilt seit dem 21.12.2001 mit Inkrafttreten der Richtlinie 2001/93/EG der Kommission vom 9. November 2001 zur Änderung der Richtlinie 91/630/EWG über Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen. Diese wurde inzwischen durch die oben genannte ersetzt. Nach dem Tierschutzgesetz (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 5 Abs. 3 Nr. 3) darf das Kupieren des Schwanzes von Ferkeln nur im Einzelfall und nur dann erfolgen, wenn der Eingriff für die vorgesehene Nutzung des Tieres zu dessen Schutz oder zum Schutz anderer Tiere unerlässlich ist. Das Kupieren ist bis zu einem Alter von 3 Tagen ohne Betäubung zulässig.

Das routinemäßige Kupieren stellt daher seit 2001 einen Verstoß gegen geltendes Recht dar. Zusätzlich wird seit dem 01.01.2007 ein Verstoß gegen das Kupierverbot nach Cross Compliance als schwerer Verstoß mit einer Kürzung der Direktzahlungen ab 5 % bewertet. Im Wiederholungsfall steigen die Kürzungen rapide an und können bis zu 100 % betragen.

2007 wurde das routinemäßige Kupieren in Deutschland durch eine EU-Inspektion bemängelt. Inzwischen laufen zwei formale Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen mangelhafter Umsetzung von EU-Recht.

Hintergrund des Kupierverbotes ist, dass das Schwanzkupieren wahrscheinlich nicht nur kurzfristig einen Schmerz verursacht und zu dem bekannten Wachstumsknick führt, son-dern auch langfristig Schmerzen durch Neurombildung bleiben (EFSA, 2007).

Sachstand

In Deutschland erfolgt in der konventionellen Produktion das Kupieren der Schwänze bei unter vier Tage alten Ferkeln routinemäßig, ohne Betäubung und bis auf wenige Ausnahmen flächendeckend.

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Thüringer Schweinetag 2011 17 9/2011

Hintergrund dieser Maßnahme ist, dass bei nicht kupierten Ferkeln das Risiko des so-genannten Schwanzbeißens in der Aufzucht- und Mastperiode deutlich steigt. Schwanzbeißen beeinträchtigt das Wohlergehen der gebissenen Tiere sehr stark. Bei diesen Tieren entstehen neben Verhaltensänderungen (Traumata) pathologische Ver-änderungen, die von Infektionen und Spinalabszessen bis zur Pyämie in verschiedenen Körperteilen reichen können. Solche Veränderungen können zum verminderten Wachs-tum (WALKER und BILKEI, 2006) sowie zur kompletten Untauglichkeit des Schlacht-körpers bis hin zu Totalverlusten führen. Für den Betrieb entstehen hohe ökonomische Verluste. Die Ursachen für die Verhaltensanomalie sind multifaktoriell. Maßnahmen, die diese Verhaltensweisen sicher verhindern können, konnten bis heute - auch in kupierten Be-ständen - nicht eindeutig identifiziert werden. Obwohl das Schwanzbeißen auch bei kupierten Tieren auftreten kann, gilt deshalb in der Praxis das Schwanzkupieren als wirksamste Vorbeugemaßnahme. Das Risiko eines Ausbruches vermindert sich dadurch um ca. zwei Drittel. Um zukünftig das Schwanzbeißen wirksam verhindern und damit auf das Kupieren verzichten zu können sowie drohende Sanktionen gegenüber den Betrieben abzuwen-den, sind Forschungsarbeiten und Praxislösungen dringend erforderlich. Die Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft (TLL) hat daher im Frühjahr 2011 damit begonnen, Untersuchungen zur Problematik durchzuführen.

Was verbirgt sich hinter dem Schwanzbeißen? Unter „Schwanzbeißen“ wird jegliche orale Manipulation des Schwanzes an einem ande-ren Tier verstanden. Sie reicht von spielerischen leichten Bissen bis hin zum Abbeißen des kompletten Schwanzes. Daher wird das Schwanzbeißen in der extremen Form auch mit Kannibalismus gleichgesetzt. In seiner leichten Form gehört es aber zu den natürli-chen Verhaltensweisen der Schweine. Bei diesem Verhalten wird in der Literatur zumeist von dem so genannten „Tail-in-mouth (TIM)“-Verhalten („Schwanz-ins-Maul-nehmen“) gesprochen (FEDDES und FRASER, 1994). TIM kann sich unter schlechten Haltungsbe-dingungen zum Schwanzbeißen entwickeln (SCHROEDER-PETTERSEN et al., 2001).

TAYLOR et al. (2010) unterscheiden 3 Typen von Schwanzbeißen: 1. „two-stage“ (2 Stufen): Zunächst spielerisch beginnend, ohne Verletzungen (TIM).

Gebissenes Tier zeigt anfangs keine Gegenwehr. Dann zunehmend energischer mit Verletzungen und Gegenwehr.

2. „sudden-forceful“: Aggressives Verhalten einzelner Tiere von Anfang an mit starker Gegenwehr der gebissenen Tiere.

3. „obsessive“: sonstige, nicht zu 1. oder 2. zuordenbar.

In seiner ausgeprägtesten Form stellt Schwanzbeißen eine Verhaltensstörung dar, die vorrangig in Intensivmast, aber auch in Freiland- und ökologischen Haltungen auftritt (WALKER u. BILKEI, 2006).

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Schriftenreihe der TLL 18 9/2011

Dabei werden folgende Hauptmotive benannt: 1. Beschäftigung am Ersatzobjekt (HORSTMEYER u. VALLBRACHT, 1990) 2. permanenter Drang zum Saugen (Saugstörung) (GRAUVOGEL, 1997) 3. Störung im Futteraufnahmeverhalten (SAMBRAUS, 1985 und 1997) 4. Bedürfnis von Schweinen nach explorativem Schnüffeln und Wühlen (EFSA, 2007)

Als Auslöser für das Schwanzbeißen werden vielfältige Ursachen vermutet, wie: • niedriges Absetzalter • mangelhafte Absetzmethodik • niedriges/hohes Alter der Tiere • unzureichendes Angebot an Beschäftigungsmöglichkeiten • zu starke/schwache Beleuchtung • Bodengestaltung (Voll-/Teilspaltenböden) • mangelhaftes Fütterungsmanagement • Fütterungstechnik (zu schnelle Futteraufnahme) • Futterstruktur (zu wenig Rohfaser) • Genetik (bestimmte Rassen/Linien) • Geschlecht (weibliche Tiere) • Gesundheitsstatus (kranke Tiere) • zu niedriges/hohes Gewicht der Tiere • zu kleine/große Gruppen • unkupierte Schwänze • unzureichende Nähr- und Mineralstoffversorgung • unzureichendes Platzangebot • niedrige/hohe Rangstellung • falsche soziale Gruppenzusammensetzung • schlechtes Stallklima • unzureichende Wasserversorgung

Schwanzbeißen gilt daher als ein multifaktorielles Problem, wobei es Hinweise darauf gibt, dass manche dieser verursachenden Faktoren einen höheren Stellenwert haben als andere (EFSA, 2007). Dazu zählen v. a. das Platzangebot, reizarme Umgebung, Be-schäftigungsmöglichkeiten, klimatische Verhältnisse und die Nähr- und Mineralstoff-versorgung. Auch die genetische Veranlagung und allgemeine Stresssituationen wer-den dabei immer wieder genannt. Erschwerend ist, dass Schwanzbeißen - unter scheinbar gleichen Haltungs- und Mana-gementbedingungen - unregelmäßig auftritt. So sind meist nur einzelne Buchten und nicht der gesamte Stall betroffen. Darüber hinaus sind keine Bedingungen bekannt, die zwangsläufig zum Schwanzbei-ßen führen. Deshalb kann es in Untersuchungen auch nicht bzw. nur schwer gezielt induziert werden. Die verschiedenen Einflussfaktoren erhöhen bzw. senken daher lediglich das Risiko des Auftretens. Haltungsbedingungen bzw. Managementmaßnahmen, die das Auftreten von Schwanzbeißen sicher ausschließen können, sind bisher nicht bekannt! Auch, wenn den Tieren Einstreu, viel Platz und ein Auslauf geboten wird, wie z. B. bei ökolo-gisch wirtschaftenden Betrieben, kann - wenn auch seltener - Schwanzbeißen auftreten.

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Thüringer Schweinetag 2011 19 9/2011

Es sind darüber hinaus keine Maßnahmen bekannt, die einmal aufgetretenes Schwanzbeißen sicher wieder beenden können. Es steigert sich meist immer weiter (KNOOP, 2010; EFSA, 2007), wenn die beißenden und die gebissenen Tiere nicht kon-sequent aus der Gruppe entfernt werden. Grundsätzlich gilt, dass Schwanz beißende Schweine aufgrund verschiedener Hal-tungs-/Managementfaktoren in ihrem Wohlbefinden beeinträchtigt sind. Ziel muss es daher sein, Maßnahmen zu ergreifen und Haltungsbedingungen zu schaf-fen, die das Wohlbefinden der Tiere erhöhen und Stresssituationen minimieren.

Untersuchungen in Thüringen Zunächst wurde die aktuelle betriebliche Situation zum Umfang des Kupierens der Schwänze in Thüringen ermittelt. Dies ergab, dass bis auf wenige ökologisch wirtschaf-tende Betriebe nahezu flächendeckend den Ferkeln regelmäßig die Schwänze gekürzt werden. Parallel dazu sind in einer Literaturanalyse mögliche auslösende Faktoren zusammenge-stellt. Über eine breit angelegte Umfrage wurden Betriebe gesucht, die bereits Erfahrungen mit unkupierten Tieren gesammelt haben und bereit sind, diese zur Verfügung zu stel-len bzw. bereit sind, versuchsweise Tiere nicht zu kupieren und dies wissenschaftlich begleiten zu lassen. Dafür kamen nur geschlossene Betriebssysteme (Ferkelerzeugung und Mast in einem Betrieb) in Frage. Insgesamt haben sich ca. 15 Betriebe gemeldet. In davon ausgewählten Betrieben wer-den zurzeit die betrieblichen Gegebenheiten (Haltungstechnologie, Stallklima, Fütte-rung, Genetik, Management) umfassend beschrieben. Dazu erfolgte die Entwicklung einer Checkliste sowie eines Fragebogens.

Erste Ergebnisse

Bisher wurden sechs Betriebe, die Schwänze nicht kupieren bzw. nicht kupiert hatten, analysiert. Betriebsstruktur: • geschlossene Systeme • Sauenbestände: 200 bis 1 400 Sauen ab 1. Belegung • Mastplätze: 750 bis 5 000 Aufstallungsformen: • Sauen: 5 Betriebe Spaltenboden, 1 Betrieb Stroh • Läuferstall: 5 Betriebe Vollspaltenboden, 1 Betrieb Stroh • Mast: 3 Betriebe Vollspaltenboden, 1 Teilspaltenboden, 2 Stroh (2 Betriebe mit Vor-

mastbereich)

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Schriftenreihe der TLL 20 9/2011

Fütterung: • weitgehend ähnliche Futterrationen im Sinne der „Guten fachlichen Praxis“ • kein Einsatz von zugelassenem tierischen Eiweiß (Fischmehl)

Buchtengestaltung: 1. Absetzerbereich:

• alle Betriebe: Rein-Raus-Verfahren • Platzangebot entsprechend der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung

(TierSchNutztV) • Übergangsfutter über Ferkelschalen • Buchtenstruktur mit Funktionsbereichen: 4 ohne, 2 mit • Geschlechterverhältnis: 3 gemischt, 3 sortiert • Beschäftigungsmöglichkeiten: alle Ketten mit Ball/Plastikteilen/Holz; zusätzlich

Bälle, Kanister, Pappkartons, Heuraufen; bei Strohaufstallung - Stroh

2. Mastbereich: • 5 Betriebe im Rein-Raus-Verfahren; 1 Betrieb kontinuierlich • Platzangebot: 4 entsprechend der TierSchNutztV, 2 mit mehr Platzangebot • Übergangsfutter als Gemisch FA I und Vormastfutter • Buchtenstruktur mit Funktionsbereichen: 4 ohne, 2 mit • Geschlechterverhältnis: 3 gemischt, 3 getrennt • Beschäftigungsmöglichkeiten: alle Ketten mit Anhängsel; zusätzlich Kanis-

ter/Pappkartons; bei Strohaufstallung - Stroh

Bisherige Beobachtungen bzw. Erfahrungen der Betriebe: • Schwanzbeißen beginnt meist schon im Läuferstall, etwa 2 bis 3 Wochen nach Um-

stallung schlagartig. Es tritt besonders stark in den Gruppen auf, wo bereits große Würfe im Abferkelstall waren. Das Geschehen beruhigt sich meist in der Mittelmast. In der Endmast treten (fast) keine neuen Schwanzverletzungen mehr auf.

• Die Witterung bzw. das Stallklima scheinen eine große Rolle zu spielen - auch bei Strohaufstallung! Es tritt verstärkt im Frühjahr und Herbst auf.

• Bei gesundheitlichen Problemen (z. B. Husten, Durchfall) kommt es zu vermehrten Schwanzbeißen.

• Bei unkupierten Tieren treten 5 bis 25 % Schwanzverletzungen pro Stalleinheit auf, aber bis zu 75 % pro Bucht! Insgesamt sind die Verluste 1 bis 3 % höher als bei ku-pierten Tieren. Es kommen mehr Kümmerer vor, die mittlere Mastleistung ist nied-riger und es treten bakterielle Entzündungen bis in das Rückenmark auf.

• Erfolgreiche Maßnahmen gegen das Schwanzbeißen: Besatzdichte verringern, Sepa-rieren der gebissenen Tiere, Selektion, Umstallung auf Stroh.

• Maßnahmen mit Teilerfolgen: neue Zusammenstellung der Gruppen, ständig (täg-lich) neues und/oder wechselndes Beschäftigungsmaterial (Heu, Stroh, Pappkar-tons, Plastikbehälter).

• Maßnahmen ohne Erfolg: Behandlung mit Blauspray oder ähnlichem, Antibiotikabe-handlung, Entfernen des beißenden Tieres, Heuraufe.

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Thüringer Schweinetag 2011 21 9/2011

Bisherige Schlussfolgerungen • Die in der Literatur gefundenen multifaktoriellen Kriterien zum Auslösen des

Schwanzbeißens werden bestätigt. • Es ist keine einheitliche Aussage zum Geschlecht der beißenden oder der gebisse-

nen Tiere möglich. • Bei Strohaufstallung treten weniger Probleme auf. • Es scheint, dass die Witterung/Stallklima Schwanzbeißen provozieren kann. • In großen Gruppen (> 30 Tiere/Bucht) mit besseren Rückzugsmöglichkeiten treten

offensichtlich weniger Probleme auf. • Das Halten unkupierter Tiere unter den untersuchten Bedingungen führt häufig zu

einer Minderung der Mastleistung, höheren Tierverlusten, einen Ansteigen der Behandlungsraten und zu mehr Kümmerern.

Vorläufiges Fazit: Ein einfacher Verzicht auf das Schwanzkupieren bei gleichzeitiger Beibehaltung der derzeit in der Praxis anzutreffenden intensiven Produktionsbedin-gungen scheint in vielen Fällen nicht möglich zu sein.

Ausblick In 2012 werden durch das Institut für Tierschutz und Tierhaltung des Friedrich-Löffler-Instituts (FLI) unter Leitung von Dr. Lars Schrader/Frau Dr. Sabine Dippel Untersuchungen zum Schwanzbeißen begonnen. Dabei soll ein in Großbritannien bereits existierender Ma-nagementleitfaden zur Verminderung des Schwanzbeißens zunächst übersetzt, auf deut-sche Verhältnisse angepasst und dann in Praxisbetrieben erprobt werden. Die Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft (TLL) wird dies in Thüringen übernehmen. Dazu kommt die Erfassung der Haltungs- und Managementbedingungen zunächst in Betrieben, die sich zu einer Mitarbeit bereit erklärt haben. Auf dieser Grundlage werden dem Betrieb dann Verbesserungsvorschläge aus dem Managementleitfaden unterbrei-tet. Der entscheidet daraufhin selbstständig, ob und welche Verbesserungsvorschläge er umsetzt. Dieser Prozess wird dann durch die TLL begleitet, um die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen zu prüfen. Die Betreuungsintensität richtet sich dabei nach dem Umfang der aufgegriffenen Verbesserungsvorschläge. Wichtig! Der Leitfaden soll auch in Betrieben geprüft werden, in denen ein Kupieren der Tiere weiterhin stattfindet, da auch in diesen - wenn auch seltener - Schwanzbeißen auftritt. Ein Verzicht auf das Kupieren ist daher keine zwingende Voraussetzung zur Mitarbeit an diesen Untersuchungen.

Literatur

EFSA (2007): Scientific Report on the risk associated with tail biting in pigs and possible means to reduce the need for tail docking considering the different housing and husbandry systems. EFSA Jour-nal 611, p. 1 - 13

FEDDES, J. J. R. AND FRASER, D. (1994): Non-nutritive chewing by pigs: implications for tail-biting and behavioural enrichment. Transactions of the ASAE 37, p. 947 - 950

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Schriftenreihe der TLL 22 9/2011

GRAUVOGEL, A. (Hrsg.) (1997): Artgemäße und rentable Nutztierhaltung. Rinder, Schweine, Pferde, Geflügel. München

HORSTMEYER, A.; VALLBRACHT, A. (1990): Artgerechte Schweinehaltung - ein Modell. Tierhaltung Bd. 20, Basel

KNOOP, S. (2010): Literaturauswertung zum Thema Schwanzbeißen/Schwänze kupieren. Bildungs- und Wissenszentrum Boxberg

SAMBRAUS, H. H. (1985): Mouth-baseg anomalous syndromes. World Animal Science A5, p. 391 - 422

SAMBRAUS, H. H. (1997): Normalverhalten und Verhaltensstörung. In: SAMBRAUS, H. H. und STEI-GER, A. (Hrsg.) Das Buch vom Tierschutz-Verlag Enke, Stuttgart

SCHRODER-PETERSEN, D. L.; SIMONSEN, H. B.; LAWSON, L.; ERSBOLL, A. K. (2001): Tail-in-mouth activity in piglets reared in barren and enriched environments. Aktuelle Arbeiten zur artgemäßen Tier-haltung, KTBL-Schrift 407, Darmstadt, KTBL, S. 84 - 91

TAYLOR, N. R.; MAIN, D. C. J.; MENDL, M.; EDWARDS, S. A. (2010): Tail-biting: A new perspective. Veterinary Journal 186 (2), p. 131 - 132

WALKER, P. K.; BILKEI, G. (2006): Tail biting in outdoor pig production. Vet. J. 171.2, p. 367 - 369

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Thüringer Schweinetag 2011 23 9/2011

Gibt es im Fortpflanzungsmanagement noch Einsparpotenzial?

Dr. Arnd Heinze (Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft), Siegfried Schuster (Agrarge-nossenschaft Pfiffelbach), Bernhard Weißenborn (Agrar GmbH „Am Dün“ Deuna) und Ur-sula Mörl (Agrargenossenschaft Dorfilm)

Neben der Leistungssteigerung hat die Kostenbegrenzung in der Schweineproduktion einen immer höheren Stellenwert. Wirtschaftliche Effekte lassen sich besonders in den großen Kostenblöcken, wie Aufwendungen für Futter, Veterinärkosten und Arbeitszeit erzielen. Unter dieser Maßgabe muss auch der Komplex Fortpflanzungsmanagement kritisch analysiert und erforderlichenfalls den neuen Erkenntnissen und Praxiserfah-rungen angepasst werden. Für uns ergaben sich dabei folgende fachlichen Ansätze, die in Zusammenarbeit mit den angeführten leistungsstarken Thüringer Ferkelerzeugern zur Bearbeitung kamen: 1. Vergleich der kombinierten bio- und zootechnischen gegenüber alleiniger zootechni-

schen Brunststimulation der abgesetzten Altsauen • Effekt: Senkung Medikamentenkosten • Risiko: Fruchtbarkeitsdefizit, verspätete Brunsteintritt, höherer Arbeitsaufwand

2. Ermittlung des Ovulationsverlaufes von Altsauen im Zusammenhang mit Brunstein-tritt und Besamungsterminen • Effekt: Senkung Besamungsaufwand (Portionen/Belegung, Arbeitszeit) • Risiko: Fruchtbarkeitsdefizit

3. Einfluss des Zeitabstandes zwischen den Besamungsterminen • Effekt: Senkung Besamungsaufwand (Portionen/Belegung, Arbeitszeit) • Risiko: Fruchtbarkeitsdefizit

Aus der Durchführung entsprechender Untersuchungen lassen sich folgende Ergebnis-se und Schlussfolgerungen ableiten:

Ergebnisse zum Vergleich einer alleinig zootechnischen gegenüber der üb-lichen biotechnisch/zootechnischen Brunststimulation bei Altsauen

Die Untersuchungen wurden in den angeführten drei Beständen bei drei- bzw. vierwö-chiger Säugezeit und entweder duldungs- oder terminorientierter Besamung durchge-führt. Aus bekannter fachlicher Sicht erfolgte eine vom Untersuchungsansatz gleiche Durchführung im Winter- bzw. Sommerhalbjahr. Die Sauenherden stammten überwie-gend von der mitteldeutschen Genetik ab. Beide Stimulationsvarianten wurden entwe-der zeitgleich in einer Sauengruppe (Bestand A) oder im Wechsel aufeinanderfolgender Sauengruppen (Bestand B, C) gegenübergestellt. Zur Auswertung kamen die geläufi-gen Kennziffern zum Brunsteintritt und zur Fruchtbarkeit sowie ein Aufwandsvergleich. Die Ergebnisse zum Verfahrensvergleich im Winterhalbjahr sind in Tabelle 1 und in der Sommerperiode in Tabelle 2 ausgewiesen.

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Schriftenreihe der TLL 24 9/2011

Tabelle 1: Fruchtbarkeitsleistungen ohne bzw. mit Zyklusstimulation durch PMSG bzw. PMSG und GnRH bei Altsauen im Winterhalbjahr

geborene Ferkel/Wurf Bestand Zyklus-

stimulation Altsauen

Stück

Brunsteintritt 1 bis 7

%

Abferkel-rate %

gesamt Stück

lebend Stück

Ferkelindex Stück

Ohne 100 100a 83,00

a 12,89 ± 2,92

a 11,54 ± 2,60

a 957 A

PMSG 99 100a 85,86

a 13,07 ± 3,31

a 11,79 ± 2,60

a 991

Ohne 230 97,39a 89,04

a 13,93 ± 3,02

a 12,94 ± 2,92

a 1 152

B PMSG/ GnRH

215 97,22a 89,77

a 13,97 ± 3,66

a 13,03 ± 3,54

a 1 170

a, b unterschiedliche Buchstaben in Bestandszeile verweisen auf Signifikanz bei α < 0,05

Tabelle 2: Fruchtbarkeitsleistungen ohne bzw. mit Zyklusstimulation durch PMSG bei Altsauen im Sommerhalbjahr

geborene Ferkel/Wurf Bestand

Zyklus-stimulation

Altsauen Stück

Brunsteintritt 1 bis 7

%

Abferkel-rate %

gesamt Stück

lebend Stück

Ferkelindex Stück

Ohne 89 100a 78,65

a 12,37 ± 4,12

a 11,11 ± 3,85

a 874 A

PMSG 102 100a 91,18

b 12,81 ± 3,77

a 11,46 ± 3,46

a 1 045

Ohne 69 85,51a 76,27

a 13,68 ± 3,21

a 12,11 ± 3,27

a 924 C

PMSG 75 93,3a 82,86

a 13,86 ± 4,06

a 12,66 ± 3,95

a 1 049

a, b unterschiedliche Buchstaben in Bestandszeile verweisen auf Signifikanz bei α < 0,05

Auch ohne die brunststimulierende Wirkung der PMSG-Behandlung wiesen alle Alt-sauen im Winterhalbjahr innerhalb einer Woche nach dem Absetzen den Brunsteintritt auf und konnten gemessen an den Fruchtbarkeitsleistungen mit dem gleichen Erfolg besamt werden. Bemerkenswert war auch die Konzentration der Duldungseintritte mit ca. 90 % der Sauen auf den vierten Nachabsetztag in beiden Stimulationsvarianten. Demgegenüber war mit dem Verzicht des PMSG-Einsatzes im Sommerhalbjahr betriebs-bezogen eine schlechtere Abferkelrate verbunden. Praxiserfahrungen verweisen außerdem auf anteilig verzögerte Brunsteintritte, was hier tendenziell auch für Bestand C zutrifft. Zur Abschätzung der wirtschaftlichen Effekte erfolgte eine Verrechnung der erzielten Einsparungen für Medikamenten- und Behandlungskosten und der notwendigen zu-sätzlichen Aufwendungen durch mehr Brunstkontrollen. Dabei wurden die vorgefun-denen betrieblichen Kosten (Mengenrabatte, tierärztliche Gebühren, Arbeitsstunden-satz) einbezogen, die nicht unmittelbar auf andere Bestände übertragbar sind. Aus die-ser Beispielkalkulation und der Voraussetzung gleicher Produktionsleistungen zwi-schen den Varianten ergibt sich als wirtschaftlicher Einspareffekt bei einer Beleggruppe mit 50 Altsauen von 307,50 €, entsprechend ca. 6,00 €/Altsau und Erstbelegung. Der Verzicht auf die PMSG-Stimulation erweist sich bei der vorgefundenen Zuchtab-stammung nur im fruchtbarkeitsgünstigen Winterhalbjahr als vorteilhaft, wogegen die Leistungsdefizite im Sommerhalbjahr, mindestens begrenzt auf deutliche Hitzeperio-den, für den leistungsstabilisierenden Einsatz der biotechnische Behandlung sprechen. Als Entscheidungshilfe für den Übergang zwischen den beiden Verfahren sollte stets der Anteil brünstiger Sauen mit einbezogen werden.

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Thüringer Schweinetag 2011 25 9/2011

Abklärung des Ovulationsverlaufes im Zusammenhang mit Brunsteintritt von Altsauen und Konsequenzen für die Besamung Der ideale Besamungszeitpunkt liegt bei der Sau 1 bis 12 Stunden vor der Ovulation. Da diese jedoch äußerlich nicht zu erkennen ist, muss sich einerseits am Brunsteintritt orientiert und andererseits aus Sicht der Produktionssicherheit lieber einmal mehr als zuwenig besamt werden. Dies steigert die Kosten und kann im Falle zu später Insemi-nationen sogar die Leistung verschlechtern. Hinsichtlich der Besamungszeiten bereiten besonders die Frühdulder Unklarheiten, da sie eine lange Duldungsdauer von etwa 80 h aufweisen und beim üblichen Besamungszeitabstand mindestens drei- oft viermal besamt werden. Zur Abklärung der tatsächlichen Zusammenhänge erfolgten ergän-zend zur betrieblichen Brunstkontrolle durch eine Spezialistin des Thüringer Schweine-kontroll- und Beratungsringes (SKBR) sonografische Untersuchungen an den Eierstö-cken in zwei großen Beleggruppen von Altsauen. In die Untersuchungen war zusätzlich der Vergleich von biotechnischer gegenüber nur zootechnischer Brunsteingliederung einbezogen. Mit der Tabelle 3 wird ein Überblick zum Brunst- und Ovulationseintritt gegeben.

Tabelle 3: Duldung und Ovulationsverlauf bei Altsauen nach PMSG und GnRH-Behandlung

1. Duldung nach Absetzen

(Donnerstag, 7:00) Tiere mit Ovulationen Empfohlene

KB-Termine

Tag Wo-chentag

Tierzahl Stück

Dul-dungs-dauer

h Tag 5, 1 100

%

Tag 5, 1 500

%

Tag 6, 1 100

%

KB0 Di/V

KB1 Di/N

KB2 Mi/V

3/Nachm. So 10 79 40 70 100 x x x

4/Vorm. Mo 53 69 41 64 96 x x x

4/Nachm. Mo 12 58 17 25 100 - x x

5/Vorm. Di 30 47 0 10 100 - x x

5/Nachm. Di 2 30 0 0 100 - x x

6/Vm./Nm. Mi 2 24 0 0 100 - x x

ohne Duldung 5 0 0 20 100 - x x

ohne Rausche 1 0 0 0 0 - - -

Entgegen der für den Ovulationseintritt fachlich begründeten Regel (bei ca. 60 % der Gesamtduldungsdauer) zeigten die Frühdulder mit Duldungseintritt am 3. Nachab-setztag und auch die am 4. Tag vormittags einen z. T. abweichenden, d. h. vorverlager-ten Ovulationseintritt. So wies ein beträchtlicher Anteil von 40 % dieser Sauen nicht erst „planmäßig“ am fünften Tag spätnachmittags, sondern bereits am Vormittag den Eisprung auf. Als betriebliche Konsequenz wurde deshalb entschieden, dass die bishe-rige erfolgte dritte z. T. vierte Insemination am 6. Tag nachmittags entfällt und durch eine zur Sicherheit bei allen dieser Frühduldern vorgezogene Besamung am 5. Tag/vormittags ersetzt wird. Für die Sauen mit späteren Duldungseintritt einschließ-lich der mit Rauschesymptomen ohne Duldung erweisen sich zwei Inseminationen zu den üblichen Zeitpunkten als ausreichend. Betrieblich bringt die korrigierte Besa-mungsempfehlung auch den Vorteil, dass damit die Brunstkontrolle am Sonntag-nachmittag entfallen kann.

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Schriftenreihe der TLL 26 9/2011

Im Vergleich zwischen den beiden Eingliederungsvarianten zeigten die spontanbrüns-tigen Frühdulder ebenfalls einen anteilig vorverlagerten Ovulationseintritt, der damit auch zu einer entsprechenden Anpassung der Besamungszeitpunkte führen sollte.

Einfluss des Zeitabstandes zwischen Inseminationszeitpunkten

Unsere bisherigen Empfehlungen zur Schweinebesamung gehen von einem Zeitab-stand von maximal 16 h zwischen zwei aufeinanderfolgenden Besamungen aus, da sich ansonsten die Befruchtungsfähigkeit des Spermas und damit das Abferkelergebnis ver-schlechtert. International wird vielfach mit einem 24-Stunden-Abstand gearbeitet, was auch in zahlreichen mit Fremdgenetik ausgestatteten Thüringer Beständen praktiziert wird. Die dabei erzielten Leistungen sind teilweise bekannt und im Niveau beträchtlich. In der Regel ist der Übergang jedoch mit einer Bestandssanierung und Stallmoderni-sierung verbunden, so dass keine korrekte Vergleichbarkeit der Zeitabstände möglich ist. Die Verlängerung des Inseminationszeitabstandes bringt deutliche Vorteile mit ei-ner Arbeitszeiteinsparung bei Brunstkontrollen und kann den Besamungsaufwand (Spermaportionen, Arbeitszeit) reduzieren. Davon ausgehend erfolgten und erfolgen zurzeit noch gezielte Vergleiche zwischen den beiden Besamungsvarianten in zwei der oben angeführten Unternehmen. Die Ergebnisse einer vor Kurzem abgeschlossenen Versuchsreihe werden in der Tabelle 4 ausgewiesen. Die Untersuchungen erfolgten zeitgleich in acht aufeinanderfolgenden Anpaarungsgruppen, die hinsichtlich Wurf-nummer, Zuchtabstammung und Kondition möglichst ausgeglichen auf beide Besa-mungsvarianten aufgeteilt wurden.

Tabelle 4: Fruchtbarkeitsleistungen nach unterschiedlichen Zeitabständen bei der Besamung von Altsauen

geborene Ferkel/Wurf Zeitabstand Besamungen

Erstbelegung Stück

Abferkelrate % gesamt

Stück lebend Stück

Ferkelindex Stück

24 h 134 83,58a 15,51 ± 3,87

a 14,21 ± 3,93

a 1 188

12 h 141 87,23a 16,35 ± 3,64

b 14,80 ± 3,63

a 1 291

a, b unterschiedliche Buchstaben in jeweiliger Spalte verweisen auf Signifikanz bei α < 0,05

Die mit dem arbeitsorganisatorisch und aufwandsseitig vorteilhaften Zeitabstand von 24 h gegenüber dem Halbtagesabstand erzielten Fruchtbarkeitsleistungen waren im Falle der geborenen Ferkel je Wurf signifikant und im Falle der anderen Kennziffern zwar nicht signifikant aber offensichtlich tendenziell unterlegen. Dabei übte die hohe Variabilität bei der Wurfgröße auf das Testergebnis einen nachteiligen Einfluss auf. Mit diesem Resultat ließen sich nicht die Auffassungen zahlreicher Ferkelerzeuger zur positiven Bewertung des 24-Stunden-Inseminationsabstandes bestätigen. Unserer Auf-fassung nach sind noch weitere Untersuchungen notwendig, um dazu eine abschlie-ßende Bewertung durchführen zu können.

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Thüringer Schweinetag 2011 27 9/2011

Schlussfolgerungen Mit den vorgestellten Untersuchungsergebnissen werden fachlich fundierte Ansatz-punkte ausgewiesen, die zur Kosteneinsparung beitragen können. Ausgehend von der Betriebsspezifik des Fruchtbarkeitskomplexes ist bei einer Umsetzung der Empfehlun-gen ein schrittweises Herangehen und eine gezielte Leistungsüberwachung erforder-lich. Zugleich setzt der Verzicht auf den PMSG-Einsatz eine hohe Leistungsstabilität voraus.

Mitautoren: Agrargesellschaft Pfiffelbach mbH Siegfried Schuster Willerstedter Straße 1 99510 Pfiffelbach Agrar GmbH „Am Dün“ Deuna Bernhard Weißenborn Hauptstraße 1A 37355 Deuna Agrar GmbH Dorfilm Ursula Mörl Ortsstraße 20

07338 Dorfilm

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Schriftenreihe der TLL 28 9/2011

Abbildung 1: Anpaarungsvorgabe

29/10 bzw. 19.07.10 35/10 bzw. 30.08.10 41/10 bzw. 11.10.10

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40

x x x x x x x x x x x x x x x x

x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x

1 2 3 4 5

4 5 6 7 8

1 2 6 9 10

3 7 8 9 10

1 2 3 4 5

4 5 6 7 8

1 2 6 9 10

3 7 8 9 10

01.12.2010/Flatdeck 12.01.2011/Flatdeck 23.02.2011/Flatdeck

47/10 bzw. 22.11.10

06.04.2011/Flatdeck

05.01.2011 - PA 4 16.02.2011 - PA 5 30.03.2011 - PA 1 11.05.2011 - PA 3

Beeinflusst die mütterliche Herkunft die Leistung von Masthybriden?

Frank Ulbrich und André Telle (Hochschule Anhalt, Fachhochschule Bernburg)

In den letzten Jahren ist eine zunehmende Differenzierung der Sauenherkünfte zu beo-bachten. Nur sehr bedingt ist es jedoch möglich, die Leistungsfähigkeit dieser Herkünf-te zu beschreiben, da die Methodik der Merkmalserfassungen stark variieren kann. Zu-sätzlich beeinflussen die Haltungsbedingungen das Leistungsniveau. Das Ziel des nachfolgend vorgestellten Versuches bestand darin, drei verschiedene, genetisch diffe-renzierte Sauenherkünfte nach Anpaarung alternativer Vaterlinien in den Merkmals-komplexen Mast- und Schlachtleistung sowie Fleischqualität unter standardisierten Bedingungen vergleichend zu prüfen.

Tiermaterial und Versuchsablauf Mütterliche Herkunft: • D DanHybrid-Sau (DanZucht), Yorkshire x Dänische Landrasse • N Naima-Sau (Pen Ar Lan), Redone x Gallia • M F1-Hybridsau (MSZV), Large White x Deutsche Landrasse

Anpaarung: • Für die Erzeugung der Masthybriden wurden vier Sauengruppen á fünf Sauen

(Durchgänge) je Herkunft im Abstand von sechs Wochen mit Pietrain- (Herkunft MSZV, BES Stotternheim) und Fleisch-Duroc-Endstufenebern (Herkunft Dänemark, NOS Malchin) angepaart.

• Pro Durchgang (1 bis 4) und Betrieb (1 bis 3) wurden fünf Sauen (zwei Erstlingssau-en und drei Sauen zum 2. Wurf) mit fünf verschiedenen Ebern je Vaterrasse besamt.

• Die Anpaarung der Eber erfolgte zeitgleich über alle Betriebe.

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Thüringer Schweinetag 2011 29 9/2011

• Pro Vaterrasse kam es zur Anpaarung von zehn Ebern über den gesamten Versuchs-zeitraum.

• Mit der gesteuerten Anpaarung über die Versuchsdurchgänge wurde gesichert, dass eine genetische Verknüpfung über die Versuchsdurchgänge gewährleistet ist (Abb. 1).

• Die Anpaarungen erfolgten am 19.07., dem 30.08., dem 11.10. und dem 22.11.2010. • Tiere zur stationären Mast- und Schlachtleistungsprüfung:

Der geplante Versuchsumfang umfasste je Herkunft 80 Masthybriden (je 40 Ferkel pro Vaterrasse), tatsächlich zur Einstallung kamen 210 Tiere.

Tiermaterial zur Mast- und Schlachtleistungsprüfung:

• 210 Masthybriden (50 % Sauen, 50 % Börge) aus der Verpaarung der voran genann-ten Hybridsauen mit Pietrain- bzw. Duroc-Ebern

Tabelle 1: Einstallungsumfang nach Herkunft

Vaterrasse Duroc Pietrain

Herkunft Weibl. Kastr. Weibl. Kastr. Ges.

D 15 15 15 15 60

N 20 20 20 20 80

M 15 15 20 20 70

Aufstallung der Tiere:

• Gruppenhaltung mit FIRE-Abruffütterungsstationen, einzeltierspezifische Tierkenn-zeichnung (Transponder)

• Fütterung ad libitum, einphasig (siehe auch Tab. 2) Tabelle 2: Nährstoffgehalt des Prüfungsfutters (Mittelwert und Standartabweichung von neun Analy-

sen bezogen auf die Originalsubstanz)

Inhaltsstoffe (%) MW s Inhaltsstoffe (% bzw. MJ je kg) MW s

Trockensubstanz 88,1 0,8 Lysin 1,19 0,06

Rohprotein 17,5 0,7 Methionin + Cystein 0,80 0,05

Rohasche 4,87 0,08 Threonin 0,80 0,05

Rohfett 2,80 0,17 Calcium 0,84 0,05

Rohfaser 3,01 0,28 Phosphor 0,63 0,08

Rohstärke 44,0 0,9 Umsetzbare Energie (MJ) 13,5 0,11

• zehn Tiere je Bucht, Teilspaltenboden, 1,44 m²/Tier • pro Versuchsgruppe und Vaterrasse stammen die Nachkommen von mindestens

drei Vätern • die Aufstallung erfolgte gemischtgeschlechtlich innerhalb Herkunft und Vaterrasse

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Schriftenreihe der TLL 30 9/2011

Versuchsablauf Station:

Die Prüfung erfolgte entsprechend der „Richtlinie für die Stationsprüfung auf Mastleis-tung, Schlachtkörperwert und Fleischbeschaffenheit beim Schwein“ in der vom Aus-schuss für Leistungsprüfung und Zuchtwertfeststellung beim Schwein (ALZ) beschlos-senen und ab 04.09.2007 gültigen Fassung in der LPA Dornburg der TLPVG GmbH Buttelstedt.

• Einstallung Prüfabteil Januar 2011 bis Mai 2011 (Alter bei Einstallung 56 2 Tage) • Erfassung der Mastleistung im Prüfabschnitt 30 bis 115 kg Lebendmasse

- Prüftageszunahme (Prüfbeginn lebendmasseabhängig) - Lebenstagszunahme - tägliche Futteraufnahme - Futterverbrauch pro kg Zuwachs - Erfassung der Haltungstagszunahme, der täglichen Futteraufnahme und des Fut-

teraufwandes in definierten Mastabschnitten (56. bis 68. LT; 68. bis ...)

• Erfassung Schlachtkörperwert (Prüfende/Schlachtungen bei einem Zielgewicht zwischen 115 bis 120 kg LM bzw. 92 kg Schlachtgewicht) - Schlachtgewicht

- Muskelfleischanteil nach neuer Formel mit Fleisch- und Speckmaß - Fett- und Fleischfläche (korrigiert auf 92 kg Schlachtgewicht) - Rückenspeckdicke - innere Länge

• Erfassung der Fleischqualität - pH-Wert 45 min und 24 h im Kotelett und Schinken

- Leitfähigkeit 45 min und 24 h im Kotelett - Intramuskuläres Fett - Tropfsaftverlust

Fragestellungen • Bestehen zwischen genetisch differenzierten Herkünften bei Anpaarung identischer

Endstufeneber Unterschiede in der Mast-, Schlachtleistung und Fleischqualität? • Welchen Einfluss haben die Pietrain- bzw. Duroc-Eber auf die Leistung der Masthy-

briden? • Wie groß sind die Unterschiede der einzelnen Genetiken? • Gibt es noch Potenziale für Leistungssteigerungen? • Könnte man dem Verbraucher anhand des Versuches Unterschiede in der Fleisch-

qualität der einzelnen Linien bzw. der Väter geben?

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Thüringer Schweinetag 2011 31 9/2011

Ergebnisdarstellung Die Ergebnisse in den Tabellen 3 bis 8 stellen die mittleren Leistungen (LSQ-Mittelwerte) der geprüften drei Herkünfte M, D und N dar. Dabei enthält die erste Spalte die Leistung für die Herkunft, bereinigt um die Effekte der Vaterrasse und Ge-schlecht, die zweite Spalte die Leistung der Herkunft nach Anpaarung von Pietrain-Eber, und die dritte Spalte die der Herkunft nach Anpaarung von Duroc-Ebern. Die Signifikanzprüfung in den Tabellen erfolgte zwischen den Herkünften unter Be-rücksichtigung der Vaterrasse und Geschlecht bzw. innerhalb der Nachkommen der alternativen Vaterrassen unter Berücksichtigung des Effektes des Geschlechtes der Tiere. Unterschiedliche Buchstaben hinter den geschätzten Randmitteln kennzeichnen zwischen den Gruppen (z. B. M-Ges. gegen D-Ges. gegen N-Ges).

Ergebnisse Mastleistung

In der folgenden Tabelle 3 ist die Mastleistung der Hybriden für die geprüfte Herkunft gesamt sowie nach angepaarter Vaterrasse aufgezeigt. Der lebendmasseabhängige Prüfbeginn bei 30 kg führte zu einem unterschiedlichen Alter der Tiere bei Prüfbeginn. Herkunft D zeigte in allen drei Gruppierungen die höchsten Prüftagszunahmen mit z. T. signifikanten Unterschieden, die Überlegenheit in der Wachstumsleistung relati-viert sich leicht im Komplex der Lebenstagszunahme. Nachkommen von Duroc-Ebern realisierten in allen drei Herkünften um mindestens 100 g höhere Prüftagszunahmen. Die Futterverwertung der einzelnen Herkünfte schwankt zwischen 2,41 und 2,52 kg je kg Zuwachs. Die höheren Lebendmassen der Duroc-Nachkommen zu Prüfende resul-tieren aus der Tatsache heraus, dass die Ausschlachtung dieser Tiere etwas geringer ist und im Versuch berücksichtigt wurde.

Tabelle 3: Zunahmen, Futteraufnahme und -verbrauch der Masthybriden nach Herkunft

M D N Herkunft

Ges. Pi x F1 Du x F1 Ges. Pi x F1 Du x F1 Ges. Pi x F1 Du x F1

Anzahl 57 30 27 58 30 28 72 35 37

Alter Prüfbeginn (Tage) 70,0a

70,4a

69,7 73,9b

75,5b

72,2 71,9c

72,5a

71,3

Lebendmasse Prüfbeginn (kg) 30,3 30,3 30,3 29,8 29,8 29,9 29,8 29,7 29,9

Prüftagszunahme (g) 948a

880a

1 015a

1 044b

943b

1 144b

992c

921b

1062c

Lebenstagszunahme (g) 728a

693 762b

748b

697 799a

738ab

700 774b

Futteraufnahme je Tag (kg) 2,39a

2,18a

2,60a

2,51b

2,28ab

2,74b

2,49b

2,32b

2,65ab

Futterverwertung (kg/kg Zuwachs)

2,52a

2,48ab

2,56b

2,41b

2,43a 2,38

a

2,51a

2,52b

2,50b

Alter Prüfende (Tage) 161a

165 157b

157b

165 149a

160a

165 156b

LM Prüfende (kg) 116 114 119 116 114 119 118 115 121

Die Haltungstageszunahmen in den Altersabschnitten (Tab. 4) zeigen größere Unter-schiede in den Wachstumsverläufen der einzelnen Herkünfte. Ein Zusammenhang zur Futteraufnahme (Tab. 5) wird deutlich.

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Schriftenreihe der TLL 32 9/2011

Tabelle 4: Haltungstageszunahmen in aufsteigenden Mastabschnitten der Masthybriden nach Herkunft

M D N Herkunft

Ges. Pi x F1 Du x F1 Ges. Pi x F1 Du x F1 Ges. Pi x F1 Du x F1

Anzahl 57 30 27 58 30 28 72 35 37

HTZ vom 56. - 68. LT (g) 730a 706

a 751

b 560

b 528

b 593

a 676

c 625

c 724

b

HTZ vom 68. - 96. LT (g) 861a 837 884

a 910

b 869 952

b 877

ab 850 904

ab

HTZ vom 96. - 124. LT (g) 971b 883

a 1 057

b 1 43

a 916

b 1 172

a 973

b 908

b 1 037

b

HTZ vom 124. LT bis Prüfende (g)

916a 835

a 995

a 1 031

b 920

b 1 143

b 1 001

b 892

b 1 110

b

Tabelle 5: Futteraufnahme pro Tag und Futterverwertung pro kg Zuwachs der Masthybriden nach Herkunft

M D N Herkunft

Ges. Pi x F1 Du x F1 Ges. Pi x F1 Du x F1 Ges. Pi x F1 Du x F1

Anzahl 49 23 26 57 29 28 71 34 37

Futteraufnahme/Tag vom 56. - 68. LT (kg)

1,15a 1,08

b 1,22

a 0,89

b 0,80

a 0,97

b 1,05

c 1,01

b 1,09

c

Futteraufnahme/Tag vom 68. - 96. LT (kg)

1,76 1,64 1,88 1,69 1,55 1,83 1,70 1,65 1,76

Futteraufnahme/Tag vom 96. - 124. LT (kg)

2,38 2,15 2,61ab

2,47 2,15 2,79a 2,41 2,24 2,58

b

Futteraufnahme/Tag vom 124. LT bis Prüfende (kg)

2,85a 2,50

a 3,18 3,01

b 2,67

ab 3,35 2,99

b 2,72

b 3,27

Futterverwertung/kg vom 56. - 68. LT (kg)

1,47 1,45ab 1,48

b 1,41 1,36

a 1,46

b 1,41 1,47

b 1,36

a

Futterverwertung/kg vom 68. - 96. LT (kg)

1,92a 1,79

b 2,03

a 1,71

b 1,64

a 1,78

b 1,80

c 1,80

b 1,81b

Futterverwertung/kg vom 96. - 124. LT (kg)

2,36b 2,32

ab 2,40

b 2,27

a 2,26

a 2,27

a 2,38

b 2,36

b 2,39

b

Futterverwertung/kg vom 124. LT bis Prüfende (kg)

3,05a 2,91 3,16

a 2,91

b 2,89 2,93

b 2,97

ab 3,00 2,93

b

Ergebnisse Schlachtleistung

Aus der Tabelle 6 sind die Ergebnisse der Schlachtleistung zu entnehmen. Signifikante Unterschiede gibt es u. a. in der Fettauflage, der inneren Länge und der Ausschlach-tung sowohl zwischen den einzelnen Herkünften gesamt, als auch zwischen den bei-den genetischen Konstitutionen der Väter.

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Thüringer Schweinetag 2011 33 9/2011

Tabelle 6: Merkmale der Schlachtleistung der Masthybriden nach Herkunft

M D N Herkunft

Ges. Pi x F1 Du x F1 Ges. Pi x F1 Du x F1 Ges. Pi x F1 Du x F1

Anzahl 57 30 27 58 30 28 72 35 37

Lebendmasse Prüfende (kg) 116 114 119 116 114 119 118 115 121

Schlachtgewicht (kg) 92,7 91,4 94,0 92,0 91,5 92,4 92,5 91,8 93,1

Ausschlachtung (%) 79,6a 80,5 78,8

a 79,0

b 80,1 78,0

b 78,5

c 79,9 77,1

c

Speckmaß FOM (cm) 1,62b 1,55 1,68 1,48

a 1,49 1,45

b 1,59

b 1,57 1,61

ab

Fleischmaß FOM (cm) 5,95a 6,21a

b 5,71

a 5,82

ab 6,28

a 5,35

b 5,70

b 6,02

b 5,37

b

Muskelfleischanteil* (%) 56,9ab

57,9 56,0 57,9a 58,5 57,3 56,7

b 57,5 56,0

Innere Länge (cm) 100,5a 99,5

b 101,5

a 99,4

b 99,1

b 99,6

b 99,2

b 97,9

a 100,5

ab

Mittlere Rückenspeckdicke 2,51 2,36 2,66a 2,42 2,39 2,44

b 2,43 2,38 2,48

b

Fleischfläche korrigiert (cm²) 50,5b 54,7

b 46,3 50,9

b 54,7

b 47,1 48,8

a 52,0

a 45,7

Fettfläche korrigiert (cm²) 18,2a 17,4 19,0

a 16,8

b 16,5 17,0

b 17,6

ab 17,2 18,0

ab

Fleischanteil nach Bonner Formel 2004 (%)

56,4 58,2 54,6a 57,2 58,4 56,0b 56,5 57,5 55,5

ab

Speckmaß D (cm) 3,08 2,86a 3,32

a 3,10 2,99

ab 3,22

ab 3,03 3,09

b 2,97

b

US-Seitenspeckdicke (124. LT) (mm)

11,1a 10,6

a 11,6 10,2

b 9,4

b 11,0 10,6a

b 10,2

ab 10,9

* neue Schätzgleichung

Ergebnisse Fleischqualität

Die Ergebnisse der Prüfung auf die technologische Fleischqualität (Tab. 7) offenbaren für alle drei Herkünfte eine gute Fleischbeschaffenheit.

Tabelle 7: Technologische Fleischqualität der Masthybriden nach Herkunft

M D N Herkunft

Ges. Pi x F1 Du x F1 Ges. Pi x F1 Du x F1 Ges. Pi x F1 Du x F1

Anzahl 51 25 26 53 26 27 60 26 34

pH 45 Kotelett 6,24b 6,16

b 6,31

a 6,35

a 6,28

a 6,41

b 6,23

b 6,10

b 6,34

ab

pH 24 Kotelett 5,48 5,46 5,51 5,46 5,47 5,45 5,48 5,43 5,51

pH 45 Schinken 6,42 6,40 6,44a 6,48 6,44 6,53

b 6,43 6,35 6,50

ab

pH 24 Schinken 5,53 5,51 5,56 5,49 5,51 5,48 5,54 5,49 5,59

Leitfähigkeit Kotelett 45 4,84 4,77 4,88ab

5,03 5,58 4,48a 5,49 5,65 5,29

b

Leitfähigkeit Kotelett 24 5,90ab

6,68 5,17 5,48a 5,79 5,18 6,50

b 6,85 6,16

Die Unterschiede im intramuskulären Fettgehalt sowie beim Tropfsaftverlust (Tab. 8) zwischen den Herkünften sind zufällig. Jedoch deutlich zu erkennen sind die Differen-zen zwischen den Nachkommen aus Pietrain-Anpaarung zu den Nachkommen der Du-roc-Anpaarung.

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Schriftenreihe der TLL 34 9/2011

Tabelle 8: Fleischqualität 2 der Masthybriden nach Herkunft

M D N Herkunft

Ges. Pi x F1 Du x F1 Ges. Pi x F1 Du x F1 Ges. Pi x F1 Du x F1

Anzahl 40 22 18 36 17 19 56 28 28

Intramuskulärer Fettgehalt (%)

1,24 0,92 1,57 1,12 0,87 1,38 1,29 0,97 1,60

Tropfsaftverlust (%) 7,43 9,14 5,59a 8,16 8,48 7,77

b 7,91 8,96 6,90

ab

Diskussion

Um wirtschaftlich Schweine erzeugen zu können, sind die Produzenten von Schweine-fleisch angehalten, ihre Bemühungen hinsichtlich der Tiergesundheit, Aufzucht-leistung, Wurfqualität, Mastleistung, Fleischleistung und auch Fleischqualität ständig zu optimieren.

Ziel der vorgelegten Untersuchung war es, die Fleischleistungen von Masthybriden zu ermitteln, die aus der Verpaarung von Sauen mit unterschiedlicher genetischer Her-kunft mit identischen Pietrain- bzw. Fleischduroc-Ebern erzeugt wurden. Entsprechend der vorgenannten Fragestellungen lassen sich folgende Ergebnisse nach zeitgleicher Prüfung unter Stationsbedingungen ableiten: • Zwischen den geprüften Herkünften gab es große Unterschiede in den Prüftagszu-

nahmen. Unabhängig von der angepaarten Vaterrasse zeigte Herkunft D im Prüfab-schnitt (30 bis ca. 115 kg) die höchste Wachstumsintensität. Es bleibt aber auch fest-zustellen, dass sich die Differenzen der Prüftageszunahmen zwischen den Herkünf-ten dann bei den Lebenstageszunahmen reduzieren. Mit einem signifikant geringeren Alter startete die Herkunft M in die Prüfung, der Unterschied zur Herkunft D beträgt immerhin fast vier Tage. Die schon im Jugendal-ter hohe Wachstumsintensität verliert sich im Laufe der Prüfung und wird offensicht-lich durch ein begrenztes Futteraufnahmevermögen limitiert. Bei der Futteraufnahme der verschiedenen Herkünfte zeigte sich, dass die Herkunft N und D mit ca. 0,1 kg/d über der Herkunft M liegt. In der Futterverwertung stellten sich signifikante Differenzen zwischen Herkunft N und M zur Herkunft D dar.

• Der Einfluss der Pietrain- und Duroc-Eber wirkt sich sehr unterschiedlich auf die Mast- und Schlachtleistung aus. Die Masthybriden aus der Anpaarung F1 x Duroc er-reichten in der Mastleistung eine bessere Leistung in allen Merkmalskomplexen, je-doch verlieren diese wiederum in der Schlachtleistung (abgesehen von der inneren Länge) diesen Vorsprung an die Masthybriden der F1 x Pietrain Anpaarung. Für die einzelnen genetischen Herkünfte sind die Unterschiede in der Schlachtkörperleis-tung letztendlich nicht so hoch wie erwartet.

• Für den Verbraucher bleibt festzustellen, dass sich die Fleischqualität aller Herkünfte nur in wenigen Merkmalen signifikant unterscheidet. Allen Abstammungen kann an dieser Stelle bescheinigt werden, dass die einzelnen Merkmale der Qualität des Flei-sches gut sind.

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Thüringer Schweinetag 2011 35 9/2011

• Das hohe Niveau in der LPA Dornburg, sei es das gute Fütterungsmanagement, das hohe Gesundheitsniveau, das große Platzangebot von 1,44 m² pro Tier sowie auch die Betreuung und Prüfung der Einzeltiere hat einen hohen Einfluss auf die guten Leistungen, vor allem in der Mastleistung sowie Futteraufnahme und Futterverwer-tung. Für die Praxis bedeutet dies, dass bei allen Herkünften bei Einhaltung eines hohen Gesundheitsstatus, gut durchdachtes Fütterungsmanagement wie auch op-timalen den Tieren angepassten Haltungsbedingungen für alle Genetiken Leistungs-steigerungen in den einzelnen Merkmalskomplexen möglich sind.

Autoren: Hochschule Anhalt, Fachhochschule Bernburg Frank Ulbrich und André Telle Strenzfelder Allee 28 06406 Bernburg (Saale)

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Schriftenreihe der TLL 36 9/2011

Das Zuchtprogramm des Mitteldeutschen Schweinezuchtverbandes e. V. - Ausgerichtet auf Effizienz

Dr. Gunter Hallfarth (Geschäftsführer des Mitteldeutschen Schweinezuchtverbandes e. V.)

Vor dem Hintergrund der marktpolitischen Situation des letzten Jahres haben sich die wirtschaftlichen Anforderungen an die Schweineproduktion wesentlich verschärft. Die Schweinehalter stehen mit dem Rücken zur Wand. Das Missverhältnis der Erlöse für Ferkel und Mastschweine zu den hohen Futter- und Energiekosten verursachte in der Primärproduktion gravierende Verluste. Aus diesem geschilderten Missverhältnis her-aus wächst selbstverständlich auch die Anforderung an alle Zuchtorganisationen, Wirt-schaftlichkeit und Effektivität in Sauenhaltung und Mast stärker denn je zu beachten. Es ist nicht neu, dass einseitig maximierte biologische Leistungen nur die halbe Wahr-heit sind. Es ist vielmehr auch der dafür erforderliche Aufwand gegenüberzustellen und auf eine Optimierung des Ertrages hinzuwirken. Ich verwende erneut den Terminus „Gesamtwirtschaftlichkeit“. Dieses Ziel stand schon immer im zentralen Focus des Zuchtprogrammes des Mitteldeutschen Schweinezuchtverbandes e. V.

Damit diese Zielstellung auch in hoher Qualität mit belastbarer Sicherheit realisiert wer-den kann, ist ein fundiertes Zuchtprogramm mit aussagefähigen Leistungsprüfungen zu praktizieren, deren Informationen in ein erprobtes Modell der Zuchtwertschätzung mün-den. Das Zuchtprogramm des Mitteldeutschen Schweinezuchtverbandes e. V. ist ge-kennzeichnet durch folgende Kriterien: • große Populationen • breite Feldprüfung • aussagesichere Stationsprüfung • umfassende Datenverarbeitung • BLUP-Zuchtwertschätzung

Die Leistungsprüfung unter Feld- und Stationsbedingungen wird insbesondere von folgenden aufgeführten Informationsquellen genutzt: • Nachkommen und Geschwisterprüfung in Leistungsprüfanstalt (LPA) • Eigenleistungsprüfung von Jungebern in LPA • Eigenleistungsprüfung von Jungebern und Jungsauen im Feld • Exterieurbonitur (Einzeltiere und Nachkommenschaft) • Nachkommenprüfung von Endstufenebern im Feld • Anomalienprüfung • Zuchtleistungsprüfung von Sauen im Feld

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Thüringer Schweinetag 2011 37 9/2011

Leistungsentwicklung bei den Mutterrassen Getragen von einer umfangreichen Prüfung von Jungebern der Deutschen Landrasse als auch der Rasse Large White konnten wir über viele Jahre einen Eberbestand aufbau-en und weiterentwickeln, der Seinesgleichen sucht. Das Ergebnis dieser Selektionsar-beit sind Jungeber, die ein überlegenes Leistungsprofil genetisch manifestiert nachzu-weisen haben. Beispielgebend sind in den Abbildungen 1 und 2 für den Zuchteinsatz selektierte Eber der Deutschen Landrasse sowie der Rasse Large White des Prüfjahr-gangs 2011 aufgeführt.

Abbildung 1

Abbildung 2

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Schriftenreihe der TLL 38 9/2011

Bei diesen Ebern sind folgende Grundsätze allgemeingültig hervorzuheben: 1. Prüftagszunahmen von 1 000 g und mehr sind Standard. 2. Ein Futteraufwand je kg Gewichtszunahme von 2,1 kg im Durchschnitt aller Remon-

ten verdeutlicht die schwerpunktmäßige Berücksichtigung dieser Eigenschaft in der Selektion.

3. Zuchtleistungsstarke Ebermütter mit hoher Nutzungsdauer folgen den Anforderun-gen der Ferkelerzeuger.

Der genetische Trend für Zuchtleistungsmerkmale speziell für lebend geborene Ferkel, hier erörtert am Beispiel der Deutschen Landrasse, geht mit Blick auf die letzten Jahre nahezu linear progressiv nach oben.

Die konsequente züchterische Bearbeitung der Reinzuchtpopulationen bei Mutterras-sen bringt sehr vorteilhafte Effekte in der Kreuzungsstufe bei der Erzeugung von F1-Jungsauen. Eine Vielzahl von Produktionsbeständen realisiert stabil über 13 lebend ge-borene Ferkel je Sau und Wurf. Das sind ca. 32 lebend geborene Ferkel je Sau und Jahr. Diese Betriebe setzen 27 bis 29 Ferkel je Sau und Jahr in hoher Qualität ab und liegen damit voll auf dem Niveau der Anforderungen.

Abbildung 3

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Thüringer Schweinetag 2011 39 9/2011

Leistungsentwicklung der Vaterrassen Im Focus der Gesamtwirtschaftlichkeit steht selbstverständlich eine passfähige Selek-tion der Vaterrassen speziell der Rasse Pietrain. Dies erfolgt mit Konzentration auf Kreuzungsleistungsinformationen von Endprodukten. Die konsequente Berücksichti-gung dieser Leistungsprüfung trägt nachhaltige Früchte.

Abbildung 5

Abbildung 4

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Schriftenreihe der TLL 40 9/2011

Die Kombination hoher Masttagszunahmen von über 850 g in Verbindung mit bester Schlachtkörperqualität kennzeichnet das Endprodukt des Mitteldeutschen Schweine-zuchtverbandes e. V. Ergebnisse einer aktuellen Bewertung von Mastschweinen einer repräsentativen Stichprobe belegen die beste Eignung unserer Endprodukte auch unter den neuen Klassifizierungsbedingungen.

Wie hoch ist der messbare ökonomische Nutzen in der Produktion?

Den Anforderungen einer gewinnorientierten Schweineproduktion zu entsprechen, er-fordert auch im züchterischen Herangehen die ökonomische Betrachtung in den Mit-telpunkt zu stellen. Züchtungsökonomische Ansätze moderner Zuchtprogramme die-nen dazu, diese Frage zu beantworten. Primäres Kriterium ist der sogenannte „Grenz-nutzen“. Dieses Kriterium bringt zum Ausdruck, wie viel Mehreinnahmen erzielt wer-den, wenn eine Einheit des Produktes unter Abzug der Kosten mehr erzeugt wird. Da-bei sind alle übrigen Einflüsse konstant zu halten. Ein weiterer wichtiger Bewertungs-faktor ist der genetische Trend. Dieser bringt zum Ausdruck, wie viel Merkmalseinhei-ten der Zuchtfortschritt je Jahr erreicht. Der genetische Trend wird jeweils über den vergleichenden Verlauf der Zuchtwerte aller Tiere eines Geburtsjahrganges im Ver-gleich zu den vorherigen Jahrgängen ermittelt.

Sehr umfangreiche Untersuchungen dazu hat Herr Dr. Ulf Müller vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie durchgeführt. Er kommt zu fol-genden Ergebnissen, welche in Tabelle 1 dargestellt sind.

Abbildung 6

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Thüringer Schweinetag 2011 41 9/2011

Tabelle 1: Monetäre Leistungssteigerungen

Merkmal Zuchtfortschritt/Jahr Ertrag Ertrag/Jahr

Lebendgeborene Ferkel 0,1 Ferkel 5,23 €/Sau 162 130 €

Muskelfleischanteil 0,09 % 0,25 Tier 2,73/Wurf

1 553 250 €

Lebenstagszunahme 1,46 g 0,12 Tier 1,27 €/Wurf

723 900 €

Über einen vergleichbaren Ansatz kann der Mehrertrag für die Mäster errechnet wer-den. Wie dargelegt liegt der jährliche Zuchtfortschritt bei einem Zuwachs von 1,46 g Nettotageszunahme und einem um 0,09 % höherem Muskelfleischanteil. Errechnet man den Grenznutzen und bestimmt man den Zuchtfortschritt je Masttier, ergibt sich die in der Tabelle 2 ermittelte Wertsteigerung des Pietrainspermas.

Tabelle 2: Wertsteigerung des Pietrain-Spermas

NTZ (g) MFA (%) Ertrag (€) Alteber 4,3 1,17 3,62

dav. - TOP - Genetik - andere

10,3

- 2,7

1,41

0,89

4,77

2,27

Jungeber 14,0 1,75 6,02

Die über Jahre angewandte und konsequente Selektionsarbeit und Zuchtwertschätzung als auch die gezielte Anwendung des Informationssystems ZwISS hat in allen wirt-schaftlich wichtigen Merkmalen zu erheblichen Fortschritten geführt. Daraus lassen sich folgende Feststellungen treffen: • Zucht- und Endprodukte des Mitteldeutschen Schweinezuchtverbandes e. V. besitzen

eine nachhaltige sichere Qualität und beste Eignung für hohe Wirtschaftlichkeit im Sinne eines optimierten Aufwand- und Ertragsverhältnisses.

• Die zielstrebige Anwendung des Zucht- und Selektionssystems lässt berechenbare Effekte zu, welche für die Primärproduktion konkret vorausschaubar und realisierbar sind.

• Ein günstiges Aufwands- und Erlösverhältnis wird auch zukünftig im Zentrum der Zuchtarbeit stehen.

Autor: Mitteldeutscher Schweinezuchtverband e. V. Geschäftsführer Dr. Gunter Hallfarth

August-Bebel-Straße 6, OT Lichtenwalde 09577 Niederwiesa

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Schriftenreihe der TLL 42 9/2011

Schlachtung und Verarbeitung von Ebern - Machbar ohne Risiko?

Hans-Jörg Eynck (B & C Tönnies Fleischwerk GmbH & Co. KG, Rheda-Wiedenbrück)

Die Firma Tönnies gegründet 1971, mit Stammsitz im westfälischen Rheda-Wiedenbrück ist einer der führenden europäischen Schlacht- und Verarbeitungsbetrie-be. Die Basis unserer Arbeit stellen die an unser Unternehmen gelieferten Schweine dar, die von ca. 24 000 Landwirten produziert werden. Die Erfassung und Bündelung erfolgt dabei durch etwa 450 Viehhandelsunternehmen. Die Abnehmer, unserer qualitativ höchsten Ansprüchen genügenden Produkte, reichen vom regional tätigen Metzger bis hin zu national und international tätigen Lebensmit-telunternehmen, daneben exportieren wir Fleisch und Fleischprodukte in ca. 78 Länder der Welt.

Seit 2008 beschäftigen wir uns mit der praktischen Umsetzung der Ebermast, Schlach-tung, Verarbeitung und der Vermarktung der daraus hergestellten Produkte. Im Vorfeld der ersten Versuche mit Mastebern haben wir uns mit den Gründen der seit Jahrhun-derten durchgeführten Ferkelkastration beschäftigt und dabei auch Tierschutzaspekte und die verschiedenen praktikablen Alternativen in die Betrachtung eingeschlossen.

Mit Beginn der Geschlechtsreife bilden männliche Schweine einen typischen Ge-schlechtsgeruch aus. Verantwortlich sind hierfür im Wesentlichen die Hormone Androstenon und Androstenol, die in den Hoden gebildet werden und einen urinarti-gen bzw. moschusartigen Geruch haben. Auf der anderen Seite sind zwei weitere we-sentliche Stoffe zu nennen, die jedoch keine Geschlechtsspezifik haben. Diese sind das Skatol und Indol, Abbauprodukte des Tryptophan, für die fäkalartig riechende Kompo-nente beim Ebergeruch verantwortlich. Beide Stoffgruppen werden in der Leber abge-baut, wobei das Androstenon den Skatol- und Indol-Abbau hemmt. Auf der anderen Seite reichern sich beide Stoffgruppen im Drüsen- und Fettgewebe an und werden beim Erhitzen freigesetzt und sorgen so für den typischen unangenehmen Geruch und zum Teil auch für einen abstoßenden Geschmack des Fleisches.

Um diese unerwünschten Eigenschaften beim Fleisch zu vermeiden, wurden in der Vergangenheit Eberferkel kastriert.

Bis zum Jahr 2009 kam es in Deutschland und der EU zu Ferkelkastrationen nach den jeweiligen geltenden Rechtsrahmen. In der Zwischenzeit werden jedoch die verschie-densten Alternativen diskutiert und angewandt. Dies sind zum einen die chirurgische Kastration ohne Anästhesie/Analgesie, mit Anästhesie/Analgesie und die nicht chirur-gischen Verfahren. Es stehen zurzeit die Ebermast und die Impfung gegen Ebergeruch zur Verfügung. Weitere Verfahren sind die züchterische Bearbeitung des Merkmals Ebergeruch und das Spermasexing. Wobei das erste aufgrund einer recht hohen Heri-tabilität erfolgversprechend scheint, stößt man beim Spermasexing an technische Grenzen.

In Deutschland ist auf Basis der Düsseldorfer Erklärung seit 01.04.2009 im QS-System der Einsatz von Schmerzmitteln zur Kastration verpflichtend. Seit der Zulassung von Metacam im Februar 2010 ist dies zur Linderung des Kastrationsschmerzes beim

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Thüringer Schweinetag 2011 43 9/2011

Schwein für alle Schweinehalter rechtlich bindend. Eine Betäubung mit CO² oder ande-ren Gasen darf in Deutschland nur ein Tierarzt durchführen. Zudem ist eine alleinige Betäubung nach Ansicht vieler Fachleute hinsichtlich des Tierschutzes nicht ausrei-chend, da sich der Kastrationsschmerz aus dem Schmerz während des Eingriffes und dem postoperativen Schmerz zusammensetzt. Aufgrund dieser Erkenntnis sollte neben der Betäubung immer auch ein Schmerzmittel verabreicht werden.

Neben diesen Aspekten müssen auch noch rechtliche Fragestellungen einer näheren Betrachtung unterzogen werden. Dies ist zum einen die Genusstauglichkeit von Mast-eberfleisch, die auch heute noch zum Teil kontrovers diskutiert wird. Nach der EG-Verordnung 854/2004, Anhang I, Abschnitt II, Kapitel V Nr.1 Buchstabe p ist Fleisch mit ausgeprägtem Geschlechtsgeruch als untauglich zu erklären. Da hier jedoch keiner-lei Definition erfolgt, was ausgeprägter Geschlechtsgeruch ist, liegt die in Nord-deutschland gängige Interpretation der jeweiligen zuständigen Veterinärämter nahe, dass Fleisch mit geringem Geschlechtsgeruch demnach tauglich ist. Dies gilt umso mehr, da selbst Fleisch von Altebern vermarktet und verarbeitet wird.

Ein weiterer Punkt ist die Klassifizierung von Mastebern. Entsprechend der EU-Verordnung 1234/2007 sind alle Tiere klassifizierungspflichtig, die nicht zur Zucht ver-wendet werden. Da Masteber keine Zuchttiere sind, müssen sie klassifiziert werden. Die entsprechenden Gerätezulassungen in Deutschland lassen hier jedoch nur eine Klassifizierung mittels AutoFOM zu.

Unter Berücksichtigung dieser Rahmenbedingungen und biologischen Zusammenhän-ge haben wir in den vergangenen Jahren die Eberschlachtung in unserem Hause etab-liert und fortentwickelt. Die Eberschlachtung ist dabei voll in die Arbeitsabläufe inte-griert. Zurzeit werden an unseren Standorten in der Woche etwa 28 000 Masteber ge-schlachtet.

In der praktischen Umsetzung stellt sich die Eberschlachtung wie folgt dar: Die Masteberbetriebe müssen sich als Ebermäster registrieren lassen. Dazu gehört auch eine Erklärung, dass der Betrieb auf die Immunokastration verzichtet. Vor der Schlachtung werden die Masteberpartien unter Angabe der VVVO-Nr. (Betriebs-Nr.), des Tätos (Tier-Kennzeichnung) und der Stückzahl durch den Viehhändler angemeldet. Die Masteber müssen dabei zwingend mit einem zusätzlichen Täto gekennzeichnet sein. Bei der Anlieferung der Schlachttiere erfolgt eine Plausibilitätskontrolle und An-meldung der Masteber in der Schlachttierwartehalle. In dieser erfolgt dann die Aufstal-lung auf nur einer Seite, so dass die Tiere nur in einer der zwei Betäubungsanlagen be-täubt werden. Dadurch erreichen wir am Schlachtband eine Vermischung mit den an-deren Tieren. Grundsätzlich werden alle Tiere möglichst schonend entladen und erhal-ten eine 1,5- bis 2-stündige Ruhephase vor der Schlachtung. Die Betäubung erfolgt mit-tels CO².

In der Schlachtung selbst erfolgt die automatische Vergabe der Schlachtnummer und die Verknüpfung mit dem Täto der Schweine. Hier werden auch das Geschlecht und die Tierart „Masteber“ erfasst.

An den eigentlichen Schlachtprozess schließt sich die 3-stufige Geruchsdetektion an. Die erste Detektion findet am noch warmen Schlachtkörper in der Bauchhöhle statt. Die zweite Stufe stellt eine Kontrolle der ersten Stufe dar und ist zeitlich gesehen etwa

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Schriftenreihe der TLL 44 9/2011

20 Minuten später. Die erste und zweite Geruchsdetektion erfolgt durch Mitarbeiter der Klassifizierungsunternehmen der SGS. Die dritte Geruchsdetektion erfolgt durch eigene Mitarbeiter. Hierbei wird durch sie mittels eines auf 550 °C eingestellten Heiß-luftföns die Fettspinne für einige Sekunden erhitzt, anschließend führt ein zweiter Kol-lege die Geruchskontrolle am Tier durch. Grundsätzlich kommen alle Masteber zur Testung auf Geruchsabweichung.

Geruchsauffällige Tiere werden gesondert in die Kühlhäuser platziert, gesondert zerlegt und für den Versand vorbereitet. Um hier die gebotene Sicherheit hinsichtlich der Ge-ruchsdetektion gewährleisten zu können, werden die Mitarbeiter sorgfältig ausgewählt und regelmäßigen Schulungen unterzogen. Während der Eberschlachtung erfolgt ein stündlicher Wechsel der Kollegen, die die Masteber auf Ebergeruch detektieren. Daneben steht die Überprüfung der Ergebnisse durch Kochproben und Analysen an.

Hinsichtlich der Schlachtleistung der Masteber muss im Vergleich zu anderen Schwei-nen durchschnittlich mit einer 1,5 bis 2,0 % geringeren Ausschlachtung gerechnet wer-den. Auf der anderen Seite setzen Masteber 10 bis 15 % mehr Protein an. Das bedeutet, dass der MFA-Wert um 1,0 bis 1,5 % und der MFA-Wert im Bauch durchschnittlich so-gar um über 3,0 % ansteigt.

Aufgrund veränderter Teilstückausprägungen beim Masteber, wird von den Mästern das Gewicht oftmals falsch, d. h. als zu leicht geschätzt. Hier sind im Vorfeld der Ver-marktung Probewägungen empfehlenswert.

Insgesamt betrachtet sind zwischen 3 und 5 % der Masteber geruchsauffällig, wobei wir betriebliche und sortierungsabhängige Unterschiede feststellen. Verantwortlich da-für ist eine Reihe von Faktoren, wie die Haltungsbedingungen, das Schlachtalter sowie die Genetik. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist ein ruhiger und schonender Umgang mit den Mastebern vor der Schlachtung, um unnötigen Stress zu vermeiden, der sich nega-tiv auf die Geruchsintensität auswirkt.

Hinsichtlich der Vermarktung von Masteberfleisch sind Fakten zu beachten: • Fleisch von geruchsunauffälligen Tieren ist uneingeschränkt vermarktungs- und ver-

wendungsfähig. • Das Fleisch von geruchsauffälligen Tieren kann zu Verarbeitungsprodukten verwen-

det werden. • Eine geruchliche Abweichung geht nicht zwangsläufig mit einer geschmacklichen

Abweichung einher. In der Verarbeitung verliert das Fleisch oder die daraus herge-stellten Produkte seine unangenehme Eigenschaft.

• Trotz veränderter Teilstückausprägungen und eines veränderten Fettsäuremusters birgt Masteberfleisch vielfach Vorteile.

• Die Impfung gegen Ebergeruch lehnen Verarbeiter und der Lebensmitteleinzelhan-del (LEH) in Deutschland ab.

• Die Belieferung mit Masteberfleisch erfolgt nur auf Bestellung.

Die Erfahrungen aus der Landwirtschaft sind trotz offener Fragen vielversprechend. In der Regel steigen geschlossene Systeme oder 1:1 Systeme in die Ebermast ein. Aus-schlaggebend ist hier meist der Aspekt einer geringeren Arbeitsbelastung in der Ferkel-produktion. Weiterhin wird aus der Säugephase von keinerlei Unterschieden im Verhal-

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Thüringer Schweinetag 2011 45 9/2011

ten der Tiere berichtet. Gelegentlich sind nach Aussage von Landwirten geringere Streptokokken-Infektionen zu beobachten. Aus der Aufzucht der Masteber wird von höheren Tageszunahmen bei einer nicht größeren Aktivität der Tiere gesprochen.

In der Mast geht zurzeit der Trend zur getrenntgeschlechtlichen Mast, da der Masteber aufgrund des höheren Wachstumsvermögens ein entsprechend höherwertiges Futter benötigt. Bei einer niedrigeren Futteraufnahme realisiert der Masteber höhere Tages-zunahmen. Insgesamt ist der Masteber agiler als das weibliche Schwein oder der Kast-rat, ohne eine größere Aggressivität an den Tag zu legen, wenn die Fütterung dem hö-heren Leistungsbedarf entspricht. Das beobachtete Verhalten entspricht nicht den Lite-raturangaben der Vergangenheit.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Ferkelkastration in der EU um das Jahr 2018 auslaufen wird. Bis dahin sind die noch offenen Fragen bezüglich der Haltung, Züchtung, Fütterung, Schlachtung und Verarbeitung zu lösen. Die bisherigen Erfah-rungen zeigen jedoch, dass diese keine unüberwindbaren Hindernisse darstellen.

Autor: B & C Tönnies Fleischwerk GmbH & Co. KG Hans-Jörg Eynck In der Mark 2 33378 Rheda-Wiedenbrück

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Schriftenreihe der TLL 46 9/2011

Vergleichende Untersuchungen zur Haltung von Mastschweinen auf Voll- und Teilspaltenboden

Katrin Rau (Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft), Anne Amthor (Tiergesundheits-dienst Thüringen e. V.) und Dr. Jürgen Müller (Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft)

In Deutschland werden im Jahresdurchschnitt etwa 26 Mio. Schweine gehalten, davon der überwiegende Teil in einstreulosen Ställen (KTBL, 2008). In Thüringen arbeiten etwa 35 % der Mastbetriebe mit Teilspaltenboden. Diese Anlagen entstanden zum größten Teil in den Jahren vor 1990 in einer Bauweise, bei der die Buchtenfläche mit Spaltenböden ausgelegt war und der Mittel- und Randgang (Treibe- und Kontrollgang) als Festfläche. Um die Mastkapazitäten in den Betrieben zu erhöhen, wurden die Gang-flächen in den Jahren nach 1990 in die Buchtengestaltung mit einbezogen - Teilspal-tenböden entstanden (siehe Abb. 1).

Im Zuge von notwendigen Rekonstruktionsmaßnahmen stellt sich die Frage, in wie weit Teilspaltenböden zu erhalten sind oder bei Umbaumaßnahmen auf Vollspalten-boden umgerüstet werden sollte. Fundierte Ergebnisse zur Haltung von Mastschwei-nen auf Voll- und Teilspaltenboden hinsichtlich des biologischen Leistungsvermögens sind in der Literatur wenig zu finden bzw. basieren auf Stallvergleichen an verschiede-nen Standorten oder auf geringen Stückzahlen. Somit ist es schwer, eine auf breiter Datenbasis beruhende Empfehlung hinsichtlich der Bodengestaltung an Unternehmen zu geben, die eine Rekonstruktion ihrer Altanlagen planen. Dazu kommt noch die Dis-krepanz zwischen Tierschutz, Umweltschutz, Tiergerechtheit und Betriebsökonomie in der Schweinehaltung, die HESSE (2003) anschaulich nachweisen konnte. So ist zum Beispiel aus der Sicht des Tierschutzes die Haltung auf Stroh zu empfehlen, diese kol-lidiert allerdings mit den Vorgaben des Umweltschutzes hinsichtlich der Kohlendioxid-bilanz für die Stroh- und Festmistlogistik. Ähnlich ist es mit dem Vergleich von Teil- und Vollspaltenboden. Eine Festfläche als Liegefläche für die Tiere wird vom Tierschutz gefordert, bedingt allerdings schlechte Klimawerte im Stall aufgrund der Verkotung der Festfläche, da sich das Tierverhalten (Tiergerechtheit) nicht in jedem Fall an die vorge-gebene Einteilung des Stalles - Liegefläche/Kotfläche - anpasst.

Ehemalige Gangfläche

Abbildung 1: Teilspaltenboden nach Einbeziehung der Gang-fläche

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Thüringer Schweinetag 2011 47 9/2011

Um die Fragestellung nach dem biologischen Leistungsniveau von Mastschweinen auf Voll- und Teilspaltenböden zu beantworten, konnten in zwei Thüringer Betrieben Un-tersuchungen hinsichtlich • Stallklima, • biologisches Leistungsvermögen sowie • ökonomische Bewertung

durchgeführt werden. Diese territorial typischen Mastbetriebe arbeiten jeweils inner-halb einer Stallhülle mit gleicher Tierherkunft, Futter, Personal aber mit Stallböden ver-schiedener Systeme (Voll- und Teilspaltenboden), die aufgrund von Rationalisierungs-maßnahmen gebaut worden sind. Die Untersuchungen umfassten einen Zeitraum von 12 Monaten, um jahreszeitliche Einflüsse zu relativieren. Dadurch konnten in jedem Betrieb jeweils Leistungs- und Stallklimadaten von drei Mastdurchgängen erfasst werden. Ein Betrieb bewirtschaftet 6 500 Mastplätze in zehn Ställen, davon ist ein Stall auf Vollspaltenboden umgebaut, der andere Betrieb produziert mit 2 480 Mastplätzen, von denen jeweils 50 % der Tiere auf Voll- bzw. Teilspaltenboden stehen.

Ergebnisse

Die Änderung der Aufstallungsform für Mastschweine ist eine komplexe Maßnahme, die auch Veränderungen in der Stallklimaführung bedingt. Grund dafür sind die Luft-ströme, die durch die Öffnungen in der Stallhülle/dem Boden entstehen und entspre-chend gelenkt werden müssen sowie die Ansprüche der Tiere an die Stallluft. Im Er-gebnis umfangreicher Stallklimamessungen wurden Zusammenhänge zwischen Tieral-ter - Außentemperatur - temperaturgesteuerter Lüftungsregelung - Schadgaskonzentra-tion nachgewiesen (siehe Abb. 2).

Abbildung 2: Beziehung Schadgas - Temperatur (außen); rekonstruierter Stall

-10

0

10

20

30

40

50

60

4/2009 5/2009 6/2009 8/2009 9/2009 10/2009 12/2009 2/2010 3/2010

Vormast Mittelmast Endmast Vormast Mittelmast Endmast Vormast Mittelmast Endmast

NH

3, T

emp

erat

ur

0

500

1000

1500

2000

2500C

O2

Temp. Außen °C Temp. Stall °C

NH3 ppm CO2 ppm

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Schriftenreihe der TLL 48 9/2011

Während in den rekonstruierten Ställen die Klimawerte optimal waren, gab es Schwan-kungen in den alten Ställen vor allem bei feuchtem und kaltem Wetter. Dies wirkte sich jedoch nicht durchgehend negativ auf die biologischen Leistungen der Tiere aus. So konnte nur in einem Betrieb signifikante Unterschiede in der Mast- und Schlachtleis-tung zwischen Tieren auf Vollspaltenboden zu Tieren auf Teilspaltenboden nachgewie-sen werden (Tab. 1 und 2). In diesem Betrieb wurde ein überdurchschnittliches Leis-tungsniveau erreicht, so dass davon ausgegangen werden kann, dass bei hohen tieri-schen Leistungen der Faktor Stallklima einen großen Einfluss auf das Leistungsniveau der Mastschweine hat. Dieses Ergebnis deckte sich mit anderen Analysen, die sich mit unspezifischen Stressoren - schlechte Leistung ohne Krankheitssymptome - beschäftig-ten.

Tabelle 1: Vergleich der beiden Betriebe

Betrieb A Betrieb B Abhängige Variable Mittelwert

Alter Stall Mittelwert

Rekon. Stall Signifikanz Mittelwert

Alter Stall Mittelwert

Rekon. Stall Signifikanz

Auswertbare (Stück) 1 509 1 707 946 1 166

Masttage (d) 112,57 113,17 *** 116,48 117,05 n.s.

Masttagszunahme (g) 877,02 895,13 *** 788,17 791,99 n.s.

Schlachtgewicht (kg) 101,32 102,89 *** 94,48 94,57 n.s.

Muskelfleischanteil (%) 57,52 57,66 * 57,43 57,66 n.s.

Speckmaß (mm) 14,94 14,75 ** 15,81 15,41 **

Fleischmaß (mm) 60,83 61,41 n.s. 64,74 64,20 *

€/Stück (berechnet nach Standardisierung Preiseffekte)

136,75 138,67 *** 130,77 130,12 n.s.

* p < 0,05 ** p < 0,01 *** p < 0,001

Interessant war bei diesen Untersuchungen die betriebsökonomische Auswertung. Die ökonomische Betrachtung fand auf der Grundlage der betrieblichen Kostenstellenrech-nung der Jahre 2006 bis 2009 (vor und nach dem Umbau) statt und beruhte somit auf den Originaldaten der Betriebe. Um einen Vergleich der Resultate dieser Jahre durch-führen zu können, wurden die Preiseffekte bezogen auf die betrieblichen Daten bei Fut-terzukauf, Tierzukauf und Erlösen standardisiert, die Bestandsänderung neutralisiert und nicht wiederkehrende Effekte der untersuchten Jahre in Absprache mit der betrieb-lichen Buchhaltung bereinigt. Nur dadurch konnte ein betriebswirtschaftlicher Ver-gleich innerhalb der Betriebe über mehrere Jahre durchgeführt werden. Im Ergebnis zeigten sich in beiden Betrieben bessere Erlöse, allerdings auch höhere Kosten.

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Thüringer Schweinetag 2011 49 9/2011

Tabelle 2: Ökonomische Differenzen nach Standardisierung der Preiseffekte 2009 zu 2007

Bezeichnung Delta je abgerechnetes Tier

Jahr 2009 bis 2007

Betrieb A Betrieb B

Stallplätze 114 1 280

Jahresproduktion

Abgerechnete Tiere 674 3 454

Läufergewicht (kg/Stück) -0,03 -2,48

Masttagszunahme (g) 33 13

Verlust (%) -0,2 0,54

Schlachtgewicht (kg/Stück) 5,10 2,05

MFA 0,40 0,50

Spez. Futteraufwand (kg/kg Zuwachs) 0,05 -0,26

Erlös (€/Stück) 4,43 2,49

Sonstiger Erlös 0,04 1,80

Erlös gesamt 4,47 4,29

Futter 1,83 -0,71

Tierzukauf -0,41 -2,12

TA/Medikamente -1,00 0,73

Energie/Wasser 0,17 -0,25

Unterhalt Geb./Maschinen 0,17 0,14

Versicherungen 0,08 0,04

Sonst. Kosten 0,46 -0,38

Lohn -0,21 -0,58

Afa 1,63 3,98

Gemeinkosten 0,08 0,66

Kosten gesamt 2,80 0,49

Betriebliches Ergebnis (berechnet nach Standardisierung Preiseffekte)

1,67 1,80

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass bei Rekonstruktionsmaßnahmen hin-sichtlich des Umbaus Teilspaltenboden zu Vollspaltenboden folgende Effekte zu erwar-ten sind: • das Stall- und Arbeitsklima war nach der Modernisierungsmaßnahme (Umbau von

Teilspaltenboden zu Vollspaltenboden in Verbindung mit Erneuerung der Lüftung) in den rekonstruierten Ställen besser,

• die Rekonstruktionsmaßnahme wirkte sich nur in einem Betrieb durchgängig signifi-kant positiv auf die Mast- und Schlachtleistung aus sowie

• das ökonomische Ergebnis war in beiden Betrieben nach der Rekonstruktion besser.

Mitautor: Tiergesundheitsdienst Thüringen e. V. Anne Amthor Geranienweg 7 99947 Bad Langensalza

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Schriftenreihe der TLL 50 9/2011

Fleisch - Ein Stück Lebenskraft im freien Fall?

Udo Pollmer (Europäisches Institut für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften e. V.)

Fassungslos hat die Agrarwirtschaft den so genannten Dioxinskandal erlebt. Der ganze Ablauf war von erheblicher Irrationalität geprägt. Als noch wenige Wochen vor dem „Eierskandal“ bei Freilandrindern, namentlich aus Biobetrieben, Höchstmengenüber-schreitungen festgestellt worden waren, hatte sich dafür so gut wie niemand interes-siert. Ebenso wenig fand ein weitaus gravierenderer Dioxinskandal bei Bioeiern in den Regalen einer großen Handelskette das Interesse der Journalisten. Nicht einmal die Tatsache, dass echte Bio-Eier im Normalbetrieb die gleichen Dioxingehalte aufweisen wie die aktuell in Rede stehenden „verseuchten“ Eier aus dem Stall, hat die Medien nicht weiter interessiert. Im Gegenteil: Sie empfahlen erst recht „Bio“.

Toxikologisch war an der Sache auch nichts dran. Um mit dem Dioxin in den „ver-seuchten Eier“ einen Hamster zu töten, müsste das arme Tier etwa 300 Mio. Stück verspeisen. Der Mensch verträgt natürlich mehr, nicht nur weil er größer ist. Die Nut-zung des Feuers kennzeichnet schließlich seine Evolution. Egal ob in Höhlen, am La-gerfeuer oder in Nomadenzelten, an die Belastung mit Rauch und Nebenprodukten der Verbrennung ist er allemal besser angepasst als ein Labornager, der erfahrungsgemäß nur selten in seinem Käfig zündelt. Dioxin (TCDD) gilt zwar als Ultragift, bis heute sind zwar zahlreiche Vergiftungen bekannt geworden, ja sogar Mordanschläge wurden da-mit verübt, aber bis dato wurden keine Todesfälle beobacht - für ein „Ultragift“ eine eher mäßige Bilanz. Zum Thema Krebs fasst Professor Dieter SCHRENK die aktuelle Datenlage so zusammen: „Auch eine Zunahme von Tumoren ist epidemiologisch kaum zu beobachten.“

Cui bono? Der Skandal war ein Arbeitssieg der Medien über die Vernunft. Nun darf sich die Bran-che die bange Frage stellen, aus welch nichtigem Anlass das nächste Produkt attackiert wird? Nutznießer der Dioxinpropaganda sind in erster Linie Tierschützer und Vegeta-rier. Die Tierschützer liefern sich seit langem mit der Eierbranche Scharmützel, weil diese das Federvieh nicht zum Spielen raus auf die grüne Wiese schickt. Da Biobauern in den Redaktionen als Tierfreunde gelten, geben erhöhte Dioxinwerte in Biotieren bis-her keinen Anlass zu Kritik.

Wohl nicht zufällig verschwand der „Skandal“ quasi übernacht aus den Schlagzeilen. Da gibt es ein seltsames zeitliches Zusammentreffen. Kurz vorher war bekannt gewor-den, dass an der Uni Oldenburg eine Anlage entwickelt worden war, die es erlaubt, Di-oxinrückstände aus Mischfettsäuren abzutrennen und zu Wasser und Kochsalz abzu-bauen. Da diese „Alternative-Energie-Rückstände“ gewöhnlich dioxinbelastet sind, wä-ren solche Anlagen keine Fehlinvestition. Doch der damalige Umweltminister Jürgen Trittin hatte das abgelehnt. Mit dieser Hintergrundinformation hätte man statt einer kleinen Futtermittelfirma auf der grünen Wiese einen grünen Helden an den Pranger stellen müssen. Und das können die Drahtzieher nun wirklich nicht wollen.

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Thüringer Schweinetag 2011 51 9/2011

Die treibenden Kräfte, mit denen sich die Erzeuger, Verarbeiter und Vermarkter tieri-scher Lebensmittel auseinandersetzen müssen, sind die Vegetarier - und neuerdings die rasant wachsende Gruppe der Veganer, die sogar Honig wegen der tierquälerischen Massentierhaltung von Bienen ablehnt. Sie halten das für verrückt? Die Bäcker entwi-ckeln bereits Sortimente für Veganer. Es ist zwar kulinarisch unbefriedigend aber mer-kantil verlockend die Gruppe mit ideologisch korrekten Brötchen (ohne Schmalz) und Nussecken (ohne Milcheiweißerzeugnis und ohne Honig) zu versorgen.

Fragt man heute angehende Studenten der Veterinärmedizin nach ihrer beruflichen Per-spektive, so wollen sie Katzenpraxen aufmachen, Tierrettungswägen fahren und endlich das geknechtete Hühnerproletariat aus seinen Ställen befreien oder in einer Tierklinik an-gefahrene Rehlein röntgen. Unter denen, die sich zur Kindergärtnerin ausbilden lassen, gibt es nicht wenige, die diesen Beruf nicht aus Freude am Kind ergreifen, sondern um schon die Kleinen vor dem Verzehr von Fleisch, Milch und Eiern zu schützen. In Kinder-gärten gehört die Ablehnung von Fleisch und Wurst inzwischen zum guten Ton, dabei spielt die „Gesundheitserziehung“ eine zentrale Rolle. In Talkshows werden bereits Exkä-fig-Hühner zum Star für Ernährungs- und Agrarfragen, nur weil sie intelligent genug wa-ren, sich eine Vegetarierin zu halten, die sie mit dem Taxi ins Studio fährt.

So wie es essgestörte Ernährungsfachdamen in die Ernährungs- und Gesundheitsre-daktionen zieht, suchen auch die Vegetarier und vor allem Veganer passende Jobs zur Befriedigung ihrer inneren Überzeugung. Deshalb ergreifen sie ganz bewusst Lebens-mittelberufe oder bewerben sich in Lebensmittelbetrieben auf jede nur denkbare Stelle. Und der Chef wundert sich, warum in bestimmten Abteilungen trotz hoher Aktivität die Ergebnisse nicht recht passen. Junge Menschen finden ihre Zuflucht nicht mehr in der Familie, sondern unter Gleichgesinnten - egal ob das Klima gerettet werden soll, die Bahn entschleunigt, die Hühner befreit oder die Kinder verrohkostet werden sollen.

Die jungen Menschen finden ihre neue „Familie“ über moderne Netzwerke a la Face-book und aufgrund gleicher Ziele oder Ideologien. Hier unterstützen sie sich gegensei-tig bei ihren verdeckten Maßnahmen zur Weltverbesserung. Da sie sich moralisch im Recht fühlen, kennen sie keine Grenzen. Verhaltensweisen oder gar Methoden, die im gewöhnlichen Sozialsystem im Betrieb oder Verband auf massive Ablehnung stoßen würden, können so lange Zeit unentdeckt praktiziert werden. Bei der Entdeckung dieser Taten verlieren bei einer Offenlegung auch die Vorgesetzten ihr Gesicht, weshalb die Vorgänge nicht geahndet werden.

Auf Tauchstation Und was macht die Fleischwirtschaft, was macht der Bauernverband? Sie unterstützen das alles nach Kräften und fördern Kampagnen zur Verteilung von Schulobst. Dass damit in der Regel unter dem Deckmäntelchen der „gesunden Ernährung“ ideologische Ziele verfolgt werden - nach dem Schema frisches Obst ist gesünder als warmer Leber-käs von gequälten Tieren - kommt ihnen nicht in den Sinn. Die Kampagne nützt nicht mal unseren Obstbauern. Dadurch wird nicht der Absatz gefördert, sondern der Import vermehrt, da die einheimische Produktion bei weitem nicht den Bedarf deckt.

Bei Problemen pflegt die Branche den Kopf einzuziehen und die Luft anzuhalten, damit die Welle der öffentlichen Erregung über sie hinweggehen möge. Und dann hoffen sie

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Schriftenreihe der TLL 52 9/2011

alle im Stillen, dass es einen Wettbewerber weggeschwemmt haben könnte. Die Wellen werden zu Tsunamis - und die Branche denkt an Imagewerbung a la CMA. Vielleicht könnte man auch einen Promi etwas Geld in die Hand drücken, damit er die Würst-chen lobt und sich öffentlich zum Schweinebraten bekennt.

Noch vor wenigen Monaten habe ich in der „Fleischwirtschaft“ die Branche vor dieser Blauäugigkeit gewarnt: „Wenn die Zeit aus Sicht der NGO reif ist, und dieser Punkt wird in Bälde erreicht sein, werden sie die Promis an den Pranger stellen und diese werden geläutert und als bekennende Vegetarier wieder auf den Bildschirm zurückkeh-ren. Was machen die Großdenker der Fleischwirtschaft dann? Etwa mehr Geld in die Hand nehmen?“ Nun ist es also passiert. Dieter Bohlen hat als Werbemann für die Branche nach Aktionen der Tierschützer das Handtuch geworfen. Jetzt wissen die Promis, was ihnen blüht, wenn sie mit Outlaws Geschäfte machen wollen.

Wenn der Verzehr tierischer Lebensmittel in der Öffentlichkeit geächtet wird - und zwar ohne Sinn und Verstand - weil man glaubt durch „gesunde Rohkost“ das ewige Leben gewinnen zu können, weil man den Welthunger besiegen möchte oder den Tieren des Waldes Gleichberechtigung gegenüber den Jägern andienen will, dann kann man die klassische Werbung vergessen. Sie hat keine nachhaltige Wirkung mehr, sondern ruft Reaktanz hervor.

Der Effekt hängt davon, ob Sie mit dem Strom des Zeitgeistes schwimmen oder dage-gen. Früher wurden Ihre Kritiker vom Strom mitgerissen, heute sind es Ihre Werbeak-tionen. Der Vegetarismus ist nicht umsonst eine religiöse Bewegung. Daraus leitet er für sich besondere Rechte ab und hält sich für unangreifbar. Attraktive Branchenwer-bung ist aus dieser Weltsicht nichts als Verführung, eine teuflische List, um Kinder di-cker zu machen oder den Globus mit Rinderabgasen anzuwärmen. Werbung für Steaks, Süßwaren oder Salzbrezeln heißt heute in der Szene „Food Porn“ - Pornogra-phie.

Vegetarier sind keine Tierfreunde. Sie respektieren das Tier nicht, sie lieben es schon gar nicht, sie glauben, sich vor Fleisch, vor Blut und Leber ekeln zu müssen. Alle Tiere, die nicht mehr gegessen werden, gibt es nicht mehr. Für die heutigen Hardcore-Vegetarier gibt es im Grunde keine wirklichen Kompromisse. Es sind ja nicht wie früher Mitbürger, die Fleisch nicht mögen - und bei Tisch mit den Klößen oder dem Kartoffelsalat zufrieden sind. Es handelt sich beim modernen Vegetarismus nicht um eine Ernährungsform oder Diät - dann wäre das so belanglos wie eine Ausgabe der Zeitschrift Brigitte. Vegetarier verstehen sich heute vielfach als Glaubenskrieger. Schon als Schülerinnen haben sie kol-lektiv nach einer Unterrichtseinheit über Massentierhaltung (die Infos kommen von PETA und ähnlichen Gruppierungen) der Fleischeslust entsagt. Das schweißt zusammen. Im Alter von achtzehn vertragen viele von ihnen keine Wurst mehr.

Wenn man eine Wurst essen will, muss man vorher ein Schwein schlachten. Wer die Vermittlung dieser simplen Einsicht den Schulen überlässt, darf sich nicht wundern, wenn ein erheblicher Teil der 10-jährigen in den Städten Vegetarier wird - und den Metzger für einen Mörder der Kuscheltiere hält. Die Fleischwirtschaft hat mit ihrer strikten Weigerung die Schlachtung in geeigneter Weise rechtzeitig zu vermitteln - bei-spielsweise durch ein Malbuch für die Kindergärten, das den Weg vom Ferkelchen bis zum Wienerle in neutraler und kindgerechter Form beschreibt - den Tierschützern und Vegetariern eine unbezahlbare Steilvorlage gegeben. Heute ist es für derartige Maß-

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Thüringer Schweinetag 2011 53 9/2011

nahmen bereits zu spät - in vielen Schulen wird Tierschutzlehrerinnen der rote Teppich ausgerollt, die den Hass auf Fleischerzeuger und -verarbeiter predigen.

Fleisch aus dem Reaktor Wer glaubt, Fleisch sei nicht ersetzbar, sollte sich warm anziehen. Es geht hier nicht um die Verarbeitung von typischem Schweinefutter in Gesundkost für die bekannten Zielgruppen, wie Sojafleisch, Molkedrinks, Hähnchennuggets aus Gluten („Seitan“) oder Kleie, die sich heute in Form der Vollkornideologie auch außerhalb von Frauen-zeitschriften, Rentnerbravos und Talkshows etabliert hat. Es geht um die Entwicklung von „Fleisch“ durch Fermentation oder Tissue-Engineering. Und kein Tier muss mehr leiden. Es wird nicht mehr geschlachtet sondern ohne Blutverlust geerntet.

Es sind nicht nur Nichtregierungsorganisationen (NGO), die diese Entwicklung voran-treiben und finanzieren, sondern auch die Pharmaindustrie. Sie pumpt Unsummen in die Stammzellenforschung, um damit menschliche Organe oder zumindest Organteile generieren zu können, als Ersatzteillager für die etwas zahlungskräftigere Kundschaft, der die Angst vor der Endlichkeit des eigenen Lebens den Beutel öffnet. Wer heute schon ein Stück Haut per tissue engineering erzeugen kann, der kann über kurz oder lang auch den Po-Muskel eines Schweines heranreifen lassen. Der Biotec-Schinken wä-re dann gewissermaßen ein „Abfallprodukt“ der Medizin.

Natürlich ist es noch ein langer Weg, bis komplexe Gewebestrukturen möglich sind. Aber diese Mühe kann man sich durchaus sparen. Denn die Fleischwirtschaft hat schon die nötige Vorarbeit geleistet. Mit Clownsgesichtern in der Wurst half sie der Spaßgesellschaft endlich die Tatsache zu verdrängen, dass Fleisch in Form blutiger Stücke vorliegt. Und da Fleischfasern außerdem noch Kauarbeit erfordern, bevorzugen die Kunden den Hamburger. Es ist keine wirkliche Kunst, per Fermenter einen geeigne-ten Zellbrei zu erzeugen, der in einer Pattiemaschine ein optisch und sensorisch zu-friedenstellendes Ergebnis liefert. Für dieses Produkt braucht man weder Mäster noch Metzger. Das machen die NGO dann über Eigenfirmen - und die garantieren, dass kein ehemaliger „Tiermörder“ aus einer Wurstfabrik in diesem Laden arbeitet. Das schafft Vertrauen.

Am Wahlabend in Baden-Württemberg erklärte der Kommentator des Staatsrundfunks, dass mit einer grün-roten Mehrheit endlich langgehegte Ziele Realität werden könnten. Dazu gehörte das Verbot des Verzehrs von Fleisch und Wurst in den kommenden fünf Jahren - zumindest in der Öffentlichkeit. So wie beim Rauchen - das ging ja auch ruck-zuck. Während viele gesellschaftlichen Gruppen die Messer wetzen, um die Fleisch-wirtschaft zu schlachten, versuchen arme Würstchen in den Chefetagen sich mit Weg-ducken und Alibibroschüren vor der Einsicht zu schützen, dass Kommunikation mit der Internetgeneration völlig anders funktioniert als zu jener Zeit als „Fleisch noch ein Stück Lebenskraft“ war. Es geht nicht mehr ums Image. Es geht um ein Verbot der Tierhaltung. Und es geht um Ihre Existenz.

Autor: Europäisches Institut für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften e. V. Udo Pollmer Eppinger Straße 4 75050 Gemmingen

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Grenzkosten in der Ferkelerzeugung bei hoher Produktionsintensität

Dr. Jürgen Müller (Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft)

In den zurückliegenden Jahren hat sich die biologische Leistung in der Ferkelerzeugung kontinuierlich erhöht. Von Jahr zu Jahr werden mehr Ferkel je Sau des Jahresdurch-schnittsbestandes (JDB) geboren, abgesetzt und schließlich auch vermarktet. Der jähr-liche Leistungsanstieg in Thüringen beträgt z. B. mehr als 0,4 abgesetzte Ferkel je Sau und Jahr im Zeitraum von 1993 bis 2010 (TVL, 1993 bis 2010) (Anstieg der linearen Trendfunktion in Abb. 1). Das mittlere Leistungsniveau der kontrollierten Sauen - in 2010 waren es 17 859 und damit ca. 22 % des Thüringer Gesamtbestandes - übersteigt die 25-Ferkel-Marke. Die besseren 20 % der 36 Unternehmen setzen 27,7 Ferkel je Sau und Jahr ab. Von dieser Leistungsentwicklung konnten allerdings die Ferkelerzeuger in der Vergan-genheit selbst kaum profitieren. Der angestiegene Produktionsertrag wurde allein von den veränderten Rahmenbedingungen aufgebraucht (unterdurchschnittliche Erzeuger-, steigende Betriebsmittelpreise).

Erwartungen an das biologische Leistungsniveau liegen deshalb weit höher und werden als wirtschaftliche Notwendigkeit begründet. Vom Grundsatz her ist das zwar richtig, höhere Ferkelzahlen je Sau steigern die Erlöse - aber auch die Kosten. Zwischen Produktionsertrag und -aufwand gibt es Beziehungen, die sich als Produk-tionsfunktionen darstellen lassen. Nicht in jedem Fall sind diese Wechselwirkungen linear und proportional. Mit ansteigender Wurfleistung der Sauen muss damit gerech-net werden, dass sich die wirtschaftlichen Effekte nicht weiter erhöhen. Angesichts des

21,33

27,67

18,37

25,02

y = 0,4354x + 16,688

10

15

20

25

30

1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

abgesetzte Ferkelje Sau JDB ab EB

Ø -20% +20%

N =

16.036

26.144

31.382

32.730

37.144

30.563

32.660

33.199

33.523

36.108

39.045

33.664

31.096

30.035

28.433

21.215

19.425

17.859

Abbildung 1: Leistungsentwicklung der Ferkelproduktion in Thüringen 1993 bis 2010 (TVL, 1993 bis 2010) (Anzahl abgesetzter Ferkel je Sau JDB)

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Thüringer Schweinetag 2011 55 9/2011

stetig abnehmenden Ertragszuwachse stellt sich deshalb die Frage, in welchem Leis-tungsbereich unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen die optimale Produktions-intensität der Ferkelerzeugung liegt.

Methode Um den Einfluss einer Leistungssteigerung auf die wirtschaftliche Effektivität der Fer-kelproduktion zu beurteilen, müssen die Verläufe der Produktionsfunktionen bekannt sein. Diese lassen sich näherungsweise ableiten, wenn man versucht, für einzelne Stu-fen eines Leistungsbereiches die objektiv notwendigen Produktionskosten zu ermitteln. Die vorliegende Berechnung gilt für den Bereich von 18 bis 32 marktfähige Ferkel je Sau des JDB und basiert auf den einschlägigen Richtwerten zum Futterbedarf der Gesell-schaft für Ernährungsphysiologie (Ausschuss für Bedarfsnormen, 2006) bzw. zum Ar-beitszeit- und Investitionsbedarf des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL, 2008), ergänzt durch Ergebnisse eigener Erhebungen (TLL, 2008). Produkt- und Faktorpreise entsprechen dabei in etwa dem aktuellen Niveau. Das temporär stark verschobene Gleichgewicht zwischen Futter- und Ferkelpreis er-möglicht allerdings in keiner Leistungsstufe der Ferkelproduktion eine Vollkostende-ckung. Der Produktionsertrag in der Ferkelproduktion wird durch mehrere biologische Leis-tungswerte bestimmt:

Anzahl marktfähiger Ferkel/ Sau des JDB ab erster Belegung

=

Anzahl Würfe je Sau und Jahr x gesamt geborene Ferkel je Wurf (Wurfgröße) x (1 - Totgeburtenrate) x (1 - Saugferkelverluste) x (1 - Aufzuchtverluste bis 28 kg Lebendgewicht)

Die unterstellten Kennzahlen für die einzelnen Leistungsstufen sind in Tabelle 1 aufge-führt. Es ist davon auszugehen, dass zwischen den einzelnen Variablen mehr oder we-niger enge Beziehungen bestehen (z. B. höhere Verlustraten bei Ferkeln und Sauen mit steigender Wurfgröße (MATTHES; HAXSEN, 2009; HÜHN, 2010). Über Art und Aus-maß dieser Abhängigkeiten gibt es kaum wissenschaftlich gesicherte Daten. Deshalb werden in der nachfolgenden Rechnung Schätzwerte genutzt, die auf Informationen aus der Praxis basieren: • Proportional mit der Wurfleistung erhöhen sich Totgeburtenrate und Saugferkelver-

luste. Es wird von linearen Beziehungen ausgegangen, obwohl diese durchaus auch progressiv sein können.

• Sauenverluste und Remontierungsbedarf steigen mit dem Zuwachs der Wurfleistung ebenfalls linear an. Damit verschiebt sich permanent die Alterstruktur der Herde. Das wiederum hat z. B. Folgen für den durchschnittlichen Produktionsertrag der Herde, da sich das Leistungspotenzial der Sauen in Abhängigkeit von der Wurf-Nr. ändert. Über die Herdenzusammensetzung ergeben sich auch wesentliche Bestim-mungsgrößen für den mittleren Futterbedarf, weil in den einzelnen Alters- bzw. Wurfnummerklassen Körpergewicht und Zuwachs nicht gleich sind.

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Schriftenreihe der TLL 56 9/2011

Tabelle 1: Biologische Leistungsdaten

Parameter ME marktfähige Ferkel (28 kg LG) je Sau u. Jahr

18 20 22 24 26 28 30 32

gesamt geborene Ferkel je Wurf Stück 9,5 10,7 12,1 13,4 14,8 16,3 17,8 19,4

Totgeburtenrate % 8,0 8,8 9,5 10,3 11,0 11,8 12,5 13,3

lebend geborene Ferkel je Wurf Stück 8,7 9,8 10,9 12,0 13,2 14,4 15,6 16,8

Saugferkelverluste % 10,0 11,0 12,0 13,0 14,0 15,0 16,0 17,0

abgesetzte Ferkel je Wurf Stück 7,9 8,7 9,6 10,5 11,3 12,2 13,1 14,0

Würfe je Sau und Jahr1) Anzahl 2,35

abgesetzte Ferkel je Sau und Jahr Stück 18,5 20,5 22,6 24,6 26,7 28,7 30,8 32,8

Aufzuchtverluste % 2,5

Aufzuchtdauer bis 28 kg LG2) Tage 52

markfähige Ferkel je Sau und Jahr Stück 18,0 20,0 22,0 24,0 26,0 28,0 30,0 32,0

Saugferkel- und Aufzuchtverluste3) % 12,3 13,2 14,2 15,2 16,2 17,1 18,1 19,1

Remontierung % 45,0 47,0 49,0 51,0 53,0 55,0 57,0 59,0

Sauenverluste % 5,0 5,8 6,5 7,3 8,0 8,8 9,5 10,3

Nutzungsdauer Sau Würfe 5,2 5,0 4,8 4,6 4,4 4,3 4,1 4,0

Herdenstruktur Jungsauen 1. Wurf % 19,1 20,0 20,9 21,7 22,6 23,4 24,3 25,1

Altsauen 2. Wurf % 18,7 19,5 20,3 21,0 21,8 22,5 23,3 24,0

Altsauen 3. Wurf % 18,2 18,9 19,5 20,1 20,7 21,4 22,0 22,5

Altsauen 4. Wurf u. dar. % 43,9 41,6 39,4 37,1 34,9 32,7 30,5 28,3

1) Tragezeit 115 Tage; Säugezeit 25 Tage; Güstzeit 15 Tage; Wurfabstand 155 2) Einstallung 6,8 kg; Ausstallung 28,0 kg; Tägliche Zunahmeleistung 410 g 3) Bezugsbasis lebend geborene Ferkel

Futterkosten = ƒ (Anzahl marktfähiger Ferkel je Sau JDB ab EB)

Der Energiebedarf güster und niedertragender Sauen hat keinen unmittelbaren Leis-tungsbezug, es sei denn, Körpermasse ist zu ersetzen, die in der vorangegangenen Laktation für die Milchbildung mobilisiert wurde. Bei hochtragenden Sauen erhöht sich der Energiebedarf mit steigender Wurfgröße nur marginal aufgrund der Massezunahme an Konzeptionsprodukten. Optional kann aller-dings auch in diesem Abschnitt ein erhöhter Bedarf zum Ersatz der mobilisierten Kör-permasse für die vorausgegangene Laktation bestehen. Die Leistungsabhängigkeit des Energie- und Nährstoffbedarfes während der Säugepe-riode ist dagegen sehr deutlich ausgeprägt. Der tägliche Zuwachs an Wurfmasse (= Ferkelanzahl x tägliche Zunahmeleistung je Saugferkel) bestimmt das Versorgungs-niveau der ferkelführenden Sau. Bis zu Wurfgrößen von etwa 11 Ferkeln im Mittel und 225 g täglichem Zuwachs je Ferkel - also 2,5 kg Wurfmassezuwachs je Tag - lässt sich der Energiebedarf laktierender Sauen ohne Probleme über das Futterangebot ausbilan-zieren. Im Normalfall muss bis zu dieser Leistungsschwelle auch nicht mit einer Mobi-lisierung von Körpermasse gerechnet werden. Übersteigt aber die mittlere Wurfleistung 12 insgesamt geborene Ferkel, dann ist eine bedarfsgerechte Versorgung der Sau nicht weiter abzusichern. Die maximale Futteraufnahmekapazität von etwa 7,5 kg je Tag wirkt während der Laktation begrenzend auf die Milchleistung und damit auch auf den ange-strebten Zuwachs an Ferkelmasse. Um Versorgungsdefizite zu vermeiden, müssen die

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Thüringer Schweinetag 2011 57 9/2011

Ferkel großer Würfe zusätzlich Milch und Beifutter erhalten. Diese Konsequenz aus der leistungsabhängigen Futterbilanzierung ist die Grundlage der Futterkostenberechnung. Bestandteil der Gesamtrechnung ist schließlich auch der Futterenergiebedarf für die Aufzuchtferkel in Höhe von jeweils 512 MJ ME je Tier, bezogen auf den Abschnitt von 6,8 bis 28 kg Lebendgewicht mit 410 g täglicher Zunahme. Das heißt also: Werden statt 25 Ferkel pro Sau und Jahr 30 Ferkel abgesetzt, steigt auch der Verbrauch von Fer-kelaufzuchtfutter um 20 %. Entscheidend für den Verlauf der Kostenfunktionen sind die Preise der eingesetzten Futtermittel (Tab. 2). Es wurde mit den mittleren Preisen von Januar bis September 2011 gerechnet, die um mehr als 40 % (!) über dem langjährigen Mittel liegen. Neben dem allgemeinen Preisniveau sind auch die Relationen der verschiedenen Futtermittel untereinander von Bedeutung.

Tabelle 2: Futtermittelpreise

€/dt

AFM für güste u. niedertragende Sauen 25,10

AFM für hochtragende Sauen 27,001)

AFM für laktierende Sauen 29,001)

Sauenmilchergänzer 275,00

Prästarter 115,00

Ferkelaufzuchtfutter I 47,30

Ferkelaufzuchtfutter II 33,80

AFM - Alleinfuttermittel 1) Preissteigerung je Leistungsstufe um 0,5 % wegen steigender Anforderungen an Futterqualität

Mit fortschreitender Trächtigkeit und anschließender Säugeperiode steigen die Anfor-derungen der Sauen an die Futterqualität. Der steigende Gebrauchswert spiegelt sich dementsprechend auch im Preis der Alleinfuttermittel für die einzelnen Haltungsab-schnitte wider. Die Futterstoffe zur Zusatzversorgung der Saugferkel mit ihrer hohen biologischen Wertigkeit sind sehr preisintensiv (HORSTMANN, 2010) da deren Bestandteile teilwei-se selbst aus der tierischen Veredelung stammen (z. B. Milch-, Ei- bzw. Blutkomponen-ten). Abbildung 2 zeigt die Veränderung der Futterkosten in Abhängigkeit von der Wurfleis-tung. Im Flächendiagramm beziehen sich die Futterkosten auf die Sau im Jahresdurch-schnitt. Die unmittelbaren Futterkosten für die Sauenfütterung (unteres Flächenseg-ment) steigen zunächst proportional bis zur Leistungsstufe 22 Ferkel (Wurfgröße 12 Ferkel). Anschließend flacht der weitere Verlauf wegen der begrenzten Futteraufnah-mekapazität ab. Dafür setzen allerdings die Kosten für die Ferkelzufütterung (mittleres Segment) mit einem höheren Anstieg ein. Die Futterkosten für die Aufzuchtferkel nach dem Absetzen von der Sau (oberes Segment) verhalten sich direkt proportional zur Anzahl marktfähig aufgezogener Ferkel (hier: ca. 16,50 € je Ferkel).

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Schriftenreihe der TLL 58 9/2011

In den Säulen der Abbildung 2 sind die spezifischen Futterkosten je marktfähigem Fer-kel ausgewiesen, d. h. Futterkosten für Sau, Saug- und Aufzuchtferkel je Sau JDB divi-diert durch die Anzahl marktfähiger Ferkel je Sau JDB. Bis zur Leistungsstufe 24 Ferkel nehmen diese degressiv ab (= Optimum). Durch die kostenintensive Zufütterung, de-ren Anteil in den höheren Leistungsstufen zunimmt, steigen die spezifischen Futter-kosten je Ferkel anschließend wieder deutlich an. Die ferkelbezogenen Futterkosten sind unter diesen Bedingungen bei einem Leistungsniveau von 30 marktfähigen Fer-keln je Sau etwa gleich hoch wie in der Leistungsstufe 22 Ferkel.

Arbeitskosten = ƒ (Anzahl marktfähiger Ferkel je Sau JDB ab EB)

Für definierte Stallbautypen mit ihren jeweiligen Haltungs- und Bewirtschaftungsfor-men sowie für unterschiedliche Anlagengrößen werden vom KTBL (2008) Orientie-rungswerte zum Arbeitszeitbedarf in der Ferkelproduktion und -aufzucht angegeben. Für eine praxisübliche (arbeitswirtschaftlich allerdings sehr anspruchsvolle) Variante sind das beispielsweise 7,55 AKh je Sau und Jahr einschließlich Saugferkel (Abb. 3, un-teres Flächensegment) sowie 0,15 AKh je erzeugtes Ferkel während der Aufzucht bis 28 kg LG (Abb. 3, oberes Flächensegment). Die Richtwerte des KTBL variieren nicht in Abhängigkeit von der biologischen Leistung. Es kann allerdings nicht davon ausgegan-gen werden, dass damit der Arbeitszeitbedarf in der Sauenhaltung über alle Leistungs-bereiche hinweg konstant ist!

Abbildung 2: Futterkosten in Abhängigkeit von der Anzahl marktfähiger Ferkel je Sau JDB (Ferkelproduktion und -aufzucht bis 28 kg Lebendgewicht)

318 361

0

137

297

528

34,17

33,52

32,93

32,40

31,9231,74

31,58 31,59 31,60 31,65 31,71 31,80 31,89 31,97 32,04

y = 0,032x 2 - 0,6291x + 34,551

0

200

400

600

800

1.000

1.200

18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32

marktfähige Ferkel je Sau JDB ab EB

€/S

au J

DB

ab

EB

Futterkosten Sau Futterkosten Saugferkel Futterkosten Aufz.-ferkel Futterkosten (EUR/Ferkel)

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Thüringer Schweinetag 2011 59 9/2011

Bei der Geburt größerer Würfe steigt das Verlustrisiko für die Ferkel. Damit die Verluste um den Geburtstermin herum begrenzt bleiben, sind Sauenherden, von denen große Würfe erwartet werden, mit höherer Intensität zu betreuen. Der zusätzliche Bedarf an Arbeitszeit für Geburtsüberwachung und Neugeborenenversorgung („Ferkelwache“) beträgt nach Literaturangaben bis zu 1,5 AKh je Sau und Jahr (HOY; VIEBAHN, 2010). In der Beispielsrechnung ist ab einer Wurfgröße von 13 Ferkeln (Leistungsstufe 23 Fer-kel je Sau JDB) beginnend dieser Mehrbedarf an Arbeitszeit stufenweise bis max. 1,25 AKh je Sau und Jahr enthalten. Erhöhter Arbeitszeitbedarf entsteht auch durch die zusätzliche Futterversorgung der Saugferkel, also ab Wurfgrößen von etwa 13 bis 14 Ferkeln. Nach Praxisberichten (FLERLAGE, 2009) sind für das tägliche Anmischen der Tränke, das Anfüttern der Fer-kel und die permanente(!) Reinigung etwa 0,35 AKh je Sau und Jahr zu veranschlagen. Unter den genannten Annahmen sinkt der spezifische Arbeitsbedarf je marktfähigem Ferkel zunächst deutlich bis zu Wurfgrößen von 12 Ferkeln bzw. Leistungsstufe 22 Fer-kel je Sau JDB (Abb. 3, Säulen). Der „Basis-“Aufwand für Routinearbeiten verteilt sich mit steigendem Ertrag besser. Ab Wurfgrößen von 13 bis 14 Ferkeln (also ab Leistungs-stufe 23 Ferkel je Sau JDB) entsteht dann zusätzlicher Arbeitszeitbedarf, der den de-gressiven Verlauf des spezifischen je Ferkel abbremst. Im oberen Leistungsbereich be-wirkt jede weitere Ertragssteigerung keine nennenswerte Aufwands- bzw. Kostende-gression.

Abbildung 3: Arbeitszeitbedarf in Abhängigkeit von der Anzahl marktfähiger Ferkel je Sau JDB (Ferkelproduktion und -aufzucht bis 28 kg Lebendgewicht)

7,55 7,55

0,001,25

0,000,352,70

4,81

0,570,55

0,530,51

0,49 0,49 0,49 0,48 0,47 0,47 0,46 0,45 0,45 0,44 0,44

y = 0,0005x2 - 0,0172x + 0,5783

0

2

4

6

8

10

12

14

16

18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32marktfähige Ferkel je Sau JDB ab EB

Ak

h/S

au

JD

B a

b E

B

norm. Akh Sauenhaltung + Akh Neugeborenversorgung + Akh Zusatztränke, -fütterung

norm. Akh Ferkelaufzucht Akh/Ferkel

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Schriftenreihe der TLL 60 9/2011

Stallplatzkosten = ƒ (Anzahl marktfähiger Ferkel je Sau JDB ab EB)

Die laufenden Stallplatzkosten (Abschreibung, Instandhaltung und Verzinsung) richten sich im Allgemeinen nach der Höhe des Investitionsaufwandes. Die im vorliegenden Fall angesetzten Werte zum Investitionsbedarf für die Ferkelproduktion (2 138 € je Sau-enplatz) und -aufzucht (246 € je Aufzuchtplatz) entsprechen dabei jenen Stallbautypen, für die o. g. Orientierungswerte zum Arbeitszeitbedarf gelten. Der überwiegende Anteil des Investitionsbedarfes entsteht für den Sauenplatz (Abb. 4, unteres Segment im Flä-chendiagramm). Der Rest ist davon abhängig, wie viele Ferkelaufzuchtplätze entspre-chend dem mittleren Leistungsniveau des Bestandes einem Sauenplatz zugeordnet werden müssen.

Vergleichsweise niedrig ist der Investitionsbedarf für die Zusatzfütterung der Saugfer-kel. Von den möglichen Ammensystemen wird aktuell die zusätzliche Versorgung mit Milchtränke in der Abferkelbucht als besonders vorteilhafte Lösung diskutiert. Der In-vestitionsaufwand (für Anmischbottich, Ringleitung und Milchtrasse bis zur Abferkel-bucht) beträgt nach Herstellerangaben je Abferkelplatz etwa 125 €, bezogen auf einen Sauenplatz im Jahresmittel sind das 30 €. Dieser (einmalige) Anstieg im Investitions-aufwand, der ab einer Wurfleistung von mehr als 13 Ferkeln notwendig erscheint, führt zu geringfügigen Änderungen im Verlauf der Abschreibungen, der Aufwendungen für Instandhaltung und der Zinsen für das gebundene Sachanlagevermögen.

Abbildung 4: Investitionsbedarf in Abhängigkeit von der Anzahl marktfähiger Ferkel je Sau JDB (Ferkelproduktion und -aufzucht bis 28 kg Lebendgewicht)

2.138 2.138

0 30

695

1.235

157151

146140 136 132 129 125 122 119 116 113 111 109 106

y = 0,1353x2 - 5,6897x + 161,86

0

500

1.000

1.500

2.000

2.500

3.000

3.500

4.000

18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32

marktfähige Ferkel je Sau JDB ab EB

EU

R/S

au J

DB

ab

EB

Investbedarf Sauenhaltung + Investbedarf Zusatztränke

Investbedarf Ferkelaufzucht Investbedarf/Ferkel

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Thüringer Schweinetag 2011 61 9/2011

Stückkosten = ƒ (Anzahl marktfähiger Ferkel je Sau JDB ab EB)

Nach Zusammenfassung aller Kostenpositionen und Bereinigung um die Anteile für Koppelprodukte wird deutlich, wie sich die Verlaufskurve der Stückkostenentwicklung verändert (Abb. 5). Mit einem Ertrag von 18 marktfähigen Ferkeln je Sau JDB liegen die Produktionskosten zu den gegenwärtigen Faktorpreisen bei fast 70 € je Ferkel! Eine Leistungssteigerung um 1,0 Ferkel bringt in diesem Bereich spürbare Effekte. Die Grenzkosten sinken um etwa 1,54 € je Ferkel. Bei gleichem Ferkelpreis steigt damit der Grenzgewinn um diesen Betrag.

Eine Degression der Stückkosten lässt sich unter den angenommenen Bedingungen allerdings nur bis zu einem Leistungsanstieg auf 28 Ferkel je Sau JDB nachweisen (Vollkosten knapp 62 € je Ferkel). Anschließend erhöhen sich die Stückkosten wieder mit dem Zuwachs an Produktionsleistung auf über 62 € bis zum Leistungswert von 32 Ferkeln je Sau JDB. Der Anstieg der Durchschnittsleistung um 1,0 Ferkel im oberen Leistungsbereich verteuert im Rechenbeispiel die Produktion. Verursacht wird dieser Wendepunkt der Stückkosten im Wesentlichen vom Verlauf der spezifischen Anteile an Bestandsergänzungs-, Futter- und Arbeitskosten: • Wenn leistungsbedingt die Sauenverluste zunehmen, dann erhöht sich der Remon-

tierungsanteil der Herde und es steigen somit auch die Tiereinsatzkosten. • Weil die Sau in der Laktation nur einen begrenzten Zuwachs an Ferkelmasse absichern

kann und eine Zusatzversorgung der Saugferkel wegen der hohen Qualitätsansprüche kostenintensiv ist, können die spezifischen Futterkosten ab einer Produktionsleistung von etwa 24 marktfähigen Ferkeln je Sau JDB durchaus wieder ansteigen.

• Für überdurchschnittliche Herdenleistungen dürften minimale Betreuungsintensitä-ten nicht ausreichen. Steigt der spezifische Arbeitszeitbedarf nur geringfügig mit

Abbildung 5: Stückkosten der konventionellen Ferkelproduktion mit Ferkelaufzucht in Abhängigkeit vom Leistungsniveau

4,89 4,74 4,62 4,53 4,55 4,58 4,62 4,67

30,36 29,51 28,82 28,72 28,94 29,25 29,63 29,97

13,90 13,21 12,63 12,16 12,06 11,92 11,77 11,63

7,617,11 6,69 6,57 6,35 6,22 6,31 6,51

7,697,16

6,72 6,64 6,30 6,01 5,76 5,54

3,693,46

3,27 3,14 3,02 2,92 2,84 2,77

52,43

0

10

20

30

40

50

60

70

80

18 20 22 24 26 28 30 32 marktfähige Ferkel/Sau JDB

EUR/Ferkel, 28 kg LG

Zinsansatz

Allgem.BetriebsaufwandAbschreibung

Arbeitskosten

Sonstige Spezialkosten

Kraft- und Mineralfutter

Bestandsergänzung

Ferkelpreis TH Ø2000-2010

Grenzgewinn- 0,06 EUR/Ferkel

Grenzgewinn+ 1,54 EUR/Ferkel

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Schriftenreihe der TLL 62 9/2011

dem Leistungsniveau der Herde, dann reagieren die spezifischen Arbeitskosten ent-sprechend.

• Der progressive Verlauf im Verlustgeschehen mit steigender Leistung lässt den Pro-duktionsaufwand stärker ansteigen als den Produktionsertrag. Um unter solchen Verhältnissen 32 Ferkel je Sau JDB vermarkten zu können, sind Wurfgrößen von 19,4(!) Ferkel rechnerisch notwendig. Von diesen wären dann allerdings nur knapp 14 ergebniswirksam.

Die Lage des Wendepunktes im Kurvenverlauf der Stückkosten in Abbildung 5 deutet auf den Leistungsbereich der optimalen Produktionsintensität hin - unter den darge-stellten Bedingungen wären das etwa 28 marktfähige Ferkel je Sau JDB.

Im Verhältnis zu den mittleren Ferkelpreisen der Jahre 2000 bis 2010 in Höhe von 52,43 € (Thüringer Notierungen, umgerechnet auf 28 kg Lebendgewicht) liegen die au-genblicklichen Futtermittelpreise um mehr als 40 % über dem 10-jährigen Gleichge-wicht. Eliminiert man diesen temporären Preiseffekt, dann ermöglicht der Ertrag der optimalen Produktionsintensität auch eine nachhaltige Faktorentlohnung. Inwieweit leistungsbedingte Effekte auch die Erlösseite der Ferkelerzeugung betref-fen, lässt sich zunächst aus Mangel an Belegdaten nicht eindeutig beantworten. Ei-nes jedoch ist sicher, mit steigender Wurfgröße erhöht sich die Variation der Ge-burtsgewichte. Wenn es gelingt, die aufgezogenen Ferkel in allen Leistungsstufen zu 100 % als Qualtitätsferkel zu vermarkten, dann kann durchweg die gleiche Preiswür-digkeit angenommen werden. Sollte aber der Anteil Ferkel zunehmen, der den all-gemeinen Qualitätsanforderungen nicht entspricht, dann muss mit steigender Wurf-größe die mittlere Preiswürdigkeit nach unten korrigiert werden. Überlegungen zum Optimum der Produktionsintensität müssen diesen möglichen Zusammenhang ebenfalls berücksichtigen.

Fazit Eine Ertragsmaximierung führt nicht zur Gewinnmaximierung! Nach wie vor gilt das Gesetz vom abnehmenden Ertragszuwachs. Mit steigender biologischer Leistung (= Anzahl marktfähiger Ferkel je Sau JDB) nimmt der Grenzgewinn stetig ab. Wenn der Grenzertrag in der Höhe den Grenzkosten gleicht, dann ist die optimale Produktionsin-tensität erreicht. Der Grenzgewinn ist dann gleich Null.

Die Beziehungen zwischen Produktionsertrag und Faktoreinsatz spiegeln sich in Pro-duktionsfunktionen wider. Nicht in jedem Fall sind diese durchgängig linear. Einige Kosten steigen überproportional oder sprungproportional an. Die Abnahme der Stück-kosten ist degressiv. In der Ferkelproduktion ist damit zu rechnen, dass ab einem be-stimmten Niveau sich insbesondere die spezifischen Futter- und Arbeitskosten allein leistungsabhängig nicht weiter senken lassen.

Der Ausgangswert im Ertragsniveau entscheidet über den zusätzlichen Effekt einer wei-teren Leistungssteigerung. Je höher das Ausgangsniveau, umso geringer ist der Effekt des Leistungszuwachses. Derzeit ist nicht eindeutig geklärt, ob und in welchem Aus-

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Thüringer Schweinetag 2011 63 9/2011

maß sich durch die weitere Leistungsentwicklung in der Ferkelproduktion auch zwangsläufig die Verlustraten bei Ferkeln und Sauen erhöhen. Unter solchen Wechsel-wirkungen verringert sich der ökonomische Nutzeffekt eines gesteigerten Produktions-ertrages aber auf jeden Fall.

Die optimale Produktionsintensität ist nicht statisch. Veränderungen von Produkt- und Faktorpreisen sowie Änderungen ertragsgesetzlicher Zusammenhänge in Produktions-funktionen durch züchterischen bzw. wissenschaftlich-technischen Fortschritt erfor-dern permanente Anpassungsreaktionen.

Literatur

Thüringer Verband für Leistungs- und Qualitätsprüfung in der Tierzucht e. V. (TVL) (versch. Jahrgän-ge): Jahresberichte 1993 bis 2010. Erfurt

Ausschuss für Bedarfsnormen der Gesellschaft für Ernährungsphysiologie (2006): Empfehlungen zur Energie- und Nährstoffversorgung von Schweinen. DLG-Verlag (Frankfurt/Main)

Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e. V. (KTBL) (2008): KTBL-Datensammlung Betriebsplanung 2008/09. Darmstadt

Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft (TLL) (2008): Betriebswirtschaftliche Richtwerte der kon-ventionellen Ferkelproduktion. http://www.tll.de/ainfo

MATTHES, W.; HAXSEN, G. (2009): Mehrleistung darf nicht teuer werden. Neue Landwirtschaft 12, S. 76 - 79

HÜHN, U. (2010): Unterstützung für Großfamilien. Neue Landwirtschaft 2, S. 80 - 84

HORSTMANN, H. (2010): Milchpulver für Ferkel - das bietet der Markt. top agrar 9, S. 14 - 17

HOY, S.; VIEBAHN, S. (2010): Große Würfe - kürzere Tragezeit. Bauernzeitung 3, S. 40 - 41

FLERLAGE, A. (2009): Mit zusätzlicher Milch mehr Ferkel abgesetzt. top agrar 6, S. 16 - 18

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Schriftenreihe der TLL 64 9/2011

Erste Thüringer Erfahrungen zur Ebermast Dr. Simone Müller (Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft)

Seit September 2008 ist das Thema „Ebermast“ mit der „Düsseldorfer Erklärung“ für Deutschland hochaktuell. Die vielen Aktivitäten von Seiten der Schlachtindustrie, der QS GmbH aber auch die der Tierschutzorganisationen machen deutlich, es sind nicht nur Absichtserklärungen. Es geht um die Praktikabilität des Verfahrens und dessen Ein-führung. Dem eigentlichen Problem, der Gefahr möglicher Geruchsabweichungen von Eberfleisch- und fett kann nachhaltig nur durch die Entwicklung einer „elekronischen Nase“ begegnet werden. D. h., die verantwortlichen Ebergeruchskomponenten mit ei-ner der menschlichen Wahrnehmung vergleichbaren Empfindlichkeit messbar zu ma-chen. Zur Erinnerung: Der typische „Ebergeruch“ von männlichen, unkastrierten Schweinen wird hauptsächlich durch Androstenon, Skatol und Indol hervorgerufen. Das urin- oder schweißartig riechende Hodensteroid Androstenon dient als Pheromon. Demgegenüber handelt es sich bei den fäkalartig riechenden Skatol und Indol um mikrobielle Abbauprodukte der Aminosäure Tryptophan, die im Darm von Mono-gastriden, d. h. auch von Sauen und Kastraten entstehen. Um abzusichern, dass ge-ruchsbelastete Schlachtkörper nicht als Frischfleisch angeboten werden, brauchen wir die elektronische Nase. Auch der Verarbeitung von Teilstücken belasteter Eber sind Grenzen gesetzt, da nur durch die Verwertung zu Kochschinkenprodukten eine deutli-che bzw. vollständige Reduktion der Androstenon- und Skatolgehaltswerte erreicht wird (DEHNHARD et. al., 1995). Trotz der relativ moderaten Empfindlichkeit der Verbrau-cher auf Androstenon (30 % der Männer und 34 % der Frauen sind darauf empfindlich) kann besonders bei Fleisch mit einem teilstückbedingten höheren Fettgehalt (Schmor-fleisch) eine unangenehme Wahrnehmung im Geruch zu einem geänderten Verkaufs-verhalten führen. Hinzu kommt, dass 99 % der Verbraucher Skatol als unangenehm empfinden. Dies erfordert eine sichere Sortierung am Schlachtband. Nach aktuellen Meldungen der Handelszeitung „Vieh und Fleisch“ kommt die „elektronische Nase“, nun doch nicht so schnell wie erwartet bzw. erhofft. Inzwischen haben auch Thüringer Schweineproduzenten und Schlachtbetriebe Erfah-rungen zu praktikablen Alternativen zur chirurgischen Kastration gesammelt. Erprobt wurden sowohl die Mast und Vermarktung intakter Eber als auch solcher Eber, bei de-nen durch 2-malige Impfung mit Improvac die Neubildung von Androstenon im Ho-den gehemmt wird. Trotzdem ist die Vermarktung intakter Eber zurzeit in Thüringen nur bedingt möglich. Einige Schlachthöfe haben eigene Versuchsserien laufen, um Er-fahrungen zu sammeln. Der Schlachtung geimpfter Eber stehen die sechs meldepflich-tigen Schlachtbetriebe überwiegend ablehnend entgegen (Stand. September 2010). Demgegenüber können in Sachsen-Anhalt intakte und in einem kleineren Regional-schlachthof Sachsen geimpfte Eber vermarktet werden.

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Thüringer Schweinetag 2011 65 9/2011

Der Praxistest 1 „Geimpfte Eber“

Die ersten Thüringer Untersuchungen mit klassischen 3-Rassen-Masthybriden (PietrainxF1-Sau) wurden von einer Erzeugergemeinschaft (MSE w. V.) mit Ebern, die gegen Ebergeruch mit Improvac® geimpft wurden, initiiert. Zum Zeitpunkt der Ver-suchsdurchführung fiel die Entscheidung von der MSE w. V. für die Impfung der männ-lichen unkastrierten Tiere, um in der Vermarktung flexibler zu sein und nicht nur einen Schlachtbetrieb beliefern zu können. Deshalb begannen diese Erhebungen unter Be-dingungen größerer Mastanlagen auch mit der Mast von geimpften Masthybridebern. Dass Thüringer Schlachtbetriebe dieser Variante eher ablehnend gegenüberstehen, war damals nicht so zu erwarten. Um Aussagen zum Wachstums- und Futteraufnahmever-halten, dem Schlachtkörperwert und möglichen Geruchsabweichungen und dem Ge-halt der geruchsaktiven Substanzen im Fett ermitteln zu können, wurden zusätzlich Masthybriden unter definierten Bedingungen in allen vier Geschlechts“varianten“ ge-mästet. Diese Untersuchungen fanden mit je 36 intakten bzw. geimpften Ebern, Bör-gen und Sauen in der LPA Dornburg und der TLPVG GmbH Buttelstedt statt. Damit können die verschiedenen Ergebnisse aus dem Praxisversuch recht gut interpretiert und auf bestimmte sensible Stellen hingewiesen werden. Im ersten Durchgang wurden 160 Eber eines Ostthüringer Ferkelerzeugerbetriebes im eigenen Betrieb in einem Hallenstall vergleichend zu einer kastrierten Vergleichsgrup-pe beginnend ab Juli 2009 gemästet. Die erste Impfung fand bereits bei Einstallung in den Maststall statt. Zu diesem Zeitpunkt wogen die Eber 29,3 kg und die Vergleichstie-re 30,1 kg. Die Versuchs- und Kontrolltiere waren durch einen zentralen Gang und Buchtenwände getrennt. In der gleichen Stallhülle waren auch weibliche Tiere mit Sichtkontakt aufgestallt. Die Fütterung erfolgte über Breifutterautomaten mit einem selbst erzeugten Schweinemastfutter mit 13,6 MJ ME und 0,9 % Lysin (Analysewerte). Die zweite Impfung der Eber erfolgte am 14. September 2009, d. h. am 74. Masttag, vier Wochen vor dem geplanten Schlachttermin. Im 2. Durchgang wurden aus dem gleichen Ferkelerzeugerbetrieb in einem Partnerbetrieb, mit dem feste Lieferbeziehun-gen bestehen, 159 Eber (Einstallgewicht 27,4 kg) im Vergleich zu einer Mischpartie von 161 Tieren als Kontrollgruppe (Einstallgewicht 27,5 kg) gemästet. Die erste Impfung erfolgte am 49. Masttag, die zweite am 90. Masttag. Hier standen die Tiere in separa-ten Abteilen eines Kammstalles. Die Kennzeichnung der Versuchstiere wurde in beiden Durchgängen am Tag der Geburt mit Ohrmarken (spezielle Farbe mit fortlaufender Nummer) durchgeführt. Die Fütterung erfolgte ad libitum mit betriebseigenen Mi-schungen (Vormast: bis 65 kg - 13,45 MJ ME; 1,1 % Lysin; Endmast - 13,0 MJ ME, 0,8 % Lysin) über Breifutterautomaten. Von den Ebern wurden getrennt nach Versuchs-durchgang Zunahmeleistung, Schlachtkörperwert und Verluste im Vergleich zur kas-trierten Kontrollgruppe ermittelt. In beiden Versuchsdurchgängen wurde auch eine Hodenbonitur unmittelbar vor Schlachtung vorgenommen, wobei bei einem Teil der Tiere (bis zu 20 %) noch deutliche Hodenausprägungen zu sehen waren. Bei einem Großteil der geimpften Tiere waren die Hoden deutlich kleiner bis nicht mehr zu sehen oder es war visuell nur noch 1 Hoden sichtbar. Der typische Ebergeruch im Stall bzw. in Tiernähe war verschwunden. Im Exaktversuch in Dornburg wurde zusätzlich Nacken-fettproben sensorisch bewertet. Bei 6 % der getesteten Proben von geimpften Ebern wurden noch Geruchsabweichungen festgestellt. Auch die mittlere Sensoriknote unter-schied sich signifikant von dem der getesteten Fettproben von Sauen oder Börgen. Auf-fällig bei den geimpften Ebern waren hier die deutlich höheren Indolgehaltswerte im

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Schriftenreihe der TLL 66 9/2011

Fettgewebe gegenüber den anderen Geschlechtsvarianten, einem Abbauprodukt von Tryptophan.

Tabelle 1 macht deutlich, dass zwischen beiden Versuchsdurchgängen erhebliche Un-terschiede in den biologischen Mast- und Schlachtleistungen der gemästeten Tier-gruppen bestanden. Während im ersten Durchgang Eber der Vergleichgruppe in der Zunahmeleistung deutlich unterlegen war, übertrafen die Masttagszunahmen der Eber des zweiten die Vergleichsgruppe fast 90 g/d deutlich. Allerdings konnte in keinem der beiden Durchgänge für Eber ein optimales Schlachtgewicht realisiert werden. Die Eber des ersten Durchgangs waren mit 87,5 kg zu leicht, und die Eber des zweiten mit 105,6 kg deutlich zu schwer. Praktisch bedeutete das, das nur 57 % der Eber ein Schlachtgewicht von 84 bis 103 kg aufwiesen, im 2. Durchgang gar nur 36 %. Während im ersten Durchgang 36 % der Eber zu leicht waren, fiel das Schlachtgewicht in der 2. Gruppe bei 50 % zu hoch (> 103 kg) aus. Insofern ist es auch problematisch, die am Schlachtkörper gemessenen Klassifizierungsmaße und den erzielten Ertrag je kg Schlachtgewicht direkt zu vergleichen. Die Preismasken „bestrafen“ Tiere außerhalb des erwünschten Gewichtskorridors empfindlich, woraus sich auch die Differenzen im 2. Versuchsdurchgang erklären lassen.

Tabelle 1: Biologische Leistungen geimpfter Eber im Vergleich zur Kontrollgruppe

Durchgang Gruppe

Einge-stallt

n

Verluste %

Mast-dauer

d

Masttags-zunahme

g/d

Schlacht-gewicht

kg

Speck-maß mm

Fleisch-maß mm

MFA %

Ertrag €/kg1)

1 Eber 160 5,6 109 757 87,5 13,8 59,8 58,0 1,34

Kastrate 196 3,4 112 795 94,4 16,6 65,0 56,8 1,37

2

Eber 159 2,5 125 858 105,6 16,4 62,4 56,5 1,29

Mischgruppe 161 1,3 117 770 92,5 15,1 63,5 57,8 1,39

1) EURO-Referenzmaske mit Basispreis von 1,40 €/kg

Um quantifizieren zu können, welcher Schlachtkörperwert bei geimpften Ebern realis-tisch ist, wurden deshalb bei den Tieren eine betriebsspezifische Korrektur der Speck- und Fleischmaße sowie des daraus resultierenden MFA auf ein einheitliches Schlacht-gewicht von 92 kg vorgenommen (Tab. 2) und die Tiere dann neu verpreist.

Tabelle 2: Schlachtkörperwert geimpfter Eber im Vergleich zur Kontrollgruppe bei 92 kg Schlachtgewicht

Durchgang Geschlecht

Speckmaß mm

Fleischmaß mm

MFA %

Ertrag €/kg1)

1 Eber 14,6 60,8 57,7 1,41

Kastrate 16,0 64,4 57,2 1,40

2

Eber 14,5 60,1 57,7 1,40

Mischgruppe 15,0 63,3 57,9 1,41

1) EURO-Referenzmaske mit Basispreis von 1,40 €/kg

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Thüringer Schweinetag 2011 67 9/2011

Unter diesen Bedingungen zeigt sich die potenzielle Überlegenheit geimpfter Eber ge-genüber zeitgleich aufgestallten Kastraten. Mit ca. 1,5 mm weniger Speck aber auch fast 4 mm weniger Fleisch(maß) könnten geimpfte Eber mit durchschnittlich 0,5 % mehr MFA abschneiden. Dies deckt sich sehr gut mit den Ergebnissen aus dem Exaktfütte-rungsversuch in der LPA Dornburg. Damit würden geimpfte Eber bei Preisbildung nach der gleichen Maske wie bei anderen Schlachtschweinen annähernd gleiche wirtschaftli-che Ertragsverhältnisse (Auszahlungspreise) bedingen. Gleichzeitig wird aber auch deutlich: Der Zeitpunkt der 2. Impfung entscheidet über Schlachtgewichte und Ertrag. Zu leichte Schlachtkörper führen zu empfindlichen Abzü-gen. Diesen Zeitpunkt zu optimieren ist die eigentliche Herausforderung des Verfah-rens, denn es muss berücksichtigt werden: Geimpfte Eber haben ein verändertes Fut-teraufnahmeverhalten nach der 2. Impfung, sie fressen pro Mahlzeit ca. 200 g mehr und nehmen auch pro Minute deutlich mehr Futter auf als ihre Geschlechtsgenossen. Diese Verhaltensänderung wurde auch von den Tierpflegern im 2. Versuchsdurchgang in Verbindung mit einem augenscheinlichen Wachstumsschub visuell beobachtet. Der Exaktfutterungsversuch konnte diese Beobachtung mit Fakten belegen: Während Sauen bzw. Börge in dem vergleichbaren Haltungsabschnitt ab 2. Impftermin 2,8 kg bzw. 3,3 kg Futter pro Tag verzehrten, fraßen geimpfte Eber 3,9 kg Futter je Tag (ab libitum Futtervorlage, Abb. 1).

Abbildung 1: Tägliche Futteraufnahme von Masthybriden in Abhängigkeit vom Geschlecht der Alters-abschnitt im Exaktfütterungsversuch in der LPA Dornburg

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

4,0

56.-6

8.LT

68.-9

6.LT

96.-1

24.LT

124.-1

52.L

T '

ab 2

. Im

pfte

rmin

Altersabschnitt

Fu

tte

rve

rze

hr

in g

/d

weiblich Eber, geimpft Kastrat Eber, intakt

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Schriftenreihe der TLL 68 9/2011

Es wird daher geraten, die vorgegeben Wartezeit von 28 Tagen nicht wesentlich zu überschreiten. Das explodierende Futteraufnahmeverhalten kann ansonsten den er-reichten Effekt einer geringeren Fettauflage auf dem Schlachtkörper schnell zunichte machen. Über Ultraschallmessungen am 152. Lebenstag und der Messung einen Tag vorm Schlachten ließ sich im Exaktfütterungsversuch nachweisen: Bei geimpften Ebern steigt die mittlere Speckschicht in den letzten vier Wochen, d. h. dem Zeitraum nach der 2. Impfung, pro 10 kg Lebendmassezuwachs um 1,2 mm an. Demgegenüber be-trägt der Speckzuwachs je 10 kg LM-Zunahme bei intakten Ebern nur 0,6 mm. Dieser differenzierte Fettansatz erklärt auch, dass sich intakte und geimpfte Eber bei ca. 20 kg Lebendmassezuwachs ab dem 2. Impftermin im Muskelfleischanteil um ca. 1 % unter-scheiden. Ein Lösungsansatz wäre die Verabreichung eines Mastfutters mit niedrigerer Nährstoffausstattung im letzten Mastabschnitt nach der 2. Impfung. Zur Vermarktung kamen alle geimpften Eber auf einem regionalen Schlachthof in Sachsen, wobei bei fast allen Schlachttieren eine deutliche Hodenatrophie zu beobach-ten war. Eber mit auffällig großen Hoden wurden einer Kochprobe unterzogen, jedoch keiner der beprobten Schlachtkörper kam zur Beanstandung.

Praxistest 2 „Intakte Eber“

Erfahrungen zur Ebermast unter praktischen Bedingungen konnten von der Südthürin-ger Erzeugergemeinschaft in Zusammenarbeit mit dem südthüringer Schlachthof Schmalkalden gesammelt werden. Initiiert von Schlachthof stellte ein südthüringer Ferkelerzeuger mit angeschlossener Mast im März 2010 die ersten unkastrierten Eber zeitgleich mit weiblichen und kastrierten Stallgefährten in ein Mastabteil ein. Die Tiere wurden geschlechtsgetrennt ab 77. Lebenstag mit einem Einstallgewicht von 35 kg (Sauen) bzw. 36 kg (Eber und Börge) in den Maststall umgestallt. Die Fütterung erfolg-te über eine WEDA-Flüssigfütterungsanlage, während der Vormast wurde ein Futter mit 13,7 MJ ME, 16,1 % Rohprotein und 1 % Lysin gegeben, ab 50 kg auf ein Mittelmast-futter (13,8MJ ME, 1,0 % Lysin bei 88 % TS, Analysewerte) umgestellt. Damit war es auch möglich, den Futteraufwand für die Haltungsgruppen nach Geschlechtern zu er-mitteln (Tab. 3). Die Tiere wurden nach durchschnittlich 94 Tagen Mastdauer vermark-tet, da der Schlachthof erst Erfahrungen mit Eberschlachtkörpern sammeln wollte und bewusst etwas leichtere Endgewichte angestrebt wurden. Da die Vergleichsgruppen als Kontrolle dienten, erfolgte die Schlachtung der Sauen und Börgen zeitgleich. Um ab-schätzen zu können, wie viele Schlachtkörper Ebergeruch aufweisen und wie mit die-sen im weiteren Verarbeitungsprozess umgegangen werden kann, wurden Sensorik-tests entwickelt und Nackenfett am Schlachttag auf Geruchsabweichungen (kein, leich-ter oder starker Ebergeruch) bewertet.

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Thüringer Schweinetag 2011 69 9/2011

Tabelle 3: Biologische Leistungen intakter Masthybrideber im Vergleich zu weiblichen bzw. kastrier-ten Vollgeschwistern (alte Schätzgleichung)

N (% opt.

SG)

NZ (MTZ hochger) g/d

FuA kg/kg Zuw.

(Stichpr.)

SKM kg

MFA %

(alte Schätzgl.)

SM mm

FM mm

Zu-/Abschlag zum BP* €/kg SG (opt. SG)

Dokum. Abgänge

% Tiere mit Geruchsabwei-

chungen

Sauen 616

(70 %)

492

(820)

(2,79) 91,2 58,5 14,2 63,0 0,00

(+ 0,02) 1,2 %

Kastrate 407

(65 %)

515

(895)

(2,89) 92,7 55,5 17,5 61,8 -0,06

(-0,03) 2,9

Eber 288

(68 %)

Eber vs. K.

513

(903)

+7

(2,58)

-0,31

90,6

-2,1

57,7

+2,3

13,8

-3,7

57,2

-4,6

-0,02

(0,00)

+0,04

2,8 5

In der Mastleistung zeigte sich die erwartete Differenzierung insbesondere zwischen Ebern und Börgen im Futteraufwand. Infolge der deutlich geringeren Fettauflagen am Schlachtkörper lag der Muskelfleischanteil der geschlachteten Eber nach Klassifizie-rung mit Sonde mehr als 2 % über dem der Börge. Während der Schlachtung unter-schieden sich Eber jedoch visuell deutlich von Börgen durch trockenere Bäuche, weni-ger Schinken, mehr Schulter.

Aus dem Exaktfütterungsversuch ließ sich auch quantifizieren, dass die Ausschlach-tung bei Ebern erwartungsgemäß um 1 bis 1,5 % geringer als bei Kastraten (77,7 %), die ca. 1 % schlechter ausschlachten als Sauen (78,8 %).

Wie rechnet sich „Ebermast“ Natürlich erfolgte die Bewertung der Wirtschaftlichkeit der Mast intakter bzw. geimpf-ter Eber. Im Exaktfütterungsversuch wurde der Überschuss über die Futterkosten als Bewertungskriterium verwendet. Danach standen bei geimpften Eber den um 7,50 € höheren Schlachterlösen um fast 4 € angestiegene Futterkosten und zusätzliche Medi-kamente- und Tierarztkosten in Höhe von 4,50 € für die Impfung entgegen. Im Ver-gleich zu den chirurgisch kastrierten Tieren waren die Überschüsse aus Schlachterlös und Futterkosten demnach geringer. Selbst bei Berücksichtigung des Aufwandes für die chirurgische Kastration (0,10 €/Tier) ist kein Ausgleich gegeben. Die Wirtschaftlichkeit der Ebermast entscheidet sich unter Maßgabe, dass kein Eber als untauglich eingestuft und kostenpflichtig entsorgt werden muss, am Preisbildungssys-tem. Selbst mit den absolut günstigen Futteraufwandwerten von 2,2 kg Futter je kg Zuwachs bzw. einem im Vergleich zu Kastraten um 0,4 kg besseren Futterverwertung kann die Ebermast bei einer festen Preisbasis von 0,04 € unter dem Basispreis am Ver-suchsmaterial schlechter abschneiden als die Mast von Kastraten. Für den Mäster ent-stehen Mindereinnahmen, weil der realisierbare Erlös abzüglich der Futterkosten unter dem der Kastraten liegt. Wirtschaftlich interessant wird die Ebermast im Vergleich zur

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Schriftenreihe der TLL 70 9/2011

Mast von kastrierten Tieren, wenn Ebermasken angewandt werden, die die bessere Bauchqualität berücksichtigen und es gelingt, die Eber ohne Abschläge für Unter- und Übergewicht zu vermarkten. Die im Versuch erfassten Eber wiesen nach der Gruber Schätzgleichung einen mittleren Fleischanteil im Bauch von 60 % auf.

Fazit Thüringer Schweineproduzenten stellen sich der Problematik „Ausstieg aus Kastra-tion“, initiieren Versuche in Zusammenarbeit mit Schlachtbetrieben, oder nutzen zur-zeit auch schon das Angebot der Eberschlachtung in anderen Bundesländern (TÖN-NIES). Bei konventioneller Mast erreichen intakte Eber Masttagszunahmen, die zwi-schen denen von Sauen und Kastraten lagen. Bei der Alternative „Impfung gegen Eber-geruch“ entscheidet der Zeitpunkt der 2. Impfung über Schlachtgewichte und Ertrag. Zu leichte Schlachtkörper führen zu empfindlichen Abzügen. Wenn ein Umstieg auf die Ebermast erfolgt, dann sind modifizierte Preisbildungssysteme notwendig, um Wirt-schaftlichkeit zu gewährleisten. Die Schlachtkörperzusammensetzung rechtfertigt ei-nen mit Sauen vergleichbaren Preis je kg Schlachtgewicht. Generell muss der Proble-matik des Ebergeruchs mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden, da in den eigenen Versuchen ein deutlich höherer Anteil belasteter Schlachtkörper (25 bis 40 % über Verbraucherpannel) gefunden wurde. Eine Verarbeitung dieser Schlachtkörper kann bei höheren Anteilen zu einem Verzehrsrückgang von Schweinefleisch führen. Ein zu schneller Ausstieg aus der Kastration könnte zu erheblichen Einbrüchen im Absatz von Schweinefleisch oder zu einer Spaltung des Marktes führen. Dann würden die Ferkel-produzenten mit hoher Wahrscheinlichkeit am stärksten betroffen sein. Dass dies nicht geschieht, steht in der Verantwortung aller Beteiligten.