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Ober- bayerischer Kulturpreis 2016 Gabriel Mayer Charlotte Knobloch Soziales | Gesundheit | Bildung | Kultur | Umwelt | Heimatpflege

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Ober- bayerischer Kulturpreis 2016

Gabriel Mayer

Charlotte Knobloch

Soziales | Gesundheit | Bildung | Kultur | Umwelt | Heimatpflege

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Oberbayerischer Kulturpreis 2016

Verleihung anDr. h. c. Charlotte Knobloch,Präsidentin der Israelitischen Kultus-gemeinde München und OberbayernDr. Gabriel Mayer, langjähriger Leiter der Mayer’schen Hofkunstanstalt in München

im Kloster Seeon, Kultur- und Bildungszentrum des Bezirks Oberbayern

10. Juli 2016

2011: Von Georg Baselitz ent-worfenes Glasmalerei-Fenster „Adler“ im Ausstellungssaal der Mayer’schen Hofkunstanstalt. Am Boden der Ausschnitt eines Mosaiks von Ron Moppet für Calgary/Kanada.

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Grußwort | 5

die Führungen durch die Synagoge. In deren Inneres gelangt man über den Gang der Erinnerung, der – wie eingangs erwähnt – in der Mayer’schen Hof-kunstanstalt entstanden ist.

Über ein halbes Jahr lang dauerte der Prozess, in dem Gabriel Mayer mit dem Künstler Georg Soanca-Pollack und Handwerkern der Hofkunstanstalt nach einer würdigen Form für die Darstellung der Namen gesucht haben. Wie in vielen anderen Fällen auch gab es dafür kein Vorbild, die Lösung musste quasi neu „erfunden“ werden. Gerade diese enge Zusam-menarbeit hat die ausgezeichnete handwerkliche und künstlerische Qualität des Münchner Betriebs international bekannt gemacht. Namhafte Künstler und Architekten – darunter Kiki Smith, Julian Opie, Eric Fischl, Mel Bochner, Georg Baselitz oder Herzog de Meuron – haben ihre Werke bei Gabriel Mayer „in Auftrag gegeben“.

Wie bei anderen Handwerkskünsten auch sind es am Ende die Namen der Auftraggeber, die in einem Atemzug mit den bewunderten Werken in Kirchen oder Flughäfen, U-Bahn-Stationen oder Universitä-ten genannt werden. Und kaum jemand weiß, wo und wie die Werke entstanden sind, die es ohne die Sachkenntnis des Kunsthandwerkers, seiner Erfahrung und seinem Gespür für den Künstler und dessen Werk nicht gäbe. Gabriel Mayer hat darüber hinaus eine große Offenheit für Neues mitgebracht und so den altehrwürdigen Familienbetrieb nicht nur über Krisen hinweg erhalten, sondern auch

künstlerisch vorangebracht. Glaskunst-Werke aus der Mayer’schen Hofkunstanstalt sind heute in der ganzen Welt zu finden: in den USA und Canada, in zahlreichen europäischen Ländern, in Saudi-Arabien und und und…

Dass die Kultur in München und Oberbayern heute so reich und vielfältig ist, haben wir Menschen wie Charlotte Knobloch und Gabriel Mayer zu verdanken. Ihr Werk ist im wahrsten Sinne des Wortes wegwei-send, weil es nicht nur weit über die Region hinaus, sondern auch weit in die Zukunft hineinwirkt: Wer ernsthaft dafür Sorge trägt, dass Rassismus und Antisemitismus, Hass und Zerstörung bei uns nicht gesellschaftsfähig werden und unterschiedliche Meinungen im Dialog verhandelt werden, der hat die Zukunft im Blick. Wer überlieferte handwerkliche Tra-dition mit innovativen Techniken verbindet, der hält sie für die nachfolgenden Generationen lebendig. Charlotte Knobloch und Gabriel Mayer haben sich um Oberbayern verdient gemacht, dafür möchten wir sie heute mit unserem Kulturpreis ehren.

Josef MedererBezirkstagspräsident von Oberbayern

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Charlotte Knobloch und Gabriel Mayer erhalten in diesem Jahr die höchste kulturelle Auszeichnung des Bezirks Oberbayern. Und gleich zu Beginn möchte ich gedanklich an einen Ort führen, an dem beide Preisträger sich in ihrem Wirken begegnen: Es ist der „Gang der Erinnerung“, der die Synagoge und das Jüdische Gemeindezentrum am St.-Jakobs-Platz in München unterirdisch miteinander verbindet. Die beeindruckende 32 Meter lange Gedenkwand aus mehrlagigem Glas erinnert an die über 4.500 Münchner Juden, die während der Zeit des National-sozialismus deportiert und ermordet wurden. Ange-fertigt wurde sie in der Mayer’schen Hofkunstanstalt in München, einem Familienunternehmen, das Gabriel Mayer in vierter Generation bis zur Über-gabe an seinen Sohn im Jahr 2013 leitete.

Der Verbindungsgang ist Teil eines beeindruckenden Ensembles, das es in dieser Form erst seit knapp zehn Jahren gibt. Zu ihm gehören die neue Haupt-synagoge Ohel Jakob und das Jüdische Kultur- und Gemeindehaus mit Versammlungsräumen, einem Restaurant sowie Kindergarten, Schule und Jugend-zentrum sowie das Jüdische Museum, dessen Trägerin die Landeshauptstadt München ist. Zusam-men mit dem Stadtmuseum, der Kirche und dem Kloster St. Jakob am Anger zeugen diese Einrichtun-gen vom Miteinander der Religionen und Kulturen, das hoffnungsvoll in die Zukunft weist. Vor allem vor dem Hintergrund, dass nach der Reichspogromnacht am 9. November 1938 in München keine Einrichtungen oder Synagogen der Israelitischen Kultusgemeinde

Oberbayerischer Kulturpreis 2016Grußwort von Josef Mederer

mehr existierten und vom jüdischen Leben in der Stadt nichts geblieben war.

Dem Engagement von Charlotte Knobloch, der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Mün-chen und Oberbayern und ehemaligen Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland ist es zu verdanken, dass am 9. November 2006 die neue Hauptsynagoge Ohel Jakob in der Münchner Innen-stadt eröffnet werden konnte – genau 68 Jahre nach der Zerstörung der gleichnamigen alten orthodoxen Synagoge in der Herzog-Rudolf-Straße. Zusammen mit dem wenig später eröffneten Jüdischen Kultur-zentrum hat die jüdische Kultur damit wieder einen festen Platz in der Stadt München und in Oberbay-ern bekommen.

Obwohl oder gerade weil sie Zeitzeugin des Holo-causts ist – Charlotte Knobloch hatte als Sechs-jährige die Pogromnacht in München selbst erlebt – war es ihr stets ein besonderes Anliegen, die jüdische Präsenz in Deutschland so zu gestalten, dass Menschen jüdischen Glaubens kulturell und menschlich hier wieder Wurzeln schlagen können. Dass es heute in München ein reiches jüdisches Kul-turleben gibt, ist entscheidend ihr Verdienst. Dabei versteht die jüdische Gemeinde ihr neues Zentrum als Ort der Begegnung und des Miteinanders für alle Bürger und Gäste der Stadt: von den Jüdischen Filmtagen bis hin zu der jährlichen Einladung der Gemeinde zur gemeinsamen Feier des Chanukka-Fests. Sehr großes öffentliches Interesse finden auch

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Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern

Charlotte Knobloch

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Charlotte Knobloch | 98 | Charlotte Knobloch

Charlotte Knobloch ist eine in vielerlei Hinsicht be-deutende Persönlichkeit. Ihre Lebensleistung nötigt höchsten Respekt ab. Als Überlebende der Shoah hat sie dem Land, das so viel Leid über sie gebracht hat, nicht den Rücken gekehrt, sondern ist im Glauben an die Kraft der Versöhnung dort geblieben. Zum Gelingen dieser Versöhnung, zum erneuten Aufblü-hen jüdischen Lebens in Deutschland hat sie selbst enorm beigetragen − zum einen durch die Vor-bildwirkung ihrer eigenen Biografie, zum anderen durch ihr Engagement in zahlreichen Institutionen, Gremien und gesellschaftlichen Bereichen.

Seit über drei Jahrzehnten lenkt sie als Präsidentin die Geschicke der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. In dieser Zeit hat die Gemeinde einen großen Aufschwung genommen, der seinen sichtbaren Ausdruck in der Errichtung des Jüdischen Zentrums am Sankt-Jakobs-Platz fand.Auch innerhalb des Zentralrats der Juden in Deutschland hat sie Verantwortung übernommen, bis hinein ins höchste Amt als Präsidentin in den Jahren von 2006 bis 2010. In dieser Funktion hat sie sich nie gescheut, ihre Stimme zu erheben, insbe-sondere im Kampf gegen rechtsextremistische, demokratiefeindliche und antisemitische Tendenzen in unserem Lande.

Charlotte Knobloch ist eine außergewöhnliche Frau: Als gebürtige Münchnerin ist sie bayerische Patriotin, Deutsche, Europäerin und Weltbürgerin. Sie hat sich jahrzehntelang unermüdlich für die Juden in München, Bayern und Deutschland, für die

Laudatio auf Charlotte Knobloch Von Ludwig Spaenle

demokratischen und rechtsstaatlichen Grundwerte unseres Landes und der freien Welt sowie für das Lebensrecht und den dauerhaften Bestand des Staates Israel engagiert.

Mit pointierten Vorstößen, entschiedenen Stellung-nahmen und leidenschaftlichen Plädoyers ist Charlotte Knobloch stets kraftvoll für ihre Interessen in der Öffentlichkeit eingetreten. Ihr herausragendes Verdienst ist es, dass sie die Interessen der bayeri-schen und deutschen Juden sowie ihren eigenen, ganz persönlichen politischen und gesellschaftlichen Standpunkt mit großem Engagement und Nach-druck vertritt. Ihre Entschiedenheit und ihre Präsenz ist dabei stets eine Bereicherung unserer öffentli-chen Diskussion und des medialen Diskurses.

Als Repräsentantin und Botschafterin des Juden-tums in Deutschland ist es Charlotte Knobloch ein besonderes Anliegen, jüdische Präsenz in Deutsch-land so zu gestalten, dass Menschen jüdischen Glau-bens kulturell und menschlich hier Wurzeln schlagen können. So sagte sie bei der Grundsteinlegung für das Jüdische Zentrum München im Jahr 2003, sie hätte bislang stets einen gepackten Koffer gehabt, um die Stadt und das Land eilig wieder verlassen zu können, wenn es notwendig werde. Mit der Errich-tung des Zentrums am Sankt-Jakobs-Platz sei aber der Tag gekommen, diesen Koffer auszupacken. Denn „wer baut, der bleibt“, so Charlotte Knobloch.

Wir können uns glücklich schätzen, dass sie geblie-ben ist. Gerade für eine nachhaltige politische Bil-dung der Menschen in unserem Land brauchen wir starke Partner wie sie und die jüdische Gemeinde. Der Kampf gegen Extremismus und Antisemitismus ist und bleibt eine Herausforderung für unsere ge-samte Gesellschaft. Erfolgreich werden wir letztlich nur dann sein, wenn alle Beteiligten einen intensiven Dialog führen und gemeinsam Strategien ent-wickeln, um etwaigen Bedrohungen für Demokratie und Menschenwürde in Gegenwart und Zukunft entschieden entgegenzutreten.

Charlotte Knobloch leistet hier einen herausragen-den Beitrag und ist für ihr Wirken vielfach ausge-zeichnet worden. So erhielt sie für ihre Verdienste in der Erinnerungs- und Zukunftsarbeit im Jahr 2013 den Bayerischen Staatspreis für Unterricht und Kultus. Damit wurde ihre Rolle als Zeitzeugin und authentische Lehrerin für junge Menschen in unse-rem Land gewürdigt, denen sie seit Jahrzehnten ihre Erfahrungen und ihre Überzeugungen glaubhaft ver-mittelt. Dabei weist Charlotte Knobloch stets darauf hin, dass die nach dem Krieg Aufgewachsenen keine persönliche Schuld tragen für das, was in Deutsch-land und unter deutscher Verantwortung von 1933 bis 1945 geschehen ist. Zugleich sieht sie die heutige Generation in der Pflicht, die Vergangenheit nicht zu vergessen und sich etwa durch den Besuch von KZ-Gedenkstätten kritisch mit ihr auseinanderzusetzen.

Frühere Synagoge Ohel Jakob in der Herzog-Rudolf-Straße, die bei dem Pogrom am 9. November 1938 verwüstet und niedergebrannt wurde.

Zeitzeugen: Max Mannheimer und Charlotte Knobloch. Mit dem Holocaust-Überlebenden verbindet sie das unermüdliche Engagement, die Erinnerung an das Menschheitsverbrechen wachzuhalten – um der demo-kratischen Zukunft willen.

Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel im neuen Jüdischen Gemeindezentrum der Israelitischen Kultus- gemeinde von München und Oberbayern. Charlotte Kno-bloch mit den Vizepräsidenten Yehoshua Chmiel (rechts) und Marian Offman (links).

Fußball-Leidenschaft: Char-lotte Knobloch zusammen mit Karl-Heinz Rummenigge bei der Buchpräsentation „Der FC Bayern und seine Juden“ von Dietrich Schulze-Marmeling.

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Charlotte Knobloch | 1110 | Charlotte Knobloch

Mit Standhaftigkeit, Sensibilität und großer Über-zeugungskraft gelingt es Charlotte Knobloch, das Bewusstsein der Menschen für ein friedliches Zu-sammenleben in gegenseitiger Toleranz zu schärfen. Besonders deutlich zeigt sich ihre konsequente Haltung am Beispiel ihrer Position im öffentlich ausgetragenen Streit um die sogenannten „Stolper-steine“. Die Idee, von einem Künstler entworfene metallene Pflastersegmente mit den Namen und Lebensdaten von deportierten und ermordeten jüdischen Mitbürgern zur Erinnerung in den Boden einzulassen, ruft durchaus verschiedene Reaktionen hervor. Auch wenn viele Deutsche heute daran kei-nen Anstoß nehmen, ist Charlotte Knobloch anderer Ansicht. Und sie vertritt diese andere Ansicht mit Enthusiasmus, mit Brillanz und mit Schärfe, wie das für den offenen Streit in einer pluralen Gesellschaft notwendig und geboten ist. Damit stößt sie auf Widerstände und Gegenrede, lässt sich aber davon nicht beirren.

Diese Auseinandersetzung um das richtige Erinnern muss sein, weil uns nur dieser offene Disput vor Selbstgewissheit und Vergessen bewahrt. Charlotte Knobloch ist klar gegen die „Stolpersteine“. Sie will nicht, dass Namen und Zeiten, dass die zentralen Erinnerungszeichen an ermordete Menschen auf öffentlichen Gehwegen markiert werden, so dass die Passanten – daran gewöhnt – letztlich immer acht-loser über sie hinwegschreiten. Dass sie diese ihre Meinung so aufrichtig und kämpferisch artikuliert, ist ihr sehr hoch anzurechnen.

Als engagierte Jüdin nimmt Charlotte Knobloch an gegenwärtigen Diskursen mit ihrer ureigenen, sehr persönlichen Haltung teil und verteidigt diese mit Verve und Nachdruck. Nur dort, wo der Widerstreit der Auffassungen offen, klar und entschieden ausge-fochten wird, entsteht und lebt die Demokratie.

Charlotte Knobloch stellt sich diesen Debatten mit ihrer ganzen Person und ist dabei weder bequem noch leise. Sie wird damit zu einem Vorbild für die Öffentlichkeit, die an ihr wahrnehmen kann, dass Auseinandersetzung, Diskurs und Streit für eine plurale Gesellschaft elementar sind. Ihr Agieren im Zusammenspiel von eigenem Standpunkt und der Verpflichtung auf eine europäische Wertordnung ist beispielhaft für unsere gemeinsame politische Kultur.

Charlotte Knobloch ist ein Glück für die bayerischen und deutschen Juden und ein Glück für Bayern und Deutschland. Sie lebt überzeugend vor, wie es

Mal-Aktion mit Kindern der Sinai-Grundschule am Bauzaun des Jüdischen Zentrums.

Chanukka mit Staatsminister Ludwig Spaenle im Dezember 2014 auf dem St.-Jakobs-Platz. Jedes Jahr lädt die Israeli-tische Kultusgemeinde die Öffentlichkeit zum Entzünden der Lichter an den großen Chanukka-Leuchter und zu einem fröhlichen Fest auf den St.-Jakobs-Platz ein.

Einweihung der neuen Münchner Hauptsynagoge Ohel Jakob am 9. November 2006. Mit Oberbürgermeister Christian Ude, Bundespräsident Horst Köhler und Minister-präsident Edmund Stoiber.

Grundsteinlegung für die Synagoge und das Jüdische Zentrum am 9. November 2003.

Er gehörte von Anfang an zu den größten Unterstützern des neuen Jüdischen Zentrums: der Verleger Hubert Burda.

gelingt, im Streit Haltung zu wahren und darauf zu beharren, dass alle Meinungen vorgetragen und ausgetragen werden dürfen und sollen, immer unter der Voraussetzung, dass sie jenes Spielfeld nicht verlassen, das uns der demokratisch verfasste Staat vorgibt. Charlotte Knobloch hat sich Zeit ihres Le-bens durch Engagement, Zivilcourage und Toleranz ausgezeichnet. Darin ist sie bis heute ein Vorbild, insbesondere auch für die junge Generation.

Dr. Ludwig Spaenle, Bayerischer Staatsminister für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst

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Charlotte Knobloch | 1312 | Charlotte Knobloch

Innenansicht der Ohel-Jakob-Synagoge

Ensemble auf dem St.-Jakobs-Platz: die Synagoge Ohel Jakob mit dem Jüdischem Gemeinde-zentrum. Im Hintergrund die Kirche St. Jakob am Anger

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14 | Manfred Treml Manfred Treml | 15

Charlotte KnoblochAktuelle Funktionenseit 1982 Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG)seit 1985 Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern Beauftrage für Holocaust- Gedenken des World Jewish Congress (WJC)

Während ihrer Amtszeit als Präsidentin2003 Grundsteinlegung für die neue Münchner Hauptsynagoge, das Jüdische Gemeindezentrum für die rund 9500 Mitglieder um- fassende Israelitische Kultus- gemeinde München und Ober- bayern und das Jüdische Museum der Landeshauptstadt München2006 Einweihung der neuen Münchner Hauptsynagoge Ohel Jakob 2007 Eröffnung des neuen Jüdischen Gemeindezentrums

Biografie1932 geboren in München als Tochter des Münchner Rechtsanwalts und späteren bayerischen Senators Fritz Neuland1933 – 1945 überlebte den Holocaust durch Flucht und Versteck auf einem Bauernhof im mittel- fränkischen Arberg 1945 Rückkehr nach München1951 Heirat mit Samuel Knobloch

Ämter & Stationen1997 – 2006 Vize-Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland 2006 – 2010 Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland 2003 – 2011 Vize-Präsidentin des Euro- pean Jewish Congress 2005 – 2013 Vize-Präsidentin des World Jewish Congress

Auszeichnungen1994 Bayerischer Verdienstorden2005 Ernennung zur Ehrenbürgerin von München für ihr herausragendes Engagement zur Aussöhnung von Juden und Nicht-Juden und ihr langjähriges Wirken für die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern2008 Georg-Meistermann-Preis der Stadt Wittlich2008 Moses Mendelssohn Medaille des Moses Mendelssohn Zentrums (MMZ) der Universität Potsdam2008 Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland 2009 Europamedaille der Bayerischen Staatsregierung2009 Ehrendoktorwürde der Universität Tel Aviv2010 Großes Verdienstkreuz mit Stern (höchste zivile Auszeichnung der Bundesrepublik Deutschlands)2010 Eugen-Bolz-Preis der Eugen-Bolz- Stiftung2011 Ernennung zur Ehrensenatorin der Hochschule für jüdische Studien Heidelberg2012 Ehrenmedaille des Deutschen Olympischen Sportbundes2014 Tutzinger Löwe der Evangelischen Akademie Tutzing

PublikationenWenn nicht jetzt, wann dann? Zur Zukunft des deutschen Judentums. Charlotte Knobloch, Micha Brumlik und Gesa S. Ederberg im Gespräch mit Wilfried Köpke, Freiburg 200760 Jahre Israel – Erinnerung und Zukunft. Rede anlässlich des 60. Jubiläums der Staatsgründung Israels. Thüringer Staatskanzlei, Erfurt 2008In Deutschland angekommen: Erinnerungen. Mit Rafael Seligmann, München 2012

Ehrenamtliche Tätigkeiten (Auswahl)Mitbegründerin der WIZO Föderation Deutschland (Women’s International Zionist Organization)Schatzmeisterin des jüdischen Frauen-bundes in DeutschlandSchirmherrin des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks für jüdische Begabten-förderungVorstandsvorsitzende der Gerhard C. Starck StiftungMitglied im Kuratorium der Ludwig-Maximilians-Universität MünchenVizepräsidentin des Vereins Freunde der Universität Tel-Aviv Mitglied im Kuratorium der Heinz-Galinski-StiftungMitglied im Kuratorium der Weiße Rose Stiftung e. V.Mitglied im Kuratorium des NS-Doku-mentationszentrums München Mitglied im Kuratorium des NS-Doku-mentationszentrums NürnbergMitglied im Medienrat der Bayerischen Landeszentrale für neue MedienMitglied im Sprecherrat des Bündnisses für Toleranz, Demokratie und Rechtsstaat

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Langjähriger Leiter der Mayer’schen Hofkunstanstalt in München

Gabriel Mayer

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Gabriel Mayer Gabriel Mayer | 1918 | Gabriel Mayer

Die Kunst der SpagateEine verbreitete Unart von Laudatoren besteht darin, zuerst von sich selbst zu sprechen, ehe sie den Lau-reaten in den Mittelpunkt rücken. Ich setze diese Un-art nun einfach fort: Bereits als kleiner Junge hörte ich bei einem Familienbesuch in München erstmals von der Mayer’schen Hofkunstanstalt. Allein der Name war für das Memminger Provinzkind beein-druckend und ich erfuhr, dass zwei unserer Ver-wandten dort gearbeitet haben. Später dann – die 68er-Revolte erreichte auch die Kleinstadt – erschien es äußerst suspekt, „Kunst“ in einem Atemzug mit „Hof“ und „Anstalt“ zu nennen und angesichts der damals radikalen Erscheinungsformen zeitgenös-sischer Kunst haftete der Glasmalerei ein Moment des Unzeitgemäßen an. Dies änderte sich im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts. Als „Kunst im öffentlichen Raum“ wandte sich avancierte Kunst nun forciert den kontextuellen und architektonischen Gegebenheiten zu und entdeckte dabei zunehmend auch die Kunst auf Glas (wieder) neu für sich. Die Hofkunstanstalt wiederum hat selbst als weltweit beachtete Produzentin, Entwicklerin und Partnerin

Laudatio auf Gabriel MayerVon Heinz Schütz

renommierter Künstler und Künstlerinnen im archi-tekturbezogenen Umgang mit Kunst auf und aus Glas in der Gegenwartskunst Maßstäbe gesetzt.

Bereits der kurze Verweis auf jüngere Entwicklun-gen und das immer wieder anders zu definierende Verhältnis zwischen Alt und Neu lassen ahnen, welchen Herausforderungen die über eineinhalb Jahrhunderte alte Institution – sie wurde 1847 in München als „Anstalt für christliche Kunsterzeugnis-se“ gegründet – im Laufe der Geschichte ausgesetzt war und ist. Dabei steht am Anfang ein rückwärts gewandtes und gleichzeitig utopisches Programm, das Grundzüge des Bauhausprogramms vorweg-nimmt und das der Anstalts-Gründer Joseph Gabriel Mayer bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts so umreißt: „Ich stellte mir nun die große Aufgabe, durch die Vereinigung der drei Bildenden Künste – Architektur, Bildhauerei und Malerei – verbunden mit Technik, die mittelalterlichen Bauhütten, die so wunderbar Großes auf dem kirchenbaulichen

Gebiete geschaffen haben, wieder einzuführen.“ Die Mayer’sche gibt dann 1925 die Bildhauerabteilung auf und konzentriert sich ganz auf Glas und Mosaik. Es bleiben die Verbindung zur Architektur und das Ineinandergreifen von Kunst, Gestaltung, Handwerk und industriellen Techniken.

Um nun endlich den Preisträger ausdrücklich auf das ihm gebührende Podest zu heben, möchte ich – um im Bild der Architektur zu bleiben – drei durchaus heterogene Hauptpfeiler der Mayer’schen Hofkunst-anstalt ins Spiel bringen: Familie, Unternehmen und Kunst. Bereits die Konstruktion jedes einzelnen dieser Pfeiler bedarf der Kunst des Spagats. Alle drei kons-truktiv zusammenzubringen, ähnelt einem Spagat auf dem Hochseil. So gesehen erweist sich Gabriel Mayer mit seinem Lebenswerk als ein kunstunter-nehmerischer Hochseil-Artist, der trotz Umgang mit der Höhe seine Bodenhaftung nicht verliert.

Zur Familie: Wie die Erfahrung zeigt, scheitert der Bestand von Familienunternehmen immer wieder an den unterschiedlichen Absichten der einzelnen Familienmitglieder oder am Desinteresse der Nach-folger. Umso erstaunlicher ist es, dass Gabriel Mayer in der vierten Generation die Firma erfolgreich leite-te und sie dann auch erfolgreich der fünften Mayer-Generation übergeben konnte. Er selbst trat nach einem Praktikum in allen Werkstätten und nach Abschluss seiner Dissertation 1965 in den Betrieb ein, wo er zunächst gemeinsam mit seinem Vater Adalbert arbeitete. 1972 wurde er eigenständiger, persönlich haftender Gesellschafter. Mitgesellschaf-

ter war bis in die späten Neunzigerjahre sein fünf-zehn Jahre älterer Cousin Konrad Mayer. Mitte der Neunzigerjahre begann die Kooperation mit seinem Sohn Michael, an den er 2013, im Alter von 75 Jahren, das Unternehmen weitergab. Der Rückzug fällt dem Vater nicht leicht, Passivität ist ihm ein Fremdwort.

Zum Unternehmerischen: Der immanente Anspruch von Kunst erhebt sich idealiter über ökonomische Interessen – und doch spielt sich Kunst nicht im öko-nomischen Nirwana ab. Auch die Mayer’sche Hof-kunstanstalt muss sich auf dem Markt zu behaup-ten, was trotz Krisen in der Glasmalerei erfolgreich gelingt. Am Ende des 19. Jahrhunderts gibt es in München über dreißig Glaskunstbetriebe. Fast alle

Oben: Außenansicht der Mayer’schen Hofkunstanstalt in München um 1880Unten: Franz Borgias Mayer (1848 – 1926), Sohn des Firmen-gründers und Großvater des Kul- turpreisträgers Gabriel Mayer. Er verband Tradition mit inno-vativer Technik und prägte den sogenannten „Munich style“, der als Markenzeichen für Präzision und Qualität stand.

Einfühlsam an den mittel-alterlichen Bestand angepasst: Glasmalerei-Fenster von Josef Oberberger im Augsburger Dom (1962 – 1966)

Links: Reise nach Wien mit Mitarbeitern der Mayer’schen Hofkunstanstalt im Jahr der Übergabe des Familienbetriebs (2013) an Sohn Michael Mayer (vorn rechts) Rechts: Aktuelle Ansicht des unweit vom Stiglmaierplatz gelegenen FirmengebäudesRekonstruktion

des Heilig-Geist-Fensters über der Cathedra Petri der Peterskirche in Rom, 1910

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Gabriel Mayer | 2120 | Gabriel Mayer

verschwinden, die Mayer’sche Hofkunstanstalt über-lebt. Bereits früh entfaltet sie sich zu einem „Global Player“ mit bis zu 600 Mitarbeitern und Niederlas-sungen in London, Paris, New York. Als Gabriel Mayer in den Betrieb eintrat, waren 50 Prozent der Aufträ-ge für den Export bestimmt – und gerade dadurch verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage des Unternehmens. Das Zweite Vatikanische Konzil führte zu einem Rückgang kirchlicher Aufträge und der amerikanische „Kirchenfenster-Markt“ entwickelte sich – wie Gabriel Mayer feststellt – „durch den immer größer werdenden Preisdruck, das vehemen-te Eindringen vereinfachender ‚Modernismen‘ und

das billige Nachahmen der modernen deutschen Glasmalerei qualitativ katastrophal.“ Gabriel Mayer beschloss den Boykott des amerikanischen Kirchen-marktes. Bereits hier wird deutlich: Es ging ihm nicht um Produktion um jeden Preis, sondern immer auch um einen nicht zu unterschreitenden Anspruch.

Vor diesem Hintergrund erhalten Konservierungs- und Restaurierungsprojekte eine besondere Be-deutung. In Deutschland waren dies, um nur einige zu nennen, Mosaikböden für das Pompejanum in Aschaffenburg, für die Alte Oper in Frankfurt und Fassadenmosaike für den Martin-Gropius-Bau in Berlin, aber auch die mittelalterlichen Glasmalereien im Regensburger Dom. Ein weiterer ökonomischer – und vor allem auch bau-künstlerisch wichtiger – Schritt war die Hinwendung zu arabischen Ländern. 1982 entstand in Zusammenarbeit mit dem englischen Künstler Brian Clarke ein Großprojekt für die Flughafen-Moschee in Riad. Ein für Mayer besonders wichtiges Unternehmen war die 1985 ausgeführte Gestaltung des von Frei und Bettina Otto entworfenen gläsernen „Heart Tent“ in der neuen Diplomatenstadt in Riad, bei der erstmals in der Glasmalerei Floatglas in dieser Größendimensi-on eingesetzt wurde.

So gelang es Mayer in den Achtziger- und Neunziger-jahren, das Unternehmen zu konsolidieren und wie-der als weltweiten Akteur zu etablieren. Mit dem wachsenden Interesse an Kunst im öffentliche Raum wandte sich Mayer erneut New York zu, wo er wieder eine eigene Niederlassung aufbaute. Heute

„Heart Tent“ ist die erste große Arbeit in der Technik der Float- glasmalerei. Frei und Bettina Otto haben das gläserne Kunstzelt 1984 – 1986 für den Diplomatischen Klub in Riad/Saudi-Arabien geschaffen.

„Medical University“: Monu-mentale Glasbilder von Bruce McLean für die Queen Mary University in London, 2004

„Blaues Glasband“ des Künstlers Reiner John in der Bayerischen Landes-bank in München: Blick in die Lichtdecke der Eingangshalle, 1998

„Blätterwerk“: 2000 Quadrat-meter gestaltetes Glas an der Zentralbibliothek Recht der Universität Hamburg. me di um Architekten, 2004

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Restaurierung und Rekonstruk-tion des römischen Tethys-Mo-saiks in der Harvard Universität in Cambridge/Massachusetts, 1992

Zwei Mosaikarbeiten des Münchner Künstlers Stephan Huber: die 1992 entstandene Installation „Die Alpen“ im Flughafen München und die „Frankfurter Treppe“ im Maintower der Hessischen Landesbank in Frankfurt am Main (2000)

Subway Pennsylvania Station New York: Detail aus dem Glasmosaik „The Garden of Circus Delights“ von Eric Fischl, 2003 (Auftrag der MTA – Arts for Transit)

„La Voix Lactée“, 2011 – moder-nes Glasmosaik der kanadischen Konzeptkünstlerin Geneviève Cadieux für die Metrostation Saint-Lazare in Paris. Im Bild die Arbeit des Mosaizisten in der Münchner Werkstätte sowie die fertige Arbeit.

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verfügen in New York an die hundert Kirchen über alte, um 1900 entstandene Fenster aus der Hof-kunstanstalt, dazu kommen nun zwei Dutzend neue Mosaik- und Glasarbeiten in U-Bahn-Stationen und Verwaltungsgebäuden. Insgesamt hat sich der Schwerpunkt von kirchlichen Aufträgen weg hin zur Kunst im öffentlichen Raum verlagert.

Zur Kunst: Welche bedeutende Rolle Gabriel Mayer bei seiner Arbeit der Kunst einräumte, wird deutlich, wenn er von seinen ersten Erfahrungen als frisch promovierter Betriebswirt berichtet: „Die betriebs-wirtschaftlichen Lehren waren für die Hofkunst-

anstalt in keinem Fall „direkt“ anwendbar. Auf die Hauptkunden (Künstler) und die Mitarbeiter (kreative und solide Handwerker) wirkten betriebs-wirtschaftliche Ziele wie Gewinnmaximierung oder strikte Kostenplanung eher abstoßend. Ihre Durch-setzung wäre kontraproduktiv gewesen. Hand-werkliche und künstlerische Qualität sollte auch bei Kostendruck nicht aufgegeben werden, suchendes Experimentieren war wichtig.“ Dieses, wie Mayer es nennt, „Aus-dem-Vollen-schöpfen-Können“ führt nicht nur zu außerordentlichen Ergebnissen. Sie wecken auch das Vertrauen der Künstler, die dadurch einzigartige Arbeitsbedingungen und Verständnis für künstlerische Prozesse vorfinden.

Gabriel Mayers hohe Wertschätzung der Kunst – und hier gilt es, nun auch seine Frau Renate zu nennen, die diese Wertschätzung mit ihm teilt – zeigt sich nicht zuletzt im Aufbau einer eigenen Kunstsamm-lung, die demnächst dem Allgemeinwohl zugeführt werden soll. Bereits ganz am Anfang seiner Lauf-bahn stehen prägende Erfahrungen mit Künstlern wie Hans Gottfried von Stockhausen oder Karl Knappe. Ein Mosaik Knappes kann öffentlich an der U-Bahn-Station Odeonsplatz besichtigt werden. Zu-mindest auf drei jüngere Kunstprojekte in München sei verwiesen: Stephan Hubers „Die Alpen“ am Flug-hafen, Heiner Blums Glaswand „Lexikon“ im Hof des Abfallwirtschaftsamts und Alexander Beleschenkos Glasgestaltung für die Herz-Jesu-Kirche. Das große internationale Ansehen der Mayer’schen Hofkunst-anstalt führt dazu, dass inzwischen Künstler zum Zweck der Zusammenarbeit selbst den Weg über

den Atlantik nach München nicht scheuen. Die Liste der kooperierenden Künstler ist beeindruckend lang und gespickt mit renommierten Namen.

Der schwierige Spagat zwischen Unternehmertum, Handwerk, Technik und Kunst ist in der Tat gelungen. Brian Clarke, der als Künstler und Freund eng mit Gabriel Mayer und der Hofkunstanstalt verbunden ist, weiß wovon er spricht, wenn er über die Mayer´sche feststellt: „Als ein Künstler, der von ihrer geduldigen Nachsicht und ihrer technischen Kom-petenz profitiert hat, ziehe ich voller Hochachtung und Zuneigung meinen Hut vor ihren Mitarbeitern.“ Und wir mit ihm ganz besonders vor dem Laureaten Gabriel Mayer.

Dr. Heinz Schütz, Kunsttheoretiker, Publizist und Kritiker

„Air Over Under“ heißt die 450 Quadratmeter große Arbeit von Norie Sato im San Francisco International Airport. Bedruckte und handbemalte Gläser, 2011

„My Coney Island Baby“: Von Robert Wilson stammt der Ent-wurf für die 115 Meter lange Glas-wand aus Voll-Glasbausteinen in der U-Bahnstation Stillwell in Coney Island/New York (2002). Der Ausschnitt zeigt das

„Coney-Island-Monster“ und die historische Subway-Station.

„The Glass Wall“ von Brian Clarke (rechts ein Ausschnitt). Die Linda Mc Cartney gewid-mete Arbeit aus dem Jahr 1998 verbindet sensibel gesetzte Blei-Linien mit mundgeblase-nen Gläsern aus Waldsassen/Oberpfalz (Corning Museum of Glass, Corning/New York)

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Gabriel Mayer

1992 Konzeption und Durchführung eines offenen Künstlerwettbe- werbs in München zum Thema „Beiträge zur Kunst im Stadt- raum“ 1996 Sohn Michael C. Mayer wird Mitgesellschafter und Partner in der Geschäftsführung1996–97 Renovierung der historischen Werkstattgebäude und Neu- ordnung der Werkstätte1997 150-Jahr-Feier der Mayer’schen Hofkunstanstalt2001 zweigeschossiger Neubau für die Floatglasmalerei-Abteilung 2013 Herausgeber der Publikation „Architektur. Glas. Kunst. Mayer’sche Hofkunstanstalt – Franz Mayer of Munich“ im Hirmer Verlag München, 2013 Übergabe des Unternehmens an den Sohn Michael C. Mayer, der nunmehr die fünfte Gene- ration des traditionsreichen Familienbetriebes repräsentiert2014 Wahl zum Vorstand im Deutscher Werkbund Bayern – u. a. Arbeitskreis „Großstadt. Raum. Kunst.“

Biografie1938 in München geboren1958 Abitur am Theresien-Gymnasi- um München1962 Abschluss BWL Studium an der Ludwig Maximilians Uni- versität München1962 Heirat mit Renate Engelhardt1963 Praktikum in fast allen hand- werklichen Bereichen der Mayer’schen Hofkunstanstalt 1965 Promotion1965 Geburt der Tochter Raphaela1965 Eintritt – in vierter Generation – in die familieneigene Glas- malerei- und Mosaikwerkstätte, die Franz Mayer’sche Hofkunst- anstalt in der Seidlstraße München (gegründet 1847 von Joseph Gabriel Mayer)1967 Geburt des Sohnes Michael Claudius ab 1972 Mitgesellschafter und Mitge- schäftsführer der Mayer’schen HofkunstanstaltEnde der 1960er bis Ende der 1980er Jahre schwere Krise für das Unter- nehmen durch den weltweiten Rückgang an Aufträgen für kirchliche Glasmalerei und für Kunst am Bau in Deutschland1988 Aufbau einer Niederlassung in den USA – zunächst in Fairfield/ New Jersey, später in New York; Beginn einer sehr erfolgreichen Beteiligung an der „Public Art“- Szene in Nordamerika

Restaurierungsarbeiten (Auswahl)1976– 86 Regensburger Dom – mittelalterliche Glasmalerei- fenster und Fenster des 19. Jahrhunderts1980 – 86 Martin Gropius Bau Berlin – Fassadenmosaike1981 Alte Oper Frankfurt am Main – Mosaikböden1981 – 96 Pompejanum Aschaffenburg – Mosaikböden 1982 – 93 Rekonstruktion zerstörter Glasmalereifenster für die Kirche St. Michaelis in Hof1991 – 92 Harvard Universität in Cambridge/Massachusetts – Restaurierung des Thetis- Mosaiks (größtes römisches Originalmosaik in Nordamerika) 1991 – 96 Schloss Sanssouci Potsdam – Steinintarsien-Wandver- kleidung der Bildergalerie

Zusammenarbeit mit Künstlern (Auswahl, alphabetisch)

Georg Baselitz „Adler“, Glasmalerei für ein Privathaus in Italien (2011) Lothar Baumgarten Glasdecke für das Carnegie Museum of Art in Pittsburgh/Pennsylvania, Floatglas-malerei (1988)

Brian ClarkeErste Arbeit mit dem englischen Künstler für die Flughafenmoschee in Riad/Saudi-Arabien (1982); „Centre NorteShopping“ in Rio de Janeiro – ca. 1.250 Quadratmeter künstlerisch gestaltete Bleiglas- und Mosaikdecken (1995– 97); „The Glass Wall (dedicated to Linda McCartney)“ zur Ausstellung in der Tony Shafrazi Gallery in New York, heute im Corning Museum of Glass (1998); „Al Faisaliah Glass“ – 23,5 Meter hohe und 86 Meter breite Glasgestaltung für die von Norman Forster entworfene King Faisal Founda-tion in Riad/Saudi-Arabien, das wohl auch heute noch weltweit größte künstle-rische Glasmalereifenster (2000)

Mel Bochner„To Count: Intransitiv“, Glaspaneele mit Floatglasmalerei für ein Privathaus in Dutches County/NY, (2011)

Ellen Driscoll „As Above, So Below“, umfangreiche Mosaikarbeit für das Grand Central Termi-nal North in New York, Auftrag der MTA – Arts for Transit (1994 – 99)

Frei und Bettina Otto„Heart Tent“, Gläsernes Kunstzelt für den Diplomatischen Klub in Riad/Saudi-Ara-bien – die weltweit erste große architek-turbezogene Arbeit in der neuen Technik der Floatglasmalerei, Initialzündung für grafische und farbige Glasbedruckung (1984– 86)

Kiki SmithSeit 2007 zahlreiche Arbeiten, die u. a. in Museen in Krefeld, Nürnberg, Barcelona, New York und Vaduz gezeigt wurden

Art Spiegelman„It was Today, only Yesterday“, High School of Art and Design, Manhattan/New York, Floatglasmalerei (2012)

Robert Wilson„My Coney Island Baby“, U-Bahn-Station Stillwell in Coney Island/New York, Auf-trag der MTA – Arts for Transit (2002)

Eric Fischl„The Garden of Circus Delights“ im Pennsyl-vania-Bahnhof in New York, Auftrag der MTA – Arts for Transit (2003)

Herzog & de MeuronPailletten-Mosaike aus Industrieglas in den Fünf Höfen im Theatinerblock Mün-chen, Boden-Betonbilder nach Vorlagen von Thomas Ruff und mit Schrifteinlagen von Rémy Zaugg (2001)

Stephan HuberGlasmosaik „Rote Sonnen“, Kokerei Zoll-verein, Ruhrkohle AG, Essen (1987);

„Die Alpen“, Mosaik-, Glas- und Wasser-installation am Terminal 1 im Flughafen München (1992); Glasmosaik „Frankfurter Treppe“, Maintower der Hessischen Lan-desbank in Frankfurt am Main (2000)

Samm Kunce„Under Bryant Park“, 2002, zwei je 100 Meter lange Mosaikwände im U-Bahn-Verbindungstunnel an der 42nd Street zwischen 6th und 5th Avenues in New York (Auftrag der MTA – Arts for Transit)

Julian Opie„Portraits“, zwei große Flotglasmalerei-Bilder in der Hauptverwaltung der WWK Versicherungen in München, die Ange-stellte der Versicherung zeigen (2000);

„People“, vierteilige Installation im HBV Forum München (2005)

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2001 Gisela Stein Schauspielerin Martin Lüttge Schauspieler

2002 Prof. Wolfgang Sawallisch Dirigent Gerhard Schober Historiker, Kreisheimatpfleger von Starnberg

2003 Prof. Dr. Hellmuth Matiasek Intendant Imo Moszkowicz Regisseur

2004 Erika Maria Lankes Bildhauerin Ruth Rehmann Schriftstellerin

2005 Dr. h. c. Max Mannheimer Zeitzeuge und Maler Hans Roth Geschichts- und Heimatpfleger

2006 Dr. Walter Brugger Geschichts- und Heimatpfleger Marianne Schliwinski Schmuckkünstlerin und Galeristin

2007 Gerhard Polt Kabarettist Prof. Konstanze Vernon Primaballerina und Tanzpädagogin

2008 Prof. Alf Lechner Stahlbildhauer Sunnyi Melles Schauspielerin

2009 Andreas Kuhnlein Bildhauer Marianne Sägebrecht Schauspielerin

2010 Prof. Dr. Rupert Gebhard Archäologe Kathi Stimmer-Salzeder Liedermacherin und Musikverlegerin

2011 Christian Stückl Regisseur und Intendant Dieter Wieland Dokumentarfilmer und Autor

2012 Herlinde Koelbl Fotografin Rolf Märkl Bildhauer und Maler

2013 Wilfried Hiller Komponist Prof. Mechthild Lobisch Buch- und Einbandkünstlerin

2014 Monika Baumgartner Schauspielerin Franz Xaver Bogner Regisseur und Autor

2015 Prof. Dr. h. c. Brigitte Fassbaender Kammer- sängerin, Intendantin und Regisseurin Prof. Dr. Manfred Treml Historiker

2016 Dr. h. c. Charlotte Knobloch Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern Dr. Gabriel Mayer Langjähriger Leiter der Mayer’schen Hofkunstanstalt in München

Oberbayerischer Kulturpreis 1980 – 2016

1980 Wastl Fanderl Volksmusikpfleger Prof. Hans Wimmer Bildhauer

1981 Hans Baur Schauspieler Dr. Robert Münster Musikforscher

1982 Arnold Balwé Maler

1983 Endres-Quartett Streichquartett

1984 Görge Hohlt und Brigitte Hohlt-Schuller Keramiker Kurt Wilhelm Autor, Regisseur

1985 Kurt Graunke Chefdirigent, Komponist

1986 Karl Manninger Maler Prof. Dr. Heinz Haushofer Agrarhistoriker, Agrarsoziologe

1987 Enoch Freiherr von und zu Guttenberg Chorleiter, Dirigent Dr. Ottmar Schuberth Architekt, Museumsdirektor

1988 Maria Heck Bauernhausforscherin Prof. Dr. Hans Pörnbacher Literaturwissenschaftler

1989 Paul Ernst Rattelmüller Heimatpfleger, Autor Christine Stadler Bildhauerin

1990 Gustl Bayrhammer Schauspieler Bernhard Ücker Schriftsteller

1991 Wilhelm Neu Landeskonservator Prof. Gerhard Schmidt-Gaden Chorgründer, Chorleiter

1992 Alexander Freiherr von Branca Architekt, Kreisheimatpfleger von München Herbert Rosendorfer Schriftsteller

1993 Dr. Hermann Dannheimer Archäologe, Direktor der Prähist. Staatssammlung Willy Purucker Hörfunk- und Fernsehautor

1994 Ruth Drexel Schauspielerin, Intendantin Prof. Wilhelm Killmayer Komponist

1995 Prof. Rupprecht Geiger Maler Prof. Dr. Helmut Zöpfl Mundartdichter, Pädagoge

1996 Hans Clarin Schauspieler Franz Xaver Kroetz Dramatiker, Schauspieler

1997 Manfred Bergmeister Kunstschmied Ottfried Preußler Kinderbuchautor

1998 Dieter Hanitzsch Karikaturist Klaus Kreuzeder Musiker

1999 Prof. Dr. h. c. Vicco von Bülow Humorist Ellis Kaut Kinderbuchautorin, Fotografin

2000 Walter Angerer d. J. Maler Jörg Hube Schauspieler

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BildnachweisUmschlag vorne, Seite 17: Elias Hassos; Seite 7: Israe-litische Kultusgemeinde München und Oberbayern; Seite 8: Stadtarchiv München; Seite 9 oben, Seite 10 links, Seite 11 Mitte: Marina Maisel; Seite 9 Mitte, Seite 11 oben: Succo Media; Seite 9 unten, Seite 11 unten: Gregor Feindt; Seite 10 oben: Karl-Heinz-Egginger; Seite 12 oben, Seite 13: Andreas Gregor; Seite 12 unten: Heller & Partner; Seite 18, Seite 19, Seite 23 unten links, Seite 25 oben und Mitte: Mayer’sche Hofkunstanstalt; Seite 20 oben: Bettina Otto-Matthes; Seite 20 unten, Seite 23 oben: Gabriel Mayer; Seite 21 oben: Klaus Frahm; Seite 21 unten: Rainer Hofmann; Seite 21 Mitte: Roderick Coyne; Seite 22 oben, Seite 24 links: Mike Falco; Seite 22 unten links: Engelhardt/Sellin; Seite 22 unten rechts: Wolfgang Günzel; Seite 23 unten rechts: Geneviève Cadieux; Seite 24 oben: Norie Sato; Seite 25 unten: Brian Clarke Studio – Martin Booth; Umschlag hinten: Florian Holzherr

Ausführung der gezeigten Glasmalerei- und Mosaik-arbeiten: Mayer’sche Hofkunstanstalt, München

Sollten trotz aller Sorgfalt Bildrechte nicht korrekt angegeben worden sein, bitten wir die Rechte-inhaber, sich mit der Pressestelle des Bezirks Ober-bayern in Verbindung zu setzen.

HerausgeberBezirk OberbayernPressestelle

HausanschriftPrinzregentenstraße 1480538 München

PostanschriftBezirk Oberbayern80535 München

RedaktionKerstin Schwabe,Pressestelle Bezirk Oberbayern

Gestaltung Sabina Sieghart, Münchenwww.gestaltungsinstitut.de

DruckWind + Michl, München

Gedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier.

Impressum

Blick in den 32 Meter langen „Gang der Erinnerung“, der die Ohel-Jakob-Synagoge München mit dem Jüdischen Gemeindezentrum verbindet. Hinterleuchtete Glasplatten bilden die Namen von über 4.500 Münchner Juden ab, die während der Zeit des National-sozialismus deportiert und ermordet wurden. Den Entwurf des Künstlers Georg Soanca- Pollack hat 2006 die Mayer’sche Hofkunstanstalt ausgeführt.