Über Affinitäten zwischen homologen...

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz. K. E. W O H L F A R T H - B O T T E R M A N N UND F. KRÜGER Über Affinitäten zwischen homologen sublichtmikroskopischen Strukturelementen von Fasereiweißen Von K. E. WOHLFARTH-BOTTERMANN und F. KRÜGER Aus dem Gäste-Laboratorium für Elektronenmikroskopie der Firma Carl Zeiß, Mosbach (Baden) (Z. Naturforschg. 9 b, 30—35 fl954]; eingegangen am 29. Juli 1953) Um die von B e y e r s d o r f e r in dieser Zeitschrift beschriebenen Anziehungskräfte zwi- schen homologen Elementen der Querstreifung von Kollagen und Trichocysten näher zu unter- sudien, wurden rekristallisierende Kollagenfibrillen elektronenoptisch auf die Auswirkungen solcher Affinitäten geprüft. Außer weiteren Einzelheiten über den Vorgang der Bekristallisation des Kollagens konnte die Reichweite dieser Anziehungskräfte bis zu Entfernungen von minde- stens 500 Ä verfolgt werden, wodurch eine Erklärung mit Hilfe der bislang bekannten inter- molekularen Kräfte unmöglich wird. Da sich Auswirkungen soldier Anziehungskräfte in Form einer lateralen Ordnung homologer Strukturelemente auch an Myofibrillen und am Fibrin verfolgen lassen, scheinen solche Affini- täten eine verbreitete Eigenschaft dreidimensional geordneter Fasereiweißstoffe zu sein. Da- durdi erklärt sich der Vorgang der exakten Paarung homologer Banden während der Chromo- somenkonjugation. Es wird auf die Bedeutung solcher weitreidienden Kräfte für versdiiedene andere grundlegende biologische Vorgänge hingewiesen. B eyendorfer 1 hat 1951 nach elektronenmikro- skopischen Untersuchungen an Kollagenfibrillen und Spindeltrichocysten darauf hingewiesen, daß gleiche sublichtmikroskopische Strukturelemente (H- bzw. D-Schichten der Querstreifung von Faser- eiweißen) Anziehungskräfte aufeinander ausüben, die stark genug sind, eine gegenseitige Orientierung benachbarter Kollagenfibrillen und sogar ganzer Trichocysten Schäfte in der Weise herbeizuführen, daß es jeweils zu einer Aneinanderlagerung gleicher Struktureinheiten kommt. Außer dem bekannten periodischen Wechsel von H- und D-Abschnitten in Faserrichtung innerhalb einer Fibrille ließ sich an Spaltflächen von Sehnen und bei aneinander liegenden Trichocysten mit gro- ßer Regelmäßigkeit die interessante Tatsache ver- folgen, daß auch quer zur Faserrichtung eine strenge Ordnung in der Lage der Fibrillen zueinander vor- herrscht. Identische Schichten der Querstreifung be- finden sich lateral „in gleicher Höhe", nur ganz sel- ten wurde eine „Verzahnung" der Perioden gefun- den. Die letztere Anordnung müßte aber aus räum- lichen und statistischen Gründen in 50% aller Fälle erwartet werden. B e y e r s d o r f e r schloß aus diesem Befund, daß die Ordnung durch eine „Anziehung gleichartiger Proteinmoleküle" bedingt sei und daß „hier diesel- i K. B e y e r s d o r f e r , Z. Naturforschg. 6b, 57 [1951], ben Kräfte im Spiele sind, die nach den derzeitigen Vorstellungen die Eiweißbildung im lebenden Orga- nismus lenken". Eigene Beobachtungen im Laufe von früheren Untersuchungen an Kollagen-Fibrillen und Tricho- cysten sprachen für die Richtigkeit des Beyers- d o r f e r sehen Befundes. Im Hinblick auf die Be- deutung dieser Erscheinung, die im folgenden als „Beyersdorfer Effekt" bezeichnet werden möge, und die nicht nur für eine Analyse von Ord- nungsvorgängen von Eiweißstoffen im Organismus, sondern auch für die Chromosomenkonjugation und evtl. für die Virus- und Genvermehrung, für die Antikörperbildung und die Beziehungen zwischen Enzymen und ihren Substraten von Bedeutung zu werden verspricht, erschien es uns erforderlich, an größerem Material zu prüfen, ob sich diese Kräfte auch bei der Rekristallisation der Kollagen-Fibrille in vitro nachweisen ließen. Gegen den Beyersdorferschen Befund konnte bis- lang noch der Einwand erhoben werden, daß die seitliche Ordnung der Fibrillen auf spezifische Richt- kräfte oder Bedingungen bei ihrer Entstehung im Organismus beruhen und nicht unbedingt auf Affini- täten gleicher Proteinketten zurückgeführt werden müßten. Wenn dieser Einwand bereits für die Tricho- cysten nur schwerlich zutreffen konnte, da hier eine seitliche Ordnung dieser einzeln entstehenden

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  • This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.

    Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.

    K. E. W O H L F A R T H - B O T T E R M A N N U N D F. K R Ü G E R

    Über Affinitäten zwischen homologen sublichtmikroskopischen Strukturelementen von Fasereiweißen

    V o n K . E . W O H L F A R T H - B O T T E R M A N N u n d F . K R Ü G E R

    Aus dem Gäste-Laboratorium für Elektronenmikroskopie der Firma Carl Zeiß, Mosbach (Baden)

    (Z. Naturforschg. 9 b, 30—35 fl954]; eingegangen am 29. Juli 1953)

    Um die von B e y e r s d o r f e r in dieser Zeitschrift beschriebenen Anziehungskräfte zwi-schen homologen Elementen der Querstreifung von Kollagen und Trichocysten näher zu unter-sudien, wurden rekristallisierende Kollagenfibrillen elektronenoptisch auf die Auswirkungen solcher Affinitäten geprüft. Außer weiteren Einzelheiten über den Vorgang der Bekristallisation des Kollagens konnte die Reichweite dieser Anziehungskräfte bis zu Entfernungen von minde-stens 500 Ä verfolgt werden, wodurch eine Erklärung mit Hilfe der bislang bekannten inter-molekularen Kräfte unmöglich wird.

    Da sich Auswirkungen soldier Anziehungskräfte in Form einer lateralen Ordnung homologer Strukturelemente auch an Myofibrillen und am Fibrin verfolgen lassen, scheinen solche Affini-täten eine verbreitete Eigenschaft dreidimensional geordneter Fasereiweißstoffe zu sein. Da-durdi erklärt sich der Vorgang der exakten Paarung homologer Banden während der Chromo-somenkonjugation. Es wird auf die Bedeutung solcher weitreidienden Kräfte für versdiiedene andere grundlegende biologische Vorgänge hingewiesen.

    Be y e n d o r f e r 1 hat 1951 nach elektronenmikro-skopischen Untersuchungen an Kollagenfibrillen und Spindeltrichocysten darauf hingewiesen, daß gleiche sublichtmikroskopische Strukturelemente (H-bzw. D-Schichten der Querstreifung von Faser-eiweißen) Anziehungskräfte aufeinander ausüben, die stark genug sind, eine gegenseitige Orientierung benachbarter Kollagenfibrillen und sogar ganzer Trichocysten Schäfte in der Weise herbeizuführen, daß es jeweils zu einer Aneinanderlagerung gleicher Struktureinheiten kommt.

    Außer dem bekannten periodischen Wechsel von H- und D-Abschnitten in Faserrichtung innerhalb einer Fibrille ließ sich an Spaltflächen von Sehnen und bei aneinander liegenden Trichocysten mit gro-ßer Regelmäßigkeit die interessante Tatsache ver-folgen, daß auch quer zur Faserrichtung eine strenge Ordnung in der Lage der Fibrillen zueinander vor-herrscht. Identische Schichten der Querstreifung be-finden sich lateral „in gleicher Höhe", nur ganz sel-ten wurde eine „Verzahnung" der Perioden gefun-den. Die letztere Anordnung müßte aber aus räum-lichen und statistischen Gründen in 50% aller Fälle erwartet werden.

    B e y e r s d o r f e r schloß aus diesem Befund, daß die Ordnung durch eine „Anziehung gleichartiger Proteinmoleküle" bedingt sei und daß „hier diesel-

    i K. B e y e r s d o r f e r , Z. Naturforschg. 6b, 57 [1951],

    ben Kräfte im Spiele sind, die nach den derzeitigen Vorstellungen die Eiweißbildung im lebenden Orga-nismus lenken".

    Eigene Beobachtungen im Laufe von früheren Untersuchungen an Kollagen-Fibrillen und Tricho-cysten sprachen für die Richtigkeit des B e y e r s -d o r f e r sehen Befundes. Im Hinblick auf die Be-deutung dieser Erscheinung, die im folgenden als „ B e y e r s d o r f e r E f f e k t " bezeichnet werden möge, und die nicht nur für eine Analyse von Ord-nungsvorgängen von Eiweißstoffen im Organismus, sondern auch für die Chromosomenkonjugation und evtl. für die Virus- und Genvermehrung, für die Antikörperbildung und die Beziehungen zwischen Enzymen und ihren Substraten von Bedeutung zu werden verspricht, erschien es uns erforderlich, an größerem Material zu prüfen, ob sich diese Kräfte auch bei der Rekristallisation der Kollagen-Fibrille in vitro nachweisen ließen.

    Gegen den Beyersdorferschen Befund konnte bis-lang noch der Einwand erhoben werden, daß die seitliche Ordnung der Fibrillen auf spezifische Richt-kräfte oder Bedingungen bei ihrer Entstehung im Organismus beruhen und nicht unbedingt auf Affini-täten gleicher Proteinketten zurückgeführt werden müßten. Wenn dieser Einwand bereits für die Tricho-cysten nur schwerlich zutreffen konnte, da hier eine seitliche Ordnung dieser einzeln entstehenden

  • schlauchförmigen Eiweißschäfte erst nach dem Pro-zeß der Ausschleuderung möglich ist, so mußte eine Untersuchung von Kollagenfibrillen, die unter defi-nierten Bedingungen in vitro entstanden waren, end-gültige Klarheit über die reelle Existenz des Beyen-dorfer Effektes liefern.

    Schwanzsehnen ausgewachsener weißer Ratten wurden nach mechanischer Säuberung und Zerkleinerung 24 h bei Zimmertemperatur in 1 / 2 5 0 0 0 Vol.-proz. Essigsäure zur Quellung gebracht ( N a g e o t t e et Guy on2). Nadi Abzentrifugation der nicht gelösten Bestandteile und Fil-tration der viscösen Kollagen-Lösung durch eine Glas-fritte überzeugten wir uns durch elektronenmikroskopische Untersuchung dieser essigsauren Lösung (Abb. 1)*, daß keine fibrillären Elemente des Ausgangsmaterials mehr vorhanden waren. Ob die in der unteren Hälfte der Abb. 1 erkennbaren, etwa 30—250 Ä breiten „Filamente" reelle Strukturen (V a n a m e e und P o r t e r 3 ) oder Eintrock-nungsartefakte sind, kann unseres Erachtens nodi nicht als entsdiieden gelten, ist aber für die vorliegende Frage-stellung zunächst ohne Belang.

    Diese essigsaure Kollagen-Lösung dialysierten wir in käuflichen Dialysierschläuchen ( K a l l e ) 2—5 Tage gegen eine 1-proz. Kochsalzlösung, wobei das Kollagen wieder gefällt wird. Die Dialysiersdiläuche enthielten nur soviel Lösung, daß letztere an keiner Stelle weiter als 0,5 cm von der Dialysierfläche entfernt war, so daß eine mög-lichst große Oberflädie und gleichmäßige Fällungsbedin-gungen und damit auch ein schneller und gleichmäßiger Abschluß des Fällungsprozesses gesichert war.

    Jeweils nach 24, 48, 72, 96 und 120 h entnahmen wir aus den Schläuchen Proben, zentrifugierten das entstan-dene milchige Gel in destilliertes Wasser und brachten Proben entweder frisch oder nach Fixation mit 2-proz. Osmiumsäure und erneutem Auswaschen in destilliertem Wasser in kleinen Tropfen auf die Trägerfolien. Die Mehrzahl der Präparate bedampften wir anschließend mit Platin-Rhodium. Eine Untersuchung dieser Präparate erfolgte mit Elektronenmikroskopen der Firma Carl Zeiß (E.M 7 und E.M. 8).

    Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit stützen sich auf die Auswertung von 250 Elektronenbildern rekristal-lisierter Kollagenfibrillen.

    Die Firma Carl Zeiß stellte in zuvorkommender Weise ihr Gäste-Laboratorium zur Verfügung, während die D e u t s c h e F o r s c h u n g s g e m e i n s c h a f t die Unter-suchungen für den einen von uns (W o h l f a r t h - B o t t e r -m a n n) durch ein Forschungsstipendium ermöglichte. Wir sind Herrn Prof. Dr. K. W. J ö 11en und Herrn Priv.-Doz. Dr. G. P f e f f e r k o r n zu großem Dank verpflichtet für die Ermöglichung der Voruntersuchungen in der Abtei-

    * Abb. 1, s.Tafel S .32b. 2 J. N a g e o t t e u. L. G u v o n , Compt. rend. Assoc.

    Anatom. 29, 408 [1934], 3 P. V a n a m e e u. K. R. P o r t e r , J. exp. Medicine 94.

    255 [1951], 4 F. O. S c h m i t t , C. E. H a 11 u. M. A. J a k u s ,

    J. cellular comparat. Physiol. 20, 11 [1942],

    lung für Elektronenmikroskopie am Hygiene-Institut der Universität Münster i. W.

    D i e R e k r i s t a l l i s a t i o n d e r K o l l a g e n -F i b r i l l e

    Die Schilderung der Rekristallisation der Kollagen-Fibrille, von verschiedenen Autoren auch als Poly-merisation bezeichnet, bedarf keines ausführlichen Berichtes, da hierüber bereits einige Arbeiten vor-liegen ( S c h m i t t , H a l l und J a k u s 4 , B a h r 5 , H i g h b e r g e r , G r o ß und S c h m i t t 6 ' 7 , N ö d a und W y c k o f f 8 , V a n a m e e und P o r t e r 3 ) . Es sollen daher hierüber nur solche Befunde wieder-gegeben werden, die die Ergebnisse der bereits vor-liegenden Arbeiten ergänzen können.

    Der Prozeß der Fibrillenbildung läßt sich durdi eine stufenweise elektronenmikroskopische Kontrolle des Dialysates gut verfolgen und stellt ein schönes Beispiel einer linearen und lateralen Selbstordnung von Micellen dar. Das nach 2 4 — 4 8 h auftretende Gel ist mit unbewaffnetem Auge im Dialysat kaum zu erkennen. Es bildet nach Zentrifugation eine gelatinöse, relativ zähe Masse. Nach 72—120 h wird das Gel kompakter und erscheint weißlich.

    Innerhalb der ersten 24 h bilden sich 200—500 A breite und einige /^-lange Fäden, zumeist ohne elek-tronenoptisch erkennbare Feinstruktur. Nach 24—48 h häufen sich die Anzeichen der sich ausbildenden Querstreifung, zugleich mit einer fortschreitenden Verbreiterung der Protofibrillen. Bemerkenswerter-weise besitzen diese Vorläufer der normalen Kolla-gen-Fibrillen eine Periode von 200—300 Ä (Abb. 2, obere Einfügung)**. Wenn auch zu dieser Zeit schon normale Fibrillen von 0,1 // Breite und einer Periode von 640 A vorhanden sind, so überwiegt doch ganz entschieden die kleine Periode. Erst nach 48 h findet man vorwiegend Fibrillen mit der Normalperiode (Abb. 2, Hauptbild). Es ist wohl erklärlich, daß auch dann noch in geringem Umfange Protofibrillen ohne erkennbare Querstreifung oder mit einer Periode von 200—300 A vorkommen, da der Ordnungsprozeß von lokalen Unterschieden wie Entfernung des Kristalli-sationsortes von der Dialysefläche abhängig ist. Im Zeitraum von 72—120 h tritt bereits eine Aggrega-

    ** Abb. 2, s.Tafel S. 32 a. s G. B a h r , Exp. Cell Res. 1, 603 [1950], e J. H. H i g h b e r g e r , J. G r o ß u. F. O. S c h m i t t ,

    J. Amer. chem. Soc. 72, 3321 [1950], " J. H. H i g h b e r g e r , J. G r o ß u. F. O. S c h m i t t ,

    Proc. nat. Acad. Sei. USA. 37, 286 [1951], « H. N o d a u. R. W. G. W y c k o f f , Biochim. bio-

    physica Acta [Amsterdam] 7, 494 [1951].

  • tion zu derben Fasern auf, die von nativen Kollagen-fasern morphologisch und auch röntgenographisch (W y k o f f und C o r e y 9 ) nicht mehr untersdieid-bar sind.

    Unsere Befunde stimmen am besten mit denen von V a n a m e e und P o r t e r 3 überein. Die für das Kollagen neue Periode von 200—300 Ä ist als Vorläufer der Periode von 640 Ä anzusehen. Die Auf-fassung, daß diese Periode eine gesonderte transver-sale fibrilläre Struktur widerspiegele, welche die ein-zelnen, längsverlaufenden Fibrillen zusammenhalte ( P r a t t und W y c k o f f 1 0 ) , dürfte nicht mehr auf-recht zu erhalten sein.

    Die Methode der stufenweisen Untersuchung eines sich über 120 h erstreckenden Dialvsiervorganges hat gegenüber der Methode einer plötzlichen Ausfällung des Kollagens aus essigsaurer Lösung durch Mischen mit Elektrolytlösungen ( N ö d a und W y c k o f f 8 , V a n a m e e und P o r t e r 3 ) den Vorteil, den zeit-lichen Ablauf des Ordnungsprozesses besser in sei-nen einzelnen Phasen verfolgen zu können.

    Die weitere Untersuchung des Stadiums, in dem die ersten Anzeichen der Querstreifung auftreten, könnte in Zukunft interessante Ergebnisse zu der bislang noch ungeklärten, aber dringenden Frage liefern, worin sich H- und D-Schichten letztlich unter-scheiden.

    Die sublichtmikroskopische Struktur des gelösten Kollagens, die auf das Vorhandensein fadenförmiger Bausteine schließen läßt, dürfte mit der Korpuskular-theorie der Faserproteine kaum vereinbar sein, fügt sich dagegen zwanglos in die Peptidkettentheorie ein.

    Die Selbstordnung der Kollagen-Lösung zu fibril-lären Strukturen zeigt, daß die Entstehung doppel-brechender Kollagen-Fibrillen im Organismus ohne die Wirkung orientierter Spannungen zu erklären ist. Die orientierte Koagulation kann allein auf mole-kulare Eigenschaften des Kollagens zurückgeführt werden.

    D e r B e y e r s d o r f e r E f f e k t

    Bereits bei Protofibrillen mit einer Periode von 200—300 A ist eine laterale Ordnung der verschie-denen Fibrillen untereinander zu verfolgen. Das re-kristallisierte Kollagen läßt wie natives Material den Beyersdorfer Effekt erkennen. Bereits die nach 24 h zuerst auftretenden, oft nur schwer erkennbaren Querstreifen zweier oder mehrerer nebeneinander lie-

    » R. W. G. W y c k o f f u. R. B. C o r e y , Proc. Soc. exp. Biol. Med. 34. 285 [1936],

    A. W. P r a t t u. R. W. G. W y c k o f f . Biochim. bio-physica Acta [Amsterdam] 5. 166 [1950],

    gender Fibrillen sind geordnet gegeneinander aus-gerichtet.

    Diese Ordnung erstreckt sich bei fertig ausgebil-deten Fibrillen nach Ausbildung der Makroperiode von 640 Ä auch auf deren Zwischenbanden, von denen elektronenoptisch beim Kollagen insgesamt 10 ( H o f m a n n , N e m e t s c h e k und G r a s s m a n n 1 1 ) und bei Trichocystenschäften von Paramecium ins-gesamt 4 ( N e m e t s c h e k , H o f m a n n und W o h l -f a r t h - B o t t e r m a n n 1 2 ) aufgelöst werden konnten.

    Besonderes Augenmerk haben wir auf solche fer-tig ausgebildeten Fibrillen gerichtet, die offensichtlidi während des Präparationsprozesses, und zwar wahr-scheinlich bei der Eintrocknung des Präparates, Schlaufen gebildet hatten. Wir haben dann bevorzugt die Stellen der Schlaufen' aufgenommen, an denen sich verschiedene Teile einer sdilaufenbildenden Fibrille berührten (Abb. 2). Solche Stellen sind von besonderem Interesse, weil hier ausgeschlossen wer-den konnte, daß die auf ihr Verhalten zu prüfenden Strukturelemente nebeneinander entstanden waren. Falls auch hieran der Beyersdorfer Effekt sichtbar wurde, so konnte dies als Beweis dafür gelten, daß Affinitäten nicht nur während des eigentlichen Mi-cellarkristallisationsprozesses nachweisbar waren, son-dern auch nachher in destilliertem Wasser während der Zentrifugation oder bei der Eintrocknung durch ihre Auswirkungen in Erscheinung traten. Bereits zu Fasern aggregierte Fibrillen konnten ebenso als be-weisend gelten, falls eine vollkommene Schlaufen-bildung nachweisbar war. Glücklicherweise traten solche Schlaufenbildungen bei unserer Präparation fast auf jedem Objektträger auf.

    Wir konnten in etwa 9 0 % aller Fälle das Vorhan-densein des Beyersdorfer Effektes eindeutig feststel-len. In den Fällen, in denen keine eindeutige Aus-einanderlagerung homologer Strukturelemente ge-geben war, waren entweder die Abbildungsverhält-nisse der Feinstruktur aus lokalen Gründen gestört oder es war zumeist ersichtlich, daß die freie Beweg-lichkeit der Fibrillen aus räumlichen Gründen ein-geschränkt gewesen war. Nicht selten wurde an Ver-zweigungsstellen eine Verbiegung von D-Schichten, die sich nicht mehr oder noch nicht berührten, in dem Sinne beobachtet, daß solche Verbiegungen der beiden homologen Teile zu einer gegenseitigen An-näherung führten, eine Erscheinung, die auch schon

    u U. Hof m a n n , Th. N e m e t s c h e k u. W. G r a s s -m a n n , Z. Naturforsdrg. 7 b. 509 [1952],

    i2 Th. N e m e t s c h e k , U. Hof m a n n u. K. E. W o h l -f a r t h - B o t t e r m a n n , Z. Naturforschg. 8b. 383 [1953].

  • K.E.Wohlfarth-Bottermann und F. Krüger, Über Affinitäten zwischen homologen, sublichtmikroskopischen Strukturelementen von Fasereiweißen (S. 30)

    Abb. 2. Obere Einfügung: Rekristallisierende Kollagenfibrillen nach 48-stdg. Dialyse gegen eine 1-proz. Koch-salzlösung, auf Kollodiumfolie unfixiert eingetrocknet und mit Platin-Rhodium bedampft. Erste erkennbare Anzei-

    chen der sich ausbildenden Querstreifung; Periode 250 bis 300 Ä. E.O. 10150 : 1, E.V. 22000 : 1. Untere Einfügung: Rekristallisierte Kollagenfibrillen nach 72-stdg. Dialyse, nach Osmiumsäure-Fixation auf Kollo-diumfolie eingetrocknet und mit Platin-Rhodium bedampft. Knotenpunkt einer Schlaufe. E.O. 15 000:1. E.V. 67 500:1. Hauptbild: Rekristallisierte Kollagenfibrillen nach 48-stdg. Dialyse, nach Osmiumsäure-Fixation auf Kollodiumfolie eingetrocknet und mit Platin-Rhodium bedampft. 2 verschiedene Schlaufen. Normalperiode bereits ausgebildet.

    E.O. 5000: 1, E.V. 28 000: 1.

    Zeitschrift für Naturforschung 9 b, Seite 32 a

  • Abb. 1. In V25000 vol.-proz. Essigsäure gelöstes Kollagen (Rattenschwanzsehnen), auf Kollodiumfolie unfixiert ein-getrocknet und mit Platin-Rhodium bedampft. Zustand vor Beginn der Dialyse. Elektronenoptisch 5000 : 1, End-

    vergrößerung 30 000 : 1.

    F. Kröning, Untersuchungen über die Beziehungen des Genotyps des Tumor-Trägers und des Genotyps des Tumors (S.54)

    Abb. 1. Drei Mikrophotogramme von Mamma-Gesdiwülsten des C3H-Stammes. a) Adenom Tu 1, b) Adeno-Carcinom Tu 3, c) Carcinom Tu 4. Winkel achrom. Obj. 3, Zeiß-Winkel Photo-Okular 6 X . Böhmers Häm-

    atoxylin-Eosin-Färbung. Zeitschrift für Naturforschung 9 b. Seite 32 b

  • Beyersdorfer an nativem Material beobachten konnte. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß der

    Beyersdorfer-Effekt nicht nur beim Kollagen und bei Trichocysten zu verfolgen ist, sondern mit Sicherheit auch bei Myofibrillen und beim Fibrin in Erschei-nung tritt. So läßt er sich in den Elektronenbildern der folgenden Arbeiten nachweisen, ohne daß die betreffenden Autoren auf die Bedeutung dieser Er-scheinung hingewiesen haben:

    M y o f i b r i l l e n : D r a p e r und H o d g e 1 3 ; R o z s a , S z e n t - G y ö r g y i und W y c k o f f 1 4 .

    F i b r i n : H a w n und P o r t e r 1 5 ; H a l l 1 6 ; G r i v e t 1 7 .

    K o l l a g e n : S c h m i t t , H a l l und J a k u s 4 ; S c h m i t t 1 8 ; P r a t t und W y c k o f f 1 0 ; G r o ß und S c h m i t t 1 9 ' 2 0 ; B a h r 5 ; V a n a m e e und P o r t e r 3 .

    Die Annahme von R o z s a , S z e n t - G y ö r g y i und W y c k o f f 1 4 , daß eine Zusammenlagerung gleicher Strukturelemente bei Myofibrillen und Kollagen-Fa-sern ( P r a t t und W y c k o f f 1 0 ) auf transversale Uber-lagerung „anderer Fibrillen" zurückzuführen sei, muß nach Vorliegen der Rekristallisationsarbeiten zumindest für das Kollagen verworfen werden und ist für aneinandergelagerte Trichocysten undenkbar.

    Tendenzen zur Zusammenlagerung anderer Faser-eiweiße wurden übrigens auch von G r i g g und H o d g e 2 1 an den Schwanzfibrillen von Spermato-zoon und von H o u w i n k und v. I t e r s o n 22 an Bak-teriengeißeln beobachtet. W e i b u l l 2 3 wies an aus-gesalzenem Eiweiß von Bakteriengeißeln Aggrega-tionsphänomene nach, deren Stärke mit der Reinheit der Präparate wuchs.

    Ob bei den von M o n n e 24 beschriebenen Zusam-menlagerungen von fibrillären „Chromidien" und „Interchromidien" ähnliche Kräfte eine Rolle spielen, kann insofern nicht entschieden werden, als die Mög-lichkeit besteht, daß es sich bei der geregelten Zu-sammenlagerung von Chromidien und Interchromi-dien nicht um einen normalen vitalen Vorgang han-delt. Durch diese Aggregationen kommt es aber zu

    is M. H. D r a p e r u. A. G. H o d g e , Austral. J. exp. Biol. med. Sei. 27, 465 [1949],

    14 G. R o z s a , A. S z e n t - G y ö r g y i u. R. W. G. W y c k o f f , Exp. Cell Res. 1, 194 [1950],

    is C. v. Z. H a w n u. K. R. P o r t e r , J. exp. Me-dicine 86, 285 [1947],

    ig C. E. H a l l , J. biol. Chemistry 179, 857 u. 185, 45 [1950],

    n P. G r i v e t , Biochim. biophvs. Acta [Amsterdam] 7, 1 [1951],

    18 F. O. S c h m i 11, J. Amer. Leather Chemist Assoc. 39, 430 [1944],

    lichtoptisch sichtbaren fibrillären Bildungen, die eine gewisse Ähnlichkeit mit quergestreiften Fasern be-sitzen.

    D e u t u n g u n d S c h l u ß f o l g e r u n g e n

    Aus der Tatsache, daß an den wichtigsten und am besten untersuchten Fasereiweißen mit sublichtmikro-skopischer Querstreifung, wie Kollagen, Myofibrillen und Fibrin, der Beyersdorfer-Effekt einwandfrei in Erscheinung tritt, kann mit Sicherheit geschlossen werden, daß gleiche sublichtmikroskopische Struktur-demente Anziehungskräfte aufeinander ausüben. Gleiche Strukturelemente ziehen einander an. Es besteht die theoretische Möglichkeit, daß diese An-ziehung durch eine gegenseitige Abstoßung unglei-cher Strukturelemente unterstützt wird. Beweise hier-für liegen jedoch nicht vor.

    Die Deutung der Natur der Anziehungskräfte ist schwierig, weil unsere Kenntnisse über die mole-kulare und micellare Struktur von Fasereiweiß-Stof-fen noch relativ gering sind. So wissen wir, wie be-reits erwähnt, nicht, auf welche chemischen Unter-schiede die Periodizität im sublichtmikroskopischen Bereich zurückzuführen ist. B e y e r s d o r f e r hat wohl bewußt auf eine schärfere Definition im Hin-blick auf irgendwelche molekularen Strukturen und Valenzen verzichtet.

    Eine sehr naheliegende Möglichkeit wäre es, die den Micellarkristallisationsprozeß bewirkenden Kräfte auch für das Zustandekommen des Beyersdorfer-Effektes verantwortlich zu machen. Allerdings wissen wir auch hierüber nicht sehr viel. Offenbar drückt sidi aber in der Rekristallisation der Kollagen-Fibrille die Tendenz fein zerteilter Materie aus, den Dispersi-tätsgrad zu vermindern (Dispersoidentropie, v. W e i -m a r n ) . Denaturierungsprodukt und dreidimensio-nale kristalline Ordnung sind nach unserem heutigen Wissen stabile Zustände der Eiweißstoffe, deren Bil-dung unter Abgabe von Energie angestrebt wird. A s t b u r y , D i c k i n s o n und B a i l e y 2 5 haben ge-funden, daß echte globuläre Proteine in Fasersysteme

    19 ]. G r o ß u. F. O. S c h m i 11, J. exp. Medicine 88, 555 [1948],

    20 J. G r o ß u. F. O. S c h m i 11, J. Amer. chem. Soc. 72, 3321 [1950],

    -1 G. W. G r i g g u. A. J. H o d g e , Austral. J. sei. Res., Ser. B, 2, 271 u. 368 [1949],

    22 A. L. H o u w i n k u. W. v. I t e r s o n , Biochim. biophysica Acta [Amsterdam] 5, 10 [1950].

    23 C. W e i b u l l , Ark. Kemi 1, 573 [1950]. 24 L. M o n n e , Experientia [Basel] 2, 153 [1946], 25 W. T. A s t b u r v , S. D i c k i n s o n u. K. B a i l e y ,

    Biodiem. J. 29, 2351 '[1935],

  • mit kristallinem Röntgendiagramm übergehen kön-nen. Daß sich stäbchenförmige Micellen auf Grund „weitreichender Kräfte" parallel zueinander und so-gar in definierter Kristallstruktur ordnen können, ist bekannt ( L a n g m u i r 2 6 , B e r n a 1 und F a n k u -c h e n 2 7 ) . Uber die Kräfte, die die Selbstordnung herbeiführen, können verschiedenste Hypothesen an-geführt werden. Das gleiche gilt für den Prozeß der Eiweiß-Synthese, der mit dem Vorgang der Micellar-kristallisation bis zu einem gewissen Grade verknüpft erscheint. Bezüglich der Selbstordnung könnte an homöopolare und heteropolare Valenzbindungen und heteropolare Kohäsionsbindungen gedacht werden. Für das in verdünntem Alkali gelöste Fibrin z. B. vermutet H e k m a 2 8 eine Anlagerung von OH-Grup-pen, die durch Wasserbindung den micellaren Bereich soweit aufgelockert haben, daß der Solzustand ein-getreten ist. Eine Rekristallisation dieses „Sols'" könnte dann durch eine Reduktion der Wasserhüllen der Teilchen erklärt werden. Nach S c h a u e n s t e i n , H o c h e n e g g e r und W ' a l z e l 2 9 kommt es bei seit-licher Annäherung der Polypeptidketten zu einer zwischenmolekularen Vernetzung durch Wasserstoff-brücken. Beim Kollagen besteht die Wirkung von Gerbstoffen wahrscheinlich in einer Absättigung hydrophiler Gruppen, z. B. der OH-Gruppen des Oxy-prolins. Bei der Essigsäurequellung ist an eine Lö-sung salzartiger Bindungen zwischen basischen und sauren Seitenketten zu denken, die nach Fortnahme der Essigsäure wieder miteinander reagieren können. Eine unmittelbare Beteiligung von Salzen, die bei der Dialyse verwandt werden, konnte nach Versuchen mit radioaktiven Stoffen beim Kristallisationsprozeß des Kollagens ausgeschlossen werden ( B a h r , per-sönl. Mitteilung).

    Wie aus dem Vorstehenden hervorgeht, läßt sich die Micellarkristallisation evtl. durch bereits be-kannte molekulare oder auch intermolekulare Re-aktionen deuten, obwohl für den Kristallisations-prozeß des Fibrins bereits „weitreichende Kräfte" ge-fordert wurden ( P o r t e r und H a w n 3 0 ) , Dagegen besteht die Schwierigkeit in der Deutung des Beyers-dorfer-Effekts darin, daß die in ihm zum Ausdruck kommenden Kräfte eine Reichweite von mindestens 500 Ä besitzen und daher nicht mit den bislang be-

    2« I. L a n g m u i r , J. chem. Physics 6, 873 [1938]. 27 J. D. B e r n a 1 u. I. F a n k u c h e n , J. gen. Phv-

    siol. 25, 111 [1941], 28 E. H e k m a , Biochem. Z. 199, 333 [1928], 29 E. S c h a u e n s t e i n , M. H o c h e n e g g e r u.

    M. W a 1 z e 1, Z. Biol. 104, 228 [1951].

    kannten zwischenmolekularen Kräften ( v a n d e r W a a l sehe Kräfte) identifiziert werden können. Dipolkräfte, Dispersionskräfte und Kräfte polarer Gruppen besitzen nämlich bestenfalls eine Reichweite bis zu 5 Ä.

    Bei rekristallisierten Kollagen-Fibrillen beweisen insbesondere die Verbiegungen kurz vor der Ver-einigung stehender, „zueinanderstrebender" Quer-streifen an Verzweigungsstellen von Fibrillen, daß tatsächlich Räume von mehreren hundert Ä über-brückt werden können!

    Für das Vorhandensein solcher weitreichenden Kräfte, die zwar vorerst nodi nicht erklärbar, aber von J o r d a n 3 1 bereits postuliert worden sind, spre-chen auch die Vorgänge bei der Chromosomenkon-jugation, gewisse Ordnungserscheinungen bei Viren und Vorstellungen über den Verlauf der Eiweiß-Synthese.

    Bei der Chromosomenkonjugation kommt es zu einer Aneinanderlagerung homologer Chromosomen, einer Erscheinung, die mit dem Beyersdorfer-Effekt verglichen werden kann. Bekanntlich bauen sich die Chromosomen aus alternierenden Querbanden von nucleinsäurehaltigen und nucleinsäurefreien „Schei-ben" auf. F r i e d r i c h - F r e k s a 3 2 ' 3 3 hat theore-tisdie Vorstellungen entwickelt, wonach die für die Chromosomenkonjugation erforderlichen Affinitäten auf Dipolkräfte zurückgeführt werden, die sich aus dem periodisdien Vorkommen von Nucleinsäure und nadi einer postulierten Polarisation aller Dipole er-geben können.

    Da das Kollagen nucleinsäurefrei ist und sidi im wesentlichen aus den Aminosäuren Glykokoll, Ala-nin, Arginin, Prolin und Oxyprolin zusammensetzt, kann hier eine Funktion von Nucleinsäuren ausge-schlossen werden. Das Auftreten des Beyersdorf er-Effektes an verschiedenen nucleinsäurefreien Faser-eiweißstoffen zeigt, daß die für die Chromosomen-konjugation in Frage kommenden Kräfte nicht das Vorhandensein von Nucleinsäure voraussetzen. Zu-mindest die exakte Paarung homologer Banden kann allein auf eine wohl allgemeine Eigenschaft drei-dimensional geordneter Fasereiweißstoffe zurückge-führt werden, ohne die besonderen Eigensdiaften von Nucleoproteiden in Anspruch zu nehmen.

    Dagegen erscheint uns die von F r i e d r i c h -

    30 K. R. P o r t e r u. C. v. Z. H a w n , J. exp. Medi-cine 90. 225 [1949].

    31 H. F r i e d r i c h - F r e k s a , B. R a j e w s k y , M. S c h ö n , Zwischenmolekulare Kräfte, Karlsruhe 1949.

    32 H. F r i e d r i c h - F r e k s a , Naturwiss. 28. 376 [1940].

  • F r e k s a 33 zur Diskussion gestellte Möglichkeit eines „Reißversch lußmechanismus " durchaus an-nehmbar. Bei Vorliegen eines solchen Mechanismus wären nach F r i e d r i c h - F r e k s a zumindest bei einem Teil der Fälle von Chromosomenkonjugatio-nen keine weitreichenden Kräfte erforderlich, deren Deutung uns ja vorerst unmöglich ist. Die Paarung könnte durch intermolekulare Kräfte erklärt werden, sofern die beiden Chromosomen an irgendeiner homologen Stelle in Kontakt gekommen sind, wo-nach die weitere Anlagerung von der Berührungs-stelle aus nach Art eines Reißverschlusses fortlaufen könnte, was zu einer vollständigen Paarung der bei-den Chromosomen fuhren müßte.

    Da nicht alle Erscheinungen bei der Chromosomen-konjugation auf diese Weise erklärt werden können, erscheint es uns wahrscheinlich, daß ein solcher Me-

    33 H. F r i e d r i c h - F r e k s a , Naturforsch. Med. Dtschl. 1939—1946, 21, 44.

    34 A.v. B u z ä g h , Kolloid-Z. 101, 149 [1942]. 35 S. E d l b a c h e r , Schweiz, med. Wschr. 19, 959 [1938], 36 A. F r e y - W y s s l i n g , Arch. exp. Zellforsch. 22, 477

    [1939], 37 A. F r e y - W y ss l i n g , Submicroscopic morphology

    of protoplasm and its derivates, New York 1948. 38 E. H e r z f e l d u. R. K 1 i n g e r , Biochem. Z. 99,

    204 [1919], 3i> F. K r ü g e r , K. E. W o h l f a r t h - B o t t e r m a n n

    u. G. P f e f f e r k o r n , Z. Naturforschg. 7 b, 407 [1952],

    chanismus nur von zusätzlicher Bedeutung ist. Die Elektronenbilder rekristallisierter Kollagen-Fibrillen sprechen zwar insofern für einen Reißverschluß-mechanismus, als an Verzweigungsstellen die schon erwähnten Verlagerungen homologer Elemente zu-einander auftreten, sofern die Elemente kurz vor der Berührung miteinander stehen. Zur Überbrückung von Entfernungen von mehreren hundert Ä bleiben aber weitreichendere Kräfte unerläßlich, als es die intermolekularen Kräfte darstellen.

    Der Beyersdorfer-Effekt bietet uns jetzt die Mög-lichkeit, solche weitreichenden Kräfte an einfach zu untersuchenden Modellen wie dem Kollagen näher zu analysieren. Die Bedeutung dieser Kräfte für zahlreiche grundlegende Lebensvorgänge ist heute noch nicht zu übersehen und sollte nicht unterschätzt werden.

    40 A. G. P a s y n s k i j , Dokl. Akad. Nauk. SSSR 77, 863 [1951].

    41 P. R o n d o n i , Verh. Ges. dtsch. Naturforscher Ärzte 95, 93 [1939].

    42 P. R o n d o n i , Enzymologia 9, 380 [1940/41], 43 P. R o n d o n i , Erg' Enzymforsch. 10, 65 [1949]. 44 W. ]. S c h m i d t , Arch. exp. Zellforsch. 6, 350 [1928]. 45 W. J. S c h m i d t , Die Doppelbrechung von Karyo-

    plasma, Zytoplasma und Metaplasma. Protoplasma-Mono-graphien 11, Berlin 1937.

    46 K. E. W o h l f a r t h - B o t t e r m a n n u . F. K r ü g e r , Protoplasma (im Druck).

    47 H. Z a h n , Angew. Chem. 64, 295 [1952].

    Gewebewachstum und Vermehrung von Coxsackie-A,-Virus V o n GISELA RUCKLE

    Aus dem Institut für Virusforschung in Heidelberg (Z. Naturforschg. 9 b, 35—41 [1954]; eingegangen am 12. Oktober 1953)

    Coxsackie-A.j-Virus kann auf Rollkulturen von Mäuseskelettmuskel-Fibroblasten mit hoher Ausbeute vermehrt werden. Gewebezuwadis und Virusvermehrung gehen dabei einander im wesentlichen parallel. Die Größe der Virusproduktion ist ebenso wie der Gewebezuwachs durch dem Gewebe innewohnende Faktoren bedingt. Beide nehmen mit dem Alter der Kulturen ab. Die Gesetzmäßigkeit dieser Abnahme kann nur wenig modifiziert werden.

    Einbringen des Virus in die Gewebekultur ruft in allen untersuchten Fällen eine starke vorübergehende Abnahme der Zellteilungs-Frequenz hervor, von der noch nicht feststeht, ob sie auch durch andere neurotrope Viren erzeugt werden kann.

    Aussehen und Lebensdauer der Kulturen weichen nicht von denjenigen unbeimpfter Kon-trollen ab.

    Es ist bekannt, daß zur Vermehrung von Virus in der Gewebekultur ein aktiver Stoffwechsel der Wirtszellen erforderlidi ist. Dagegen ist weniger sicher, ob und für welche Viruskörper die Teilungs-fähigkeit des Wirtsgewebes erhalten sein muß. Ins-besondere ist diese Frage kaum bearbeitet für die Züchtung neurotroper Viren in der Gewebekultur,

    die seit den Arbeiten von E n d e r s 1 und seiner Schule besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat.

    A. E. F e 11 e r , J. F. E n d e r s u. T. H. W e l -l e r , J. exp. Medicine 72, 367 [1940],

    ib J. F. E n d e r s , T. H. W e 11 e r u. F. C. R o b -b i n s , Science [New York] 109 ,85 [1949].

    ic F. C. R o b b i n s u. J. F. E n d e r s , Amer. J. med. Sei. 220, 317 [1950]. (Siehe dort weitere Literatur.)