nuz-preis

1
DONNERSTAG, 16. JUNI 2011 NUMMER 137 35 Feuilleton regional dem Theater und seiner Sprache. Ich genieße den Kontakt mit dem Publikum. Natürlich bringt aber das Versmaß eine komplett andere Ar- beitsweise – und die Herausforde- rung, die Verse in einen normalen Sprachduktus zu überführen. Es geht darum, die Sprache mit Leben und Natürlichkeit zu erfüllen. Die Buhlschaft wurde auch in Salz- burg immer wieder von prominenten Schauspielerinnen wie Senta Berger oder Veronica Ferres übernommen. Worin liegt der Reiz dieser Rolle? Neubauer: Die Buhlschaft ist eigent- lich eine eher kleine Rolle – aber eine mit viel Tradition. Die Buhl- schaft ist eine Metapher, ein Sinn- bild einer speziellen Sorte Frau, die auch nicht ohne Kritik dargestellt wird. „Das Vollweib stahl allen die Schau“ schrieb vor Jahren ein Kollege über die Inszenierung. Seitdem sind Sie als Fernsehschauspielerin noch erfolgrei- cher und vor allem vielseitiger gewor- den. Haben Sie 2011 einen anderen Bezug zur „Buhlschaft“? Neubauer: Natürlich entwickelt man sich immer weiter. Aber die Buhl- schaft ist, wie sie ist. Ich bin eine Verfechterin der Idee, eine Rolle so zu belassen, wie sie sich der Autor gedacht hat. Der „Jedermann“ ent- stammt einer Zeit voll Opulenz und Lebenslust. Die Buhlschaft ist nun mal kein vertrocknetes Mauerblüm- chen. Im „Jedermann“ geht es um einen ego- istischen Kapitalisten, der im Ange- sicht des Todes zur christlichen Nächs- tenliebe bekehrt wird. Eine aktuelle Botschaft auch in unserer Zeit? Neubauer: Das ist sicher ein Aspekt, der die Zuschauer immer wieder zum Nachdenken anregt – obwohl das Stück bereits 100 Jahre alt ist. Je- der Mensch steht irgendwann vor der Situation, dass ein Strich unter seine Rechnung gezogen wird. Die- ses Thema verliert nie an Aktualität und bewegt nach wie vor. Interview: Marcus Golling O „Jedermann“ nach Hugo von Hoff- mannsthal am Donnerstag, 14. Juli, um 20 Uhr im Klosterhof Wiblingen. Kar- ten für diese und die anderen Veran- staltungen der dortigen Sommerfestspiele gibt es beim Ticketservice der Neu-Ul- mer Zeitung, Telefon (0731) 7071-44. Neu-Ulm/Wiblingen Keine Schau- spielerin ist so oft im deutschen Fernsehen zu sehen wie Christine Neubauer. Dass sie inzwischen weit mehr ist als das „Vollweib“, hat die 49-Jährige zuletzt unter anderem als Nonne und Privatsekretärin des späteren Papstes Pius XII. in „Got- tes mächtige Dienerin“ gezeigt. Bei den Sommerfestspielen im Wiblin- ger Klosterhof ist sie am 14. Juli aber in einer der Paraderollen pral- ler Weiblichkeit zu erleben: Christi- ne Neubauer spielt die Buhlschaft in der „Jedermann“-Inszenierung von Peter Willy Willmann. Mit der NUZ sprach sie im Vorfeld am Te- lefon. Frau Neubauer, der „Jedermann“ ist einer der deutschsprachigen Bühnen- klassiker. Wie sah Ihr erster Kontakt mit dem Stück aus? Christine Neubauer: Mein erster Kontakt war ganz klassisch in Salz- burg. Damals habe ich als junge Schauspielerin mit Helmuth Lohner gedreht, der damals den Jedermann gespielt hat. Er hat mich eingeladen. Die Salzburger Festspiele und der „Jedermann“ gehören untrennbar zu- sammen. Warum ist die „Jeder- mann“-Aufführung, bei der Sie in Wiblingen mitwirken, trotzdem eigen- ständig und relevant? Schließlich spie- len die Akteure sogar in Originalkostü- men aus dem Salzburger „Jedermann“ von 1959. Neubauer: Unsere Inszenierung ist an allen Spielorten erfolgreich. Ur- sprünglich war die Aufführung ja nur für Schloss Emmeram in Re- gensburg gedacht. Doch weil die Nachfrage so groß ist, spielen wir den „Jedermann“ in unserer Fas- sung seit mittlerweile acht Jahren. Das war so nicht geplant. Dass so viele Menschen unseren „Jeder- mann“ sehen wollen, zeigt, dass er relevant ist. Zu eigen ist dem „Jedermann“ die be- wusst altertümliche Verssprache. Wie überwindet man als Schauspielerin die Distanz zu dieser künstlichen Spra- che? Neubauer: Auch ich habe meine Kar- riere auf der Bühne begonnen, inso- fern habe ich genug Erfahrung mit „Die Buhlschaft ist nun mal kein vertrocknetes Mauerblümchen“ Interview Die Schauspielerin Christine Neubauer über ihre Rolle im „Jedermann“, der am 14. Juli bei den Sommerfestspielen im Wiblinger Klosterhof zu sehen ist Als Buhlschaft im „Jedermann“ bald im Wiblinger Klosterhof zu erleben: Christine Neubauer. Foto: agt „Unsere Inszenierung ist an allen Spielorten erfolgreich“ Christine Neubauer Kultur kompakt VON FLORIAN L. ARNOLD Ulm Er ist ja so „böse“, der „Michi“ Altinger. Im Ulmer Zelt entzückt das Mensch gewordene Kasperl mit einem pfeffrigen Mix aus altbekann- ten Bosheiten, sattem Spott, Eigeni- ronie und der einen oder anderen nachdenklichen Zeile, was bei einem quirligen Power-Lästermaul wie Altinger durchaus erstaunt. Denn bekannt wurde der 40-jährige Dampfspötter durch Sendungen wie „Ottis Schlachthof“ oder „Die Ko- miker“, wo er die Zote bei den Hör- nern packte und um handfesten Un- sinn rund ums imaginäre „Strunze- nöd“ nie verlegen war. Sein Programm „Schöner Arsch oder: Das Ende vom Ich“ ist ein def- tiger Mix aus all diesen Altinger-Fa- cetten: Das Zappelkasperl, das sich mit zeltumspannendem Grinsen als Beziehungskiller zeigt („Bei mir ham’s alle geplärrt!“) und der Satiri- ker, der im Lied „Satire“ irgendwie distanziert feststellt, dass „Satire nix ändern wird, weil’s zu viele Deppen gibt“. Von der Ein-Mann-Band Martin Julius Faber begleitet, gibt Altinger den Schmalzsänger, den giftigen Bänkelsänger und den bit- terbösen Barden. Die Deppen sind sein Angriffsziel, das er im Frontal- angriff auf die Hörner nimmt, denen er mit lärmigen Parodien, heiterer Verschmitztheit und nachvollzieh- barem Zorn den Garaus zu machen versucht. Da kriegen jene, die ihm mit „Ich hab da einen Spitzenwitz für dein Programm“ ebenso ihr Fett weg wie die „lieben Freunde“, die so sehr nerven, dass „sogar die Zeit denkt: Jetzt möchte ich vergehen“. Altinger rast durch das Gag-Gewit- ter, oftmals sehr routiniert; seine zappelige Performance lässt einen die vielen Satireperlen fast überse- hen und -hören. Hellwache Satire, deftige Zoten Der Kabarettist trumpft immer dann besonders auf, wenn er Alltag, Satire und astreinen Nonsens perso- nalisiert. Grandios blödelt er sich zu Spitzenform, wenn er über seine ei- gene Beerdigungsfeier räsoniert („da soll so ein richtig dickes Mädel My Way plärren“) oder die Ge- stresstheit der iPhone-Generation als Running Gag über den ganzen Abend thematisiert. Ein „Schöner Arsch“ ist einfach jeder, der sich zwischen Midlife-Crisis, Attraktivi- tätszwang und Todesangst aufreibt. Lieber zu Altinger gehen und sich gepflegt auf die Schenkel klopfen. Altinger ist oft böse, aber hinter dem Spitzbubengesicht verbirgt sich ein hellwacher Satiriker, der neben den „Deppen“ auch die Pseudoin- tellektuellen und Quartalsdenker nicht ungeschoren lässt. Hier und da darf sich der Routinier aber ruhig etwas mehr Zeit lassen. Jeder ist ein „schöner Arsch“ Michael Altinger im Ulmer Zelt Premiere für „Schneiderlinge“ Ulm „Die Schneiderlinge von Ulm“, ein Figuren-Dokumentarfilm über die Faszination des Fliegens für die ganze Familie, feiert am Freitag, 17. Juni, im Stadthaus Premiere. Ge- schrieben und gedreht wurde der Film von dem Ulmer Künstlerpaar Mark Klawikowski und Ritti Soncco. Soncco war für Kamera und Schnitt zuständig, Klawikowski für das Figurenspiel, die sieben Figuren baute er selbst, auch das Modell der Stadt Ulm aus dem Vorspann schuf das Künstlerpaar selbst. Für Musik, Animation, Sound Mastering waren Ulmer Künstler wie Jonas Dorn oder Andreas Usenbenz zuständig. In dem Film geht es um Herrn Schneider, einen leidenschaftlichen Erfinder und großen Bewunderer von Albrecht Berblinger. In Beglei- tung von vier Kindern besucht er den Tiergarten Ulm, den RC Mo- dellfliegerclub Ulm/Neu-Ulm und den Zirkusverein Serrando, um mehr über das Fliegen zu lernen. Die Filmpremiere wird von einer Ausstellung der Filmkulisse beglei- tet. Nach den Filmvorführungen werden die Filmemacher eine Füh- rung durch die Ausstellung geben. Making-Of-Videos erlauben einen weiteren Blick hinter den Kulissen. Vorführungen sind um 16 und 20 Uhr, der Eintritt ist frei. (az) Ulm Die Novelle von Robert Luis Stevensons um das schaurige Dop- pelleben des Dr. Jekyll aus dem 19. Jahrhundert stand schon Pate für zahlreiche Adaptionen in der Litera- tur und auf der Bühne. So nahmen sich auch Mareike Jonas und Wolf- gang Neruda des spannenden Thril- lers an. Im Gegensatz zur Original- version und deren Thematisierung der Doppelmoral in der aufkom- menden Industrialisierung stellt das Stück „Jackie und Hyde“ die Frage, ob es legitim sei, einige Leben zu opfern, um Tausende zu retten. Derzeit ist es in einer Inszenierung des „Theaters in der Westentasche“ im Grünen Hof zu sehen. Schlüsselfigur der Handlung ist die ehrgeizige Forscherin Jaqueline Heinrich. Schauspielerin Michaela Kampka meistert gekonnt die an- spruchsvolle Doppelrolle von Gut und Böse. Sie entfesselt im Selbst- versuch das Wesen der Evelyn Hyde. Regisseur Thomas Dentler überzeichnet bunte Figuren für das Stück, die vor gewohnt kargem Bühnenbild in die Falle der männer- mordenden Forscherin tappen. Zum finalen Showdown richtet sich Dentler jedoch an sein Publi- kum. Dabei klagt er den Egoismus unserer Ellenbogengesellschaft an und stellt gleich im Anschluss die Frage, ob es doch gerade unsere durchsetzungsstarken Vorgänger waren, die das Überleben der Stein- zeitmenschen ermöglichten. Sei es legitim, wenn ein Soldat tötet, um einen mutmaßlichen Selbstmordat- tentäter zu stoppen? Letztlich fragt er, wie unverrückbar die Maßstäbe unserer Gesellschaft sind. (anbr) O Weitere Aufführungen am 17., 18., 24. und 25. Juni sowie am 1. und 2. Juli, jeweils um 20.30 Uhr. Wechselspiel von Gut und Böse „Jackie und Hyde“ im Freilichttheater Michaela Kampka meistert gekonnt die Doppelrolle von Gut und Böse. Foto: anbr Auszeichnung für Neu-Ulmer „Helden“ Neu-Ulm/Bamberg Starker Auftritt für das AuGuSTheater bei den 29. Bayerischen Theatertagen in Bam- berg. Die Neu-Ulmer Bühne gab dort seine selbst verfasste Farce „Helden auf dem Abstellgleis“ zum letzten Mal – und wurde nach Anga- ben der Macher Claudia Riese und Heinz Koch richtig überrascht, weil das Stück sogar mit einer Auszeich- nung bedacht wurde. Die Jury vergab einen Sonder- preis an die Neu-Ulmer Profibühne. Katja Hofmann, die für die Organi- sation verantwortliche Dramaturgin vom E.T.A.-Hoffmann-Theater, schreibt den Neu-Ulmern (die bei der Schlussfeier nicht anwesend sein konnten) in einem Brief unter ande- rem: „Natürlich gibt es auch eine wunderschöne Urkunde, von allen sieben Fachjuroren unterschrieben und sogar in einer Mappe in unse- rem E.T.A.-Hoffmann-Theater- rot“. An den Theatertagen hatten 27 Theater mit 44 Stücken teilgenom- men. Die „Helden“ waren im „Showroom Müller 7“, einem Ein- richtungshaus zu sehen. In dem Stück spielten Heinz Koch als „Ma- rio“, Richard Aigner als „Diabe- tes“, Gerhard Hulka als „Hepatitis“ und Lena Böhm als „Schwester Do- ris“. (az) NEU-ULM Die Tierwelt entdecken im Edwin Scharff Museum Einen wahren Zoo kann man derzeit im Edwin Scharff Museum am Neu-Ulmer Petrusplatz entdecken. Um die Sonderausstellung „Giraf- fe, Pudel, Dromedar – Tierplastik deutscher Bildhauer des 20. Jahr- hunderts“ und parallel dazu die Ka- binettsausstellung des Künstlers Thomas Putze „Wilde Tiere“ inten- siver kennenzulernen, gibt es am Sonntag, den 19. Juni, um 11.30 Uhr eine Führung, die sich den vielen Seiten der Tiere nähert. Speziell an Kinder und Eltern gibt es am glei- chen Tag ein weiteres Angebot. Um 14.30 Uhr stellt das Klappmaul- puppen-Kamel Suleika mit seiner Kamelführerin Anja Müller, be- gleitet von Claudia Maschke, die dort versammelten Tierplastiken einmal aus der Sicht der Tiere vor. Die Führungen sind kostenlos, es muss jeweils nur die Eintrittsgebühr entrichtet werden. (az) In Wiblingen wird eine ursprünglich textlich gestraffte Fassung aufge- führt. Neben Christine Neubauer ist da- rin unter anderem Peter Willy Will- mann als Jedermann zu sehen. Die In- szenierung bietet ein Spektakel mit Falken, Pferden, Fackeln, Morisken- tänzern und mittelalterlicher Musik. Für die Wiblinger Inszenierung wer- den noch Kinder-Statisten gesucht. Vier Mädchen oder Buben zwischen fünf und acht Jahren haben die Chance mitzumachen. Interessierte El- tern melden sich bitte bei der Pro- duktion Carpe artem, Telefon (089) 33 03 56 68 21. (mgo) Das Stück „Jedermann. Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ von Hugo von Hofmannsthal erlebte seine Uraufführung 1911 in Berlin. Seit 1920 ist es jährlicher Bestandteil der Salzburger Festspiele. Das Drama ist inspiriert von früh- mittelalterlichen Mysterienspie- len. Im Zentrum des Stückes steht der reiche und geizige Jedermann, der auf einem Fest, das er gemeinsam mit seiner Buhlschaft besucht, plötzlich Besuch vom Tod bekommt. Im Ange- sicht seines Endes kehrt Jedermann um – und erfährt doch noch die Gnade Gottes. Der „Jedermann“ und seine Geschichte Wie von Kinderhand Galerie Schrade Irene Fastners vordergründig naive Malerei Ulm Deutlicher könnte der Gegen- satz nicht sein: Nach den altmeister- lichen Akten von Pavel Feinstein zeigt die Galerie Tobias Schrade im Fischerviertel in ihrer neuen Aus- stellung „Bilder, Menschen, Tiere“ plakative, naiv wirkende Malerei der Münchner Künstlerin Irene Fastner. Doch sind die verspielt wirkenden Bilder keineswegs kind- liche Schmiererei. Irene Fastner, geboren 1963 in Zwiesel, studierte an der Münchner Akademie und gehört bereits seit 2000 zum Künstlerstamm von Schrade. Sie orientiert sich an naiver alpenländischer Malerei, setzt aber auch die Tradition der „Art Brut“ fort, die Kinder und Laien zu Künstlern machte. Auch Fastner stellt ihre Figuren, überwiegend Frauen, in Frontalperspektive dar, Proportionen, Farbgebung und räumliche Darstellung sind frei von jeglichem Realismus. Doch sie erzählen surreale Ge- schichten, persönliche Erlebnisse der Malerin, die der Betrachter aber selbst entschlüsseln muss – und die oft auch unter der Oberfläche ver- borgen sind. Fastners Gemälde ent- stehen in langen Malprozessen, in denen die Leinwand immer wieder übermalt wird. Manchmal sind in Schemen noch andere Darstellungen erkennbar, manchmal sind sie auch freigelegt. Doch die primitiven Fi- guren, die schematischen Formen sind vor allem der Rahmen für die Farbe: Sie spielt die Hauptrolle in Irene Fastners Bildern. (mgo) O Ausstellung noch bis 7. Juli. Entstanden bei einem Arbeitsaufenthalt in Mecklenburg-Vorpommern: „Drei Frauen am Strand“ von Irene Fastner. Foto: Galerie Schrade

description

Der „Jedermann“ und seine Geschichte Als Buhlschaft im „Jedermann“ bald im Wiblinger Klosterhof zu erleben: Christine Neubauer. „Unsere Inszenierung ist an allen Spielorten erfolgreich“ Hellwache Satire, deftige Zoten Entstanden bei einem Arbeitsaufenthalt in Mecklenburg-Vorpommern: „Drei Frauen am Strand“ von Irene Fastner. sind vor allem der Rahmen für die Farbe: Sie spielt die Hauptrolle in Irene Fastners Bildern. (mgo) DONNERSTAG, 16. JUNI 2011 NUMMER 137 NEU-ULM Foto: agt

Transcript of nuz-preis

Page 1: nuz-preis

DONNERSTAG, 16. JUNI 2011 NUMMER 137 35Feuilleton regional

dem Theater und seiner Sprache.Ich genieße den Kontakt mit demPublikum. Natürlich bringt aber dasVersmaß eine komplett andere Ar-beitsweise – und die Herausforde-rung, die Verse in einen normalenSprachduktus zu überführen. Esgeht darum, die Sprache mit Lebenund Natürlichkeit zu erfüllen.

Die Buhlschaft wurde auch in Salz-burg immer wieder von prominentenSchauspielerinnen wie Senta Bergeroder Veronica Ferres übernommen.Worin liegt der Reiz dieser Rolle?Neubauer: Die Buhlschaft ist eigent-lich eine eher kleine Rolle – abereine mit viel Tradition. Die Buhl-schaft ist eine Metapher, ein Sinn-bild einer speziellen Sorte Frau, dieauch nicht ohne Kritik dargestelltwird.

„Das Vollweib stahl allen die Schau“schrieb vor Jahren ein Kollege über dieInszenierung. Seitdem sind Sie alsFernsehschauspielerin noch erfolgrei-cher und vor allem vielseitiger gewor-den. Haben Sie 2011 einen anderenBezug zur „Buhlschaft“?Neubauer: Natürlich entwickelt mansich immer weiter. Aber die Buhl-schaft ist, wie sie ist. Ich bin eineVerfechterin der Idee, eine Rolle sozu belassen, wie sie sich der Autorgedacht hat. Der „Jedermann“ ent-stammt einer Zeit voll Opulenz undLebenslust. Die Buhlschaft ist nunmal kein vertrocknetes Mauerblüm-chen.

Im „Jedermann“ geht es um einen ego-istischen Kapitalisten, der im Ange-sicht des Todes zur christlichen Nächs-tenliebe bekehrt wird. Eine aktuelleBotschaft auch in unserer Zeit?Neubauer: Das ist sicher ein Aspekt,der die Zuschauer immer wiederzum Nachdenken anregt – obwohldas Stück bereits 100 Jahre alt ist. Je-der Mensch steht irgendwann vorder Situation, dass ein Strich unterseine Rechnung gezogen wird. Die-ses Thema verliert nie an Aktualitätund bewegt nach wie vor.

Interview: Marcus Golling

O „Jedermann“ nach Hugo von Hoff-mannsthal am Donnerstag, 14. Juli,um 20 Uhr im Klosterhof Wiblingen. Kar-ten für diese und die anderen Veran-staltungen der dortigen Sommerfestspielegibt es beim Ticketservice der Neu-Ul-mer Zeitung, Telefon (0731) 7071-44.

Neu-Ulm/Wiblingen Keine Schau-spielerin ist so oft im deutschenFernsehen zu sehen wie ChristineNeubauer. Dass sie inzwischen weitmehr ist als das „Vollweib“, hat die49-Jährige zuletzt unter anderem alsNonne und Privatsekretärin desspäteren Papstes Pius XII. in „Got-tes mächtige Dienerin“ gezeigt. Beiden Sommerfestspielen im Wiblin-ger Klosterhof ist sie am 14. Juliaber in einer der Paraderollen pral-ler Weiblichkeit zu erleben: Christi-ne Neubauer spielt die Buhlschaft inder „Jedermann“-Inszenierung vonPeter Willy Willmann. Mit derNUZ sprach sie im Vorfeld am Te-lefon.

Frau Neubauer, der „Jedermann“ isteiner der deutschsprachigen Bühnen-klassiker. Wie sah Ihr erster Kontaktmit dem Stück aus?Christine Neubauer: Mein ersterKontakt war ganz klassisch in Salz-burg. Damals habe ich als jungeSchauspielerin mit Helmuth Lohnergedreht, der damals den Jedermanngespielt hat. Er hat mich eingeladen.

Die Salzburger Festspiele und der„Jedermann“ gehören untrennbar zu-sammen. Warum ist die „Jeder-mann“-Aufführung, bei der Sie inWiblingen mitwirken, trotzdem eigen-ständig und relevant? Schließlich spie-len die Akteure sogar in Originalkostü-men aus dem Salzburger „Jedermann“von 1959.Neubauer: Unsere Inszenierung istan allen Spielorten erfolgreich. Ur-sprünglich war die Aufführung janur für Schloss Emmeram in Re-gensburg gedacht. Doch weil dieNachfrage so groß ist, spielen wirden „Jedermann“ in unserer Fas-sung seit mittlerweile acht Jahren.Das war so nicht geplant. Dass soviele Menschen unseren „Jeder-mann“ sehen wollen, zeigt, dass errelevant ist.

Zu eigen ist dem „Jedermann“ die be-wusst altertümliche Verssprache. Wieüberwindet man als Schauspielerin dieDistanz zu dieser künstlichen Spra-che?Neubauer: Auch ich habe meine Kar-riere auf der Bühne begonnen, inso-fern habe ich genug Erfahrung mit

„Die Buhlschaft ist nun mal keinvertrocknetes Mauerblümchen“

Interview Die Schauspielerin Christine Neubauer über ihre Rolle im „Jedermann“,der am 14. Juli bei den Sommerfestspielen im Wiblinger Klosterhof zu sehen ist

Als Buhlschaft im „Jedermann“ bald im Wiblinger Klosterhof zu erleben: Christine

Neubauer. Foto: agt

„Unsere Inszenierung ist anallen Spielorten erfolgreich“

Christine Neubauer

Kultur kompakt

VON FLORIAN L. ARNOLD

Ulm Er ist ja so „böse“, der „Michi“Altinger. Im Ulmer Zelt entzücktdas Mensch gewordene Kasperl miteinem pfeffrigen Mix aus altbekann-ten Bosheiten, sattem Spott, Eigeni-ronie und der einen oder anderennachdenklichen Zeile, was bei einemquirligen Power-Lästermaul wieAltinger durchaus erstaunt. Dennbekannt wurde der 40-jährigeDampfspötter durch Sendungen wie„Ottis Schlachthof“ oder „Die Ko-miker“, wo er die Zote bei den Hör-nern packte und um handfesten Un-sinn rund ums imaginäre „Strunze-nöd“ nie verlegen war.

Sein Programm „Schöner Arschoder: Das Ende vom Ich“ ist ein def-tiger Mix aus all diesen Altinger-Fa-cetten: Das Zappelkasperl, das sichmit zeltumspannendem Grinsen alsBeziehungskiller zeigt („Bei mirham’s alle geplärrt!“) und der Satiri-ker, der im Lied „Satire“ irgendwiedistanziert feststellt, dass „Satire nixändern wird, weil’s zu viele Deppengibt“. Von der Ein-Mann-BandMartin Julius Faber begleitet, gibtAltinger den Schmalzsänger, dengiftigen Bänkelsänger und den bit-terbösen Barden. Die Deppen sindsein Angriffsziel, das er im Frontal-angriff auf die Hörner nimmt, denener mit lärmigen Parodien, heitererVerschmitztheit und nachvollzieh-barem Zorn den Garaus zu machenversucht. Da kriegen jene, die ihmmit „Ich hab da einen Spitzenwitzfür dein Programm“ ebenso ihr Fettweg wie die „lieben Freunde“, dieso sehr nerven, dass „sogar die Zeitdenkt: Jetzt möchte ich vergehen“.Altinger rast durch das Gag-Gewit-ter, oftmals sehr routiniert; seinezappelige Performance lässt einendie vielen Satireperlen fast überse-hen und -hören.

Hellwache Satire,deftige Zoten

Der Kabarettist trumpft immerdann besonders auf, wenn er Alltag,Satire und astreinen Nonsens perso-nalisiert. Grandios blödelt er sich zuSpitzenform, wenn er über seine ei-gene Beerdigungsfeier räsoniert(„da soll so ein richtig dickes MädelMy Way plärren“) oder die Ge-stresstheit der iPhone-Generationals Running Gag über den ganzenAbend thematisiert. Ein „SchönerArsch“ ist einfach jeder, der sichzwischen Midlife-Crisis, Attraktivi-tätszwang und Todesangst aufreibt.Lieber zu Altinger gehen und sichgepflegt auf die Schenkel klopfen.Altinger ist oft böse, aber hinterdem Spitzbubengesicht verbirgt sichein hellwacher Satiriker, der nebenden „Deppen“ auch die Pseudoin-tellektuellen und Quartalsdenkernicht ungeschoren lässt. Hier und dadarf sich der Routinier aber ruhigetwas mehr Zeit lassen.

Jeder istein „schöner

Arsch“Michael Altinger

im Ulmer Zelt

Premiere für„Schneiderlinge“

Ulm „Die Schneiderlinge von Ulm“,ein Figuren-Dokumentarfilm überdie Faszination des Fliegens für dieganze Familie, feiert am Freitag, 17.Juni, im Stadthaus Premiere. Ge-schrieben und gedreht wurde derFilm von dem Ulmer KünstlerpaarMark Klawikowski und RittiSoncco. Soncco war für Kamera undSchnitt zuständig, Klawikowski fürdas Figurenspiel, die sieben Figurenbaute er selbst, auch das Modell derStadt Ulm aus dem Vorspann schufdas Künstlerpaar selbst. Für Musik,Animation, Sound Mastering warenUlmer Künstler wie Jonas Dornoder Andreas Usenbenz zuständig.

In dem Film geht es um HerrnSchneider, einen leidenschaftlichenErfinder und großen Bewunderervon Albrecht Berblinger. In Beglei-tung von vier Kindern besucht erden Tiergarten Ulm, den RC Mo-dellfliegerclub Ulm/Neu-Ulm undden Zirkusverein Serrando, ummehr über das Fliegen zu lernen.

Die Filmpremiere wird von einerAusstellung der Filmkulisse beglei-tet. Nach den Filmvorführungenwerden die Filmemacher eine Füh-rung durch die Ausstellung geben.Making-Of-Videos erlauben einenweiteren Blick hinter den Kulissen.

Vorführungen sind um 16 und 20Uhr, der Eintritt ist frei. (az)

Ulm Die Novelle von Robert LuisStevensons um das schaurige Dop-pelleben des Dr. Jekyll aus dem 19.Jahrhundert stand schon Pate fürzahlreiche Adaptionen in der Litera-tur und auf der Bühne. So nahmensich auch Mareike Jonas und Wolf-gang Neruda des spannenden Thril-lers an. Im Gegensatz zur Original-version und deren Thematisierungder Doppelmoral in der aufkom-menden Industrialisierung stellt dasStück „Jackie und Hyde“ die Frage,ob es legitim sei, einige Leben zuopfern, um Tausende zu retten.Derzeit ist es in einer Inszenierungdes „Theaters in der Westentasche“im Grünen Hof zu sehen.

Schlüsselfigur der Handlung istdie ehrgeizige Forscherin JaquelineHeinrich. Schauspielerin MichaelaKampka meistert gekonnt die an-spruchsvolle Doppelrolle von Gutund Böse. Sie entfesselt im Selbst-versuch das Wesen der EvelynHyde. Regisseur Thomas Dentlerüberzeichnet bunte Figuren für dasStück, die vor gewohnt kargemBühnenbild in die Falle der männer-mordenden Forscherin tappen.

Zum finalen Showdown richtetsich Dentler jedoch an sein Publi-kum. Dabei klagt er den Egoismusunserer Ellenbogengesellschaft anund stellt gleich im Anschluss dieFrage, ob es doch gerade unseredurchsetzungsstarken Vorgängerwaren, die das Überleben der Stein-zeitmenschen ermöglichten. Sei eslegitim, wenn ein Soldat tötet, umeinen mutmaßlichen Selbstmordat-tentäter zu stoppen? Letztlich fragter, wie unverrückbar die Maßstäbeunserer Gesellschaft sind. (anbr)

OWeitere Aufführungen am 17., 18.,24. und 25. Juni sowie am 1. und 2.Juli, jeweils um 20.30 Uhr.

Wechselspielvon Gut

und Böse„Jackie und Hyde“ im

Freilichttheater

Michaela Kampka meistert gekonnt die

Doppelrolle von Gut und Böse. Foto: anbr

Auszeichnung fürNeu-Ulmer „Helden“Neu-Ulm/Bamberg Starker Auftrittfür das AuGuSTheater bei den 29.Bayerischen Theatertagen in Bam-berg. Die Neu-Ulmer Bühne gabdort seine selbst verfasste Farce„Helden auf dem Abstellgleis“ zumletzten Mal – und wurde nach Anga-ben der Macher Claudia Riese undHeinz Koch richtig überrascht, weildas Stück sogar mit einer Auszeich-nung bedacht wurde.

Die Jury vergab einen Sonder-preis an die Neu-Ulmer Profibühne.Katja Hofmann, die für die Organi-sation verantwortliche Dramaturginvom E.T.A.-Hoffmann-Theater,schreibt den Neu-Ulmern (die beider Schlussfeier nicht anwesend seinkonnten) in einem Brief unter ande-rem: „Natürlich gibt es auch einewunderschöne Urkunde, von allensieben Fachjuroren unterschriebenund sogar in einer Mappe in unse-rem E.T.A.-Hoffmann-Theater-rot“.

An den Theatertagen hatten 27Theater mit 44 Stücken teilgenom-men. Die „Helden“ waren im„Showroom Müller 7“, einem Ein-richtungshaus zu sehen. In demStück spielten Heinz Koch als „Ma-rio“, Richard Aigner als „Diabe-tes“, Gerhard Hulka als „Hepatitis“und Lena Böhm als „Schwester Do-ris“. (az)

NEU-ULM

Die Tierwelt entdecken imEdwin Scharff MuseumEinen wahren Zoo kann man derzeitim Edwin Scharff Museum amNeu-Ulmer Petrusplatz entdecken.Um die Sonderausstellung „Giraf-fe, Pudel, Dromedar – Tierplastikdeutscher Bildhauer des 20. Jahr-hunderts“ und parallel dazu die Ka-binettsausstellung des KünstlersThomas Putze „Wilde Tiere“ inten-siver kennenzulernen, gibt es amSonntag, den 19. Juni, um 11.30 Uhreine Führung, die sich den vielenSeiten der Tiere nähert. Speziell anKinder und Eltern gibt es am glei-chen Tag ein weiteres Angebot. Um14.30 Uhr stellt das Klappmaul-puppen-Kamel Suleika mit seinerKamelführerin Anja Müller, be-gleitet von Claudia Maschke, diedort versammelten Tierplastikeneinmal aus der Sicht der Tiere vor.Die Führungen sind kostenlos, esmuss jeweils nur die Eintrittsgebührentrichtet werden. (az)

● In Wiblingen wird eine ursprünglichtextlich gestraffte Fassung aufge-führt. Neben Christine Neubauer ist da-rin unter anderem Peter Willy Will-mann als Jedermann zu sehen. Die In-szenierung bietet ein Spektakel mitFalken, Pferden, Fackeln, Morisken-tänzern und mittelalterlicher Musik.● Für die Wiblinger Inszenierung wer-den noch Kinder-Statisten gesucht.Vier Mädchen oder Buben zwischenfünf und acht Jahren haben dieChance mitzumachen. Interessierte El-tern melden sich bitte bei der Pro-duktion Carpe artem, Telefon (089)33 03 56 68 21. (mgo)

● Das Stück „Jedermann. Das Spielvom Sterben des reichen Mannes“von Hugo von Hofmannsthal erlebteseine Uraufführung 1911 in Berlin.Seit 1920 ist es jährlicher Bestandteilder Salzburger Festspiele.● Das Drama ist inspiriert von früh-mittelalterlichen Mysterienspie-len. Im Zentrum des Stückes steht derreiche und geizige Jedermann, derauf einem Fest, das er gemeinsam mitseiner Buhlschaft besucht, plötzlichBesuch vom Tod bekommt. Im Ange-sicht seines Endes kehrt Jedermannum – und erfährt doch noch die GnadeGottes.

Der „Jedermann“ und seine Geschichte

Wie von KinderhandGalerie Schrade Irene Fastners vordergründig naive Malerei

Ulm Deutlicher könnte der Gegen-satz nicht sein: Nach den altmeister-lichen Akten von Pavel Feinsteinzeigt die Galerie Tobias Schrade imFischerviertel in ihrer neuen Aus-stellung „Bilder, Menschen, Tiere“plakative, naiv wirkende Malereider Münchner Künstlerin IreneFastner. Doch sind die verspieltwirkenden Bilder keineswegs kind-liche Schmiererei.

Irene Fastner, geboren 1963 inZwiesel, studierte an der MünchnerAkademie und gehört bereits seit2000 zum Künstlerstamm vonSchrade. Sie orientiert sich an naiveralpenländischer Malerei, setzt aberauch die Tradition der „Art Brut“fort, die Kinder und Laien zuKünstlern machte. Auch Fastnerstellt ihre Figuren, überwiegendFrauen, in Frontalperspektive dar,Proportionen, Farbgebung undräumliche Darstellung sind frei vonjeglichem Realismus.

Doch sie erzählen surreale Ge-schichten, persönliche Erlebnisseder Malerin, die der Betrachter aberselbst entschlüsseln muss – und dieoft auch unter der Oberfläche ver-borgen sind. Fastners Gemälde ent-stehen in langen Malprozessen, indenen die Leinwand immer wieder

übermalt wird. Manchmal sind inSchemen noch andere Darstellungenerkennbar, manchmal sind sie auchfreigelegt. Doch die primitiven Fi-guren, die schematischen Formen

sind vor allem der Rahmen für dieFarbe: Sie spielt die Hauptrolle inIrene Fastners Bildern. (mgo)

O Ausstellung noch bis 7. Juli.

Entstanden bei einem Arbeitsaufenthalt in Mecklenburg-Vorpommern: „Drei Frauen

am Strand“ von Irene Fastner. Foto: Galerie Schrade