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BADEN, RALF

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BADEN, RALF

BADEN, RALF

‣ Vortrag 2011

Baubiologische Aspekte des gesunden Wohnens „Baubiologie“ bezeichnet im weitesten Sinne die Wirkung der gebauten Umwelt, demnach der Wohn- und Bürogebäude auf den Menschen. Diese Wirkung umfasst die Einflüsse von Chemikalien aus Bauprodukten und Einrichtungsgegenständen, von Schimmelpilzsporen und Mykotoxinen in Verbindung mit Feuchtigkeit durch Baumängel sowie von elektromagnetischen Feldern und radioaktiven Baumaterialien auf die Gesundheit des Bewohners oder Gebäudenutzers. Die Tätigkeit des Baubiologen beinhaltet demnach in erster Linie die quantitative Erfassung der schädlichen Einflüsse innerhalb der Gebäude auf die Bewohner oder Nutzer. Darüber hinaus gilt es durch die Identifizierung der Verursacher beziehungsweise die daraus resultierenden Sanierungsmaßnahmen einen Expositionsstopp zu veranlassen. Diese beiden Voraussetzungen, die quantitative Erfassung der Schadstoffe sowie der Expositionsstopp bilden die notwendigen Prämissen ohne die jede umweltmedizinische Vorgehensweise unweigerlich zum Scheitern verurteilt ist. In diesem Sinne würde weniger der Begriff „Baubiologie“ als vielmehr der Begriff „Wohnbiologie“ den Anforderungen gerecht. Obwohl der Begriff „Baubiologie“ bereits in den sechziger Jahren eingeführt wurde, dürfte die eigentliche Geburtsstunde der Baubiologie beziehungsweise der negativen Beeinflussung der Gesundheit des Menschen durch das Gebäude respektive durch vom Gebäude ausgehenden Schadstoffe, das so genannte Sick Building Syndrom auf die Erdölkrise 1973 zurückzuführen sein. Folge dieser Energiekrise war eine weitgehende Wärmedämmung der Gebäude meist in Form von Styropor- oder Mineralwolle-Umhüllungen der Außenwände wodurch der natürliche Luftaustausch zwischen den Innenräumen und der Außenluft stark reduziert wurde, was einerseits zu einer Anreicherung von chemischen Schadstoffen aus Baumaterialien, Einrichtungsgegenständen und Möbeln innerhalb der Wohnräume führte und andererseits die Abführung der Raumluftfeuchte nach außen verminderte, so dass es in den Gebäuden zu Schimmelpilzbefall kam. Die Folge war ein Anstieg von Allergien und Asthma, besonders bei Kindern. Während Anfang der siebziger Jahre im Durchschnitt etwa fünf Prozent der Kinder von Allergien geplagt wurden, stiegen diese Zahlen danach kontinuierlich an, um heutzutage knapp vierzig Prozent zu erreichen. Ausnahme war die ehemalige DDR, wo dieser Anstieg nicht zu beobachten war, die Allergien bei Kindern bei 5-10% stagnierten. Nach der Wende stiegen die Allergieraten auch bei den Kindern der neuen Bundesländer innerhalb von zwei Jahren auf 30 bis 40 Prozent an. Die Allergologen erklärten dies mir dem Begriff „Lifestyle“. Tatsächlich fanden in den neuen Bundesländern zwei grundlegende Änderungen statt: erstens stieg der Autoverkehr und damit die Belastung der Außenluft und zweitens wurden die Gebäude isoliert, also mit zusätzlicher Wärmedämmung ausgestattet, was wie oben beschrieben zu einer Verschlechterung der Raum- und Atemluft durch Chemikalien und Schimmelpilzsporen führte: eben zu krankmachenden Gebäuden.

Im Jahre 1983 definierte die Weltgesundheitsorganisation WHO den Begriff „Sick Building

Syndrom“ folgendermaßen: „Man spricht von einem krankmachenden Gebäude falls die

Bewohner oder Nutzer sich in einem erhöhten Prozentsatz gegenüber anderen Gebäuden über

gesundheitliche Beschwerden beklagen“. Ein Jahr später schätzte dieselbe WHO den Anteil

krankmachender Gebäude in Europa auf circa 30 Prozent aller neuen oder renovierten

Gebäude. Im Bereich der Arbeitsmedizin dürfte einer Metastudie des Massachusetts Institute

of Technologies (Loftness et al, 2006) aus dem Jahre 2006 zufolge Gebäude-bedingte

Krankheiten in den USA für einen Verlust der Produktivität von etwa 5% verantwortlich sein.

So ergab die Auswertung von acht verschiedenen Studien eine mögliche Reduzierung von 14

bis 85 Prozent unterschiedlicher Symptome im Bereich Atemwegserkrankungen durch

Vermeiden von Schadstoffen in Baumaterialien und Einrichtungsgegenständen. Loftness

zufolge würde ein natürliches und gesundes Arbeitsumfeld eine Verminderung von 9 bis 71%

der Krankenscheine erwirken können.

In Luxemburg werden seit nunmehr über fünfzehn Jahren Wohn- und Bürogebäude in

Zusammenhang mit gesundheitlichen Beschwerden der Gebäudenutzer durch das

Gesundheitsministerium durchgeführt1. So wurden allein zwischen 2004 und 2007 mehr als

2100 Gebäude in Bezug auf Innenraumschadstoffe durchgeführt. Dabei wurden neben den

Innenraumbelastungen ebenfalls die gesundheitlichen Beschwerden von insgesamt mehr als

700 Bewohnern erfasst.

x 1 Charpin D., Baden R. et al: Environmental home inspection services in Western

Europe. Environmental Health and Preventive Medicine (2011) 16:73-79.

gesundheitliche Beschwerden der Bewohner von Schadstoffbelasteten Gebäuden in Luxemburg

(Zeitraum 2004-2007; n=707) Quelle Gesundheitsministerium/Direction de la Santé

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292146

Reizungen Schleimhäute (Augen, Nase, Hals, Sinusitis, )Atemwegsbeschwerden (Husten, Bronchitis, Asthma)Allergien (Pollen, Schimmel, Staub, Tiere, Kontaktallergien, )Magen-Darmbeschwerden (Verstopfung, Diarrhoe, Magenschmerzen, Blähungen, )neurologische Bescherden (Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Depressionen, Muskel- & Gelenkschmerzen, )Schlafstörungen (Schlaflosigkeit, chronische Müdigkeit, )

Typische gesundheitliche Beschwerden durch Innenraumbelastungen in diesen luxemburgischen Wohnungen und Gebäuden sind Reizungen von Augen, Nase und Hals (31% der Beschwerden), Atemwegsbeschwerden wie Husten oder Asthma (25%), Allergien (6%) oder neurologische Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schwindelanfälle, Übelkeit, Depressionen, usw. (21%). Schlafstörungen (10%) sind zum großen Teil auf Belastungen durch elektromagnetische Felder zurückzuführen.

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HustenAsthma

BronchitisAtemwegsbeschwerden

HautreizungenPsoriasis

Neurodermitis

Reizungen der NaseNasennebenhöhlenentzündungen

AugenreizungenSchleimhautreizungen

PollenallergienSchimmelallergien

StauballergienMilbenallergien

Tierhaarallergien"Metallallergien"

TinnitusKopfschmerzen

SchwindelanfälleÜbelkeit

Kribbeln der Gliederdepressive Zustände

ReizbarkeitKonzentrationsstörungen

MuskelschmerzenGelenkschmerzen

chronische MüdigkeitSchlaflostigkeit

CFS chronic fatigue syndromMCS multiple chemical sensitivity

SBS sick building syndrom

Luxembourg Indoor Survey 2004-2007: gesundheitliche Beschwerden der Gebäudenutzer, bei denen Innenraumbelastungen festgestellt wurden Die internationale Agentur für Krebsforschung IARC (eine Tochtergesellschaft der Weltgesundheitsorganisation WHO) hat 10 in der Baubranche verwendete Chemikalien als eindeutig krebserregend beim Menschen, 11 als wahrscheinlich krebserregend, 30 als möglicherweise krebserregend und 40 als unbestimmbar da nicht ausreichend Studien vorliegen, eingestuft; insgesamt also etwa 90 Substanzen mit begründetem Verdacht auf krebserregende Wirkung. Insgesamt wurden in Luxemburg zwischen 2004 und 2007 mehr als 3800 Faktoren in den 915 Gebäuden festgestellt, die laut internationaler Agentur für Krebsforschung IARC mit Sitz in Lyon als krebserregend oder möglicherweise krebserregend eingestuft sind, demnach wurden in 42% der untersuchten Gebäude oder Wohnräume Faktoren gefunden, die im Verdacht stehen Krebs auslösen zu können. Dies bedeutet gleichzeitig, dass im Durchschnitt vier verschiedene Parameter in diesen Innenräumen festgestellt wurden die im Versacht stehen Krebs auslösen zu können. Dabei wurden krebserregende Schimmelpilze oder Mykotoxine, also Pilzgifte in dieser Statistik noch gar nicht mit berücksichtigt, lediglich chemische Schadstoffe sowie elektromagnetische Felder flossen in die Bewertung ein. Allerdings muss bemerkt werden, dass sich diese Zahlen sowie sämtliche folgende Statistiken lediglich auf die untersuchten Gebäude und Wohnungen beziehen, das heißt Innenräume bei denen aufgrund der Beschwerden der Bewohner oder Nutzer ein Verdacht auf Innenraumbelastungen bestand. Demzufolge sind die Statistiken keinesfalls repräsentativ für die Gebäude in Luxemburg allgemein.

Anteil Schadstoffbelastungen in 2042 untersuchten Wohnungen im Zeitraum 2004-2007 (Quelle: Gesundheitsministerium: Direction de la Santé)

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Luxembourg Indoor Survey 2004-2007: Evolution der Belastungen in den untersuchten Gebäuden (in Prozent der untersuchten Gebäude)

Zu den häufigsten Schadstoffen gehören den Ergebnissen zufolge das Pyrethroid Permethrin

(33% der untersuchten Gebäude) sowie die als Flammschutzmittel verwendeten

Phosphorsäureester (38%). Permethrin basiert von der chemischen Struktur auf einem

Insektengift, welches in der Natur, genauer gesagt in Chrysanthemenblüten vorkommt, dem

Pyrethrum. Aus diesem Grund werden Pyrethroide inklusive Permethrin häufig als

„natürliche“ Insektenschutzmittel vertrieben. Dies stimmt jedoch so nicht. Tatsächlich handelt

es sich bei Permethrin und Co um synthetisch hergestellte Pyrethroide welche zwar nach der

Struktur oder Vorlage des Pyrethrums hergestellt werden, allerdings werden sie durch den

Zusatz von Chloratomen langlebig gemacht, so dass der Insektenschutz möglichst lange

anhält. Dadurch werden die fettlöslichen Pyrethroide allerdings auch nicht mehr vom

menschlichen Organismus abgebaut oder verstoffwechselt, es kommt im Gegensatz zum

Pyrethrum, zu einer Anreicherung in fetthaltigem Gewebe und somit zu einer chronischen

Vergiftung.

Weitere regelmäßig festgestellte chemische Schadstoffe sind die Biozide Eulan (13%),

Pentachlorphenol (10%) oder DDT (7%). Dabei fällt auf, dass Jahr für Jahr in nicht weniger

als 30 bis 40 Gebäuden in Luxemburg DDT-Belastungen festgestellt werden, obwohl DDT

seit den siebziger Jahren als Schadstoff bekannt ist und in Juni 2001 gemäß der Stockholm-

Konvention, wo DDT zu dem „dreckigen Dutzend“ der schädlichsten „persistent organic

pollutants POP“ gezählt wurde, nicht mehr benutzt oder hergestellt werden darf (mit

Ausnahme zur Malariabekämpfung). Auch das Pentachlorphenol oder PCP, welches immer

noch als Holzschutzmittel in Holzbalken, Holzfenstern oder antiken Schränken beispielsweise

gefunden wird und das sogar mit einer steigenden Tendenz, ist in Luxemburg seit 1994 (in Deutschland seit 1989) verboten. In anderen europäischen Ländern hingegen ist PCP immer noch erlaubt, so dass Importwaren trotz nationalen Verbotes immer noch mit PCP behandelt sein dürfen. Bei dem Mottenschutzmittel „Eulan“ handelt es sich um einen dem PCP nicht unähnlichen Schadstoff (ebenfalls ein Pentachloroisomer) das vom Hersteller bereits Anfang der Achtziger von Markt zurückgezogen wurde. Trotz diesen Reglementierungen werden diese langlebigen also persistenten Schadstoffe immer noch in luxemburgischen Innenräumen in gesundheitsgefährdenen Konzentrationen in der Raumluft beziehungsweise dem Hausstaub gefunden.

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2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

PCP DDT Eulan Permethrin

Luxembourg Indoor Survey 2004-2007: Evolution der Belastungen durch diverse Biozide oder Pyrethroide (Werte höher als 1 mg/kg Staub) Anders sieht es beim Formaldehyd aus. Typische Formaldehydquellen sind Kleber, Holzwerkstoffe wie Spanplatten oder OSB-Platten, Fertigparkette, aber auch Zigarettenrauch. So sind Belastungen durch Formaldehyd in Gebäuden in Luxemburg in den letzten Jahren rückläufig. Waren im Jahre 2001 noch etwa 25% der untersuchten Räume mit Formaldehyd (> 0,02 ppm) belastet, so ist dieser Prozentsatz in den letzten Jahren unter fünf Prozent gesunken.

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2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 Jahr

Evolution der Formaldehydbelastungen (Prozent)

Luxembourg Indoor Survey 2004-2007: Evolution der Belastungen durch Formaldehyd (Werte höher als 0,02 ppm) Insgesamt ging die Anzahl an positiven Fällen in den letzten Jahren deutlich zurück, insbesondere in Bezug auf die hohen Belastungen, sprich Raumluftkonzentrationen von 0,050 ppm und mehr. So wurden 2007 keine hohen Belastungen durch Formaldehyd mehr festgestellt, während vier Jahre zuvor (2004) immerhin 27 Belastungen gemessen wurden die oberhalb den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO lagen.

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Anzahl an hohen Formaldehydbelastungen (>0,05 ppm)

Luxembourg Indoor Survey 2004-2007: Evolution der Anzahl an hohen Belastungen durch Formaldehyd (> 0,05 ppm) Im Mittel lag die Raumluftbelastung bei 0,029 ppm, demnach einer relativ geringen Belastung. Allerdings nahm die durchschnittliche Belastung im Laufe der Jahre kontinuierlich ab, und lag 2007 (0,012 ppm) nur mehr bei etwa einem Drittel der Durchschnittsbelastung von 2004 (0,036 ppm). Auch die maximale Belastung nahm von 2004 bis 2007 stetig ab von 0,155 ppm (2004) über 0,070 ppm (2005) und 0,050 ppm (2006) bis 0,040 ppm im Jahr 2007.

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Durchschnittliche Formaldehydbelastung

Luxembourg Indoor Survey 2004-2007: Durchschnittliche Formaldehydkonzentration in luxemburgischen Gebäuden Im Rückblick kann man demnach festhalten, dass Formaldehydbelastungen in der Vergangenheit an der Tagesordnung lagen, aktuell jedoch nur noch eine untergeordnete Rolle spielen, da das Belastungsniveau allgemein drastisch heruntergegangen ist. Eine Ausnahme bilden allerdings Wohnräume in denen geraucht wird, da auch Zigarettenrauch zu Formaldehydbelastungen führt und die Untersuchungen 2004-2007 sichtbar von Zigarettenrauch kontaminierte Räume nicht berücksichtigten (Verzicht auf Messungen bei evidentem Zigarettenrauch).. Dieser Rückgang an Formaldehydbelastungen ist zweifelsohne auf die Mediatisierung des Stoffes zurückzuführen. Formaldehyd ist eine der ersten und am besten beschriebenen Substanzen in Bezug auf Schadstoffe in Innenräumen. Demzufolge haben die Hersteller in den vergangenen Jahren verstärkt Anstrengungen unternommen um weniger Formaldehyd-haltige Stoffe zu benutzen beziehungsweise um das Formaldehyd in Baustoffen und

Gebrauchsgegenständen zu reduzieren oder zu ersetzen. Formaldehyd ist demnach ein

positives Beispiel dafür, dass der Verbraucher durchaus in der Lage ist den Markt in Bezug

auf Schadstoffe zu beeinflussen und diverse Schadstoffe, zumindest insofern sie ersetzbar

sind aus Baustoffen, Gebrauchsgegenständen oder Kosmetika zu verbannen.

Komplexer ist die Situation in Bezug auf leichtflüchtige organische Kohlenwasserstoffe, so

genannte Lösemittel, die typischerweise in Farben und Lacken aber auch in Putz- und

Pflegemittel Anwendung finden. Während die klassischen Lösemittel wie Toluol, Xylole oder

das krebserregende Benzol nur noch vereinzelt gefunden werden (weniger als 2-3%) sind die

„ökologischen“ Lösemittel, allen voran die Terpene (5%) sowie die Glykolether auf dem

Vormarsch. Dabei handelt es sich bei den Terpenen um angenehm riechende Lösemittel und

bei Glykolethern um Konservierungsstoffe in wasserlöslichen Produkten wie beispielsweise

Dispersionsfarben auf Wasserbasis. Diese Produkte sind teilweise noch giftiger als die

klassischen Lösemittel welche sie ersetzen: so steht das nach Zitrone duftende Limonen im

Verdacht krebserregend zu wirken (das heißt, dass es im Tierversuch krebserregend ist) und

die verschiedenen Glykolether haben zum Teil LD50-Werte die deutlich unter denjenigen der

substituierten klassischen Lösemittel liegen; so braucht es beispielsweise 930 mg/kg Benzol

oral verabreicht an Ratten um fünfzig Prozent der Versuchstiere zu töten (lethal dose 50),

während 470 mg/kg von dem Glykolether Butoxyethanol den gleichen Effekt haben. Anders

ausgedrückt, das Butoxyethanol ist doppelt so giftig wie das krebserregend eingestufte Benzol,

zumindest im Tierversuch. Zudem sind die Terpene und Glykolether weniger leichtflüchtig

als die klassischen Lösemittel und emittieren demnach nur verzögert in die Raumluft, mit dem

Ergebnis, dass die Belastung der Raum- und somit der Atemluft zeitlich über Monate oder

Jahre anhält.

In Luxemburg wurden im Zeitraum 2004 bis 2007 im Durchschnitt 31 µg/m³ an Terpenen in

den Innenräumen der belasteten Gebäude gemessen. Die höchste festgestellte Konzentration

an Terpenen lag bei 741 µg/m³. Generell waren die Belastungen über den Zeitraum 2004 bis

2007 vergleichbar, eine Tendenz zur Zunahme oder Abnahme der Belastungen an Terpenen,

wie auch an den Einzelstoffen Limonen, α- und β-Pinen oder auch delta-3-Caren waren nicht

zu erkennen. Limonen wurde in 82%, α- und β-Pinen in 59% und Caren in 34% der belasteten

Räume gefunden, die jeweiligen Orientierungswerte für Limonen (35 µg/m³) in 14 Prozent, für

α- und β-Pinen (100 µg/m³ in 5 Prozent und für delta-3-Caren in 4,4 Prozent der kontaminierten

Räume überschritten. Die maximal festgestellte Raumluftbelastung durch Limonen lag bei 343

µg/m³, bei α- und β-Pinen bei 429 und bei delta-3-Caren bei 255 µg/m³.

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Anzahl an VOC 2004-2007

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Luxembourg Indoor Survey 2004-2007: Evolution der Belastungen durch Lösemittel oder leichtflüchtige organische Schadstoffe Polychlorierte Biphenyle oder PCB scheinen den Ergebnissen zufolge in Luxemburg im Gegensatz zu Deutschland nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Auch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) aus Teerölpräparaten oder dem Holzschutzmittel „Carbolineum“) wurden lediglich in 3 Prozent der untersuchten Gebäude gefunden. Schließlich wurden polybromierte Diphenylether (Flammschutzmittel) im Gegensatz zu den Phosphorsäureestern nur selten und wenn, dann ausschließlich in Einrichtungsgegenständen und nicht in Baumaterialien gefunden. Schimmelpilzbelastungen durch Innenraumquellen, insbesondere erhöhte Sporenkonzentrationen im Vergleich zur Außenluft werden durchschnittlich in 12 bis 13 % der untersuchten Wohnungen festgestellt. Hauptursache sind Wärmebrücken (54% der Fälle) welche in Verbindung mit Energiesparmaßnahmen auch weiterhin auf dem Vormarsch sein dürften. Weitere Ursachen sind undichte Außenmauern und Dächer (19%) sowie fehlende Dampfsperren zum Erdreich hin verbunden mit aufsteigender Feuchte durch Kapillareffekte (16%) insbesondere bei älteren Gebäuden, die renoviert worden sind. Andere Ursachen wie Leckagen oder undichte Leitungen (6%) oder Restbaufeuchte (4%) spielen eine untergeordnete Rolle obwohl letztere in Verbindung mit energieeffizienten Neubauten durchaus zunehmen.

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Luxembourg Indoor Survey 2004-2007: Ursachen von Schimmelpilzbefall (n=298)

Schließlich werden elektromagnetische Wechselfelder sowohl im Niedrigfrequenzbereich (18%) als auch im Hochfrequenzbereich (11%) zunehmend als Verursacher diverser neurologischer Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schwindelanfällen, Übelkeit Schlafstörungen sowie im Falle der Hochfrequenz zusätzlich Atemwegsproblemen (Asthma, Husten) sowie Schleimhautreizungen (Augen, Nase, Nasennebenhöhlen) sowie Tinnitus-Beschwerden identifiziert. Diese Felder werden in erster Linie durch den meist generösen Umgang mit Lichtschaltern und Steckdosen, und die daraus resultierende omnipräsente Kabelführung, die Vielzahl an Elektrogeräten (niederfrequente Wechselfelder) sowie die kabellose Kommunikationstechnologie wie DECT-Schnurlostelefone, WLAN, WIFI oder DECT-Babyphone (hochfrequente Strahlung) innerhalb der Gebäude verursacht. In Bezug auf diese Schadstoffbelastungen stehen dabei nicht nur ältere Gebäude im Focus, im Gegenteil, je neuer die Bauten desto größer das Risiko, dass die Bewohner sich aufgrund von Innenraumbelastungen unwohl fühlen oder gar krank werden. Dies erklärt sich einerseits durch die neuen Baustoffe und Baumaterialien die zunehmend auf den Baumarkt gelangen sowie durch die mangelnden Kenntnisse der „Gebäudeprofis“ in Bezug auf die chemischen und biologisch-gesundheitlichen Auswirkungen dieser Substanzen. So sind diejenigen Gebäude welche in den letzten zehn Jahren gebaut wurden, häufiger belastet als die älteren Gebäude.

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Anteil belasteter Gebäude nach Alter (Prozent)

Luxembourg Indoor Survey 2004-2007: Verteilung der belasteten Gebäude nach Alter

Zwei Drittel der „kranken“ Gebäude und Wohnhäuser die jünger als 10 Jahre sind, wurden sogar in den letzten fünf Jahren erbaut und bezogen.

Anteil belasteter Gebäude weniger als 10 Jahre alt (Prozent)

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Luxembourg Indoor Survey 2004-2007: Verteilung der belasteten Gebäude nach Alter -jüngere Gebäude <10 Jahre alt Die festgestellten Belastungen sind einerseits auf Möbel und Einrichtungsgegenstände aber andererseits auch auf die Baumaterialien selbst zurückzuführen. So sind in luxemburgischen Wohnräumen beispielsweise 42% der Biozidbelastungen und etwa 15% der Flammschutzmittelbelastungen auf die Baumaterialien zurückzuführen. Dabei handelt es sich

zum überwiegenden Teil um nicht-tragende Bauteile (Biozide) beziehungsweise um

Fußbodenversiegelungen bei denen die Flammschutzmittel ausschließlich wegen ihrem

glänzenden Anschein eingesetzt werden. Dementsprechend sind mehr als 90% der Einsätze

von Bioziden oder Flammschutzmitteln in Baumaterialien oder Möbeln unnötig, das heißt,

neun von zehn Schadstoffbelastungen durch Biozide oder Flammschutzmittel könnten sehr

einfach vermieden werden.

Typische Quellen von Bioziden (auch Holzschutzmittel, Insektizide oder Fungizide genannt)

sind Holz (60% der Quellen), Wolle (23%), Schaumstoffe (11%) sowie ferner Stoffe und

Textilien (5%) und Leder (1%). So werden Holzschränke, Holzbalken sowie Dachstühle

typischerweise mit Permethrin, Pentachlorphenol, Lindan, Dichlofluanid, DDT oder

Methoxychlor als Schutz gegen Insekten ausgerüstet, Teppiche oder Teppichböden mit

Mottenschutzmitteln wie Permethrin oder Eulan behandelt. Parkettböden können mit

Pentchlorphenol, DDT oder Pyrethroiden belastet sein, Schaumstoffe in Möbeln oder

Bettmatratzen mit PCP oder Permethrin imprägniert.

Luxembourg Indoor Survey 2004-2007: Holzschutzmittel oder Biozide in Baumaterialien

Typische Quellen von Flammschutzmitteln, so genannten Trialkylphosphaten sind in erster

Linie Schaumstoffe, genauer Kaltschäume aus Polyurethan (65% der Quellen). Desweiteren

können auch Wolle (4%), Leder (8%) sowie Holz (16%) und Linoleum (1%) mit

Flammschutzmitteln ausgerüstet sein. Bei den letzten beiden handelt es sich in vor allem um

Parkett- oder Linoleumfußböden, die mit Polyurethanversiegelungen ausgestattet sind. Dabei

wird das Flammschutzmittel (TBEP) nicht aus Gründen des Flammschutzmittels sondern

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Endosulfan

Dichlofluanid

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vielmehr als „Rutschhemmer“ sowie als „Glänzer“ (gibt der Versiegelung ihren typischen Glanz) eingesetzt.

Luxembourg Indoor Survey 2004-2007: Flammschutzmittel (Phosphorsäureester) in Baumaterialien Zusammenfassend waren zwischen 2004 und 2007 in Luxemburg 60% der untersuchten Holzbalken mit Schadstoffen (Biozide, Flammschutzmittel, PAK) belastet, 44% mit hohen Belastungen und 16% mit schwachen Belastungen). Holzfenster waren zu 91% belastet (73% stark, 18% schwach), Holztüren zu 73% (63 stark, 10% schwach). Dachgebälke waren zu 43% stark belastet. Bei den Bodenbelägen waren Parkettböden zu 67% belastet (51% stark, 16% schwach), Teppichböden zu 53% (24% stark, 29 schwach), 40% der Linoleumböden stark belastet. Bei Deckenverkleidungen waren 53% kontaminiert (18% stark, 35% schwach), bei Tapeten 35% (21% stark, 14% schwach) sowie bei übrigen Wandverkleidungen 73% (13% stark, 60% schwach). Insgesamt waren von 422 untersuchten Baumaterialien in den betroffenen Gebäuden 60 Prozent mit schwerflüchtigen organischen Schadstoffen belastet, 41% stark und 19% schwach kontaminiert.

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stark schwach unbelastet

Luxembourg Indoor Survey 2004-2007: untersuchte Baumaterialien (mittel- & schwerflüchtige organische Schadstoffe Dass Innenraumschadstoffe durchaus auch in kleinen Konzentrationen, weit unterhalb der toxikologischen Dosis, chronische Gesundheitsbeschwerden auslösen können, zeigen die folgende Statistik sowie ein Fallbeispiel, welches kürzlich in einer internationalen neurologischen Fachzeitschrift2 publiziert wurde. So steigt der Anteil an neurologischen Beschwerden wie Konzentrationsschwierigkeiten, Nervosität & Reizbarkeit, Kopfschmerzen, Schwindelanfällen, Übelkeit, « Ameisengefühl » in den Gliedmaßen, depressiven Zuständen, Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen, chronischer Müdigkeit, Schlaflosigkeit oder Tinnitus linear mit steigenden Staubbelastungen durch Biozide, Pyrethroide oder Flammschutzmittel (Trialkylphosphate). Hatten 9 % der Bewohner neurologische Symptome wenn keine Staubbelastung gemessen wurde (Staubwerte unterhalb von 1 mg/kg), so klagten 30% der Gebäudenutzer bei mittleren Staubbelastungen (30-40 mg/kg Staub), während bei hohen Staubbelastungen (oberhalb von 1000 mg/kg) die Hälfte (50 %) der Bewohner über neurologische Symptome klagten. Diese Statistik zeigt eindeutig die Zunahme an neurologischen Beschwerden im Zusammenhang mit chemischen Schadstoffen in Innenräumen.

x 2 Baden R., Ott M., Reis J., Double blind-non-controlled chemical challenge with environmental toxicological assessment in a Multiple Chemical Sensitivity case. Journal of the Neurological Sciences (2011) 306: 154-156

Luxembourg Indoor Survey: Anteil an Gebäudenutzern mit neurologischen Beschwerden in Abhängigkeit der Exposition durch schwerflüchtige Innenraumschadstoffe (Staubbelastungen durch Biozide, Pyrethroide oder Flammschutzmittel n=340)

Einen weiteren Beleg für den Zusammenhang zwischen neurologischen Beschwerden und

Schadstoffexpositionen zeigt auch folgendes Fallbeispiel:

Im Herbst 2005 beklagte sich eine Frau, Mitte Zwanzig über gesundheitliche Beschwerden

nachdem sie, teilweise zusammen mit ihrem Mann, wiederholt diverse Holzmöbel mit einem

Holzlack gestrichen hatte. Die Beschwerden begannen jeweils unmittelbar im Anschluss an

diese Malerarbeiten. Die beschriebenen Symptome waren ständige Übelkeit und Erbrechen,

Kribbeln der Arme und Beine, abwechselnde Hitze- und Kältegefühl sowie vor allem heftige

Kopfscherzen (opthalmologische Migräne) und hielten über Wochen und Monate an.

Da der Beginn der Beschwerden mit dem Zeitpunkt des Einsatzes des Holzlackes korrelierte,

fiel der Verdacht natürlich auf den Holzlack, zumal die beschriebenen Symptome einer

chronischen Belastung durch Holzschutzmittel entsprachen. Insbesondere das Kribbeln der

Gliedmaßen (“Ameisen in den Händen und Füssen”) wird in der Literatur im Zusammenhang

mit Permethrin, einem Holzschutzmittel der Familie der Pyrethroide beschrieben. Demzufolge

wurde einerseits die Belastung der Atemluft über Staubproben in den Wohn- und

Schlafräumen und anschließenden chemischen Analysen im Labor durchgeführt und

andererseits wurde über den Hersteller des Holzlackes ein EU-Sicherheitsdatenblatt vom

betreffenden Produkt angefordert.

Laut Sicherheitsdatenblatt und technischem Merkblatt vom April 2005 waren dem

betreffenden Holzlack die Wirkstoffe Cypermethrin, Propiconazol und Tebuconazol sowie

IPBC (ein Carbamat) beigefügt um eine Wirkung als Insektizid (gegen Insekten), Fungizid

(gegen Schimmelpilz) und Termitenmittel (gegen Termiten) zu erreichen.

Die Staubanalysen sowie die anschließend durchgeführten Analysen des Holzlackes

(Restbestand der Farbe) ergaben jedoch ein anderes Bild: anstelle des Cypermethrins

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100-500

500-1000

>1000mg/kg

beinhaltete das Produkt Permethrin. Während das Produkt, wie auf dem Sicherheitsdatenblatt

angegeben, außerdem Propiconazol enthielt, wurden in den Produktproben kein Tebuconazol

gefunden. Außerdem enthielt der Holzlack zusätzlich ein Flammschutzmittel der Familie der

Phosphorsäureester (TBEP), welches auf dem Sicherheitsdatenblatt nicht vermerkt werden

muss. TBEP wird in Pflegeprodukten häufig als Weichmacher, als “Glänzer” oder als

rutschhemmendes Mittel eingesetzt.

Permethrin kann das Nervensystem schädigen und Symptome wie Kopfschmerzen,

Abgeschlagenheit bis hin zu depressiven Zuständen verursachen. Trialkylphosphate sind als

Atemwegs- und Nervengifte bekannt. Typische Symptome sind Augenbrennen, Hals- und

Schleimhautbeschwerden oder Hautausschläge sowie Müdigkeit, Antriebslosigkeit und

erhöhte Infektanfälligkeit.

Raum Substanz festgestellte Konzentration

Belastung

Schlafzimmer Permethrin 10 mg/kg hoch (> 5,0 mg/kg)

Küche Permethrin 4,1 mg/kg auffällig (1,0-5,0 mg/kg)

Propiconazol 2,5 mg/kg auffällig (1,0-5,0 mg/kg)

TBEP 37 mg/kg

Normal (< 3 mg/kg)

auffällig (> 40 mg/kg)

TCPP 29 mg/kg hoch (> 10 mg/kg)

Wohnzimmer Pentachlorphenol 1,6 mg/kg auffällig (1,0-5,0 mg/kg)

Propiconazol 1,1 mg/kg auffällig (1,0-5,0 mg/kg)

Permethrin 5,5 mg/kg hoch (> 5,0 mg/kg)

TBEP = Tris-(2-butoxyethyl)phosphat

TCPP = Tris-(3-chloropropyl)phosphat

Als Sanierungsmaßnahme wurde demzufolge empfohlen sämtliche mit Holzlack behandelte

Möbel und Gegenstände unverzüglich zu entfernen. Aufgrund der relativ rezenten

Applikation konnten Sekundarkontaminationen der übrigen offenporigen Möbel und

Einrichtungsgegenstände ausgeschlossen werden.

Nichtsdestotrotz entschieden sich die Bewohner aus beruflichen Gründen die Wohnung zu

wechseln und umzuziehen. Da die neue Wohnung jedoch noch nicht bezugsfertig war, zog

das Ehepaar vorübergehend ins Elternhaus der Frau. Während dieser Zeit besserten sich die

Beschwerden kontinuierlich, nach einigen Wochen war die Frau weitgehend beschwerdefrei.

Nachdem das Ehepaar dann die neue Wohnung bezogen hatte, stellten sich die gleichen

Symptome wieder ein, allerdings vornehmlich nachts und morgens früh. Daraufhin wurde die

Schaumstoffmatratze (die auch schon in der ersten Wohnung benutzt wurde, nicht aber

während dem Aufenthalt im Elternhaus der Frau) anhand einer Materialprobe analysiert.

Diesen Ergebnissen zufolge war die Matratze ebenfalls mit dem fettlöslichen Permethrin ausgerüstet, so dass die Frau jede Nacht über die Atmung aber auch über den direkten Hautkontakt dem Atemwegs- und Nervengift Permethrin ausgesetzt war. Nach dem Auswechseln der Bettmatratze (die Frau griff auf die Matratze des Elternhauses zurück) stabilisierte sich der Zustand und die Beschwerden ließen zum großen Teil nach. Dieses Beispiel erfüllte die Kriterien einer experimentellen Reexposition (mit wiederkehrenden Symptomen), welche unausläßlich ist um einen Zusammenhang (Kausalität) zwischen Exposition und Symptomen herzustellen. Unter diesem Aspekt wurde der Fall im Frühjahr 2011 in einer internationalen Fachzeitschrift für neurologische Wissenschaften publiziert. Während die Arbeitsmedizin zahlreiche Chemikalien reglementiert (im direkten Umgang mit diesen Stoffen), unterliegen dieselben chemischen Schadstoffe im Bereich von Wohn- und Schlafzimmern, aber auch in Büroräumen keinerlei Einschränkungen und können demnach beliebig eingesetzt werden, sowohl was die Art des Schadstoffes als auch die Dosis also die Konzentration betrifft. So sind in Luxemburg Naphthalin (wird im Wohnbereich als Mottenschutzmittel eingesetzt) und Pyrethrum (natürlicher Verwandter des Permethrin) per Gesetz seit 1994 am Arbeitsplatz verboten. PAKs (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe beispielsweise in Teerölpräparaten und Bitumen), Benzol (Lösemittel im Heizöl) oder PVC (Monomere aus PVC-Kunststoff) unterliegen im Arbeitsbereich seit 2002 strengen gesetzlichen Grenzwerten. Berufskrankheiten werden in Luxemburg beschrieben im Zusammenhang mit VOCs (Lösemittel), Benzol und Derivaten, Styrol, Pestiziden (Holzschutzmittel, Mottenschutzmitteln in Teppichen), halogenierten Kohlenwasserstoffen, Isocyanaten (in PU-Schaumstoffen, PU-Klebern und -farben oder Parkettversiegelungen), organophosporierten Substanzen (zum Beispiel Flammschutzmitteln in Schaumstoffen) und Asbest. Schadstoffe die im Zusammenhang mit beruflich anerkannten Tumoren stehen (Arbeitsmedizin Luxemburg) werden durchaus auch im Wohnbereich regelmäßig festzustellt; Lösemittel wie Benzol, Toluol und Xylole als Verursacher von Leukämien, radioaktive Stoffe (im Wohnbereich beispielsweise diverse Granitsteine oder Radongas) als Auslöser von Leukämie oder Lungenkrebs, PVC als Leberkrebs fördernd oder PVC verantwortlich für Haut-, Nieren- oder Lungenkrebs. Am besten bekannt ist sicherlich Lungen- oder Mesotheliumkrebs verursacht durch Asbestfasern. Im Büro- oder Wohnbereich sind diese Chemikalien in der Regel ohne jegliche Einschränkung einsetzbar. Lediglich für Asbest besteht ein Verbot, das sich allerdings auf den Einbau beschränkt, eine Sanierung in bestehenden Gebäuden ist zwar angesagt, kann aber aufgrund der Gesetzeslage im Privatbereich nicht zwingend vorgeschrieben werden. Gesetze, Grenzwerte oder Einschränkungen gibt es in der Baubranche kaum und wenn, dann höchstens ansatzweise wie die mittlerweile veraltete Formaldehyd-Richtlinie (Richtwert: 0,1

ppm) des deutschen Gesundheitsamtes von 1977. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt deutlich niedrigere Werte (0,05 bis 0,07 ppm) und bemerkt, dass selbst bei geringeren Werten zumindest bei empfindlichen Personen gesundheitliche Beschwerden nicht auszuschließen sind. So treten Nasenreizungen bereits bei 80% des Richtwertes (0,08 ppm) auf, die Geruchsschwelle liegt bei 50% (0,05 ppm), Augenreizungen werden bereits bei einem zehntel des Richtwertes sprich bei 0,01 ppm beobachtet. Eine australische Studie mit Kindern zeigt eine steigende Inzidenz (Neuerkrankungen) von Asthma von 16% bei Formaldehydbelastungen unter 0,016 ppm auf 44% bei Formaldehydkonzentrationen die höher als 0,04 ppm liegen. Einzelne Schadstoffe, insbesondere Biozide sind in einzelnen europäischen Mitgliedstaaten verboten wie beispielsweise Pentachlorphenol in Deutschland, in Belgien, in Luxemburg und teilweise in Frankreich (allerdings nur im Holz) oder etwa Lindan in der Schweiz. Länder übergreifende Reglementierungen oder Verbote bestehen jedoch in der Regel nicht. Dabei wären gerade diese zwingend notwendig will man in einem vereinten Europa, wo Baumaterialien grenzenübergreifend eingesetzt werden, dem Bauherrn oder Gebäudenutzer einen ausreichenden gesundheitlichen Schutz gewährleisten. Gerade das Beispiel des Pentachlorphenols in luxemburgischen Gebäuden beweist, wie nutzlos einzelne nationale Verbote sind, wenn andere europäische Staaten weiterhin PCP einsetzen. So hat die Anzahl von PCP-Belastungen in den luxemburgischen Wohnungen von 2-4% in den Jahren 2001 bis 2003 auf 12,2% im Jahr 2006 und 16,3% im Jahr 2007 zugenommen, obwohl seit 1994 PCP in Luxemburg, genauer gesagt in luxemburgischen Produkten verboten ist. Auch auf internationaler beziehungsweise europäischer Ebene bestehen kaum oder nur höchst unzureichende Reglementierungen geschweige denn Einschränkungen. Die europäische Kommission hat zwar diverse Instrumente in die Wege geleitet wie beispielsweise die „Construction Products Directive CPD 89/107/EEC“, die „General Product Safety Directive GPSD 2001/95/EC“ oder die „Biozidrichtlinie 2007/20/EC“. Die so genannte „REACH-Direktive 2006/1907/EC Registration Evaluation and Autorisation of CHemicals“ wird frühestens in einigen Jahren Ergebnisse liefern. Im Rahmen eines Forschungsprojektes ENVIE, das die europäische Kommission im Rahmen ihrer Rahmenprogramme durchführen ließ, und das von gesundheitlichen Effekten wie COPD (chronic obstructive pulmonary disease), Asthma, Allergien bis hin zu Lungenkrebs und kardiovaskulären Krankheiten ausging, wurden als mögliche Verursacher neben Tabak, Stickstoff und Feinstaubpartikeln auch typische Innenraumschadstoffe wie Benzol, Formaldehyd, Naphthalin, VOC, Radon sowie Schimmelpilzbefall infolge von erhöhter Feuchtigkeit ermittelt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat ihrerseits Ende 2010 so genannte „guidelines“ publiziert in denen unter anderem auf die gesundheitlichen Risiken von Formaldehyd, Benzol, Naphthalin, PAK, halogenierten Kohlenwasserstoffen (Tri- und Tetrachlorethylen) sowie Radon hingewiesen wurde. Für weitere Chemikalien, etwa die

Lösemittel Toluol, Xylole, Styrol sowie die Terpene Limonen und Pinene (in Biofarben und -

lasuren, Putzmittel und Duftstoffen) bestehen nach Ansicht der WHO keine ausreichenden

wissenschaftlichen Erkenntnisse. Richtwerte oder Orientierungswerte werden in diesen

„guidelines“ nicht genannt.

Die von der Weltgesundheitsorganisation vorgeschriebene maximale Außenluftbelastung für

Benzol von 10 µg/m³, die mittlerweile progressiv auf 5 µg/m³ reduziert wurde, wird in

Innenräumen regelmäßig um ein Vielfaches überschritten: in 327 untersuchten Räumen in

luxemburgischen Gebäuden wurden im Zeitraum 2004 bis 2007 im Durchschnitt 4 µg/m³

Benzol gemessen. 102 der untersuchten Räume überschritten den damaligen europäischen

Grenzwert für die Außenluft, die höchste gemessene Konzentration von 55 µg/m³ in einem

Büroraum gleich um das elffache! Auch die höchste in einem Kinderschlafzimmer

festgestellte Konzentration von 44 µg/m³ lag noch neunfach über dem Grenzwert für die

Außenluft (5 µg/m³). Ingesamt sind jedoch im Verlauf der letzten Jahre die Anzahl an

Benzolbelastungen und vor allem an hohen Benzolbelastungen (oberhalb von 10 µg/m³)

kontinuierlich zurückgegangen. Auch hier dürften die große Mediatisierung sowie die

Anstrengungen der Hersteller beziehungsweise die Verbote auf europäischer Ebene für diesen

Rückgang verantwortlich zeigen.

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2004 2005 2006 2007 Jahr

Anzahl Benzolbelastungen 2004-2007

5-10 µg/m3

>10 µg/m3

Luxembourg Indoor survey 2004-2007: Anzahl Benzolbelastungen nach Konzentration Inwiefern Innenraumbelastungen zu gesundheitlichen Beschwerden der Raumnutzer führen

können, zeigt ein Fallbeispiel der luxemburgischen Arbeitsmedizin aus dem Jahre 2009/2010.

Es handelte sich um ein altes Gebäude aus dem 16. Jahrhundert, das zuletzt 1988 und 2006

renoviert wurde. Ende 2008 wurde es von der Gemeinde in Betrieb genommen. Etwa zwei

Monate später klagten von den insgesamt zehn Angestellten acht Personen über gesundheitliche Beschwerden: sechs davon über Schleimhautreizungen, vier über Kopfschmerzen sowie zwei über Atemwegsprobleme. Während die Schleimhautreizungen vor allem bei den Angestellten im Erdgeschoß auftraten (fünf von sechs Angestellten), hatten die Kollegen im ausgebauten Dachstuhl in erster Linie mit Atemwegsproblemen zu kämpfen (zwei der vier Angestellten). Von den insgesamt acht Betroffenen gaben in einem anonymen Fragebogen sechs an, dass die Beschwerden außerhalb des Arbeitsplatzes nachließen. Umfangreiche Innenraumanalysen ergaben im Dachstuhl eine Kontamination durch das Holzschutzmittel Dichlofluanid mit dem das gesamte Holz des Daches behandelt worden war. Dichlofluanid wirkt der Literatur nach schleimhaut- und augenreizend und verursacht chronische Müdigkeit. Es ist Bestandteil der europäischen Biozid-Direktive 2007/20/EC und das deutsche Bundesgesundheitsamt rät von einem Gebrauch von Dichlofluanid in Innenräumen ab. Zur Sanierung wurde das Holzdach mit einer spezifischen diffusionsdichtem Aluminiumfolie abgedichtet und anschließend mit Gipsplatten die mit einer Mineralfarbe auf Calcium-Kaseinbasis (ohne Grundierung) gestrichen wurde verkleidet. Die in den Raum stehenden Holzbalken wurden aus Gründen der Ästhetik nicht verkleidet sondern mit Shelllack gestrichen. Zusätzlich wurde von den Sanierungsarbeiten profitiert um das Dach zusätzlich zu dämmen. Kostenpunkt dieser Sanierung: 69.000 Euro. Im Erdgeschoß wurden erhöhte Staubbelastungen durch das Flammschutzmittel TBEP oder Tris-butyl-ethyl-phosphat (170 mg/kg beziehungsweise 335 mg/kg Staub in den beiden Räumen) sowie polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe oder PAKs (73,2 mg/kg Staub) gemessen. Verursacher waren einerseits der Parkettkleber auf Teerölbasis (PAK) sowie andererseits die PU-Versiegelung des Parketts (TBEP), wobei das TBEP der Versiegelung ihren Glanz gab. Die Sanierung des Erdgeschoßes erfolgte über ein vollständiges Entfernen des Parkettbodens mitsamt dem Kleber und der schwimmenden Verlegung (demnach ohne Kleber) eines neuen Parkettbodens, der anschließend nicht mehr versiegelt sondern lediglich mit Öl gestrichen wurde. Kostenpunkt 110.000 Euro. Die an die Sanierung anschließenden Kontrollmessungen drei Monate später ergaben im Erdgeschoß ein Rückgang der Belastung durch PAK von 73,5 auf 40 mg/kg Staub sowie durch TBEP von 170 auf 28 mg/kg Staub. Im Dachgeschoß wurde kein Dichlofluanid mehr nachgewiesen (< 1 mg/kg). Gleichzeitig wurde der gesundheitliche Zustand der Angestellten über einen erneuten anonymen Fragebogen überprüft. So war einerseits die Häufigkeit der Beschwerden deutlich zurückgegangen, anderseits hatten von den ehemals acht Betroffenen fünf keine Beschwerden mehr, bei zwei hatten sich die Beschwerden verbessert und lediglich eine Person bemerkte keine wesentlichen Unterschiede. Das Beispiel verdeutlicht nicht nur des gesundheitlichen Impakt, sondern ebenfalls die teilweise enormen Sanierungskosten (in diesem Fall 180.000 Euro), die anfallen können wenn baubiologischen Kriterien nicht oder nur ungenügend Rechnung getragen wird. Ein Versuch die Nachhaltigkeit der Bauprodukte und -materialien zu fördern sind die zahlreichen Bio- und Umweltlabel, welche sich seit geraumer Zeit vervielfältigen. Dabei unterscheidet man zwischen einerseits nationalen Labels die von den jeweiligen europäischen Mitgliedsstaaten gefördert oder gar verteilt werden, wie beispielsweise das finnische M1, das

dänische DICL, das portugiesische LQAI, das französische Afsset oder das deutsche AgBB, sowie andererseits Umweltlabel diverser Organisationen wie beispielsweise der Blaue Engel, Ökotex Standard 100 und 1000 oder Nature Plus und viele mehr. Schließlich gibt es auch noch die Labels der Hersteller selbst, die sich zu Interessengemeinschaften zusammentun, etwa das GUT oder der GEV-Emicode EC1. Die Anforderungen der Verschiedenen Labels an die Baumaterialien sind höchst unterschiedlich. So ist beispielsweise das Pyrethrinoid Permethrin, welches als Holzschutzmittel oder Mottenschutzmittel in Holz, Leder oder Wollteppichböden eingesetzt wird bei manchen Labels verboten, bei anderen erlaubt oder sogar zwingend vorgeschrieben (bis zu 210 mg/kg Material). Organo-phosphorierte Flammschutzmittel werden äußerst stiefmütterlich behandelt, lediglich ein Umweltlabel reglementiert deren Einsatz, und dies auch nur in Bezug auf die chlorierten Organo-Phosphate. Die vorgegebenen Richt- oder Grenzwerte für Lösemittel schwanken von Umweltlabel zu Umweltlabel zwischen 200 und 1000 µg/m³, also um das fünffache, die erlaubte Konzentration von Formaldehyd variieren zwischen 0,02 und 0,1 ppm, also ebenfalls um einen Faktor fünf. Außerdem geben die Richtwerte nur den aktuellen Stand der Wissenschaft beziehungsweise der Erkenntnisse wieder. Der Formaldehyd-Richtwert von 0,1 ppm beispielsweise stammt aus dem Jahre 1977, im Juni 2004 dagegen wurde Formaldehyd als krebserregend (Klasse 1 des IARC – International Agency for Research on Cancer – der rechten Hand der WHO) eingestuft. Ein anderes Beispiel sind die GUT-Richtwerte für Lösemittel die zwischen 1990 und 1997 von 5000 auf 300 µg/m³ revidiert wurden (Styrol von 100 auf 5µg/m³, Toluol von 300 auf 50µg/m³). Zudem handelt es sich dabei immer um Prüfkammerwerte, das heißt, dass dieser Richtwert in einem Prüfkammerverfahren nicht überschritten werden darf. Dazu wird ein in der Größe definiertes Materialstück in eine von der Größe ebenfalls definierte Prüfkammer gelegt (die so erreichte Raumbeladung legt meist unterhalb von 1, also ein Material von 1m² in einem Prüfkammervolumen von 1m³), bei definierten Temperatur, Luftfeuchte (meist 23°C, 45% rF) sowie vor allem einem permanenten Luftaustausch von 1 pro Stunde, das heißt, dass die Luft innerhalb der Prüfkammer innerhalb von einer Stunde komplett ausgetauscht und erneuert wird. Somit findet ebenfalls eine Verdünnung der Immissionen statt, die Messwerte werden nach unten revidiert. Außerdem steigen die Emissionen, also die Ausgasung der Chemikalien mit der Temperatur sowie der Luftfeuchte, so dass bei Temperaturen oberhalb von 23°C im Sommer beispielsweise die Emissionen die Richtwerte durchaus übersteigen. Schließlich wird beim Ausbau im Innenraum auch die Raumbeladung, so wie sie in der Prüfkammer bestand nicht immer eingehalten. So wird beispielsweise die Raumbeladung im Falle von Formaldehyd bei gleichzeitigem Einbau von Formaldehyd-haltigem Fertigparkett mittels Formaldehyd-haltigem Parkettkleber und gleichzeitigem Einbau einer Spanplatten-haltigen Holzdecke verdreifacht, der Richtwert vom Prüfkammerverfahren gewährt keinen gesundheitlichen Schutz der Raumnutzer.

Im Bereich des Neubaus haben in den letzten Jahren ebenfalls diverse Zertifikationen, beispielsweise das englische BREEAM oder das deutsche DGNB (Deutsche Gesellschaft für Nachthaltiges Bauen) Einzug gehalten. Neben Kriterien wie Nachhaltigkeit der Baustoffe, Transportwege, Energieeffizienz, Recycling wird bei diesen Zertifikationen auch der Gesundheit, demnach den Innenraumbelastungen Rechnung getragen. Dabei wird sich einerseits bei der Auswahl der Baumaterialien auf die entsprechenden EU-Sicherheitsdatenblätter bezogen, andererseits werden nach Fertigstellung des Neubaus Kontrollmessungen der Raumluft durchgeführt. Dabei werden allerdings nur die leichtflüchtigen organischen Substanzen erfasst, mittel- oder schwerflüchtige Schadstoffe, beispielsweise Biozide und Konservierungsmittel, Flammschutzmittel, Weichmacher oder PAK, die normalerweise im Haus- oder Gebäudestaub gemessen werden, bleiben unerkannt. Die Sicherheitsdatenblätter stellen zwar für viele Schadstoffe eine Hilfe dar, allerdings brauchen gerade Flammschutzmittel auf Phosphorsäureesterbasis in den Sicherheitsdatenblättern nicht aufgeführt zu werden. Dabei handelt es sich um Schadstoffe, die von der chemischen Struktur dem Kampfgas SARIN (Attentat in der Metro in Tokio) ähneln. Auch in ihrer biologischen Aktionsweise blockieren sie ebenso wie das Kampfgas ein Enzym (Acetylcholinesterase), das im Bereich des Nervenimpulses zum Einsatz kommt. So beschreibt das US-amerikanische CDC eine chronische Nervenkrankheit die durch Organophosphorsäureester induziert wird, also durch die besagten Flammschutzmittel (OPICN - organophosphorus Ester-induced Chronic Neuropathy - (Agency for Toxic Substances and Disease Registry of CDC). Ein weiteres Problem besteht im Bereich der Lösemittel, genauer gesagt der Einstufung der verschiedenen Schadstoffe in die Klasse der Lösemittel oder leichtflüchtigen organischen Stoffe VOC (volatile organic compounds). So definiert die europäische Kommission welche die EU-Sicherheitsdatenblätter reglementiert, die Klasse Lösemittel als Substanzen die einen Siedepunkt unterhalb von 200°C haben. Dieser Definition gemäß gehören weder die mittel- oder schwerflüchtigen Flammschutzmittel noch die Glykolether zu den Lösemitteln und brauchen demnach in den Sicherheitsdatenblättern nicht erwähnt zu werden. Der GEV-Emicode EC1 beispielsweise definiert die Lösemittel gemäß einem Siedepunkt von 250°C, betrachtet demzufolge Glykolether sehr wohl als VOC. Dabei ist nicht etwa der Siedepunkt sondern die Verdunstungszahl für das Emissionsverhalten der Chemikalien verantwortlich. So geben Pflanzen auch bei Zimmertemperatur (und weit unterhalb dem Siedepunkt vom Wasser von 100°C) Feuchtigkeit an die Raumluft ab, das heißt, dass einerseits auch bei höher siedenden chemischen Schadstoffen eine Immission in die Raumluft bei Zimmertemperatur stattfindet und andererseits der Siedepunkt in keinem Zusammenhang mit dem Emissionsverhalten des Stoffes steht. Beispiele von Schadstoffemissionen durch ökologische oder biologische Baumaterialien verbunden mit gesundheitlichen Beschwerden der Bewohner gibt es viele. Ein auffälliges Beispiel in Bezug auf Öko- oder Bioprodukte im Wohnbereich war der Fall einer fünfundvierzigjährigen Frau die sich 2007 im Anschluss an Renovierungsarbeiten im

Wohnzimmer über Reizungen der Nase und der Augen sowie Schwindelanfälle, insbesondere bei Aufenthalt im besagten Wohnzimmer beklagte. Die Renovierung hatte unter anderem darin bestanden eine 1991 aufgebrachte Raufasertapete (dabei handelte es sich um ein „Bioprodukt“) mit „Biofarben“ zu überstreichen. Die vom Gesundheitsministerium durchgeführten Analysen ergaben einerseits eine Belastung der Raumluft durch Aldehyde, insbesondere Hexanal, Nonanal und Dekanal, welche allesamt schleimhautreizend wirken, sowie eine Belastung des Hausstaubes mit den Bioziden DDT (17 mg/kg) und Lindan (2,6 mg/kg) welche beide häufig als Holzschutzmittel eingesetzt werden oder wurden: DDT ist seit den siebziger Jahren generell verboten, Lindan in der Schweiz untersagt. Die Identifizierung der Verursacher gestaltete sich schwierig, nur durch einen großen Aufwand an Materialproben (über zwanzig verschiedene Materialien) konnten die Verursacher identifiziert werden: die Aldehyde entstanden durch eine typische chemische Reaktion der in den Biofarben enthaltenen ungesättigten Fettsäuren mit dem Sauerstoff der Raumluft, derweil die DDT- und Lindanbelastungen auf die “ökologische“ Raufasertapete zurückzuführen war; bei den Holzschnipseln die der Tapete ihre Textur gibt handelte es sich um recycliertes Holz was eben ursprünglich mit Holzschutzmitteln ausgerüstet worden war. Auf die negativen Einflüsse von chemischen Schadstoffen, elektromagnetischen Belastungen oder Schimmelpilzkontaminationen aufbauend beinhaltet die Baubiologie ebenfalls die schadstofffreie Ausführung der Bauwerke sei es beim Neubau oder der Renovierung durch den Einsatz geeigneter Erkenntnisse und Techniken sowie durch schadstofffreie oder zumindest schadstoffarme Baumaterialien. Durch bauliche Maßnahmen zum Vermeiden von Wärmebrücken und Schimmelpilzbefall, durch eine vernünftige Einplanung der elektrischen Versorgung zur Reduzierung der elektromagnetischen Belastungen insbesondere in sensiblen Ruhe- und Schlafbereichen sowie durch einen bewussten Umgang mit Baustoffen und –materialien zur Vermeidung von chemischen Schadstoffbelastungen können negative Auswirkungen durch die Umwelt innerhalb der eigenen vier Wände vermieden werden. Baubiologie kann demnach in fünf Bereiche untergliedert werden: Zum Ersten geht es um die Vermeidung beziehungsweise die Reduzierung von Schadstoffemissionen durch die Auswahl von schadstofffreien oder möglichst schadstoffarmen Baumaterialien und Einrichtungsgegenständen. Der zweite Bereich betrifft die Vermeidung von Baufehlern die zu einem Anstieg von Feuchtigkeit und somit unweigerlich zu Schimmelpilzbelastungen führen. Diese beiden Bereiche behandeln direkt gesundheitsbeeinträchtigende Schadstoffe und Belastungen durch chemische oder physikalische Schadstoffe sowie durch Schimmelpilze und sollten somit in jedem Fall vermieden werden. Der dritte Bereich betrifft die weitestgehende Reduzierung jeglicher elektromagnetischer Strahlung, die entweder direkt oder indirekt in Verbindung mit chemischen Belastungen (zum

Beispiel Schwermetalle, wie sie üblicherweise in Zahnfüllungen oder bei Prothesen verwendet werden) oder aber durch eine Schwächung der Immunabwehr für Gesundheitsbeschwerden oder Befindlichkeitsstörungen verantwortlich sein können. Zusammen mit der Vermeidung der chemisch-physikalischen Schadstoffen und der Schimmelpilzbelastungen stellt die Vermeidung der elektromagnetischen Belastungen beziehungsweise deren Minimierung somit einen absoluten Mindestanspruch an eine baubiologische und somit gesunde Wohnung dar. Als vierter Punkt ist das gesunde Raumklima zu erwähnen, das durch eine angemessene Raumluftfeuchte, durch ein Gleichgewicht zwischen negativ geladenen Großionen und positiv geladenen Kleinionen, durch heterogene Lufttemperaturzonen durch das gesamte Haus, durch eine adäquate Farbenwahl sowie durch atmungsaktive, offenporige Bauflächen bestimmt wird. Der fünfte Bereich schließlich beinhaltet ökologische Kriterien wie die oben erwähnten Energiesparmaßnahmen oder Photovoltaikanlagen, Transportwege der Baumaterialien, Verwendung von Regenwasser zur Nutzung von Toilette oder Waschmaschine oder Nachhaltigkeit von Rohstoffen. Die Entscheidung, welchem dieser fünf Bereiche bei einem Bauprojekt Rechnung getragen werden soll ist letztendlich dem Bauherrn überlassen und wird im Endeffekt sehr oft durch finanzielle Überlegungen oder Einschränkungen bestimmt. Im Endeffekt geht es bei einem baubiologischen Projekt darum, diesen Spannungen zwischen Kosten, Bauzeit einerseits sowie Qualität der Baumaterialien andererseits Rechnung zu tragen und Kompromisse abzuwägen, ohne dabei die gesundheitlichen Ansprüche aus den Augen zu verlieren. Bei baubiologisch konzipierten Gebäuden handelt es sich keineswegs um Lehmhütten mit Grasdach. Im Gegenteil, baubiologische Konzepte können sowohl in traditionelle als auch in moderne Bauprojekte integriert werden. Ein gesundes Haus kann durchaus individuell gestaltet, kreativ und modern sein, individuelle Wünsche in Bezug auf Farbgestaltung, Bodenbelag, Heizsystem oder elektronischer Komfort sind durchaus möglich. Zu einem baubiologischen Konzept gehört zuerst einmal die Untersuchung des Grundstückes auf schädigende Faktoren wie beispielsweise magnetische niederfrequente Wechselfelder durch elektrische Leitungen aber auch Erdkabel, Schienen- und Tramverkehr, oder Transformatoren, hochfrequente elektromagnetische Felder durch Mobilfunkantennen, Radio- oder Fernsehantennen, Radaranlagen oder Schnurlostelefone der Nachbarn, Störungen des Erdmagnetfeldes durch Wasseradern oder Verwerfungen, aber auch Radongas durch poröses Erdgestein. Auch in der Umgegend befindliche Industrien oder Betriebe wie Tankstellen, Mülldeponien, oder Straßenverkehr können zu Schadstoffbelastungen führen. Größere

Kompostanlagen oder Ställe vor allen entgegen der Hauptwindrichtung können zu einer

erhöhten Schimmelpilzbelastung der Umgebungsluft führen.

Die anschließende Planung versucht diesen Faktoren Rechung zu tragen. Weitere zu

berücksichtigende Faktoren sind die Anbindung an die bestehenden Infrastrukturen,

insbesondere die Vermeidung von elektromagnetischen Belastungen im Wohn- und

Schlafbereich sowie die Raumaufteilung innerhalb dem Gebäude. Sensible Räume mit

Daueraufenthalt wie Schlafzimmer, Kinderspielzimmer, Wohnzimmer, Büroräume sollten

möglichst von problematischen Räumen entfernt sein; dazu gehören Garage und Heizkeller

(Emission von Abgasen oder Lösemitteln), Hobbyräume und Werkstätten (Lösemittel aus

Klebern, Farben, …), Lagerräume (Lösemittel durch Farbreste und Kanister) aber auch

Dauerstromverbraucher wie Zentralheizung, Kühlschränke, Sicherungskästen,

Photovoltaikanlagen oder Geräte im Standby-Betrieb.

Während der Bauphase ist dem Risiko einer späteren Schimmelpilzentwicklung durch

anhaltende Feuchtigkeit Rechnung zu tragen. So muss unbedingt auf eine ausreichende

Dampfsperre zum Erdreich hin geachtet werden um spätere aufsteigende Feuchtigkeit infolge

von Kapillarität zu vermeiden. Desweiteren sind Wärmebrücken durch entsprechende

Dämmmaßnahmen zu vermeiden. Der Neubau sollte auch schon während der Bauphase

ausreichend gelüftet beziehungsweise geheizt werden um Restbaufeuchte zu vermeiden. In

diesem Sinn müssen auch zu kurze Bauphasen in Verbindung mit einem zu schnellen Bauen

kritisch beäugt werden. In Verbindung mit anhaltender Feuchtigkeit stellen insbesondere

Baumaterialien mit organischem Ursprung oder organischen Zusätzen ein geeignetes Substrat

für Schimmelpilz- und Bakterienbefall dar (organisches Substrat als Nährstoff für

Mikroorganismen). Durch desinfizierende, mineralische, bakterizide (das heißt Bakterien-

abtötende) oder fungizide (Schimmelpilze abtötende) Eigenschaften können diverse

Baumaterialien, beispielsweise durch ihre hohe Alkalinität (z.B. Kalk oder Zement) oder

durch ihre rein mineralische Zusammensetzung bis zu einem gewissen Grad ein

Schimmelpilz- oder Bakterienwachstum an ihrer Oberfläche verhindern.

Der Bereich der Schadstoffvermeidung spielt bei jeder einzelnen Etappe der Bauphase eine

bedeutende Rolle, ausgehend vom Rohbau (Mörtelzusätze, Öle bei der Verschalung von

Betonteilen, Radioaktivität diverser Ziegelsteine) über die Dachkonstruktion

(Holzschutzmittel, Flammschutzmittel der Holzteile), Fenster und Türen (Ortsschäume,

Fungizide bei Holzfenstern), die Heizung (Abgase) und Heizkörper (Strahlung oder

Konvektion), die Fußbodenbeläge (Kleber, Formaldehyd im Fertigparkett, Aldehyde in

Linoleumfußböden, Mottenschutzmittel in Teppichböden, Radioaktivität von Steinböden), die

Kacheln (Fliesenkleber), die Tapeten (PVC, Glasfasern, Tapetenkleber), den Anstrich

(Lösemittel, Terpene, Konservierungsstoffe, Glykolether) bis hin zum Innenausbau

(Formaldehyd in Holzwerkstoffen, Farben, Kleber) oder der Fassade.

Das Thema Elektrosmog berührt in erster Linie die Elektroinstallation (Einsatz von verdrillten,

abgeschirmten Kabeln, Netzfreischalter oder Netzabkoppler, abgeschirmte Hohlwanddosen,

Verlegung der Leitungen). Darüber hinaus vermag eine entsprechende Auswahl der

Baumaterialien insbesondere der Außenhülle des Gebäudes etwaige hochfrequente Strahlung

von Mobilfunkantennen oder anderen abzuschirmen (Alufenster und -türen inklusive

metallbeschichtete Glasfläche, Rollläden aus Aluminium, massive Außenmauern). Eventuell

können auch spezielle Abschirmmaterialien zum Einsatz kommen.

Raum Parameter Gemessener Höchstwert Orientierungswert Wohnzimmer Formaldehyd 0,004 ppm 0,02-0,05 ppm

Schlafzimmer Formaldehyd 0,006 ppm 0,02-0,05 ppm

Wohnzimmer “Lösemittel”, VOC 228 µg/m³ 300 µg/m³

Schlafzimmer “Lösemittel”, VOC 121 µg/m³ 300 µg/m³

Flur “Lösemittel”, VOC 95 µg/m³ 300 µg/m³

Wohnzimmer Biozide < 0,2 mg/kg 1-5 mg/kg St. (Ez)

Wohnzimmer Pyrethroide < 0,2 mg/kg 1-5 mg/kg St. (Ez)

Wohnzimmer PAK 1,6 mg/kg 10-50 mg/kg St. (Su)

Wohnzimmer Chlorierte

“Flammschutzmittel” < 1 mg/kg 5-10 mg/kg St. (Ez)

Wohnzimmer Nicht chlorierte

“Flammschutzmittel” < 1 mg/kg 40-100 mg/kg St. (Ez)

Wohnzimmer PCB < 0,1 mg/kg 1-5 mg/kg St. (Ez)

Schlafzimmer Magnetische

Wechselfelder < 10 nT 20-100 nT

Schlafzimmer Elektrische Wechselfelder < 1 V/m 1-5 V/m

Wohnzimmer Hochfrequente Felder 0,03 µW/m² 5-100 µW/m²

Schlafzimmer Hochfrequente Felder 0,04 µW/m² 5-100 µW/m²

Schlafzimmer Radon 41-46 Bq/m³ 200-1000 Bq/m³

St = Staub Ez = Einzelsubstanz Su = Summe

Kontrollmessungen in einem baubiologischen Einfamilienhaus 3 nach Fertigstellung (Messwerte in Prozent gegenüber dem jeweiligen Orientierungswert (SBM-2003)

Die Spalte „Orientierungswert“ beinhaltet in der Regel zwei unterschiedliche Werte: die höhere Zahl entspricht dem Richtwert einer starken Belastung nach den Kriterien des deutschen Standards der baubiologischen Messtechnik und stellt den Mindestanspruch an ein „Biohaus“ dar. Der niedrigere Wert beschreibt jeweils den Schwellenwert zu einer schwachen Belastung im Hinblick auf eine Vorsorge mir Rücksicht auf empfindliche (Kinder) und kranke Menschen. Bei sämtlichen Richt- und Orientierungswerten handelt es sich um langfristige Vorsorgewerte bezogen auf Schlafbereiche oder Räume mit „Daueraufenthalt“ beziehungsweise um chronische, in der Regel langjährige Expositionen. Diese Orientierungswerte liegen um ein Vielfaches niedriger als die Grenz- oder Richtwerte, ab denen kurzfristig Symptome oder gesundheitsbeeinträchtigende Reaktionen beobachtet werden.

3 Baden R.: Biologie am Bau – gesund, individuell, ohne Mehrkosten, Editions St. Paul; 2009 – ISBN: 978-2-87963-758-7 www.editions.lu

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% 110% 120% 130% 140% 150%

Formaldehyd/SchlafzimmerFormaldehyd/Wohnzimmer

VOC/SchlafzimmerAromaten/Schlafzimmer

Benzol/SchlafzimmerToluol/Schlafzimmer

Aliphaten/SchlafzimmerTerpene/Schlafzimmer

Limonen/SchlafzimmerGlykolether/Schlafzimmer

Perchlorethylen/SchlafzimmerBiozide/Wohnzimmer

Pyrethroide/WohnzimmerPAK/WohnzimmerPCB/Wohnzimmer

chlorierte Flammschutzmittel/Wohnz.nicht-clor. Flammschutzmittel/Wohnz.

elektrische Wechself./Schlafzimmermagnetische Wechself./Schlafzimmer

Hochfrequenz/WohnzimmerRadon/Schlafzimmer

% des Richtwertes einer starken Belastung % des Richtwertes einer schwachen Belastung

Kontrollmessungen in einem baubiologischen Einfamilienhaus nach Fertigstellung (Messwerte in Prozent gegenüber dem jeweiligen Orientierungswert (SBM-2003) Das Diagramm gibt die Ergebnisse grafisch in Form von Prozentanteilen gegenüber dem jeweiligen Orientierungswert wieder. Prozentwerte über 100% bedeuten, dass der entsprechende Richtwert überschritten wurde. Prozentwerte unterhalb von 100% weisen dagegen darauf hin, dass der jeweilige Orientierungswert unterschritten blieb und somit die baubiologischen Ansprüche an das Projekt erfüllt wurden. Sämtliche Ergebnisse unterhalb von einem Prozent wurden auf 1 % aufgewertet um sie grafisch darstellen zu können. Eine genaue Betrachtung dieser Ergebnisse zeigt, dass die entsprechenden Richtwerte einer starken Belastung (rote Balken) sehr deutlich unterschritten blieben, die höchsten gemessenen Werte überschreiten knapp 10 Prozent der baubiologischen Orientierungswerte, ab denen von einer starken Belastung die Rede ist. Selbst die Richtwerte einer schwachen Anomalie (grüne Balken) wurden bei weitem nicht erreicht. Demnach erfüllt das fertig gestellte Projekt die Kriterien eines baubiologischen Gebäudes, selbst im Hinblick auf sensible Einwohner, wie kranke oder alte Leute oder aber Kleinkinder. Neben den Schadstoffen kommt dem Raumklima, welches durch die eingesetzten Baustoffe günstig oder ungünstig beeinflusst werden kann, eine wesentliche Bedeutung zu. Das Raunklima wird durch verschiedene messbare Parameter definiert: es wird unter anderem durch die Raumluftkonzentration an positiv und negativ geladenen Klein- oder Großionen, die Luftfeuchtigkeit, die Lufttemperatur sowie durch die elektrostatische Aufladung der

Oberflächen bestimmt. Durch die Auswahl und Kombination der Baumaterialien lässt sich das Raumklima positiv oder negativ beeinflussen: Baustoffe mit geringem Diffusionswiderstand haben Feuchtigkeitsregulierende oder hygroskopische Eigenschaften, das heißt, dass sie bei hoher Raumluftfeuchte Feuchtigkeit aufnehmen, puffern und später bei geringer Raumluftfeuchte wieder an die Raumluft abgeben können. Auf diese Weise wird eine ausreichende, die Schleimhäute schützende Raumluftfeuchte gewährleistet. Relative Raumluftfeuchte (blau) im Schlafzimmer eines baubiologischen Gebäudes (Lehmziegel, Kalkgipsputz innen, Silikatfarbe ohne Grundierung, Kalkputz außen): Langzeitmessung über 10 Tage Im Gegensatz zu diffusionsdichten Materialien stellen diffusionsoffene Baustoffe keine Barriere für Gase dar. Atmungsaktive oder diffusionsoffene Baumaterialien erlauben gasförmigen Geruchs- oder Schadstoffen durch sie hindurch zu diffundieren. So können diverse Baustoffe nicht nur Gerüche sondern auch Schadstoffe aufnehmen (z.B. Formaldehydaufnahme durch Schafswolle) und so zu einer Reduzierung der Raumluftbelastung beitragen. Durch Reibung und Luftzirkulation entstehen elektrostatische Spannungen (Luftelektrizität), die das messbare Ionenverhältnis der Raumluft ungünstig beeinflussen können. So werden in Innenräumen moderner Bauten häufig Konzentrationen von weniger als 200 Ionen/cm³ (bei vorwiegend positiven Kleinionen) gemessen, während in baubiologischen Räumen Konzentrationen von tausend bis zweitausend Ionen/cm³ gängig sind (bei einem ausgewogenen Verhältnis zwischen positiv und negativ geladenen Klein- und Großionen).

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Intensity (lum/sqf) c:3 Temperature (*C) c:1 RH (%) c:1 2

Demnach sollten in Innenräumen Baumaterialien, die zu statischen Aufladungen neigen, möglichst vermieden und antistatische Baustoffe (die nicht zu einer Aufladung neigen) bevorzugt werden.

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negativ geladene Großionen

positiv geladene Kleinionen

Raumluftklima: Vergleich der Ionenkonzentrationen zwischen klassischen Büroräumen und baubiologischen Räumen von drei baubiologischen Bauprojekten in Luxemburg Baubiologische Projekte müssen nicht zwangsläufig teurer werden als traditionelle Bauten; mit dem nötigen Fachwissen ist es durchaus möglich ein baubiologisches Wohngebäude vollständig ohne Mehrpreis zu bauen. Mehrkosten bei einzelnen stehen Minderkosten bei anderen Handwerksarbeiten gegenüber, so dass es zu einer Umverteilung der einzelnen Posten, nicht aber zu einem Anstieg des Gesamtbudgets kommt. Auf jeden Fall werden nachträgliche Renovierungs- und Sanierungskosten gespart, falls sich nach dem Einzug Befindlichkeitsstörungen wie fortwährende Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Atembeschwerden oder Nasen- und Augenreizungen einstellen (und typischerweise während dem Urlaub verbessern).

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Baubiologisches Projekt: Umverteilung der Kosten einer baubiologischen Ausführung im Vergleich zu einer traditionellen Ausführung des gleichen Projektes (Mehrkosten und Einsparungen)

Posten Mehrkosten Minderkosten Beschreibung Maurerarbeiten/Ziegel 0,00 € Poroton & Wärmedämmmörtel

Dachkonstruktion 34,36 € Borsalz, Betonpfannen anstelle Tonziegel Fenster 1.760,00 € Fixierung ohne Schaum

Alu-Rollläden 885,00 € Alu statt PVC; 4 Fenster Eingangstür 280,00 € Fixierung ohne Schaum

Elektroinstallation 1.737,34 € Netzfreischalter; Abschirmkabel & -dosen; Schalter für

Fernseher Innenputz 124,76 € Kalkputz in Badezimmer

Fliesen -678,35 € ins Mörtelbett; Wandfl. Biokleber Heizungsinstallation 600,00 € 4 Röhrenheizkörper (Strahlung) Sanitärinstallation 0,00 €

Anstrich -1.056,07 € Mineralfarben, keine Grundierung, keine Tapeten Innentüren 675,00 € Fixierung ohne Schaum

Wärmedämmfassade -2.917,00 € Keine Wärmedämmung da Porotonziegel Außenputz -1.742,70 € Kalkputz anstelle von Silikonputz Cuprotect 622,00 € Abschirmung Rollladenkästen gegen Hochfrequenz

Total 6.718,46 € -6.394,12 € Differenz 324,24 € Mehrkosten durch baubiologische Ausführung des Projektes

Baubiologisches Projekt: Mehrkosten und Minderkosten der einzelnen Posten samt Beschreibung der baubiologischen Varianten (man beachte die daraus resultierenden

Mehrkosten von insgesamt 324 Euro, was Mehrkosten im Bereich von 0,15% gegenüber dem traditionellen Bauen entspricht) Demnach ist baubiologisches Bauen zum gleichen Preis wie traditionelles Bauen möglich, der Kreativität sowie dem Anspruch an die Ästhetik des Gebäudes einerseits und dem Komfort des Bewohners andererseits sind keine Grenzen gesetzt. Vielmehr kommt der Baubiologie im Zeitalter des energieeffizienten Bauens und dem daraus resultierenden verminderten oder kontrollierten Luftaustausches eine noch größere Rolle zu als bisher, will man eine Akkumulierung von chemischen Schadstoffen aus Baumaterialien und Einrichtungsgegenständen sowie eine Akkumulierung von Luftfeuchte und dem daraus resultierenden Risiko von Schimmelpilzwachstum vorbeugen. Ralph Baden (Diplombiologe, Baubiologe) Detaillierte Beispiele baubiologischen Bauens (Planung, Ausführung) inklusive Kontrollmessungen und Budgetberechnung sind in einem Buch des Autors (Biologie am Bau; Editions St. Paul 2009, www.editions.lu) detailliert beschrieben und dokumentiert.