.O'i 6 > / . Die Hand der SPD erst · 2017. 4. 13. · / .O'i 6 > / . Die Hand der SPD erst Vor 50...

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/ .O'i 6 > / . Die Hand der SPD erst Vor 50 Jahren in Berlin: Die Zwangsvereinigung der Ost-SPD mit der KPD zur SED war kein Akt des freien Willens : Von SABINE LENNARTZ ;V; ' „Der historische Handschlag zwischen Wilhelm Pieck (KPD) und Otto Grotewohl (SPD) be¬ siegelte vor 50 Jahren, am 21. April 1946, die neue Einheitspartei SED im Osten Deutschlands un .damit das Ende der Sozialdemokratie in der sojwetischen Zone. Die Kommunisten hatten sich die SPD einverleibt. „Die Hand der SPD wurde erst ergriffen, dann abgehackt . Treffen¬ der als der SPD-Politiker Egon Bahr kann man die Zwangsvereinigung der KPD und der SPD nicht beschreiben. Heute, 50 Jahre später, muß sich die SPD gegen eine unge öhnliche Allianz i von Konservativen und der SED-Nachfolgerin PDS wehren, die die „Zwangsvereinigung“ an- zweifeln, den Zwang herunterspielen. Ein unglaublicher Vorgang , wie die große alte Dame : der SPD, Annemarie Renger, damals Kurt Schumachers engste Vertraute, sagt. • Zur Aufarbeitung der so-. : zialdemo ratischen Geschieh- • ¦ te gehört die Jahrhundert-Kon¬ rontation zwischen Kommu¬ ismus und Sozialdemokratie, ! im Gefolge auch die Auseinan-; i dersetzung mit der Nachfolge- : Partei der SED, der PDS Die Politische Akademie in Tut- Zu jener Zeit gab es in der , KPD auch durchaus national¬ bolschewistische Züge. Sozial¬ emokratische Versam lun¬ gen Schumachers wurden auch von Kommunisten ge¬ stört. , Diese tiefen Gegensätze ver¬ suchte Schumacher erst in der Für ihn waren Kommunisten „rotlackierte Faschisten :- Kurt . Schumacher wurde'im Mai 1946 beim ersten Nachkriegspartei¬ tag der SPD der Westzonen und West-Berlins in Hannover zum Vors[tzenden_der SPD gewählt. ' • Foto: AKG zing ging dieser Frage in Zu-MiNot zu überwinden. 1933 rief, 'sammenarbeit.i-niih der' Kuil-j j er.auch KP-AJ-beitefdüfMit- Schumacher-Gesellschaft nach. Zu 50. Jahrestag der Zwangsvereinigung waren . rund um Annemarie Renger, die Präsidentin der Kurt-Schu- ; ¦ macher-Gesellschaft, auch ei- ! nige Zeitzeugen versammelt. I Zeugen des Drucks, Zeugen der Verfolgung und Repressi- , on der Sozialdemokraten in i der sowjetischen Besatzun s- ! Zone nach der Zwangsvereini¬ gung von SPD und KPD. - Die Wurzeln der Trennung, •von Kommunisten und Sozial- ; demokraten reichen freilich - viel weiter zurück. Wie der Hi- l/storiker Volker Schober (Hei¬ delberg) in Tutzing berichtete, hatte urt Schumacher ein- ¦ mal selbst das Jahr 1923 als das schwierigste bezeichnet. Der - Widerstand gegen die NSDAP nahm die ganze Kraft Schuma¬ chers ein. Doch SPD und KPD 1 kämpften nicht Seite an Seite. hilfe im Widerstand ge en den Faschismus auf: Nicht zum Bruderkampf, son ern zum Klassenkampf. Doch der ge¬ meinsame Widerstand schei¬ terte.' Unter den Nationalsoziali¬ sten hatten Sozialdemokraten und Kommunisten gleicher¬ maßen zu leiden. Doch auch in der Verfolgung trennend war und blieb die Grun idee- Schumachers SPD wollte den Sozialismus in der De okratie verwirklichen, für die Kom¬ munisten heiligte der Zweck die Wege auch jenseits der De¬ mokratie. - Nach dem Krieg'fanden im Juni 1945 erste Gespräche zwi¬ schen der SPD und der KPD statt. Die Sozialdemokraten wollten die . alten Feindselig¬ keiten begraben, auch aus der Einsicht heraus, daß die Feindschaft zwischen SPD und KPD Hitler den Weg zur Macht erleichtert hatten. ln Wennigsen bei Hannover wurde die SPD neu ge egrün- det. Zwei überregionale Zen¬ tren, Hannover und Berlin, kristallisierten sich heraus, ln Hannover eröffnete das SPD- Büro mit gesamtdeutschem Anspruch, doch dieser An¬ spruch endete an der Demar- ationslinie zur SBZ. Die KPD hoffte unterdessen, im Osten zur-dominierenden Kraft zu werden. Ab dem Herbst 1945 wuchs der Druck .der Kommunisten. Walter Ulbricht und . Wilhel Piec wollten, wie Johannes Rau es heute ausdrückt, „die Gunst der Stunde nutzen und in der, sowjetisch besetzten Zone eine schlagkräftige kommuni¬ stische Parteiorganisation auf¬ bauen, in der Erwartung, die st rkste politische Kraft der deutschen Arbeiterbewegung - zu werden. . Doch die Erwartungen tro¬ gen: Die Sozialdemokraten hatten die breitere Basis, ie KPD wurde durch ihre Nähe zur sowjetischen Militäradmi¬ nistration immer unbeliebter. Der Gleichschaltungsdruck der KPD wurde daraufhin im¬ mer stärker. Ulbricht drängte, Grotewohl wehrte zunächst ab. Doch bald wurde die SPD, wie Grotewohl sagte, von „rus¬ sischen Bajonetten gekitzelt .. Die SPD in der sowjetisch besetzten Zone brachte'nicht mehr ie Kraft auf, eine Urab-, Stimmung . durchzusetzfen. ' ,.Wie sie ausgefalle ,wäre, war., lar. Denn in West-Berlin kam sie am 31. ärz 1946 zustande: , 82 Prozent lehnten-cin Zusam¬ mengehen mit der KPD ab. Was dann am 20./21. A ril beim zonalen Parteitag in Ber¬ lin geschah, war vorauszuse¬ hen: Die Zwangsvereini ung von SPD und KPD zur SED. Mitglieder der beiden Parteien wurden einfach übernommen, wer austrat, geriet in Gefahr. Kurt-Schumacher hatte richtig vorausgesehen, daß die KPD durch .die Gründung der SED einen „großen Blutspender“, nämlich die SPD, suchte. Die weitere Geschichte ist be¬ kannt. Die SED im Osten wur¬ de 1948 nach dem Vorbild der KPdSU eine zentralistische un kommunistische Partei. Die Volkspartei SPD im We¬ sten öffnete sich mit ihrem Go¬ desberger Programm für breite Schichten der Bevölkerung. FApj-. 1-lanHQf'hlan cler die Z angsvereinigung besiegelte. Wilhelm Pieck, Vorsitzender der KPD (links) und Otto - ' i ne IUoL>l llay, Grotewohl, Berliner ZentralausschuS der SPD, reichen sich im Berliner Admiralspalast die Hand. Sie wurden gleichberechtigte Vorsitzende der SED. Walter Ulbricht (vorne rechts) brachte es nur zum Stellvertreter, gab in der Partei jedoch den Ton an. • Daß die Diskussion über die Vereinigung der Sozialdemo¬ kraten und Kommunisten im , Osten Deutschlands vor 50 Jahren heute über den feinen Gedenktag hinaus wieder in den Blickpunkt rückt, liegt an der aktuellen Frage des Um¬ gangs mit der PDS. Nach der deutschen Einheit sicherten die Kader der SED das Parteivermögen und den Mac.htanspruch; Die Grün- Foto: akg Der Bebel-Stab sollte ihn als legitimen Nachfolger August Bebels ausweisen: Wilhelm Pieck, KPD-Vorsitzender und später Mitvorsitzender der SED. Foto: AKG düng der PDS war der fast ein¬ malige Vorgang, daß eine ik¬ tatorische Partei den ganzen eigenen Ap arat über den Zu¬ sammenbruch des . Systems hinaus retten kann. Teile der SPD sind bereit, mit dem sozialdemokrati¬ schen Potential der PDS, also zum Beispiel mit Gysi, zuszu- sammenzuarbeiten. Doch ein ¦ „sozialdemokratisches Poten¬ tial“ kann der Berliner Histori¬ ker Rainer Eckert in der PDS nicht erkennen. Der ostdeut¬ sche SPD-Politiker. »Richard Schröder sieht es milder: Die PDS gefährde nicht die Demo¬ kratie, aber sie erschwere die Akzeptanz: „In der PDS sind sozusagen gelernte Df)R Bür¬ ger ohne DDR. i-. . . - Die alten Unterschiede zwi¬ schen Kommunisten und Sozi¬ al emokraten sind nicht ver¬ schwunden. Die PDS sei im Unterschied zur SPD nicht der Aufassung, daß sich soziale Gerechtigkeit innerhalb der bestehenden Gesellschaft her¬ steilen lasse, warnt Hansjörg Geiger, der Präsident des Bun¬ desamts für Verfassungs¬ schutz. Warum greift die SPD die PDS nicht genu an, fragt der brandenburgische SPD-Abge- ordnete Ste han Hilsberg bei , der Tagung in Tutzing: „Jede Form der Zusammenarbeit mit der PDS dient deren Eta¬ blierung, macht sie hoffähig und nützt nicht der SPD, son¬ dern der PDS.“ Und Annema-. rie-Renger schließlich-meint: Es gibt kein linkes Lager, weil Weg und Ziel unterschiedlich sind. Als Sozialdemokrat über sieben Jahre in Bautzen Gegner der Kommunisten landeten im Gefängnis-SED schloß Horst Kunze wegen „Schumacher-Tätigkeit aus Die genauen Zahlen kennt niemand: 1971 sch tzte die Kurt-Schumacher- Gesellschaft, daß nach der Zwangsvereinigung rund 400 Sozialdemokraten in der Haft starben, 5000 von ostdeutschen und sowjetischen Gerichten verur- ' teilt wurden und 20 000 ihren Arbeitsplatz verloren. Nach der Öffnung der SED-Archive müssen diese Zahlen wohl eher noch nach oben korrigiert wer¬ den. Eines er sozialdemokratischen Opfer, die in der Politischen Akademie Tutzing an einer Tagung über Kommunismus und Sozialdemokratie leilnah- men, ist der heute 71jährige Horst Kunze. NRZ: Sie sind ein Zeitzeuge,, -ein Opfer der Zwangsvereini-, gung.. ' Kunze: Ich bin nicht nur O -1 fer, ich bin auch Täter. Ich bin . ja nicht schuldlos verurteilt worden, sondern habe tatsäch-: . lieh etwas getan. Wir, einige Zwickauer Sozialdemokraten, haben illegal gearbeitet, weil . wir mit der Zwangsvereini- ; ung zur SED unzufrieden wa-, ren und schon in den ersten ! Monaten gesehen haben, wo der Hase hinläuft: In Richtung ; einer leninistischen Pa tei. NRZ: Was haben sie getan? , Kunze Wir, außer mir meist , ältere Sozialdemokraten, die r schon Erfahrungen aus der Zeit 'des Nationalsozialismus hatten und in Zwickau hohe Positionen bekleideten, habäh . uns als Gleichgesinnte zusam mengetan. Entscheidend war für uns auch das Unrecht, das die Anwesenheit der Besat¬ zung acht mit sich brachte. Ich war damals bei der rimi¬ nalpolizei und hatte einen gu¬ ten Einblick. NRZ: Worin bestand Ihre ille¬ gale Tätigkeit? Kunze: Wir haben von uns aus Verbindungen zum Ost- Büro der SPD in Berlin und zur SPD in Hannover hergestellt. Wir haben als Kuriere gearbei¬ tet. NRZ: Wann fielen sie auf? Kunze: Die ganze Sache ist i Dezember 19 8 aufgeflo¬ gen. Wir hatten einen Verrrä- ter in den eigenen Reihen. In der Nacht vom 20. zum 21. De¬ zember sind wir.' verhaftet worden. Wir waren : sieben Mann. Zwei waren alt und ge¬ brechlich, sie blieben von der haft verschont. Das Urteil kam Horst Kunze NRZ-Foto: Sabine Lennartz 1950 nach 13 Monaten Unter¬ suchungshaft vor dem sowjeti¬ schen Militärtribunal in Dres¬ den. Wegen wirtschaftlicher, militärischer und politischer Spionage sowie antisowjeti¬ scher Propaganda und Netzar- beit wurde ich zu 25 Jahren Haft verurteilt. Von diesen 25 . Jahren habe ich siebeneinhalb Jahre in Bautzen verbüßt. . NRZ: Waren Sie dort mit Ih¬ ren Feunden zusa men? Kunze: Ja, zum Teil. In Baut¬ zen waren politische Häftlinge aller Richtungen, auch aus der CDU, vor allem aber aus der LDPD, und aus kirchlichen Gruppen. NRZ: Wann sind sie aus der SED ausgeschlossen worden? Kurize: Als ich 1956 aus der Haft entlassen wurde, fand ich zu Hause ein Schreiben der SED Zwickau, das zwei Mona¬ te nach meiner Verhaltung da¬ tiert war. Da stand drin, daß ich von einer Kreisdelegier- tenkonerenz wegen Schuma¬ cher- ätigkeit“ aus der Partei, ausgeschlossen worden sei. NRZ: Wie sind sie überhaupt in die SED geko men? Wur¬ den Sie nach der Zwangsverei¬ nigung gefragt? Kunze: Nein, das. lief auto¬ matisch. Wer Mitglied in der KPD oder der SPD war, wurde zum Zeitpunkf der Vereini¬ gung ohne besondere Befra¬ gung oder Willensäußerung einfach in die SED übemom- Übrigens: Horst Kunze wurde am 20. Mai 1995 von der Gene¬ ralstaatsanwaltschaft der Rus¬ sischen Föderation in Moskau als Opfer politischer Repres¬ sionen rehabilitiert. „Zur PDS nicht die geringste Nähe Die SPD-Politikerin Annemarie Renger über Lehren aus der Vergangenheit Annemarie Renger, 1 die 76jährige SPD-Politikerin und Ex-Bundestagspräsidentin, engste Vertraute des früheren SPD-Vorsitzenden Kurt Schu¬ macher, erinnert sich an die Zwangs ereinigung der KPD und Ost-SPD zur SED. NRZ: Wie haben Sie vor 50 Jahren den 21. April, den Tag der-Zwangsvereinigung, emp- funden? -I ' Ren er Ich hatte Kürt Schu¬ macher zu den Versammlun¬ gen begleitet, die den Wider¬ stand gegen diese Zwangsver¬ eini ung und die ersten freien Wahlen im West-Berlin i Oktober vorbereiteten. Domi¬ nierend war das Gefühl, daß sich die West-Berliner SPD ge¬ gen diesen Machtanspruch er¬ hoben hatte und erfolgreich war. In der Urabstimmung sprachen sich 82,5 Prozent ge¬ gen die Zwan svereinigung aus. Das war ein Sieg über die Grotewohl-Gruppe. NRZ: Erinnern Sie sich an die Reaktion von Schumacher, als die Zwangsvereinigung besie¬ gelt war? Renger: Die eigentlichen Auseinandersetzungen waren vorher gelaufen. In Wennigsen war im Oktober 1945 die ent¬ scheidende Sitzung, nach der Schumacherschon davon aus¬ ging, daß Grotewohl sein Ver¬ sprechen nicht einhalten wür¬ den, eher die Partei aufzulösen als der Zwangsvereinigung zu¬ zustimmen. Denn Schuma¬ cher hat ihn für zu schwach gehalten, zu widerstehen. ¦ NRZ: Hat er Grotewohl ver-, achtet? Ren er: Dazu reichte es nicht. NRZ: Hatte er Mitleid? Renger Nein. Schumachers Forderung, die Partei aufzulö¬ sen, sollte eine Sicherheit für die Mitglieder und Funktionä¬ re der SPD sein. Jedem war doch klar, daß nach der Zwangsvereinigung die Par¬ teilisten offenliegen würden und der sowjetischen Militär¬ regierung den Zugriff ermög¬ lichten. . NRZ: NRZ:.HahSchumacher "geglaubt, dieser "Schritt wird aNRz Hatte er die die Teilung eines Renger: Selbstverständlich. Schuma¬ cher ordnete die ganze West¬ politik immer der ZielvorsteT .lung unter, nichts zu tun, was die Wiedervereinigung un¬ möglich macht. NRZ: Welche Lehren sollte die SPD aus der Zwangsverei¬ nigung ziehen, etwa im Um¬ gang mit der SED-Nachfolgerin PDS? ' ' Renger: Ich verstehe die ganze Diskussion um ie PDS nicht. Wir Sozialdemokraten ' sind diejenigen, die am allerwenig¬ sten eine Nähe zur PDS haben - wegen ihrer Verknüpfung mit der ehemaligen SED. Die PDS hat bisher keine Erkl ¬ rung, geschweige denn ein Schuldbekenntnis abgegeben. Auch ihr Verhältnis zum Grundgesetz ist nicht eindeu¬ tig. Solange das so ist, gibt es eine Plattform, mit der PDS irgendeine Nähe zu gewinnen. . Die SPD bleibt der größte Geg¬ ner der PDS. Annemarie Renger mit Kurt Schumacher i Wahlkampf 1949. Foto: dpa

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Die Hand der SPD erstVor 50 Jahren in Berlin: Die Zwangsvereinigung der Ost-SPD mit der KPD zur SED war kein Akt des freien Willens

: Von SABINE LENNARTZ ;V; '

„Der historische Handschlag zwischen Wilhelm Pieck (KPD) und Otto Grotewohl (SPD) be¬siegelte vor 50 Jahren, am 21. April 1946, die neue Einheitspartei SED im Osten Deutschlandsun .damit das Ende der Sozialdemokratie in der sojwetischen Zone. Die Kommunisten hattensich die SPD einverleibt. „Die Hand der SPD wurde erst ergriffen, dann abgehackt . Treffen¬der als der SPD-Politiker Egon Bahr kann man die Zwangsvereinigung der KPD und der SPDnicht beschreiben. Heute, 50 Jahre später, muß sich die SPD gegen eine unge öhnliche Allianz

i von Konservativen und der SED-Nachfolgerin PDS wehren, die die „Zwangsvereinigung“ an-zweifeln, den Zwang herunterspielen. Ein unglaublicher Vorgang , wie die große alte Dame

: der SPD, Annemarie Renger, damals Kurt Schumachers engste Vertraute, sagt.

• Zur Aufarbeitung der so-.: zialdemo ratischen Geschieh- •

¦ te gehört die Jahrhundert-Kon¬rontation zwischen Kommu¬ismus und Sozialdemokratie,

! im Gefolge auch die Auseinan-;i dersetzung mit der Nachfolge-: Partei der SED, der PDS DiePolitische Akademie in Tut-

Zu jener Zeit gab es in der, KPD auch durchaus national¬

bolschewistische Züge. Sozial¬emokratische Versam lun¬

gen Schumachers wurdenauch von Kommunisten ge¬stört. ,

Diese tiefen Gegensätze ver¬suchte Schumacher erst in der

Für ihn waren Kommunisten „rotlackierte Faschisten :- Kurt. Schumacher wurde'im Mai 1946 beim ersten Nachkriegspartei¬tag der SPD der Westzonen und West-Berlins in Hannover zumVors[tzenden_der SPD gewählt. ' • Foto: AKG

zing ging dieser Frage in Zu-MiNot zu überwinden. 1933 rief,'sammenarbeit.i-niih der' Kuil-j j er.auch KP-AJ-beitefdüfMit-Schumacher-Gesellschaftnach. Zu 50. Jahrestag derZwangsvereinigung waren

. rund um Annemarie Renger,die Präsidentin der Kurt-Schu-

; ¦ macher-Gesellschaft, auch ei-! nige Zeitzeugen versammelt.I Zeugen des Drucks, Zeugen

der Verfolgung und Repressi-, on der Sozialdemokraten ini der sowjetischen Besatzun s-! Zone nach der Zwangsvereini¬

gung von SPD und KPD. -Die Wurzeln der Trennung,

•von Kommunisten und Sozial-; demokraten reichen freilich- viel weiter zurück. Wie der Hi-l/storiker Volker Schober (Hei¬

delberg) in Tutzing berichtete,hatte urt Schumacher ein-

¦ mal selbst das Jahr 1923 als dasschwierigste bezeichnet. Der

- Widerstand gegen die NSDAPnahm die ganze Kraft Schuma¬chers ein. Doch SPD und KPD

1 kämpften nicht Seite an Seite.

hilfe im Widerstand ge en denFaschismus auf: Nicht zumBruderkampf, son ern zumKlassenkampf. Doch der ge¬meinsame Widerstand schei¬terte.'

Unter den Nationalsoziali¬sten hatten Sozialdemokratenund Kommunisten gleicher¬maßen zu leiden. Doch auch inder Verfolgung trennend warund blieb die Grun idee-Schumachers SPD wollte denSozialismus in der De okratieverwirklichen, für die Kom¬munisten heiligte der Zweckdie Wege auch jenseits der De¬mokratie. -

Nach dem Krieg'fanden imJuni 1945 erste Gespräche zwi¬schen der SPD und der KPDstatt. Die Sozialdemokratenwollten die . alten Feindselig¬keiten begraben, auch aus derEinsicht heraus, daß dieFeindschaft zwischen SPD

und KPD Hitler den Weg zurMacht erleichtert hatten.

ln Wennigsen bei Hannoverwurde die SPD neu ge egrün-det. Zwei überregionale Zen¬tren, Hannover und Berlin,kristallisierten sich heraus, lnHannover eröffnete das SPD-Büro mit gesamtdeutschemAnspruch, doch dieser An¬spruch endete an der Demar-

ationslinie zur SBZ.Die KPD hoffte unterdessen,

im Osten zur-dominierendenKraft zu werden. Ab demHerbst 1945 wuchs der Druck

.der Kommunisten. WalterUlbricht und . Wilhel Piec wollten, wie Johannes Rau esheute ausdrückt, „die Gunstder Stunde nutzen und in der,sowjetisch besetzten Zoneeine schlagkräftige kommuni¬stische Parteiorganisation auf¬bauen, in der Erwartung, diest rkste politische Kraft derdeutschen Arbeiterbewegung -zu werden. .

Doch die Erwartungen tro¬gen: Die Sozialdemokratenhatten die breitere Basis, ieKPD wurde durch ihre Nähezur sowjetischen Militäradmi¬nistration immer unbeliebter.Der Gleichschaltungsdruckder KPD wurde daraufhin im¬mer stärker. Ulbricht drängte,Grotewohl wehrte zunächstab. Doch bald wurde die SPD,wie Grotewohl sagte, von „rus¬sischen Bajonetten gekitzelt ..

Die SPD in der sowjetischbesetzten Zone brachte'nichtmehr ie Kraft auf, eine Urab-,Stimmung . durchzusetzfen. '

,.Wie sie ausgefalle ,wäre, war.,lar. Denn in West-Berlin kam

sie am 31. ärz 1946 zustande:, 82 Prozent lehnten-cin Zusam¬mengehen mit der KPD ab.

Was dann am 20./21. A rilbeim zonalen Parteitag in Ber¬lin geschah, war vorauszuse¬hen: Die Zwangsvereini ungvon SPD und KPD zur SED.Mitglieder der beiden Parteienwurden einfach übernommen,wer austrat, geriet in Gefahr.Kurt-Schumacher hatte richtigvorausgesehen, daß die KPDdurch .die Gründung der SEDeinen „großen Blutspender“,nämlich die SPD, suchte. Dieweitere Geschichte ist be¬kannt. Die SED im Osten wur¬de 1948 nach dem Vorbild derKPdSU eine zentralistischeun kommunistische Partei.Die Volkspartei SPD im We¬sten öffnete sich mit ihrem Go¬desberger Programm für breiteSchichten der Bevölkerung.

FApj-. 1-lanHQf'hlan cler die Z angsvereinigung besiegelte. Wilhelm Pieck, Vorsitzender der KPD (links) und Otto- ' i ne IUoL>l llay, Grotewohl, Berliner ZentralausschuS der SPD, reichen sich im Berliner Admiralspalast die

Hand. Sie wurden gleichberechtigte Vorsitzende der SED. Walter Ulbricht (vorne rechts) brachte es nur zum Stellvertreter, gab inder Partei jedoch den Ton an.

• Daß die Diskussion über dieVereinigung der Sozialdemo¬kraten und Kommunisten im ,Osten Deutschlands vor 50Jahren heute über den feinenGedenktag hinaus wieder inden Blickpunkt rückt, liegt ander aktuellen Frage des Um¬gangs mit der PDS.

Nach der deutschen Einheitsicherten die Kader der SEDdas Parteivermögen und denMac.htanspruch; Die Grün-

Foto: akg

Der Bebel-Stab sollte ihn alslegitimen Nachfolger AugustBebels ausweisen: WilhelmPieck, KPD-Vorsitzender undspäter Mitvorsitzender derSED. Foto: AKG

düng der PDS war der fast ein¬malige Vorgang, daß eine ik¬tatorische Partei den ganzeneigenen Ap arat über den Zu¬sammenbruch des . Systemshinaus retten kann.

Teile der SPD sind bereit,mit dem sozialdemokrati¬schen Potential der PDS, alsozum Beispiel mit Gysi, zuszu-sammenzuarbeiten. Doch ein ¦„sozialdemokratisches Poten¬tial“ kann der Berliner Histori¬ker Rainer Eckert in der PDSnicht erkennen. Der ostdeut¬sche SPD-Politiker. »RichardSchröder sieht es milder: DiePDS gefährde nicht die Demo¬kratie, aber sie erschwere dieAkzeptanz: „In der PDS sindsozusagen gelernte Df)R Bür¬ger ohne DDR. i-. . .- Die alten Unterschiede zwi¬schen Kommunisten und Sozi¬al emokraten sind nicht ver¬schwunden. Die PDS sei imUnterschied zur SPD nicht derAufassung, daß sich sozialeGerechtigkeit innerhalb derbestehenden Gesellschaft her¬steilen lasse, warnt HansjörgGeiger, der Präsident des Bun¬desamts für Verfassungs¬schutz.

Warum greift die SPD diePDS nicht genu an, fragt derbrandenburgische SPD-Abge-ordnete Ste han Hilsberg bei ,der Tagung in Tutzing: „JedeForm der Zusammenarbeitmit der PDS dient deren Eta¬blierung, macht sie hoffähigund nützt nicht der SPD, son¬dern der PDS.“ Und Annema-.rie-Renger schließlich-meint:Es gibt kein linkes Lager, weilWeg und Ziel unterschiedlichsind.

Als Sozialdemokrat über sieben Jahre in BautzenGegner der Kommunisten landeten im Gefängnis-SED schloß Horst Kunze wegen „Schumacher-Tätigkeit aus

Die genauen Zahlen kennt niemand: 1971 sch tzte die Kurt-Schumacher-Gesellschaft, daß nach der Zwangsvereinigung rund 400 Sozialdemokraten inder Haft starben, 5000 von ostdeutschen und sowjetischen Gerichten verur-

' teilt wurden und 20 000 ihren Arbeitsplatz verloren. Nach der Öffnung der

SED-Archive müssen diese Zahlen wohl eher noch nach oben korrigiert wer¬den. Eines er sozialdemokratischen Opfer, die in der Politischen AkademieTutzing an einer Tagung über Kommunismus und Sozialdemokratie leilnah-men, ist der heute 71jährige Horst Kunze.

NRZ: Sie sind ein Zeitzeuge,,-ein Opfer der Zwangsvereini-,gung.. 'Kunze: Ich bin nicht nur O -1fer, ich bin auch Täter. Ich bin

. ja nicht schuldlos verurteiltworden, sondern habe tatsäch-:

. lieh etwas getan. Wir, einige Zwickauer Sozialdemokraten,haben illegal gearbeitet, weil

. wir mit der Zwangsvereini-; ung zur SED unzufrieden wa-,ren und schon in den ersten

! Monaten gesehen haben, woder Hase hinläuft: In Richtung

; einer leninistischen Pa tei.NRZ: Was haben sie getan? ,Kunze Wir, außer mir meist

, ältere Sozialdemokraten, dier schon Erfahrungen aus der

Zeit 'des Nationalsozialismushatten und in Zwickau hohePositionen bekleideten, habäh

. uns als Gleichgesinnte zusam mengetan. Entscheidend war

für uns auch das Unrecht, dasdie Anwesenheit der Besat¬zung acht mit sich brachte.Ich war damals bei der rimi¬nalpolizei und hatte einen gu¬ten Einblick.

NRZ: Worin bestand Ihre ille¬gale Tätigkeit?

Kunze: Wir haben von unsaus Verbindungen zum Ost-Büro der SPD in Berlin und zurSPD in Hannover hergestellt.Wir haben als Kuriere gearbei¬tet.

NRZ: Wann fielen sie auf?Kunze: Die ganze Sache ist

i Dezember 19 8 aufgeflo¬gen. Wir hatten einen Verrrä-ter in den eigenen Reihen. Inder Nacht vom 20. zum 21. De¬zember sind wir.' verhaftetworden. Wir waren : siebenMann. Zwei waren alt und ge¬brechlich, sie blieben von derhaft verschont. Das Urteil kam

Horst KunzeNRZ-Foto: Sabine Lennartz

1950 nach 13 Monaten Unter¬suchungshaft vor dem sowjeti¬schen Militärtribunal in Dres¬den. Wegen wirtschaftlicher,militärischer und politischerSpionage sowie antisowjeti¬scher Propaganda und Netzar-beit wurde ich zu 25 JahrenHaft verurteilt. Von diesen 25 .Jahren habe ich siebeneinhalbJahre in Bautzen verbüßt.. NRZ: Waren Sie dort mit Ih¬

ren Feunden zusa men?Kunze: Ja, zum Teil. In Baut¬

zen waren politische Häftlingealler Richtungen, auch aus derCDU, vor allem aber aus derLDPD, und aus kirchlichenGruppen.

NRZ: Wann sind sie aus derSED ausgeschlossen worden?Kurize: Als ich 1956 aus derHaft entlassen wurde, fand ichzu Hause ein Schreiben derSED Zwickau, das zwei Mona¬

te nach meiner Verhaltung da¬tiert war. Da stand drin, daßich von einer Kreisdelegier-tenkonerenz wegen Schuma¬cher- ätigkeit“ aus der Partei,ausgeschlossen worden sei.

NRZ: Wie sind sie überhauptin die SED geko men? Wur¬den Sie nach der Zwangsverei¬nigung gefragt?

Kunze: Nein, das. lief auto¬matisch. Wer Mitglied in derKPD oder der SPD war, wurdezum Zeitpunkf der Vereini¬gung ohne besondere Befra¬gung oder Willensäußerungeinfach in die SED übemom-

Übrigens: Horst Kunze wurdeam 20. Mai 1995 von der Gene¬ralstaatsanwaltschaft der Rus¬sischen Föderation in Moskauals Opfer politischer Repres¬sionen rehabilitiert.

„Zur PDS nichtdie geringste Nähe

Die SPD-Politikerin Annemarie Rengerüber Lehren aus der Vergangenheit

Annemarie Renger, 1 die76jährige SPD-Politikerin undEx-Bundestagspräsidentin,engste Vertraute des früherenSPD-Vorsitzenden Kurt Schu¬macher, erinnert sich an dieZwangs ereinigung der KPDund Ost-SPD zur SED.

NRZ: Wie haben Sie vor 50Jahren den 21. April, den Tagder-Zwangsvereinigung, emp-funden? -I '

Ren er Ich hatte Kürt Schu¬macher zu den Versammlun¬gen begleitet, die den Wider¬stand gegen diese Zwangsver¬eini ung und die ersten freienWahlen im West-Berlin i Oktober vorbereiteten. Domi¬nierend war das Gefühl, daßsich die West-Berliner SPD ge¬gen diesen Machtanspruch er¬hoben hatte und erfolgreichwar. In der Urabstimmungsprachen sich 82,5 Prozent ge¬gen die Zwan svereinigungaus. Das war ein Sieg über dieGrotewohl-Gruppe.

NRZ: Erinnern Sie sich an dieReaktion von Schumacher, alsdie Zwangsvereinigung besie¬gelt war?

Renger: Die eigentlichenAuseinandersetzungen warenvorher gelaufen. In Wennigsenwar im Oktober 1945 die ent¬scheidende Sitzung, nach derSchumacherschon davon aus¬ging, daß Grotewohl sein Ver¬sprechen nicht einhalten wür¬den, eher die Partei aufzulösenals der Zwangsvereinigung zu¬zustimmen. Denn Schuma¬cher hat ihn für zu schwachgehalten, zu widerstehen. ¦

NRZ: Hat er Grotewohl ver-,achtet?Ren er: Dazu reichte es nicht.

NRZ: Hatte er Mitleid?Renger Nein. Schumachers

Forderung, die Partei aufzulö¬sen, sollte eine Sicherheit fürdie Mitglieder und Funktionä¬re der SPD sein. Jedem wardoch klar, daß nach derZwangsvereinigung die Par¬teilisten offenliegen würdenund der sowjetischen Militär¬regierung den Zugriff ermög¬lichten. .

NRZ: NRZ:.HahSchumacher"geglaubt, dieser "Schritt wird

aNRz Hatte er diedie Teilung eines

Renger:Selbstverständlich. Schuma¬cher ordnete die ganze West¬politik immer der ZielvorsteT

.lung unter, nichts zu tun, wasdie Wiedervereinigung un¬möglich macht.

NRZ: Welche Lehren solltedie SPD aus der Zwangsverei¬nigung ziehen, etwa im Um¬gang mit der SED-NachfolgerinPDS? '

' Renger: Ich verstehe die ganzeDiskussion um ie PDS nicht.Wir Sozialdemokraten ' sinddiejenigen, die am allerwenig¬sten eine Nähe zur PDS haben- wegen ihrer Verknüpfungmit der ehemaligen SED. DiePDS hat bisher keine Erkl ¬rung, geschweige denn einSchuldbekenntnis abgegeben.Auch ihr Verhältnis zumGrundgesetz ist nicht eindeu¬tig. Solange das so ist, gibt es

eine Plattform, mit der PDSirgendeine Nähe zu gewinnen.

. Die SPD bleibt der größte Geg¬ner der PDS.

Annemarie Renger mit Kurt Schumacher i Wahlkampf 1949.Foto: dpa